GmbHG: Kommentar 9783814558196

Der vorliegende Kommentar erläutert das GmbHG praxistauglich in knapper Form, aber zugleich präzise, wissenschaftlich fu

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GmbHG: Kommentar
 9783814558196

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Bork/Schäfer (Hrsg.) GmbH-Gesetz

GmbHG Kommentar zum GmbH-Gesetz 4. Auflage

Herausgegeben von Prof. Dr. Reinhard Bork, Hamburg Prof. Dr. Carsten Schäfer, Mannheim

Bearbeitet von Prof. Dr. Arnd Arnold, Prof. Dr. Michael Arnold, Prof. Dr. Klaus Bartels, Prof. Dr. Reinhard Bork, Dr. Felix Born, Dr. Stephan Brandes, Prof. Dr. Matthias Casper, Dr. Kirsten Discher, Prof. Dr. Florian Jacoby, Prof. Dr. Peter Kindler, Prof. Dr. Lars Klöhn, Dr. Andreas Masuch, Prof. Dr. Volker Rieble, Prof. Dr. Markus Roth, Prof. Dr. Carsten Schäfer, Prof. Dr. Ulrich G. Schroeter, Prof. Dr. Wolfgang Servatius, Prof. Dr. Jan Thiessen, Dr. Thomas Wachter, Prof. Dr. Marc-Philippe Weller, Prof. Dr. Carl-Heinz Witt

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH · Köln

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © 2019 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH Postfach 27 01 25, 50508 Köln E-Mail: [email protected], Internet: http://www.rws-verlag.de Das vorliegende Werk ist in all seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der Übersetzung, des Vortrags, der Reproduktion, der Vervielfältigung auf fotomechanischem oder anderen Wegen und der Speicherung in elektronischen Medien. Satz und Datenverarbeitung: SEUME Publishing Services GmbH, Erfurt Druck und Bindung: CPI books, Leck

Vorwort Dieser Kommentar ist in seiner 1. Auflage in einer für einen neuen GmbHKommentar günstigen Zeit erschienen. Das Gesetz zur Modernisierung des GmbHRechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 hatte das GmbHG zweifellos der größten Remedur seit seines Inkrafttretens 1892 unterworfen, und vor diesem Hintergrund musste es durchaus als Startvorteil angesehen werden, dass der kommentierende Text von vornherein und gleichsam aus einem Guss ausschließlich die neue Gesetzesfassung zugrunde legen konnte und keinerlei Altlasten zu verarbeiten hatte. Außerdem hatte das MoMiG der ohnehin höchst erfolgreichen Rechtsform GmbH durch seine zahlreichen Änderungen, vor allem zur Erleichterung und Beschleunigung der Gründung, erneut starken Auftrieb gegeben. Mit ihrer neuen Variante, der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), war der vorübergehend auch in Deutschland heimisch gewordenen englischen (private) „limited“ überdies eine Konkurrenz erwachsen, die schon nach wenigen Monaten die Nachfrage nach dieser Auslandsrechtsform für Inlandsaktivitäten praktisch zum Erliegen gebracht hatte. An der Wettbewerbsfähigkeit der GmbH kann daher aufgrund ihrer gründlichen Renovierung auch für die Zukunft kein Zweifel bestehen, zumal sie seither auch für Auslandsaktivitäten eingesetzt werden kann. Der vorliegende Kommentar will das GmbHG knapp und praxistauglich, aber zugleich präzise, wissenschaftlich fundiert und auf hohem Niveau erläutern. Herausgeber und Verlag sind überzeugt, dass ein für diese Zwecke hervorragend geeignetes Autorenteam gewonnen werden konnte. Ein weiteres Merkmal des Kommentars ist dessen Betonung insolvenzrechtlicher Bezüge; die Thematik der GmbH in Krise und Insolvenz ist ihm ein besonderes Anliegen. Deshalb eignet sich das Werk gerade auch für Insolvenzverwalter, für die GmbH-Insolvenzen ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit bleiben werden. Eine wiederum sehr lebhafte Rechtsentwicklung im GmbH-Recht, vor allem eine vielfältige Rechtsprechung, aber auch die unverändert erfreuliche Aufnahme des Werks haben seine vierte Auflage erforderlich gemacht. Ferner waren die – mit neuem Inhalt – wiederbelebten §§ 86 – 88 GmbHG in den Kommentar zu integrieren. Sie betreffen die Sicherung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in Unternehmen von öffentlichem Interesse. Markus Roth hat sich dieser Aufgabe dankenswerterweise angenommen. Der Kreis der Autoren ist im Übrigen erfreulich konstant geblieben. Der aktuellen Auflage liegt ein Bearbeitungsstand von Januar 2019 zugrunde. Autoren, Herausgeber und Verlag sind auch künftig dankbar für Anregungen und Kritik, die uns in dem Bestreben unterstützen, eine auf aktuellem Stand befindliche Handreichung für die Praxis zur Verfügung zu stellen. Hamburg und Mannheim, im Februar 2019

Reinhard Bork Carsten Schäfer

V

Inhaltsübersicht Seite Vorwort ....................................................................................................................... V Bearbeiterverzeichnis ............................................................................................... IX Literaturverzeichnis ................................................................................................. XI Einleitung .................................................................................................................... 1

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) Abschnitt 1 Abschnitt 2

Abschnitt 3 Abschnitt 4 Abschnitt 5 Abschnitt 6

Errichtung der Gesellschaft §§ 1 – 12 ................................................................................... 21 Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter §§ 13 – 34 ............................................................................... 307 Anhang zu § 13 .............................................................. 332 Anhang zu § 30 .............................................................. 567 Vertretung und Geschäftsführung §§ 35 – 52 ............................................................................... 781 Abänderungen des Gesellschaftsvertrags §§ 53 – 59 ............................................................................. 1147 Auflösung und Nichtigkeit der Gesellschaft §§ 60 – 77 ............................................................................. 1277 Ordnungs-, Straf- und Bußgeldvorschriften §§ 78 – 88 ............................................................................. 1417

Stichwortverzeichnis ........................................................................................... 1443

VII

Bearbeiterverzeichnis Prof. Dr. iur. Arnd Arnold............................................................................... §§ 53 – 54 Diplom-Volkswirt Universität Trier Prof. Dr. Michael Arnold ................................................................................. §§ 55 – 59 Rechtsanwalt Gleiss Lutz, Stuttgart Honorarprofessor an der Eberhard Karls Universität Tübingen Prof. Dr. Klaus Bartels ..................................................................................... §§ 19 – 28 Universität Hamburg Prof. Dr. Reinhard Bork ........................................................................................... § 64 Universität Hamburg Dr. Felix Born .................................................................................................. §§ 55 – 59 Rechtsanwalt Oppenländer, Stuttgart Dr. Stephan Brandes ........................................................................................ §§ 15 – 18 Rechtsanwalt SZA Schilling, Zutt & Anschütz, Frankfurt a. M. Prof. Dr. Matthias Casper ......................................................................................... § 47 Diplom-Ökonom Westfälische Wilhelms-Universität Münster Dr. Kirsten Discher .......................................................................................... §§ 13 – 14 General Counsel

(Anhang zu § 13)

SIMONA AG, Kirn Prof. Dr. Florian Jacoby .................................................................................. §§ 35 – 39 Universität Bielefeld Prof. Dr. Peter Kindler...............................................................................................§ 4a Ludwig-Maximilians-Universität München IX

Bearbeiterverzeichnis Prof. Dr. Lars Klöhn, LL.M. (Harvard)......................................................... §§ 43 – 44 Humboldt-Universität zu Berlin Dr. Andreas Masuch ......................................................................................... §§ 45 – 46 Rechtsanwalt, FAHandels-/GesR

§§ 48 – 51b

MELCHERS, Heidelberg Lehrbeauftragter an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Prof. Dr. Volker Rieble ............................................................................................. § 36 Ludwig-Maximilians-Universität München (ZAAR)

§ 52

Prof. Dr. Markus Roth ..................................................................................... §§ 60 – 63 Philipps-Universität Marburg

§§ 78 – 88

Prof. Dr. Carsten Schäfer ................................................................................ Einleitung Universität Mannheim

§§ 1 – 4 §§ 5 – 7

Prof. Dr. Ulrich G. Schroeter........................................................................... §§ 11 – 12 Universität Basel Prof. Dr. Wolfgang Servatius............................................................................ §§ 65 – 77 Universität Regensburg Prof. Dr. Jan Thiessen ...................................................................................... §§ 30 – 34 Humboldt-Universität zu Berlin

(Anhang zu § 30)

Dr. Thomas Wachter .......................................................................................... §§ 8 – 10 Notar

§ 40

München Prof. Dr. Marc-Philippe Weller........................................................................ §§ 13 – 14 Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

(Anhang zu § 13)

Prof. Dr. Carl-Heinz Witt, LL.M. (Georgetown) ................................................... § 29 Universität Erfurt

X

§§ 41 – 42a

Literaturverzeichnis Weitere themenspezifische Literatur, Zeitschriften- und Festschriftbeiträge sind in den Literaturübersichten der jeweiligen Kommentierung aufgeführt. Arens, AnwaltFormulare Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2007 Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG/DONot, Kommentar, 6. Aufl. 2013 (zit.: Armbrüster/Preuß/Renner-Bearbeiter, BeurkG/DONot) Arnold, M., Der Gewinnauszahlungsanspruch des GmbH-Minderheitsgesellschafters, 2001 Bachmann/Casper/Schäfer/Veil (Hrsg.), Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2007 (zit.: Bearbeiter in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts) Baltzer, Der Beschluss als rechtstechnisches Mittel organschaftlicher Funktion im Privatrecht (Beiträge zum Zivilrecht und Zivilprozeß, Heft 14), 1965 Banerjea, Die Gesellschafterklage im GmbH- und Aktienrecht, 2000 (zit.: Die Gesellschafterklage) Bartels, Dogmatik und Effizienz im Recht der Zwangsversteigerung, 2010 Bartl/Bartl/Fichtelmann/Koch/Schlarb/Schmitt, GmbHG, Kommentar, 7. Aufl. 2014 (zit.: Bartl u. a.-Bearbeiter, GmbHG) Bastuck, Enthaftung des Managements, 1986 Baumbach/Hopt, HGB, Kommentar, 38. Aufl. 2018 (zit.: Baumbach/Hopt-Bearbeiter, HGB) Baumbach/Hueck, GmbHG, Kommentar, 21. Aufl. 2017 (18. Aufl. 2005, 19. Aufl. 2010, 20. Aufl. 2013) (zit.: Baumbach/Hueck-Bearbeiter, GmbHG) Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Kommentar, 72. Aufl. 2014 (zit.: Baumbach/Lauterbach-Bearbeiter, ZPO) Bayer/Koch, Das neue GmbH-Recht, 2008 BDI/Hengeler Mueller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, 2006 Beck, Kritik des Eigenkapitalersatzrechts, 2006 Beck’scher Bilanz-Kommentar, hrsg. v. Ellrott/Förschle/Kozikowski/Winkeljohann, Handels- und Steuerbilanz, 11. Aufl. 2018 (zit.: Bearbeiter in: Beck’scher Bilanz-Kommentar) Beck’scher Online-Kommentar BGB, hrsg. v. Bamberger/Roth, Edition 47 (Stand: 1.8.2018) (zit.: Bearbeiter in: BeckOK-BGB)

XI

Literaturverzeichnis Beck’scher Online-Kommentar zum GmbHG, hrsg. v. Ziemons/Jaeger, Edition 36 (Stand: 1.8.2018) (zit.: Bearbeiter in: BeckOK-GmbHG) Beck’sches Formularbuch Zivil-, Wirtschafts- und Unternehmensrecht, hrsg. v. Walz, Deutsch-Englisch, 4. Aufl. 2018 (zit.: Bearbeiter in: Beck’sches Formularbuch) Beck’sches Handbuch der GmbH, hrsg. v. Müller/Winkeljohann, 5. Aufl. 2014 (zit.: Bearbeiter in: Beck’sches Hdb. GmbH) Beck’sches Notarhandbuch, hrsg. v. Brambring/Jerschke, 6. Aufl. 2015 (zit.: Bearbeiter in: Beck’sches Notarhandbuch) Beck’sches Prozessformularbuch, hrsg. v. Mes, 13. Aufl. 2016 (zit.: Bearbeiter in: Beck’sches Prozessformularbuch) Berg, Schwebend unwirksame Beschlüsse privatrechtlicher Verbände, 1994 Berger, Der Aufrechnungsvertrag, 1996 Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung im Schuldverhältnis, 1969 Bitter, Rechtsträgerschaft für fremde Rechnung, 2006 Bonami, Der gemeinsame Betrieb mehrerer Unternehmen, 2003 Bork, Allgemeiner Teil des BGB, 3. Aufl. 2011 Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, 7. Aufl. 2014 Bork/Jacoby/Schwab (Hrsg.), FamFG, Kommentar, 3. Aufl. 2018 (zit.: Bork/Jacoby/Schwab-Bearbeiter, FamFG) Bormann/Kauka/Ockelmann (Hrsg.), Handbuch GmbH-Recht, 3. Aufl. 2015 (zit.: Bormann/Kauka/Ockelmann-Bearbeiter, Hdb. GmbHR) Böttcher/Ries, Formularpraxis des Registerrechts, 3. Aufl. 2015 Braun, Insolvenzordnung, Kommentar, 7. Aufl. 2017 (zit.: Braun-Bearbeiter, InsO) Brodmann, Aktienrecht, Kommentar, 1928 Brodmann, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1924 Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998 (zit.: Heilung nichtiger Beschlüsse) Coing, Die Treuhand kraft privaten Rechtsgeschäfts, 1973 Cranshaw/Michel/Paulus, Bankenkommentar zum Insolvenzrecht, 3. Aufl. 2016 (zit.: Cranshaw/Michel/Paulus-Bearbeiter, Bankenkommentar InsR) Daneshzadeh Tabrizi, Lizenzen in der Insolvenz nach dem Scheitern des Gesetzes zur Einführung eines § 108a InsO, 2011 Däubler/Kittner/Klebe/Wedde (Hrsg.), BetrVG – Betriebsverfassungsgesetz, Kommentar, 16. Aufl. 2018 (zit.: Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bearbeiter, BetrVG)

XII

Literaturverzeichnis Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer in der GmbH, 2003 (zit.: Der faktische Geschäftsführer) Dörrie, Die Testamentsvollstreckung im Recht der Personengesellschaften und der GmbH, 1994 Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, 7. Aufl. 2013 Duss/Linder (Hrsg.), Rechtstransfer in der Geschichte, 2006 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn (Hrsg.), HGB – Handelsgesetzbuch, Kommentar, Bd. 1, 3. Aufl. 2014 (zit.: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Bearbeiter, HGB) Eberspächer, Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen nach § 241 Nr. 3 AktG, 2009 Eicher, SGB II, Grundsicherung für Arbeitsuchende, 4. Aufl. 2017 Eickhoff, Die Praxis der Gesellschafterversammlung, 4. Aufl. 2006 Emmerich/Habersack (Hrsg), Aktien- und GmbH Konzernrecht, 8. Aufl. 2016 (zit.: Emmerich/Habersack-Bearbeiter, Konzernrecht) Ensthaler/Füller/B. Schmidt, GmbHG, Kommentar, 3. Aufl. 2015 Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, hrsg. v. Müller-Glöge/Preis/Schmidt, Beck’sche Kurzkommentare Bd. 51, 18. Aufl. 2018 (zit.: Bearbeiter in: ErfKomm) Fehrenbach, Der fehlerhafte Gesellschafterbeschluss in der GmbH, 2011 Feuerich/Weyland, Bundesrechtsanwaltsordnung: BRAO, Kommentar, 9. Aufl. 2016 (zit.: Feuerich/Weyland-Bearbeiter, BRAO) Fitting, Betriebsverfassungsrecht, Kommentar, 29. Aufl. 2018 (zit.: BetrVG) Fleischer (Hrsg), Handbuch des Vorstandsrechts, 2. Aufl. 2006 (zit.: Fleischer-Bearbeiter, Hdb. Vorstandsrecht) Fleischhauer/Preuß (Hrsg.), Handelsregisterrecht, 3. Aufl. 2014 Flessner, Wegfall der Bereicherung, Rechtsvergleichung und Kritik, 1970 Flume, Die juristische Person, 1983 (zit.: Flume, Jur. Person) Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, hrsg. v. Wimmer, 9. Aufl. 2018 (zit.: Bearbeiter in: FK-InsO) Frisch, Haftungserleichterung für den GmbH-Geschäftsführer nach Vorbild des Arbeitsrechts, 1996/97 (zit.: Haftungserleichterung) Ganter/Hertel/Wöstmann, Handbuch der Notarhaftung, 4. Aufl. 2018 (zit.: Hdb. Notarhaftung) Gassen/Wegerhoff, Elektronische Beglaubigung und elektronische Handelsregisteranmeldung in der Praxis, 2. Aufl. 2009

XIII

Literaturverzeichnis Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung: Gestaltung von Betriebsübergang, Outsourcing, Umwandlung, 2. Aufl. 2009 Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, Kommentar, 4. Aufl. 2019 v. Gerkan/Hommelhoff (Hrsg.), Handbuch des Kapitalersatzrechts, 2. Aufl. 2002 (zit.: Hdb. Kapitalersatzrecht) Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, Kommentar zum Arbeitsgerichtsgesetz, 9. Aufl. 2017 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, 1989 Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, 2. Aufl. 1994 Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbH-Geschäftsführer, 1986 (zit.: Arbeitnehmerschutz) Goette, Die GmbH, Darstellung anhand der Rechtsprechung des BGH, 2. Aufl. 2002 (zit.: Die GmbH) Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, 2008 Goette/Habersack (Hrsg.), Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, 2009 (zit.: Goette/Habersack-Bearbeiter, MoMiG) Goette/Kleindiek, Eigenkapitalersatzrecht in der Praxis, 6. Aufl. 2010 (zit.: Goette/Kleindiek-Bearbeiter, Eigenkapitalersatzrecht) Gottwald (Hrsg.), Insolvenzrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2015 (zit.: Gottwald-Bearbeiter, InsR-Hdb.) Graf-Schlicker (Hrsg.), Insolvenzordnung, Kommentar, 4. Aufl. 2014 (zit.: Graf-Schlicker-Bearbeiter, InsO) Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, 2006 (zit.: Gesellschafterhaftung) Grigoleit/Rieder, GmbH-Recht nach dem MoMiG, 2. Aufl. 2009 Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, 1987 Grünwald, Die deliktische Außenhaftung des GmbH-Geschäftsführers für Organisationsdefizite, 1996 (zit.: Außenhaftung für Organisationsdefizite) Haas, Geschäftsführerhaftung und Gläubigerschutz, 1997 Habersack, Die Mitgliedschaft – subjektives und „sonstiges“ Recht, 1996 (zit.: Die Mitgliedschaft) Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, 4. Aufl. 2018 (zit.: Habersack/Henssler-Bearbeiter, MitbestR) Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2011

XIV

Literaturverzeichnis Hachenburg, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, hrsg. v. Ulmer, 8. Aufl. 1990 ff (7. Aufl. 1979) (zit.: Hachenburg-Bearbeiter, GmbHG) Hahn/Mugdan, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Bd. 4: Materialien zur Konkursordnung, 1881 Hanau/Wackerbarth, Unternehmensmitbestimmung und Koalitionsfreiheit: Interessenkonflikte von Gewerkschaftsvertretern im Aufsichtsrat, 2004 Happ (Hrsg.), Aktienrecht, Handbuch – Mustertexte Kommentar, 5. Aufl. 2019 (zit.: Happ-Bearbeiter, Aktienrecht) Hartmann, Das neue Bilanzrecht und der Gesellschaftsvertrag der GmbH, 1986 Heckschen, Das MoMiG in der notariellen Praxis, 2009 Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, 4. Aufl. 2018 (zit.: Die GmbH) Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, Kommentar, 5. Aufl. 2019 (zit.: Heidel-Bearbeiter, AktR) Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack (Hrsg.), NomosKommentar BGB, Bd. 1: Bürgerliches Gesetzbuch Allgemeiner Teil und EGBGB, 3. Aufl. 2016 (zit.: Bearbeiter in: NK-BGB) Heinzmann, Die Neuordnung der Kapitalverhältnisse bei der Sanierung der GmbH, 1992 Heisse, Die Beschränkung der Geschäftsführerhaftung gegenüber der GmbH, 1988 Helms, A., Schadensersatzansprüche wegen Beeinträchtigung der Vereinsmitgliedschaft, 1998 (zit.: Beeinträchtigung der Vereinsmitgliedschaft) Henssler/Grau (Hrsg.), Arbeitnehmerüberlassung und Werkverträge, 2017 (zit.: Henssler/Grau-Bearbeiter, Arbeitnehmerüberlassung und Werkverträge) Henssler/Prütting (Hrsg.), Bundesrechtsanwaltsordnung, Kommentar, 4. Aufl. 2014 (zit.: Henssler/Prütting-Bearbeiter, BRAO) Henssler/Strohn (Hrsg.), Gesellschaftsrecht, BGB, HGB, PartGG, GmbHG, AktG, UmwG, GenG, IntGesR, Kommentar, 4. Aufl. 2019 (zit.: Henssler/Strohn-Bearbeiter, GesR) Henssler/Willemsen/Kalb (Hrsg.), Arbeitsrecht, Kommentar, 8. Aufl. 2018 (zit.: Henssler/Willemsen/Kalb-Bearbeiter) Henze/Timm/Westermann (Hrsg.), Gesellschaftsrecht, RWS-Forum 8, 1995 Heß, Intertemporales Privatrecht, 1998 Heßeler, Amtsunfähigkeit von GmbH-Geschäftsführern gemäß § 6 Abs. 2 GmbHG, 2009

XV

Literaturverzeichnis Heybrock (Hrsg.), Praxiskommentar zum GmbHG, 2. Aufl. 2010 (zit.: Heybrock-Bearbeiter, GmbHG) Hirte, Die vereinfachte Kapitalherabsetzung bei der GmbH, 1997 Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, 8. Aufl. 2016 Hirte/Mülbert/Roth (Hrsg.), Aktiengesetz Großkommentar, Bd. 4/1 und 4/2, 5. Aufl. 2015; Bd. 5, 5. Aufl. 2019 (zit.: Hirte/Mülbert/Roth-Bearbeiter, Großkomm-AktG) Hohmuth, Die Kapitalherabsetzung bei der GmbH, 1. Aufl. 2007 Hölters, Aktiengesetz, Kommentar, 3. Aufl. 2017 (zit.: Hölters-Bearbeiter, AktG) Holzner, Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) im Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsformen, 2011 Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2010 Hopt/Merkt, Bilanzrecht, Beck’sche Kurzkommentare, 2010 Hopt/Wiedemann (Hrsg.), Aktiengesetz, Großkommentar, 4. Aufl. 1992 ff s. a. nunmehr Hirte/Mülbert/Roth (Hrsg.), 5. Aufl. 2015 ff (zit.: Hopt/Wiedemann-Bearbeiter, Großkomm-AktG) Huber, M., Anfechtungsgesetz, Kommentar, 11. Aufl. 2016 Huber, N., Die Reichweite konzernbezogener Compliance-Pflichten des MutterVorstands des AG-Konzerns, 2013 Hübner, Managerhaftung, 1992 Hueck, A., Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Generalversammlungsbeschlüssen, 1924 Hüffer/Koch, Aktiengesetz, Kommentar, 13. Aufl. 2018 (Hüffer, AktG, Kommentar, 11. Aufl. 2014) (zit.: AktG) Hunscha, Die GmbH & Co. KG als Alleingesellschafterin ihrer Komplementärin, 1974 Ihrig, Die endgültige freie Verfügung über die Einlage von Kapitalgesellschaften, 1991 Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970 Jacobs, Der Gegenstand des Feststellungsverfahrens, 2005 Jacoby, Das private Amt, Habilitationsschrift 2007 Jaeger, Insolvenzordnung, Großkommentar, hrsg. v. Henckel/Gerhardt, Bd. 1: §§ 1 – 55, 2004; Bd. 2: §§ 56 – 102, 2007; Bd. 4: §§ 129 – 147, 2008 (zit.: Jaeger-Bearbeiter, InsO)

XVI

Literaturverzeichnis Jauernig (Hrsg.), BGB, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 17. Aufl. 2018 (zit.: Jauernig-Bearbeiter, BGB) Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, 3. Aufl. 2009 Karollus/Huemer, Die Fortbestehensprognose im Rahmen der Überschuldungsprüfung, 2. Aufl. 2006 Kayser/Thole (Hrsg.), Insolvenzordnung, 9. Aufl. 2018 Keidel, FamFG, Kommentar, 19. Aufl. 2017 (zit.: Keidel-Bearbeiter, FamFG) Kindler, Einführung in das neue IPR des Wirtschaftsverkehrs, 2009 Kindler/Nachmann (Hrsg.), Handbuch des Insolvenzrechts in Europa, 4. Aufl. 2014 (zit.: Hdb. Insolvenzrecht Europa) Klein, AO, Kommentar, 14. Aufl. 2018 Klöhn, Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009 (zit.: Aktien- und umwandlungsrechtliche Abfindungsansprüche) Kolbe, Mitbestimmung und Demokratieprinzip, 2013 Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB, Handelsgesetzbuch, Kommentar, 8. Aufl. 2015 (zit.: Koller/Kindler/Roth/Morck-Bearbeiter, HGB) Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, hrsg. v. Zöllner/Noack, Bd. 2/2: §§ 95 – 117, 3. Aufl. 2012 (zit.: Bearbeiter in: KölnKomm-AktG) Kölner Kommentar zum Umwandlungsgesetz, hrsg. v. Dauner-Lieb/Simon, 2009 (zit.: Bearbeiter in: KölnKomm-UmwG) Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Aufl. 1988 Kowalski, Der Ersatz von Gesellschafts- und Gesellschafterschaden, 1990 (zit.: Gesellschafts- und Gesellschafterschaden) Kraakman/Davies/Hansmann/Hertig/Hopt/Kanda/Rock, The Anatomy of Corporate Law, 3. Aufl. 2017 Krafka/Kühn, Registerrecht, 10. Aufl. 2017 Kreft, Insolvenzordnung, Heidelberger Kommentar, 7. Aufl. 2014 (zit.: Bearbeiter in: Kreft, HK-InsO) Kresse, Die Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften in der Rechtsform der GmbH und der AG, 2010 Krieger, Gesellschaftsrecht 1995, RWS-Forum, 1996 Krieger, Gesellschaftsrecht 1998, RWS-Forum, 1999 Krieger/Schneider, U. H. (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 3. Aufl. 2017 (zit.: Krieger/Schneider-Bearbeiter, Hdb. Managerhaftung)

XVII

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XVIII

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XXV

Einleitung Carsten Schäfer

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Carsten Schäfer

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Einleitung Eine Neubesinnung, AcP 199 (1999) 104; Schäfer, Insolvenzplan als Lösungsmittel für Mehrheits-/Minderheitskonflikte? – Lehren aus dem Fall Suhrkamp, ZIP 2013, 2237; Schäfer, Besondere Regelungen für börsennotierte und nichtbörsennotierte Gesellschaften?, NJW 2008, 2536; Schäfer, Reform des GmbHR durch das MoMiG – viel Lärm um nichts?, DStR 2006, 2085; Schäfer, Darlehensgewährung an Gesellschafter als verbotene Ausschüttung i. S. v. § 30 GmbHG – Todesstoß für das konzernweite Cash Pooling?, GmbHR 2005, 133; Schubert, Das GmbH-Gesetz von 1892 – „eine Zierde unserer Reichsgesetzsammlung“. Das historische Geschehen um die GmbH von 1888 bis 1902, in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992; Seibert, Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), ZIP 2008, 906; Seibert, Der Regierungsentwurf des MoMiG und die haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft, GmbHR 2007, 673; Seibert/Decker, Die GmbH-Reform kommt! Zur Verabschiedung des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) im Deutschen Bundestag, ZIP 2008, 1208; Simon/Merkelbach, Gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen im Insolvenzplanverfahren nach dem ESUG, NZG 2012, 121; Streck, Neue Aspekte zur Geschäftschancenlehre bei GmbH-Gesellschaftern, GmbHR 2005, 1157; Theile, Die Auswirkungen des Referentenentwurfs zum Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz auf die Rechnungslegung der GmbH, GmbHR 2007, 1296; Ulrich, Durchbrechung der Haftungsbeschränkung im GmbH-Unternehmensverbund und ihre Grenzen, GmbHR 2007, 1289; Vetter, Grundlinien der GmbH-Gesellschafterhaftung, ZGR 2005, 788; Wälzholz, Das MoMiG kommt, GmbHR 2008, 841; Weller, GmbH-Bestattung im Ausland, ZIP 2009, 2029; Weller, Die Neuausrichtung der Existenzvernichtungshaftung durch den BGH, ZIP 2007, 1681; Werner, Das deutsche Internationale Gesellschaftsrecht nach „Cartesio“ und „Trabrennbahn“, GmbHR 2009, 191; Westhoff, Die Verbreitung der englischen Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland, GmbHR 2007, 474; Wicke, Societas Unius Personae – SUP: eine äußerst wackelige Angelegenheit, ZIP 2014, 1414; Wulfetange, GmbH-Reform – Ende gut, alles gut?, BB 2008, 1461; Zülch/Hoffmann, Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz: Wesentliche Änderungen des Regierungsentwurfs gegenüber dem Referentenentwurf, BB 2008, 1272; Zülch/ Hoffmann, Der Referentenentwurf zum BilMoG: ein kritischer Literaturüberblick, DB 2008, 1053. Übersicht I. II. III. 1.

3.

Wesensmerkmale der GmbH .............. 1 Rechtstatsachen .................................... 8 Rechtsquellen ..................................... 12 Entwicklung des GmbHG bis zum MoMiG ................................................ 12 Europäische Rechtsvereinheitlichung ................................................. 14 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) ..... 15 a) Allgemeines .................................. 15 b) Gesetzgebungsgeschichte ............ 17 c) Einzelne wichtige Änderungen ..... 18 aa) Erleichterung des Gründungsverfahrens ..................................... 18

I.

Wesensmerkmale der GmbH

2.

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bb) Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit und Deregulierung ....... 23 cc) Missbrauchsbekämpfung ............. 27 4. Gesetz zur Modernisierung des Bilanz-Rechts (BilMoG) und FGG-Reform (FamFG) ...................... 29 a) BilMoG ......................................... 29 b) FamFG .......................................... 30 5. Weitere Gesetze .................................. 31 IV. Lückenausfüllung im GmbHRecht .................................................... 32 V. Richterliche Rechtsfortbildung im GmbH-Recht ................................ 35 VI. Internationales Gesellschaftsrecht ..................................................... 36

Das Gesetz definiert die GmbH zwar nicht ausdrücklich, aus den §§ 1, 2, 5, 11 und 13 ergeben sich aber ihre Begriffsmerkmale. Demnach ist sie, auch als Unternehmergesellschaft (UG) i. S. v. § 5a, aufgrund ihrer Eintragung im Handelsregister (§ 11) juristische Person und als solche selbstverständlich rechtsfähig (§ 13). Das Ein2

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Einleitung tragungsverfahren ist deshalb Voraussetzung für die Entstehung der GmbH als juristische Person (Registrierungssystem), weil in diesem Rahmen die – allerdings beschränkte (vgl. z. B. § 8 Abs. 2 Satz 2, § 9c Abs. 1 Satz 2 n. F.) – Kontrolle der Gründungsvoraussetzungen durchgeführt wird.1) Wie jede Körperschaft ist die GmbH als Verband von ihren Mitgliedern strikt abstrahiert und handelt durch ihre Organe, zu denen auch Nichtgesellschafter bestellt werden können (sog. Drittorganschaft; zur körperschaftlichen Struktur siehe § 13 Rn. 2 ff [Weller/Discher]).2) Systematisch ist sie als Körperschaft den Vereinen zuzuordnen (vgl. § 6 Abs. 2 HGB), sodass auch das BGB-Vereinsrecht (§§ 21 ff BGB) ergänzend zur Anwendung kommt; insbesondere gilt dies für die §§ 29, 31, 35 BGB.3) Nach § 13 Abs. 3 ist sie unabhängig von ihrem konkreten Zweck Handelsgesellschaft und somit Formkaufmann i. S. v. § 6 Abs. 2 HGB; sie kann zu jedem Zweck gegründet werden (§ 1). Die GmbH ist Kapitalgesellschaft mit einem Mindeststammkapital von 25.000 € (§ 5 Abs. 1). Das MoMiG vom 23.10.20084) hat das Stammkapital entgegen früherer Planung unverändert belassen,5) der „klassischen“ GmbH aber mit der UG (§ 5a) eine Rechtsformvariante zur Seite gestellt, bei der das Stammkapital auf 1 € festgesetzt werden darf, und dies, obwohl seit jeher die zu geringe Eigenkapitalausstattung der deutschen mittelständischen Unternehmen beklagt wird. Der Preis für ein geringeres Stammkapital bei der UG ist der Zwang zu besonderer Firmierung, der Ausschluss von Sacheinlagen, ein Volleinzahlungsgebot und die Beschränkung bei der Gewinnausschüttung durch eine besondere gesetzliche Zwangsrücklage sowie eine verschärfte Einberufungspflicht der Geschäftsführer. Von diesen Besonderheiten abgesehen, gilt für die GmbH und mithin auch für die UG ein Kapitalschutzsystem mit besonderen Anforderungen einerseits an die effektive Aufbringung des Stammkapitals, andererseits an dessen Erhaltung, d. h. an einen Schutz vor Ausschüttungen an die Gesellschafter. Insbesondere haben die Gesellschafter das Stammkapital durch Übernahme eines Geschäftsanteils gegen Leistung einer Bar- oder Sacheinlage aufzubringen (§ 3 Abs. 1 Nr. 4, § 5 Abs. 4, § 14), und sind gehindert, Ausschüttungen an sich vorzunehmen, solange das Vermögen geringer ist, als zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlich (Unterbilanz).

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Dieses System setzt ein Mindestgarantiekapital nicht notwendig voraus, sondern funktioniert naturgemäß auch in Bezug auf ein vertraglich vereinbartes Garantiekapital.6) Das MoMiG hat an diesem Gläubigerschutzsystem durch Garantiekapital im Prinzip nichts geändert, wohl aber wesentliche Einzelfragen neu beantwortet (siehe Rn. 15 f).7) Nicht nur i. R. d. MoMiG-Verfahrens, sondern schon seit Jahrzehnten ist in Wissenschaft und Praxis intensiv über das System des Garantie-

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_____________ 1) 2) 3) 4) 5)

6) 7)

Sog. System der Normativbestimmungen, dazu etwa K. Schmidt, GesR, § 8 II. 5., S. 192 ff. Ferner Raiser, AcP 199 (1999) 104. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer, GmbHG, Einl. Rn. A 99. BGBl. I 2008, 2026. Die Herabsetzung auf 10.000 € wurde aufgegeben, um den Ruf der GmbH als Rechtsform nicht zu gefährden, vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 16/9737, S. 95; Seibert, GmbHR 2007, 673, 677. Vgl. auch Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 31. S. a. Goette, WPg 2008, 231, 233.

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Einleitung kapitals und dessen mögliche Abschaffung diskutiert worden. Der Gesetzgeber hat hieran aber mit gutem Grund festgehalten, zumal Kritiker niemals zwingende Belege für das Erfordernis eines völligen Systemwechsels beim Gläubigerschutz haben erbringen können. Systemvergleiche enden regelmäßig, wenn nicht zugunsten des Garantiekapitals, so doch bestenfalls in einem argumentativen Patt.8) 4

Mit Entstehung der GmbH, also ab deren Eintragung im Handelsregister, haften die Gesellschafter den GmbH-Gläubigern grundsätzlich nicht mehr. Vielmehr haftet allein die GmbH mit ihrem Vermögen, insofern aber – entgegen der missverständlichen Rechtsformbezeichnung („Gesellschaft mit beschränkter Haftung“) – unbeschränkt, sog. Trennungsprinzip (vgl. § 13 Abs. 2). Der Bundesgerichtshof versteht die Beschränkung der persönlichen Haftung als Korrelat einer ordnungsgemäßen Einhaltung der Kapitalschutzvorschriften.9) Grundsätzlich ist das wirtschaftliche Risiko der Gesellschafter auf den wirtschaftlichen Verlust der versprochenen Einlage (vorbehaltlich einer Ausfallhaftung für andere Gesellschafter, §§ 24, 31 Abs. 3) begrenzt. Doch gibt es zahlreiche Ausnahmen von diesem Grundsatz.10) Zu nennen ist insbesondere die Verlustdeckungshaftung bzw. Unterbilanzhaftung für Verluste aus der Gründungsphase (jeweils näher bei der Kommentierung zu § 11) sowie die im Jahr 2008 neujustierte Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs gemäß § 826 BGB (siehe § 13 Rn. 42 ff [Weller/Discher]).11) Hinzu kommen die klassischen Tatbestände einer Durchgriffshaftung, insbesondere wegen Vermögensvermischung12) und wegen rechtsmissbräuchlicher Ausnutzung der Verschiedenheit von juristischer Person und Mitglied (siehe § 13 Rn. 34 ff [Weller/Discher]).13) Einer gesellschaftsrechtlichen (Durchgriffs-)Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung steht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dagegen reserviert gegenüber (siehe § 13 Rn. 38 ff [Weller/Discher]).14) Von großen Gläubigern werden die Gesellschafter in der Praxis allerdings regelmäßig durch Bürgschaften, Garantien oder Patronatserklärungen eingebunden.15) _____________ 8) Zur Diskussion vor dem Hintergrund des MoMiG eingehend Ulmer/Habersack/WinterPaura, GmbHG, MoMiG-Erg.-Bd., § 5a Rn. 15 bis 27, (knapper jetzt Ulmer/Habersack/ Löbbe-Paura, GmbHG, § 5a Rn. 15 f) – i. E. Befürwortung der gefundenen gesetzlichen Regelung; Eidenmüller/Engert, GmbHR, 2005, 433; Goette, WpG 2008, 231, 233; Bayer, ZGR 2007, 220; Drygala, ZGR 2006, 587; Pellens/Kemper/Schmidt, ZGR 2008, 381; vergleichend unter Einbeziehung der IFRS Hennrichs, ZGR 2008, 361; monographisch Rummel, Institutioneller Gläubigerschutz im Recht der kleinen Kapitalgesellschaft, 2008. 9) Vgl. BGHZ 168, 201 = ZIP 2006, 2214 = GmbHR 2006, 1328 f. 10) Dazu etwa Vetter, ZGR 2005, 788. 11) Vgl. BGHZ 173, 246 = ZIP 2007, 1552 m. Anm. Weller, S. 1681 = NJW 2007, 2689 – TRIHOTEL dazu Habersack, ZGR 2008, 533, dazu EWiR 2007, 557 (Wilhelm); Weller, ZIP 2007, 1681; BGH, ZIP 2008, 1232 m. Anm. Altmeppen, S. 1201 = DB 2008, 1423 = WM 2008, 1220 – GAMMA, dazu EWiR 2008, 493 (Bruns). 12) BGHZ 165, 85 = ZIP 2006, 467 = NJW 2006, 1344; jüngst BGH, ZIP 2008, 308 = DStR 2008, 886 = NZG 2008, 187 m. w. N. zur st. Rspr, dazu EWiR 2008, 135 (H. P. Westermann). 13) Hierzu – allerdings bezogen auf den Idealverein – BGH, ZIP 2008, 364 = DB 2008, 574 = DStR 2008, 363 – Kolpingwerk, dazu EWiR 2008, 293 (Haertlein/Primaczenko); vgl. ferner KG, ZIP 2008, 1535 = NZG 2008, 344 = GmbHR 2008, 703. 14) Vgl. BGH, ZIP 2008, 1232 m. Anm. Altmeppen, S. 1201 = DB 2008, 1423 = WM 2008, 1220 – GAMMA, dazu EWiR 2008, 493 (Bruns); s. a. BT-Drucks. 16/6410, S. 70. 15) Vgl. Ulrich, GmbHR 2007, 1289.

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Einleitung Das Innenverhältnis ist bei der GmbH wesentlich flexibler ausgestaltet als bei der AG, die vom Grundsatz der Satzungsstrenge beherrscht wird (vgl. § 23 Abs. 5 AktG).16) Bei der GmbH herrscht weitgehende Satzungsautonomie, vgl. § 45 Abs. 2. Allerdings ist diese stark eingeschränkt, sofern die GmbH im vereinfachten Verfahren unter Verwendung des Musterprotokolls gegründet wird (vgl. § 2 Abs. 1a Satz 3). Zwingend sind zudem allgemein die Bestimmungen zum Schutze des Rechtsverkehrs (z. B. unbeschränkbare Vertretungsmacht, § 37 Abs. 2) bzw. der Gläubiger (insbesondere die Vorschriften über den Kapitalschutz). Hinzu kommen die – nicht abdingbaren – ungeschriebenen Grundsätze des GmbH-Rechts, etwa die Verbandsautonomie. Aufgrund ihrer Flexibilität wird die GmbH vor allem als Unternehmensträger für kleine und mittlere Unternehmen personalistischen Zuschnitts geschätzt.17)

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Die Mitgliedschaft in einer GmbH begründet ein Rechtsverhältnis sowohl gegenüber der Gesellschaft als auch gegenüber den anderen Gesellschaftern.18) Kraft Treubindung besteht die Verpflichtung zur Förderung des Gesellschaftsinteresses19) und zur Rücksichtnahme auf andere Gesellschafter. Es handelt sich um allgemeine Förder- und Loyalitätspflichten, deren Inhalt und Umfang im konkreten Einzelfall ermittelt werden muss (Interessenabwägung). Eine uneingeschränkte Förderpflicht besteht bei der Wahrnehmung uneigennütziger Mitgliedschaftsrechte, während sich die Treupflicht bei der Wahrnehmung eigennütziger Rechte auf ein Rücksichtnahmegebot bzw. Schädigungsverbot reduziert. Bedeutsam ist die Treupflicht insbesondere für den Schutz der Minderheitsgesellschafter. Die Rechtsfolgen der Treubindung können in einer positiven Stimmpflicht, in der Anfechtbarkeit eines Gesellschafterbeschlusses, in einer Unterlassungs- oder Schadensersatzpflicht bei schuldhafter Verletzung bestehen (näheres bei § 14).

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Mehrheitsprinzip: Von ähnlich grundsätzlicher Bedeutung für das Innenverhältnis wie die Treupflicht ist das Mehrheitsprinzip. Es ist Ausdruck des kapitalgesellschaftsrechtlichen Prinzips und demgemäß ist schon von Gesetzes wegen angeordnet, dass sich die Willensbildung in der Gesellschaft aufgrund einer Mehrheitsentscheidung der Gesellschafter vollzieht und sich das Stimmengewicht dabei nach der Größe des Geschäftsanteils (Nennbetrag) bemisst (vgl. § 47 Abs. 2: jeder Euro gewährt eine Stimme). Dies gilt sogar für Vertrags- und sonstige Strukturänderungen, die allerdings ein qualifiziertes Quorum erfordern (vgl. § 53).

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II. Rechtstatsachen20) Erscheinungsformen:21) Zwar steht die GmbH als Kapitalgesellschaft der AG näher als den Personengesellschaften. De facto ist sie aber in der Regel personalistisch _____________ 16) Zu Überlegungen einer stärkeren Differenzierung des AG-Binnenrechts, Schäfer, NJW 2008, 2536, 2538. 17) Vgl. nur Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 3 Rn. 4. 18) Vgl. grundlegend BGHZ 65, 15 = NJW 1976, 191 – ITT, aus jüngerer Zeit: BGH, ZIP 2007, 268 = DB 2007, 276 = NJW 2007, 917, dazu EWiR 2007, 201 (D. Wagner); sowie Winter, Mitgliedschaftliche Treubindungen im GmbH-Recht, S. 88 ff, 130 ff. 19) Z. B. zur Wahrnehmung der Geschäftschancen der Gesellschaft, s. etwa Streck, GmbHR 2005, 1157. 20) Kornblum, GmbHR 2017, 739 ff; vgl. aus früherer Zeit auch Kornblum, GmbHR 2016, 691 ff; Kornblum, GmbHR 2015, 687 ff; Kornblum, GmbHR 2014, 694 ff. 21) Näher Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer, GmbHG, Einl. Rn. A 8 ff.

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Einleitung strukturiert, verfügt also über einen begrenzten Gesellschafterkreis, der regelmäßig auch die Geschäftsleitung stellt. Gerade bei den kleinen GmbH im Handwerksbereich22) dürfte ein besonderer Anwendungsbereich für die UG (§ 5a) und die Verwendung des Musterprotokolls (§ 2 Abs. 1a) liegen, das ja nur für Gesellschaften mit bis zu drei Gesellschaftern und einem Geschäftsführer zulässig ist. Ganz allgemein ist die Einpersonen-GmbH weit verbreitet,23) und das gleiche gilt für die Komplementär-GmbH als Instrument der Geschäftsleitung in der GmbH & Co KG. Bei Letzterer wünscht sich zwar die Praxis den Einsatz auch der UG (haftungsbeschränkt); dieser erweist sich jedoch als problematisch, vgl. näher bei § 5a. 9

Zahlen: Laut statistischem Jahrbuch 2017 (S. 524)24) entfielen auf 685.373 Gewerbeanmeldungen insgesamt 526.564 Gewerbeanmeldungen in Form eines Einzelunternehmens (größte Gruppe); immerhin an zweiter Stelle folgt die GmbH mit 93.610 Anmeldungen, davon 16.500 UG. Zum Stand 1.1.2017 gibt Kornblum, auf Grundlage einer Auswertung der Handelsregisterbestände, eine Gesamtzahl von 1.219.251 GmbH in Deutschland an, davon 125.284 UG.25) Die meisten GmbH gibt es demnach in NRW (264.477), gefolgt von Bayern (213.711) und Baden-Württemberg (152.498). Für das Jahr 2016 kommt diese Auswertung auf einen Zuwachs von 2,8 % bundesweit, der über dem des Vorjahres (2,6 %) liegt. Im Jahr 2016 gab es keine Bestandsrückgänge.26) Der Zuwachs des GmbH-Bestands ist weiterhin auch auf das starke Wachstum im Bereich der UG zurückzuführen. Zum 1.1.2017 waren deutschlandweit 125.284 UG registriert.27) Im Jahr 2016 wuchs der UGBestand noch immer um 8,3 % im Vergleich zu einem Wachstum von 9,8 % im Vorjahr.28) Unter Abzug der UG vom GmbH-Gesamtbestand ergab sich zum 1.1.2011 erstmals ein Bestand an klassischen GmbH von über einer Million.29) Eine auf Bremen und Thüringen bezogen Studie ergab, dass nur etwa 15 % der UG mit einem Stammkapital von weniger als 100 € gegründet wurden, während sich die Gründer in vielen Fällen für eine Gründung mit einem Stammkapital von 1.000 € entschieden.30) Im ersten Jahr nach Inkrafttreten der Reform erfolgten mehr als 200 Übergänge der UG in eine vollwertige GmbH.31)

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Hinsichtlich des tatsächlichen Vorkommens der englischen Limited ließen sich nur wenig gesicherte Aussagen treffen, was u. a. an der nur globalen Erfassung unter der Rubrik „Rechtsform ausländischen Rechts HRB“ sowie erheblichen Statistiklücken lag.32) Die existierenden Zahlen ließen entgegen Westhoff33) schon vor dem _____________ 22) Vgl. Karsten, GmbHR 2006, 57 ff. 23) Vgl. auch Karsten, GmbHR 2006, 57 ff – mehr als ein Drittel der Fälle. 24) Statistisches Jahrbuch 2017, https://www.destatis.de/DE/Publikationen/ StatistischesJahrbuch/StatistischesJahrbuch2017.pdf?__blob=publicationFile. 25) Kornblum, GmbHR 2017, 739, 740. 26) Kornblum, GmbHR 2017, 739, 746. 27) Kornblum, GmbHR 2017, 739, 740. 28) Kornblum, GmbHR 2017, 739, 746. 29) Kornblum, GmbHR 2011, 692, 693. 30) Bayer/Hoffmann/Lieder, GmbHR 2010, 9, 11. 31) Bayer/Hoffmann/Lieder, GmbHR 2010, 9, 12. 32) Kornblum, GmbHR 2017, 739, 745 f. 33) Westhoff, GmbHR 2007, 474, 477.

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Einleitung MoMiG eine eher geringe Bedeutung der als Zweigniederlassung einzutragenden (Schein-)Auslandsgesellschaften vermuten (ca. 14.000).34) Doch schien es zunächst noch recht hohe Zuwachsraten u. a. in Berlin (105 %) und Sachsen (273 %) zu geben.35) Trotz dieser unsicheren Tatsachenlage hat der MoMiG-Geber das Auftreten der Limited in Deutschland zum Anlass für weitreichende Änderungen des GmbHG und insbesondere für die Einführung der UG genommen, was mit Recht schon im Gesetzgebungsverfahren kritisiert wurde.36) Hierdurch wird die Limited als Scheinauslandsgesellschaft allerdings in absehbarer Frist jede Bedeutung verlieren; das mag der Gesetzgeber als Erfolg verbuchen, auch wenn etwa die Anwendung des englischen Rechts und die Unzuständigkeit deutscher Gerichte selbst für einfache innergesellschaftliche Streitigkeiten ebenfalls wesentlich zur Flucht aus der Limited beigetragen haben dürften. Seit Inkrafttreten des MoMiG sind deutliche Bestandsrückgänge bei den eingetragenen Limited aufgetreten; der Rückgang bei den gebotswidrig nicht eingetragenen Gesellschaften lässt sich naturgemäß nicht nachvollziehen, dürfte aber noch deutlich darüber liegen. Demgegenüber überstieg die Anzahl der eingetragenen UG bereits am 1.1.2010 die der Limited um ein Drittel. Laut Statistischem Jahrbuch 2017 (S. 524) gab es 2016 nur noch 903 Gewerbeanmeldungen in Form der Private Company Limited by Shares (im Verhältnis zu 16.500 angemeldeten UG) im Vergleich zu 1.015 Anmeldungen im Vorjahr37) und 1.261 Gewerbeanmeldungen im Jahr 2014.38) Die Gesamtzahl der eingetragenen Limited belief sich nach Kornblum deutschlandweit zum 1.1.2017 auf insgesamt 8.196 Gesellschaften, gegenüber 8.968 Gesellschaften im Vorjahr; die Zahl ist daher seit Jahren stark rückläufig.39) Insolvenzen: Aus der Insolvenzstatistik 201740) ergibt sich, dass die GmbH-Insolvenzen weiterhin leicht rückläufig waren, dabei aber mit 8.189 Insolvenzanträgen von 22.800 Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2017 eine relativ herausragende Stellung einnahmen. Als besonders anfällig erweisen sich Gesellschaften, die nur über das gesetzliche Mindestkapital verfügen, im ersten Jahr nach ihrer Gründung. Die besondere Insolvenzanfälligkeit schwach (formal) kapitalisierter Gesellschaften schon in der Gründungsphase dürfte sich erst recht bei den UG bestätigen. Genaueres Zahlenmaterial hierzu liegt nicht vor.41) Die Insolvenzstatistik für das Jahr 2017 dürfte jedoch für diese Vermutung sprechen. Im Jahr 2017 wurde über das Vermögen einer GmbH in 5.687 Fällen das Insolvenzverfahren eröffnet, in weiteren _____________ 34) Vgl. Niemeier, ZIP 2007, 1794, 1797. 35) Vgl. Kornblum, GmbHR 2008, 19, 25, zu Thüringen Bayer/Hoffmann, GmbHR 2007, 414. 36) Vgl. Goette, WPg 2008, 231. 37) Statistisches Jahrbuch 2016, S. 516. 38) Statistisches Jahrbuch 2015, S. 514. 39) Kornblum, GmbHR 2017, 739, 740, 747. 40) Statistisches Bundesamt, Code 52411-0007; einsehbar unter https://www-genesis.destatis.de/ genesis/online. 41) Vgl. aber Bayer/Hoffmann, GmbHR 2011, R 321: Demnach sind aus der ersten Generation der UG des Jahres 2008 100 (von 1.202) zur Voll-GmbH geworden (Stichtag 10.9.2011), während 90 wieder aus dem Handelsregister gelöscht wurden und 109 sich in Abwicklung befanden.

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Einleitung 2.502 Fällen jedoch der Insolvenzantrag mangels Masse abgewiesen. Im Vergleich zur GmbH wurde das Verfahren über das Vermögen einer UG in 986 Fällen eröffnet, mangels Masse jedoch in 1.264 Fällen abgewiesen.42) III. Rechtsquellen 1.

Entwicklung des GmbHG bis zum MoMiG

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Die GmbH ist aus der „Retorte“ geschöpft worden, und zwar durch das Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung vom 20.4.1892;43) es wurde zur Angleichung an BGB und HGB am 20.5.1898 neugefasst.44) Die GmbH sollte das nach der Aktienrechtsnovelle von 1874 wegen strikter Regulierung der AG gewachsene Bedürfnis nach einer einfach zu handhabenden Rechtsform mit Haftungsbeschränkung für den Mittelstand befriedigen.45) Die Notwendigkeit hierfür sah interessanterweise schon der damalige Gesetzgeber durch die „ungemessene Vermehrung der Limited Companies“ belegt.46) Die GmbH ist alsbald zum Erfolgsmodell geworden, was auch darin zum Ausdruck kommt, dass das GmbHG bis zur MoMiG-Reform (siehe Rn. 15) nur wenige substantielle Änderungen erfahren hat.47)

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Aus neuerer Zeit zu erwähnen ist vor allem das Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) vom 10.11.2006, das zum 1.1.2007 in Kraft trat.48) Es hat Änderungen bei folgenden Vorschriften gebracht: § 8 Abs. 5 (Neureg.), § 10 Abs. 3 (aufgeh.), § 12 Satz 3 (eingef.), § 35a Abs. 1 Satz 1, § 39 Abs. 2, § 39 Abs. 4 (aufgeh.), § 52 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 2 Satz 2 (Neureg.), § 54 Abs. 2 Satz 1, § 54 Abs. 2 Satz 2 (aufgeh.), § 57i Abs. 1 Satz 1, § 58d Abs. 2 Satz 4, § 59 (aufgeh.), § 67 Abs. 2, § 67 Abs. 5 (aufgeh.), § 73 Abs. 1, § 86 Abs. 3 Satz 2 (Neureg.). Zu jüngsten Änderungen durch MoMiG, BilMoG und FGG-ReformG siehe Rn. 15 ff und 29 ff. 2.

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Europäische Rechtsvereinheitlichung

Für die GmbH spielt die Rechtsvereinheitlichung durch europäische Richtlinien eine verhältnismäßig geringe Rolle;49) anders als die AG stand sie kaum im Fokus der europäischen Rechtsetzung.50) Nur die 12. Richtlinie zur Einpersonengesellschaft befasst

_____________ 42) Statistisches Bundesamt: Code 52411-0007; einsehbar unter https://www-genesis.destatis.de/ genesis/online. 43) RGBl. 1892, 477. 44) RGBl. 1898, 846; zur Entstehungsgeschichte des GmbHG ab 1888 vgl. Schubert in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 1 ff. 45) Zum problematischen Anliegen auch die AG für den Mittelstand zu öffnen s. Schäfer, NJW 2008, 2536, 2539. 46) Vgl. Begr. GmbHG-E, Amtl. Ausgabe 1891, S. 112 ff, 123; dazu auch Niemeier, ZIP 2006, 2237. 47) Näher Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer, GmbHG, Einl. Rn. A 55, A 61 bis A 95; zu den Reformen des GmbHG bis zum 1.4.2005 s. a. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, Einl. Rn. 18 ff; und Fleischer, GmbHR 2009, 1. 48) BGBl. I 2006, 2553; näher dazu Noack, NZG 2006, 801. 49) Vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer, GmbHG, Einl. Rn. A 55. 50) Allgemein dazu Habersack, EuGesR, § 3 Rn. 42 ff, §§ 5 ff.

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Einleitung sich vorrangig mit der GmbH.51) Erwähnt seien insbesondere die PublizitätsRL (1. RL), die ZweigniederlassungsRL (11. RL) und die (inländische) Verschmelzungs- und SpaltungsRL (3. und 6. RL).52) Hinzuweisen ist außerdem auf die ÜbernahmeRL53) umgesetzt durch Gesetz vom 8.7.2006, BGBl. I 2006, 1426 sowie auf die int. VerschmelzungsRL54) umgesetzt (zum GmbHG) durch Gesetz vom 19.4.2007, BGBl. I 2007, 542 in den §§ 122a ff UmwG und im MgVG.55) Die Arbeiten an der SitzverlegungsRL wurden laut Kommissionsbericht vom 12.12.2007 (SEC (2007) 1707) mit der Begründung eingestellt, dass aufgrund der VerschmelzungsRL und deren Umsetzung in nationales Recht bereits ausreichende Möglichkeiten für Gesellschaften bestünden, ihre Geschäftstätigkeit ins Ausland zu verlagern.56) Inzwischen sind jedoch als Reaktion auf die jüngste Rechtsprechung des EuGH (sogleich im Text) Bestrebungen zu verzeichnen, das Vorhaben wiederaufzugreifen; die Kommission hatte für Ende 2017 sogar eine Legislativinitiative für eine Sitzverlegungsrichtlinie konkret in Aussicht gestellt, die aber auf sich warten lässt. Obwohl er nach dem „Cartesio“-Urteil des EuGH57) hierzu nicht verpflichtet gewesen wäre, hat der Gesetzgeber des MoMiG in § 4a den Wegzug (Verlegung des Verwaltungssitzes) gestattet. Weiterhin folgt aus der „VALE“-Entscheidung des EuGH,58) dass auch ein grenzüberschreitender Formwechsel von der Niederlassungsfreiheit geschützt und somit für die GmbH möglich ist. In der Entscheidung „POLBUD“ hat der EuGH den Formwechsel in eine ausländische Rechtsform selbst dann unter den Schutz der Niederlassungsfreiheit gestellt, wenn gar keine Niederlassung, sondern nur ein Postfach (Satzungssitz) begründet werden soll.59) Demnach wäre ein Wechsel in die GmbH also selbst dann möglich, wenn in Deutschland gar kein Verwaltungssitz begründet werden soll. Die Planungen zur europäischen Privatgesellschaft (SPE),60) welche mit der Gesellschaftsform der GmbH hätte konkurrieren können, _____________ 51) Eine umfassende Zusammenstellung der (auch) für die GmbH relevanten Richtlinien findet sich etwa bei Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, Einl. Rn. 34; Scholz-Westermann, GmbHG, Einl. Rn. 49 ff. 52) Inzwischen allesamt außer Kraft getreten und als Bestandteile der Richtlinie (EU) 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts erneut verabschiedet worden. 53) Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 betreffend Übernahmeangebote, Abl. (EG) 2004, L 142. 54) Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.10.2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten, Abl. (EG) 2005, L 310/1; außer Kraft getreten und jetzt ebenfalls Teil der Richtlinie (EU) 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts (Art. 87 ff). 55) Vgl. dazu bezüglich der GmbH Neye/Timm, GmbHR 2007, 561. 56) Krit. dazu Grohmann/Gruschinske, GmbHR 2008, 27 ff. 57) EuGH, ZIP 2009, 24 m. Anm. Knof/Mock = BB 2009, 11 = NJW 2009, 569 – Cartesio, dazu EWiR 2009, 141 (D. Schulz/H. Schröder). 58) EuGH, ZIP 2012, 1394 m. Anm. Mörsdorf/Jopen = BB 2012, 2069 = NJW 2012, 2715 – VALE, dazu EWiR 2012, 541 (Mutter/Kruchen). 59) EuGH, Urteil vom 25.10.2017 – C-106/16, ZIP 2017, 2145 – POLBUD; dazu mit Recht kritisch Kindler NZG 2018, 1. 60) Vgl. etwa Hommelhoff, ZHR 173 (2009) 255; Bücker, ZHR 173 (2009) 281; Hügel, ZHR 173 (2009) 309; ferner Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2009, 36 sowie Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2010, 337 – zum Kompromissvorschlag der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft.

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Einleitung sind mittlerweile am Widerstand verschiedener Mitgliedstaaten gescheitert. Derzeit wird ersatzweise eine Anpassung der Einpersonengesellschafts-Richtlinie diskutiert, mit der eine sog. „SUP“ (Societas Unicus Personae) als supranationale Unterform der GmbH mit einem einzigen Gesellschafter eingeführt werden könnte.61) Inwieweit diese Bestrebungen umgesetzt werden, bleibt abzuwarten; berechtigte Kritik ist bereits formuliert worden.62) 3.

Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)

a) Allgemeines 15

Das MoMiG hat gewiss die größte GmbHG-Reform seit dessen Inkrafttreten ins Werk gesetzt.63) Der Gesetzgeber verfolgte mit ihr zwei Hauptziele,64) nämlich erstens die Stärkung der Rechtsform GmbH im Wettbewerb mit anderen europäischen Gesellschaftsformen65) durch Modernisierung und Deregulierung des GmbH-Rechts.66) Dabei sollte vor allem das Gründungsverfahren erleichtert und beschleunigt werden, ohne auf das bewährte Eintragungsprinzip zu verzichten.67) Daneben wurde mit der UG (haftungsbeschränkt) eine Unterform als GmbH geschaffen, bei der auf ein Mindeststammkapital praktisch ganz verzichtet wird, weil dieses auf nur 1 € festgesetzt werden kann. Dennoch bleibt das Garantiekapitalprinzip mit seinem System des Kapitalschutzes auch insofern erhalten (siehe Rn. 3). Das zweite Hauptziel bestand darin, die missbräuchliche Verwendung der Rechtsform zu verhindern, insbesondere die Fälle einer „kalten“ Liquidation durch sog. „Firmenbestatter“, auf welche auch die Gerichte zunehmend härter reagieren.68) Die insofern eingeführten Regelungen werden allerdings dadurch konterkariert, dass der Gesetzgeber der GmbH durch § 4a ermöglicht, rechtsformwahrend ins Ausland zu verziehen, was die „Auslandsbestattung“ erleichtert und die Anwendung auch des deutschen Insolvenzrechts erschwert.69)

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Wegen des Inhalts des MoMiG kann zunächst auf die Übersicht in Anlage 2 zu Art. 1 Nr. 51 MoMiG, verwiesen werden. Das MoMiG (Art. 2) hat erstmals auch _____________ 61) Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter v. 9.4.2014, COM(2014), 212 final; dieser ist im Mai 2015 vom Ministerrat mehrheitlich (gegen die Stimmen Deutschlands) gebilligt, vom Parlament sodann aber mit erheblichen Änderungsempfehlungen bedacht worden. 62) Etwa Wicke, ZIP 2014, 1414; Hommelhoff/Teichmann GmbHR 2014, 177. 63) So auch die Selbsteinschätzung seiner Verfasser, vgl. BT-Drucks. 16/6140, S. 25, und Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer, GmbHG, Einl. Rn. A 61 ff. 64) Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 25. 65) Insbesondere mit der englischen Limited, die sogar schon als „EU-GmbH“ beworben wurde, was selbstverständlich rechtswidrig ist, vgl. OLG Dresden, GmbHR 2006, 1161, dazu EWiR 2007, 93 (Mankowski). 66) Vgl. zur GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen etwa Eidenmüller, ZGR 2007, 168 und Müller/Müller, GmbHR 2006, 583 und 640. 67) Dazu Bormann/Apfelbaum, ZIP 2007, 946. 68) Vgl. dazu die Fälle von BGHZ 165, 343 = ZIP 2006, 243 = DStR 2006, 664, m. Anm. Goette; OLG Celle, ZIP 2007, 631 = GmbHR 2007, 318; LG Berlin, ZIP 2006, 865. 69) Dazu eingehend Weller, ZIP 2009, 2029 ff.

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Einleitung ein Einführungsgesetz geschaffen (EGGmbHG), das die §§ 86, 87 a. F. ersetzte. Die Bestimmung zum Übergangsrecht findet sich in § 3 EGGmbHG. Außer dem GmbHG hat das MoMiG auch zahlreiche weitere Gesetze geändert, namentlich HGB, AktG,70) ZPO, InsO, AnfG, FGG, HandRegVO und KostO. Mit Verlagerung der Insolvenzantragspflicht (§ 15a InsO) und der Regeln zu den Gesellschafterdarlehen (§§ 39, 135 InsO) in das Insolvenzrecht hat es neue rechtsformübergreifende Regelungen geschaffen. Inhaltsgleich sind neue Regelungen zur Angabepflicht einer inländischen Geschäftsanschrift, auch bei Zweigniederlassungen, geschaffen worden (u. a. § 8 Abs. 4 GmbHG, § 37 Abs. 3 AktG, §§ 13 ff, 29, 31, 106 Abs. 2, 107 HGB), zu Zugangs- und Zustellungserleichterungen (§ 35 Abs. 2 GmbHG, § 13e Abs. 3a HGB, § 78 Abs. 2 AktG), zur öffentlichen Zustellung (§ 15a HGB u. § 185 Nr. 2 ZPO), zur Möglichkeit der Anmeldung eines Empfangsbevollmächtigten (§ 10 Abs. 2 GmbHG, § 39 Abs. 1 AktG, § 13e Abs. 2 HGB), ferner Regelungen zur Inhabilität und zur Anmeldung der Zweigniederlassung einer Auslandsgesellschaft (§ 6 GmbHG, § 76 AktG und § 13e Abs. 3 HGB)71) sowie schließlich zur Geschäftsführerhaftung für Zahlungen, die zur Zahlungsunfähigkeit führen (§ 64 Satz 3 GmbHG, 92 Abs. 2 AktG, § 130a Abs. 2 HGB). Andere rechtsformübergreifende Fragen, wie etwa das Problem der verdeckten Sacheinlage und des Hinund Herzahlens (§ 19 Abs. 4, 5 n. F.), hat der Gesetzgeber dagegen zunächst nur für die GmbH vorgesehen.72) Das ARUG vom 29.5.2009 hat dann allerdings zur Angleichung an das GmbH-Recht geführt (Neufassung des § 27 Abs. 3, 4 AktG entsprechend § 19 Abs. 4, 5). Nicht aufgegriffen wurde der Vorschlag, auf das Beurkundungserfordernis bei Anteilsübertragung (§ 15 Abs. 3, 4 GmbHG) zu verzichten.73) Immerhin stellen die Motive aber ein Gesetz zur Erleichterung von beurkundungsrechtlichen Vorschriften in Aussicht.74) b) Gesetzgebungsgeschichte Den Anstoß zu einer umfassenden GmbH-Reform gaben die Justizminister der Länder mit ihrer Bitte vom 14.11.2002; im Vordergrund stand dabei die erwähnte Bestattungsproblematik (siehe Rn. 15). Außerdem wurde Handlungsbedarf infolge der EuGH-Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit von Scheinauslandsgesellschaften gesehen,75) die es Gesellschaften ermöglicht, in ausländischer Rechtsform auch dann im Inland aufzutreten, wenn sie keinerlei Geschäftstätigkeit im Gründungsstaat ausüben, wodurch der GmbH gewisse Konkurrenz erwachsen war,76) deren Ausmaß freilich überschätzt wurde (siehe Rn. 10). Am 29.5.2006 stellte daraufhin das BMJ den RefE eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vor.77) Dieser Entwurf war auch _____________ Dazu etwa Möller, Der Konzern 2008, 1. Dazu BT-Drucks. 16/6140, S. 50. Vgl. Seibert, ZIP 2008, 906, 907. Vgl. Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2006, 211, 223; Wulfetange, BB 2008, 1461. Begr. RegE BT-Drucks. 16/6140, S. 25 f. Vor allem EuGH, ZIP 2003, 1885 = NJW 2003, 3331 = WM 2003, 2042 – Inspire Art, dazu EWiR 2003, 1029 (Drygala). 76) Vgl. BT-Drucks. 16/6140, S. 25. 77) Dazu nur Schäfer, DStR 2006, 2085; Noack, DB 2006, 1475, 1483.

70) 71) 72) 73) 74) 75)

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Einleitung Diskussionsgegenstand der wirtschaftsrechtlichen Abteilung des 66. Deutschen Juristentages 2006 in Stuttgart.78) Am 23.5.2007 folgte der RegE.79) Der Gesetzesbeschluss des Bundestages beendete am 26.6.2008 das Gesetzgebungsverfahren, wobei die Empfehlungen des Rechtsausschusses80) übernommen wurden.81) Nach Zustimmung durch den Bundesrat am 19.9.200882) trat das Gesetz am 1.11.2008 in Kraft.83) c) Einzelne wichtige Änderungen aa) Erleichterung des Gründungsverfahrens 18

§ 2 Abs. 1a mit Anlage 1a und b zum GmbHG hat die Möglichkeit einer Bargründung (durch bis zu drei Gesellschafter) im vereinfachten Verfahren geschaffen; hierfür ist ein – notariell zu beurkundendes – Musterprotokoll zu verwenden, das die ursprünglich vorgesehene Mustersatzung mit öffentlicher Beglaubigung der Unterschriften ersetzt hat. Der Vereinfachungseffekt soll insbesondere durch die Zusammenfassung von Gesellschaftsvertrag, Geschäftsführerbestellung und Gesellschafterliste (vgl. § 2 Abs. 1a Satz 4) in einem Dokument erzielt werden. Daneben bedingt die Verwendung des Protokolls eine kostenrechtliche Privilegierung, die allerdings zumeist nur der UG zugutekommt (siehe § 2 Rn. 2, 85 [Schäfer]). Die Verwendung des Musterprotokolls ist keineswegs auf die UG-Gründung beschränkt, wird aber dort in besonderem Maße eingesetzt.

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Zwar hat § 5 Abs. 1 entgegen ursprünglichen Plänen die Höhe des Mindeststammkapitals bei 25.000 € belassen. Doch können die Gesellschafter bereits bei der Gründung mehrere Geschäftsanteile übernehmen, was früher durch § 5 Abs. 2 a. F. ausgeschlossen war. Außerdem beträgt der Mindestnennbetrag eines Geschäftsanteils statt 100 € (§ 5 Abs. 1 a. F.) nunmehr 1 € (§ 5 Abs. 2); er braucht auch nicht mehr durch 50 teilbar zu sein (§ 5 Abs. 3 Satz 2 a. F.). Unterschiedliche Nennbeträge sind zulässig (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1), und konsequentermaßen gilt all dies auch bei der Kapitalerhöhung (§§ 55 Abs. 4, 58 Abs. 2 Satz 2 n. F. sowie §§ 57h Abs. 1 Satz 2, 57l Abs. 2 Satz 4, 58a Abs. 3 Satz 2 n. F.). Der Gesellschaftsvertrag muss bei der Gründung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 folgerichtig auch die Zahl der von jedem Gesellschafter übernommenen Geschäftsanteile angeben. Sprachlich unterscheidet diese Vorschrift exakter zwischen Beteiligung (Geschäftsanteil) und Einlagepflicht (Stammeinlage). § 14 stellt zudem klar, wie sich die Höhe der Stammeinlage bemisst, nämlich bei der Gründung nach dem Nennbetrag der vertraglich übernommenen Geschäftsanteile (bei der Kapitalerhöhung nach der Übernahmeerklärung). Eine weitere Erleichterung betrifft die Einpersonengesellschaft: Hier wird _____________ 78) Vgl. die Beschlüsse des 66. DJT, S. 21 ff; einzusehen unter http://www.djt.de/files/djt/ 66/66_DJT_Beschluesse.pdf. 79) BR-Drucks. 354/07 v. 25.5.2007; dazu Noack, DB 2007, 1395. 80) BT-Drucks. 16/9737. 81) Dazu Seibert/Decker, ZIP 2008, 1208; Wälzholz, GmbHR 2008, 841. 82) BR-Drucks. 615/08. 83) Ausführliche Darstellung der einzelnen Entwicklungsschritte zum MoMiG bei Ulmer/ Habersack/Löbbe-Ulmer, GmbHG, Einl. Rn. A 65 bis A 70.

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Einleitung auf das Erfordernis einer besonderen Sicherheitsleistung bei der Gründung verzichtet (Streichung von §§ 7 Abs. 2 Satz 3, 8 Abs. 2 Satz 2 a. F.). Eine Änderung von erheblicher Tragweite betrifft die Einführung der Unternehmergesellschaft (UG [haftungsbeschränkt]) als Rechtsformvariante zum „Einstieg“ in die GmbH für Existenzgründer durch § 5a. Sie darf das Mindestkapital nach § 5 Abs. 1 unterschreiten; das Stammkapital kann hier – wegen des Mindestbetrags für den Geschäftsanteil – theoretisch auf 1 € festgesetzt werden. Der Einstiegscharakter zeigt sich an dem zum Ausgleich geschaffenen Zwang zur Bildung einer gesetzlichen Rücklage nach § 5a Abs. 3; er besteht nämlich so lange, bis das Stammkapital auf den gesetzlichen Mindestbetrag erhöht worden ist, wofür insbesondere die Rücklage eingesetzt werden soll (vgl. § 5a Abs. 3 Nr. 1, Abs. 5). Weil bei der typischerweise personalistischen Struktur der UG die Versorgung der Gesellschafter über das Geschäftsführer-Gehalt erfolgt, fällt der hiermit verbundene Eingriff in die Gewinnverwendungsfreiheit kaum ins Gewicht; er ist im Interesse des Gläubigerschutzes hinzunehmen.84) Die UG ist also ebenfalls GmbH und keine eigene Rechtsform, weshalb der Firmenzusatz in § 5a Abs. 1 (unnötigerweise) auch nicht (mehr) als „Rechtsformzusatz“ bezeichnet wird. Eine Sachgründung ist nach § 5a Abs. 2 Satz 2 ausgeschlossen, vor der Anmeldung muss zudem das gesamte (statutarische) Stammkapital voll eingezahlt werden, § 5a Abs. 2 Satz 1. Gleichwohl wird das Kapitalschutzsystem der GmbH durch die so eröffnete Möglichkeit der Unterschreitung des Mindeststammkapitals grundsätzlich nicht angetastet (siehe Rn. 2 f). Der Gesetzgeber verspricht sich von der UG, insbesondere in Verbindung mit dem Musterprotokoll, eine starke Vereinfachung der GmbH-Gründung.85)

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§ 8 Abs. 1 Nr. 6: Die alte Fassung wurde aufgehoben. Hierdurch ist die Gründung entkoppelt worden von erforderlichen gewerberechtlichen Erlaubnisverfahren o. Ä. Öffentlich-rechtliche Genehmigungserfordernisse werden generell nicht mehr im Gründungsverfahren überprüft und sind folglich auch nicht mehr der Anmeldung beizufügen. Bislang führte das vor allem deshalb zu Problemen, weil das langsamste Verfahren den Zeitpunkt der Eintragung bestimmte. Außerdem benötigten die Gründer zunächst einen Vorbescheid, weil die endgültige Genehmigung nur der GmbH selbst erteilt wird.

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Praktisch wie theoretisch sehr bedeutsame Änderungen betreffen die verdeckte Sacheinlage und die Darlehensgewährung an Gesellschafter bei der Kapitalaufbringung. Hierzu wurden die Regelungen in § 19 Abs. 4, 5 neu geschaffen. Der Gesetzgeber reagierte damit auf Forderungen aus der Praxis, welche die bisherigen Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage als zu hart86) und die Rechtsprechung des Bundesgerichthofs zur Erfüllungsschädlichkeit eines Cash-Poolings als unverhältnismäßig empfanden. Stattdessen bleibt es im Falle einer verdeckten Sacheinlage zwar bei der Nichterfüllung der Bareinlagepflicht, der Inferent darf aber jetzt nachweisen, dass der Wert des von ihm eingebrachten Gegenstands mindestens so

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_____________ 84) Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 32. 85) Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 31; dazu auch Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer, GmbHG, Rn. A 72. 86) Z. B. Heidenhain, GmbHR 2006, 455.

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Einleitung hoch war wie der Betrag seiner Einlage. Anders als bisher bleiben zudem die Verkehrs- bzw. Ausführungsgeschäfte wirksam (§ 19 Abs. 4 Satz 2). § 19 Abs. 5 (RegE: § 8 Abs. 2 Satz 2 – noch ohne Liquiditätserfordernis) macht i. R. d. grundsätzlich weiterhin erfüllungsschädlichen Hin- und Herzahlens jetzt eine Ausnahme für Fälle, in denen die Gesellschaft Mittel i. H. d. Einlagebetrages an den Gesellschafter zurückleitet, dafür aber einen jederzeit fälligen und vollwertigen Rückgewähranspruch erhält. Freilich muss dies gegenüber dem Registergericht offen gelegt werden (§ 19 Abs. 5 Satz 2). Gedacht ist dabei insbesondere an Fälle, in denen der Einlagebetrag in einem konzernweiten Cash-Pool unter Führung der Mutter geleitet wird. Dieser verbreiteten Praxis hatte die Rechtsprechung einen Riegel vorgeschoben.87) bb) Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit und Deregulierung 23

Von der Aufhebung des Absatzes 2 in § 4a verspricht sich der Gesetzgeber ausweislich der Begründung,88) dadurch die Mobilität der GmbH zu erhöhen, dass er ihr den rechtsformwahrenden Wegzug vom Registersitz ermöglicht. Register- und Verwaltungssitz können nämlich jetzt auseinanderfallen. Allerdings hat der EuGH in seiner „Cartesio“-Entscheidung89) inzwischen klargestellt, dass die primärrechtliche Niederlassungsfreiheit einem Mitgliedstaat keineswegs zwingend auferlegt, den in seinem Hoheitsgebiet gegründeten Gesellschaften den rechtsformwahrenden Weg über die Grenze zu eröffnen. Auch rechtssystematisch ist die Norm zweifelhaft; denn sie beschränkt sich auf eine Regelung des Gesellschaftssitzes, ist also sachrechtlicher Natur. Die Frage, welches Recht auf die GmbH in Auslandssachverhalten zur Anwendung kommt, ist dagegen eine solche des IPR und daher Gegenstand eines eigenen Regelungsentwurfs für ein Gesetz zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen, der aber über das Referentenstadium bislang nicht hinausgekommen ist. Der Aussagegehalt der Bestimmung ist also durchaus fraglich, gleichwohl wird man den subjektiven Willen des Gesetzgebers bei der Auslegung nicht ganz beiseiteschieben können (siehe § 4a Rn. 14 ff [Kindler]).90) Nimmt man den Gesetzgeber beim Wort seiner Motive, so wird dem – eigentlich zu bekämpfenden – „Bestattungstourismus“ zudem ungewollter Vorschub geleistet (siehe Rn. 15 a. E.).

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Die Richtigkeitsgewähr der Gesellschafterliste wird, in Anlehnung an das Aktienregister, durch § 40 (Regeleinbindung des Notars bei Veränderungen; Geschäftsführerpflichten)91) wesentlich erhöht, zumal die Liste hiernach als Rechtsscheinba_____________ 87) BGHZ 166, 8 = ZIP 2006, 665 = NJW 2006, 1736, dazu EWiR 2006, 523 (Hoos/ A. Kleinschmidt) – Kapitalaufbringung im Cash-Pool und Hin- und Herzahlen; vgl. auch BGH, ZIP 2008, 1281 = GmbHR 2008, 818 = NZG 2008, 511, dazu EWIR 2009, 109, (A. Kleinschmidt/Hoos). 88) BT-Drucks. 16/9737, S. 94. 89) EuGH, ZIP 2009, 24 m. Anm. Knof/Mock = BB 2009, 11 = NJW 2009, 569 – Cartesio, dazu EWiR 2009, 141 (D. Schulz/H. Schröder). 90) Sehr str., für kollisionsrechtliche Regelung etwa Ulmer/Habersack/Löbbe-Behrens/ Hoffmann, GmbHG, Einl. Rn. B 53 ff; Hoffmann ZIP 2007, 1581, 1585; a. A. – keine Kollisionsnorm; auch Verwaltungssitz muss daher bei der Gründung in Deutschland liegen – z. B. Werner, GmbHR 2009, 191, 195. 91) Dazu BGH, ZIP 2014, 216 = DB 2014, 233 = NZG 2014, 184, dazu EWiR 2014, 205 (Paefgen/Franke).

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Einleitung sis für den gutgläubigen Erwerb von Geschäftsanteilen nach § 16 Abs. 3 fungiert. Nach § 16 Abs. 1 gilt als Gesellschafter zudem nur, wer in der Liste eingetragen ist. Nebenbei soll hierdurch zugleich mehr Transparenz für die Gesellschaft selbst geschaffen und Missbräuchen, auch durch Geldwäsche, vorgebeugt werden.92) Die Geschäftsanteile sind jetzt in der Liste fortlaufend zu nummerieren. Der neu geschaffene § 30 Abs. 1 Satz 2 reagiert auf die umstrittene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Darlehensgewährung an Gesellschafter,93) wonach im Stadium der Unterbilanz der volle Darlehensbetrag ohne Rücksicht auf den vollwertigen Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft als verbotene Auszahlung gewertet wurde. Die Praxis befürchtete – wohl nicht ganz zu Unrecht –, dass der Bundesgerichtshof diese Rechtsprechung auch auf die übliche Konzernfinanzierungspraxis des Cashpoolings erstrecken könnte, obwohl die besseren Gründe gegen eine solche Erstreckung sprachen.94) Insbesondere zur Erhaltung dieses Finanzierungsinstruments hat der Gesetzgeber die Klarstellung in Satz 2 angebracht, diese – entgegen ursprünglicher Planung – aber allgemein für alle Kredite der Gesellschaft an ihre Gesellschafter formuliert und ist insofern zur sog. „bilanziellen Betrachtungsweise“ zurückgekehrt.95) Sie erlaubt – gemäß Satz 2 – die Berücksichtigung eines vollwertigen Gegen- oder Rückgewähranspruchs, wobei anders als für die Fälle des Hin- und Herzahlens bei der Kapitalaufbringung (§ 19 Abs. 5) die Liquidität des Anspruchs nicht zur Voraussetzung erhoben wurde. Die Neuregelung soll die GmbH – insbesondere als Instrument im Konzernaufbau – attraktiver machen. Dies ist auch Hintergrund für die nunmehr ausdrückliche Herausnahme der Leistungen bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages, die sich in ihrer endgültigen Fassung eindeutig auch auf Leistungen an Dritte (z. B. Konzernunternehmen) erstreckt.96)

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Eine weitere sehr wesentliche Änderung betrifft das Recht der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen. Der eigenkapitalersetzende Charakter dieser Leistungen ist seit 2008 nicht mehr Tatbestandsmerkmal der – ausschließlich insolvenz- bzw. anfechtungsrechtlichen – Normen zu Nachrang und Anfechtbarkeit von Gesellschafterdarlehen oder wirtschaftlich entsprechender Leistungen (§§ 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4, 5, 44a, 135, 143 Abs. 3 InsO; §§ 6, 6a, 11 Abs. 3 AnfG). Die §§ 32a, b sind gestrichen worden, und § 30 Abs. 1 Satz 3 stellt seither explizit klar, dass die bisherige Zweispurigkeit aus den auf § 30 Abs. 1 gestützten Rechtsprechungsregeln und den 1981 eingefügten sog. „Novellenregeln“97) aufgegeben werden soll, und Gesellschafterdarlehen ausschließlich insolvenzrechtlich zu beurteilen sind. Hierfür wurden die Novellenregeln (§§ 32a, 32b GmbHG a. F.; §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135, 264 Abs. 3 InsO a. F., § 6 AnfG a. F., §§ 129a, 172a HGB a. F.) ausgebaut und insgesamt ins Insolvenzrecht (und ins Anfechtungsgesetz) verlagert. Die eigenkapitaler-

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_____________ 92) So BT-Drucks. 16/6140, S. 37. 93) BGHZ 157, 72 = ZIP 2004, 263 = NJW 2004, 1111, dazu EWiR 2004, 911 (Schöne/ Stolze). 94) Vgl. Schäfer, GmbHR, 2005, 133. 95) BT-Drucks. 16/6140, S. 41. 96) BT Drucks. 16/9737, S. 98. 97) Hierzu BGHZ 90, 370 = ZIP 1984, 698 = NJW 1984, 1891 – Nutzfahrzeuge.

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Einleitung setzende Nutzungsüberlassung hat auf Empfehlung des Rechtsausschusses eine Regelung in § 135 Abs. 3 InsO erfahren, um den Zwecken des Insolvenzverfahrens gerecht zu werden.98) Durch Verzicht auf das Tatbestandsmerkmal einer Gewährung in der „Krise“ bzw. des Stehenlassens in der „Krise“ erhofft sich der Gesetzgeber einen erheblichen Vereinfachungseffekt, der die Attraktivität der GmbH im Wettbewerb mit anderen Rechtsformen erhöhen soll.99) Durch die konsequente Verlagerung ins Insolvenzrecht soll zugleich gewährleistet werden, dass die Regelungen auf alle Kapitalgesellschaften, auch solche ausländischer Provenienz, zur Anwendung kommen. cc) Missbrauchsbekämpfung 27

Unter diesem Aspekt hat der Gesetzgeber insbesondere die Tatbestände der Inhabilität durch Aufnahme allgemeiner Vermögensdelikte (§ 6 Abs. 2 Nr. 3) und eine hierauf bezogene Gesellschafterhaftung eingeführt (§ 6 Abs. 5); auch eine Verurteilung im Ausland steht der Bestellung entgegen. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Regeln zur besseren Gewährleistung der Zustellbarkeit von Schriftstücken (§ 8 Abs. 4 Nr. 1, § 10 Abs. 1, 2, § 35 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 sowie § 15a HGB und § 185 Nr. 2 ZPO). Der bisherigen Praxis einer Zustellungsvereitelung durch Abberufung von Geschäftsführern100) soll begegnet werden mit der Pflicht zur Angabe einer inländischen Geschäftsanschrift (§ 8 Abs. 4 Nr. 1), die gemäß § 10 Abs. 1 in das Handelsregister einzutragen ist. Bei Führungslosigkeit kann gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 auch an jeden Gesellschafter zugestellt werden. Sollte auch dies scheitern, eröffnet § 15a HGB für materiell-rechtliche Willenserklärungen und § 185 Nr. 2 ZPO für Prozesshandlungen die Möglichkeit der öffentlichen Zustellung.

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Die Insolvenzantragspflicht der Geschäftsführers ist von § 64 Abs. 1 a. F. nach § 15a InsO n. F. verlagert und dort rechtsformneutral ausgestaltet worden, sodass auch Auslandsgesellschaften erfasst werden können. Die Antragspflicht korrespondiert mit dem Antragsrecht des § 15 InsO und ist daher – auch aus europäischer Perspektive der EuInsVO – insolvenzrechtlicher Natur.101) § 15a Abs. 3 InsO erstreckt die – strafbewehrte (§ 15a Abs. 4, 5) – Antragspflicht bei Führungslosigkeit der Gesellschaft auch auf die Gesellschafter. Der Gesetzgeber will damit nicht allein den Gläubigerschutz verbessern und die Umgehung der Antragspflicht vereiteln, sondern auch Anreiz geben, eine Führungslosigkeit gar nicht erst eintreten zu lassen bzw. sogleich wieder zu beheben.102) Ein neues Schutzinstrument zugunsten der Gläubiger enthält § 64 Satz 3: Demnach haftet der Geschäftsführer für Vermögensverschiebungen an die Gesellschafter, die zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen. Es soll die Gesellschafterhaftung ergänzen (§§ 30, 31, §§ 129 ff InsO, § 826 BGB) und ist dem angelsächsischen sog. Solvency Test verwandt.103) Die Haftung des Geschäftsführers für Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gemäß § 64 Satz 1 und 2 n. F. (= § 64 Abs. 2 Satz 1 _____________ 98) 99) 100) 101) 102) 103)

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Vgl. BT-Drucks. 16/9737, S. 106. BT-Drucks. 16/6140, S. 42 und 56. Vgl. etwa OLG Zweibrücken, ZIP 2006, 950 = GmbHR 2006, 430 = DB 2006, 662. Vgl. auch BT-Drucks. 16/6140, S. 55. Vgl. Begr. RegE BT-Drucks. 16/6140. BT-Drucks. 16/6140, S. 46.

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Einleitung und 2 a. F.) ist in der Sache unverändert geblieben.104) Für die GmbH relevant sind insbesondere die §§ 397 ff FamFG. 4.

Gesetz zur Modernisierung des Bilanz-Rechts (BilMoG) und FGG-Reform (FamFG) a) BilMoG Das BilMoG brachte mit Wirkung vom 29.5.2009 eine weitreichende Reform des Bilanzrechts mit sich.105)

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b) FamFG Durch das Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) ist zum 1.9.2009 das FGG abgelöst worden; dieses hat eine umfassende Reform des Rechts der freiwilligen Gerichtsbarkeit erbracht. In diesem Zusammenhang ist auch das GmbHG geändert worden, doch handelt es sich lediglich um kleinere Folgeänderungen und terminologische Adaptionen.106) Sie betreffen die § 60 Abs. 1 Nr. 6 und 7, § 66 Abs. 2, § 74 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2, § 71 Abs. 3 Satz 2. 5.

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Weitere Gesetze

Abgesehen von den die Rechtsform unmittelbar regelnden Gesetzen (GmbHG, EGGmbHG) sind zahlreiche weitere Gesetze für die GmbH einschlägig, sofern sie entweder rechtsformübergreifende Regelungen (z. B. zur Insolvenzantragspflicht siehe Rn. 28 und zu den Gesellschafterdarlehen siehe Rn. 22, 25) oder ergänzendes Spezialrecht für die GmbH enthalten.107) Zu nennen sind das HGB (dort insbesondere die Regeln über Kaufleute, die §§ 13 ff [Zweigniederlassungen] und §§ 238 ff, 264 ff [Bilanzrecht]), UmwG (für Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung und Formwechsel der GmbH), AktG (insbesondere hinsichtlich des Konzernrechts, §§ 15 – 19 sowie des Aufsichtsrats [über § 52 GmbHG]) und Mitbestimmungsgesetze (MitbestG, Montan-MitbestG, MontanMitBestErgG, DrittelbG). Als rechtsformübergreifende Quelle auch in Hinblick auf gesellschaftsrechtliche Maßnahmen ist für die GmbH nach dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)108) auch die InsO zu zählen. So kann nach § 225a Abs. 2 InsO _____________ 104) Vgl. aber die Rspr.-Änderung durch BGH, ZIP 2007, 1265 = NJW 2007, 2118 = DNotZ 2008, 141, dazu EWiR 2007, 495 (Henkel/Mock); ferner BGH, ZIP 2008, 1229 = DB 2008, 1428 = NZG 2008, 508, dazu EWiR 2008, 557 (D. Schulz/H. Schröder); BGH, ZIP 2008, 1026 = DStR 2008, 1245 = DB 2008, 1202, dazu EWiR 2009, 237 (A. Kleinschmidt/Lau). 105) Vgl. hierzu näher etwa Pfitzer, Reform des Aktien, Bilanz- und Aufsichtsrechts, BilMoG, MoMiG, TransPuG, EHUG und weitere Reformgesetze, 2008 sowie die Literaturübersicht bei Zülch/Hoffmann, DB 2008, 1053; allg. zum BilMoG: Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, Claussen/Crezelius, u. a. BB 2008, 209; zum Übergangsrecht Kirsch, DStR 2008, 1202; zu den Änderungen des RegE gegenüber RefE, Meyer, DStR 2008, 1153; Zülch/Hoffmann, BB 2008, 1272; zu steuerrechtlichen Konsequenzen des BilMoG, Herzig, DB 2008, 1339. Die Auswirkungen auf das Aktien- und GmbHRecht werden dargestellt von: Habersack, AG 2008, 98 sowie speziell zur GmbH Theile, GmbHR 2007, 1296. 106) Vgl. BT-Drucks. 16/6308, S. 355. 107) Näher Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, Einl. Rn. 31; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer, GmbHG, Einl. Rn. A 96 ff. 108) BGBl. I 2011, 2582.

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Einleitung im Insolvenzplan ein Debt-Equity-Swap vollzogen und nach Absatz 3 jede gesellschaftsrechtlich zulässige Maßnahme getroffen werden. Ob hingegen § 225a Abs. 3 InsO seine Grenzen in der Struktur des Gesellschaftsrechts findet, also jede Maßnahme zulässig ist, welche gesellschaftsrechtlich konstruiert werden kann,109) oder zwingende gesellschaftsrechtliche Schutzprinzipien weiterhin anwendbar sind,110) ist streitig. Allerdings ist nicht ersichtlich, dass über die pauschale Formulierung des § 225a Abs. 3 InsO ohne nähere Erläuterung in der Gesetzesbegründung und ohne naheliegenden sachlichen Grund sämtliche zwingenden gesellschaftsrechtlichen Schutzmechanismen ausgehebelt werden sollten.111) IV. Lückenausfüllung im GmbH-Recht 32

Die infolge der Vielgestaltigkeit der GmbH und bewusster Lückenhaftigkeit des GmbHG nicht seltenen Gesetzeslücken112) sind in erster Linie zu schließen durch allgemeine Grundsätze des Gesellschaftsrechts (z. B. Treubindung, Gleichbehandlungsgrundsatz), die ergänzende Anwendung des Vereinsrechts sowie durch Analogien zum Aktienrecht,113) wobei aber Unterschiede zwischen beiden Rechtsformen zur Zurückhaltung mahnen.114) Eine Analogie zu Normen des Aktiengesetzes kommt insbesondere hinsichtlich Aufbringung und Erhalt des Stammkapitals in Frage,115) wobei freilich die bisherige Analogie zu § 27 Abs. 3 AktG in Fällen einer verdeckten Sacheinlage116) durch das MoMiG überholt ist (siehe Rn. 22). Den wohl wichtigsten Analogiefall bildet das Beschlussmängelrecht (§§ 241 ff AktG), das im GmbHG gar nicht geregelt wird.117), 118)

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Hinsichtlich des Innenverhältnisses ist wegen des personalistischen Charakters der GmbH ergänzend auf das Personengesellschaftsrecht zurückzugreifen; anerkannt ist dies etwa für Ausschluss und Austritt aus wichtigem Grund.119) Vor schematischem Vorgehen bei Übertragung von nicht GmbH-spezifischen Regelungen des _____________ 109) OLG Frankfurt/M., ZIP 2013, 2018, 2019 f = ZInsO 2013, 2112 – Suhrkamp, dazu EWiR 2013, 753 (Bähr/Schwartz); K. Schmidt-Spliedt, InsO, § 225a Rn. 35, Haas, NZG 2012, 961, 965; Hirte/Knof/Mock, DB 2011, 632, 638; wohl auch Eidenmüller in: MünchKommInsO, § 225a Rn. 76 ff. 110) Schäfer, ZIP 2013, 2237, 2242 f; Müller, KTS 2012, 419, 441 f; Simon/Merkelbach, NZG 2012, 121, 125; Madaus, ZIP 2012, 2133; tendenziell so auch BGH, ZIP 2014, 1442 = NZI 2014, 751= MDR 2014, 1110 – Suhrkamp, dazu EWiR 2014, 521 (Madaus). 111) S. zum Fall Suhrkamp: Schäfer, ZIP 2013, 2237, 2242 m. w. N. 112) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer, GmbHG, Einl. Rn. A 27. 113) Hierzu z. B. Fleischer, GmbHR 2008, 673. 114) Baumbach/Hueck-Hueck-Fastrich, GmbHG, 18. Aufl., Einl. Rn. 35. 115) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer, GmbHG, Einl. Rn. A 27. 116) Nichtigkeit des schuldrechtlichen und dinglichen Geschäfts, BGHZ 155, 329 = ZIP 2003, 1540 m. Anm. Pentz, S. 2083 = NJW 2003, 3127, dazu EWiR 2003, 1243 (Priester). 117) Vgl. etwa BGHZ 104, 66 = ZIP 1988, 703 = NJW 1988, 1844; aus jüngerer Zeit BGH, NZG 2008, 317, 318 = ZIP 2008, 757 = DB 2008, 754 m. w. N. 118) Zur richtlinienkonformen Auslegung richtlinieninduzierten GmbH-Rechts vgl. etwa EuGH, NJW 2006, 2465 = ZIP 2006, 2141, mit Anm. Auer NJW 2007, 1106; allg. Habersack/ Verse, EuGesR, § 3 Rn. 53 ff. 119) Vgl. BGHZ 80, 346 = ZIP 1981, 985 = NJW 1981, 2302; BGHZ 169, 270 = ZIP 2006, 2267 = NJW 2007, 589, dazu EWiR 2007, 289 (Krolop) – zur Kündigung einer Vor-AG aus wichtigem Grund.

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Einleitung Personengesellschaftsrechts ist allerdings – ebenso wie in Bezug auf das Aktienrecht – zu warnen.120) Anders verhält es sich naturgemäß bei Lückenhaftigkeit der Satzung. Ergibt deren (objektive) Auslegung eine Lücke, so ist diese primär nicht durch (analoge) Anwendung dispositiven Rechts, sondern durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen, wobei auf den sich aus dem Satzungsinhalt ergebenden hypothetischen Willen abzustellen ist.121) Nur wenn für einen mutmaßlichen Willen keine hinreichenden Anhaltspunkte bestehen, kommt das dispositive (GmbH-)Recht zur Anwendung.122)

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V. Richterliche Rechtsfortbildung im GmbH-Recht Sie betrifft insbesondere das Gründungsrecht.123) Insofern hat das MoMiG zwar inzwischen einige Fragen im Zusammenhang mit der Kapitalaufbringung geregelt (verdeckte Sacheinlage, Hin- und Herzahlen), und das Recht der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen einer umfassenden und abschließenden Neuregelung unterzogen (siehe Rn. 26). Unverändert gültig ist aber die Rechtsfortbildung zur Vor-GmbH, einschließlich der Gründerhaftung für Anlaufverluste (siehe § 11 Rn. 25 ff und 56 ff [Schroeter]),124) zur Haftung bei Mantelgründung und -verwendung (siehe § 3 Rn. 18 ff [Schäfer] m. w. N.),125) zur Gesellschafterhaftung wegen Existenzvernichtung als Fallgruppe des § 826 BGB und (dennoch) als Innenhaftung (siehe § 13 Rn. 38 ff [Weller/Discher]),126) zum GmbH-Konzernrecht127) und zur GmbH & Co. KG.128), 129)

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VI. Internationales Gesellschaftsrecht Insofern ist auf die Ausführungen bei § 4a zu verweisen (siehe § 4a Rn. 30 ff [Kindler]). _____________ 120) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer, GmbHG, Einl. Rn. A 27. 121) Zurückhaltend wegen regelmäßiger Unanwendbarkeit der §§ 133, 157 BGB aber ScholzCramer, GmbHG, § 2 Rn. 40 f. 122) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer, GmbHG, Einl. Rn. A 26. 123) Zu bisherigen Schwerpunkten der höchstrichterlichen Rechtsfortbildung s. eingehend Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer, GmbHG, Einl. Rn. A 132. 124) BGHZ 134, 333 = ZIP 1997, 679 = NJW 1997, 1507 – Verlustdeckungshaftung; vgl. auch BGH, ZIP 2005, 2257 = GmbHR 2006, 88 = NZG 2006, 64, dazu EWiR 2006, 143 (Wilhelm); BGHZ 165, 391 = ZIP 2006, 668 = NJW 2006, 1594 m. w. N., dazu EWiR 2006, 565 (Naraschewski) – zur Unterbilanzhaftung. 125) BGHZ 153, 158 = ZIP 2003, 251 = NJW 2003, 892, dazu EWiR 2003, 327 (Keil); BGHZ 155, 318 = ZIP 2003, 1698 = NJW 2003, 3198, dazu EWiR 2003, 967 (Keil); BGH, ZIP 2008, 217 = NZG 2008, 147 = DStR 2008, 933, dazu EWiR 2008, 535 (Ostermaier); BGHZ 192, 341 = ZIP 2012, 817 = NJW 2012, 1875, dazu EWiR 2012, 623 (Priester). 126) BGHZ 173, 246 = ZIP 2007, 1552 m. Anm. Weller, S. 1681 = NJW 2007, 2689 – TRIHOTEL, dazu EWiR 2007, 557 (Wilhelm); BGH, ZIP 2008, 1232 m. Anm. Altmeppen, S. 1201= DB 2008, 1423 = WM 2008, 1220 – GAMMA, dazu EWiR 2008, 493 (Bruns). 127) BGHZ 65, 15 = NJW 1976, 191 – ITT; BGHZ 105, 324 = ZIP 1989, 29 = NJW 1989, 295 – Supermarkt; BGHZ 168, 285 = ZIP 2006, 1488 = NJW 2006, dazu EWiR 2006, 577 (Lenz) 3279 – Aufrechnung mit Verlustausgleichsanspruch; s. dazu unten Anhang zu § 13. 128) BGHZ 60, 324 = NJW 1973, 1036; BGHZ 110, 342 = ZIP 1990, 578 = NJW 1990, 1725; BGH, ZIP 2008, 174 m. Anm. K. Schmidt, S. 481 = GmbHR 2008, 203 = NZG 2008, 143, dazu EWiR 2008, 403 (Henkel). 129) Zur Rechtsfortbildung im Bereich des Minderheitenschutzes vgl. Scholz-Westermann, GmbHG, Einl. Rn. 57 f.

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Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) vom 20. April 1892, RGBl., S. 477, zuletzt geändert durch Gesetz vom 17.07.2017 (BGBl. I S. 2446) m. W. v. 22.07.2017

Abschnitt 1 Errichtung der Gesellschaft §1 Zweck; Gründerzahl Carsten Schäfer

Gesellschaften mit beschränkter Haftung können nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck durch eine oder mehrere Personen errichtet werden. Literatur: Bachmann, Juristische Person und freier Beruf, NJW 2001, 3385; Banspach/ Nowak, Der Aufsichtsrat der GmbH – unter besonderer Berücksichtigung kommunaler Unternehmen und Konzerne, Der Konzern 2008, 195; Bayer/Hoffmann/Lieder, Ein Jahr MoMiG in der Unternehmenspraxis, GmbHR 2010, 9; Buchholz, Die Eintragungsfähigkeit der Vor-GmbH in die Handwerksrolle, NZG 2001, 884; Dürr, Die nach- bzw. nichtbevollmächtigte Einpersonen-Gründung einer GmbH, GmbHR 2008, 408; Engelsing/ Lüke, Die gemeinnützige GmbH, NWB 2010, 118; Fischer, Die Reform des Rechts der Unternehmensbeteiligungsgesellschaften, WM 2008, 857; Gottwald, Staatliche Genehmigungserfordernisse bei GmbH-Gründungen, DStR 2001, 944; Grooterhorst, Gründungsmängel und ihre Folgen bei der Einmann-GmbH, NZG 2007, 605; Henssler, Die gesetzliche Regelung der Rechtsanwalts-GmbH, NJW 1999, 241; Henssler, Keine Organisationsfreiheit für Rechtsanwälte – Das Verbot der Rechtsanwalts-GmbH & Co. KG, NZG 2011, 1121; Henssler/Deckenbrock, Neue Regeln für den deutschen Rechtsberatungsmarkt, DB 2008, 41; Henssler/Markworth, Anforderungen an eine FreiberuflerGmbH & Co. KG, NZG 2015, 1; Juretzek, Zur Zulässigkeit der Rechtsform der GmbH & Co. KG für die gemeinsame Berufsausübung von Freiberuflern, DStR 2015, 431; KleineCosack, Vom freien Beruf zum gewerblichen Unternehmer, BB Beilage 2008 Nr. 3, 2; Kleine-Cosack, Liberalisierung des Gesellschaftsrechts der Freiberufler, DB 2007, 1851; Kleine-Cosack, AnwBl. 2016, 311; Ost, DStR 2015, 442; Lorson/Haustein/Albrecht/Perlick, Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) versus kommunale Eigenrealisierung, DB 2015, 2705; Prühs, Non-Profit-GmbH, Wesen, Besteuerung, gesellschaftsrechtliche Besonderheiten, GmbH-Steuerpraxis 2010, 69; Quaas, Verbot widerstreitender Interessen und Sternsozietät – Hat sich durch die Änderung des § 59a BRAO etwas geändert?, NJW 2008, 1697; Rau, Offene Rechtsfragen bei der Gründung Medizinischer Versorgungszentren?, MedR 2004, 667; Römermann, Dogmatisches Chaos und unabsehbare Haftungsgefahren bei der Freiberufler-GmbH (& Co. KG), GmbHR 2012, 64; Römermann, Weite Öffnung für interprofessionelle Sozietäten von Rechtsanwälten, NJW 2016, 682; Schlüter, Die gemeinnützige GmbH Teil I und II, Gründungsverfahren, Satzungsgestaltung und steuerliche Anerkennung, GmbHR 2002, 535 und 578; Schröder, Die steuerpflichtige und steuerbegünstigte GmbH im Gemeinnützigkeitsrecht, DStR 2008, 1069; Taupitz, Zur Verfassungsmäßigkeit des Verbots, ärztliche Praxen in Form einer juristischen Person des Privatrechts zu führen, NJW 1996, 3033; Tountopoulos, Gründung einer Kapitalgesellschaft von Ausländern mit einem Verbot selbständiger Erwerbstätigkeit, Rpfleger 1997, 457; Wachter, Ausländer als GmbH-Gesellschafter und Geschäftsführer, ZIP 1999,

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§1

Zweck; Gründerzahl

1577; Wehrheim/Steinhoff, Die vermögensverwaltende GmbH nach Einführung der Unternehmensteuerreform bei Veräußerungsgewinnen – Eine dynamische Vorteilhaftigkeitsanalyse unter Berücksichtigung des Zinseszinseffekts der Thesaurierung, DStR 2008, 989; Wicke, Societas Unius Personae – SUP: eine äußerst wackelige Angelegenheit, ZIP 2014, 1414. Übersicht I. Allgemeines .......................................... 1 II. Zweck der Gesellschaft ........................ 4 1. Unterscheidung des Gesellschaftszwecks vom Unternehmensgegenstand ....................................................... 4 2. Zulässige Zwecke .................................. 9 a) Grundsatz ....................................... 9 b) Erwerbswirtschaftliche Zwecke .......................................... 10 c) Sonstige wirtschaftliche Zwecke .......................................... 11 d) Ausübung eines freien Berufs ..... 12 e) Ideelle, insbesondere gemeinnützige Zwecke ............................ 17 3. Genehmigungsbedürftige Zwecke ..... 18

I.

4.

Unzulässige Zwecke ............................ 23 a) Allgemeines .................................. 23 b) Gesetzesverstöße (§ 134 BGB) ..... 24 c) Rechtsformverbote ...................... 25 5. Rechtsfolgen eines unzulässigen Gesellschaftszwecks ............................ 26 a) Ursprüngliche Unzulässigkeit ..... 26 b) Nachträgliche Unzulässigkeit ..... 28 c) Heilung des Mangels .................... 29 III. Einpersonengesellschaft .................... 30 1. Begriff der Einpersonengesellschaft ..... 30 2. Die Einpersonen-Gründung ............... 33 3. Organisation der EinpersonenGmbH .................................................. 37

Allgemeines

1

§ 1 ist die Grundnorm des GmbHG1) und ermöglicht den Einsatz der Rechtsform (anders als OHG und KG) zu jedem gesetzlich zulässigen, insbesondere auch nichtwirtschaftlichen, namentlich gemeinnützigen Zweck. Auch soweit sie kein Handelsgewerbe betreibt, ist die GmbH stets (Form-)Kaufmann gemäß § 6 Abs. 2 HGB i. V. m. § 13 Abs. 3 GmbHG.

2

Das Gesetz lässt seit 1.1.19812) auch die Einpersonen-Gründung zu. Daher kommt außer dem Abschluss eines Gesellschaftsvertrags (so ausschließlich §§ 2, 3) auch ein einseitiges Rechtsgeschäft, nämlich die Gründungserklärung des einen Gründers, als Errichtungsgeschäft in Betracht. Inzwischen ist die EinpersonenGründung auch bei AG (§ 2 AktG) und KGaA möglich.3) Zur Diskussion um die Einführung einer „SUP“ auf europäischer Ebene siehe Einleitung Rn. 14 [Schäfer].

3

Der Begriff der „Errichtung“ wird in § 1 weit verstanden und umfasst den gesamten Gründungsvorgang, vom notariellen Vertragsschluss (§ 2) bis zur Entstehung der GmbH als juristische Person durch Eintragung ins Handelsregister (§ 11 Abs. 1). Daneben findet sich aber auch ein aus dem Aktienrecht (vgl. § 29 AktG) übernommenes Begriffsverständnis, wonach unter Errichtung der Gesellschaft nur der Abschluss des Gesellschaftsvertrages unter Übernahme der Geschäftsanteile (vor MoMiG: Stammeinlagen) zu verstehen ist.4)

_____________ 1) 2) 3) 4)

22

Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 1 Rn. 1. Gesetz v. 4.7.1980 – GmbH-Novelle, BGBl. I 1980, 836. Seit Gesetz v. 22.9.2005 – UMAG, BGBl. I 2005, 2802. Vgl. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 1 Rn. 2.

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§1

Zweck; Gründerzahl

II. Zweck der Gesellschaft 1.

Unterscheidung des Gesellschaftszwecks vom Unternehmensgegenstand

Nach ganz überwiegender Ansicht5) ist rechtlich zwischen Gesellschaftszweck und Unternehmensgegenstand zu differenzieren; teilweise wird außerdem noch das Unternehmensziel unterschieden.6) Das entspricht der Nomenklatur des GmbHG, das im Unterschied zum AktG beide Begriffe verwendet; namentlich spricht es in den §§ 1, 61 Abs. 1 vom Zweck der Gesellschaft und in den §§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 10 Abs. 1, 75 Abs. 1, 76 vom Gegenstand des Unternehmens. Allerdings verbindet sich mit dieser verschiedenen Gesetzeslage kein unterschiedlicher Rechtszustand; es handelt sich vielmehr um eine rechtsformübergreifende Frage. Geht man mit der h. M. von einer Unterscheidung zwischen Zweck und Gegenstand aus, steht fest, dass nicht schon die mangelnde Verfolgbarkeit des Unternehmensgegenstands einen Auflösungsgrund nach § 61 darstellt, sofern der weiter verstandene Zweck auch auf anderem Wege erreicht werden kann.7) Freilich ist die Auflösungsklage wegen der Unmöglichkeit, den Gesellschaftszweck zu verwirklichen (§ 61 Abs. 1 Alt. 1), kaum je praktisch geworden.8) Im Einzelnen gilt Folgendes:

4

Bundesgerichtshof und h. L. verstehen unter Unternehmensgegenstand den „Wirtschaftsbereich, in dem die Gesellschaft nach der bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages von den Gesellschaftern erzielten Übereinkunft ihre Tätigkeit entfalten soll“9) bzw. die „Tätigkeit, die die Gesellschaft ausüben will“.10) Er ist Bestandteil des Gesellschaftsvertrages (§ 3 Abs. 1 Nr. 2) und im Handelsregister einzutragen (§ 10 Abs. 1). Deshalb wird mit Recht gesagt, dass der Unternehmensgegenstand vor allem im Interesse des Rechtsverkehrs, also mit Wirkung nach außen, den Tätigkeitsbereich der Gesellschaft umschreibe.11)

5

Demgegenüber wird der für jede Gesellschaft (siehe § 705 BGB) begriffsnotwendige Gesellschaftszweck nicht einheitlich verstanden. Überwiegend wird er als das Ziel der gemeinsamen Tätigkeit definiert, wobei die h. M. zwischen gewerblichen, sonstigen wirtschaftlichen, freiberuflichen und ideellen Zielen differenziert und den Unternehmensgegenstand als Mittel zur Erreichung des Ziels versteht.12) Teilweise wird in Anlehnung an § 1 GenG auch formuliert, dass der Gesellschaftszweck stets sowohl das Unternehmensziel als auch den Unternehmensgegenstand umfasse.13)

6

_____________ 5) Vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 1 Rn. 5; Fleischer in: MünchKommGmbHG, § 1 Rn. 6 ff; a. A. wohl Flume, Jur. Person, S. 324. 6) Pentz in: MünchKomm-AktG, § 23 Rn. 74 m. w. N. 7) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 1 Rn. 7; Fleischer in: MünchKommGmbHG, § 1 Rn. 16. 8) Vgl. immerhin OLG Saarbrücken, AG 1980, 26. 9) BGHZ 127, 176, 179 = ZIP 1994, 1847 = NJW 1995, 192 – zur stillen Gesellschaft. 10) BGHZ 102, 209, 213 = NJW 1987, 1087, 1088 = ZIP 1988, 433 – zu § 8 Abs. 1 Nr. 6 a. F.; aus der Literatur s. nur Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 3 Rn. 7 ff. 11) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 1 Rn. 8. 12) Vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 1 Rn. 5 ff; Scholz-Cramer, GmbHG, § 1 Rn. 3 ff, 4; aus der Rspr. BayObLGZ 1975, 447; OLG Hamburg, BB 1968, 267; OLG Saarbrücken, AG 1980, 26. 13) Pentz in: MünchKomm-AktG, § 23 Rn. 76.

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§1

Zweck; Gründerzahl

Im Ergebnis dürfte aber unstreitig sein, dass auch bestimmte Änderungen des Unternehmensgegenstands auf den Zweck ausstrahlen und deshalb als Zweckänderung zu behandeln sind (siehe Rn. 7). Demgegenüber legt die Rechtsprechung im Vereinsrecht ein engeres Zweckverständnis zugrunde. Demnach sei der Vereinszweck nur derjenige Satzungsbestandteil, in dem der oberste Leitsatz für die Vereinstätigkeit zum Ausdruck gebracht werde und mit dessen Abänderung schlechterdings kein Mitglied bei seinem Beitritt zum Verein rechnen könne.14) 7

Die Einzelheiten dieses unterschiedlichen Begriffsverständnisses brauchen hier nicht erläutert zu werden; relevant wird der Streit vor allem bei den Voraussetzungen für eine Änderung der ursprünglichen Satzungsbestimmung; denn die Zweckänderung bedarf nach ganz h. M. gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB der Zustimmung aller Gesellschafter,15) während die (bloße) Änderung des Unternehmensgegenstandes lediglich eine satzungsändernde Mehrheit erfordert, § 53 (3/4 Mehrheit der abgegebenen Stimmen). Dabei gehören im Ausgangspunkt stets sowohl Zweck als auch Unternehmensgegenstand zu den notwendigen Satzungsbestandteilen, wenngleich häufig allein der nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 zu konkretisierende Unternehmensgegenstand, nicht aber der Gesellschaftszweck explizit bezeichnet wird. In diesem Fall führt aber eine Vertragsauslegung regelmäßig zu dem Ergebnis, dass sich der Zweck auf die Gewinnerzielung durch selbständige Tätigkeit in dem durch den Unternehmensgegenstand beschriebenen Markt richtet.16)

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Hält man mit der h. M. an der Unterscheidung zwischen Zweck und Gegenstand fest, ist im Ausgangspunkt eindeutig, dass nicht jede Gegenstandsänderung zugleich Zweckänderung sein kann. Als solche zu fassen ist aber jedenfalls der Übergang von einer gewerblichen zur freiberuflichen (oder sonstigen wirtschaftlichen Tätigkeit) oder zu einer karitativen Betätigung (und umgekehrt). Schwieriger zu beurteilen ist demgegenüber, welche Gegenstandsänderungen zugleich als Zweckänderung zu bewerten sind. Verbreitet wird eine qualifizierte Änderung des Unternehmensgegenstandes verlangt, die das Ziel des gemeinsamen Zusammenwirkens berührt.17) Entsprechendes gilt auch für die Ersetzung der gewerblichen durch eine vermögensverwaltende Tätigkeit; während die bloße Erweiterung des Unternehmensgegenstandes auf andere Märkte oder Absatzstufen nicht als Zweckänderung anzusehen ist.18)

_____________ 14) BGHZ 96, 245, 251 = NJW 1986, 1033, 1034 = ZIP 1986, 368. 15) BGHZ 96, 245, 248 ff = NJW 1986, 1033, 1034 = ZIP 1986, 368 – zum eingetragenen Verein; vgl. auch KG, NZG 2005, 88 = DStR 2005, 298 = AG 2005, 90 – zur AG. 16) So Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 1 Rn. 9; vgl. auch RGZ 164, 129, 140: Unternehmensgegenstand ist Haupterkenntnisquelle für die Ermittlung des Gesellschaftszwecks. 17) Bsp. nach Pentz in: MünchKomm-AktG, § 23 Rn. 77: statt Erzeugung von Öko-Strom zukünftig Betrieb eines Atomkraftwerks. 18) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 1 Rn. 10.

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2.

Zulässige Zwecke

a) Grundsatz Wie § 1 ausdrücklich hervorhebt, darf die GmbH jeden beliebigen Zweck verfolgen, wobei herkömmlicherweise zwischen erwerbswirtschaftlichen, sonstigen wirtschaftlichen, freiberuflichen und ideellen Zwecken unterschieden wird (siehe Rn. 10 ff). Der in § 1 angebrachte Vorbehalt einer Vereinbarkeit mit dem Gesetz ist praktisch von nur geringer Bedeutung (dazu siehe Rn. 26 ff). Das Gesetz regelt lediglich den Fall, dass die Klausel über den Unternehmensgegenstand rechtlich unwirksam ist. § 75 erklärt diesen Mangel bei der eingetragenen Gesellschaft zwar für beachtlich, beschränkt seine Wirkung aber auf die Auflösbarkeit der Gesellschaft im Wege der „Nichtigkeitsklage“ (siehe Rn. 26 f).

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b) Erwerbswirtschaftliche Zwecke Unter diese Rubrik fällt der Betrieb jedweden Gewerbes zum Zweck dauerhafter Gewinnerzielung (auch als Konzernunternehmen i. S. d. § 18 AktG). Sie ist nicht beschränkt auf Handelsgewerbe, vielmehr kommt auch eine Tätigkeit im Bereich der Urproduktion (Land- und Forstwirtschaft) in Betracht. Die GmbH kann Bankgeschäfte (nach § 32 KWG ist dies aber erlaubnispflichtig) betreiben. Gleichermaßen kann sie i. R. d. Kapitalanlage als Kapitalverwaltungsgesellschaft nach §§ 17, 18 Abs. 1 KAGB19) oder nach § 2 Abs. 1 UBGG als Unternehmensbeteiligungsgesellschaft)20) fungieren. Auch der Betrieb einer Pfandbriefbank ist möglich.21)

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c) Sonstige wirtschaftliche Zwecke Diese Fallgruppe ist durch eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht gekennzeichnet. Als Anwendungsbeispiele erwähnt werden Wirtschaftsverbände, die ausschließlich im Interesse ihrer Mitglieder handeln, Syndikate und bestimmte Auffanggesellschaften zur Verwertung eines Schuldnervermögens22) sowie Holding- und Treuhandgesellschaften.23) Auch die Verwendung als persönlich haftende Gesellschaft in der GmbH & Co. gehört hierher, sofern, wie typischerweise, auf einen eigenen Gewinnanteil verzichtet wird. Weiter fallen Unternehmen der Daseinsvorsorge in diese Kategorie.24) Außerdem kann sich die GmbH als Trägerin eines treuhänderisch zu verwaltenden Vermögens betätigen.25) Teilweise wird auf eine eigene Katego-

_____________ 19) Vormals § 6 Abs. 1 Satz 2 InvG (aufgehoben durch Gesetz v. 4.7.2013, BGBl. I 2013, 2194, m. W. v. 21.7.2013). 20) Vgl. Fischer, WM 2008, 857. 21) Seit Ablösung des HypBG durch das PfandBG, Gesetz v. 22.5.2005, BGBl. I 2005, 1373. 22) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 1 Rn. 18. 23) So Scholz-Cramer, GmbHG, § 1 Rn. 16. 24) Zur besonderen Eignung der GmbH auf diesem Gebiet, Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/ Löbbe, GmbHG, § 1 Rn. 19; vgl. auch Banspach/Nowak, Der Konzern 2008, 195; Lorson/ Haustein/Albrecht/Perlick, DB 2015, 2705. 25) Vgl. hierzu aus steuerrechtlicher Sicht auch Wehrheim/Steinhoff, DStR 2008, 989.

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rie für diese Fälle auch verzichtet und sie den erwerbswirtschaftlichen Erscheinungsformen zugeschlagen.26) d) Ausübung eines freien Berufs 12

Auch sie ist zulässiger Zweck der GmbH,27) doch unterliegt die Berufsausübung regelmäßig zugleich strikter berufsrechtlicher Reglementierung.28) Die berufs(und standes-)rechtliche Entwicklung wird allerdings erheblich durch die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG beeinflusst. Allgemein gilt daher: Die GmbH hat als juristische Person des Privatrechts (Art. 19 Abs. 3 GG) gemäß Art. 12 Abs. 1 GG das Grundrecht auf freie Berufswahl. Sofern ihr eine Berufstätigkeit nicht durch Regelungen verboten ist, die mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar sind, ist sie somit zu deren Ausübung berechtigt.29) Gerichte haben daher der GmbH auch ohne ausdrückliche berufsrechtliche Regelung immer häufiger die Ausübung freiberuflicher Tätigkeit gestattet.30) Das Gesellschaftsrecht der freien Berufe war infolgedessen in den letzten Jahren einer weitgehenden Liberalisierung ausgesetzt.31) Inzwischen nähern sich die freien Berufe immer mehr den gewerblichen Tätigkeiten an.32) So ist etwa das Verbot der Sternsozietät in §§ 59a, 59e BRAO a. F. (vom BGH noch als verfassungsgemäß eingestuft)33) aufgehoben worden durch Art. 4 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsgesetzes vom 12.12.2007.34) Die § 59e Abs. 2 Satz 1 und § 59f Abs. 1 BRAO sowie die § 52e Abs. 2 Satz 1 und § 52f Abs. 1 Satz 1 PAO, welche eine bestimmte Gesellschafterstruktur und auf Geschäftsführungsebene eine Verantwortlichkeit der jeweiligen Berufsträger forderten, wurden _____________ 26) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 1 Rn. 11. 27) Als Alternative zur GmbH können Angehörige freier Berufe inzwischen eine Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (§ 8 Abs. 4 PartGG) wählen, dazu Schäfer in: MünchKomm-BGB, § 8 PartGG Rn. 41 ff; zur Ausübung freier Berufe in der Form der GmbH § Co. KG eingehend Henssler/Markworth, NZG 2015, 1 sowie Juretzek, DStR 2015, 431. 28) Vgl. zum Begriff des freien Berufes näher Schäfer in: MünchKomm-BGB, Vor § 1 PartGG Rn. 15 ff und § 1 PartGG Rn. 33 ff, speziell zur Rechtsanwalts-GmbH: Henssler, NJW 1999, 241. 29) Vgl. BVerfG, ZIP 2014, 368 ff = GmbHR 2014, 301 = NJW 2014, 613, dazu EWiR 2014, 203 (Henssler). Vgl. zur AG: BGHZ 161, 376 = NJW 2005, 1568, 1569 = ZIP 2005, 944; BGHZ 124, 224, 225 = NJW 1994, 786, 787 = ZIP 1994, 381. 30) Zuletzt zur gemischten Rechts- und Patentanwalts-GmbH: BVerfG ZIP 2014, 368 ff = GmbHR 2014, 301 = NJW 2014, 613, dazu EWiR 2014, 203 (Henssler) – Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses der Doppelzulassung; a. A. noch BGH ZIP 2012, 226, 228 f = DB 2011, 2908 = DStR 2011, 2479, dazu EWiR 2012, 81 (Römermann) und Römermann, GmbHR 2012, 64 ff; BGHZ 124, 224, 225 = NJW 1994, 786, 787 = ZIP 1994, 381 – zur Anwalts-GmbH zuvor schon BayObLGZ 1995, 199; zweifelhaft deshalb OLG Düsseldorf, NZG 2007, 190 = GmbHR 2007, 939 – zum unzulässigen Betrieb einer Tierarztpraxis durch GmbH wg. fehlenden Ausführungsbestimmungen in BO. 31) Vgl. Kleine-Cosack, DB 2007, 1851 u. a. mit Kritik an berufsrechtlichen Beteiligungsverboten aus § 59c Abs. 2 BRAO, § 28 Abs. 4 WPO und § 50a Abs. 1 StBerG. 32) Kleine-Cosack, BB Beilage 2008 Nr. 3, 2. 33) BGH, ZIP 2006, 282 = NJW 2006, 1132 = BB 2006, 238, dazu EWiR 2006, 365 (Römermann). 34) BGBl. I 2007, 2840 (RDG), dazu etwa Henssler/Deckenbrock, DB 2008, 41; speziell zur Änderung des § 59a BRAO: Quaas, NJW 2008, 1697.

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vom BVerfG wegen Unvereinbarkeit mit der Berufsfreiheit für nichtig erklärt.35) Durch Beschluss vom 12.1.2016 hat das Gericht entgegen § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO inzwischen auch die Sozietätsbildung zwischen Rechtsanwälten und Ärzten bzw. Apothekern für zulässig erklärt, sofern anwaltliche Verschwiegenheit, Unabhängigkeit und das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen gesichert sind.36) Die zur Partnerschaftsgesellschaftsgesellschaft ergangene Entscheidung ist auf einen Zusammenschluss mit anderen Berufsgruppen ungeachtet der Gesellschaftsform jedenfalls dann übertragbar, wenn diese andere Berufsgruppe die anwaltlichen Grundpflichten gleichermaßen schützt.37) Die GmbH ist auch bei der Ausübung eines freien Berufs stets Kaufmann gemäß § 6 Abs. 2 HGB i. V. m. § 13 Abs. 3 und gewerbesteuerpflichtig nach § 8 Abs. 2 KStG, und zwar unabhängig von der allgemein für freiberufliche Tätigkeit geltenden Gewerbesteuerfreiheit.38)

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Beispiele für die zulässige Ausübung freier Berufe in der Rechtsform der GmbH sind:39) Steuerberatungsgesellschaft (§ 49 Abs. 1 StBerG) und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (§ 27 Abs. 1 WPO), seit 1.3.1999 Rechtsanwaltsgesellschaft nach Maßgabe der §§ 59c ff BRAO,40) für Anwaltsnotare allerdings beschränkt auf die Anwaltstätigkeit41) (§ 59e Abs. 1 Satz 3 BRAO).42) Die Rechtsprechung entnimmt §§ 2, 59c BRAO ein Verbot, eine Rechtsanwaltsgesellschaft in der Form der GmbH & Co KG zu betreiben;43) demgemäß kann auch keine GmbH mit dem Ziel gegründet werden, in einer solchen KG die Komplementärrolle zu übernehmen.44) Wohl aber können Rechtsanwalts- und Steuerberaterberatungsgesellschaften als UG gegründet werden, nicht aber Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, weil diese nach § 28 Abs. 6 WPO über ein Stammkapital i. H. v. mindestens 25.000 € verfügen müssen.45)

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_____________ 35) BVerfG, ZIP 2014, 368 ff = GmbHR 2014, 301 = NJW 2014, 613, dazu EWiR 2014, 203 (Henssler); zur Übertragbarkeit auf Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Juretzek, DStR 2015, 431, 432 sowie Ost, DStR 2015, 442. 36) BVerfG, NJW 2016, 700 und sodann auch BGH, NJW 2016, 2263. 37) Römermann, NJW 2016, 682, 685; Kleine-Cosack, AnwBl. 2016, 311, 313; EWiR 2016, 195, 196 (Prütting). 38) Zur zulässigen Gewerbesteuerfreiheit der – nicht in GmbH- Form – verfolgten freien Berufe, BVerfG, ZIP 2008, 1164 = WM 2008, 1175 = NJW 2008, 3121. 39) Vgl. auch Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 1 Rn. 22 ff; Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 1 Rn. 9; Ulmer/Schäfer in: MünchKomm-BGB, Vor § 1 PartGG Rn. 15 ff. 40) Zuvor BayOblG, ZIP 1994, 1868 = GmbHR 1995, 42 = NJW 1995, 199, dazu EWiR 1995, 151 (Kleine-Cosack); auch in Gemeinschaft mit Patentanwälten: BVerfG, ZIP 2014, 368 ff = GmbHR 2014, 301 = NJW 2014, 613, dazu EWiR 2014, 203 (Henssler). 41) Krit. dazu Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 1 Rn. 28 f. 42) Näher zur Rechtsanwalts-GmbH: Henssler, NJW 1999, 241; zur Rechtsanwalts-AG vgl. BGHZ 161, 376 = NJW 2005, 1568, 1569 = ZIP 2005, 944; vgl. auch OLGR Köln 2008, 415, Patentanwalts-GmbH (§ 52c Abs. 1 PatAnwO). 43) Vgl. BVerfG, ZIP 2012, 367 ff = NJW 2012, 993; BGH, ZIP 2011, 1664 = GmbHR 2011, 1036 = NJW 2011, 3036, dazu EWiR 2011, 705 (Keller); Henssler, NZG 2011, 1121 ff. 44) AGH München, AnwBl. 2011, 68. 45) Vgl. auch Bayer/Hoffmann/Lieder, GmbHR 2010, 9, 10 f – mit empirischen Daten zur Entwicklung der UG in diesem Bereich.

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Auch für Architekten, Ingenieure, Unternehmensberater, Heilpraktiker und Dolmetscher kann die GmbH als zulässige Rechtsform für die gemeinschaftliche Berufsausübung angesehen werden.46) Problematisch ist nach Maßgabe der Landesarchitektengesetze aber die Eintragungsfähigkeit in eine Architektenliste.47) Sie ist zwar keine Gründungsvoraussetzung, aber erforderlich, damit in der Firma die Bezeichnung „Architekt“ verwendet werden darf.48)

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Ferner können Heilberufe (Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte) in der Rechtsform der GmbH ausgeübt werden,49) zumal sich nirgendwo ein (verfassungskonformes) gesetzliches Verbot findet.50) Das Kammer- und Berufsrecht der Länder errichtet allerdings – verfassungsrechtlich bedenklich – teilweise immer noch objektive Zulassungsschranken51) oder verhängt ein sog. Niederlassungsgebot, d. h. die Verpflichtung, die ärztliche Tätigkeit i. R. einer eigenen Praxis zu erbringen. Die Vereinbarkeit mit Art. 12 Abs. 1, 3 Abs. 1 GG ist insofern aber äußerst fraglich.52) Seit dem 1.1.2004 ermöglicht das GKV-Modernisierungsgesetz53) die Zulassung einer GmbH zur vertragsärztlichen Versorgung als Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ).54) Dieser Schritt hat dazu geführt, dass mittlerweile in einer Vielzahl von Ländern unter bestimmten (teilweise sehr unterschiedlichen) Anforderungen an die Organisations- und Beteiligungsstruktur die Gründung einer GmbH zum Zwecke der Berufsausübung ausdrücklich zugelassen wird (so in Brandenburg [§ 31 Abs. 4 Satz 1 BbgHeilBerG], Bremen [§ 27 Abs. 2 Satz 3 HeilBerG-HB], Hamburg [§ 27 Abs. 3 Satz 2 HmbKGH], Mecklenburg-Vorpommern [§ 32 Abs. 2 HeilBerG-MV] Niedersachen [§ 32 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 NdsHKG], Nordrhein-Westfalen [§ 29 Abs. 2 Satz 3 HeilBerG-NRW], Sachsen [§ 16 Abs. 4 SächsHKaG]; Sachsen-Anhalt [§ 20 Abs. 1 Nr. 4 KGHB-LSA]; Schleswig-Holstein [§ 29 Abs. 2 Satz 4 HBKG] und Thüringen [§ 20 Abs. 2 Satz 3 ThürHeilBG]). Daher ist inzwischen die ÄrzteGmbH, wenn auch unter restriktiven Voraussetzungen, in den meisten Bundesländern auch ausdrücklich zugelassen.

_____________ 46) Ulmer/Schäfer in: MünchKomm-BGB, Vor § 1 PartGG Rn. 21. 47) Vgl. etwa VGH Mannheim, DVBl. 1999, 50. 48) Vgl. OLG Frankfurt/M., NJW-RR 2001, 172 = GmbHR 2000, 623 = Rpfleger 2000, 219; zur Werbung durch eine nicht in die Architektenliste eingetragene GmbH mit Architekturleistungen: OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 1322 = BauR 1996, 571. 49) Dazu näher Ulmer/Schäfer in: MünchKomm-BGB, Vor § 1 PartGG Rn. 20. 50) Vgl. BGHZ 124, 224, 225 = NJW 1994, 786, 787 = ZIP 1994, 381 – Zahnarzt-GmbH; vgl. auch OLG Düsseldorf, NZG 2007, 190 = GmbHR 2007, 939 – Tierarzt-GmbH. 51) So Art. 18 Abs. 1 Satz 2 BayHKaG, dazu BayVerfGH, NJW 2000, 3418, 3419, der – mit wenig überzeugender Begründung (vgl. Bachmann, NJW 2001, 3385) – einen Verstoß gegen die entspr. Grundrechte der Bayr. Verfassung verneint; bestätigend für die UG OLG München, NZG 2015, 401 = GmbHR 2015, 318. 52) Scholz-Cramer, GmbHG, § 1 Rn. 26 f; Taupitz, NJW 1996, 3033; s. a. OLG Zweibrücken, MedR 2016, 798 zur Verfassungsgemäßheit des § 20 Abs. 2 Satz 1 HeilBG Rheinland-Pfalz. 53) Gesetz v. 14.11.2003 – GMG, BGBl. I 2003, 2190. 54) Dazu Rau, MedR 2004, 667; Treptow, Die Mitgliedschaft in der als Medizinisches Versorgungszentrum zugelassenen Ärzte-GmbH, 2011.

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e) Ideelle, insbesondere gemeinnützige Zwecke Ihre Zweckoffenheit erlaubt der GmbH, auch die Verfolgung ideeller, also nichtwirtschaftlicher Zwecke, mag auch der – im Vergleich zum Vereinsrecht – umständliche Mitgliederwechsel durch Abtretung der Geschäftsanteile in notarieller Form sie hierfür nicht immer als ideal erscheinen lassen. Als nichtwirtschaftliche Zwecke kommen insbesondere in Betracht solche geselliger oder sportlicher Art (z. B. GmbH zur Förderung der Ausübung des Pferdesports durch ihre Gesellschafter),55) ferner wissenschaftliche Zwecke (z. B.: Forschungsinstitute der öffentlichen Hand), künstlerische (z. B. Museums-GmbH), politische (dazu auch § 2 Abs. 1, § 17 VereinsG), religiöse (Zulässigkeit garantiert durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 4 WRV) oder karitative.56) Hinsichtlich der Anforderungen an die Gemeinnützigkeit57) gelten die – rechtsformneutral gestalteten – §§ 51 ff AO. Folglich lässt die Rechtsform der GmbH auch nicht automatisch auf eine Vorsteuerabzugsberechtigung schließen.58) Bei der Firmierung war der Rechtsformzusatz „gGmbH“ bis 2013 unzulässig,59) darf aber seit Einführung des § 4 Satz 2 durch das „Gesetz zur Stärkung des Ehrenamtes“ mit Wirkung vom 29.3.2013 verwendet werden (siehe § 4 Rn. 32 [Schäfer]). Praktische Bedeutung hat auch die StiftungsGmbH erlangt.60) 3.

17

Genehmigungsbedürftige Zwecke

Selbstverständlich kann die GmbH auch für Tätigkeiten eingesetzt werden, die einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung bedürfen; dies kann bei allen Zweckarten (siehe Rn. 10 ff) der Fall sein. Nicht hierher gehört der Fall, dass lediglich der Betrieb einer einzelnen zum Unternehmen gehörenden Anlage genehmigungspflichtig ist. Das Gesetz hatte für den Fall einer genehmigungsbedürftigen Tätigkeit bis zum 1.11.2008 vorgesehen, dass ein Nachweis für die öffentlich-rechtliche Genehmigung i. R. d. Gründungsverfahrens vorzulegen war (§ 8 Abs. 1 Nr. 6 a. F.). Dies hatte die Gründung deutlich verzögert, zumal üblicherweise mit Vorbescheiden gearbeitet werden musste, weil die Genehmigung selbst der (eingetragenen) GmbH zu erteilen ist (siehe Rn. 21). Das MoMiG hat die Vorlagepflicht aus Beschleunigungs- und Vereinfachungsgründen in § 8 Abs. 1 Nr. 6 a. F. gestrichen (siehe § 8 Rn. 42 f [Wachter]),61) auch um eine Gleichbehandlung mit Einzelkauf_____________ 55) Vgl. FG Hamburg, DStRE 2006, 1068. 56) Vgl. auch BGH, ZIP 2010, 2024 = MDR 2010, 949 – keine Gebührenbefreiung einer gemeinnützigen Krankenhaus GmbH nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Nds. GGebBefrG, auch wenn Alleingesellschafterin kommunale Gebietskörperschaft ist. 57) Zur gemeinnützigen GmbH vgl. z. B. Schlüter, GmbHR 2002, 535 und 578; Prühs, GmbH-Steuerpraxis 2010, 69; zum Gemeinnützigkeitsrecht bei Satzungsänderungen: Engelsing/Lüke, NWB 2010, 118 ff; speziell zu Fragen der Gemeinnützigkeit bei Umstrukturierungen von Sozialunternehmen unter Einschaltung von Tochter-GmbH: Schröder, DStR 2008, 1069. 58) Vgl. KG, NZG 2008, 110. 59) OLG München, ZIP 2007, 771 = GmbHR 2007, 267 = NJW 2007, 1601, dazu EWiR 2007 181 (Wachter); vgl. auch die (zunächst) nicht umgesetzte Anregung des Bundesrats zu § 4 GmbHG, BT-Drucks. 16/6140, S. 62. 60) Vgl. dazu Reuter in: MünchKomm-BGB, Vor § 80 Rn. 124 f. 61) Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 34.

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leuten (vgl. § 7 HGB) herzustellen. Hierdurch werden die in Betracht kommenden Tätigkeiten aber selbstverständlich nicht eingeschränkt. 19

Ob eine Genehmigungspflicht besteht, bestimmt sich zunächst nach dem satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand, entscheidend ist aber die konkret angestrebte Tätigkeit der GmbH. Schon bisher ist anerkannt, dass aus dem bloßen Fehlen einer erforderlichen Genehmigung keineswegs die Unzulässigkeit der (genehmigungsfähigen) Betätigung und damit des Gesellschaftszwecks folgt.62) Eine fehlende Genehmigungsfähigkeit kann allerdings zur rechtlichen Unmöglichkeit der Erreichung des Gesellschaftszwecks führen und damit ein Grund für eine Auflösungsklage nach § 61 sein,63) so etwa im Falle einer Untersagungsverfügung nach § 35 GewO oder § 16 Abs. 3 HwO bzw. einer Löschung der Gesellschaft in der Handwerksrolle, § 13 HwO (siehe Rn. 20). Hierin liegt aber in der Regel kein Anlass für ein Vorgehen nach § 62 oder die Amtslöschung.64)

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Beispiele für eine Genehmigungsbedürftigkeit65) sind: §§ 59c ff BRAO (für die Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft); §§ 30 ff GewO (u. a. für den Betrieb einer/s Privatkrankenanstalt, Spielhalle, Pfandleih-, Bewachungs-, Versteigerungsunternehmens, für die Tätigkeit als gewerbsmäßiger Grundstücksmakler, Bauträger, Baubetreuer); §§ 2, 3 GastG; § 32 KWG (Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen); §§ 20 ff KAGB (Kapitalverwaltungsgesellschaft); § 2 PBefG (entgeltliche oder geschäftsmäßige Personenbeförderung). Für die Vorlagepflicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 6 a. F. wurde das Eintragungserfordernis in die Handwerksrolle nach § 7 HwO als Genehmigungserfordernis behandelt.66)

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Vor Aufhebung des § 8 Abs. 1 Nr. 6 a. F. entsprach es allgemeiner Meinung, dass die Genehmigung der Gesellschaft selbst zu erteilen war, nicht etwa dem GF (oder gar den Gesellschaftern) persönlich.67) Daran hat sich auch nach Streichung dieser Vorschrift nichts geändert. Soweit es für die Genehmigung auf Anforderungen an die Person des Betreibers ankommt (z. B. Zuverlässigkeit i. S. d. GastG), werden diese herkömmlicherweise auf die (organschaftlichen) Vertreter bezogen.68) In neuerer Zeit ist die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit der GmbH aber (auch) aus dem maßgeblichen Einfluss des unzuverlässigen Alleingesellschafters auf die Geschäftsführung abgeleitet worden.69) Die § 59e Abs. 2 Satz 1 und § 59f Abs. 1 BRAO, welche hinsichtlich der Berufsträgereigenschaft sowohl auf die Gesellschafter als auch auf die Geschäftsführer abstellen, sind hingegen mit dem Grund-

_____________ 62) 63) 64) 65) 66)

Vgl. BGH, ZIP 2003, 1442 = NJW-RR 2003, 1116 = NZG 2003, 770 – zur GbR. Vgl. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 1 Rn. 7. Vgl. OLG Zweibrücken, GmbHR 1995, 723. Vgl. auch die ausführliche, alphabetische Aufstellung bei Gottwald, DStR 2001, 944, 945. BGHZ 102, 209 = ZIP 1988, 433 = NJW 1988, 1087; zur Eintragungsfähigkeit der VorGmbH in die Handwerksrolle: Buchholz, NZG 2001, 884. 67) Vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1997, 1258, 1259 = GmbHR 1997, 600 = DB 1997, 1127. 68) OVG Hamburg, BB 1982, 2087 = NVwZ 1983, 688; aus der Literatur Ulmer/Habersack/ Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 1 Rn. 15. 69) VGH Mannheim, NJOZ 2006, 48 = VBlBW 2005, 143 – betr. Gewerbeuntersagung.

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recht der Berufsfreiheit nicht zu vereinbaren und wurden vom BVerfG für nichtig erklärt.70) Wegen der Kontrollbefugnisse der Registerbehörde war bis 2008 allgemein anerkannt,71) dass diese an eine behördliche Entscheidung über Erforderlichkeit und (Nicht-)Erteilung einer Genehmigung gebunden war. Nach Aufhebung des § 8 Abs. 1 Nr. 6 durch das MoMiG hat sich hieran nichts geändert. Insbesondere wäre es mit dem angestrebten Beschleunigungseffekt unvereinbar, dem Registergericht nunmehr i. R. d. § 9c eine Kontroll- und Ablehnungsbefugnis einzuräumen. In Betracht kommt sie lediglich für Fälle, in denen die mangelnde Genehmigungsfähigkeit zweifelsfrei ersichtlich ist. 4.

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Unzulässige Zwecke

a) Allgemeines Die Unzulässigkeit des angestrebten Zwecks kann sich zum einen aus der Unwirksamkeit der vertraglichen Zweckbestimmung nach den §§ 134, 138 BGB ergeben, was nur ganz ausnahmsweise in Betracht kommt (siehe Rn. 24), zum anderen aber auch aus speziellen Vorschriften, welche die Verwendung der Rechtsform der GmbH für eine bestimmte Tätigkeit verbieten. Ob das Verbot eines bestimmten Unternehmensgegenstands dabei stets (oder nur i. d. R.) auch zur Unzulässigkeit des Gesellschaftszwecks führt, wird unterschiedlich beurteilt.72) Richtig ist die differenzierende Auffassung; denn es ist nicht gesagt, dass der Gesellschaftszweck stets nur mittels des konkreten Unternehmensgegenstands erreichbar ist. Im Übrigen führt die Genehmigungsbedürftigkeit des Unternehmensgegenstands als solche nicht schon zur Unzulässigkeit des Gesellschaftszwecks (siehe Rn. 19).

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b) Gesetzesverstöße (§ 134 BGB) Während die Sittenwidrigkeit des Gesellschaftszwecks (§ 138 BGB) nur von theoretischem Interesse ist,73) sind praktische Fälle denkbar, bei denen sich eine Verbotsnorm insgesamt gegen die Errichtung der Gesellschaft richtet.74) Von vornherein nicht ausreichend hierfür sind aber einzelne Gesetzesverstöße der GmbH i. R. ihrer Tätigkeit. Dementsprechend mager ist das vorhandene Fallmaterial; nicht selten werden zudem nicht einschlägige Beispiele aufgelistet.75) Zu nennen ist insbesondere, die GmbH-Gründung zur Bildung eines verbotenen Kartells, zum Zwecke verbotenen Glücksspiels, des Schmuggels76) oder der Hehlerei, wobei _____________ 70) BVerfG, ZIP 2014, 368 ff = GmbHR 2014, 301 = NJW 2014, 613, dazu EWiR 2014, 203 (Henssler). 71) BGHZ 102, 209, 217 = ZIP 1988, 433 = NJW 1988, 1087, vgl. auch OLG Frankfurt/M., DB 2005, 2569 = GmbHR 2005, 1128 = Rpfleger 2005, 673. 72) Vgl. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 1 Rn. 13 – bejahend; Ulmer/Habersack/LöbbeUlmer/Löbbe, GmbHG, § 1 Rn. 39 – verneinend. 73) Zur Zulässigkeit einer Telefonsex-GmbH etwa BGH, NJW 2008, 140 = MDR 2008, 132 = BGHReport 2008, 105. 74) Vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 1 Rn. 41. 75) Näher zur Rspr. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 1 Rn. 41 m. w. N.; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 1 Rn. 15 f. 76) Vgl. den Fall von RGZ 96, 282.

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sich der Zweck jeweils hierauf (im Wesentlichen) beschränken muss. Das Anstreben einer Steuergestaltung, die sich im Ergebnis nach § 42 AO als unzulässig erweist, führt in keinem Falle zu einem verbots- (oder sitten-) widrigen Gesellschaftszweck.77) Überholt ist die früher78) für möglich gehaltene Verbotswidrigkeit einer Gründung, die von Ausländern ohne eigene Erwerbstätigkeit in Deutschland betrieben wird; denn nach § 4a braucht auch die GmbH als solche nicht mehr im Inland tätig zu sein.79) c) Rechtsformverbote 25

Die Rechtsform der GmbH wird in bestimmten Fällen ausdrücklich ausgeschlossen, sei es, dass für die Tätigkeit eine andere Rechtsform zwingend vorgeschrieben wird oder dass die Tätigkeit einer GmbH als juristischer Person nicht erlaubt ist. Solche Vorschriften sind: § 8 Abs. 2 VAG: Versicherungsunternehmen dürfen nur in den Formen von AG, SE, VVaG oder als Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts betrieben werden; § 2 Abs. 2 BauSparkG: private Bausparkassen müssen sich der Rechtsform der AG bedienen; § 34b Abs. 5 Satz 1 GewO schließt juristische Personen als öffentlich bestellte Versteigerer aus (die GmbH kann aber eine Erlaubnis für das Versteigerungsgewerbe nach § 34b Abs. 1, 3 GewO erhalten80)). § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO ermöglicht nur die Bestellung einer natürlichen Person zum Insolvenzverwalter81); § 8 ApoG: Soll eine Gesellschaft eine Apotheke betreiben, so muss es sich um eine GbR oder OHG handeln. 5.

Rechtsfolgen eines unzulässigen Gesellschaftszwecks

a) Ursprüngliche Unzulässigkeit 26

Ist die gesellschaftsvertragliche Bestimmung über den Gesellschaftszweck unwirksam, so ergreift dieser Mangel regelmäßig den gesamten Gesellschaftsvertrag, die Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister ist daher abzulehnen, § 9c Abs. 2 Nr. 3 (siehe § 9c Rn. 16 [Wachter]). Entsprechendes gilt auch bei (bloßer) Nichtigkeit des Unternehmensgegenstands, § 9c Abs. 2 Nr. 1; ferner bei Missachtung eines Rechtsformverbots (siehe Rn. 25). Nach Geschäftsbeginn gilt für die Vorgesellschaft die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft (siehe § 2 Rn. 111 ff [Schäfer]), sodass die rückwirkende Geltendmachung der Nichtigkeit ausscheidet. Die von der immer noch h. M. vertretene Ausnahme bei §§ 134, 138 BGB82) ist abzulehnen.83)

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Durch Eintragung in das Handelsregister kommt die GmbH als solche in jedem Falle zur Entstehung; im Übrigen ist zu differenzieren: Ist der Gesellschaftsvertrag, wie in aller Regel, wegen seiner unwirksamen Zweckbestimmung insgesamt nichtig, so ist – wegen Unwirksamkeit auch des Unternehmensgegenstands – die Nichtigkeitsklage nach § 75 (bei Heilungsmöglichkeit nach § 76) und die Amtslöschung nach § 397 FamFG eröffnet;84) Entsprechendes gilt erst recht, wenn die _____________ 77) 78) 79) 80) 81) 82) 83) 84)

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Scholz-Cramer, GmbHG, § 1 Rn. 40. Vgl. etwa KG, NJW-RR 1997, 794 = DB 1997, 270 = BB 1997, 153. Vgl. zuvor schon Wachter, ZIP 1999, 1577; Tountopoulos, Rpfleger 1997, 457. Vgl. Landmann/Rohmer-Bleutge, GewO, § 34b GewO Rn. 11. BGH, ZIP 2013, 2070; bestätigt durch BVerfG, NZG 2016, 471 = NJW 2016, 930. So Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 1 Rn. 46. Staub-Schäfer, HGB, § 105 Rn. 337 ff. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 1 Rn. 47.

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Nichtigkeit des Gesellschaftszwecks auf den Unternehmensgegenstand ausstrahlt. Auf den Grund für die Nichtigkeit kommt es nach wohl allgemeiner (aus Sicht der h. M. [siehe Rn. 26] allerdings inkonsequenter) Ansicht nicht an; er kann also auch auf §§ 134, 138 BGB beruhen.85) Sollte ausnahmsweise allein die Klausel über den Gesellschaftszweck, nicht aber auch diejenige über den Unternehmensgegenstand unwirksam sein, so ist nur die Auflösungsklage nach § 61 gegeben. Daneben besteht aber auch ein außerordentliches Kündigungs- oder Austrittsrecht, was insbesondere bei Nichterreichen der 10 % Grenze des § 61 Abs. 2 relevant wird. b) Nachträgliche Unzulässigkeit Wird der ursprünglich zulässige Zweck nach Eintragung der Gesellschaft in einen unzulässigen geändert, so ist diese Änderung unwirksam, ein entsprechender Gesellschafterbeschluss ist nichtig und die Eintragung der Satzungsänderung ins Handelsregister abzulehnen. Wird aber der unzulässige Gesellschaftszweck/Unternehmensgegenstand als Satzungsinhalt eingetragen, so gilt im Wesentlichen dasselbe wie bei ursprünglicher Unzulässigkeit nach Eintragung (siehe Rn. 27), mit dem Unterschied, dass auch ein Vorgehen nach § 398 FamFG in Betracht kommt.86) Bei faktischer Abweichung vom gesellschaftsvertraglich wirksam vereinbarten Zweck bzw. Unternehmensgegenstand lässt sich die (nachträgliche) Unwirksamkeit des Gesellschaftsvertrages nicht begründen.87) Gleichwohl kann die faktische Ausübung eines unzulässigen Zwecks im Wege der Amtsauflösung durch Mangelfeststellung analog § 399 FamFG unterbunden werden.88) Nach abweichender Auffassung sollen auch hier die Regeln über die Gesamtnichtigkeit des Vertrages gelten.89)

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c) Heilung des Mangels Die Heilung einer mangelhaften Zweck-/Gegenstandsbestimmung kommt – im regelmäßig eröffneten Anwendungsbereich des § 75 (siehe Rn. 27) – nicht nur nach § 76 in Betracht. Vielmehr kann die Satzung auch durch die Änderung der unwirksamen Zweck-/Gegenstandsbestimmung im Beschlusswege geheilt werden; wegen § 33 BGB ist hierfür die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter erforderlich (siehe Rn. 7 f). Dies gilt auch, sofern der Anwendungsbereich des § 76 ausnahmsweise nicht eröffnet ist, also bei zulässigem Unternehmensgegenstand, aber unzulässigem Gesellschaftszweck;90) auch insofern müssen wiederum alle Gesellschafter zustimmen (§ 33 BGB).

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III. Einpersonengesellschaft 1.

Begriff der Einpersonengesellschaft

Während klassischerweise von einer „Einmann-GmbH“ gesprochen wurde, wenn die GmbH nur über einen Gesellschafter verfügte, verwendet der Gesetzgeber im _____________ 85) 86) 87) 88) 89) 90)

Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 143. Scholz-Cramer, GmbHG, § 1 Rn. 46. Zutr. BayObLG, BB 1982, 578; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 23. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 23. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 1 Rn. 15a. Vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 1 Rn. 50.

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Musterprotokoll (= Anlage 1a zum GmbHG) hierfür jetzt den Begriff Einpersonengesellschaft. Er ist erfüllt, wenn sämtliche Geschäftsanteile einem einzigen Gesellschafter zustehen (mit Ausnahme ggf. von der GmbH gehaltener eigener Anteile, § 33). Bei dem Gesellschafter kann es sich um eine natürliche oder juristische Person oder auch eine (rechtsfähige) Personengesellschaft handeln (siehe § 2 Rn. 55 f [Schäfer]). Eine Einpersonengesellschaft liegt somit auch dann vor, wenn sämtliche Geschäftsanteile einer Personengesellschaft gehören.91) Eine Einpersonengesellschaft kann entweder – seit 1980 (siehe Rn. 33) – schon als solche gegründet werden (§ 1) oder durch spätere Vereinigung aller Anteile in einer Hand entstehen (etwa infolge Anteilsübertragung, Gesamtrechtsnachfolge, Kaduzierung, Amortisation oder Ausschluss). 31

Der Anwendungsbereich der Einpersonengesellschaft ist gegenüber der Mehrpersonen-GmbH in keiner Weise beschränkt, sodass diese Erscheinungsform eine weite Verbreitung gefunden hat, insbesondere zur Beschränkung der ansonsten bei einzelkaufmännischem Unternehmen bestehenden vollen persönlichen Haftung.92) Das MoMiG hat einige der für die Einpersonengesellschaft geltenden Sonderregeln zum 1.11.2008 abgeschafft (namentlich §§ 7 Abs. 2 Satz 3, 8 Abs. 2 Satz 2, 19 Abs. 4 [Umgehungsschutz], 60 Abs. 1 Nr. 6, 65 Abs. 1 Satz 2 GmbHG und § 144b FGG, jew. a. F.). Derzeit wird auf europäischer Ebene eine Anpassung der Einpersonengesellschafts-Richtlinie diskutiert, mit der eine sog. „SUP“ als supranationale Unterform der GmbH eingeführt werden könnte (siehe Einleitung Rn. 14 [Schäfer].

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Definitiv ausgeschlossen ist die „Keinmanngründung“, also einer Gesellschaft ohne Gesellschafter. Zwar kann durch den Verlust sämtlicher Gesellschafter nach der Eintragung eine „Keinmann-GmbH“ entstehen; hierin liegt aber nach ganz h. M. ein gesetzlicher Auflösungsgrund,93) sodass der Zustand nur vorübergehender Natur ist. Andererseits kommt ein sofortiges (liquidationsloses) Erlöschen der Gesellschaft nicht in Frage.94) 2.

Die Einpersonen-Gründung

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Seit 1.1.1981 ist aufgrund der GmbH-Novelle 1980 die Einpersonen-Gründung ausdrücklich zugelassen. Für die AG gilt dieser Zustand erst seit dem UMAG v. 22.9.2005 (§ 2 AktG). Sie kann insbesondere auch durch Einsatz des Musterprotokolls (§ 2 Abs. 1a mit Anlage 1) vereinfacht und kostengünstig (§ 105 Abs. 6 GNotKG)95) gegründet werden (siehe § 2 Rn. 84 ff [Schäfer]). – Zur Umwandlung eines einzelkaufmännischen Unternehmens in eine GmbH siehe §§ 152 ff, 158 ff UmwG.

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Bei der Einpersonen-Gründung ist das Gründungsgeschäft naturgemäß kein Vertrag, sondern ein einseitiges Rechtsgeschäft.96) Die Möglichkeit einer Stellvertretung bleibt hiervon aber unberührt, wovon auch das Musterprotokoll zur Einper_____________ 91) 92) 93) 94) 95)

Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 67 und 89. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 1 Rn. 52. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 1 Rn. 56 m. w. N. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer, GmbHG, Einl. Rn. A 23. Vormals § 41d KostO; für Notargebühren i. V. m. § 141 KostO (aufgehoben durch Gesetz v. 23.7.2013, BGBl. I 2013, 2586 m. W. v. 1.8.2013). 96) Speziell zu Gründungsmängeln bei der Einpersonen-Gründung: Grooterhorst, NZG 2007, 605.

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sonengesellschaft ausgeht (Hinweis unter MP Fn. 2). Umstritten ist aber, ob auch eine vollmachtlose Vertretung möglich ist. Die h. M. lehnt dies mit Rücksicht auf § 180 Satz 1 BGB zu Recht ab (siehe § 2 Rn. 48 ff [Schäfer]). Auch kostenrechtlich schlägt sich die Einordnung als einseitiges Rechtsgeschäft nieder: Unter der KostO löste die Gründung nur die einfache Gebühr des § 36 Abs. 1 KostO97) aus (ständige Rechtsprechung, das galt auch bei Gründung der GmbH durch eine Vor-AG und Abgabe der Gründungserklärung durch mehrere Vorstandsmitglieder).98) Auch das 2013 in Kraft gesetzte GNotKG unterscheidet in Anlage 1, Teil 2, Hauptabschnitt 1, Abschnitte 1 und 2 zwischen der Beurkundung auf einen Vertragsschluss gerichteter (Nr. 21100 – 2,0 Gebühren, mindestens 120 €) und sonstiger Erklärungen (Nr. 21200 – 1,0 Gebühr, mindestens 60 €). Die Sonderregelungen zur Einpersonen-Gründung in §§ 7 Abs. 2 Satz 3, 8 Abs. 2 Satz 2, 19 Abs. 4 GmbHG (sowie die §§ 60 Abs. 1 Nr. 6, 65 Abs. 1 Satz 2 GmbHG und § 144b FGG a. F.), die ein Leerlaufen der subsidiären Ausfallhaftung nach § 24 kompensieren sollten,99) sind durch das MoMiG gestrichen worden, weil der Gesetzgeber eine solche besondere Sicherung im Interesse einer Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens als verzichtbar eingeschätzt hat,100) zumal sie von der Einpersonen-GesellschaftsRL101) nicht gefordert wurden. Erhalten geblieben sind die Sonderregelungen in § 35 Abs. 3 (zu Insichgeschäften; vor MoMiG: § 35 Abs. 4) und § 48 Abs. 3 (betr. „Beschlussfassung“); sie gelten für jede Einpersonen-GmbH.

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Die vor 1980 wegen Unzulässigkeit der Einpersonen-Gründung erforderliche „Strohmann“-Gründung, bei welcher der Strohmann seine Anteile alsbald nach der Eintragung auf den Hintermann überträgt, ist weiterhin möglich und wird wegen rechtlicher Zweifelsfragen bei der Einpersonen-GmbH im Gründungsstadium sogar empfohlen.102) Die Probleme treten insbesondere bei der Konstruktion eines Äquivalents zur Vorgesellschaft auf, die als Gesamthandsgesellschaft nicht bloß aus einer Person bestehen kann, ferner hinsichtlich Binnenorganisation, Gründerhaftung und Rechtsübergang auf die eingetragene GmbH;103) dazu näher die Erläuterungen zu § 11.

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3.

Organisation der Einpersonen-GmbH

Grundsätzlich gelten gegenüber der Mehrpersonen-GmbH hinsichtlich der Organisation keine Besonderheiten. Naturgemäß besteht allerdings die Gesellschafterversammlung nur aus einem Gesellschafter, sodass es de facto niemals der Abhaltung einer förmlichen Versammlung bedarf, vielmehr sämtliche Beschlüsse durch _____________ 97) Aufgehoben zum 1.8.2013 durch Gesetz v. 23.7.2013 (BGBl. I 2013, 2586). 98) KG, NZG 2004, 826, 828 = AG 2005, 165 = DStR 2004, 1493 m. w. N.; Scholz-Cramer, GmbHG, § 1 Rn. 59 sowie 229 m. w. N. 99) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 1 Rn. 54. 100) BT-Drucks. 16/6140, S. 33. 101) Zwölfte Richtlinie (89/667/EWG) v. 21.12.1989 auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter, Abl. (EG) 1989, L 395/40 (inzwischen aufgehoben). 102) So Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 1 Rn. 51. 103) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 1 Rn. 55.

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eine Vollversammlung gefasst werden können. Auch aus diesem Grund ordnet § 48 Abs. 3 für die Beschlüsse des Gesellschafters an, dass sie unverzüglich in einer Niederschrift aufzunehmen sind; es handelt sich allerdings nicht um eine Wirksamkeitsvoraussetzung. Für den Fall, dass ein Aufsichtsrat gebildet wird, kann der Allein-Gesellschafter nicht zugleich Geschäftsführer und Aufsichtsratsmitglied sein.104) 38

Für den praktisch häufigen Fall, dass der Allein-Gesellschafter zugleich Geschäftsführer ist, wird durch § 35 Abs. 3 (früher § 35 Abs. 4) ausdrücklich die Anwendung des § 181 BGB angeordnet, auch wenn man an der Möglichkeit eines Interessenkonflikts zwischen Gesellschaft und Gesellschafter insofern zweifeln mag.105) Überdies ist es erforderlich, eine Niederschrift über die vorgenommenen Rechtsgeschäfte anzufertigen.106) Die Vorschrift setzt also die Möglichkeit von Rechtsgeschäften zwischen Allein-Gesellschafter und Gesellschaft als selbstverständlich voraus. Nach der Rechtsprechung des BGH107) unterliegt der AlleingesellschafterGeschäftsführer keinem Wettbewerbsverbot, weil jedenfalls so lange keine Trennung der Interessen möglich sei, als keine Gläubigerinteressen betroffen seien.

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Auch die Einpersonen-GmbH ist nach Eintragung juristische Person,108) sodass selbstverständlich auch das sog. Trennungsprinzip gilt,109) wonach im Ausgangspunkt zwischen Vermögen des Gesellschafters und Vermögen der Gesellschaft strikt zu unterscheiden ist. Damit ist etwa eine Vollstreckung aus einem Titel gegen die Gesellschaft in das Vermögen des Gesellschafters (oder umgekehrt) nicht möglich.110) Der Gesellschaft bzw. dem Gesellschafter steht hier jeweils die Drittwiderspruchsklage zu.111)

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Eine tatsächliche Vermischung der Vermögensmassen durch den Gesellschafter kann aber zu einer Durchgriffshaftung führen.112) Auch sonst stellt sich die Durchgriffsproblematik zwar de facto besonders häufig, ja typischerweise bei der Einpersonen-GmbH;113) es handelt sich insofern freilich um ein allgemeines Problem des GmbH-Rechts, sodass keine spezifischen Regeln für die Einpersonengesellschaft existieren (siehe § 13 Rn. 34 ff [Weller/Discher]). _____________ 104) Scholz-Cramer, GmbHG, § 1 Rn. 69 m. w. N. 105) Vgl. näher Scholz-U.H. Schneider/S. H. Schneider/Hohenstatt, GmbHG, § 35 Rn. 147 ff. – Zur Anmeldung der zwingenden Befreiung von § 181 BGB in konkreter Form s. OLG Bremen, ZIP 2009, 1998 = GmbHR 2009, 1210 = NJW 2010, 542 – zur Mustergründung, dazu EWiR 2009, 745 (Wachter). 106) Näher Scholz-U. H. Schneider/S. H. Schneider/Hohenstatt, GmbHG, § 35 Rn. 183 ff. 107) BGH, DStR 2008, 886, 887 = NZG 2008, 187, 188 m. w. N. zur Rspr. = ZIP 2008, 308, dazu EWiR 2008, 135 (H. P. Westermann). 108) Scholz-Cramer, GmbHG, § 1 Rn. 67. 109) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 1 Rn. 56 m. w. N. 110) Vgl. Scholz-Cramer, GmbHG, § 1 Rn. 67. 111) BGHZ 156, 310 = ZIP 2003, 2247 = NJW 2004, 217; vgl. Scholz-Cramer, GmbHG, § 1 Rn. 67 m. w. N. 112) Vgl. BGHZ 165, 85 = ZIP 2006, 467 = NJW 2006, 1344; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 1 Rn. 57; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 1 Rn. 42 ff. 113) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 1 Rn. 57.

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Hinsichtlich der Gründerhaftung wegen Anlaufverlusten gelten, was die Voraussetzungen anbelangt, ebenfalls keine Besonderheiten; die Unterbilanzhaftung (allgemein dazu siehe § 11 Rn. 56 ff [Schroeter]) trifft als (grundsätzliche) Binnenhaftung auch einen Alleingründer.114) Aufgrund der vor Eintragung der Gesellschaft geltenden Verlustdeckungshaftung haftet der Gründer aber unmittelbar nach außen.115) _____________ 114) BGH, ZIP 2005, 2257 = GmbHR 2006, 88 = NJW-RR 2006, 254, dazu EWiR 2006, 143 (Wilhelm). 115) BGHZ 134, 333 = ZIP 1997, 679 = NJW 1997, 1507, dazu EWiR 1997, 463 (Fleischer).

§2 Form des Gesellschaftsvertrags Carsten Schäfer

(1) 1Der Gesellschaftsvertrag bedarf notarieller Form. 2Er ist von sämtlichen Gesellschaftern zu unterzeichnen. (1a) 1Die Gesellschaft kann in einem vereinfachten Verfahren gegründet werden, wenn sie höchstens drei Gesellschafter und einen Geschäftsführer hat. 2Für die Gründung im vereinfachten Verfahren ist das in der Anlage bestimmte Musterprotokoll zu verwenden. 3Darüber hinaus dürfen keine vom Gesetz abweichenden Bestimmungen getroffen werden. 4Das Musterprotokoll gilt zugleich als Gesellschafterliste. 5Im Übrigen finden auf das Musterprotokoll die Vorschriften dieses Gesetzes über den Gesellschaftsvertrag entsprechende Anwendung. (2) Die Unterzeichnung durch Bevollmächtigte ist nur auf Grund einer notariell errichteten oder beglaubigten Vollmacht zulässig. Anlage (zu § 2 Abs. 1a) a) Musterprotokoll für die Gründung einer Einpersonengesellschaft UR. Nr. ............. Heute, den ......................................................................................................................................., erschien vor mir, .............................................................................................................................., Notar/in mit dem Amtssitz in ......................................................................................................., Herr/Frau1) ....................................................................................................................................2). 1. Der Erschienene errichtet hiermit nach § 2 Abs. 1a GmbHG eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung unter der Firma ................................................................................... ..................................................................................................................................................... mit dem Sitz in .......................................................................................................................... 2. Gegenstand des Unternehmens ist .......................................................................................... 3. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt ......................................................................... € (i. W. .................................................................................... Euro) und wird vollständig von Herrn/Frau1) .............................................................................................................................. (Geschäftsanteil Nr. 1) übernommen. Die Einlage ist in Geld zu erbringen, und zwar sofort in voller Höhe/zu 50 % sofort, im Übrigen sobald die Gesellschafterversammlung ihre Einforderung beschließt3).

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Form des Gesellschaftsvertrags

4. Zum Geschäftsführer der Gesellschaft wird Herr/Frau4) ...................................................... ........................................................................................., geboren am ..................................... wohnhaft in ............................................................................................................................... ......................., bestellt. Der Geschäftsführer ist von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs befreit. 5. Die Gesellschaft trägt die mit der Gründung verbundenen Kosten bis zu einem Gesamtbetrag von 300 €, höchstens jedoch bis zum Betrag ihres Stammkapitals. Darüber hinausgehende Kosten trägt der Gesellschafter. 6. Von dieser Urkunde erhält eine Ausfertigung der Gesellschafter, beglaubigte Ablichtungen die Gesellschaft und das Registergericht (in elektronischer Form) sowie eine einfache Abschrift das Finanzamt – Körperschaftsteuerstelle –. 7. Der Erschienene wurde vom Notar/von der Notarin insbesondere auf Folgendes hingewiesen: .............................................................................................................................. Hinweise: 1) Nicht Zutreffendes streichen. Bei juristischen Personen ist die Anrede Herr/Frau wegzulassen. 2) Hier sind neben der Bezeichnung des Gesellschafters und den Angaben zur notariellen Identitätsfeststellung ggf. der Güterstand und die Zustimmung des Ehegatten sowie die Angaben zu einer etwaigen Vertretung zu vermerken. 3) Nicht Zutreffendes streichen. Bei der Unternehmergesellschaft muss die zweite Alternative gestrichen werden. 4) Nicht Zutreffendes streichen.

b) Musterprotokoll für die Gründung einer Mehrpersonengesellschaft mit bis zu drei Gesellschaftern UR. Nr. ............. Heute, den ........................................................................................................................................, erschienen vor mir, .........................................................................................................................., Notar/in mit dem Amtssitz in ......................................................................................................., Herr/Frau1) ....................................................................................................................................2), Herr/Frau1) ....................................................................................................................................2), Herr/Frau1) ....................................................................................................................................2). 1. Die Erschienenen errichten hiermit nach § 2 Abs. 1a GmbHG eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung unter der Firma ................................................................................... ..................................................................................................................................................... mit dem Sitz in .......................................................................................................................... 2. Gegenstand des Unternehmens ist .......................................................................................... 3. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt ......................................................................... € (i. W. ....................................................................... Euro) und wird wie folgt übernommen: Herr/Frau1) ................................................................. übernimmt einen Geschäftsanteil mit einem Nennbetrag in Höhe von .............................. € (i. W. ...................................................................................... Euro) (Geschäftsanteil Nr. 1), Herr/Frau1) ........................................................................ übernimmt einen Geschäftsanteil mit einem Nennbetrag in Höhe von ............................... €

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Form des Gesellschaftsvertrags

(i. W. ...................................................................................... Euro) (Geschäftsanteil Nr. 2), Herr/Frau1) ............................................................................ übernimmt einen Geschäftsanteil mit einem Nennbetrag in Höhe von ............................. € (i. W. ...................................................................................... Euro) (Geschäftsanteil Nr. 3). Die Einlagen sind in Geld zu erbringen, und zwar sofort in voller Höhe/zu 50 % sofort, im Übrigen sobald die Gesellschafterversammlung ihre Einforderung beschließt3). 4. Zum Geschäftsführer der Gesellschaft wird Herr/Frau4) ...................................................... ........................................................................................., geboren am ..................................... wohnhaft in ............................................................................................................................... ......................., bestellt. Der Geschäftsführer ist von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs befreit. 5. Die Gesellschaft trägt die mit der Gründung verbundenen Kosten bis zu einem Gesamtbetrag von 300 €, höchstens jedoch bis zum Betrag ihres Stammkapitals. Darüber hinausgehende Kosten tragen die Gesellschafter im Verhältnis der Nennbeträge ihrer Geschäftsanteile. 6. Von dieser Urkunde erhält eine Ausfertigung jeder Gesellschafter, beglaubigte Ablichtungen die Gesellschaft und das Registergericht (in elektronischer Form) sowie eine einfache Abschrift das Finanzamt – Körperschaftsteuerstelle –. 7. Die Erschienenen wurden vom Notar/von der Notarin insbesondere auf Folgendes hingewiesen: .................................................................................................................................... Hinweise: 1) Nicht Zutreffendes streichen. Bei juristischen Personen ist die Anrede Herr/Frau wegzulassen. 2) Hier sind neben der Bezeichnung des Gesellschafters und den Angaben zur notariellen Identitätsfeststellung ggf. der Güterstand und die Zustimmung des Ehegatten sowie die Angaben zu einer etwaigen Vertretung zu vermerken. 3) Nicht Zutreffendes streichen. Bei der Unternehmergesellschaft muss die zweite Alternative gestrichen werden. 4) Nicht Zutreffendes streichen

Literatur: Altmeppen, Zur Formbedürftigkeit der Veräußerung künftiger GmbH-Anteile, in: Festschrift für Harm Peter Westermann, 2008, S. 771; Armbrüster, Treuhänderische GmbH-Beteiligungen, GmbHR 2001, 941; Bayer/Hoffmann, Ein Jahr MoMiG in der Unternehmenspraxis, GmbHR 2010, 9; Bayer/Hoffmann/Schmidt, Satzungskomplexität und Mustersatzung – Eine Untersuchung vor dem Hintergrund des Regierungsentwurfs zum MoMiG, GmbHR 2007, 953; Becker, Baldiges neues Gründungsverfahren in Frankreich: Die französische Blitz-SARL, GmbHR 2003, 706; Bohlscheid, Ausländer als Gesellschafter und Geschäftsführer einer deutschen GmbH, RNotZ 2005, 505; Cohnen, Abhandlung – kein Gmbh-rechtliches „race to the bottom“ auf dem Jakobsweg: Bemerkungen zur Sociedad Limitada Nueva Empresa, ZVglRWiss 104 (2005), 478; Böttcher/Fischer, Einbeziehung von Schiedsordnungen in die Satzung einer GmbH, NZG 2011, 601; Deutsches Notarinstitut, Satzungsänderung bei einer mit Musterprotokoll gegründeten GmbH/UG; Anforderungen; Kostenprivilegierung – GmbHG §§ 2 Abs. 1a, 53, 54; KostO § 41d, DNotI-Report 2010, 217; Deutsches Notarinstitut, Gründung einer GmbH mit Musterprotokoll/Bestellung eines Fremdgeschäftsführers/gesonderte Gesellschafterliste?/Unterzeichnung des Musterprotokolls durch anmeldenden Fremdgeschäftsführer?/GmbHG § 2 Abs. 1a S. 4, § 8 Abs. 1 Nr. 3, DNotI-Report, 2011, 149; Dirksmeier/Scharbert, GmbH und englische Ltd. im Wettlauf der Reformen 2006, BB

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2006, 1517; Drygala, Zweifelsfragen im Regierungsentwurf zum MoMiG, NZG 2007, 561; Dürr, Die nach- bzw. nicht-bevollmächtigte Einpersonen-Gründung einer GmbH. Zur Frage der Anwendbarkeit des § 180 Satz 1 BGB auf Vertreter-Gründungen, GmbHR 2008, 408; Gehrlein, Der aktuelle Stand des neuen GmbH-Rechts, Der Konzern 2007, 771; Goette, Auslandsbeurkundungen im Kapitalgesellschaftsrecht, DStR 1996, 709; Goette, Auslandsbeurkundungen im Kapitalgesellschaftsrecht, in: Festschrift für Karlheinz Boujong, 1996, S. 131; Götze/Mörtel, Zur Beurkundung von GmbH-Anteilsübertragungen in der Schweiz, NZG 2011, 727; Greitemann, Die Formbedürftigkeit der Erwerbstreuhand an GmbH-Anteilen, GmbHR 2005, 577; Grooterhorst, Gründungsmängel und ihre Folgen bei der Einmann-GmbH, NZG 2007, 605; Grunewald, Die Rechtsfähigkeit der Erbengemeinschaft, AcP 197 (1997) 305; Haar, Satzungsauslegung in der Vorratsgesellschaft und Informationsrelevanz des fakultativen Lageberichts, NZG 2008, 494; Hasselmann, Die vollmachtlose Gründung einer Einpersonen-GmbH, ZIP 2012, 1947; Heckschen, Gründungserleichterungen nach dem MoMiG – Zweifelsfragen in der Praxis, DStR 2009, 166; Heckschen, Die GmbH-Reform – Wege und Irrwege, DStR 2007, 1442; Heidinger/ Blath, Das Musterprotokoll – Mehr Fluch als Segen? Teil 1, ZNotP 2010, 376; Henssler, Die gesetzliche Regelung der Rechtsanwalts-GmbH, NJW, 1999, 241; Hermanns, Das Mysterium der Auslandsbeurkundung – Neues aus Düsseldorf, RNotZ 2011, 224; Herrler, Fehlgeschlagene Gründung im vereinfachten Verfahren als herkömmliche GmbHGründung?, GmbHR 2010, 960; Herrler/König, Aktuelle Praxisfragen zur GmbHGründung im vereinfachten Verfahren (Musterprotokoll), DStR 2010, 2138; Kallmeyer, Abtretungsverpflichtung aus formloser Erwerbstreuhand?, GmbHR 2006, 66; Karsten, Kann man eine GmbH auf einem Bierdeckel gründen?, GmbHR 2007, 958; Karsten, Deregulierung der GmbH-Gründung, GmbHR 2006, 57; König/Bormann, Die Reform des Rechts der Gesellschaften mit beschränkter Haftung, DNotZ 2008, 652; Körber, Anforderungen an den Nachweis der Vertretungsmacht von Prokuristen und GbRGesellschaftern bei der Gründung von Kapitalgesellschaften, DNotZ 2009, 607; Katschinski/ Rawert, Stangenware versus Maßanzug: Vertragsgestaltung im GmbH-Recht nach Inkrafttreten des MoMiG, ZIP 2008, 1993; Leuering, Von Scheinauslandsgesellschaften hin zu Gesellschaften mit „Migrationshintergrund“, ZRP 2008, 73; Lohr, Änderungen bei der Geschäftsführung nach der Gründung im vereinfachten Verfahren (Musterprotokoll), GmbH-StB 2012, 127; Markwardt, Kapitalaufbringung nach dem MoMiG, BB 2008, 2414; Miras, Die bisherige Rechtsprechung zur Unternehmergesellschaft – Eine kritische Analyse, DB 2010, 2488; Miras, Aktuelle Fragen zur Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), NZG 2010, 486; Mohr, Auslandsbeurkundung bei der deutschen GmbH – Bei welchen Rechtsakten wird sie vom deutschen GmbH-Recht anerkannt?, GmbH-StB 2011, 310; Neelmeier/Huth, Ausländer als Geschäftsführer einer GmbH, GmbHR 2005, 1409; Paefgen, Existenzvernichtungshaftung nach Gesellschaftsdeliktsrecht, DB 2007, 1907; Ries, Geschäftsführer und Musterprotokoll, NZG 2009, 1293; Ries, Muster ohne Wert?, NZG 2009, 739; Römermann, Satzungsgestaltung bei der AnwaltsGmbH, GmbHR 1999, 1175; Rust, Die Beteiligung von Minderjährigen im Gesellschaftsrecht – Vertretung, familien-/vormundschaftsgerichtliche Genehmigung und Haftung des Minderjährigen, DStR 2005, 1942; Saenger/Scheuch, Auslandsbeurkundung bei der GmbH – Konsequenzen aus MoMiG und Reform des Schweizer Obligationenrechts, BB 2008, 65; Sandhaus, Musterprotokoll und Befreiung des Geschäftsführers von § 181 BGB, NJW-Spezial 2009, 607; Schäfer, Zu Fragen der Treugeberhaftung bei qualifizierten Treuhandbeteiligung an Publikumspersonengesellschaften, ZHR 177 (2013) 619; Schäfer, Rechtsprobleme bei Gründung und Durchführung einer UG, ZIP 2011, 53; Schall, Kapitalaufbringung nach dem MoMiG, ZGR 2009, 126; K. Schmidt, Die Übertragung von Vor-Gesellschaftsanteilen, GmbHR 1997, 869; Schneider, Internationales Gesellschaftsrecht vor der Kodifizierung, BB 2008, 566; Schockenhoff, Die Auslegung von GmbH- und AG-Satzungen, ZGR 2013, 76; Schürnbrand, Die Ausübung von Gesellschafterrechten in der GmbH durch Erbengemeinschaften, NZG 2016, 241; Schulte, Zwei Jahre MoMiG – aktuelle Problemfelder im Handelsregisterverfahren, GmbHR

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2010, 1128; Seibert/Decker, Die GmbH-Reform kommt!, ZIP 2008, 1208; Stenzel, Vollmachtmängel bei der GmbH-Gründung, GmbHR 2015, 567; Tebben, Die Reform der GmbH – das MoMiG in der notariellen Praxis, RNotZ 2008, 441; Tebben, Gesellschaftsvertraglicher Schutz gegen Treuhand- und Unterbeteiligungen an Geschäftsanteilen, GmbHR 2007, 63; Trendelenburg, GmbH-International – Die Beurkundung von Anteilskaufverträgen und gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen nach der Reform des Schweizer Obligationenrechts, GmbHR 2008, 644; Ulmer, Sacheinlageverbote im MoMiG – umgehungsfest?, GmbHR 2010, 1298; Ulmer, Der „Federstrich des Gesetzgebers“ und die Anforderungen der Rechtsdogmatik, ZIP 2008, 45; Ulmer, Die Gesamthandsgesellschaft – ein noch immer unbekanntes Wesen?, AcP 198 (1998) 113; Wachter, Aktuelle Rechtsprechung zum MoMiG, GmbHR 2009, 785; Wagner, Gründung bzw. Kapitalerhöhung von Kapitalgesellschaften: Aufgeld auf satzungsmäßiger bzw. schuldrechtlicher Grundlage, DB 2004, 293; Wälzholz, Das MoMiG kommt: Ein Überblick über die neuen Regelungen – Mehr Mobilität, Flexibilität und Gestaltungsfreiheit bei gleichzeitigem Gläubigerschutz, GmbHR 2008, 841; Wälzholz, Die Reform des GmbH-Rechts, MittBayNot 2008, 425; Weller, Die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen im Ausland: Auswirkungen von MoMiG und Schweizer GmbH-Reform, Der Konzern 2008, 253; Weller, Die Neuausrichtung der Existenzvernichtungshaftung durch den BGH und ihre Implikationen für die Praxis, ZIP 2007, 1681; Werner, Treuhandvereinbarungen an GmbH-Geschäftsanteilen, GmbHR 2006, 1248; Werner, Beteiligung Minderjähriger an gesellschaftsrechtlichen Transaktionen im Recht der GmbH und GmbH & Co. KG, GmbHR 2006, 737; Wicke, Abweichungen und Änderungen beim Musterprotokoll gemäß § 2 Abs. 1a GmbHG, DNotZ 2012, 15; Wicke, Gründung, Satzungsgestaltung und Anteilsabtretung nach der GmbH-Reform, NotBZ 2009, 1; Wicke, Die Bedeutung der öffentlichen Beurkundung im GmbH-Recht, ZIP 2006, 977. Übersicht I.

Regelungsgegenstand, Normzweck und Entstehungsgeschichte .... 1 1. Die Formbedürftigkeit des Gesellschaftsvertrages (Abs. 1, 2) ........ 1 2. Gründung im vereinfachten Verfahren (Abs. 1a) .............................. 2 a) Normzweck .................................... 2 b) Entstehungsgeschichte .................. 3 c) Regelungsgegenstand ..................... 5 3. Entstehung der GmbH durch Umwandlung ......................................... 6 II. Gesellschaftsvertrag ............................. 7 1. Rechtsnatur des Gesellschaftsvertrages (der Satzung) .............................. 7 a) Mehrpersonengesellschaft ............. 7 b) Einpersonengesellschaft .............. 13 2. Materielle und formelle Satzungsbestandteile; Nebenbestimmungen .... 16 3. Form des Gesellschaftsvertrages ........ 23 a) Notarielle Form; Unterzeichnung durch die Gesellschafter ..... 23 b) Reichweite des Formgebots ........ 30 c) Auslandsbeurkundung der Gründung ..................................... 32 aa) Ausgangspunkt ............................ 32 bb) Anwendbarkeit von § 2 ............... 33 cc) Ausländischer Notar? .................. 34 dd) Anteilsübertragung ...................... 35

d) Folgen eines Formmangels .......... 36 e) Vertragsänderungen vor Eintragung .......................................... 38 4. Vertretung bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages (Abs. 2) .......... 40 a) Vollmachtserteilung, Form ......... 40 b) Umfang der Vollmacht ................ 43 c) Rechtsfolgen mangelnder Vertretungsmacht .............................. 45 aa) Mehrpersonen-Gründung ........... 45 bb) Besonderheiten der Einpersonen-Gründung .......................... 48 d) Sonstige Fälle der Vertretung ...... 50 5. Auslegung des Gesellschaftsvertrages ............................................... 51 III. Gesellschafter ..................................... 55 1. Ausgangspunkt .................................... 55 2. Zahl der Gründer/Gesellschafter ....... 56 3. Besondere Beteiligungsvoraussetzungen .................................................. 57 4. Gründungsbeteiligung eines Testamentsvollstreckers? .................... 59 5. Ausländer als Gründer ........................ 61 6. Geschäftsunfähige, beschränkt Geschäftsfähige und Betreute ............. 62 a) Abgrenzung .................................. 62 b) Person des gesetzlichen Vertreters ............................................ 63

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c) Eigene Willenserklärung des beschränkt Geschäftsfähigen etc. ................................................. 64 d) Gerichtliche Genehmigung ......... 65 aa) Mehrpersonengesellschaft ........... 65 bb) Einpersonengesellschaft .............. 67 e) Folgen beim Fehlen der Genehmigung .................................... 68 7. Ehegatten als Gründer ........................ 71 8. Einzelkaufleute als Gründer ............... 72 9. Juristische Personen als Gründer ....... 73 10. Gesamthandsgemeinschaften als Gründer ............................................... 74 a) OHG, KG und Partnerschaft ..... 74 b) GbR ............................................... 75 c) Nichtrechtsfähiger Verein ........... 76 d) Erbengemeinschaft ...................... 77 e) Gütergemeinschaft ....................... 78 IV. Treuhand ............................................. 79 1. Begriff, Zulässigkeit ............................ 79 2. Form- und Zustimmungserfordernisse beim Treuhandvertrag ............... 81 3. Stellung des Treuhänders in der GmbH, Verhältnis zum Treugeber .... 82 V. Gründung im vereinfachten Verfahren (Abs. 1a) ........................... 84 1. Grundlagen .......................................... 84 a) Begriff der Gründung im vereinfachten Verfahren ................... 84 b) Begriff des Musterprotokolls ...... 87 2. Voraussetzungen der vereinfachten Gründung nach Absatz 1a .................. 89 a) Gesellschafter, Gesellschafterhöchstzahl (Satz 1) ...................... 89 b) Beschränkung auf einen Geschäftsführer (Satz 1) .................. 93

1

c) Verwendung des Musterprotokolls (Satz 2) ................................ 94 aa) Anwendungsbereich; Ausschließlichkeit ............................... 94 bb) Ausfüllen des Musterprotokolls/ Inhalt ............................................. 96 cc) Verwendung im Verfahren der notariellen Beurkundung ........... 104 d) Verbot abweichender Bestimmungen (Satz 3) ......................... 105 e) Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen .................................... 107 3. Gesellschaftsvertrag als Gesellschafterliste ........................................ 108 4. Rechtsfolgen bei Fehlen der erforderlichen Voraussetzungen; Umgehungsproblematik? ................. 109 VI. Vertragsmängel ................................ 111 1. Allgemeines; die Lehre vom fehlerhaften Verband ........................ 111 2. Fehler bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages ................................. 113 a) Nach Geschäftsbeginn der Vor-GmbH ................................. 113 b) Wirkungen der Eintragung ........ 114 3. Fehlerhafte Beitrittserklärung .......... 115 a) Folgen einer fehlerhaften Beitrittserklärung ............................ 115 b) Besonderheiten bei Unwirksamkeit aller Beitrittserklärungen .................................... 116 VII. Vor(gründungs)vertrag ................... 117 1. Begriff ................................................ 117 2. Form ................................................... 118 3. Rechtsfolgen des Vorvertrages ......... 119

I.

Regelungsgegenstand, Normzweck und Entstehungsgeschichte

1.

Die Formbedürftigkeit des Gesellschaftsvertrages (Abs. 1, 2)

In ihrer klassischen Version, zu der die Absätze 1 und 2 gehören, regelt die Vorschrift die Form des Gesellschaftsvertrages (Abs. 1) und einer entsprechenden Abschlussvollmacht (Abs. 2), Letztes in Abweichung von § 167 Abs. 2 BGB. Sie stellt damit formelle Voraussetzungen für den Gesellschaftsvertrag bzw. das (einseitige) Errichtungsgeschäft bei der Einpersonengesellschaft auf, zumal sie sich seit 1980 nicht mehr ausschließlich auf den „Abschluss“ des Vertrages bezieht.1) Das Formerfordernis hat Warnfunktion und dient der Rechtssicherheit (siehe Rn. 24). Die gesetzlichen Anforderungen an den Inhalt des Vertrages finden sich hingegen in den §§ 1, 3 – 5, freilich sieht das Musterprotokoll (MP) insofern einschränkende Besonderheiten für die vereinfachte Gründung nach Absatz 1a vor (siehe Rn. 84 ff). Auch zu den Rechtsfolgen fehlender Form äußert sich § 2 nicht; sie ergeben sich _____________ 1)

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Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 3.

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im Wesentlichen aus § 125 BGB. – Zur Entstehungsgeschichte des Absatzes 1 siehe Karsten auch mit einem Vergleich der Formerfordernisse in Europa.2) 2.

Gründung im vereinfachten Verfahren (Abs. 1a)

a) Normzweck Der durch das MoMiG (siehe Einleitung Rn. 15 ff [Schäfer]) zum 1.11.2008 eingeführte Absatz 1a regelt die Gründung der GmbH, auch als UG, im vereinfachten Verfahren. Der Gesetzgeber wollte Unternehmensgründungen in Form der GmbH erleichtern und beschleunigen und (auch) auf diese Weise die Wettbewerbsfähigkeit der GmbH erhöhen3). In der Tat darf man von der Verwendung eines standardisierten Mustertextes für einfach gelagerte Fälle sowie von der Zusammenfassung von Gesellschaftsvertrag, Geschäftsführerbestellung und Gesellschafterliste in einem Dokument (Abs. 1a Satz 4) einen gewissen Beschleunigungseffekt erwarten; hinzu kommt die kostenrechtliche Privilegierung durch § 105 Abs. 6 GNotKG4) (= § 41d KostO a. F.) (Art. 15a Nr. 2a MoMiG). Vorbilder für eine solche Standardisierung existieren etwa in England, Spanien, Frankreich, Portugal und Ungarn.5)

2

b) Entstehungsgeschichte Seine endgültige Form hat Absatz 1a erst durch die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses erhalten.6) Die Einführung eines Vertragsmusters blieb rechtspolitisch bis zuletzt umstritten.7) Der RegE hatte noch die Einführung einer Mustersatzung nebst „Gründungsset“ geplant.8) Für die Mustersatzung war nur ein Schriftformerfordernis mit öffentlicher Beglaubigung der Gesellschafter-Unterschriften vorgesehen;9) auch sollte es eine formprivilegierte Satzungsänderung geben, § 53 Abs. 2 Satz 2 RegE.

3

Auf dogmatische Probleme, die sich vor allem mit dem fehlenden Beurkundungserfordernis verbunden hätten, ist indessen deutlich hingewiesen worden.10) Sie haben schließlich dazu geführt, dass am Beurkundungszwang auch für die vereinfachte Gründung festgehalten wurde.11) Anscheinend um dies besser zum Ausdruck zu bringen, verzichtete der Gesetzgeber dann auf den Begriff der Mustersatzung; letzt-

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_____________ 2) Karsten, GmbHR 2006, 57, 61 f, 63. 3) Vgl. BT-Drucks. 16/6140, S. 27 (noch zur Mustersatzung), ferner BT-Drucks. 16/9737; skeptisch insofern anscheinend Seibert/Decker, ZIP 2008, 1208, 1209. 4) Für die Beurkundung von Gesellschaftsverträgen gilt § 107 Abs. 1 GNotKG mit kostenrechtlicher Privilegierung gemäß Satz 2 i. V. m. § 105 Abs. 6 GNotGK. 5) Vgl. zu England: Dirksmeier/Scharbert, BB 2006, 1517, 1518; zu Spanien: Cohnen, ZVglRWiss 104 (2005), 478, 482; zu Frankreich: Becker, GmbHR 2003, 706. 6) Vgl. BT-Drucks. 16/9737, S. 7 mit Gegenüberstellung RegE und Beschlussempfehlung. 7) Vgl. die abl. Äußerungen und Änderungsanträge in BT-Drucks. 16/9737, S. 84 ff u. 93; vgl. auch Plenarprotokoll 16/172, S. 18193 u. 18198. 8) Dazu Heckschen, DStR 2007, 1442 ff. 9) Vgl. BT-Drucks. 16/6140, S. 5 – Art. 1 Nr. 2 RegE MoMiG. 10) Ulmer, ZIP 2008, 45 ff. 11) Vgl. BT-Drucks. 16/9737, S. 93.

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lich ist das Gründungsprotokoll aber nichts anderes als eine beurkundete Mustersatzung.12) c) Regelungsgegenstand 5

Absatz 1a regelt in den Sätzen 1, 2 und 3 die Voraussetzungen der fakultativen vereinfachten Gründung (maximal drei Gesellschafter und ein Geschäftsführer; Verwendung des Musterprotokolls). Die Sätze 4 und 5 treffen Bestimmungen zum sog. Musterprotokoll, das als Anlage zu Absatz 1a in Kraft getreten ist und zwischen Ein- und Mehrpersonengesellschaft (mit max. drei Gesellschaftern) differenziert. Das Musterprotokoll ist also nicht beschränkt auf die UG, hat aber bei der UG-Gründung erwartungsgemäß seinen Hauptanwendungsbereich gefunden.13) 3.

6

Entstehung der GmbH durch Umwandlung

Unmittelbar betrifft § 2 nur die Gründung einer GmbH,14) doch kann eine GmbH auch durch Umwandlung nach dem UmwG entstehen. In der Regel greift hier aber ebenfalls das Erfordernis der notariellen Beurkundung des Gesellschaftsvertrages, sei es durch Verweis auf § 2, sei es durch eine entsprechende Formvorschrift des UmwG.15) II. Gesellschaftsvertrag 1.

Rechtsnatur des Gesellschaftsvertrages (der Satzung)

a) Mehrpersonengesellschaft 7

Einigkeit besteht darin, dass der Gesellschaftsvertrag eine doppelte Funktion hat:16) Er begründet zum einen zwischen den Gründern ein Schuldverhältnis und bildet zum anderen die Verfassung der Gesellschaft, auch schon der Vor-Gesellschaft; diese kommt mit dem notariellen Vertragsschluss zur Entstehung. Der Begriff der Satzung zielt insbesondere auf die zuletzt genannte Funktion, für die überdies die Geltung auch gegenüber künftigen Gesellschaftern kennzeichnend ist. Alles dies gilt selbstverständlich auch dann, wenn die Gesellschaft mittels Musterprotokoll gegründet wird.

8

Im Übrigen ist die Rechtsnatur des Gesellschaftsvertrages im Einzelnen streitig.17) Unklarheit besteht auch darüber, welche Auffassung die vorherrschende ist. Die einen reklamieren dies für die modifizierte Vertragstheorie,18) die den Gesellschaftsvertrag als Organisationsvertrag versteht und ihn von der Satzungsfeststellung als objektiven Schöpfungsakt abgrenzt, wie es der auf v. Gierke zurückgehenden „Nor_____________ 12) S. T. Götte, Protokoll des BT-Rechtsausschusses 16/85 (SV-Anhörung), S. 1; vgl. zum Musterprotokoll Rn. 87. 13) Zahlen bei Bayer/Hoffmann, GmbHR 2010, 9, 13. 14) Allg. zur Stellung des Vertragsschlusses im Prozess bis zur Entstehung der GmbH etwa Scholz-Cramer, GmbHG, § 2 Rn. 2. 15) Übersicht bei Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 2. 16) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 4; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 3; Scholz-Cramer, GmbHG, § 2 Rn. 3. 17) Zur Diskussion s. a. Reuter in: MünchKomm-BGB, § 25 Rn. 17 ff. 18) So Scholz-Cramer, GmbHG, § 2 Rn. 5 m. zahlr. N.

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mentheorie“ entspricht. In ihrer modifizierten Variante stellt sie den rechtsgeschäftlichen Geltungsgrund freilich nicht in Abrede, und diese „modifizierte Normentheorie“ wird von anderen als h. M. bezeichnet.19) Die Rechtsprechung vermeidet zwar eine explizite Positionierung, steht der modifizierten Normentheorie aber immerhin nahe.20) Eine Stellungnahme kann unterbleiben, zumal beide Auffassungen die Besonderheiten des Gesellschaftsvertrages berücksichtigen und grundsätzlich nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen (siehe Rn. 11 ff). Es reicht deshalb die Feststellung, dass der Gesellschaftsvertrag als Organisationsvertrag jedenfalls auch objektive, die Verfassung ausgestaltende Bestimmungen enthält.21)

9

Nach ganz h. A. finden grundsätzlich die allg. rechtsgeschäftlichen Vorschriften des BGB (§§ 104 ff, 116 ff, 125, 134, 138, 145 ff BGB) auf den Gesellschaftsvertrag Anwendung,22) wegen der Besonderheiten hinsichtlich der Vertretung beim Vertragsschluss nach Absatz 2 siehe Rn. 40 ff. Auch sonst gelten zuweilen Sonderregeln; zur Befristung des Gesellschaftsvertrages vgl. § 3 Abs. 2; zur Beteiligung nicht voll Geschäftsfähiger siehe Rn. 62; zur auflösenden Bedingung siehe die Erläuterungen zu § 60 Abs. 2. Die aufschiebende Bedingung stellt ein Eintragungshindernis dar, solange sie noch nicht eingetreten ist. In Gestalt der Lehre vom fehlerhaften Verband (LfV) gelten Sonderregeln auch für die Rechtswirkungen von Mängeln des Vertrages bzw. der Beitrittserklärung(en), dazu siehe Rn. 111 ff.

10

Im Einzelnen umstritten ist die Anwendbarkeit der Regeln über gegenseitige Verträge in §§ 320 ff BGB. Vorbehaltlich der Zweipersonengesellschaft wird sie von der h. M. abgelehnt.23) Allgemein scheidet überdies bei der vollzogenen (Vor-)Gesellschaft der Rücktritt wegen Leistungsstörungen aus. Stattdessen kommen nur Austritt oder Auflösung in Frage.

11

Nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB unterliegt der Gesellschaftsvertrag keiner AGBKontrolle24), was aber eine Inhaltskontrolle, insbesondere am Maßstab des § 138 BGB, nicht ausschließt (allg. zur Hinauskündigungsklausel siehe § 34 Rn. 11, 16 ff [Thiessen]).25) Auch Abfindungsklauseln unterwirft die Rechtsprechung grundsätzlich einer strengen Beurteilung. Die allgemein bei Publikumsgesellschaften vorgenommene Inhaltskontrolle anhand von § 242 BGB hat bei der GmbH wegen

12

_____________ 19) K. Schmidt, GesR, § 5 I, S. 77; Raiser/Veil, KapG, § 26 Rn. 14. 20) RGZ 165, 140, 143; BGHZ 47, 172, 179 = NJW 1967, 1268, 1271 – zum Idealverein. 21) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 6; auch Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 2 Rn. 5; Heinze in: MünchKomm-GmbHG, § 2 Rn. 8 f. (der gleichwohl der modifizierten Normentheorie folgt, Rn. 9). 22) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 6; Scholz-Cramer, GmbHG, § 2 Rn. 6. 23) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 6; abw. Scholz-Emmerich, GmbHG, § 2 Rn. 9. 24) Für Publikumspersonengesellschaften teleologische Reduktion offenlassend BGH, BeckRS 2015, 19758 Rn. 28. 25) Etwa BGH, NJW-RR 2007, 1256 = ZIP 2007, 1309 = DB 2007, 1521, dazu EWiR 2007, 489 (Schodder) – zu einer Hinauskündigungsklausel bei GbR; zur Hinauskündigung bei GmbH und Bezugnahme auf Rspr. zu Personengesellschaften: BGHZ 164, 107 = ZIP 2005, 1920 = NJW 2005, 3644; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 34 Rn. 9 f. m. w. N.

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ihres typischerweise personalistischen Zuschnitts (siehe Einleitung Rn. 8 [Schäfer]) bislang allerdings keine große Rolle gespielt.26) b) Einpersonengesellschaft 13

Bei der Einpersonen-Gründung tritt anstelle des Vertrages eine einseitige, rechtsgeschäftliche Errichtungserklärung, die wegen des Beurkundungszwangs gegenüber dem Notar abzugeben ist.27) Die allgemeinen Regeln über Rechtsgeschäfte (siehe Rn. 10) finden auch insofern Anwendung; die einseitige Erklärung ist „Gesellschaftsvertrag“ i. S. v. § 2.28) Auch hinsichtlich ihrer Rechtsnatur gelten für sie keine Besonderheiten, mag auch der Charakter als Organisationsakt mangels Mitgründern noch stärker im Vordergrund stehen.

14

Gebührenrechtlich ist die Einpersonen-Gründung privilegiert; sie löst nur die einfache Gebühr des § 3 Abs. 2 GNotKG i. V. m. Nr. 21200 Kostenverzeichnis aus.29) Das gilt selbst bei Gründung der GmbH durch eine Vor-AG und Abgabe der Gründungserklärung durch mehrere Vorstandsmitglieder.

15

Streitig ist, ob bis zur Eintragung der GmbH ein formloser Widerruf der Errichtungserklärung möglich ist.30) Die Frage ist praktisch bedeutungslos; denn es ist wohl allgemein anerkannt, dass die Einpersonen-Gründungsorganisation liquidationslos erlischt, wenn der Gründer seine Eintragungsabsicht aufgibt oder die Eintragung aus anderen Gründen scheitert.31) 2.

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Materielle und formelle Satzungsbestandteile; Nebenbestimmungen

Wichtig ist die Unterscheidung zwischen materiellen (echten) und formellen (unechten) Satzungsbestandteilen; denn letztere unterliegen hinsichtlich Änderung (nur einvernehmlich, nicht nach § 53), Auslegung (nicht objektiv, siehe Rn. 51 ff), Folgen von Willensmängeln (Unanwendbarkeit der Lehre vom fehlerhaften Verband) und Geltungsanspruch gegenüber hinzutretenden Gesellschaftern (nur bei besonderer Zustimmung) anderen Regeln als echte Satzungsbestimmungen. Hinzu kommen, drittens, schuldrechtliche Nebenabreden, die auch formell außerhalb des Gesellschaftsvertrages zwischen allen oder einzelnen Gesellschaftern vereinbart werden können (siehe Rn. 21 und § 3 Rn. 38 f [Schäfer]). Die Abgrenzung zwischen echten und unechten Satzungsbestandteilen ist im Wege der Auslegung anhand der folgenden Unterscheidungskriterien vorzunehmen.32) _____________ 26) Vgl. Ulmer/Brandner/Hensen-Ulmer/Schäfer, AGB-Recht, § 310 Rn. 120, 131 ff; ScholzEmmerich GmbHG, § 2 Rn. 12. 27) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 7. 28) Scholz-Cramer, GmbHG, § 1 Rn. 31; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 6. 29) KG, NZG 2004, 826, 828 m. w. N = DStR 2004, 1493 = AG 2005, 165; ScholzEmmerich, GmbHG, § 1 Rn. 32 m. w. N. 30) Dafür Scholz-Cramer, GmbHG, § 1 Rn. 57; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 2 Rn. 11; dagegen für den Fall, dass bereits Sondervermögen gebildet, Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 7. 31) Vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 11 Rn. 24 f, 57 m. w. N. 32) Scholz-Cziupka, GmbHG, § 3 Rn. 97; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 9 f mit Fn. 15.

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Zu den materiellen (echten) Bestandteilen gehören zunächst die in § 3 Abs. 1 geregelten Mindestbestimmungen (Firma, Sitz, Unternehmensgegenstand; zum Zweck als notwendigem Bestandteil, siehe § 1 Rn. 4 ff [Schäfer], Betrag des Stammkapitals, Zahl und Nennbetrag der Geschäftsanteile), die durch §§ 1, 4, 4a, 5 und 5a ergänzt werden. Zum Mindestinhalt gehören naturgemäß auch die Beteiligungserklärungen der einzelnen Gesellschafter, zumal das Gesetz nicht zwischen Vertrag und Übernahmeerklärung differenziert.33) Mit der Neufassung des § 3 Abs. 1 Nr. 4, die jetzt von der Übernahme eines Geschäftsanteils gegen Einlage spricht, wollte der MoMiGGeber die Notwendigkeit der Beteiligungserklärung und Simultangründung besser zum Ausdruck bringen.34)

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Auch alle (weiteren) korporativen Bestimmungen zählen zu den materiellen Satzungsbestandteilen. Hierunter versteht man all‘ jene Regeln, die mit Wirkung auch für zukünftige Gesellschafter umfassend die Rechtsverhältnisse der Gesellschaft bzw. zwischen dieser und ihren Gesellschaftern regeln sollen, somit alles betreffen, was Kapital, Organisation und Mitgliedschaft gestalten soll, und in diesem Sinne die „Verfassung“ der Gesellschaft bilden.35) Wegen der im GmbH-Recht weitgehenden Satzungsfreiheit (anders: § 23 Abs. 5 AktG) sind die Gesellschafter grundsätzlich frei, zusätzliche Bestimmungen in den Vertrag als materielle Bestandteile aufzunehmen. Teilweise ist die Aufnahme auch Wirksamkeitsbedingung (§§ 3 Abs. 2, 5 Abs. 4, 15 Abs. 5). Weitere Beispiele sind: Gerichtsstands- und Schiedsklauseln; Einsetzung eines Beirats; Stimmrechtsbeschränkungen.36)

18

Zu den materiellen Satzungsbestandteilen gehören schließlich auch Sonderrechte einzelner Gesellschafter sowie deren Nebenleistungspflichten und Wettbewerbsverbote, auch wenn sie personenbezogen (nicht anteilsbezogen) ausgestaltet sind.37)

19

Demgegenüber sind formelle (unechte) Satzungsbestandteile solche, die nur bei Gelegenheit des Vertragsschlusses in die Urkunde aufgenommen werden. Standardbeispiel ist die von § 6 Abs. 3 Satz 2 ermöglichte Bestellung des ersten Geschäftsführers durch Satzungsbestimmung, sofern nicht ausnahmsweise ein Sonderrecht des Bestellten beabsichtigt ist.38) Das gilt auch i. R. d. Gründung im vereinfachten Verfahren, obgleich Nummer 4 des Musterprotokolls die Geschäftsführerbestellung zwingend vorsieht. Mag daher die satzungsmäßige Geschäftsführerbestellung einschließlich der Befreiung von § 181 BGB insofern auch vorgeschrieben sein, so ändert dies nichts an der Qualifikation der Klausel.39) – Weiteres Beispiel einer

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_____________ 33) Scholz-Cramer, GmbHG, § 2 Rn. 7; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 4. 34) RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 28. 35) Vgl. BGHZ 123, 347 = ZIP 1993, 1709 = NJW 1994, 51, dazu EWiR 1994, 49 (Bork) – zur AG. 36) Scholz-Cziupka GmbHG, § 3 Rn. 56 ff; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 115; näher zur Einbeziehung von Schiedsordnungen in die Satzung einer GmbH Böttcher/Fischer, NZG 2011, 601 ff. 37) Zutr. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 9. 38) Vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 10. 39) OLG Bremen ZIP 2009, 1998, 1999 = GmbHR 2009, 1210 = NJW 2010, 542, dazu EWiR 2009, 745 (Wachter); Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 2 Rn. 62; Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 2 Rn. 18.

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§2

Form des Gesellschaftsvertrags

bloß formellen Satzungsbestimmung ist die Angabe der Anteilsinhaber im Gesellschaftsvertrag. 21

Zur Vermeidung der handelsregisterlichen Publizität werden außerhalb der Satzungsurkunde häufig sog. schuldrechtliche Nebenabreden zwischen den Gesellschaftern (oder einzelnen von ihnen) geschlossen; sie werden auch als Gesellschaftervereinbarungen oder Nebenverträge bezeichnet. Gerade bei Verwendung des Musterprotokolls dürften sie noch an Bedeutung gewinnen, weil die Regelungsmöglichkeiten in der Satzung dann besonders beschränkt sind. Sofern nicht der Mindestinhalt betroffen (siehe Rn. 17) oder die Aufnahme in die Satzung Wirksamkeitsvoraussetzung ist (siehe Rn. 18), haben die Gesellschafter für die Ausgestaltung ihrer Regelung grundsätzlich die freie Wahl zwischen echter und unechter Satzungsbestimmung sowie einer Gesellschaftervereinbarung (siehe § 3 Rn. 38 f [Schäfer]).40) Jedenfalls die grundlegenden Bestimmungen gehören allerdings schon wegen des Formgebots in die Satzung.41)

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Im Gegensatz zur Begründung schuldrechtlicher Ansprüche der Gesellschaft durch Vertrag zwischen den Gesellschaftern zu ihren Gunsten (§ 328 BGB) ist die Begründung eigenständiger, nur mit ihrer Zustimmung entziehbarer Rechte Dritter in der Satzung nach zutreffender Ansicht unmöglich.42) 3.

Form des Gesellschaftsvertrages

a) Notarielle Form; Unterzeichnung durch die Gesellschafter 23

Notarielle Form i. S. v. Absatz 1 Satz 1 ist die notarielle Beurkundung, die, was das Gesetz ausdrücklich klarstellt (Abs. 1 Satz 2), die Unterschrift sämtlicher Gründer voraussetzt (vgl. § 13 BeurkG, näher siehe Rn. 28). Bei der Einpersonen-Gründung wird die einseitige Erklärung des Gründers beurkundet und von ihm unterzeichnet.43) Entgegen ursprünglichen Planungen hat der MoMiG-Geber auch für die vereinfachte Gründung nach Absatz 1a am Erfordernis notarieller Beurkundung festgehalten.

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Das Formgebot dient der Rechtssicherheit (siehe Rn. 1), indem es für Klarstellung der Grundlagen der eingetragenen GmbH sorgt, und hat außerdem eine Warnfunktion.44) Die notarielle Beurkundung gewährleistet überdies eine gewisse Beratung durch den Notar (vgl. § 17 BeurkG) und bietet eine (freilich beschränkte) _____________ 40) Vgl. etwa zu der bei der GmbH statutarisch wie schuldrechtlich möglichen Vereinbarung eines Aufgelds: BGH, ZIP 2007, 2416 = GmbHR 2008, 147 = DNotZ 2008, 461 – zur Kapitalerhöhung; Wagner, DB 2004, 293. 41) Vgl. Scholz-Cziupka, GmbHG, § 3 Rn. 95 ff; ähnlich OLG Dresden, GmbHR 1997, 746, 747. – Zur Abgrenzung von „korporationsrechtlichen“ und „individualrechtlichen“ Pflichten im Vereinsrecht s. auch BGH, ZIP 2008, 1423 = NJW-RR 2008, 1357 = WM 2008, 1499: korporationsrechtlicher Pflichten eines Verbandsmitglieds dienen als mitgliedschaftliche Pflichten dazu, den Verbandszweck zu verwirklichen. 42) Eingehend Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 43 ff, str. 43) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 8. 44) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 13, unter Bezugnahme auf Rspr. zu Schadensersatz wegen Abbruchs der Vertragsverhandlungen; dazu OLG Stuttgart, WM 2007, 1743 m. w. N.

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§2

Form des Gesellschaftsvertrags

Richtigkeitsgewähr durch Einschaltung des Notars. Die Registergerichte werden hierdurch entlastet.45) Die notarielle Beurkundung kann in bestimmten, gesetzlich geregelten Fällen entbehrlich oder modifiziert sein. So ersetzt das rechtskräftige Urteil nach § 894 ZPO die Willenserklärung eines – insbesondere aufgrund eines seinerseits zu beurkundenden Vorvertrages – zur Abgabe verurteilten Gesellschafters und damit auch die für sie erforderliche notarielle Form.46)

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Im Einzelnen regeln die §§ 6 ff BeurkG die Merkmale einer notariellen Beurkundung. Demnach muss insbesondere eine Niederschrift über die Verhandlung aufgenommen werden, die vorzulesen, zu genehmigen und zu unterschreiben ist. Ein Gesellschaftsvertrag in einer Fremdsprache ist nach § 5 Abs. 2 BeurkG zulässig, wenn bei der Anmeldung zum Handelsregister eine Übersetzung beigefügt wird.47) Bei einer Gründung im vereinfachten Verfahren ist für die Errichtung der Niederschrift zwingend das Musterprotokoll zu verwenden (siehe Rn. 84).

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Nicht notwendig ist die einheitliche Verhandlung bzw. gleichzeitige Anwesenheit beim Notar. Dieser kann vielmehr eine einheitliche Niederschrift auch über zeitlich nacheinander abgegebene Erklärungen aufnehmen; gemäß §§ 128, 152 BGB kommt der Vertrag dann mit Beurkundung der letzten Erklärung zustande. Auch eine Beurkundung vor unterschiedlichen Notaren in mehreren aufeinander verweisenden Urkunden, die jeweils von einem Gründer unterzeichnet sind, ist möglich.48) Freilich muss stets der gesamte Vertragstext dem Registergericht nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 vorgelegt werden. Das Erfordernis einer Simultangründung wird hierdurch nicht etwa in Frage gestellt oder modifiziert.

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Absatz 1 Satz 2 spricht von der Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrages; das ist einerseits selbstverständlich, sofern die Unterschrift aller Gründer verlangt wird (siehe Rn. 24), andererseits aber ungenau, weil der Gesellschaftsvertrag zu Protokoll erklärt werden kann und dann gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 BeurkG als Anlage zur Niederschrift zu nehmen ist. Die Gesellschafter unterzeichnen in diesem Fall nämlich nur die Niederschrift („Mantel“), nicht den Gesellschaftsvertrag.49)

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Keine Rolle für die Wirksamkeit der Beurkundung spielt, ob die Beurkundung im Amtsbezirk des Notars erfolgt (§ 2 BeurkG), jedoch kann ein deutscher Notar nicht im Ausland beurkunden.50) Möglich ist aber die Beurkundung durch deutsche Konsularbeamte gemäß §§ 10, 19, 24 KonsularG.51) – Zur Beurkundung durch ausländische Notare siehe Rn. 34.

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_____________ 45) Wicke, ZIP 2006, 977 f. 46) Zu einem Umgehungsversuch des § 2 Abs. 1 Satz 1 über die Ersetzungswirkung des § 1053 Abs. 3 ZPO; vgl. aber OLG München, GmbHR 2005, 1568, dazu EWiR 2006, 95 (Korte). 47) LG Düsseldorf, GmbHR 1999, 609 = NZG 1999, 730 = Rpfleger 1999, 334; Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 9. 48) S. § 13a Abs. 2 BeurkG und Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 15; Scholz-Emmerich, GmbHG, § 2 Rn. 16; vgl. auch OLG Dresden, NZG 1998, 311, 313. 49) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 18. 50) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 12. 51) Näher Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 22.

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§2

Form des Gesellschaftsvertrags

b) Reichweite des Formgebots 30

Der notariellen Beurkundung unterliegen sämtliche materiellen Satzungsbestimmungen, seien sie notwendigen oder nur fakultativen Gehalts (siehe Rn. 17 ff). Damit sind also sämtliche Regelungen formbedürftig, die nicht nur zwischen den Gründern, sondern insbesondere auch gegenüber zukünftigen Gesellschaftern wirken sollen,52) mithin etwa auch das Sonderrecht eines Gesellschafters auf Geschäftsführerstellung (siehe Rn. 19).53)

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Grundsätzlich formlos wirksam sind schuldrechtliche Nebenbestimmungen (Gesellschaftervereinbarungen), die nur die hieran Beteiligten (persönlich) verpflichten (siehe § 3 Rn. 38 f [Schäfer]).54) – Eingehend hierzu sowie zur Frage einer eventuellen Umgehung des Formgebots siehe Ulmer/Habersack/Löbbe.55) c) Auslandsbeurkundung der Gründung aa) Ausgangspunkt

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Wird die (deutsche) GmbH im Ausland gegründet, so ist zunächst zu ermitteln, welches Recht über die Formbedürftigkeit der Satzung entscheidet (Gesellschaftsstatut und/oder Ortsform, siehe Rn. 33). Die zweite Frage betrifft den zulässigen Einsatz eines ausländischen Notars bei Anwendbarkeit des § 2. bb) Anwendbarkeit von § 2

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Die h. M. hält – mit unterschiedlicher Begründung – allein das Gesellschaftsstatut und somit § 2 für maßgeblich, nicht die Ortsform.56) Die teilweise veraltete,57) teilweise nicht vom zuständigen Fachsenat stammende Rechtsprechung58) und Teile der Literatur59) plädieren demgegenüber für ein Wahlrecht nach Art. 11 Abs. 1 Alt. 1 EGBGB. Der h. M. ist zu folgen, da nicht garantiert ist, dass die Ortsform für ausreichenden Schutz sorgt. Dies entsprach auch dem RefE für ein Gesetz zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen, der eine Sonderkollisionsregel in Art. 11 Abs. 4 EGBGB-E vorschlägt, dessen Schicksal allerdings ungewiss ist.60) _____________ 52) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 27 – für Nebenabreden; Scholz-Cramer, GmbHG, § 2 Rn. 12; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 12. 53) RGZ 170, 358, 367; BGH, NJW 1969, 131 = GmbHR 1969, 38 = DB 1968, 2166. 54) Vgl. etwa BGHZ 18, 205 = NJW 1955, 1716 – Gehaltsvereinbarung und Pensionsregelung mit Geschäftsführer. Weiteres Beispiel: bloß „schuldrechtliches“ Aufgeld, dazu BGH, ZIP 2007, 2416 = GmbHR 2008, 147 = DNotZ 2008, 461 und Wagner, DB 2004, 293; vgl. auch OLG München, ZIP 2013, 23 = NZG 2013, 257 = NJW-RR 2013, 284, dazu EWiR 2013, 347 (Linnerz/C. Jungclaus) – Kostenregelung in „Letter of Intent“ für den Fall des Scheiterns der Vertragsverhandlung nicht formbedürftig. 55) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 27. 56) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 9 m. w. N; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 2 Rn. 27; Kindler in: MünchKomm-BGB, IntGesR, Rn. 532 ff; Goette in: FS Boujong, S. 131, 135 f – unter Hinweis auf das IPRG v. 1.9.1986, BGBl. I 1986, 1142 – Änderung von Art. 11 EGBGB. 57) BGHZ 80, 76 = ZIP 1981, 402 = NJW 1981, 1160 – vor IPR-Reform 1986. 58) BGH, ZIP 2004, 2324 = NZG 2005, 41 = DB 2004, 2631, dazu EWiR 2005, 75 (Werner). 59) Nachw. bei Kindler in: MünchKomm-BGB, IntGesR, Rn. 532 ff. 60) Dazu etwa Schneider, BB 2008, 566, 574; Leuering, ZRP 2008, 73, 77.

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Form des Gesellschaftsvertrags

cc) Ausländischer Notar? Ob den Anforderungen des Absatzes 1 durch eine ausländische Beurkundung genügt werden kann, ist ebenfalls umstritten. Die früher h. M. bejahte dies, wenn der ausländische Notar nach Vorbildung und Stellung eine dem deutschen Notar entsprechende Funktion ausübt und ein dem deutschen Recht entsprechendes Beurkundungsrecht anwendet.61) Sie wird in neuerer Zeit mit Rücksicht auf die Formzwecke des § 2 zunehmend in Frage gestellt.62) Dem ist zuzustimmen, sodass eine Beurkundung im Ausland grundsätzlich ausscheidet (dazu siehe § 2 Rn. 35 [Brandes]).63) De facto kommt hinzu, dass der Notar i. R. d. elektronischen Registeranmeldung (vgl. § 12 HGB) eine wichtige Funktion zu übernehmen hat, was schon aus technischen Gründen bei ausländischen Notaren regelmäßig ausscheiden wird. Unabhängig hiervon bleibt ausländischen Notaren eine Beurkundung im Inland allemal verwehrt; sie sind nach § 11a Satz 3 BNotO auf unterstützende Tätigkeiten beschränkt.64)

34

dd) Anteilsübertragung Bei der Anteilsübertragung hat die bisher h. M. auch die Einhaltung der Ortsform genügen lassen; doch konfligiert diese Auffassung mit der inzwischen durch das MoMiG gesteigerten Bedeutung der Gesellschafterliste und der Verantwortlichkeit des Notars gemäß § 40 Abs. 1.65) Dies hat den Bundesgerichtshof allerdings nicht davon abgehalten, an der bisher h. M. festzuhalten.66) Wegen der Einzelheiten siehe § 15 Rn. 34, 48 ff [Brandes], zumal Gründung und Anteilsübertragung insofern nicht notwendig einheitlich behandelt werden müssen.67)

35

d) Folgen eines Formmangels Vor der Eintragung führt ein Formmangel, auch ein wesentlicher Fehler im Beurkundungsverfahren, zur Unwirksamkeit des Gesellschaftsvertrages nach § 125 BGB; sie stellt ein Eintragungshindernis dar.68) Mit Entstehung der Vor-Gesellschaft durch Geschäftsbeginn werden die Folgen der Unwirksamkeit aber durch _____________ 61) BGHZ 80, 76 = ZIP 1981, 402 = NJW 1981, 116; Scholz-Emmerich, GmbHG, § 2 Rn. 17; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 9; angenommen für Schweizer Beamtennotariat, österreichische und niederländische Notare sowie für lateinisches Notariat (Belgien, Frankreich, Italien, Spanien). 62) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 20; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 2 Rn. 27; m. w. N. auch Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 9; Goette, DStR 1996, 709 ff; krit. auch Mohr, GmbH-StB 2011, 310, 311 f. 63) AG Berlin-Charlottenburg, GmbHR 2016, 223 = RNotZ 2016, 991 = DNotI-Report 2016, 38 (Schweizer Notar); a. A. dann aber KG, DStR 2018, 534 (kritisch hierzu Herrler, NJW 2018, 1787); ebenso Roth/Altmeppen/Roth, Rn. 23a; bei § 15 Abs. 4 Beurkundung durch ausländischen Notar grds. zulassend auch BGH, ZIP 2014, 317 Rn. 13 ff = GmbHR 2014, 248. 64) Vgl. BGH, NJW 2015, 3034; BVerfG, NJW 2016, 1010. 65) Vgl. Weller, Der Konzern 2008, 253 m. w. N.; Trendelenburg, GmbHR 2008, 644. 66) BGH, ZIP 2014, 317 Rn. 13 ff = DStR 2014, 379 = GmbHR 2014, 248, dazu EWiR 2014, 171 (Seibt). 67) Vgl. Saenger/Scheuch, BB 2008, 65, 66. 68) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 14; Scholz-Cramer, GmbHG, § 2 Rn. 24; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 28 f.

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Form des Gesellschaftsvertrags

die Lehre vom fehlerhaften Verband (LfV) beschränkt; Mängel entfalten Wirkung für die Zukunft erst im Zeitpunkt ihrer Geltendmachung (siehe Rn. 111 ff). Eine (heilende) Bestätigung nach § 141 BGB setzt die formgerechte Wiederholung des Errichtungsgeschäfts voraus.69) 37

Nach der Eintragung: Nach ganz h. M. heilt die Eintragung den Formmangel, weil er in § 75 nicht als Nichtigkeitsgrund aufgenommen wurde.70) Amtslöschung bzw. -auflösung gemäß §§ 397, 399 FamFG sind dann ebenfalls ausgeschlossen. – Zu Mängeln einzelner Beitrittserklärungen siehe Rn. 115. e) Vertragsänderungen vor Eintragung

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Änderungen und Ergänzungen des Gesellschaftsvertrages vor Eintragung der GmbH bedürfen, zumal die §§ 53 ff nach zutreffender Ansicht noch keine Anwendung finden, der Einigung sämtlicher Gründer unter Beachtung der Form des § 2,71) sofern der Vertrag keine Mehrheitsklausel für diesen Fall enthält. Das gilt auch für Einund Austritt eines Gesellschafters.72) – Zur registerrechtlichen Behandlung bei entsprechender Anwendbarkeit des § 54 Abs. 1 Satz 2 vgl. eine Entscheidung des Kammergerichts.73)

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Noch unanwendbar sind nach h. M. auch die §§ 15 ff, woraus gefolgert wird, dass die Anteilsübertragung ebenfalls nur als Vertragsänderung unter Beachtung der Form des § 2 möglich ist.74) Indessen stellt auch bei der Personengesellschaft die Anteilsübertragung keine Vertrags- bzw. Strukturänderung dar,75) sondern eine Verfügung über die Mitgliedschaft, die mit Zustimmung aller Gesellschafter zulässig ist. Zu folgen ist daher der Gegenauffassung,76) wonach die Übertragung mit Zustimmung aller Gesellschafter auch schon vor Eintragung der GmbH möglich ist. Man wird dies hier – nicht zuletzt wegen der auch insofern gebotenen Form – auf eine Analogie zu § 15 bei automatischer Vinkulierung zurückzuführen haben. – Allgemein anerkannt ist im Übrigen, dass die (künftigen) Geschäftsanteile im Gründungsstadium unter der aufschiebenden Bedingung einer Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister abgetreten werden können.

_____________ 69) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 14. 70) Scholz-Cramer, GmbHG, § 2 Rn. 25; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 30 m. N. auch zur überholten anders lautenden RG-Rspr.; gegen Nichtigkeit bei Scheingründung auch BGHZ 21, 378 = NJW 1957, 19 = WM 1956, 1498. 71) OLG Frankfurt/M., GmbHR 2011, 984, 985 – betr. Herabsetzung des Stammkapitals vor Eintragung; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 23; Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 13; Scholz-Emmerich, GmbHG, § 2 Rn. 21. 72) BGHZ 134, 333 = ZIP 1997, 679 = NJW 1997, 1507, dazu EWiR 1997, 463 (Fleischer). 73) KG, NJW-RR 1997, 794, 795 = GmbHR 1997 412 = BB 1997, 172; ferner etwa ScholzCramer, GmbHG, § 2 Rn. 28; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 8 Rn. 4. 74) BFH, NZG 2008, 354, 356 = ZIP 2008, 1678 m. N. zur Rspr. = GmbHR 2008, 379; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 23; Scholz-Cramer, GmbHG, § 2 Rn. 29. 75) Vgl. BGH – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 = ZIP 2014, 2231, Rn. 25 ff, 29; Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 314 ff. 76) K. Schmidt, GmbHR 1997, 869; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 49 f.

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§2

Form des Gesellschaftsvertrags

4.

Vertretung bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages (Abs. 2)

a) Vollmachtserteilung, Form Dass die gewillkürte Stellvertretung bei den Gründungserklärungen zulässig ist, setzt Absatz 2 als selbstverständlich voraus; maßgeblich sind daher die §§ 164 ff BGB.77) Absatz 2 weicht von § 167 Abs. 2 BGB ab, wonach die Vollmacht grundsätzlich nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form bedarf.78) Im Falle der – von Absatz 2 – ebenfalls erfassten Genehmigung (siehe Rn. 46) betrifft die Abweichung die Parallelvorschrift des § 182 Abs. 2 BGB. Stattdessen schreibt Absatz 2 für die Vollmacht entweder notarielle Beurkundung (§§ 6 ff BeurkG, dazu siehe Rn. 26) oder Beglaubigung (§ 40 BeurkG, dazu siehe Rn. 41) vor.

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Die Beglaubigung kann entweder von einem deutschen Notar, einem deutschen Konsularbeamten gemäß KonsularG (siehe Rn. 29), aber auch von einem ausländischen Notar vorgenommen werden.79) Im Unterschied zur Beurkundung (siehe Rn. 34) ist insofern ohne weiteres von der Gleichwertigkeit des ausländischen Notars auszugehen, weil sich mit der Beglaubigung keine Belehrungsfunktion verbindet und statt Warnung und materieller Richtigkeit lediglich die Authentizität der Vollmacht gewährleistet, also die Legitimation des Vertreters außer Streit gestellt werden soll. Wegen dieses Zwecks ist Absatz 2 andererseits nach zutreffender h. M. keine reine Ordnungsvorschrift, sondern statuiert eine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Vollmachterteilung.80)

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Aufgrund des im Vergleich zur Beurkundung begrenzten Zwecks der Beglaubigung (siehe Rn. 41) genügt auch die Vollmachterteilung in öffentlicher Urkunde durch eine Behörde, welche die Legitimation zweifelsfrei belegt.81) Eine in das Handelsregister eingetragene Prokura (nicht aber die insofern unzureichende Handlungsvollmacht gemäß § 54 HGB) kann überdies durch Registerauszug nachgewiesen werden82) und wird daher der Sache nach wie die organschaftliche Vertretungsmacht behandelt.

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b) Umfang der Vollmacht Die Vollmacht muss das gesamte Errichtungsgeschäft abdecken, andererseits ist aber eine Spezialvollmacht nicht erforderlich. Demgemäß reichen auch General-

_____________ 77) Scholz-Emmerich, GmbHG, § 2 Rn. 23; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 20; zu Fragen des Widerrufs und der §§ 172 f BGB näher Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/ Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 45. 78) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 31. 79) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 19 ff; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 20. 80) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 31; Scholz-Cramer, GmbHG, § 2 Rn. 32; Reinicke, NJW 1969, 1830 (Urteilsanm.). 81) OLG Düsseldorf, GmbHR 1998, 238: z. B. mit Dienstsiegel versehene Vollmachten eines Sparkassenvorstandes; vgl. auch Scholz-Emmerich, GmbHG, § 2 Rn. 24; Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 20. 82) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 34; zweifelnd im Hinblick auf die Änderungen des § 9 Abs. 3 HGB durch das EHUG aber Körber, DNotZ 2009, 607.

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§2

Form des Gesellschaftsvertrags

vollmacht und Prokura (zu deren Nachweis siehe Rn. 42) aus;83) eine Handlungsvollmacht deckt die GmbH-Errichtung hingegen nicht.84) 44

Die Vertretung mehrerer Gründer durch nur eine Person, auch durch Mitgründer, ist möglich, doch bedarf es dann der Befreiung nach § 181 BGB, und zwar in der Form des Absatzes 2.85) Für die Bevollmächtigung eines Mitgründers braucht die – hier offensichtlich miterklärte – Befreiung von § 181 BGB in der Urkunde nicht ausdrücklich erwähnt zu werden.86) c) Rechtsfolgen mangelnder Vertretungsmacht aa) Mehrpersonen-Gründung

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Eine fehlende oder (form-)unwirksame Vollmacht führt bei der MehrpersonenGründung zur schwebenden Unwirksamkeit der betreffenden Vertragserklärung87) und stellt nach h. M. ein Eintragungshindernis dar,88) solange der Mangel nicht behoben ist (siehe Rn. 46) oder der Vertretene eine eigene formgemäße Beitrittserklärung abgegeben hat.89) Die Rechtsfolgen des vollmachtlosen Handelns richten sich nach allgemeinen Regeln; ein Anspruch auf Genehmigung gegen den Vertretenen kommt nur bei einem formgerecht abgeschlossenen Vorvertrag in Betracht.90)

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Der Mangel kann durch nachträgliche formgemäße Erteilung bzw. Genehmigung oder durch nachträgliche Beglaubigung einer bereits erteilten Vollmachtsurkunde behoben werden.91) § 182 Abs. 2 BGB ist nach h. M. unanwendbar, sodass eine formlose Genehmigung ausscheidet.92)

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Durch die Eintragung der Gesellschaft wird der Formmangel der Vollmacht geheilt.93) Das Fehlen einer Vollmacht führt hingegen, vorbehaltlich einer Genehmigung, zur Unwirksamkeit der betreffenden Beitrittserklärung bei Wirksamkeit des

_____________ 83) Scholz-Cramer, GmbHG, § 2 Rn. 33; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 21. 84) Scholz-Cramer, GmbHG, § 2 Rn. 33; zurückhaltender Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 21 (i. d. R. nicht). 85) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 36; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 21; Scholz-Emmerich, GmbHG, § 2 Rn. 28. 86) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 21. 87) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 32. 88) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 154 ff; diff. insofern aber Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 244 f – Eintragungshindernis nur bei Gesamtunwirksamkeit des Vertrages. 89) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 42. 90) Näher Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 43 f. 91) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 32. 92) OLG Köln, BB 1995, 2545 = WM 1996, 207 = NJW-RR 1996, 550 – vollmachtslos erfolgte Vertragsänderung vor Eintragung der GmbH; vgl. auch OLG Dresden, NZG 1998, 311, 312 f; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 32 m. w. N.; anders zu § 15 Abs. 4 BGH, ZIP 1996, 1901 = NJW 1996, 3338 = GmbHR 1996, 919, wo eine Absatz 2 vergleichbare Vorschrift aber fehlt. 93) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 46; Scholz-Emmerich, GmbHG, § 2 Rn. 32.

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§2

Form des Gesellschaftsvertrags

Vertrages im Übrigen.94) Wegen des nicht wirksam entstandenen Geschäftsanteils ist die Anwendung von § 399 Abs. 4 FamFG angezeigt.95) bb) Besonderheiten der Einpersonen-Gründung Wie bei der Mehrpersonen-Gründung bewirkt das Fehlen der Vollmacht ein Eintragungshindernis. Nach ganz h. M. ist das Einpersonen-Gründungsgeschäft (siehe § 1 Rn. 34 [Schäfer]) wegen Unzulässigkeit der Vertretung gemäß § 180 Satz 1 BGB endgültig unwirksam, eine Genehmigung scheidet daher aus.96) Dem ist zu folgen. Anderes mag für Satzungsänderungen durch vollmachtlosen Vertreter gelten, wo es eher in Betracht kommt, § 180 Satz 2 BGB anzuwenden.97) Demgegenüber ist bei einer Gesellschaftsgründung der Zweck des § 180 Satz 1 BGB, die Gewissheitsinteressen der vom Gründungsgeschäft Betroffenen zu wahren,98) sogar in besonderer Weise einschlägig.99) Zwischen Neuvornahme und Genehmigung bestehen im Übrigen insofern keine gravierenden Unterschiede, als in beiden Fällen die Beteiligung eines Notars unerlässlich ist (siehe Rn. 40).

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Nach der Eintragung gilt nicht nur in Hinblick auf Formmängel das gleiche wie bei der Mehrpersonen-Gründung; sie werden durch die Eintragung geheilt. Richtigerweise entsteht die GmbH auch beim Fehlen einer Vollmacht durch die Eintragung und ist ebenfalls nur analog § 399 FamFG von Amts wegen aufzulösen, sofern dem Mangel nicht abzuhelfen ist.100)

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d) Sonstige Fälle der Vertretung Absatz 2 gilt nur für die (rechtsgeschäftlich erteilte) Vollmacht i. S. d. § 166 Abs. 2 BGB. In sonstigen Fällen kommt es auf die jeweils geeignete Nachweisform an,101) so ist etwa die gesetzliche Vertretungsmacht der Eltern durch Standesamtsurkunde, _____________ 94) Vgl. auch Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 47; Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 2 Rn. 23 u. 44. 95) Scholz-Cramer, GmbHG, § 2 Rn. 38 m. w. N.; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 2 Rn. 44. 96) So i. E. bereits LG Berlin, GmbHR 1996, 123 – trotz förmlicher Genehmigung der vollmachtlosen Gründung wurde Eintragung ins Handelsregister abgelehnt; zust. KG, NZG 2004, 826 = DStR 2004, 1493 = AG 2005, 165; ebenso auch OLG Stuttgart, GmbHR 2015, 487 = EWiR 2015, 603 (Cramer); OLG Frankfurt/M., ZIP 2017, 920, 921; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 32; Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 2 Rn. 22; Stenzel, GmbHR 2015, 567, 576; Grooterhorst, NZG 2007, 605, 610; a. A. Dürr, GmbHR 2008, 408; Hasselmann, ZIP 2012, 1947. 97) So OLG München, ZIP 2011, 772, 772 f = GmbHR 2011, 91 = NotBZ 2011, 59; OLG Frankfurt/M., GmbHR 2003, 415 = NZG 2003, 438 = DB 2003, 654; OLG München, ZIP 2011, 772 = GmbHR 2011, 91 = DB, 2010, 2438; zust. etwa Ulmer/Habersack/ Löbbe-Casper, GmbHG, § 53 Rn. 56. 98) Vgl. nur Schramm in: MünchKomm-BGB, § 180 Rn. 1. 99) Nicht überzeugend daher Dürr, GmbHR 2008, 408, 410 ff: GmbHG bezeichne auch Einpersonen-Gründungsgeschäft als Vertrag; konsistente (aber nicht zwingende) Begründung der Gegenauffassung hingegen bei Hasselmann, ZIP 2012, 1947, 1949 – teleologische Reduktion in Hinblick auf fehlenden Erklärungsempfänger. 100) Grooterhorst, NZG 2007, 605, 609 m. w. N.; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 47 u. Rn. 154 f; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 2 Rn. 45; i. E. ebenso Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 244 f; für Anwendung von § 397 FamFG Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 45. 101) S. nur Scholz-Cramer, GmbHG, § 2 Rn. 35; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 24.

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Form des Gesellschaftsvertrags

der Vormünder, Betreuer, Pfleger, Nachlass- und Insolvenzverwalter durch Bestellungsurkunde nachzuweisen.102) Organschaftliche Vertretungsmacht kann generell durch Registerauszug nachgewiesen werden.103) Bei Testamentsvollstreckern ist umstritten, ob sie mit Wirkung für den Nachlass eine GmbH (mit-)gründen können (siehe Rn. 59 f). Zu den Besonderheiten bei der Vertretung von (beschränkt) Geschäfts(un)fähigen und Betreuten, siehe Rn. 62 ff. 5.

Auslegung des Gesellschaftsvertrages

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Bei der Auslegung ist zu differenzieren zwischen körperschaftlichen (materiellen) und individualrechtlichen (formellen) Bestimmungen (siehe Rn. 16 ff).104) Die allgemeinen Regeln der §§ 133, 157 BGB gelten in vollem Umfang nur für die individualrechtlichen (formellen) Satzungsklauseln,105) welche die persönlichen Rechtsbeziehungen zwischen Gesellschaft und einzelnen Gesellschaftern regeln, die nur bei Gelegenheit des Vertragsschlusses getroffen wurden und auch außerhalb der Satzung hätten geregelt werden können.106)

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Objektiv auszulegen sind demgegenüber die körperschaftlichen (materiellen) Satzungsbestimmungen, eben weil sie die Grundlagen der Gesellschaft festlegen und daher auch künftige Gesellschafter und Dritte, insbesondere Gläubiger, betreffen.107) Die objektive Auslegung entspricht also dem unbestimmten Kreis betroffener Personen. Hierauf muss die Auslegung Rücksicht nehmen; insbesondere dürfen nur allgemein zugängliche Unterlagen herangezogen werden, namentlich also die Satzungsurkunde selbst und der sich hieraus ergebende Wortlaut, Sinnzusammenhang und Regelungszweck der einzelnen Bestimmungen. Auf Nebenabreden und sonstige für die Gestaltung wesentlichen Umstände kann sich die Auslegung hingegen nur dann stützen, soweit sie allgemein ersichtlich, insbesondere den zum Handelsregister eingereichten Unterlagen zu entnehmen sind.108) Dies gilt auch bei einem Streit zwischen den Gründern109) und im Falle der Lückenhaftigkeit

_____________ 102) Verweis auf die bei Gericht geführten Vormundschafts- oder Nachlassakten reicht, wenn identisch mit Registergericht. 103) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 37. 104) H. M., vgl. nur Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 193 f; Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 29; eingehend zur Auslegung der GmbH-Satzung Schockenhoff, ZGR 2013, 76 ff. 105) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 205. 106) Beispiel: BGHZ 18, 205 = NJW 1955, 1716 – Gehaltsvereinbarung und Pensionsregelung mit Geschäftsführer. 107) S. etwa BGHZ 116, 359 = ZIP 1992, 237 = NJW 1992, 892, dazu EWiR 1992, 321 (Wiedemann); BGH, ZIP 2011, 2357 = GmbHR 2012, 92 = DB 2011, 2765 Rn. 8 – Auslegung einer Abfindungsklausel. 108) BGHZ 116, 359, 364 = ZIP 1992, 237 = NJW 1992, 892, dazu EWiR 1992, 321 (Wiedemann); BGHZ 123, 347 = ZIP 1993, 1709 = NJW 1994, 51, dazu EWiR 1994, 49 (Bork); jüngst OLG Koblenz, NZG 2008, 423 = DStR 2008, 1152; näher Ulmer/ Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 198 f – mit Hinweis auf Berücksichtigungsfähigkeit von Gründungsprotokoll, Festsetzungen über Sacheinlagen und erläut. Erklärungen. 109) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 31.

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Form des Gesellschaftsvertrags

der Satzung.110) Immerhin können u. U. Sachzusammenhänge, deren Kenntnis bei Mitgliedern und Organen vorauszusetzen ist, bei der Auslegung berücksichtigt werden.111) Nach zutreffender h. M. sind für die Auslegung aber keine weiteren Differenzierungen vorzunehmen – weder zwischen notwendigen und fakultativen Satzungsbestimmungen112) noch zwischen den Satzungen verschiedener Realtypen der GmbH (körperschaftlich und personalistisch strukturiert)113) – bei personalistischen Gesellschaften kann aber ggf. dem durch objektive Auslegung gewonnenen Ergebnis die Treupflicht entgegengesetzt werden.114)

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Auch hinsichtlich der Nachprüfbarkeit der Auslegung in der Revisionsinstanz ist zwischen den Auslegungsmethoden zu unterscheiden: Die objektive Auslegung ist in der Revisionsinstanz unbeschränkt nachprüfbar;115) die Auslegung formeller Satzungsregeln demgegenüber nur in Hinblick auf die Verletzung von Gesetz oder allgemein anerkannten Auslegungsregeln.116)

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III. Gesellschafter 1.

Ausgangspunkt

Jede natürliche oder juristische Person kann Gründer und damit Gesellschafter einer GmbH sein, wie sich schon aus § 1 ergibt. Das GmbHG will aber hierdurch keine Beschränkung auf (Rechts-)Personen vornehmen; vielmehr ist „Person“ hier richtigerweise nicht i. S. v. Rechtspersönlichkeit im engeren Sinne gemeint.117) Demgemäß ist heute weithin anerkannt, dass auch rechtsfähige Gesamthandsgesellschaften Gründer einer GmbH sein können (siehe Rn. 74 ff).118) Damit wird selbstverständlich nicht ausgeschlossen, dass die Gesamthänder als Einzelpersonen jeweils einen eigenen Geschäftsanteil übernehmen.

_____________ 110) Zur ergänzenden Auslegung OLG Schleswig, NZG 2015, 1076 = GmbHR 2015, 990 = NZI 2015, 803 und näher Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 201 f. 111) BGH, ZIP 2008, 70 = NZG 2008, 309 = DB 2008, 113, dazu EWiR 2008, 251 (Mock) – zur satzungsmäßigen Verpflichtung einer kleinen AG, einen Lagebericht zu erstellen; so auch BGHZ 123, 347, 350 f = NJW 1994, 51, 52 = ZIP 1993, 1709, dazu EWiR 1994, 49 (Bork); nicht zu berücksichtigen sei aber die Handhabung einer vergleichbaren Satzungsregel in der Vorratsgesellschaft vor wirtschaftlicher Neugründung, s. dazu auch Haar, NZG 2008, 494. 112) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 197; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 30; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 2 Rn. 19; Arnold in: KölnKomm-AktG, § 23 Rn. 21 f; a. A. noch Kraft in: KölnKomm-AktG, 2. Aufl., § 23 Rn. 99 ff. 113) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 30; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 2 Rn. 19. 114) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 204. 115) St. Rspr., s. nur BGH, ZIP 2011, 2357 Rn. 8 = GmbHR 2012, 92 = DB 2011, 2765. 116) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer, GmbHG, § 2 Rn. 206. 117) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 1 Rn. 22. 118) S. hier nur Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 91 f.

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Zahl der Gründer/Gesellschafter

Die Mindestzahl der Gründer beträgt Eins; zur Einpersonen-Gründung siehe § 1 Rn. 33 [Schäfer]. Eine Höchstzahl kennt das GmbHG nur für die Gründung im vereinfachten Verfahren (Abs. 1a Satz 1: max. drei Gesellschafter).119) Die notarielle Form der Anteilsübertragung steht zudem de facto einer Anteilsstreuung entgegen.120) Übernimmt eine rechtsfähige Gesamthandsgesellschaft als solche Anteile, so kommt es für die Gesellschafterzahl nur auf sie an, nicht auf ihre Gesellschafter. Anderes gilt naturgemäß, wenn sich die einzelnen Mitglieder der Gesamthand persönlich an der GmbH beteiligen.121) 3.

Besondere Beteiligungsvoraussetzungen

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Die Fähigkeit zur Mitgliedschaft ist grundsätzlich jeder natürlichen Person ohne weiteres eigen. Sieht der Gesellschaftsvertrag besondere Voraussetzungen der Gesellschaftereigenschaft vor (z. B. Staatsangehörigkeit, Beruf, Mindestalter, Familienzugehörigkeit etc.),122) so kommt dem keine Außenwirkung derart zu, dass die Beitrittserklärung einer danach untauglichen Person oder eine entsprechende Anteilsabtretung unwirksam wären. Bis zur Eintragung kommt lediglich die Anfechtung des Vertrages wegen Irrtums oder Täuschung in Betracht, die aber nach Geschäftsbeginn der Vor-GmbH lediglich zur Auflösbarkeit nach § 723 Abs. 1 Satz 2 BGB führt.123) Nach der Eintragung gilt dies erst recht; auch hier kommen lediglich die Auflösungsklage nach § 61 oder eine Ausschließung aus wichtigem Grund in Frage.124)

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Anderes gilt grundsätzlich für berufsrechtliche Einschränkungen der Beteiligungsfähigkeit, etwa nach § 59e BRAO betreffend die Gesellschaftereigenschaft bei einer Rechtsanwalts-GmbH. Hier führt die Beteiligung eines untauglichen Gesellschafters zur Ablehnung der Zulassung,125) die Anteilsübertragung an Berufsfremde ist unwirksam.126) 4.

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Gründungsbeteiligung eines Testamentsvollstreckers?

Ob der Testamentsvollstrecker sich mit Wirkung für den Nachlass an einer GmbHGründung beteiligen kann, ist mit Blick auf die Kapitalaufbringung und der auf den _____________ 119) Näher Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 64; Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 1 Rn. 20. 120) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 64. 121) Näher zu den hierbei auftretenden Abgrenzungsfragen Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/ Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 65 ff. 122) Scholz-Cramer, GmbHG, § 2 Rn. 46; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 1 Rn. 38; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 98. 123) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 145. 124) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 98; s. a. Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 1 Rn. 38, die zur Absicherung eine Vinkulierung empfehlen. 125) BGH, ZIP 2007, 2333 = NJW-RR 2008, 366= DB 2008, 59; dazu Henssler, NJW, 1999, 241, 243 und Römermann, GmbHR 1999, 1175, 1178. 126) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 5 – § 59e BRAO als Verbotsgesetz i. S. d. § 134 BGB; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 15 Rn. 3.

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§2

Form des Gesellschaftsvertrags

Nachlass beschränkten Vertretungsbefugnis (§ 2206 BGB) umstritten.127) Beizutreten ist der Auffassung, welche die Beteiligung bei Volleinzahlung der Stammeinlage vor Eintragung zulässt und umgekehrt ein Eintragungshindernis auch dann annimmt, wenn eine Differenzhaftung nach § 9 oder eine Vorbelastungshaftung ernsthaft in Betracht kommt.128) Soweit sich der Testamentsvollstrecker danach zulässigerweise an der Gründung beteiligen kann, nimmt er die Gesellschafterrechte grundsätzlich im eigenen Namen für die Erben wahr, kann diese aber ohne deren Zustimmung nicht über den Nachlass hinaus verpflichten, § 2206 BGB (siehe § 15 Rn. 71 [Brandes]).129) 5.

Ausländer als Gründer

Für Ausländer gelten hinsichtlich ihrer Beteiligungsfähigkeit keine Besonderheiten; insbesondere ist ein Wohnsitz oder Aufenthaltsort im Inland keine Voraussetzung (siehe § 1 Rn. 24 [Schäfer]).130) Auch die Erfüllung außenwirtschaftlicher Anforderungen ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Beteiligung.131) Ein Problem kann sich aus der Umgehung ausländerrechtlicher Verbote oder Beschränkungen der Erwerbstätigkeit ergeben.132) Zu den besonderen Fragen der Geschäftsführer-Bestellung vgl. Erläuterungen zu § 6.133) 6.

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Geschäftsunfähige, beschränkt Geschäftsfähige und Betreute

a) Abgrenzung Nicht in Frage steht hier, dass ein in der Geschäftsfähigkeit Beschränkter Gesellschafter einer GmbH sein kann. Hierbei werden seine Gesellschafterrechte vom gesetzlichen Vertreter wahrgenommen. § 181 BGB schließt für die laufenden Geschäfte der GmbH die Stimmrechtsausübung durch einen ebenfalls beteiligten gesetzlichen Vertreter grundsätzlich nicht aus; eine Ausnahme gilt für satzungsändernde Beschlüsse.134) _____________ 127) Generell abl., sofern nicht Erbe Vertretungsmacht erteilt: Scholz-Emmerich, GmbHG, § 2 Rn. 48; diff. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 1 Rn. 46 f – nur wenn vor Eintragung verstorbener Erblasser noch selbst Gründer war, kann Testamentsvollstrecker die Gründung mit Mitteln des Nachlasses fortsetzen; a. A. BayOblG, NJW 1976, 1692 – zulässig, wenn Kapital aufgebracht; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 40; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 2 Rn. 14. 128) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 40. 129) Eingehend Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 31 ff. 130) Scholz-Cramer, GmbHG, § 2 Rn. 47; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 1 Rn. 22. 131) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 82; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 1 Rn. 29. 132) Dazu Bohlscheid, RNotZ 2005, 505. 133) Im Übrigen etwa Neelmeier/Huth, GmbHR 2005, 1409. 134) Vgl. hier nur BGHZ 65, 93 = GmbHR 1975, 272 = NJW 1976, 49 sowie Scholz-Emmerich, GmbHG, § 2 Rn. 42. Vgl. auch OLG Düsseldorf, MittBayNot 2007, 327: Vater des minderjährigen Alleingesellschafters kann als gesetzlicher Vertreter nicht seine eigene Mutter, d. h. die Großmutter des Minderjährigen, zur Geschäftsführerin der Gesellschaft bestellen, §§ 1629 Abs. 2, 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB, dazu auch Werner, GmbHR 2006, 737, 739; zur Frage der Bestellung eines Ergänzungspflegers bei Testamentsvollstreckung über den Geschäftsanteil des minderjährigen Erben, wenn Testamentsvollstrecker der ebenfalls an der GmbH beteiligte Vater ist, BGH, NJW-RR 2008, 963 = FamRZ 2008, 1156 = Rpfleger 2008, 421.

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b) Person des gesetzlichen Vertreters 63

Geschäftsunfähige müssen bei der Gründung stets durch ihren gesetzlichen Vertreter, also die Eltern (§§ 1626, 1629 BGB) oder einen Vormund (§ 1773 BGB), vertreten werden, Betreute grundsätzlich (siehe Rn. 64) durch ihren Betreuer innerhalb seines Aufgabenkreises (§ 1902 BGB). Ist ein Elternteil selbst als Gründer beteiligt, also neben dem durch ihn vertretenen Minderjährigen, oder vertreten die Eltern mehr als ein Kind, ist nach Maßgabe der §§ 181, 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 Abs. 1, 2, 1909 BGB ein Ergänzungspfleger zu bestellen,135) wobei jedes Kind einen eigenen Pfleger benötigt.136) Bei Betreuten muss ein zusätzlicher Betreuer bestellt werden (§§ 181, 1899 Abs. 4 BGB).137) Die vormals nicht unproblematische Zuständigkeit für die Pflegerbestellung138) ist seit 1.9.2009 dahin geregelt, dass das Familiengericht für die Bestellung bei Minderjährigen, ansonsten das Betreuungsgericht zuständig ist, § 1915 Abs. 1 Satz 3 BGB; das Vormundschaftsgericht ist abgeschafft. c) Eigene Willenserklärung des beschränkt Geschäftsfähigen etc.

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Beschränkt Geschäftsfähige und Betreute, sofern ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 Abs. 1 BGB angeordnet ist, können eine eigene Erklärung zur Gründung abgeben, benötigen hierfür aber stets eine Einwilligung, weil die Gründungserklärung niemals nur rechtlich vorteilhaft i. S. v. § 107 bzw. § 1903 Abs. 3 Satz 1 BGB ist.139) Dies gilt wegen der Haftungsrisiken aus §§ 24, 31 selbst dann, wenn die Beteiligung geschenkt wird.140) Zwar fehlt insofern – mangels unmittelbarer Anwendbarkeit des § 181 BGB – die explizite Anordnung der Ergänzungspflegschaft für den Fall der eigenen Beteiligung eines Elternteils oder des Betreuers; doch ist diese Lücke durch eine entsprechende Anwendung der §§ 1795 Abs. 2, 181 BGB zu schließen, sodass in diesem Falle für die Einwilligung ebenfalls ein Pfleger erforderlich ist.141) d) Gerichtliche Genehmigung aa) Mehrpersonengesellschaft

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Hier bedarf es wegen § 1822 Nr. 3 und/oder Nr. 10 BGB in der Regel einer gerichtlichen Genehmigung (siehe Rn. 66). Nach dem FGG-ReformG (siehe Rn. 63) ist seit 1.9.2009 hierfür das Familiengericht zuständig, sofern es um Minderjährige geht (§ 1822 BGB n. F.), bei Betreuten hingegen das Betreuungsgericht (§ 1908i i. V. m. § 1822 BGB n. F.). Entweder bedarf die Einwilligung (siehe Rn. 64) der – zuvor _____________ 135) Dazu, dass in diesem Falle beide Elternteile als gesetzliche Vertreter ausgeschlossen sind, BGH, NJW 1972, 1708 = FamRZ 1972, 498 = JR 1972, 502. 136) BGH, DNotZ 1956, 559; ferner z. B. Scholz-Cramer, GmbHG, § 2 Rn. 48. 137) Scholz-Cramer, GmbHG, § 2 Rn. 53; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 26 m. w. N. 138) Vgl. Rust, DStR 2005, 1942, 1943. 139) Zu diesem Begriff grundsätzlich, aber in anderem Kontext BGHZ 161, 170 = ZfIR 2005, 288 = NJW 2005, 415. 140) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 84 m. w. N. 141) BGHZ 50, 8, 12 = NJW 1968, 936, = DB 1968, 704; Spickhoff in: MünchKomm-BGB, § 1795 Rn. 8.

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Form des Gesellschaftsvertrags

eingeholten142) – Genehmigung oder die eigene Erklärung des gesetzlichen Vertreters (siehe Rn. 63).143) Eine sonst notwendige Genehmigung wird durch das Handeln eines Ergänzungspflegers nicht ersetzt. Das Genehmigungserfordernis kann sich insbesondere aus § 1822 Nr. 3 BGB ergeben. Die Vorschrift erfasst sämtliche berufsmäßig (auch freiberuflich) ausgeübte, auf selbständigen Erwerb gerichtete Tätigkeiten in Gewinnerzielungsabsicht.144) Irrelevant ist, dass das Erwerbsgeschäft von der GmbH selbst betrieben werden soll.145) Daneben greift bei der Mehrpersonen-Gründung wegen der Ausfallhaftung aus § 24 sowie der Differenz- bzw. Vorbelastungshaftung grundsätzlich auch § 1822 Nr. 10 BGB ein.146) Nach wohl h. M. gilt aber anderes, wenn sämtliche Einlagen bereits voll eingezahlt sind.147) In diesem Falle darf das Registergericht die Eintragung also nicht wegen Fehlens einer gerichtlichen Genehmigung gemäß Nummer 10 zurückweisen. Wegen des Genehmigungserfordernisses aus § 1822 Nr. 3 BGB kann dies allerdings nur bei nicht erwerbsorientierten Gesellschaften praktisch werden.

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bb) Einpersonengesellschaft Bei der Einpersonengesellschaft kommt nach h. M. nur ein Genehmigungserfordernis nach § 1822 Nr. 3 BGB, nicht auch nach Nummer 10 in Betracht.148) Daneben kommt eine Anwendung von §§ 1645, 1823, 1908i BGB in Frage, bei denen es sich allerdings nur um Soll-Vorschriften handelt.

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e) Folgen beim Fehlen der Genehmigung Bei der Mehrpersonen-Gründung führt das Fehlen der erforderlichen gerichtlichen Genehmigung der Vertretererklärung zur schwebenden Unwirksamkeit der Gründungserklärung (§§ 1643 Abs. 3, 1829, 1908i Abs. 1 BGB); die gerichtliche Genehmigung kann folglich nachgeholt werden (§ 1829 BGB)149), und zwar auch noch nach der Eintragung. Stattdessen kann auch der volljährig Gewordene (§ 1829 Abs. 3 BGB) bzw. Betreute nach Wegfall des Einwilligungsvorbehalts (§§ 1908i Abs. 1, 1829 Abs. 3 BGB) selbst genehmigen.150) Solange die schwebende Unwirksamkeit anhält, besteht ein Eintragungshindernis; die gleichwohl erfolgte Eintragung bewirkt keine Heilung. Nach h. L. soll der Minderjährige mangels Genehmi_____________ 142) Spickhoff in: MünchKomm-BGB, § 107 Rn. 35. 143) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 25 ff; Scholz-Emmerich, GmbHG, § 2 Rn. 43 ff. 144) Vgl. KG, NJW 1976, 1946 – dort auch zur Anwendung der ersten Alternative des § 1822 Nr. 3 bei Anteilsveräußerung; insofern bestätigt durch BGH, DNotZ 2004, 152. 145) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 85; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 2 Rn. 5; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 26. 146) Scholz-Emmerich, GmbHG, § 2 Rn. 43a; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 27; vgl. auch OLG Stuttgart, GmbHR 1980, 102 = MittBayNot 1979, 239. 147) BGHZ 107, 23, 26 f = ZIP 1989, 445 = NJW 1989, 1926, 1927, dazu EWiR 1989, 577 (Kellermann) – dort zur Anteilsübertragung, zust. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/ Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 86; a. A. Scholz-Emmerich, GmbHG, § 2 Rn. 43a; Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 27 – Haftung aus § 31 Abs. 3 aber zu theoretisch. 148) Scholz-Emmerich, GmbHG, § 2 Rn. 43a; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 28; a. A. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 2 Rn. 12 – § 1822 Nr. 10 analog. 149) Scholz-Emmerich, GmbHG, § 2 Rn. 44. 150) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 25.

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gung sogar überhaupt nicht an der Gesellschaft beteiligt sein, auch nicht nach den Grundsätzen der Lehre vom fehlerhaften Verband (dazu siehe Rn. 111 ff),151) dem ist zu widersprechen.152) 69

Entsprechendes gilt, wenn der Minderjährige bzw. Betreute selbst die Gründungserklärung abgibt. In diesem Falle ist die Einwilligungserklärung des Vertreters mangels gerichtlicher Genehmigung unwirksam, sodass auch hier der Vertrag zunächst schwebend unwirksam ist (§§ 108, 1903 Abs. 1 Satz 2 BGB). Damit nach § 108 Abs. 1 BGB wirksam genehmigt werden kann, muss wiederum zuvor die gerichtliche Genehmigung eingeholt werden.153) Auch hier kann ggf. der inzwischen Volljährige (§ 108 Abs. 3 BGB) bzw. der Betreute nach Aufhebung des Einwilligungsvorbehalts (§§ 1903 Abs. 1 Satz 2, 108 Abs. 3 BGB) selbst genehmigen. Das gleiche gilt schließlich auch dann, wenn der Minderjährige oder Betreute zunächst ohne jede Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters gehandelt hat (§§ 108, 1903 Abs. 1 Satz 2 BGB).

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Bei der Einpersonen-Gründung ist das Errichtungsgeschäft mangels Genehmigung nichtig gemäß §§ 1643 Abs. 3, 1831 Satz 1, 1908i Abs. 1 bzw. 1903 Abs. 1 Satz 2, 111 Satz 1 BGB, es muss also – nach Einholung der Genehmigung – erneut vorgenommen werden (siehe Rn. 48).154) 7.

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8. 72

Ehegatten als Gründer

Grundsätzlich kann jeder Ehegatte, entweder allein oder gemeinsam mit dem anderen, Gründer/Gesellschafter einer GmbH sein, doch sind die Regelungen des Güterrechts zu beachten, sofern keine Gütertrennung (§ 1414 BGB) vereinbart ist.155) Im Falle der Zugewinngemeinschaft (vgl. insoweit auch MP Fn. 2) ist § 1365 BGB zu berücksichtigen, der die wirksame Verpflichtung zur Erbringung einer Einlage (und ihre Einbringung) unter bestimmten Voraussetzungen von der Zustimmung des Gatten abhängig macht, namentlich wenn die Einlagepflicht eine Geldzahlung bzw. (auch einzelne) Gegenstände betrifft, deren Wert mindestens 85 % des gesamten Vermögens ausmachen.156) Bei der Gütergemeinschaft entstehen Probleme, wenn die Einlagepflicht sich nicht auf das Vorbehaltsgut beschränkt (§ 1418 BGB; näher siehe Rn. 78). Einzelkaufleute als Gründer

Der Einzelkaufmann kann sich nach h. M. sowohl unter seinem bürgerlichen Namen als auch unter seiner Firma an der Gründung beteiligen.157) In der Gesellschafterliste wird – anders als im Gesellschaftsvertrag – aber von der wohl h. M. stets die _____________ 151) 152) 153) 154) 155)

Vgl. etwa Scholz-Emmerich, GmbHG, § 2 Rn. 44. Staub-Schäfer, HGB, § 105 Rn. 339; Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 271 ff. J. Schmitt in: MünchKomm-BGB, § 108 Rn. 17. S. nur Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 25. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 83; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 1 Rn. 24. 156) Näher dazu mit zahlr. Nachw. zur Rspr. Palandt-Brudermüller, BGB, § 1365 Rn. 2 ff. 157) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 87; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 1 Rn. 28; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 1 Rn. 25; Scholz-Emmerich, GmbHG, § 2 Rn. 46.

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§2

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Angabe des bürgerlichen Namens verlangt.158) Weil seit dem MoMiG gemäß § 5 Abs. 2 n. F. schon bei der Gründung mehrere Geschäftsanteile übernommen werden können, haben sich die Bedenken gegen die gleichzeitige Übernahme mehrerer Anteile unter Firma und unter bürgerlichem Namen erledigt.159) Wird der Anteil unter der Firma übernommen, so verdeutlicht dies die Zugehörigkeit der Beteiligung zur Unternehmenssphäre.160) 9.

Juristische Personen als Gründer

Kraft ihrer Rechtspersönlichkeit sind selbstverständlich auch juristische Personen uneingeschränkt in der Lage, Gründer – auch einziger – einer GmbH zu sein, und zwar auch solche des öffentlichen Rechts (Körperschaften, Anstalten, Stiftungen); diese i. R. ihres gesetzlichen Aufgabengebiets.161) Das gilt auch für ausländische juristische Personen, sofern sie, insbesondere aufgrund der AEUV-Niederlassungsfreiheit, als solche im Inland anerkannt werden (müssen) und keine berufsrechtlichen Regelungen entgegenstehen (vgl. § 59e Abs. 1 BRAO). Nach heute einhelliger Meinung können sich Kapitalgesellschaften bereits im Gründungsstadium, also als Vor-GmbH bzw. Vor-AG, als Gründer einer neuen GmbH beteiligen.162)

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10. Gesamthandsgemeinschaften als Gründer a) OHG, KG und Partnerschaft Kraft ihrer zweifelsfreien Rechtsfähigkeit können OHG, KG (§ 124 HGB) und Partnerschaft (§ 7 Abs. 2 PartGG) unstreitig Gründer einer GmbH sein, und zwar auch als Alleingesellschafter;163) die missverständliche Fn. 1 des Musterprotokolls, die sich, ebenso wie § 1 (dazu siehe § 1 Rn. 30 [Schäfer]), nur auf juristische Personen bezieht, vermag ebenso wenig wie dessen Wortlaut eine Einschränkung zu begründen (siehe Rn. 55). Weil das Gesellschaftsvermögen in diesen Fällen allein der Gesellschaft, nicht hingegen ihren Gesellschaftern zusteht, liegt auch kein Fall einer gemeinschaftlichen Beteiligung vor, sodass § 18 unanwendbar ist.164) _____________ 158) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 87; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 8 Rn. 7; vgl. auch BayObLG, DB 1973, 1232 – zur Beteiligung als Kommanditist unter Firma; a. A. Scholz-Veil, GmbHG, § 8 Rn. 10 m. w. N. 159) So auch Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 1 Rn. 28. 160) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 1 Rn. 25. 161) Vgl. BGHZ 20, 124 – zur Unwirksamkeit von Rechtsgeschäften außerhalb des Aufgabengebiets der jur. Person des öR; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 88; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 1 Rn. 30 m. w. N. 162) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 92; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 1 Rn. 29; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 1 Rn. 31, Scholz-Cramer, GmbHG, § 2 Rn. 59; vgl. auch BGHZ 80, 129, 130 = ZIP 1981, 394 = NJW 1981, 1373 – Vor-GmbH als Komplementärin; zur Vor-AG: KG, NZG 2004, 826 = DStR 2004, 1493 = AG 2005, 165; zur Einmann-Gründungsorganisation als Gründer: Ulmer/Habersack/ Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 97. 163) Vgl. nur Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 91; Scholz-Emmerich, GmbHG, § 2 Rn. 50; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 1 Rn. 32; Roth/AltmeppenRoth, GmbHG, § 1 Rn. 29; zur Beteiligung der Liquidationsgesellschaft vgl. etwa Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 1 Rn. 32. 164) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 91; Scholz-Emmerich, GmbHG, § 2 Rn. 50.

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b) GbR 75

Spätestens seit Anerkennung der allgemeinen Rechts- und Parteifähigkeit der AußenGbR165) durch die Rechtsprechung166) ist endgültig geklärt, dass für die AußenGbR das gleiche gilt wie für die OHG, wo ebenfalls sämtliche Gesellschafter nach § 128 Satz 1 HGB für die Einlageschuld haften.167) Daraus folgt konsequentermaßen wiederum die Unanwendbarkeit des § 18168) Richtigerweise sind in Satzung und Gesellschafterliste analog § 162 Abs. 1 Satz 2 HGB neben der GbR auch ihre Gesellschafter aufzunehmen.169) c) Nichtrechtsfähiger Verein

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Hinsichtlich der Beteiligungsfähigkeit gilt das gleiche wie für die Außen-GbR (siehe Rn. 75).170) Problematisch ist aber, ob die Mitglieder hier ebenfalls unbeschränkt für die Einlagepflicht haften, was zutreffenderweise zu verneinen ist. Neben den Handelnden haftet daher nur das Vereinsvermögen.171) Auch hier kommt § 18 Abs. 2 nicht zur Anwendung (h. M., siehe Rn. 75). d) Erbengemeinschaft

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Die Erbengemeinschaft ist zwar nicht rechts- und parteifähig,172) gleichwohl bejaht die h. M. aber ihre Fähigkeit, Gründer einer GmbH zu sein,173) so etwa, wenn ein Gesellschafter während der Gründung stirbt.174) Eindeutig ist hier die Anwendbarkeit des § 18.175) Die Haftung der Miterben für die Einlageverpflichtung nach

_____________ 165) Hierzu – in Abgrenzung zur Innengesellschaft – eingehend Schäfer in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 253 ff. 166) BGHZ 146, 341 = ZIP 2001, 330 = NJW 2001, 1056, dazu EWiR 2001, 341 (Prütting); zuvor bereits BGHZ 78, 311, 312 ff = ZIP 1981, 183 = NJW 1981, 682 – Außen-GbR als Gründerin einer GmbH dazu i. E. Schäfer in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 316 f. 167) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 92 m. w. N.; Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 1 Rn. 33; Scholz-Emmerich, GmbHG, § 2 Rn. 52. 168) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 93; Scholz-Seibt, GmbHG, § 18 Rn. 7; Scholz-Cramer, GmbHG, § 2 Rn. 61. 169) Scholz-Cramer, GmbHG, § 2 Rn. 63 – unter Hinweis auf § 40; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 1 Rn. 33; vgl. auch BGHZ 148, 270 = NJW 2002, 68 = DB 2001, 1876; OLG Hamm, NJW-RR 1996, 482 = GmbHR 1996, 363 = DB 1996, 321. 170) S. nur Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 92 f; Scholz-Cramer, GmbHG, § 2 Rn. 64; zur Parteifähigkeit des nichtrechtsfähigen Vereins: BGH, ZIP 2007, 1942 = NJW 2008, 69 = DB 2007, 2537. 171) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 93; a. A. Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 1 Rn. 35; differenzierend Scholz-Cramer, GmbHG, § 2 Rn. 64. 172) BGH, ZIP 2006, 2125 = NJW 2006, 3715 = DB 2006, 2570 und ganz h. L., vgl. Ulmer, AcP 198 (1998) 113, 124 ff; a. A. Grunewald, AcP 197 (1997) 305, 306 ff. 173) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 94; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 1 Rn. 36; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 2 Rn. 12; vgl. auch OLG Hamm, BB 1975, 292 = WM 1975, 605. 174) Weitere Beispiele bei Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 94. 175) Eingehend zur Ausübung von Gesellschafterrechten durch Erbengemeinschaften Raue, GmbHR 2015, 121; Schmidt, NZG 2015, 1049; Schürnbrand, NZG 2016, 241.

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§2

Form des Gesellschaftsvertrags

§ 18 Abs. 2 kann auf den Nachlass gemäß § 2059 Abs. 1 BGB beschränkt werden, sofern sich schon der Erblasser an der Gründung beteiligt hatte.176) e) Gütergemeinschaft Für die Gütergemeinschaft gilt das Gleiche wie für die Erbengemeinschaft: Sie ist nicht personenrechtlich verselbständigt, sondern bloßes Sondervermögen der Ehegatten, die nicht nur einzeln, sondern auch in Gütergemeinschaft eine GmbH gründen können.177) Hierbei ist allerdings zu beachten, dass in der Gütergemeinschaft fünf verschiedene Vermögensmassen existieren, und es daher einer eindeutigen Zuordnung des GmbH-Anteils bedarf. Wird die Beteiligung aber mit Mitteln des Gesamtguts erworben, gehört auch der Anteil selbst zum Gesamtgut,178) zumal wegen seiner Übertragbarkeit die Bildung von Sondergut i. S. v. § 1417 Abs. 2 BGB ausscheidet.179) Wegen der zusätzlichen Verfügungsbeschränkungen (hinsichtlich des Gesamtguts) vgl. §§ 1423 f, 1450 f, 1453 BGB.

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IV. Treuhand 1.

Begriff, Zulässigkeit

Soll die Identität des Gesellschafters im Dunkeln bleiben, kann statt seiner ein Treuhänder beteiligt werden, der im eigenen Namen, aber für Rechnung des Hintermanns (Treugebers) handelt. Hierdurch fallen rechtliche und wirtschaftliche Zuordnung des Anteils auseinander. Der Treuhänder hat die Rechtsmacht zu handeln, ist im Verhältnis zum Treugeber aber nach Maßgabe der schuldrechtlichen Treuhandvereinbarung in der Wahrnehmung der Mitgliedschaftsrechte beschränkt.180) In der Praxis dominiert die Verwaltungstreuhand. Die Treuhandabrede kann sich auch auf die gemeinsame Teilnahme von Treuhänder und -geber an der Gründung oder auf die Gründung durch zwei Treuhänder im Auftrag eines Treugebers beziehen, wie es vor Zulassung der Einpersonen-Gründung häufig vorkam (siehe § 1 Rn. 36 [Schäfer]).181)

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Gesellschaftsrechtlich besteht an der grundsätzlichen Zulässigkeit der Treuhand kein Zweifel; auch zivilrechtlich ist die Treuhandabrede nicht etwa als Scheinge-

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_____________ 176) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 94; dazu auch Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 1 Rn. 36. 177) Vgl. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 1 Rn. 37; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/ Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 95; Scholz-Emmerich, GmbHG, § 2 Rn. 45. 178) Vgl. z. B. BFH, DStR 2006, 2207, 2208 = GmbHR 2007, 47 = ZfIR 2007, 638; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 95; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 1 Rn. 37. 179) Str., ob bei Vinkulierung der Anteil zum Sondergut gehört, vgl. BFH, DStR 2006, 2207, 2208 = GmbHR 2007, 48 = ZfIR 2007, 638 – offenlassend. 180) Vgl. etwa Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 68 f; Scholz-Cramer, GmbHG, § 2 Rn. 74 ff; Werner, GmbHR 2006, 1248; Armbrüster, GmbHR 2001, 941, 942 ff. 181) BGHZ 21, 378 = NJW 1957, 19 = WM 1956, 1498; BGHZ 31, 258, 263 = NJW 1960, 285 = JR 1960, 180 bezieht – sog. Erwerbstreuhand, vgl. auch Altmeppen in: FS Westermann, S. 771, 779 f; Scholz-Cramer, GmbHG, § 2 Rn. 69; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 1 Rn. 41.

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schäft o. Ä. unwirksam.182) Eine Pflicht zur Offenlegung gegenüber den Mitgesellschaftern besteht nur dann, wenn die Anteile nach § 15 Abs. 5 vinkuliert sind.183) 2. 81

Form- und Zustimmungserfordernisse beim Treuhandvertrag

Eindeutig ist, dass die Verpflichtung zur (treuhänderischen) Übertragung gemäß § 15 Abs. 4 formbedürftig ist, wenn sie sich auf schon bestehende Anteile bezieht.184) Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist bei der Erwerbstreuhand, bei der sich die Treuhandabrede auf noch nicht existente Anteile bezieht, zu differenzieren:185) Wird der Treuhandvertrag nach dem notariellen Vertragsschluss geschlossen, ist § 15 Abs. 4 anwendbar, anderenfalls bleibt der Vertrag formfrei.186) Sind die Anteile vinkuliert, ist die Zustimmung nach § 15 Abs. 5 Wirksamkeitsvoraussetzung für die treuhänderische Übertragung187) und wohl auch für den Treuhandvertrag selbst (dazu siehe § 15 Rn. 62 [Brandes]).188) 3.

Stellung des Treuhänders in der GmbH, Verhältnis zum Treugeber

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Gesellschafter ist im Ausgangspunkt allein der Treuhänder, der mit dem Treugeber lediglich durch ein Auftrags- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis (§§ 662, 675 BGB) verbunden ist. Er erwirbt den Anteil entweder infolge der Beteiligung an der Gründung (Erwerbstreuhand) oder durch Anteilsübertragung. Die Gründungshaftung aus § 9a trifft nach dessen Absatz 4 aber auch den Treugeber; für den Stimmrechtsausschluss nach § 47 Abs. 4 kommt es anerkanntermaßen ebenfalls auch auf die Person des Treugebers an, ebenso für Ausschluss, Austritt und Auflösung.

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Problematisch ist die Haftung des Treugebers für Einlageforderungen u. Ä. Der Bundesgerichtshof hat in älteren Urteilen die Haftung analog §§ 19, 24, 30, 31 _____________ 182) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 1 Rn. 41; zu einer Ausnahme: OLG Brandenburg, GmbHR 1997, 168 – sittenwidrige Knebelung; zur Zulässigkeit der Strohmanngründung BGHZ 21, 378 = NJW 1957, 19 = WM 1956, 1498; zur Nichtigkeit eines (Quoten-)Treuhandvertrages wegen Verstoßes gegen § 18 Abs. 1 GmbH (einheitliche Abstimmung): LG Berlin, GmbHR 2010, 875 – unter Bezugnahme auf BGH, GmbHR 1965, 32 = DB 1964, 1620; vgl. auch BGHZ 31, 263 = NJW 1960, 285; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/ Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 69; Scholz-Emmerich, GmbHG, § 2 Rn. 56. 183) OLG Hamburg, ZIP 1993, 829 = NJW-RR 1993, 868 = DB 1993, 1081; Scholz-Cramer, GmbHG, § 2 Rn. 77; zur Frage, ob verdeckte Treuhand für steuerrechtliche Anerkennung gegenüber Finanzamt offengelegt werden muss, bejahend, FG Köln, DB 2005, 2496 = EFG 2005, 1195, verneinend BFH, GmbHR 2008, 1229. 184) Vgl. BGHZ 141, 207, 211 = ZIP 1999, 925 = NJW 1999, 2594, dazu EWiR 1999, 703 (Wilken); vgl. auch BGH, ZIP 2004, 2324 = NZG 2005, 41 = DB 2004, 2631, dazu EWiR 2005, 75 (Werner) und Kallmeyer, GmbHR 2006, 66 – zur Frage einer Treuhandvereinbarung hinsichtlich einer polnischen GmbH; zuletzt BGH, NZG 2017, 476 = DNotZ 2017, 295; zur umgekehrten Konstellation der Übertragungstreuhand auch BGH, NZG 2016, 1312 = NJW 2016, 3525. 185) Dazu etwa Altmeppen in: FS Westermann, S. 771, 776 ff; Greitemann, GmbHR 2005, 577. 186) BGH, ZIP 2006, 1351 = NZG 2006, 590 = NJW-RR 2006, 1415; krit. Altmeppen in: FS Westermann, S. 771, 781 f. 187) BGH, ZIP 2006, 1343 = NZG 2006, 627 = NJW-RR 2006, 1414; dazu Tebben, GmbHR 2007, 63. 188) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 263; näher dazu Werner, GmbHR 2006, 1248, 1252.

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Form des Gesellschaftsvertrags

bejaht,189) während ein anderer Senat die Außenhaftung des Treugebers in der OHG auch im Falle einer qualifizierten (offenen) Treuhand abgelehnt hat.190) Demgegenüber behandelt der BGH den Treugeber der (Publikumspersonen-)Gesellschaft gegenüber als Gesellschafter.191) Richtigerweise ist die Haftung in der GmbH auf Fälle der §§ 30, 31 zu beschränken, sofern die Gesellschaft an den Treugeber geleistet hat.192) Entsprechendes gilt dann konsequentermaßen auch für die Existenzgefährdungshaftung (siehe § 13 Rn. 38 ff [Weller/Discher]),193) sofern Vermögensgegenstände auf den Treugeber verlagert wurden. Im Übrigen bleibt selbstverständlich die Möglichkeit, auf Freistellungs- und Regressansprüche des Treuhänders gegen den Treugeber zuzugreifen.194) V. Gründung im vereinfachten Verfahren (Abs. 1a) 1.

Grundlagen

a) Begriff der Gründung im vereinfachten Verfahren Nach Absatz 1a kann eine GmbH, die höchstens drei Gesellschafter und einen Geschäftsführer hat und deren Statut dem Musterprotokoll folgt, im vereinfachten Verfahren, also unter Verwendung des in Anlage 1 zum GmbHG enthaltenen, notariell zu beurkundenden Musterprotokolls gegründet werden. Die Vereinfachung ergibt sich also aus der Standardisierung des Gesellschaftsvertrages und der hieraus resultierenden Verringerung des Prüfungsaufwands, zumal Sacheinlagen ausgeschlossen sind (MP Nr. 3).195) Eine Absenkung materiellrechtlicher Anforderungen ist hiermit folglich nicht verbunden, und auch am Erfordernis der notariellen Beurkundung hat man im Gesetzgebungsverfahren schließlich festgehalten, während der RegE noch eine beurkundungsfreie Mustersatzung vorgesehen hatte.196) Das vereinfachte Verfahren ist eine Gründungsoption für alle GmbH, kommt also nicht allein für die UG nach § 5a in Frage, auch wenn hier der Anwendungsschwerpunkt liegt.197) _____________ 189) BGHZ 31, 263 = NJW 1960, 285; BGHZ 118, 107 = ZIP 1992, 919 = NJW 1992, 2023, dazu EWiR 1992, 995 (Timm); zust. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 2 Rn. 15. 190) BGHZ 178, 271 = ZIP 2008, 2354 = WM 2008, 2359, dazu EWiR 2009, 205 (Lange); BGH, ZIP 2009, 1266 = DStR 2009, 1920 = DB 2009, 1397, dazu mit eingehender Begründung der Gegenauffassung Schäfer ZHR 177 (2013) 619, 624 ff, 634 ff. 191) BGH, ZIP 2011, 2299, 2301 (Rn. 14 ff – Haftung für Liquidationsfehlbetrag) = DB 2011, 2709 = NZG 2011, 1432, dazu EWiR 2012, 79 (Wertenbruch); näher zur gesellschafterähnlichen Stellung des Treugebers bei der qualifizierten Treuhand Schäfer, ZHR 177 (2013) 619 und Staub-Staub, HGB, § 105 Rn. 107 f., ferner etwa Walch, NZG 2015, 1259. 192) Vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 75; Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 31 Rn. 12; einschränkend Scholz-Cramer, GmbHG, § 2 Rn. 81 – nur subsidiäre Haftung. 193) Dazu Weller, ZIP 2007, 1681; Paefgen, DB 2007, 1907. 194) S. nur Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 1 Rn. 44. 195) Vgl. BT-Drucks. 16/9737, S. 93 – Vereinfachung liege in Bereitstellung eines Musters, Zusammenfassung von drei Dokumenten in einem Dokument (Satzung, Gftr.-Liste; GFBestellung). 196) BT-Drucks. 16/9737, S. 4 (Beratung des RA); zur vielfach kritisierten Mustersatzung etwa Ulmer, ZIP 2008, 45, 46; Miras, NZG 2010, 486, 487 ff. 197) Bayer/Hoffmann GmbHR 2010, 9, 13.

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Abweichungen vom Normalverfahren betreffen, neben der weitestgehend vorgegebenen Satzungsgestalt, die Geschäftsführer-Bestellung, die bei Verwendung des Musters bereits im Gesellschaftsvertrag erfolgen muss (siehe Rn. 93), und die Gesellschafterliste, die im Musterprotokoll schon integriert ist. Die Gründung im vereinfachten Verfahren ist auch Anknüpfungspunkt für die kostenrechtliche Privilegierung in § 105 Abs. 6 GNotKG, die aber besonders der UG zugutekommt,198) weil ein Gebührenvorteil nur bei Gründung mit einem Stammkapital unter 30.000 € eintritt.199)

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Ziel der Musterprotokoll-Gründung ist eine Verfahrensbeschleunigung, die allerdings in erheblichem Umfang schon durch das EHUG200) mit seiner Neufassung des § 12 HGB erreicht wurde. Gleichwohl ist aufgrund des Standardisierungseffekts eine weitere Beschleunigungswirkung nicht unwahrscheinlich. Außerdem möchte der Gesetzgeber mit den mit dem Musterprotokoll verbundenen Vereinfachungseffekten (siehe Rn. 84) wohl ein klares Signal an potentielle Gründer richten, um sie von der GmbH zu überzeugen.201) b) Begriff des Musterprotokolls

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Streng genommen gibt es keinen einheitlichen Begriff des Musterprotokolls; dieser wird vielmehr in den Sätzen 2, 4, 5 durchaus in unterschiedlichem Sinne gebraucht. Zunächst ist das Musterprotokoll als Anlage zum GmbHG dessen formeller und materieller Bestandteil, somit selbst Gesetz, nicht etwa bloß eine Arbeitshilfe (Satz 2: „bestimmtes Musterprotokoll“). Zweitens wird das Musterprotokoll zur Niederschrift (= Protokoll, §§ 8 ff BeurkG), wenn der Notar das Muster ausfüllt, notariell beurkundet und zur Niederschrift nimmt (§ 9 Abs. 1 Satz 2 BeurkG). Der Gesetzgeber geht offenbar davon aus, dass der Gesellschaftsvertrag bei der vereinfachten Gründung stets zu Protokoll erklärt wird (zur Frage, ob dies ein Ausfüllen des Musters durch andere ausschließt, siehe Rn. 104). Bestandteile des Musterprotokolls sind Gesellschaftsvertrag, Gesellschafterliste und GF-Bestellung. Daneben enthält es noch Rubrum, Regelungen über die Gründungskosten, Ausfertigungen und Abschriften sowie weitere Hinweise. Demgegenüber ist die Anmeldung nicht vorformuliert und folgt grundsätzlich den allgemeinen Regeln. Als problematisch hat sich allerdings die Anmeldung der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers herausgestellt, und zwar zum einen wegen der zwingenden Geltung des § 35 Abs. 1 Satz 1 (siehe Rn. 93)202), zum anderen wegen der Befreiung des ersten Geschäfts-

_____________ 198) Heckschen, DStR 2009, 166, 167; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 2 Rn. 71; ScholzWicke, GmbHG, § 2 Rn. 121; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 132, 134. 199) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 16, 48. 200) BGBl. I 2006, 2553. 201) So z. B. Benneter, Plenarprotokoll 16/172, S. 18200. 202) OLG Celle, GmbHR 2011, 305 – keine Anmeldung, dass der (einzige) Geschäftsführer die Gesellschaft „stets einzeln“ vertritt.

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führers von § 181 BGB (siehe Rn. 93).203) Schließlich spricht Satz 4 das konkret zur Herstellung einer notariellen Urkunde verwendete Musterprotokoll an; denn nur insofern kann das verwendete Musterprotokoll die Gesellschafter-Liste (einigermaßen) gleichwertig ersetzen. Hieraus ergibt sich für das Verhältnis zum Gesellschaftsvertrag, dass auch bei Verwendung des Musterprotokolls (selbstverständlich) ein Gesellschaftsvertrag i. S. d. Absatzes 1 geschlossen wird.204) Das Musterprotokoll sieht deshalb auch die Angabe des Mindestinhalts nach § 3 Abs. 1 vor, und die übrigen Vorschriften über den Gesellschaftsvertrag werden i. S. einer Klarstellung ausdrücklich durch Satz 5 für anwendbar erklärt. Dass der Gesetzgeber diese Klarstellung für erforderlich hielt, lässt sich wohl damit erklären, dass das Musterprotokoll zusätzlich die GesellschafterListe beinhaltet. Das ausgefüllte Musterprotokoll ist damit nicht als solches ein Rechtsgeschäft. Vielmehr meint Satz 5 letztlich bloß den mit Hilfe eines Musterprotokolls geschlossenen Gesellschaftsvertrag. 2.

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Voraussetzungen der vereinfachten Gründung nach Absatz 1a

a) Gesellschafter, Gesellschafterhöchstzahl (Satz 1) Hinsichtlich der Beteiligungsfähigkeit gelten die allgemeinen Grundsätze (siehe Rn. 55 ff), das Protokoll erwähnt zwar – wie § 1 – ausdrücklich nur natürliche und juristische Personen; hiermit ist aber keine Beschränkung der Gesellschaftereigenschaft verbunden (siehe Rn. 74 f); vielmehr können sich auch Gesamthands(außen)gesellschaften an einer vereinfachten Gründung beteiligen.205) Denn hierdurch werden keine zusätzlichen Komplikationen geschaffen, die gegenüber der Beteiligung einer juristischen Person ins Gewicht fielen. Das gleiche gilt im Prinzip auch für die nichtrechtsfähigen Gesamthandsgemeinschaften (Erbengemeinschaft, Gütergemeinschaft, nichtrechtsfähiger Verein, siehe Rn. 76 ff), allerdings ist insofern genau zu prüfen, ob die Gesamthand als solche oder ihre Mitglieder persönlich Gesellschafter werden sollen,206) zumal (nur) im letzteren Fall Probleme mit der Höchstzahl auftreten können (siehe Rn. 92).

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Nicht ganz zweifelsfrei ist zwar die Beteiligung von Minderjährigen und Betreuten, weil Genehmigungserfordernis und Nachweis der Genehmigung (siehe Rn. 50) die

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_____________ 203) OLG Stuttgart, ZIP 2009, 1011 = DStR 2009, 1325 = DNotZ 2010, 71, dazu EWiR 2009, 535 (Heckelmann) – weil sich die Befreiung von § 181 BGB auf den Gründungsgeschäftsführer beschränke, dürfe nur die Befreiung dieses Gesellschafters von § 181 angemeldet werden, solange er Allein-Geschäftsführer sei; ebenso OLG Hamm, ZIP 2011, 1011 = GmbHR 2011, 87, OLG Rostock, GmbHR 2010, 872 = MDR 2010, 1004; vgl. auch OLG Bremen, ZIP 2009, 1998 = GmbHR 2009, 1210 = NJW 2010, 542, dazu EWiR 2009, 745 (Wachter); Wicke, NotBZ 2009, 1, 9. 204) Missverständlich Wälzholz, GmbHR 2008, 841, 842. 205) So auch Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 2 Rn. 54; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 2 Rn. 58; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 101; Wälzholz, GmbHR 2008, 841, 842; Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 775; a. A. noch Heckschen, DStR 2007, 1442, 1444; Karsten, GmbHR 2007, 958, 964. 206) Dazu eingehend Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 65 ff – sodann beachtliche Gründe generell gegen die Zulässigkeit nichtrechtsfähiger Gesamthandsgesellschaften zur Gründung im vereinfachten Verfahren in Rn. 102.

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Gründung im vereinfachten Verfahren komplizieren. Liegt indessen die erforderliche gerichtliche Genehmigung bei der Beurkundung vor, so gehen die Komplikationen nicht wesentlich über das bei einem Zustimmungserfordernis nach §§ 1365, 1368 BGB (dazu siehe Rn. 71) zu Erwartende hinaus; MP Fn. 2 erwähnt diesen Fall ausdrücklich und lässt so erkennen, dass der erforderliche Zustimmungsnachweis einer Gründung im vereinfachten Verfahren nicht entgegensteht. In beiden Fällen ist die Beteiligung somit möglich. 91

Eine Gründung durch bevollmächtigte Vertreter i. S. v. Absatz 2 (dazu siehe Rn. 40) ist auch im Falle des Absatzes 1a unproblematisch möglich, wie sich aus Fn. 2 des Musterprotokolls ergibt, welche im Übrigen auch organschaftliche bzw. gesetzliche Vertreter erfasst (zu deren Angabe siehe Rn. 50). Auch ein Treuhänder kann Gründer im vereinfachten Verfahren sein.

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Eine Besonderheit des vereinfachten Verfahrens stellt die Höchstzahl von drei Gesellschaftern dar. Abweichend von § 5 Abs. 2 kann zudem jeder Gesellschafter nur einen Geschäftsanteil übernehmen (MP b) Nr. 3). Zwar dürfte die EinpersonenGründung der praktisch häufigste Anwendungsfall sein; der Gesetzgeber ist aber Forderungen nicht gefolgt, das vereinfachte Verfahren auf Einpersonen-Gründungen zu beschränken.207) Bei der Beteiligung von rechtsfähigen Gesamthandsgesellschaften (einschließlich der GbR) und (erst recht) von juristischen Personen ist zu beachten, dass für die Höchstzahl jeweils auf die Gesellschaft selbst, nicht etwa auf ihre Gesellschafter abzustellen ist. Es ist also in diesen Fällen jeweils nur ein Gesellschafter beteiligt. Das gleiche gilt aber auch für die nichtrechtsfähigen Gesamthandsgemeinschaften; denn sie sind zwar nicht rechtsfähig, sodass die Gesamthänder selbst gemeinschaftlich beteiligt sind, aber eben nicht an der Gesellschaft, sondern am Geschäftsanteil (was zur Anwendbarkeit der §§ 18 f führt, siehe Rn. 77).208) – Wegen des Zeitpunkts, auf den für die Zahl abzustellen ist, siehe Rn. 107. b) Beschränkung auf einen Geschäftsführer (Satz 1)

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Es kann während des gesamten Gründungsverfahrens, also bis zur Eintragung der Gesellschaft, nur ein Geschäftsführer bestellt werden,209) der die in § 6 genannten Anforderungen erfüllen muss. Abweichend von § 6 Abs. 3 Satz 2 muss die Bestellung zwingend im Gesellschaftsvertrag erfolgen (MP Nr. 4), doch handelt es sich insofern lediglich um einen formellen Satzungsbestandteil (siehe Rn. 20), sodass _____________ 207) Vgl. Karsten, GmbHR 2007, 958, 964; Bayer/Hoffmann/Schmidt, GmbHR 2007, 953, 958; sehr krit. auch Heckschen, DStR 2007, 1442, 1444. 208) Vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 65, 89 f – zur allgemeinen Abgrenzungsfrage der Zahl der Gesellschafter bei Beteiligung einer Gesamthandsgemeinschaft; Ulmer, ZIP 2008, 45, 49; a. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 102 – Gesamthandsgemeinschaften im vereinfachten Verfahren nicht gründerfähig; vgl. demgegenüber Rn. 89 für das „normale“ Gründungsverfahren. 209) OLG Rostock, GmbHR 2010, 872, 873 = MDR 2010, 1004; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 2 Rn. 62; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 17; Roth/AltmeppenRoth, GmbHG, § 2 Rn. 56; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 115; Heckschen, DStR 2009, 166, 167; Lohr, GmbH-StB 2012, 127; Tebben, RNotZ 2008, 441, 448; Wälzholz, GmbHR 2008, 841, 842.

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der Gesellschaftsvertrag für Abberufung und Bestellung weiterer Geschäftsführer (nach der Eintragung) nicht geändert zu werden braucht.210) Werden nach Eintragung weitere Geschäftsführer bestellt, so gilt fortan für alle Geschäftsführer die gesetzliche Vertretungsregelung des § 35 Abs. 2 Satz 1 (Gesamtvertretung).211) Nur der ursprüngliche Geschäftsführer ist überdies von § 181 BGB befreit, nicht hingegen eventuell später hinzutretende weitere Geschäftsführer. Nach inzwischen verbreiteter Auffassung unter den Obergerichten beschränkt sich die Befreiung sogar nur auf die konkrete Person des Gründungsgeschäftsführers (zur Anmeldung siehe Rn. 87) und solange dieser einzelvertretungsberechtigt ist; sie gilt also nicht einmal für seinen „Ersatzmann“.212) Weil die Befreiung – als konkrete Vertretungsbefugnis – ad personam erteilt wird, ist dies zutreffend.213) Damit gilt die Befreiung auch nicht für den (geborenen) Liquidator der Gesellschaft, selbst dann nicht, wenn es sich hierbei um den bei Gründung bestellten (Allein-)Geschäftsführer handelt.214) Dass hingegen auch der Gründungsgeschäftsführer seine Befreiung verlieren soll, wenn weitere Geschäftsführer hinzutreten, ist nicht überzeugend begründbar.215) Diese Frage ist vielmehr von der dann zwingend eintretenden Gesamtvertretungsmacht nach § 35 Abs. 2 Satz 1 zu trennen. Während im Übrigen letztere nur im Wege der Satzungsänderung in eine Einzelvertretungsmacht ge_____________ 210) H. M., vgl. die Nachw. in Fn. 208; für formellen Satzungsbestandteil ferner OLG Rostock, GmbHR 2010, 872, 873 = NotBZ 2010, 196 = MDR 2010, 1004; OLG Bremen, ZIP 2009, 1998, 1999 = GmbHR 2009, 1210 = NJW 2010, 542, dazu EWiR 2009, 745 (Wachter); OLG Stuttgart, ZIP 2009, 1011 = DStR 2009, 1325 = DNotZ 2010, 71, dazu EWiR 2009, 535 (Heckelmann); OLG Rostock, GmbHR 2010, 872, 873 = MDR 2010, 1004; Schäfer, ZIP 2011, 53, 55; Heidinger/Blath, ZNotP 2010, 376, 382; Wicke, NotBZ 2009, 1, 9. – Das gilt auch für die Befreiung des ersten Geschäftsführers von § 181 BGB, vgl. Ries, NZG 2009, 739, 740; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 118; a. A. – materieller Satzungsbestandteil – Herrler, GmbHR 2010, 960, 963 f; Sandhaus, NJW-Spezial 2009, 607. 211) OLG Celle, GmbHR 2011, 305, 306; OLG Hamm, ZIP 2011, 1668, 1668 f = GmbHR 2011, 708 = NZG 2011, 705-706; OLG Rostock, GmbHR 2010, 872, 873 = NotBZ 2010, 196 = MDR 2010, 1004; zust. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 117 m. w. N.; näher zu Problemen der Vertretungsmacht des Geschäftsführers bei Verwendung eines MP etwa Blasche, GmbHR 2015, 403. 212) OLG Stuttgart, ZIP 2009, 1011 = DStR 2009, 1325 = DNotZ 2010, 71, dazu EWiR 2009, 535 (Heckelmann); OLG Hamm, ZIP 2011, 1011 und 1668 = GmbHR 2011, 87; OLG Rostock, GmbHR 2010, 872 = MDR 2010, 1004; OLG Celle, GmbHR 2011, 305; OLG Düsseldorf, ZIP 2011, 2468 = GmbHR 2011, 1319 = DStR 2011, 2106; zust. Heidinger/ Blath, ZNotP 2010, 376, 383; Scholz-Wicke, GmbHG, § 2 Rn. 102. 213) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 118; Scholz-Wicke, GmbHG, § 2 Rn. 102; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 2 Rn. 62; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 2 Rn. 56a; Wälzholz, MittBayNot 2008, 425, 427; Katschinski/Rawert, ZIP 2008, 1993, 1999. 214) OLG Frankfurt/M., ZIP 2012, 1076, 1077 f = GmbHR 2012, 394 = GWR 2012, 323, dazu EWiR 2012, 413 (Wachter); Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 119 f. 215) Zutr. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 119; Mayer in: MünchKommGmbHG, § 2 Rn. 247; Michalski-Schmidt, GmbHG, § 2 Rn. 114; Rowedder/SchmidtLeithoff-Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 2 Rn. 98; Ries, NZG 2009, 1293, 1294; Wachter, GmbHR 2009, 785, 791; Sandhaus, NJW-Spezial 2009, 607 f; a. A. OLG Nürnberg, NZG 2016, 153 = ZIP 2016, 74 m. krit. Anm. H. Schmidt; OLG Stuttgart, ZIP 2009, 1011 = DNotZ 2010, 71.

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ändert werden kann,216) lässt sich die Befreiung der neuen Geschäftsführer von § 181 BGB, begreift man MP Nr. 4 richtigerweise als formellen Satzungsbestandteil, auch durch Beschluss erreichen.217) Die – beim späteren Hinzutreten weiterer Geschäftsführer – eingreifende Gesamtvertretungsregel ist in abstrakter Form anzumelden.218) c) Verwendung des Musterprotokolls (Satz 2) aa) Anwendungsbereich; Ausschließlichkeit 94

Das Musterprotokoll besteht aus zwei Varianten für Einpersonen- (a) und Mehrpersonen-Gründung (b), die jeweils sowohl für die „normale“ GmbH als auch die UG und nur i. R. d. Errichtung verwendet werden können. Für Vertragsänderungen nach der Eintragung kann das Protokoll naturgemäß auch dann nicht verwendet werden, wenn diese sich i. R. d. bei der Gründung bestehenden Möglichkeiten halten. Vielmehr gelten allein die §§ 53 ff.219) Dennoch kann auch die Satzungsänderung nach § 105 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GNotKG kostenrechtlich privilegiert sein (siehe Rn. 105). Hierfür muss sie sich aber i. R. d. vom Musterprotokoll eröffneten Gestaltungsfreiheit bewegen, vgl. § 105 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GNotKG.220) Punktuelle Bereinigungen der sprachlichen Fassung, soweit diese erforderlich sind, um Missverständnissen vorzubeugen, sind jedoch zulässig (siehe Rn. 96),221) wie § 105 Abs. 6 Satz 2 GNotKG jetzt ausdrücklich klarstellt. Umgekehrt ist aber eine vollständige Neufassung des Gesellschaftsvertrags nicht erforderlich.222) _____________ 216) Rechtsprechungsnachweise in Fn. 211; zum Ganzen ferner Miras, DB 2010, 2488, 2489; Herrler/König, DStR 2010, 2138, 2139; Wälzholz, GmbHR 2008, 841, 842; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 2 Rn. 47; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 2 Rn. 56a; Scholz-Wicke, GmbHG, § 2 Rn. 102; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 117. 217) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 118; w. N. in Fn. 209; a. A. OLG Hamm, ZIP 2011, 1011, 1012 = GmbHR 2011, 87 = RNotZ 2011, 193, dazu zu Recht kritisch Dignas, GmbHR 2011, 88 f (Urteilsanm.); Lohr, GmbH-StB 2012, 127. 218) Nachweise in Fn. 211, vgl. ferner OLG Bremen, ZIP 2009, 1998 = GmbHR 2009, 1210 = NJW 2010, 542, dazu EWiR 2009, 745 (Wachter); OLG Hamm, ZIP 2009, 2246 = GmbHR 2009, 1334 = Rpfleger 2010, 144; Formulierungsvorschläge zur abstrakten Anmeldung bei Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 120. 219) OLG München, ZIP 2009, 2392 = GmbHR 2010, 40 = DB 2009, 2651, dazu EWiR 2010, 185 (Wachter); s. a. OLG München, GmbHR 2010, 312 m. Anm. Kallweit; Wachter, EWiR 2010, 185, 186 – Abweichung vom Musterprotokoll zwingend, wenn anderenfalls falscher Eindruck entstünde (Sitzverlegung); OLG München, ZIP 2010, 1902, 1903 f = GmbHR 2010, 922 = NZG 2010, 1902; ferner Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 2 Rn. 61; Scholz-Wicke, GmbHG, § 2 Rn. 115; Schäfer, ZIP 2011, 53, 55; Gutachten des Deutschen Notarinstituts, DNotI-Report 2010, 217 ff; a. A. möglicherweise OLG Düsseldorf, ZIP 2010, 1343 = GmbHR 2010, 757 = NZG 2010, 719, dazu EWiR 2010, 531 (Wachter) (vgl. Fn. 216). – Bei Anmeldung einer Satzungsänderung nach § 54 Abs. 1 Satz 2 ist der vollständige Wortlaut des Gesellschaftsvertrages beizufügen, OLG München, ZIP 2009, 2392 = GmbHR 2010, 40 = DB 2009, 2651, dazu zust. Wachter, EWiR 2010, 185, 186. 220) Ausführlich dazu Scholz-Wicke, GmbH, § 2 Rn. 116. 221) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 130; OLG München, GmbHR 2010, 312 = NotBZ 2010, 110 m. Anm. Kallweit; OLG München ZIP 2010, 1902, 1904 = GmbHR 2010, 922 = NZG 2010, 1902. 222) OLG Düsseldorf, ZIP 2010, 1343 f = GmbHR 2010, 757 m. Anm. Omlor/Spies = NZG 2010, 719, dazu EWiR 2010, 531 (Wachter).

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Eine andere Frage ist es, ob das Protokoll für Vertragsänderungen vor der Eintragung verwendet werden kann. Sofern sich die Änderungen i. R. d. nach dem Musterprotokoll Zulässigen halten, besteht kein Grund, den Gesellschaftern die Verwendung eines neuen Protokolls zu versagen, auch diese erneute Verwendung ist noch eine solche „für die Gründung“ i. S. v. Absatz 1a.223) Hierfür spricht auch, dass § 105 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GNotKG die kostenrechtliche Privilegierung auf Vertragsänderungen erstreckt. Auf dem Weg der Vertragsänderung ist grundsätzlich auch der Austausch eines (oder mehrerer) Gesellschafter möglich; diese sind dann als Kombination aus Austritt aus und Eintritt in die Vorgesellschaft zu bewerten. Nach Ansicht einiger Instanzgerichte soll das Musterprotokoll aber nicht als Satzung gelten können, wenn die Muster-Gründung wegen unzulässiger Abweichungen vom Protokoll „verunglückt“ ist, sodass stets eine neue Satzung vorzulegen sei.224) Das überzeugt nicht; denn nach dem Willen des Gesetzgebers hat das Musterprotokoll Satzungsfunktion.225) Auch lässt sich die Gesamtnichtigkeit des Musterprotokolls nicht überzeugend begründen. Die Ansicht ist daher zu Recht auf Ablehnung gestoßen.226)

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bb) Ausfüllen des Musterprotokolls/Inhalt „Verwendet“ (Satz 2) wird das Musterprotokoll nur, wenn es ordnungsgemäß und vollständig unter Berücksichtigung der Fußnoten-Hinweise ausgefüllt und dem Mindestinhalt nichts hinzugefügt oder von ihm etwas weggelassen wird; eben dies meint Satz 3 aufgrund seines Vereinfachungszwecks mit der vielleicht etwas missverständlichen Formulierung „vom Gesetz abweichenden Bestimmungen“.227) Demnach ist das Musterprotokoll also nicht irgendwie, sondern eben so zu verwenden, wie es ist, und dies bedeutet auch, dass bei einer Ein- bzw. Mehrpersonen-Gründung die hierfür jeweils vorgesehene Variante eingesetzt wird. Keine unzulässigen Abweichungen liegen freilich vor, wenn kleine Abwandlungen ohne inhaltliche Bedeutung bei Zeichensetzung, Satzbau und Wortwahl vorgenommen werden.228) Wird _____________ 223) Übereinstimmend Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 2 Rn. 61; wohl auch OLG Düsseldorf, ZIP 2010, 1343 = GmbHR 2010, 757 m. zust. Anm. Omlor/Spies = NZG 2010, 719, dazu zust. Wachter, EWiR 2010, 531 – dort blieb allerdings unklar, ob die Gesellschaft schon eingetragen war und deshalb ggf. Rn. 94 gilt. 224) OLG Düsseldorf, ZIP 2011, 2468, 2469 = GmbHR 2011, 1319 = DStR 2011, 2106; OLG München, ZIP 2010, 1081, 1082 = GmbHR 2010, 755, 756 m. krit. Anm. Wachter = DB 2010, 1283. 225) BT-Drucks. 16/9737, S. 93. 226) Scholz-Wicke, GmbH, § 2 Rn. 141 f; Wachter, GmbHR 2010, 756, 757 (Urteilsanm.); Herrler, GmbHR 2010, 960, 964; Herrler/König, DStR 2010, 2138, 2142; Miras, DB 2010, 2488, 2490; Heidinger/Blath, ZNotP 2010, 376, 385. 227) Zutr. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 2 Rn. 52 unter Hinweis auf den noch eindeutigeren Wortlaut des RegE; so auch Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 17; aus der Praxis z. B. OLG München, ZIP 2010, 1081 = GmbHR 2010, 755 = DB 2010, 1283 – Gründungskosten i. H. v. 1.500 statt 300 €. 228) OLG Düsseldorf, ZIP 2011, 2468, 2469 = GmbHR 2011, 1319 = DStR 2011, 2106; OLG München, ZIP 2010, 1081 = GmbHR 2010, 755 = NZG 2010, 795; OLG München, ZIP 2010, 2044 = GmbHR 2010, 1262 = MDR 2011, 175; vgl. auch LG Chemnitz, ZIP 2010, 34, 36 = GmbHR 2010, 155, dazu zust. Wachter, EWiR 2010, 19, 20 – Änderungen im Rubrum (Notarassessor statt Notar) sind unproblematisch.

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§2

Form des Gesellschaftsvertrags

das Protokoll nicht ordnungsgemäß verwendet, kommt es richtigerweise darauf an, ob die Urkunde den allgemeinen Voraussetzungen entspricht (zu abweichender Rspr. siehe Rn. 95); das einfache Verfahren ist dann jedenfalls verlassen; eine kostenrechtliche Privilegierung scheidet aus. 97

Die Nummern 1 – 3 des Musterprotokolls enthalten den Mindestinhalt des Gesellschaftsvertrages. Auszufüllen sind die Felder für Firma, Sitz, den konkreten Unternehmensgegenstand,229) für Höhe des Stammkapitals und Nennbetrag der Geschäftsanteile sowie für die Gesellschafter (zu deren Bezeichnung siehe Rn. 99) und den von ihnen übernommenen, einen Geschäftsanteil (siehe Rn. 92). Die Einlage ist zwingend in Geld zu erbringen, das entweder sofort in voller Höhe einzuzahlen ist (bei der UG zwingend[!], § 5a Abs. 2 Satz 1) oder zu 50 % sofort, im Übrigen nach Einforderung durch die Gesellschafterversammlung; unklar, aber wohl zu verneinen ist, ob die (zusätzliche) Anforderung durch den Geschäftsführer230) damit entbehrlich ist. Die Anmeldeerfordernisse der §§ 7 Abs. 2, 5a Abs. 2 Satz 1 bleiben von dieser Fälligkeitsregel unberührt.

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Das Verdikt der Sacheinlage (siehe Rn. 97) schließt bei der Normal-GmbH die Anwendung des § 19 Abs. 4 im Falle einer verdeckten Sacheinlage nicht aus; denn an der Einlagefähigkeit ist hier nicht zu zweifeln; der bloße Beschleunigungseffekt rechtfertigt nicht die Suspendierung des § 19 Abs. 4, zumal er sich insofern auch nicht mit einer Kostenersparnis verbindet (siehe Rn. 85). Anderes gilt richtigerweise für die UG, bei der die Sacheinlage durch § 5a Abs. 2 Satz 2 definitiv ausgeschlossen ist; dies führt konsequentermaßen zur Unanwendbarkeit des § 19 Abs. 4, der die Einlagefähigkeit des verdeckten Gegenstands zwingend voraussetzt. Allenfalls ist § 19 Abs. 5 anwendbar (siehe § 5a Rn. 23 [Schäfer]).231)

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Die Gesellschafter sind gemäß MP Fn. 2 zu bezeichnen. Hierunter sind die Angaben nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 40 Abs. 1 zu verstehen, zumal das Musterprotokoll als Gesellschafterliste fungiert. Dieses Verständnis entspricht auch den §§ 9, 10 BeurkG und § 26 Abs. 2 DONot. Bei natürlichen Personen (auch Einzelkaufleuten) sind demnach anzugeben: Familienname (bzw. Firma), Vorname, einschließlich abweichenden Geburtsnamen, Geburtsdatum, Wohnort und Wohnung (= Adresse, PLZ). Bei rechtsgeschäftlicher Vertretung ist zusätzlich (MP Fn. 2) der Vertreter entsprechend zu bezeichnen (§§ 6 Abs. 2, 9 BeurkG). Auch für die Bezeichnung einer juristischen Person bzw. Personengesellschaft ist auf die zu § 8 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 40 Abs. 1 anerkannten Grundsätze zurückzugreifen (siehe § 8 Rn. 17 bzw. § 40 Rn. 25 ff [Wachter]).232) Erforderlich sind demnach: Firma oder sonstiger Name, unter dem sie im Verkehr auftritt, Sitz; bei Personengesellschaften auch die einzelnen Gesellschafter. _____________ 229) Die Mustersatzung hatte noch drei Ankreuzvarianten zur Verfügung gestellt; dazu mit Recht krit. Ulmer, ZIP 2008, 45, 49; Heckschen, DStR 2007, 1442, 1444. 230) Dazu etwa Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 9. 231) Für die UG str., zutr. etwa Markwardt, BB 2008, 2414, 2421; König/Bormann, DNotZ 2008, 652, 657; Schall, ZGR 2009, 126, 152; Ulmer, GmbHR 2010, 1298, 1300; a. A. z. B. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 69. 232) Dazu Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 8 Rn. 8.

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§2

Form des Gesellschaftsvertrags

Die Geschäftsführerbestellung (Nr. 4) ist nur formeller Bestandteil des Gesellschaftsvertrages (siehe Rn. 20, 93); die Abberufung kann daher ohne seine Änderung erfolgen (kein Sonderrecht). Anzugeben sind Name, Geburtstag und Wohnsitz des einzigen Geschäftsführers (siehe Rn. 93). Nur er – nicht auch weitere, nach der Eintragung bestellte Geschäftsführer – sind kraft Gesetzes (Nr. 4) von § 181 BGB befreit (siehe Rn. 93). Eine Unterschrift des Geschäftsführers ist nicht erforderlich.233)

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Gründungskosten dürfen der Gesellschaft nach Nummer 5 nur i. H. v. maximal 300 € auferlegt werden, bei niedrigerem Stammkapital (UG) nur bis zu dessen Höhe (um eine sofortige Überschuldung zu vermeiden;234) zur UG-Gründung siehe § 5a Rn. 14 [Schäfer]). Gemeint ist der für Errichtung, Einlagenerbringung, Gründungsberatung, Anmeldung etc. anfallende Aufwand. Keine Gründungskosten sind Betriebsaufwendungen für Vorbereitung oder Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit.235) Auch ein Gründerlohn wird zwar herkömmlicherweise zum Gründungsaufwand gerechnet,236) gehört aber nicht zu den Kosten. Bei der normalen Gründung wird neben Angabe des Gesamtbetrages zusätzlich auch die Auflistung der Einzelposten verlangt, aus denen sich die Gründungskosten zusammensetzen.237) Dies ist im vereinfachten Verfahren jedoch nicht erforderlich, da Nummer 5 ausschließlich die Angabe des – zudem nur geringen – Gesamtbetrags verlangt. Hiervon unberührt bleibt das Recht des Registergerichts, eine Einzelaufstellung zu fordern.238) Die Regelung zu den Gründungskosten kann analog § 26 Abs. 4 AktG erst nach Ablauf der fünfjährigen Sperrfrist geändert werden.239)

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MP Nummer 6 verweist auf die Pflicht des Notars (§ 53 BeurkG), eine beglaubigte Abschrift in elektronischen Form (nach §§ 39, 39a BeurkG) zum Handelsregister einzureichen (§ 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 i. V. m. § 12 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 HGB – neu durch EHUG). Hiermit verbindet sich die Pflicht, den Gesellschaftern eine Abschrift zu erteilen.

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MP Nummer 7 bietet Raum für besondere Hinweise des Notars; sie bezieht sich auf §§ 17 ff BeurkG. Der Notar hat auf besondere Aspekte und Risiken hinzuweisen, wozu auch das Insolvenzrisiko bei schwacher Kapitalausstattung gehören kann,

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_____________ 233) 234) 235) 236) 237)

Deutsches Notarinstitut, DNotI-Report 2011, 149. Vgl. Drygala, NZG 2007, 561, 562; Scholz-Wicke, GmbHG, § 2 Rn. 109. Scholz-Veil, GmbHG, § 5 Rn. 111. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 205. BGH, ZIP 1997, 2008 = GmbHR 1997, 1145 = NJW 1998, 233, dazu EWiR 1998, 33 (Wilken); LG Essen, GmbHR 2003, 471; hieraus leitete die Praxis die Empfehlung ab, einzelne Aufwandspositionen neben Gesamtbetrag in Satzung anzugeben, vgl. Meyer in: Beck’sches Notarhandbuch, D. I. Rn. 76). 238) Vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 208; Scholz-Veil, GmbHG, § 5 Rn. 113. 239) OLG München, ZIP 2010, 2096 = NZG 2010, 1302 = DStR 2010, 2470, dazu zust. Wachter, EWiR 2011, 15 – sprachliche Änderungen ohne Auswirkung auf Höchstbetrag aber unproblematisch; a. A. (zehnjährige Sperrfrist) OLG Oldenburg, NZG 2016, 1065; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 5 Rn. 57.

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§2

Form des Gesellschaftsvertrags

zumal die Gesellschafter bei Führungslosigkeit die Antragspflicht treffen kann (§ 15a Abs. 3 InsO).240) cc) Verwendung im Verfahren der notariellen Beurkundung 104

Bis auf die Verwendung des Musterprotokolls gelten für das Verfahren der notariellen Beurkundung die allgemeinen Regeln der §§ 8 ff BeurkG (siehe Rn. 26). Der Gesetzgeber scheint allerdings davon auszugehen, dass das Musterprotokoll selbst die Niederschrift darstellt (siehe Rn. 87), sodass der Vertrag also zwingend zu Protokoll zu erklären, mithin das Musterprotokoll immer durch den Notar auszufüllen wäre. Es besteht indessen kein Grund auszuschließen, dass das Musterprotokoll durch die Gründer selbst (oder deren sonstige Berater) ausgefüllt und als Anlage zur Niederschrift genommen wird (§ 9 Abs. 1 Satz 2 BeurkG), zumal die Beratungsfunktion des Notars hiervon unberührt bleibt. d) Verbot abweichender Bestimmungen (Satz 3)

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Die Verwendung des Musterprotokolls ist ausschließlich für die Gründung, also im Gründungsverfahren, möglich, was aber seinen Einsatz für Vertragsänderungen vor der Eintragung nicht ausschließt; es muss dann ein neues Musterprotokoll beurkundet werden (siehe Rn. 95). Ausgeschlossen ist auch die Aufnahme (weiterer) bloß formeller Satzungsbestandteile (außer der Geschäftsführer-Bestellung), nicht jedoch die Vereinbarung schuldrechtlicher Nebenabreden.241) § 105 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GNotKG privilegiert darüber hinaus (bei der UG) auch die nach § 53 Abs. 2 zu beurkundenden Satzungsänderungen, wenn sie sich i. R. d. vom Musterprotokoll eröffneten Gestaltungsfreiheit halten;242) das Musterprotokoll selbst kann hierfür allerdings nicht eingesetzt werden (siehe Rn. 94). Hieraus folgt, dass bei Vertragsänderungen das Abweichungsverbot nur in diesem vereinfachten (Änderungs-)Verfahren relevant wird, und zwar für die Erhaltung des Kostenprivilegs. Im Übrigen gilt für Satzungsänderungen nach der Eintragung die volle Gestaltungsfreiheit.

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Aus dem Zusammenspiel von Verwendungsgebot (Satz 2) und Abweichungsverbot (Satz 3: „darüber hinaus“) ergibt sich, dass weder Ergänzungen noch Striche am vorgegebenen Statut möglich sind; Wahlmöglichkeiten bestehen nur dort, wo sie ausdrücklich im Musterprotokoll eröffnet werden. Das betrifft auch gängige (und vernünftige) Regelungen wie etwa die Vinkulierung der Geschäftsanteile, die bei der vereinfachten Gründung somit ausscheidet. _____________ 240) Zu den Standardhinweisen, s. Beck’sche Online Formulare 7.8.1.1.1. unter § 5 der Gründungsurkunde. 241) Vgl. Heckschen, DStR 2007, 1442, 1443 – bezogen auf die Mustersatzung; Scholz-Wicke, GmbHG, § 2 Rn. 140; allgemein zu den zulässigen Abweichungen bei Gründung einer UG durch Musterprotokoll auch Schulte, GmbHR 2010, 1128. 242) S. nur Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 130; Wicke, DNotZ 2012, 15, 20 – mit der Privilegierung des § 41d KostO (vgl. jetzt: § 105 Abs. 6 GNotKG,) sei es sogar noch vereinbar, dass eine Neufassung des Gesellschaftsvertrags mit den weiterhin gültigen gesellschaftsvertraglichen Regelungen des ursprünglichen Musterprotokolls unter Streichung aller nunmehr unklaren Formulierungen eingereicht wird.

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§2

Form des Gesellschaftsvertrags

e) Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen Die Voraussetzungen von Absatz 1a Satz 1 (max. drei Gesellschafter, nur ein Geschäftsführer) und Satz 3 (keine abweichenden Bestimmungen) müssen bis zur Eintragung der GmbH erfüllt sein. Dies passt zwar nicht ganz zur systematischen Stellung der Vorschrift innerhalb von § 2, der nur vom Vertragsschluss handelt. Doch spricht Satz 2 klar von der „Gründung im vereinfachten Verfahren“. Auch nach dem Normzweck reicht es selbstverständlich nicht aus, dass die Voraussetzungen nur im Zeitpunkt des Vertragsschlusses erfüllt sind (zur Möglichkeit von Änderungen während des Gründungsverfahrens siehe Rn. 95); denn anderenfalls ließe sich der – gerade auch auf das Registerverfahren zielende – Vereinfachungszweck nicht erreichen. Andererseits sind Vertragsänderungen nach der Eintragung gemäß §§ 53 ff möglich, ohne dass die Voraussetzungen der vereinfachten Gründung eingehalten werden müssen (siehe Rn. 94). 3.

Gesellschaftsvertrag als Gesellschafterliste

Das Musterprotokoll gilt zugleich als Gesellschafterliste i. S. v. § 8 Abs. 1 Nr. 3, sodass die insofern erforderliche Anmeldung automatisch mit seiner Einreichung erfolgt. Deshalb müssen auch die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 3 für die Bezeichnung der Gesellschafter erfüllt sein (siehe Rn. 99). Die Fiktion gilt naturgemäß nur für die erste Gesellschafterliste; mit Einreichung einer „neuen“ Liste nach § 40 ist allein diese maßgeblich. 4.

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Rechtsfolgen bei Fehlen der erforderlichen Voraussetzungen; Umgehungsproblematik?

Sind die Voraussetzungen einer vereinfachten Gründung nicht erfüllt (z. B. weil mehr als drei Gesellschafter vorhanden sind oder einem Gesellschafter mehr als ein Geschäftsanteil zugeordnet ist), ist die Eintragung abzulehnen (zum Prüfungsrecht des Registergerichts im Hinblick auf die Richtigkeit der Gesellschafterliste siehe § 40 Rn. 105 [Wachter]), zumal die Voraussetzungen einer ‚normalen‘ Gründung schon deshalb nicht eingehalten sind, weil eine (notwendig separate) Gesellschafterliste fehlt (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 40 Abs. 1). Wird allerdings eine vom Geschäftsführer unterschriebene Gesellschafterliste nachgereicht, kann richtigerweise eine Eintragung im normalen Verfahren bewirkt werden.243) Die kostenrechtliche Privilegierung nach § 105 Abs. 6 GNotKG scheidet dann aber naturgemäß aus.

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Mit der Eintragung werden die Mängel geheilt. Die mangels kostenrechtlicher Privilegierung ggf. zu geringen Gebühren können aber nacherhoben werden. Eine Unwirksamkeit des Gesellschaftsvertrages (mit der möglichen Folge einer Nichtig-

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_____________ 243) Ebenso Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 18; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 2 Rn. 55; Scholz-Wicke, GmbHG, § 2 Rn. 141; a. A. OLG Düsseldorf, ZIP 2011, 2468, 2469 = GmbHR 2011, 1319 = DStR 2011, 2106; OLG München, ZIP 2010, 1081 = GmbHR 2010, 755 m. abl. Anm. Wachter = DB 2010, 1283 – Musterprotokoll kann für fehlgeschlagene Muster-Gründung nicht verwendet werden. Vgl. dazu Rn. 95.

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Form des Gesellschaftsvertrags

keit i. S. v. § 75 bzw. einer Amtslöschung bzw. -auflösung) scheidet – als unverhältnismäßige Rechtsfolge – aus.244) VI. Vertragsmängel 1.

Allgemeines; die Lehre vom fehlerhaften Verband

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Grundsätzlich gelten auch für die GmbH-Satzung die allgemeinen Unwirksamkeitsgründe des Bürgerlichen Rechts. Ist allerdings der Vertrag zustande gekommen und beginnt die Vor-Gesellschaft ihre Geschäfte, so werden die Folgen rechtsgeschäftlicher Mängel durch die Lehre vom fehlerhaften Verband (LfV) stark modifiziert (siehe Rn. 113); nach Eintragung werden diese allgemeinen Regeln durch die speziellen gesetzlichen Bestimmungen der §§ 75 ff ersetzt, die ihrerseits Ausdruck der LfV sind (s. dazu Erläuterungen zu § 75).245) Ziel sowohl der LfV wie auch der §§ 75 ff ist es, den einmal ins Leben getretenen Verband auch dann nur im Wege der Auflösung und Liquidation wieder zu beseitigen, wenn bereits der Gründungsvertrag – oder einzelne Beitrittserklärungen – an einem derart schwerwiegenden Mangel leiden, dass nach allgemeinen Regeln die Gesamtunwirksamkeit des Vertrages und damit der Gesellschaft einträte. Während nach der LfV grundsätzlich jeder Fehler, der zur Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit führt, die Auflösung der Gesellschaft rechtfertigt, schränken die §§ 75 ff nicht nur die Rechtsfolgen, sondern auch die Auflösungsgründe stark ein, indem § 75 Abs. 1 nur wenige Mängel überhaupt für beachtlich erklärt. Dies rechtfertigt sich aus der präventiven Registerkontrolle nach § 9c, die auch der Vermeidung von Unwirksamkeitsgründen dient (§ 9c Abs. 2 Nr. 1, 3).

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Der allgemeine Tatbestand der Lehre vom fehlerhaften Verband erfordert zunächst den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages, wofür mindestens eine Gründungserklärung den Tatbestand einer – auf die Gründung einer GmbH gerichteten – Willenserklärung verwirklichen muss.246) Zweitens muss der Gesellschaftsvertrag an einem Wirksamkeitsdefizit leiden, das zu seiner Gesamtunwirksamkeit führt, wobei zu beachten ist, dass die Unwirksamkeit einzelner Vertragsklauseln oder Beitrittserklärungen abweichend von § 139 BGB im Zweifel nicht die Gesamtunwirksamkeit des Vertrages zur Folge hat, sodass die Existenz der Gesellschaft in diesen Fällen von vornherein nicht in Frage gestellt ist.247) Schließlich muss die (Vor-)Gesellschaft als Verband entstanden („vollzogen“) sein, namentlich ihre Geschäfte begonnen haben (vgl. § 123 Abs. 2 HGB). – Zur Frage, ob ein verbotsoder sittenwidriger Zweck der Gesellschaft eine Ausnahme von der Anwendbarkeit der Lehre vom fehlerhaften Verband rechtfertigt, siehe § 1 Rn. 26 [Schäfer].

_____________ 244) Ebenso Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 18; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 2 Rn. 70; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 127 (hiernach Umdeutung in „normale“ Gründung); Heckschen, DStR 2009, 166, 168; Scholz-Cramer, GmbHG, § 2 Rn. 89. 245) Dazu eingehend Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 127 ff, 149 ff. 246) Näher Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 163 f. 247) Unstr., vgl. nur Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 139; eingehend Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 236 ff.

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§2

Form des Gesellschaftsvertrags

2.

Fehler bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages

a) Nach Geschäftsbeginn der Vor-GmbH Ist der Vertrag – regelmäßig erst vor dem Notar – geschlossen, hat die hierdurch entstehende Vor-Gesellschaft aber ihre Geschäfte noch nicht begonnen, so gelten noch keine Besonderheiten hinsichtlich Folgen und Geltendmachung des Mangels. Allerdings führen auch in dieser Phase Fehler bei einzelnen Vertragsklauseln und Beitrittserklärungen entgegen § 139 BGB nicht zur Gesamtunwirksamkeit des Vertrages.248) Anders stellt es sich dar, wenn die Vor-Gesellschaft mit Einverständnis aller Gesellschafter ihre Geschäfte begonnen hat (§ 123 Abs. 2 HGB) und hierdurch als Rechtssubjekt (Verband) entstanden ist (siehe Rn. 111).249) Von nun an kann der Fehler nur mit Wirkung für die Zukunft geltend gemacht werden, was zu Auflösung und Liquidation – bei fehlerhafter Beitrittserklärung zu einem außerordentlichen Austrittsrecht (siehe Rn. 115) – führt. Um die Auflösung herbeizuführen, bedarf es nach zutreffender h. M. aber keiner Auflösungsklage analog § 133 HGB; vielmehr reicht die den Mitgesellschaftern erklärte Kündigung entsprechend § 723 Abs. 1 Satz 2 BGB.250) Für die Abwicklung gelten nach h. M. gleichwohl schon die §§ 66 ff entsprechend.251) Zur Bedeutung von Vertragsmängeln bei der registergerichtlichen Kontrolle nach § 9c vgl. die Erläuterungen dort.

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b) Wirkungen der Eintragung Die Eintragung führt zum Formwechsel der Vor-GmbH (Gesamthandsgesellschaft eigener Art) in die GmbH; sie führt überdies zur Heilung eines Mangels der Form des Vertrages nach Absatz 1 bzw. der Vollmacht nach Absatz 2 (siehe Rn. 47, 49); das Fehlen einer Voraussetzung für das vereinfachte Verfahren nach Absatz 1a bewirkt ohnehin nicht die Unwirksamkeit des Vertrages (siehe Rn. 110). Im Übrigen können Fehler nur noch im Wege der Auflösungsklage nach § 75 geltend gemacht werden, und auch dies nunmehr unter den dort genannten restriktiven Voraussetzungen (Fehlen/Unwirksamkeit der Klauseln über Stammkapital oder Unternehmensgegenstand bzw. Gesamtnichtigkeit, näher dazu die Erläuterungen zu § 75). Daneben kann die Registerbehörde die Amtslöschung nach § 397 Satz 2 FamFG herbeiführen. Überdies kommt die Amtsauflösung nach § 399 Abs. 4 FamFG in Betracht.252) Sonstige, nicht nach § 75 zu berücksichtigende Mängel des Vertrages ändern nichts am Bestand der GmbH, können sich aber auf einzelne Beitrittserklärungen auswirken (siehe Rn. 115) oder eine Auflösungsklage nach § 61 rechtfertigen; bei fehlerhaften Beitrittserklärungen kommt außerdem ein außerordentliches Austritts- oder Ausschließungsrecht in Betracht (siehe Rn. 115). _____________ 248) Vgl. nur Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 139 (str.); a. A. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 38. 249) Näher zum Geschäftsbeginn als Vollzugsmerkmal Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 252 ff. 250) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 145; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 39; a. A. wohl noch Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 64. 251) Vgl. BGH, ZIP 2006, 2267 = NJW 2007, 589 = DB 2006, 2677, dazu EWiR 2007, 289 (Krolop) – Vor-AG. 252) Näher zum Verhältnis zwischen Amtslöschung und Amtsauflösung Ulmer/Habersack/ Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 141.

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§2 3.

Form des Gesellschaftsvertrags

Fehlerhafte Beitrittserklärung

a) Folgen einer fehlerhaften Beitrittserklärung 115

Die Mangelhaftigkeit kann sich auf einzelne Beitrittserklärungen beschränken; diese führen nur dann zur (Gesamt-)Unwirksamkeit des Gesellschaftsvertrages, wenn anzunehmen ist, dass die übrigen Gesellschafter den Vertrag ohne den betroffenen nicht abgeschlossen hätten.253) Unabhängig hiervon ist auch die einzelne Gründungs- bzw. Beitrittserklärung nach den Regeln der Lehre vom fehlerhaften Verband zu behandeln, also im Falle ihrer Mangelhaftigkeit (z. B. wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung, §§ 119, 123 BGB) nur mit Wirkung für die Zukunft im Wege des Austritts geltend zu machen; für diese Fälle ist ein außerordentliches, unbefristetes Austrittsrecht anzuerkennen.254) Die vorläufige Wirksamkeit setzt allerdings voraus, dass die Beitrittserklärung dem Erklärenden als Willenserklärung zurechenbar ist, was im Falle einer vollmachtlosen Vertretung nicht der Fall ist.255) Die h. M. macht darüber hinaus eine Ausnahme für alle in ihrer Geschäftsfähigkeit Beschränkten;256) doch ist diese Einschränkung in Hinblick auf § 1629a BGB abzulehnen (siehe Rn. 68 f). b) Besonderheiten bei Unwirksamkeit aller Beitrittserklärungen

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Sind sämtliche Beitrittserklärungen von einem Mangel betroffen, so liegt zugleich eine objektive (Gesamt-)Unwirksamkeit des Gesellschaftsvertrages vor. Die VorGmbH entsteht also zwar auch hier durch Geschäftsbeginn und wird durch die Eintragung in eine GmbH umgewandelt; sie kann aber entsprechend § 399 Abs. 4 FamFG (früher § 75 bzw. § 144a FGG) aufgelöst werden. Dies gilt, wie unzweifelhaft aus Art. 11 Abs. 1 Buchst. b) v) RL (EU) 2017/1132 folgt, selbst für den Fall, dass sämtliche Gründer geschäftsunfähig waren.257) Die früher überwiegend vertretene Gegenauffassung,258) wonach in diesem Falle gar keine Gesellschaft zur Entstehung kommen soll, ist hiermit nicht vereinbar und daher abzulehnen. Nach der _____________ 253) Zur subjektiven Teilunwirksamkeit des Gesellschaftsvertrages Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 243 ff; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 146 f. 254) Näher Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 335; allgemein hierzu etwa BGHZ 116, 359, 369 = ZIP 1992, 237 = NJW 1992, 892, dazu EWiR 1992, 321 (Wiedemann); Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, 1. Aufl., Anh. § 34 Rn. 46 ff. 255) Eingehend Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 208 ff; übereinstimmend insoweit auch Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 44. – Gegen den machtlosen Vertreter besteht Anspruch auf Abgabe einer Beitrittserklärung (wahlweise SchE) aus § 179 BGB: Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 160. 256) S. nur Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 151 f; Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 2 Rn. 44; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 2 Rn. 41. – Zu den Konsequenzen der dann nicht vollständigen Deckung des Stammkapitals durch die Einlagen bzw. Geschäftsanteile Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 158 ff; wird sie nicht behoben, besteht Möglichkeit zur Amtsauflösung nach § 399 FamFG (§ 144a FGG). 257) Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 284 f; ebenso auch Ulmer/Habersack/ Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 149; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 2 Rn. 45. 258) So noch Baumbach/Hueck-Hueck/Fastrich, GmbHG, 19. Aufl., § 2 Rn. 46 (aufgegeben von Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, 20. Aufl., § 2 Rn. 45).

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§2

Form des Gesellschaftsvertrags

hier vertretenen Auffassung schulden die Gründer auch in einem solchen Falle ihre Einlagen und erhalten lediglich ihren Anteil am Liquidationserlös. VII. 1.

Vor(gründungs)vertrag

Begriff

In einem (echten) Vorvertrag verpflichten sich die Parteien gegenseitig zur Gründung einer GmbH. Es ist nicht zwingend, dass sämtliche zukünftigen Gesellschafter am Vertragsschluss beteiligt sind,259) der Vertrag muss aber inhaltlich so bestimmt sein, dass die Verurteilung zur Abgabe einer konkreten Vertragserklärung möglich ist.260) Der wesentliche Inhalt des Gesellschaftsvertrages muss daher genau beschrieben werden, sodass der Rest ggf. durch ergänzende Vertragsauslegung gerichtlich festgestellt werden kann.261) Die Bestimmung des Mindestinhalts nach § 3 ist deshalb unerlässlich.262) Kein Vorvertrag (und daher formlos möglich, siehe Rn. 118) ist die Vereinbarung von Gründungsvorbereitungshandlungen (ohne Abschlusspflicht), schuldrechtlicher Nebenabreden zum geplanten Gesellschaftsvertrag263) sowie nach einem vereinzelten obiter dictum des Bundesgerichtshofs264) auch die verbindliche Beteiligungszusage für den Fall der GmbH-Gründung. 2.

117

Form

Nach ständiger Rechtsprechung und h. L. bedarf der Vorvertrag analog Absatz 1 der notariellen Form, damit die Warnfunktion des Formgebots gewahrt bleibt.265) Auch die Vollmacht zum Abschluss des Vorvertrages ist analog Absatz 2 formbedürftig.266) Konsequentermaßen hält die Rechtsprechung die Haftung auf das negative Interesse beim Abbruch von Vertragsverhandlungen (§§ 280, 311 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB) daher nur in Grenzen für möglich.267) Soweit aber die Höhe des Schadens keinen mittelbaren Abschlussdruck nahelegt, ist dieser durchaus ersatzfähig. _____________ 259) Näher Altmeppen in: FS Westermann, S. 771, 784. 260) RGZ 66, 116, 121; RGZ 156, 129, 138; BGH, WM 1976, 180; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1996, 997. 261) BGH, WM 1976, 180. 262) OLG Karlsruhe, NJW-RR 1996, 997; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 34; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 55. 263) Zu beidem etwa Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 52. 264) BGH, ZIP 1988, 89 = GmbHR 1988, 98 = NJW-RR 1988, 288, dazu EWiR 1988, 163 (Roth) – str. 265) RGZ 43, 136, 139 (und öfter); vgl. auch BGH, ZIP 1988, 89 = GmbHR 1988, 98 = NJWRR 1988, 288, dazu EWiR 1988, 163 (Roth); OLG Frankfurt/M., MDR 1998, 957; KG, GE 2007, 149; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 33; Ulmer/Habersack/LöbbeUlmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 51; Scholz-Wicke, GmbHG, § 2 Rn. 108; Altmeppen in: FS Westermann, S. 771, 784. 266) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 53; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 33; Scholz-Emmerich, GmbHG, § 2 Rn. 91; BGH, GmbHR 1969, 177 = NJW 1969, 1856 = DB 1969, 1336 – betr. Sonderfall bzw. ist überholt. 267) BGH, ZIP 1988, 89 = GmbHR 1988, 98 = NJW-RR 1988, 288, dazu EWiR 1988, 163 (Roth); zuletzt OLG Stuttgart, WM 2007, 1743; Haftung auf das Erfüllungsinteresse explizit verneint.

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§3 3. 119

Inhalt des Gesellschaftsvertrags

Rechtsfolgen des Vorvertrages

Der Vorvertrag führt zur Entstehung einer BGB-Innengesellschaft unter den Beteiligten, die mit Zweckerreichung (notarieller Abschluss des Gesellschaftsvertrages) endet (§ 726 BGB); sie wird üblicherweise als Vorgründungsgesellschaft bezeichnet (dazu siehe § 11 Rn. 4 ff [Schroeter]).268) Für den Fall, dass die Beteiligten in diesem Stadium bereits ein Unternehmen betreiben, entsteht – auch ohne Beachtung der Form269) – eine Außen-GbR bzw. OHG.270) Ob es sich hierbei um die Vorgründungsgesellschaft oder eine zusätzliche Gesellschaft handelt,271) ist von untergeordneter Bedeutung; fest steht jedenfalls, dass es im Falle der GmbHGründung nicht zu einem automatischen Übergang des Unternehmens auf die Vor-GmbH kommen kann, weil diese mit der unternehmenstragenden Gesellschaft nicht identisch ist.272) _____________ 268) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 55; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 2 Rn. 36. s. a. Fallak/Huynh Cong, NZG 2016, 1291 (zur zweifelhaften Übertragbarkeit auf die Kapitalerhöhung als sog Vorbeteiligungsgesellschaft). 269) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 54 m. Hinweis auf BGH, GmbHR 1985, 114 = WM 1984, 1507. 270) Vgl. BGHZ 91, 148, 151 = ZIP 1984, 950 = NJW 1984, 2164; BGH, ZIP 1998, 646 = NJW 1998, 1645 = GmbHR 1998, 633, dazu EWiR 417 (Dreher/Kreiling); BGH, ZIP 2004, 1208 = NZG 2004, 663 = DB 2004, 1359. 271) Für Letzteres etwa K. Schmidt, GesR, § 11 II. 2., S. 291 ff; näher dazu etwa ScholzK. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 15 m. w. N. 272) Ganz h. M., vgl. BGHZ 91, 148, 151 = ZIP 1984, 950 = NJW 1984, 2164; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 59 m. w. N.

§3 Inhalt des Gesellschaftsvertrags Carsten Schäfer

(1) Der Gesellschaftsvertrag muss enthalten: 1.

die Firma und den Sitz der Gesellschaft,

2.

den Gegenstand des Unternehmens,

3.

den Betrag des Stammkapitals,

4.

die Zahl und die Nennbeträge der Geschäftsanteile, die jeder Gesellschafter gegen Einlage auf das Stammkapital (Stammeinlage) übernimmt.

(2) Soll das Unternehmen auf eine gewisse Zeit beschränkt sein oder sollen den Gesellschaftern außer der Leistung von Kapitaleinlagen noch andere Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft auferlegt werden, so bedürfen auch diese Bestimmungen der Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag. Literatur: Altmeppen, Zur Verwendung eines „alten“ GmbH-Mantels, DB 2003, 2050; Bachmann, Die Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung und die Folgen ihrer Versäumung, NZG 2012, 579; Bachmann, Abschied von der „wirtschaftlichen Neugründung“?, NZG 2011, 441; Baumann/Reiss, Satzungsergänzende Vereinbarungen in Nebenverträgen im Gesellschaftsrecht, ZGR 1989, 157; Blasche, Individualisierung sowie Überund Unterschreitungen des Unternehmensgegenstandes, DB 2011, 517; Böttcher/Fischer, Einbeziehung von Schiedsordnungen in die Satzung einer GmbH, NZG 2011, 601;

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§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrags

Fröhlich, Wettbewerbsklauseln Gestaltungshinweise für die Satzung, GmbH-StB 2012, 157; Geßler, Die GmbH-Novelle, BB 1980, 1385; Goette, Haftungsfragen bei der Verwendung von Vorratsgesellschaften und „leeren“ GmbH-Mänteln, DStR 2004, 461; Habersack, Wider das Dogma von der unbeschränkten Gesellschafterhaftung bei wirtschaftlicher Neugründung einer AG oder GmbH, AG 2010, 845; Heidinger, Die wirtschaftliche Neugründung: Grenzen der analogen Anwendung des Gründungsrechts, ZGR 2005, 101; Herresthal/Servatius, Grund und Grenzen der Haftung bei der wirtschaftlichen Neugründung einer GmbH, ZIP 2012, 197; Hoffmann-Becking, Der Einfluß schuldrechtlicher Gesellschaftervereinbarungen auf die Rechtsbeziehungen in der Kapitalgesellschaft, ZGR 1994, 442; Horn, Haftung bei wirtschaftlicher Neugründung – Hinweise für die Transaktionspraxis – zugleich Besprechung von BGH-Urteil v. 6.3.2012 – II ZR 56/10, DB 2012, 1024, DB 2012, 1255; Hüffer, Die Haftung bei wirtschaftlicher Neugründung unter Verstoß gegen die Offenlegungspflicht, NJW 2011, 1772; Ihrig, Die Verwertung von GmbH-Mänteln, BB 1988, 1197; Jeep, Leere Hülse beschränktes Risiko: Die Gesellschafterhaftung bei nicht offengelegter wirtschaftlicher Neugründung Oder: Wie weit reicht das Konzept der Unterbilanzhaftung von GmbH-Gesellschaftern?, NZG 2012, 1209; Kleindiek, Mantelverwendung und Mindestkapitalerfordernis, in: Festschrift für Hans-Joachim Priester, 2007, S. 369; Krolop, Zur Begrenzung der Unterbilanzhaftung bei der Vorrats- und Mantelgründung, ZIP 2011, 305; Leuering, Aktuelles zur Verwendung von Mantel- und Vorratsgesellschaften, NJW-Spezial 2008, 175; Lieder, Zur Anwendbarkeit der Grundsätze der Mantelverwendung, NZG 2010, 410; Müller/Federmann, Praktische Hinweise zum Erwerb einer Vorrats-GmbH nach dem MoMiG, BB 2009, 1375; Noack, Der allseitige Gesellschafterbeschluss als „schuldrechtliche Abrede“ und dessen korporationsrechtliche Folgen, NZG 2010, 1017; Podewils, Offene Fragen zur wirtschaftlichen Neugründung, GmbHR 2010, 684; Priester, Beginn der Rechtsperson – Vorräte und Mäntel, ZHR 168 (2004) 248; Priester, Mantelverwendung und Mantelgründung bei der GmbH, DB 1983, 2291; Reichert/Harbarth, Statutarische Schiedsklauseln, NZG 2003, 379; Sachs, Der Unternehmensgegenstand der Komplementär-GmbH, DNotZ 1976, 355; Schäfer, Mehrheitserfordernisse bei Stimmrechtskonsortien, ZGR 2009, 768; K. Schmidt, Die Verwendung von GmbH-Mänteln und ihre Haftungsfolgen: ein Thema von gestern?, ZIP 2010, 857; K. Schmidt, Vorratsgründung, Mantelkauf und Mantelverwendung, NJW 2004, 1345; Swoboda, Die Anwendung der Vorschriften zur „verschleierten Sachgründung“ im Zusammenhang mit der „wirtschaftlichen Neugründung“ von Vorratsgesellschaften, GmbHR 2005, 649; Tavakoli, Begrenzung der Unterbilanzhaftung bei wirtschaftlicher Neugründung einer GmbH, NJW 2012, 1855; Ulmer, Entschärfte Gesellschafterhaftung bei wirtschaftlicher Neugründung einer zuvor unternehmenslosen AltGmbH (Bemerkungen zu BGH v. 6.3.2012 – II ZR 56/10, ZIP 2012, 817), ZIP 2012, 1265; Ulmer, Schuldrechtliche Gesellschafterabrede zugunsten der GmbH Geeignetes Ersatzgeschäft für formnichtige Satzungsdurchbrechung?, in: Liber amicorum für Martin Winter, 2011, S. 687; Ulmer, „Satzungsgleiche“ Gesellschaftervereinbarungen bei der GmbH? – Zum Für und Wider der Trennung zwischen Satzung und schuldrechtlichen Gesellschafterabreden, in: Festschrift für Volker Röhricht, 2005, S. 623; Wälzholz, Gesellschaftervereinbarungen (side-letters) neben der Satzung, GmbHR 2009, 1020; Werner, Haftungsvermeidung bei Aktivierung einer Mantelgesellschaft, GmbHR 2010, 804; Wilhelmi, Zur Begründung und den Konsequenzen der analogen Anwendung der Gründungsvorschriften auf die Verwendung eines gebrauchten Mantels, DZWIR 2004, 177; Winter, Organisationsrechtliche Sanktionen bei Verletzung schuldrechtlicher Gesellschaftervereinbarungen, ZHR 154 (1990) 259. Übersicht I. 1. 2.

Allgemeines .......................................... 1 Regelungsgegenstand ............................ 1 Änderung durch das MoMiG ............... 4

3.

Körperschaftlicher und individualrechtlicher Inhalt ................................... 5 II. Notwendiger Inhalt des GmbHVertrages (Abs. 1) ................................ 6

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§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrags

1.

Mindestinhalt ........................................ 6 a) Firma und Sitz der Gesellschaft (Nr. 1) ............................................ 6 b) Unternehmensgegenstand (Nr. 2) ............................................ 7 c) Betrag des Stammkapitals (Nr. 3) .......................................... 10 d) Zahl und Nennbetrag der Geschäftsanteile (Nr. 4) .............. 12 2. Bestimmtheitserfordernis ................... 16 3. Fehlerhafte Regelung des Mindestinhalts ................................................... 17 4. Exkurs: Vorratsgründung und Mantelverwertung ............................... 18 III. Fakultativer, formbedürftiger Inhalt (Abs. 2) .................................... 23 1. Allgemeines ......................................... 23

I.

Allgemeines

1.

Regelungsgegenstand

2. 3.

Befristung ............................................ 25 Nebenleistungspflichten ..................... 27 a) Einführung und Begriffsbestimmung ...................................... 27 b) Möglicher Inhalt .......................... 30 c) Wirksamkeitshindernisse; Leistungsstörungen ...................... 32 d) Befreiung von Nebenleistungspflichten ........................................ 34 e) Nebenleistungspflicht und Insolvenz ...................................... 35 IV. Sonstiger fakultativer Inhalt des Gesellschaftsvertrages ....................... 36 V. Schuldrechtliche Nebenabreden ...... 38 1. Begriff und Rechtsnatur ...................... 38 2. Möglicher Inhalt; Abgrenzungsfragen ................................................... 40

1

§ 3 regelt in Absatz 1 den Mindestinhalt des Gesellschaftsvertrages; das Fehlen bzw. die Unwirksamkeit einer entsprechenden Vertragsklausel führt aber nicht automatisch zur „Nichtigkeit“ (= Auflösbarkeit) der eingetragenen Gesellschaft; vielmehr gilt dies ausschließlich für die in § 75 abschließend aufgezählten Bestandteile (Stammkapital, Unternehmensgegenstand). Allerdings kann, falls Bestimmungen über Firma, Sitz oder Stammeinlagen fehlen oder unwirksam sind, die GmbH von Amts wegen nach § 399 FamFG aufgelöst werden.1) Bis zur Eintragung führt hingegen das Fehlen oder die Unwirksamkeit jedes Mindestbestandteils zugleich zur Gesamtunwirksamkeit des Vertrages und damit zur Auflösbarkeit der Vor-GmbH im Kündigungswege (siehe Rn. 17 und § 2 Rn. 36 f [Schäfer]).

2

§ 3 gilt für alle GmbH, also auch für die UG. Bei der vereinfachten Gründung verdrängt aber der speziellere § 2 Abs. 1a i. V. m. den Musterprotokollen die Bestimmung. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass auch hier die Mindestbestimmungen des Absatzes 1 gewahrt bleiben, während die in Absatz 2 genannten Klauseln bei der vereinfachten Gründung ausgeschlossen sind (§ 2 Abs. 1a Satz 3, dazu siehe § 2 Rn. 105 [Schäfer]).

3

Absatz 2 ordnet die Aufnahme bestimmter Regelungen in den Vertrag als Wirksamkeitsvoraussetzung an. Das schließt aber hinsichtlich der Nebenleistungspflichten nach h. M. eine entsprechende schuldrechtliche Nebenabrede nicht notwendig aus. Diese begründet allerdings naturgemäß lediglich Pflichten nichtmitgliedschaftlicher Art, und zwar allein unter den vertraglich gebundenen Gesellschaftern (siehe Rn. 38 f). Ersichtlich ist aus Absatz 2 zudem, dass das GmbH-Recht jedenfalls keinen umfassenden Zwang zur Aufnahme sämtlicher (fakultativer) Abreden in den notariellen Vertrag kennt. Wegen des Formgebots müssen allerdings alle wesentlichen Abreden in den Vertrag selbst aufgenommen werden, wenn alle Gesellschafter ge_____________ 1)

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Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 1.

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§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrags

bunden werden sollen (siehe § 2 Rn. 21 [Schäfer]). Zudem sind bestimmte Gegenstände für Nebenabreden insgesamt gesperrt (siehe Rn. 40). 2.

Änderung durch das MoMiG

Die Vorschrift ist durch das MoMiG geringfügig geändert worden, und zwar in Absatz 1 Nr. 4. Das neue Erfordernis, die Zahl der Geschäftsanteile anzugeben, ist die Konsequenz aus der gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 jetzt schon bei der Gründung möglichen Übernahme mehrerer Geschäftsanteile. Im Übrigen soll die sprachlich neu gefasste Nummer 4 besser als bisher zum Ausdruck bringen, dass zwischen Beteiligung (zu übernehmender Geschäftsanteil) und Einlagepflicht (Stammeinlage) zu unterscheiden und die Übernahme der Einlage notwendiger Bestandteil der (Einheits-)Gründung ist.2) Hierdurch sind eine ganze Reihe redaktioneller Folgeänderungen erforderlich geworden, z. B. in §§ 5 Abs. 4 Satz 1, 7 Abs. 2, 8 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 Satz 1, 9 Abs. 1 Satz 1, 9a Abs. 4 Satz 1, 19 Abs. 1, 26 Abs. 1, 46 Nr. 4, 55, 56 Abs. 1, 57 Abs. 1, 3 Nr. 2, 58f Abs. 1 Satz 2, 82 Abs. 1 Nr. 1. 3.

4

Körperschaftlicher und individualrechtlicher Inhalt

Die Unterscheidung zwischen materiellen (korporativen) und formellen (individualrechtlichen) Satzungsbestimmungen ist vor allem für die Auslegung, Änderung und Geltung gegenüber Dritten bedeutsam (siehe § 2 Rn. 16 ff [Schäfer]). Der Mindestinhalt (siehe Rn. 6 ff) ist notwendig materiellen Gehalts, bei den fakultativen Bestimmungen ist durch Auslegung vor dem Hintergrund des Normzwecks von § 2 (Form!) zu ermitteln, ob es sich bloß um formelle oder aber auch materielle (korporative) Bestandteile des Gesellschaftsvertrages handelt. Wegen der Abgrenzung – auch zu den schuldrechtlichen Nebenabreden – siehe § 2 Rn. 16 ff [Schäfer]. Typische korporative Bestimmungen sind, abgesehen vom Mindestinhalt, etwa die Zulassung von Sacheinlagen, Sonderrechte, die Anteilsvinkulierung, Kompetenzen der Gesellschaftsorgane und Einrichtung fakultativer Organe, Regelungen zu Stimmrecht und Gewinnverteilung (siehe Rn. 36 f).3)

5

II. Notwendiger Inhalt des GmbH-Vertrages (Abs. 1) 1.

Mindestinhalt

a) Firma und Sitz der Gesellschaft (Nr. 1) Wegen dieser Begriffe ist auf die Erläuterungen zu § 4 (Firma) und § 4a (Sitz) zu verweisen.

6

b) Unternehmensgegenstand (Nr. 2) Zum Unternehmensgegenstand und seinem Verhältnis zum Unternehmenszweck siehe § 1 Rn. 4 [Schäfer]. Der Zwang zur Kennzeichnung des Gegenstands soll den Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit der GmbH für die beteiligten Wirtschaftskreise klar erkennbar machen, was eine ausreichende Konkretisierung und das Verbot von Blankettformeln voraussetzt (siehe Rn. 8); aus diesem Grund hat auch der MoMiG-Geber schließlich darauf verzichtet, bei der vereinfachten Gründung mittels _____________ 2) 3)

BT-Drucks. 16/6410, S. 28. Vgl. nur Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 3 Rn. 3 m. w. N.

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7

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrags

Musterprotokoll lediglich sehr allgemein formulierte Ankreuzvarianten zulässiger Unternehmensgegenstände zur Verfügung zu stellen (siehe § 2 Rn. 97 [Schäfer]). Der Zwang zur Individualisierung ermöglicht es ferner dem Registergericht, eventuell unerlaubte Zwecke herauszufiltern (zu verbotswidrigen Zwecken siehe § 1 Rn. 24 [Schäfer]), und bezweckt überdies einen Schutz der Gesellschafter gegen willkürliche Änderungen oder Ausweitungen des Gegenstands durch die einfache Mehrheit oder die Geschäftsführer, deren Geschäftsführungsbereich durch den Unternehmensgegenstand begrenzt wird. Es versteht sich daher von selbst, dass der korrekte Unternehmensgegenstand anzugeben ist (Wahrheitsgebot), so ist etwa bei einer Vorratsgesellschaft offenzulegen, dass diese nur ihr eigenes Vermögen verwaltet.4) Spätere tatsächliche Änderungen des Unternehmensgegenstands bedürfen demgemäß einer vorherigen Satzungsänderung (siehe Rn. 9). 8

Aus den Angabezwecken (siehe Rn. 7) folgt ein zwingendes Individualisierungsgebot. Der Tätigkeitsbereich muss deshalb zumindest in groben Zügen beschrieben werden, damit die Zuordnung zu einem Geschäftszweig bzw. die Einordnung im nichtwirtschaftlichen Bereich ermöglicht wird.5) Nichtssagende Leerformeln, wie sie noch die nicht Gesetz gewordene Mustersatzung zu § 2 Abs. 1a für die vereinfachte Gründung vorgesehen hatte (siehe Rn. 7), sind daher nach heute einhelliger Meinung unzulässig, namentlich etwa „Betrieb eines Kaufmannsgeschäfts“, „Handelsgeschäfte aller Art“, „Produktion und Vertrieb von Waren aller Art“, „Betreiben von Handelsgeschäften“.6) Bei der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co KG hat die Rechtsprechung7) außer einer genauen Bezeichnung der KG-Beteiligung und der Geschäftsführungstätigkeit häufig auch die Angabe des Unternehmensgegenstands der KG verlangt, was im Schrifttum überwiegend abgelehnt wird.8) Eine detaillierte Umschreibung der Geschäftstätigkeit ist andererseits nicht erforderlich; allgemein als ausreichend wird die Benennung der Branche (z. B.: „Betrieb von Gaststätten“) angesehen, auch wenn der Gegenstand auf die Beteiligung an anderen Gesellschaften im selben Tätigkeitsbereich gerichtet ist.9)

9

Die Rechtsfolge mangelnder Individualisierung des Unternehmensgegenstands besteht ausschließlich in einem Eintragungshindernis (vgl. § 9c Abs. 2 Nr. 1). Das _____________ 4)

5)

6) 7) 8)

9)

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Vgl. BGHZ 117, 323 = ZIP 1992, 689 = DNotZ 1994, 107, dazu EWiR 1992, 113 (Priester); Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 3 Rn. 79; s. a. Rn. 18 und näher etwa L. Weber, Gläubigerschutz bei Mantel- und Vorratsgesellschaften, S. 38. Einhellige Meinung, s. etwa BGHZ 78, 311 = ZIP 1981, 183 = DB 1981, 466; KGJ 34, 149; BayObLG, BB 1995, 1814 = GmbHR 1995, 722 = NJW-RR 1996, 413; OLG Hamm, GmbHR 1996, 360 = NJW-RR 1996, 1184 = Rpfleger 1996, 204; BayObLG, ZIP 2003, 527 = NZG 2003, 482 = DB 2003, 717; OLG Düsseldorf, GmbHR 2010, 1261 = NZG 2010, 1352 = DNotZ 2011, 444, dazu aber krit. Wachter, EWiR 2010, 779, 780 – zu streng; eingehend zur Individualisierung Blasche, DB 2011, 517 – 522. Zu dem Problemfall „Verwaltung von Vermögen u. Beteiligung an anderen Unternehmen“ vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1970, 815. BayObLG, NJW 1976, 1694; OLG Hamburg, BB 1968, 267; s. a. Sachs, DNotZ 1976, 355. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 20; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 3 Rn. 9; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 3 Rn. 10; so auch OLG Düsseldorf, NJW 1970, 815. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 18; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 3 Rn. 10.

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§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrags

Registergericht darf freilich in einem solchen Fall die Konkretisierung nicht selbst vornehmen, sondern muss den Gründern hierzu Gelegenheit geben. Wird trotz Leerformel eingetragen, liegt kein Nichtigkeitsgrund vor, und auch die Amtsauflösung nach § 399 Abs. 4 FamFG scheidet aus. Anderes gilt, wenn die tatsächliche Tätigkeit wesentlich vom Unternehmensgegenstand abweicht. Hierdurch wird zwar die Angabe im Vertrag nicht nachträglich unwirksam; § 397 FamFG ist aber entsprechend anwendbar (siehe § 1 Rn. 28 [Schäfer]).10) Die Unmöglichkeit, Geschäfte im Bereich des Unternehmensgegenstands durchzuführen, eröffnet regelmäßig die Auflösungsklage nach § 61. c) Betrag des Stammkapitals (Nr. 3) Das Stammkapital beträgt als Garantiefonds zugunsten der Gläubiger bei der GmbH regelmäßig mindestens 25.000 € (§ 5 Abs. 1), darf aber bei der UG auf bis zu 1 € herabgesenkt werden (§ 5a Abs. 1). Hierdurch büßt es dort seine Funktion als Seriositätsschwelle zwar weitgehend ein, als Bezugspunkt für das Kapitalaufbringungsrecht und die Unterbilanz- bzw. Verlustdeckungshaftung (siehe § 11 Rn. 25 ff [Schroeter]) funktioniert es aber ebenso noch wie als Eingreifschwelle für das Kapitalerhaltungsrecht, namentlich i. R. d. Ausschüttungsverbots des § 30 Abs. 1. Näher zum Begriff siehe § 5 Rn. 5 ff [Schäfer].

10

Das Stammkapital ist im Gesellschaftsvertrag – auch bei der UG – stets als exakter und fester Betrag in Euro auszudrücken. Übergangsvorschriften zur DM finden sich noch in § 1 EGGmbHG (Art. 2 MoMiG). Die Summe der nach Absatz 1 Nr. 4 ebenfalls anzugebenden Nennbeträge (siehe Rn. 12) muss sich mit dem Stammkapitalbetrag decken (näher § 5 Abs. 3 Satz 2 und die Erläuterungen dort). Vor der Eintragung kann das Stammkapital noch im Wege der (formbedürftigen [§ 2]) Vertragsänderung variiert werden, sofern sämtliche Gesellschafter zustimmen; nach der Eintragung ist eine Kapitalerhöhung gem. §§ 55 ff durchzuführen. Analog § 26 Abs. 2 AktG ist zudem der Gründungsaufwand zwingend in der Satzung auszuweisen (dazu siehe § 5 Rn. 35 [Schäfer]).

11

d) Zahl und Nennbetrag der Geschäftsanteile (Nr. 4) Die Vorschrift hat ihre aktuelle Gestalt durch das MoMiG erhalten (siehe Rn. 4). Abgesehen davon, dass jetzt auch die Zahl der von jedem Gesellschafter übernommenen Geschäftsanteile anzugeben ist (siehe Rn. 13), sind die Änderungen aber lediglich redaktioneller Art,11) sodass sich eine Übergangsregelung erübrigt hat. Namentlich ist statt von der Stammeinlage (aus der sich der Geschäftsanteil ableitete, § 14 a. F.) jetzt vom Geschäftsanteil die Rede. Klargestellt ist daher, dass jeder Gesellschafter mindestens einen Geschäftsanteil zu übernehmen und hierauf eine Einlage („Stammeinlage“) zu leisten hat (Einheitsgründung mit vollständiger Zeichnung des Stammkapitals). Zum möglichen Inhalt der Einlagepflicht (Geld- oder Sacheinlage) siehe § 5 mit Erläuterungen. Der Geschäftsanteil bezeichnet die Mitgliedschaft _____________ 10) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 23; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 3 Rn. 10; abweich. aber BayObLG, ZIP 2002, 1400 = NZG 2002, 828 = DB 2002, 940, dazu EWiR 2003, 927 (Borges) – zur tatsächlichen Sitzverlegung nach § 4 a. F. 11) Vgl. BT-Drucks. 16/6140, S. 28.

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(näher dazu siehe die Erläuterungen zu § 14). Die Stammeinlage12), in Nummer 4 etwas unbeholfen definiert als „Einlage auf das Stammkapital“,13) bleibt auch bei einer späteren Kapitalerhöhung stets gleich; der Gesellschafter übernimmt dann – regelmäßig gegen Einlage (vgl. § 55 Abs. 3) – einen neuen Geschäftsanteil; demgegenüber ist der Nennbetrag des Geschäftsanteils variabel (siehe Rn. 14). 13

Die Zahl der von jedem Gesellschafter übernommenen Geschäftsanteile (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 2) ist ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag (in der Satzung) anzugeben; ihre bloße Bestimmbarkeit der Zuordnung reicht ebenso wenig wie die Angabe in der begleitenden Gründungsvereinbarung („Mantel“).14) Bei der vereinfachten Gründung erübrigt sich die Angabe freilich, weil hier nur jeweils ein Geschäftsanteil übernommen werden kann (MP Nr. 3, dazu siehe § 2 Rn. 92 [Schäfer]).

14

Der Begriff des Nennbetrages ist § 23 AktG entlehnt; zusammengenommen ergeben alle Nennbeträge den Betrag des Stammkapitals, § 5 Abs. 3 Satz 2. Der Nennbetrag muss im Gesellschaftsvertrag, entsprechend der früheren Angabe zum Wert der Stammeinlage,15) ebenfalls als fester Euro-Betrag ausgewiesen werden, und zwar hinsichtlich jedes Geschäftsanteils. Seine Mindesthöhe ergibt sich aus § 5 Abs. 2 Satz 1; er darf bei der Gründung keinesfalls größer sein als die jeweilige Stammeinlage (siehe § 14 Satz 2 und die Erläuterungen dort). Die Nennbeträge der einzelnen Geschäftsanteile können, auch soweit sie von demselben Gründer übernommen sind, unterschiedlich hoch sein, § 5 Abs. 3 Satz 1. Anders als die Stammeinlage (siehe Rn. 12) kann sich der Nennbetrag des Anteils nachträglich verändern – etwa durch nominelle Aufstockung nach Einziehung anderer Anteile oder durch Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln.16)

15

Die einhellige Meinung zum alten Recht hat aus den Worten „von jedem Gesellschafter zu leistende Einlage“ zu Recht – auch bei der Einpersonen-Gründung – die Notwendigkeit hergeleitet, dass zusätzlich die Gründer im Gesellschaftsvertrag namentlich anzugeben sind.17) Hieran ist schon wegen der inhaltsgleichen Formulierung („die jeder Gesellschafter … übernimmt“) auch für die aktuelle Gesetzesfassung festzuhalten.18) Inhaltlich reichen Name und Anschrift bzw. Firma und Sitz zu Identifizierungszwecken grundsätzlich aus;19) im Falle einer (Außen-)GbR sind auch deren Gesellschafter anzugeben.20) Die weiteren Angaben des § 40 Abs. 1 sind nur für den Eintrag in die Gesellschafterliste erforderlich (dazu siehe § 40 _____________ 12) Den Begriff hat der Gesetzgeber „für eine Übergangszeit“ beibehalten, sieht ihn aber als entbehrlich an, BT-Drucks. 16/6140, S. 28. 13) Genauer: § 14 Satz 1, wo als Bezugspunkt nicht das Stammkapital, sondern der Geschäftsanteil gewählt wird. 14) S. nur Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 3 Rn. 17. 15) Vgl. BT-Drucks. 16/6140, S. 29. 16) BT-Drucks. 16/6140, S. 29; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 3 Rn. 15. 17) OLG Hamm, NJW 1987, 263 = GmbHR 1986, 311; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/ Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 34. 18) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 3 Rn. 16. 19) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 35. 20) So (in Bezug auf die Gesellschafterliste) OLG Hamm, GmbHR 2016, 1090 = DB 2016, 2107 m. Anm. Hermanns, s. ferner Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 35 (offenlassend); Huneke, GmbHR 2016, 1186.

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Rn. 14 ff [Wachter]). Bei späterer Überarbeitung der Satzung können die Namen und die jeweiligen Stammeinlagen aber selbst dann gestrichen werden, wenn die – weiterhin aus den Registerakten ersichtlichen – ursprünglichen Einlagepflichten noch nicht vollständig erbracht sein sollten.21) 2.

Bestimmtheitserfordernis

Sämtliche Angaben zum Mindestinhalt müssen bestimmt und unbedingt sein; insbesondere die mit der Übernahme eines Geschäftsanteils verbundene Beitrittserklärung ist bedingungsfeindlich (Simultangründung!); zulässig ist aber eine Rechtsbedingung, die lediglich auf die Einhaltung der geltenden Rechtslage zielt. Im Übrigen besteht bei bedingten Erklärungen ein Eintragungshindernis nach § 9c Abs. 2 Nr. 1, solange der Eintritt der Bedingung nicht nachgewiesen ist.22) Entsprechendes gilt bei Unbestimmtheit. Die trotz eines solchen Mangels eingetragene GmbH kommt aber bei Heilung des Mangels zur Entstehung, insbesondere wird die fehlerhafte Beitrittserklärung in vollem Umfang – und unter Wegfall der Bedingung – bindend (heute einhellige Meinung).23) 3.

Fehlerhafte Regelung des Mindestinhalts

Fehlt ein Mindestbestandteil, so ist der Gesellschaftsvertrag insgesamt unwirksam. Vor Eintragung kann die Unwirksamkeit aber nur so lange unbeschränkt geltend gemacht werden, bis die Vor-GmbH ihre Geschäfte begonnen hat; danach ist die Gesellschaft nach den Regeln der Lehre vom fehlerhaften Verband (LfV) nur noch durch Kündigung mit Wirkung für die Zukunft auflösbar (siehe § 2 Rn. 113 [Schäfer]); außerdem besteht ein Eintragungshindernis nach § 9c Abs. 2 Nr. 1. – Nach der Eintragung begründen nur die in § 75 bezeichneten Mängel die dortige „Nichtigkeitsklage“ (bzw. die Amtslöschung nach § 397 FamFG [früher § 144 FGG]); Fehler bei den übrigen Mindestbestandteilen ermöglichen lediglich ein Amtsauflösungsverfahren nach § 399 Abs. 4 FamFG (früher § 144a Abs. 4 FGG) i. V. m. § 60 Abs. 1 Nr. 6, sofern sie nicht durch Satzungsänderung behoben werden (siehe Rn. 1). 4.

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Exkurs: Vorratsgründung und Mantelverwertung24)

Die Gründung einer Vorrats-Gesellschaft ist bislang auf Grundlage der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 16.3.199225) (AG) bzw. vom 9.12.200226) _____________ 21) H. M., vgl. OLG Rostock, GmbHR 2011, 710 = NZG 2011, 992; OLG München, ZIP 2010, 1902, 1903 = DNotZ 2010, 939 = BB 2010, 2009; BayObLG, ZIP 1996, 2109, 2110 = GmbHR 1997, 73 = NJW-RR 1997, 485; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 32; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 3 Rn. 18. 22) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 3 Rn. 20. 23) Zur – differenziert zu beurteilenden – Problematik unbestimmter Beitragspflichten vgl. aber Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 84 ff. 24) Dazu eingehend etwa L. Weber, Gläubigerschutz bei Mantel- und Vorratsgesellschaften, 2008; Goette, DStR 2004, 461; Kleindiek in: FS Priester, S. 369; Heidinger, ZGR 2005, 101 ff; Leuering, NJW-Spezial 2008, 175; zur Situation nach MoMiG: Müller/Federmann, BB 2009, 1375; Habersack, AG 2010, 845; K. Schmidt, ZIP 2010, 857; Krolop, ZIP 2011, 305; Herresthal/Servatius, ZIP 2012, 197; Ulmer, ZIP 2012, 1265. 25) BGHZ 117, 323 = ZIP 1992, 689 = DNotZ 1994, 107, dazu EWiR 1992, 113 (Priester). 26) BGHZ 153, 158 = ZIP 2003, 251 = NJW 2003, 892, dazu EWiR 2003, 327 (Keil).

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(GmbH) als zulässig angesehen worden, sofern der Vorratscharakter im Unternehmensgegenstand hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, wofür – jedenfalls in Verbindung mit einer charakteristischen „Vorrats-Firma“27) – die Formulierung „Verwaltung eigenen Vermögens“ als ausreichend beurteilt wird (sog. offene Vorratsgründung).28) An dieser Zulässigkeit hat sich durch die Bereitstellung eines vereinfachten und beschleunigten Verfahrens durch § 2 Abs. 1a im Prinzip nichts geändert, auch wenn der Beschleunigungsvorteil der Vorratsgründung dadurch erheblich reduziert wird. Ob es der interessierten Beratungs- und Handelspraxis gleichwohl gelingt, weiterhin Vorratsgesellschaften (auch als „Vorrats-UG“) in nennenswertem Umfang zu vermarkten, bleibt abzuwarten. Denn auch bei wirtschaftlicher Neugründung einer Vorratsgesellschaft bedarf es wegen der dann erforderlichen Satzungsänderungen (mindestens hinsichtlich Firma, Sitz, Unternehmensgegenstand) eines Eintragungsverfahrens. Aus Haftungsgründen ist die Aktivierung einer Vorratsgesellschaft überdies nicht ungefährlich (siehe Rn. 19). – Die im Folgenden darzustellenden Grundsätze gelten im Ansatz uneingeschränkt auch für die UG, mag ihnen dort auch eine geringere praktische Bedeutung zukommen.29) 19

Bei der wirtschaftlichen Neugründung der Vorratsgesellschaft, die sich notwendigerweise mit Satzungsänderungen hinsichtlich des Unternehmensgegenstands (Nr. 2) und der Firma (Nr. 1), häufig auch des Sitzes (Nr. 1) sowie mit einer Kapitalerhöhung verbindet, ist diese Aktivierung der Gesellschaft explizit bei der Anmeldung offenzulegen und hierbei entsprechend § 8 Abs. 2 zu versichern, dass die Mindesteinlagen gemäß § 7 Abs. 2, 3 erbracht sind und sich im Anmeldezeitpunkt ihrem Wert nach (immer) noch in der endgültigen freien Verfügung der Geschäftsführer befinden.30) Dies ist auch Gegenstand der registergerichtlichen Prüfung der wirtschaftlichen Neugründung. Zugleich wendet der Bundesgerichtshof zu Recht das materielle Gründungsrecht entsprechend an.31) Die nach der Rechtsprechung erforderliche „Offenlegungserklärung“ ist allerdings insofern ungenau, _____________ 27) S. BGHZ 153, 158 = ZIP 2003, 251 = NJW 2003, 892, dazu EWiR 2003, 327 (Keil) – „D. Fünfundzwanzigste Verwaltungsges. mbH“ wurde als zulässig beurteilt; zum Irreführungsverbot gemäß § 18 Abs. 2 HGB in diesem Kontext etwa Ulmer/Habersack/LöbbeUlmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 153. 28) BGHZ 117, 323 = ZIP 1992, 689 = DNotZ 1994, 107, dazu EWiR 1992, 113 (Priester); Priester, DB 1983, 2291, 2298; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 3 Rn. 79; Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 3 Rn. 11a. 29) Anders L. Weber, Gläubigerschutz bei Mantel- und Vorratsgesellschaften, 2008, S. 191 f. 30) BGHZ 153, 158 = ZIP 2003, 251 = NJW 2003, 892, dazu EWiR 2003, 327 (Keil); BGHZ 155, 318 = ZIP 2003, 1698, 1701 = NJW 2003, 3198, dazu EWiR 2003, 967 (Keil); BGH, ZIP 2012, 817, 818 = NJW 2012, 1875, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer); OLG Nürnberg, GmbHR 2011, 582, 585 f = ZIP 2011, 1670 (LS); OLG Hamburg, ZIP 2004, 2431 = GmbHR 2005, 164, dazu EWiR 2005, 117 (Bayer); OLG Jena, ZIP 2007, 124 = DB 2006, 2624 = WM 2007, 77, dazu EWiR 2007, 433 (Naraschewski); OLG München, ZIP 2010, 579, 580 f = BB 2010, 1240, dazu EWiR 2010, 249 (Melchior); Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 3 Rn. 86; überholt: BayObLG, GmbHR 1999, 607, 608 = DB 1999, 954 = NJW-RR 2000, 113, dazu EWiR 1999, 647 (Heublein). 31) BGHZ 153, 158 = ZIP 2003, 251 = NJW 2003, 892, dazu EWiR 2003, 327 (Keil); BGHZ 155, 318 = ZIP 2003, 1698 = NJW 2003, 3198, dazu EWiR 2003, 967 (Keil); BGH, ZIP 2012, 817, 818 = NJW 2012, 1875, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer); Ulmer, ZIP 2012, 1265; Bachmann, NZG 2012, 579.

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als es sich eigentlich nicht um eine an die ursprüngliche Einlagepflicht anknüpfende Inferentenhaftung geht (vorbehaltlich noch offener Einlagepflichten), sondern um die anteilige Unterbilanzhaftung sämtlicher Gründer, weshalb streng genommen das Nichtbestehen einer Unterbilanz versichert werden müsste. Denn anerkanntermaßen haften sämtliche Gründer jedenfalls für die bis zu dieser Anmeldung32) entstehende Unterbilanz (bezogen auf das statutarische Stammkapital),33) und zwar grundsätzlich auf Geldleistung gegenüber der GmbH, ausnahmsweise auch unmittelbar (zur Unterbilanzhaftung näher die Erläuterungen zu § 11).34) Kommt es nicht zur korrekten Anmeldung der wirtschaftlichen Neugründung, so haften die Gründer nach einem neueren Urteil des Bundesgerichtshofs gleichwohl nur für solche Verluste der Gesellschaft, die bis zur wirtschaftlichen Neugründung entstanden sind, sofern sie den Wert des Gesellschaftsvermögens zu diesem Zeitpunkt nachweisen können (siehe § 11 Rn. 79 f [Schroeter]).35) Anwendbar sind überdies § 5, ggf. auch §§ 16 Abs. 2, 19 ff sowie §§ 30 ff.36) Die Haftung der ursprünglichen Gründer nach §§ 9a, 16 Abs. 3 (a. F.), § 22 Abs. 1 bleibt durch die (Neu-)Gründerhaftung aber selbstverständlich unberührt.37) Allerdings haften diese nicht für Entnahmen der neuen Gründer i. R. eines Hin- und Herzahlens.38)

_____________ 32) Zu diesem – von der Gründung (Eintragung!) abweichenden – Stichtag BGHZ 153, 158, 162 = ZIP 2003, 251 = NJW 2003, 892, dazu EWiR 2003, 327 (Keil); OLG Düsseldorf, ZIP 2012, 2011 = GmbHR 2012, 1135, dazu EWiR 2013, 11 (Bode). Wird nicht angemeldet, ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die wirtschaftliche Neugründung aufgenommen wird und hierdurch nach außen in Erscheinung tritt, BGH, ZIP 2012, 817 = NJW 2012, 1875, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer); Ulmer, ZIP 2012, 1265; Bachmann, NZG 2012, 579; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 159. 33) Klargestellt durch BGHZ 155, 318, 322 = ZIP 2003, 1698 = NJW 2003, 3198, dazu EWiR 2003, 967 (Keil); BGH, ZIP 2012, 817= NJW 2012, 1875, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer); s. a. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 169; Ulmer, ZIP 2012, 1265, 1266; Ihrig, BB 1988, 1197. 34) Zur Frage des Vertrauensschutzes in Altfällen (wirtschaftliche Neugründung vor 7.7.2003) vgl. OLG Köln, ZIP 2008, 973. 35) BGH, ZIP 2012, 817, 818 f = NJW 2012, 1875 mit krit. Anm. Bayer EWiR 2012, 347; krit. auch Schroeter § 11 Rn. 79; zustimmend dagegen Ulmer, ZIP 2012, 1265, 1266 ff, 1272; Giedinghagen/Rulf, GmbHR 2012, 637, 638; Tavakoli, NJW 2012, 1855, 1857; Jeep, NZG 2012, 1209, 1210 ff; Horn, DB 2012, 1255, 1257; abweichend noch BGHZ 155, 318, 326 = ZIP 2003, 1698 = NJW 2003, 3198, dazu EWiR 2003, 967 (Keil) – sogar für Altmantel-Verwertung, vgl. aber Rn. 22 sowie die weitere in Fn. 28 nachgew. Rspr.; aus dem Schrifttum ferner nur Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 178; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 3 Rn. 20 ff; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 3 Rn. 13c; Hüffer, NJW 2011, 1772, 1774 ff; Bachmann, NZG 2011, 441, 442; a. A. – für bloße Differenzhaftung – aber KG, ZIP 2010, 582 = NZG 2010, 387 (n. rkr), dazu EWiR 2010, 291 (Giedinghagen/Rulf); Habersack, AG 2010, 845, 849 f; K. Schmidt, ZIP 2010, 857, 861. 36) Anwendbar sind aber auch die (neuen) Regeln der verdeckten Sacheinlage (§ 19 Abs. 4); vgl. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 3 Rn. 12; zur alten Rechtslage; Swoboda, GmbHR 2005, 649. 37) Zutr. OLG Oldenburg, NZG 2008, 32, 36 = ZIP 2008, 267 = DB 2007, 2195. 38) BGH, ZIP 2006, 331 = GmbHR 2006, 306 = DStR 2006, 382, dazu EWiR 2006, 307 (Naraschewski) – Hin- und Herzahlen bei Treuhandabrede i. R. einer Vorratsgründung.

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Ob außerdem auch eine Handelndenhaftung analog § 11 Abs. 2 eingreift, war lange Zeit eine offene Frage, die im Schrifttum unterschiedlich beurteilt wurde.39) Der Bundesgerichtshof (II. Senat) hat sie inzwischen dahin entschieden, dass die Handelndenhaftung für alle Geschäfte eingreift, die vor Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung aufgenommen worden sind.40) Da die Haftung aus § 11 Abs. 2 nicht nur eine Sicherungs-, sondern richtigerweise auch eine Druckfunktion hat (in Hinblick auf die von den Geschäftsführern zu betreibende Eintragung; siehe die Erläuterungen zu § 11), ist die Haftung mit Rücksicht auf die erwähnte Anmeldepflicht (siehe Rn. 19) zu bejahen, entgegen einem obiter dictum des Bundesgerichtshofs jedoch nicht nur bei eigenmächtigem, also nicht von allen Gesellschaftern konsentiertem Verhalten der Geschäftsführer.41) Analog zur Gründerhaftung wird man die Handelndenhaftung aber trotz fehlender Offenlegung im Zeitpunkt der Anmeldung der wirtschaftlichen Neugründung enden lassen müssen.

21

Die Grundsätze zur Anmeldepflicht und Haftung bei wirtschaftlicher Neugründung (siehe Rn. 19 f) gelten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Ansatz auch für die Aktivierung eines Alt-Mantels, also die wirtschaftliche Neugründung einer über längere Zeit inaktiven Alt-Gesellschaft (siehe Rn. 22).42) Dem ist zuzustimmen, zumal die Risiken für den Gläubigerschutz bei GebrauchtMänteln offensichtlich noch höher sind als bei Vorratsgesellschaften und das Gründungsrecht daher hier erst recht gegen Umgehung zu schützen ist. Eine besondere Schwierigkeit besteht aber darin, diese Fälle von der – haftungsunschädlichen – Reorganisation einer noch aktiven GmbH abzugrenzen, namentlich also von Umstrukturierungsfällen innerhalb eines Konzerns.43) Keine Neugründung liegt auch vor, wenn Satzungsänderungen während der Abwicklungsphase eingetragen werden.44) Auch die Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft ist als _____________ 39) Befürwortend etwa Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 3 Rn. 13d; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 3 Rn. 89; wohl auch Goette, DStR 2004, 461, 464; tendenziell (wie BGHZ 155, 327) auch Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 161; abl. Priester, ZHR 168 (2004) 248, 263 f; Heydinger/Meyding, NZG 2003, 1129, 1134; K. Schmidt, GesR, § 4 III 3e. 40) BGH, ZIP 2011, 1761 Rn. 11 ff = NZI 2011, 776 – im konkreten Fall verneint, dazu EWiR 2011, 639 (Nolting); tendenziell bejahend schon BGHZ 155, 318, 327 = ZIP 2003, 1698 = NJW 2003, 3198, dazu EWiR 2003, 967 (Keil), jeweils aber begrenzt auf Fälle, in denen nicht alle Gesellschafter der Geschäftsaufnahme zugestimmt haben. 41) Vgl. Henssler/Strohn-Schäfer, GesR, § 11 GmbHG Rn. 49; i. E. wie hier auch § 11 Rn. 86 m. w. N. (Schroeter). 42) BGHZ 155, 318 = ZIP 2003, 1698 = NJW 2003, 3198, dazu EWiR 2003, 967 (Keil); BGH, ZIP 2012, 817, 818 = NJW 2012, 1875, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer); so auch OLG Jena, ZIP 2004, 2327 = BB 2004, 2206 = GmbHR 2004, 1468, dazu EWiR 2005, 179 (Werner). 43) Dazu etwa LG Berlin v. 26.2.2008 – 92 O 24/07, zur Rspr. näher Leuering, NJW-Spezial 2008, 175 m. N., dazu auch Korsten/Hennig, EWiR 2008, 401; s. a. OLG Celle, ZIP 2008, 605 (LS) = GmbHR 2008, 211 = NZG 2008, 271 – Fortsetzung einer wg. Vermögenslosigkeit gelöschten GmbH. 44) KG, DB 2012, 2387, 2388 = ZIP 2012, 1863, dazu EWiR 2012, 623 (Priester): keine Haftung ohne Entfaltung unternehmerischer Tätigkeit; s. a. BGH, ZIP 2014, 418 Rn. 15 = GmbHR 2014, 317 = NZG 2014, 264, dazu EWiR 2014, 273 (Keiluweit).

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solche noch keine wirtschaftliche Neugründung.45) Hier, wie allgemein, kommt es nach der Rechtsprechung darauf an, ob noch ein Geschäftsbetrieb vorhanden ist, der lediglich ausgebaut wird (dann bloße Wiederinbetriebnahme) oder ob es keinerlei Anknüpfungspunkte für das aktuell betriebene Unternehmen mehr gibt, die Gesellschaft also eine gänzlich neue Geschäftstätigkeit aufnimmt (dann wirtschaftliche Neugründung eines Alt-Mantels, sog. „leere Hülse“).46) Ein Wechsel des Unternehmensgegenstands ist hierfür aber nicht erforderlich; vielmehr kann auch die Wiederaufnahme gleicher oder ähnlicher Geschäfte eine wirtschaftliche Neugründung sein, sofern die Gesellschaft zuvor völlig stillgelegt worden war.47) Ferner hält der Bundesgerichtshof weder den – gut abgrenzbaren – Austausch der Gesellschafter durch Abtretung sämtlicher Geschäftsanteile noch die Vermögenslosigkeit der Gesellschaft für ausschlaggebend, billigt beiden Umständen aber indizielle Bedeutung zu. In der Literatur ist die Unbestimmtheit dieser Kriterien in Hinblick auf die erheblichen Haftungsrisiken auf Kritik gestoßen, wobei man sich über den Fall der Aktivierung eines gänzlich untätigen und vermögenslosen Alt-Mantels durchaus einig ist.48) Nicht zuletzt wegen der diffizilen Abgrenzungsproblematik bedarf es bei Alt-Mänteln einer sorgfältigen Feinjustierung der Rechtsfolgen. Insbesondere erscheint es sachgerecht, bei der analog § 8 Abs. 2 erforderlichen Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung nicht die freie Verfügung über die ursprünglichen Einlagen versichern zu lassen, sondern allein die volle Deckung des Stammkapitals durch das Gesellschaftsvermögen im Anmeldezeitpunkt; als Wertnachweis sollte dabei in Anlehnung an § 57i grundsätzlich die letzte Jahresbilanz oder, falls zu weit zurückliegend, eine Zwischenbilanz zugelassen werden.49) Auch die Haftung der Gesellschafter (ausführlich siehe § 11 Rn. 72 ff [Schroeter]) ist dann folgerichtig auf die Differenz zwischen dem bei Anmeldung bzw. Aufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit vorhandenen und dem statutarischen Stammkapitalbetrag zu begrenzen, freilich mit Beweislast bei den Gesellschaftern, und zwar – anders als bei der Aktivierung einer Vorratsgesellschaft (siehe Rn. 19) – selbst dann, wenn eine Offenlegung unterbleibt, sofern nicht ein zweifelsfreier Fall von Altmantel-Verwertung vorliegt (Aktivie_____________ 45) BGH, ZIP 2014, 418 Rn. 13 = GmbHR 2014, 317 = NZG 2014, 264, dazu EWiR 2014, 273 (Keiluweit). 46) BGHZ 155, 318, 324 = ZIP 2003, 1698 = NJW 2003, 3198, dazu EWiR 2003, 967 (Keil); BGH, ZIP 2010, 621 m. Anm. K. Schmidt, S. 857 = GmbHR 2010, 474 = NJW 2010, 1459 m. zust. Anm. Schmitz-DuMont EWiR 2010, 611 – keine Mantelverwendung, wenn die Gesellschaft seit ihrer Gründung nur mit Vorbereitungen zur Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit befasst war; so auch Lieder, NZG 2010, 410; BGH, ZIP 2012, 817, 818 = NJW 2012, 1875, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer). 47) BGH, ZIP 2014, 418 Rn. 12 a. E. = GmbHR 2014, 317 = NZG 2014, 264, dazu EWiR 2014, 273 (Keiluweit). 48) Etwa Altmeppen, DB 2003, 2050, 2053; K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1351 f; Wilhelmi, DZWIR 2004, 177, 183 ff; Kleindiek in: FS Priester, S. 369, 376 ff; vgl. auch Ulmer/ Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 166 f; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 3 Rn. 103; enger etwa L. Weber, Gläubigerschutz bei Mantel- und Vorratsgesellschaften, S. 110 ff, der hier zwingend einen Gesellschafterwechsel verlangt. 49) Überzeugend Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 175 ff; ebenso auch Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 3 Rn. 14c.

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rung einer vermögenslosen und völlig untätigen Gesellschaft).50) Folgerichtig ist dann auch die Handelndenhaftung aus § 11 Abs. 2 auf diese eindeutigen Fälle zu begrenzen. Dies entspricht dem vom Bundesgerichtshof jetzt generell für die wirtschaftliche Neugründung verfolgten Haftungskonzept (siehe Rn. 19). – Zur Verjährung der Unterbilanz-/Verlustdeckungshaftung in Altfällen vgl. Bundesgerichtshof vom 26.11.2007.51) III. Fakultativer, formbedürftiger Inhalt (Abs. 2) 1.

Allgemeines

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Die in Absatz 2 genannten Bestimmungen (zeitliche Befristung des Unternehmens, Nebenleistungspflichten) gehören zwar nicht zu den Mindestbestandteilen, können aber ebenfalls auf Ebene der GmbH wirksam nur im Gesellschaftsvertrag getroffen werden. Die Aufzählung ist nicht abschließend; vielmehr müssen nach dem Normzweck des § 2 (notarielle Form) alle wesentlichen (materiellen) Regelungen im Gesellschaftsvertrag selbst getroffen werden.52) Insofern bringt Absatz 2 lediglich einen allgemeinen Grundsatz zum Ausdruck, der im Übrigen auch in einer Reihe anderer Vorschriften aufscheint (z. B. §§ 5 Abs. 4, 15 Abs. 5, 26 Abs. 1, 34 Abs. 1, 35 Abs. 2 Satz 1, 45 Abs. 2, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Satz 2, 60 Abs. 1 Nr. 1, 66 Abs. 1). Alles dies schließt bei den Nebenleistungspflichten freilich einen inhaltlichen Überschneidungsbereich zu schuldrechtlichen Nebenabreden nicht aus. So muss etwa ein Agio nicht zwingend in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden; seine Vereinbarung ist auch außerhalb der Satzung („schuldrechtlich“) möglich, bindet dann aber naturgemäß nur die am Vertragsschluss Beteiligten (siehe Rn. 30 und 38 f).53)

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Andererseits können Rechte (und Pflichten) Dritter (z. B. Zustimmungs- oder Entsendungsrechte) gegenüber der GmbH nach zutreffender h. M. generell nicht in der Satzung, sondern ausschließlich schuldrechtlich zwischen den Beteiligten vereinbart werden.54) Verpflichtende Regeln zulasten Dritter setzen im Übrigen _____________ 50) Näher Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 176; inzwischen grds. auch – freilich ohne Differenzierung zwischen Vorrats- und Mantelgesellschaft – BGH, ZIP 2012, 817, 823 = NJW 2012, 1875, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer); tendenziell weitergehend OLG München, ZIP 2010, 579, 582 = BB 2010, 1240 m. zust. Anm. Wachter und Melchior, EWiR 2010, 249 – unbegrenzte Haftung bei unterbliebener Offenlegung (wobei aber die Möglichkeit der von Ulmer vorgeschlagenen Begrenzung mangels ausreichenden Sachvortrags offenbleibt); krit. dagegen K. Schmidt, ZIP 2010, 857; Podewils, GmbHR 2010, 684; Krolop, ZIP 2011, 305, 311 – Haftung des Erwerbers nur für rückständige Einlagen; für eine reine Differenzhaftung: Habersack, AG 2010, 845, 850; vgl. auch Werner, GmbHR 2010, 804; 807 – jedenfalls keine über die Unterbilanzhaftung hinausgehende Haftung. 51) BGH, ZIP 2008, 217 = GmbHR 2008, 208 = NZG 2008, 147, dazu EWiR 2008, 535 (Ostermaier) – nicht analog § 19 Abs. 6; Art. 229 § 12 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB, § 12 Abs. 6 in zehn, sondern analog § 9 Abs. 2 a. F. in fünf Jahren; mit Verjährungsbeginn schon bei Neuaufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit. 52) Einhellige Meinung, vgl. nur Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 39; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 3 Rn. 25. 53) BGH, GmbHR 2008, 147 = ZIP 2007, 2416 = DB 2007, 2826. 54) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 43 ff und eingehend Ulmer in: FS Wiedemann, S. 1297, 1304 ff; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 3 Rn. 75; Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 3 Rn. 26, alle m. w. N.

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stets deren Mitwirkung voraus; gemäß § 328 BGB können Rechte eines Dritten hingegen auch ohne dessen Mitwirkung begründet werden. 2.

Befristung

Eine Befristung der Gesellschaft muss gemäß Absatz 2, § 60 Abs. 1 Nr. 1, um wirksam zu sein, im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden; die Bezugnahme auf eine privatschriftliche Urkunde reicht nicht.55) Zudem ist gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 die Eintragung ins Handelsregister erforderlich (aber nicht gleichfalls Wirksamkeitsvoraussetzung). Ohne wirksame Befristungsregelung ist die GmbH auf unbestimmte Zeit gegründet, wird also nicht automatisch nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 aufgelöst. Vereinbaren die Gründer schuldrechtlich eine Befristung, so kann darin lediglich eine Verpflichtung zu sehen sein, nach Ablauf der Frist einen Auflösungsbeschluss i. S. v. § 60 Abs. 1 Nr. 2 zu fassen.56)

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Damit die per-se-Auflösung gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 1 rechtssicher eintreten kann, setzt Absatz 2 einen „gewissen“ Zeitraum voraus, weshalb die Befristung nur auf eine kalendermäßig bestimmte (Datum!) oder jedenfalls objektiv genau bestimmbare Zeit (z. B. zehn Jahre seit Vertragsschluss) vereinbart werden kann. Über diesen zweifelsfreien Bereich hinaus lässt es die h. M. auch zu, dass die Auflösung an ein zukünftiges objektives Ereignis geknüpft wird (Geburtstag eines Gesellschafters; Ablauf eines Patents etc.).57) Nicht ausreichend ist aber jedenfalls eine auflösende Bedingung, die nur nach § 60 Abs. 2 als Auflösungsgrund in Betracht kommt (siehe § 60 Rn. 4, 21 [Roth]).

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3.

Nebenleistungspflichten

a) Einführung und Begriffsbestimmung Ebenso wie Sonderrechte zugunsten einzelner Gesellschafter (siehe § 2 Rn. 19 [Schäfer]) können auch Nebenleistungspflichten durch Aufnahme in die Satzung in weitem Umfang wirksam begründet werden. Sie haben bei der GmbH – bei stark unterschiedlichem Erscheinungsbild – eine große praktische Bedeutung und dienen regelmäßig dazu, den personalistischen Charakter nach Art einer Personengesellschaft hervorzuheben.58) Während das Aktienrecht (§ 55 AktG) solche Pflichten nur in engen Grenzen zulässt (wiederkehrende Pflicht; nicht in Geld bestehend), kennt das GmbH-Recht keine expliziten Schranken, sodass grundsätzlich alle Arten von Geldleistungen, Handlungen und Unterlassungen möglich sind. Die Nebenleistungspflicht kann entgeltlich oder unentgeltlich sein, letzteres kommt namentlich bei Wettbewerbsverboten und „verlorenen Zuschüssen“ in Betracht.59) Selbstverständlich müssen die Gesellschafter aber zwingendes GmbH-Recht beach_____________ 55) So schon RGZ 79, 418, 422. 56) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 50. 57) BayObLG, BB 1975, 249, 250; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 53; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 3 Rn. 27. 58) Näher Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 59 f; Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 3 Rn. 32 f. 59) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 80 ff – keine Vermutung für Unentgeltlichkeit; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 3 Rn. 36.

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ten, insbesondere die Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsregeln. Statutarische, der GmbH gegenüber bestehende und an den Geschäftsanteil60) gebundene Nebenleistungspflichten sind von Pflichten zu unterscheiden, welche die Gesellschafter untereinander durch schuldrechtliche Nebenabrede persönlich übernehmen und die nicht Teil ihrer Mitgliedschaft sind (siehe Rn. 38). 28

Auch Nebenleistungspflichten sind nur wirksam, wenn ihr Gegenstand ausreichend bestimmt ist. Da die nachträgliche Einführung im Wege der Satzungsänderung zwingend die Zustimmung des betroffenen Gesellschafters nach § 53 Abs. 3 voraussetzt,61) muss der Gesellschafter zur Abgrenzung der bereits vereinbarten von einer nachträglich auferlegten Pflicht von vornherein einen festen Rahmen vorgeben, der den wesentlichen Kern der Verpflichtung erkennen lässt und in der Regel auch eine Höchstgrenze enthält (es sei denn, dies ist nach der Art der Pflicht unmöglich).62) Mit Recht hat der Bundesgerichtshof63) etwa eine Verlustübernahmepflicht als unwirksam behandelt, wenn diese weder zeitlich noch der Höhe nach begrenzt ist und betont, Nebenleistungspflichten müssten in der Satzung so konkret bestimmt sein, dass die Gesellschafter das Ausmaß der auf sie zukommenden Verpflichtungen ohne weiteres überblicken könnten.64)

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Abgrenzungsprobleme zwischen Nebenleistungs- und Stammeinlagepflichten treten in der Regel schon deshalb nicht auf, weil die Stammeinlage zum Mindestinhalt des Vertrages gehört (Abs. 1 Nr. 4) und deshalb besonders hervorgehoben wird; vereinbarte Zahlungen, die hierauf angerechnet werden sollen, sind daher notwendig Einlageleistungen. Etwas schwieriger kann die Abgrenzung zu den Nachschusspflichten i. S. v. § 26 sein, deren Durchsetzung notwendig einen Gesellschafterbeschluss erfordert (was bei Nebenleistungspflichten nicht der Fall ist). Weil Nachschüsse im Unterschied zu Nebenleistungen zwingend bei den Passiva zu bilanzieren sind (§ 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB) und der Sperre des § 30 Abs. 2 unterliegen, kommt es für die Abgrenzung entscheidend darauf an, ob die Leistung der Bildung bzw. Stärkung des Eigenkapitals dienen soll.65) Soll zudem der Geschäftsführer zur Einforderung berechtigt sein, liegt wegen § 26 Abs. 1 im Zweifel keine Nachschusspflicht vor. Da es eine Pflicht zur Kapitalausstattung nach herrschender Praxis nicht gibt, sind die Gesellschafter frei, ob sie eine Zusatzleistung als – grundsätzlich nicht den Kapitalschutzregeln unterworfene – Nebenleistungspflicht oder aber als strenger regulierte Nachschusspflicht ausgestalten (zu den kapitalersetzenden Gesellschafterleistungen siehe Anh. zu § 30 Rn. 8 ff [Thiessen]; zur Abgrenzung zu den schuldrechtlichen Nebenabreden siehe Rn. 40). _____________ 60) Mit Anteilsübertragung gehen diese auf den Rechtsnachfolger über, näher etwa Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 3 Rn. 49. 61) Unstr., vgl. nur Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 3 Rn. 24. 62) Im Ansatz ganz h. M., vgl. nur Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 84 ff. 63) BGH, ZIP 2008, 266 = GmbHR 2008, 258 = WM 2008, 252. 64) Zur entsprechenden Rspr. bei nachträglicher Beitragserhöhung vgl. etwa BGH, ZIP 2007, 812 = NJW-RR 2007, 832 = WM 2007, 835 f und näher Schäfer in: MünchKomm-BGB, § 707 Rn. 3, 8. 65) S. nur Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 64; Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 3 Rn. 35.

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b) Möglicher Inhalt Wie erwähnt (siehe Rn. 27), können alle Arten von Leistungen Inhalt einer Nebenleistungspflicht sein, doch kommt der Geldleistung eine besondere Bedeutung zu. Hierbei stehen wiederum Gesellschafter-Darlehen und das Agio im Vordergrund; denkbar ist auch eine Verlustausgleichspflicht, sofern sie hinreichend limitiert ist (siehe Rn. 28 a. E.). Das Agio ist zwar als Kapitalrücklage gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB auszuweisen, wird aber nicht von der Differenzhaftung nach § 9 erfasst und nicht durch § 30 gegen Ausschüttung geschützt (anders gemäß §§ 36a, 54 AktG).66) Der Bundesgerichtshof hat es daher auch zugelassen, dass das Agio nicht als Nebenleistungspflicht in der Satzung vereinbart, sondern zum Gegenstand einer schuldrechtlichen Nebenabrede gemacht wird.67) Wird es aber in die Satzung oder einen satzungsändernden Beschluss aufgenommen, liegt in aller Regel eine Nebenleistungspflicht i. S. v. Absatz 2 vor.68)

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Weitere Beispiele für Nebenleistungspflichten bilden Sachleistungen, namentlich in Form einer Gebrauchsüberlassung,69) und Dienstleistungen, namentlich als Pflicht zur Übernahme der Geschäftsführung, die häufig zugleich mit einem (Sonder-)Recht hierzu verbunden wird. Bei den Unterlassungen bilden Wettbewerbsverbote einen häufigen Inhalt.70)

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c) Wirksamkeitshindernisse; Leistungsstörungen Zwar sind die Nebenleistungspflichten Bestandteil des Gesellschaftsvertrages. Weil sie aber begriffsnotwendig nicht als Entgelt für den Erhalt der Geschäftsanteile anzusehen sind, sind für sie grundsätzlich die allgemeinen, nicht durch die Lehre vom fehlerhaften Verband (siehe § 2 Rn. 111 [Schäfer]) beschränkten Regeln des bürgerlichen Rechts (§§ 119, 123, 134, 138, 142 BGB etc.) anwendbar. Zugleich liegt mangels Anwendbarkeit des § 139 BGB (dazu siehe § 2 Rn. 112 [Schäfer]) keine Gesamtunwirksamkeit des Gesellschaftsvertrages vor, wenn eine einzelne Regelung angefochten wird, zumal Nebenpflichten für Entstehung und Fortbestand der Gesellschaft in aller Regel nicht wesentlich sind. Es besteht daher bei Unwirksamkeit grundsätzlich weder ein Verkehrs- noch ein Bestandsschutzproblem, das einer Rückabwicklung nach allgemeinen Vorschriften entgegenstehen könnte.71) Ausnahmsweise kann dies aber bei – typischerweise unentgeltlichen – Nebenleis_____________ 66) H. M., BGH, GmbHR 2008, 147, 148 = ZIP 2007, 2416 = DB 2007, 2826; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 72; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 3 Rn. 27; Haberstock, NZG 2008, 220 ff (Urteilsanm.); a. A. Geßler, BB 1980, 1385, 1387. 67) BGH, GmbHR 2008, 147, 148 = ZIP 2007, 2416 = DB 2007, 2826. 68) BGH, GmbHR 2008, 147, 148 = ZIP 2007, 2416 = DB 2007, 2826; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 3 Rn. 27. 69) S. etwa Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 73; Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 3 Rn. 40; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 3 Rn. 29; vgl. auch OLG Dresden, GmbHR 1997, 746, 747 – Überlassung von Rechten zur Ausübung. 70) Näher dazu und mit weiteren Beispielen Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 73 ff; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 3 Rn. 40 ff. Zur Gestaltung solcher Klauseln in der Praxis: Fröhlich, GmbH-StB 2012, 157. 71) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 67; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 3 Rn. 48.

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tungen anders sein, sofern sie einen engen Bezug zur Einlagepflicht aufweisen, so etwa bei einem Wettbewerbsverbot, das die Übertragung eines Kundenstamms im Wege der Sacheinlage absichert.72) Allgemein ist im Übrigen selbstverständlich die mitgliedschaftliche Grundlage zu beachten, die namentlich zu einer Treubindung der Beteiligten führt, welche auch auf die Rückabwicklung eines Nebenleistungsverhältnisses ausstrahlen kann. 33

Grundsätzlich gilt auch das Leistungsstörungsrecht des BGB je nach Ausgestaltung der Nebenleistungspflicht unmittelbar oder entsprechend, wenngleich mit gewissen Einschränkungen.73) Die Rechtsfolgen bleiben aber jeweils auf das Nebenpflichtverhältnis bzw. die zu seiner Ausführung ggf. geschlossenen Verträge beschränkt, es kommt also – auch im Falle des Rücktritts oder (großen) Schadensersatzes – keinesfalls zur Gesamtabwicklung der Gesellschaft. d) Befreiung von Nebenleistungspflichten

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Die Befreiung der Gesellschafter von einer Nebenleistungspflicht ist grundsätzlich nur im Wege der Satzungsänderung möglich; verbindet sich die Pflicht mit dem Sonderrecht des (oder eines anderen) Gesellschafters, kann dieses gemäß § 35 BGB nur mit Zustimmung des Berechtigten aufgehoben werden. Ein Erlass durch den Geschäftsführer reicht in keinem Falle. Ebenso wenig kommt grundsätzlich eine auf die Nebenleistung beschränkte Kündigung des Gesellschafters in Frage (sofern dies nicht ausdrücklich vereinbart wurde); insofern setzt sich die gesellschaftsvertragliche Grundlage durch. Auch § 27 (Abandonrecht) ist nicht entsprechend anwendbar. Regelmäßig liegt keine höchstpersönliche Pflicht vor, sodass sie auch nicht mit dem Tod des Gesellschafters oder der Veräußerung des Geschäftsanteils erlischt; vielmehr geht sie jeweils auf den Anteilserwerber über. In Sonderfällen erkennt die h. M. aber ein Austrittsrecht aus wichtigem Grund an.74) e) Nebenleistungspflicht und Insolvenz

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In der Insolvenz des Gesellschafters ist umstritten, ob die Gesellschaft einfache Insolvenzgläubigerin ist75) oder entsprechend § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO Masseverbindlichkeiten begründet werden.76) Nur die Einordnung als Masseschuld bringt indes den mitgliedschaftlichen Charakter der Pflicht hinreichend zum Ausdruck und ist deshalb vorzugswürdig, zumal die Pflicht im Falle einer Verwertung des Anteils zweifellos auf den Erwerber übergeht. – In der Insolvenz der Gesellschaft kann die Nebenleistungspflicht je nach ihrer Ausgestaltung fortbestehen oder erlöschen. Dies gilt insbesondere auch für ein Agio. Ist es allerdings im Gesellschafts-

_____________ 72) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 67. 73) Eingehend Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 87 ff; s. a. Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 3 Rn. 48. 74) S. nur Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 113; Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 3 Rn. 51. 75) So Scholz-Cziupka, GmbHG, § 3 Rn. 87; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 3 Rn. 52. 76) So Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 102; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 3 Rn. 37.

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vertrag vereinbart, folgt aus seinem korporativen Charakter, dass es im Zweifel auch noch in der Insolvenz (an den Verwalter) zu leisten ist.77) IV. Sonstiger fakultativer Inhalt des Gesellschaftsvertrages Absatz 2 ist nicht abschließend, zumal das Gesetz selbst in einer Reihe von Vorschriften Regelungsgegenstände benennt, deren Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag Wirksamkeitsbedingung ist (siehe Rn. 4 [Liste]). Besonders wichtige Beispiele sind Gewinnverwendungs- und Abfindungsregeln78) (ggf. unter Beachtung der Gemeinnützigkeitserfordernisse), Bestimmungen zu Einziehung und Ausschließung, die Einsetzung eines Aufsichts- oder Beirats, die Vinkulierung der Geschäftsanteile und die Vereinbarung von Nachschusspflichten. Auch Sondervorteile und Gründungsaufwand müssen zwingend in die Satzung aufgenommen werden (siehe § 5 Rn. 35 [Schäfer]).79)

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Kraft der in § 45 Abs. 2 für das Innenverhältnis gewährten Satzungsautonomie, sind die Gesellschafter auch darüber hinaus berechtigt, weitere, im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnte Regelungsgegenstände in die Satzung aufzunehmen.80) Mit Rücksicht auf den Formzweck des § 2 ist die Aufnahme in die Satzung bei wesentlichen Regelungen auch erforderlich. Das gilt etwa für Gerichtsstands- und Schiedsklauseln mit Bindungswirkung für die Gesellschaft (§§ 1029, 1066 ZPO),81) ferner für Regelungen über das Geschäftsjahr und über die Aufstellung des Jahresabschlusses (i. R. d. § 264 HGB), über persönliche Kriterien für die Auswahl von Organmitgliedern oder Entsendungsrechte, für Bestimmungen über die Abhaltung der Gesellschafterversammlung und für besondere Gestaltungen des Stimmrechts bzw. die Schaffung stimmrechtsloser Geschäftsanteile82) sowie schließlich für die Einräumung von Sonderrechten, deren Abschaffung nur mit Zustimmung des Berechtigten (§ 35 BGB) möglich ist.83) Die Bestellung des (ersten) Geschäftsführers ist demgegenüber, sofern sie in der Satzung erfolgt, lediglich deren formeller Bestandteil; seine Abberufung kann daher durch Gesellschafterbeschluss mit einfacher Mehrheit erfolgen (dazu und zur Abgrenzung formeller von materiellen Bestandteilen siehe § 2 Rn. 16 [Schäfer]).84) – Zur Frage, inwiefern diese Gegen-

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_____________ 77) Vgl. BGH, GmbHR 2008, 147, 148 = ZIP 2007, 2416 = DB 2007, 2826; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 3 Rn. 39. 78) Dazu etwa BGH, ZIP 2011, 2357 = WM 2011, 2325 – Auslegung einer Abfindungsregelung muss dauerhafte Wirksamkeit und gleichbehandelnde Berechnung gewährleisten. 79) S. nur OLG Frankfurt/M., ZIP 2010, 1238 = DB 2010, 1119; Ulmer/Habersack/LöbbeUlmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 191 ff. 80) Vgl. auch die Aufzählungen bei Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 116; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 3 Rn. 53. 81) Dazu BGHZ 180, 221 = ZIP 2009, 1003 = NZG 2009, 620 = GmbHR 2009, 705 m. Anm. Römermann; bestätigt und (fehlerhaft) auf die Personengesellschaft übertragen durch BGH NJW 2015, 3234 (I. Senat) = NZG 2015, 1242 = GmbHR 2015, 1148 (dazu Habersack in: FS Graf-Schlicker, S. 37); eingehend zum GmbH-Recht etwa Reichert/ Harbarth, NZG 2003, 379 ff; Böttcher/Fischer, NZG 2011, 601; zu sog. Mediationsklauseln Schröder, GmbHR 2014, 960. 82) Dazu ausführlich Schäfer, Der stimmrechtslose GmbH-Geschäftsanteil, 1997. 83) Ausführlich Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 179 ff. 84) S. auch Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 3 Rn. 45.

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stände zugleich durch schuldrechtliche Nebenabreden geregelt werden können siehe Rn. 38 ff. Soweit eine Regelung (etwa Agio) sowohl Gegenstand der Satzung als auch einer schuldrechtlichen Nebenabrede sein kann, folgt aus der Aufnahme in die Satzung im Zweifel auch ihr Charakter als materieller Satzungsbestandteil, sodass sie den besonderen Regeln für Auslegung, Änderung und Geltung gegenüber hinzukommenden Gesellschaftern unterliegt (siehe § 2 Rn. 16 ff [Schäfer]).85) V. Schuldrechtliche Nebenabreden 1.

Begriff und Rechtsnatur

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Schuldrechtliche Nebenabreden oder Gesellschaftervereinbarungen schließen die Gesellschafter außerhalb der Satzung; sie bilden also den Gegenstand eines besonderen Vertrages, der naturgemäß nur diejenigen Beteiligten bindet, die an seinem Abschluss beteiligt waren oder ihm später beitreten. Denkbar ist aber, dass der Gesellschaft nach § 328 BGB eigene Rechte eingeräumt werden.86) Sie sind in der Praxis häufig anzutreffen.87) Inhaltlich beziehen sie sich auf die Rechtsverhältnisse der und zur Gesellschaft, sodass ein Überschneidungsbereich zu den materiellen Satzungsregeln besteht (Beispiele siehe Rn. 40). Sind sämtliche Gesellschafter beteiligt, etwa bei der Grundvereinbarung zwischen den Müttern eines Gemeinschaftsunternehmens, spricht man auch von allseitigen Vereinbarungen, im Übrigen von Fraktionsabreden, wie sie bei Konsortialabsprachen in Familienunternehmen vorkommen.88) In beiden Varianten ist ihre grundsätzliche Zulässigkeit aus gesellschaftsrechtlicher Sicht unstreitig.89)

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Die Vereinbarungen begründen im Zweifel, sofern sie auf dauernde oder wiederkehrende Pflichten gerichtet sind, eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts, und stellen auch sonst (erst recht) einen rein schuldrechtlichen Vertrag dar, der ausschließlich den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Regeln über Rechtsgeschäfte unterliegt, bei Vorformulierung auch einer AGB-Kontrolle.90) Das Formgebot des § 2 erfasst sie nicht, wohl aber möglicherweise dasjenige des § 15 Abs. 4, sofern sie Andienungs- oder Erwerbsrechte enthalten. Eine Verletzung der so vereinbarten Pflichten begründet in der Regel allein eine Pflicht zum Schadensersatz aus §§ 280,

_____________ 85) H. M., vgl. BGH, GmbHR 2008, 147, 148 = ZIP 2007, 2416 = DB 2007, 2826; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 3 Rn. 53 und 87; Scholz-Cziupka, GmbHG, § 3 Rn. 97; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 3 Rn. 50; a. A. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 3 Rn. 55. 86) BGH, ZIP 2010, 1541 = DB 2010, 1749 = WM 2010, 1559, dazu EWiR 2010, 639 (Wahl/ Schult) – Abfindungsbeschränkung in Nebenabrede führt zu Leistungsverweigerungsrecht der GmbH; zust. Noack, NZG 2010, 1017; Ulmer in: Liber amicorum für M. Winter, S. 687, 693. 87) Baumann/Reiss, ZGR 1989, 157, 162 ff; Hoffmann-Becking, ZGR 1994, 442 ff; Wälzholz, GmbHR 2009, 1020 ff. 88) Näher Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 120. 89) BGHZ 123, 15, 20 = ZIP 1993, 1074 = NJW 1993, 2246; Scholz-Cziupka, GmbHG, § 3 Rn. 72; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 119; Noack, Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften, S. 119 ff. 90) BGH, WM 1992, 99, 100 = ZIP 1992, 326 = NJW-RR 1992, 379.

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§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrags

276, 708 BGB, doch lässt die h. M. bei Stimmbindungsvereinbarungen91) auch deren gerichtliche Durchsetzung im Wege der Leistungsklage mit Vollstreckung nach § 894 ZPO zu.92) Ferner sieht der Bundesgerichtshof ausnahmsweise eine der Stimmbindung zuwider abgegebene Stimme als unwirksam, den entsprechenden, in der Gesellschaft gefassten Beschluss als anfechtbar an, sofern sämtliche Gesellschafter an der Vereinbarung beteiligt sind, wird hierfür jedoch vielfach kritisiert.93) Auch unabhängig von dieser Spezialfrage ist allgemein umstritten, inwiefern Gesellschaftervereinbarungen Rückwirkung auf die Satzungsebene haben können; im Ausgangspunkt entspricht das Prinzip strikter Trennung nach wie vor der herrschenden Doktrin.94) – Zur möglichen Berechtigung der GmbH aus einer Nebenabrede siehe Rn. 38 mit Fn. 86. 2.

Möglicher Inhalt; Abgrenzungsfragen

Typische Gesellschaftervereinbarungen betreffen Stimmbindungen (zur Koordinierung der Stimmabgabe bei Gesellschafterbeschlüssen), i. d. R. als Konsortialvertrag (siehe Rn. 38) und sind regelmäßig verbunden mit gegenseitigen Vorkaufs- bzw. Erwerbs- sowie Andienungsrechten hinsichtlich der gepoolten Anteile, ferner Vereinbarungen über die Besetzung der Geschäftsführung und des Aufsichtsrats95) sowie über die Abstimmung der Geschäftspolitik. Auch Pflichten gegenüber der GmbH können durch schuldrechtliche Vereinbarung unter den Gesellschaftern begründet werden (§ 328 BGB), so die Pflicht zur Darlehnsgewährung,96) zur Leistung eines Agios97) oder zur Verlustübernahme. Insofern besteht also ein deutlicher Überschneidungsbereich zu den Nebenleistungspflichten (siehe Rn. 27 ff), von denen die schuldrechtlichen Nebenabreden abzugrenzen sind; die Aufnahme in die Satzung spricht nach zutreffender h. M. aber für das Vorliegen einer satzungsmäßigen Nebenleistungspflicht (siehe Rn. 37 a. E.). Unzulässig sind im Übrigen Nebenabreden, sofern sie auf die – indirekte – Regelung der Einlagepflicht zielen, also Leistungen zum Gegenstand haben, die in irgendeiner Weise auf die Einlage-

_____________ 91) Dazu zuletzt BGHZ 179, 13 = ZIP 2009, 216 = NJW 2009, 669 – Schutzgemeinschaft II, dazu EWiR 2009, 173 (Göz) und Bespr. Schäfer, ZGR 2009, 768 m. w. N. 92) BGHZ 48, 163, 167 = NJW 1967, 1963; (resignierend) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 120. 93) BGHZ 99, 182 = NJW 1983, 1910, 1911 = ZIP 1987, 297; BGH, NJW 1987, 1890, 1891 = ZIP 1987, 293 = WM 1987, 71; s. a. BGHZ 179, 13 = ZIP 2009, 216 = NJW 2009, 669 – Schutzgemeinschaft II, dazu EWiR 2009, 173 (Göz) und Schäfer, ZGR 2009, 768; ferner zust. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 118; abl. insbesondere Ulmer/ Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 132; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 3 Rn. 58; Winter, ZHR 154 (1990) 259, 269 ff. 94) Dazu eingehend Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 128 ff; Ulmer in: FS Röhricht, S. 623; s. a. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 3 Rn. 49 f; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 3 Rn. 91. 95) Vgl. BGH, NJW 1987, 1890 = ZIP 1987, 293 = WM 1987, 71. 96) BGHZ 142, 116, 124 = ZIP 1999, 1263 = NJW 1999, 2809, dazu EWiR 1999, 843 (Dauner-Lieb). 97) BGH, GmbHR 2008, 147, 148 = ZIP 2007, 2416 = DB 2007, 2826 – bei Aufnahme in die Satzung aber im Zweifel korporative Regelung.

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40

§4

Firma

pflicht angerechnet oder von der Gesellschaft vergütet werden sollen.98) Überhaupt können Pflichten der Gesellschaft nur begründet werden, wenn diese – durch ihren Geschäftsführer – an der Abrede beteiligt ist, wozu dieser wiederum nur berechtigt ist, wenn die Pflichten nicht gegen zwingendes Gesellschaftsrecht verstoßen und nicht den Interessen der Gesellschaft zuwiderlaufen (zur möglichen Berechtigung der Gesellschaft aus einer Nebenabrede siehe Rn. 38). _____________ 98) Wohl unstr., vgl. nur Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 126; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 3 Rn. 57.

§4 Firma Carsten Schäfer

1

Die Firma der Gesellschaft muß, auch wenn sie nach § 22 des Handelsgesetzbuchs oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften fortgeführt wird, die Bezeichnung „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten. 2Verfolgt die Gesellschaft ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigte Zwecke nach den §§ 51 bis 68 der Abgabenordnung kann die Abkürzung „gGmbH“ lauten. Literatur: Beck, Die Haftung des Handelnden bei falscher Firmierung, ZIP 2017, 1748; Becker, OLG München: Löschung einer drittverletzenden GmbH-Firmierung, GRURPrax 2013, 293; Kögel, Zulässigkeit von Fremdnamen und unrichtigen Personenzusätzen in der Firma einer GmbH, GmbHR 2011, 16; Lutter/Welp, Das neue Firmenrecht der Kapitalgesellschaften, ZIP 1999, 1073; Schroeder, Die rechtskräftige Verurteilung zur Löschung einer Firma ersetzt den sonst notwendigen satzungsändernden Gesellschafterbeschluss, GWR 2013, 294; Stolz, Firma aus Top- und beschreibender Second-LevelDomain ist unterscheidungskräftig, GRUR-Prax 2011, 59; Wachter, Änderungen im Firmenrecht der GmbH, GmbHR 2013, R 145; Wicke, Aktuelle Fragen der GmbHPraxis, MittBayNot 2014, 13. Übersicht I. II. III. 1. 2.

3.

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Allgemeines .......................................... 1 Begriff der Firma; Firmenschutz ....... 2 Firmenbildung ..................................... 5 Allgemeines ........................................... 5 Firmengebote (§ 18 Abs. 1 HGB) ....... 7 a) Kennzeichnungseignung ............... 7 b) Abstrakte Unterscheidungskraft .............................................. 10 c) Konkrete Unterscheidungskraft .............................................. 12 Schranken ............................................ 13 a) Täuschungs- und Irreführungsverbot (§ 18 Abs. 2 HGB) ........... 13 b) Spezialgesetzliche Schranken ...... 24 c) Verhältnis zu sonstigen Verwendungsverboten ....................... 25

IV. Rechtsformzusatz GmbH ................. 26 V. Sonderfälle .......................................... 27 1. Vorgesellschaft .................................... 27 2. Liquidationsphase ................................ 28 3. Unternehmergesellschaft (UG) ......... 29 4. Zweigniederlassung ............................. 30 5. GmbH & Co. KG ............................... 31 6. Gemeinnützige GmbH (Satz 2) ......... 32 VI. Firmenänderung ................................ 33 VII. Firmenfortführung ........................... 34 1. Übernahme eines Handelsgeschäfts durch Erwerb oder Einbringung ........ 34 2. Umwandlungen (Formwechsel; Verschmelzung) .................................. 35 VIII. Rechtsfolgen unzulässigen Firmengebrauchs ................................ 37

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§4

Firma

I.

Allgemeines

Die Vorschrift des § 4 regelt seit ihrer letzten größeren Änderung durch die Handelsrechtsreform zum 1.7.19981) nicht mehr das Firmenrecht der GmbH, sondern begründet lediglich die § 19 Abs. 2 HGB entsprechende Pflicht, in jedem Falle einen Rechtsformzusatz in die Firma aufzunehmen. Im Übrigen gilt das allgemeine Firmenrecht des HGB (§§ 17 ff). Die Handelsrechtsreform hat das Firmenrecht – wie allgemein – auch für die GmbH liberalisiert und die frühere Begrenzung auf Namens- und Sachfirmen unter Ausschluss von Phantasiefirmen (Abs. 1 a. F.) aufgegeben. Das Recht zur Firmenfortführung gemäß § 22 HGB und die Zulässigkeit von Abkürzungen des Rechtsformzusatzes werden jetzt ausdrücklich erwähnt.2) Diese Liberalisierungstendenz ist bei der Auslegung zu berücksichtigen und bedingt, dass ältere Rechtsprechung und Literatur nur noch mit Einschränkung verwertbar ist.3) – Das MoMiG hat, abgesehen von der amtlichen Überschrift, keine Änderungen der Vorschrift bewirkt. Satz 2, der jetzt für die gemeinnützige GmbH den Zusatz gGmbH ausdrücklich gestattet, wurde mit Wirkung vom 29.3.2013 durch das Gesetz zur Stärkung des Ehrenamts angefügt (siehe Rn. 32).

1

II. Begriff der Firma; Firmenschutz Die Firma der Gesellschaft gehört zu den Mindestbestandteilen des Gesellschaftsvertrags (§ 3 Abs. 1 Nr. 1). Ihr Begriff entspricht der Definition des § 17 Abs. 1 HGB: Sie ist der Name der Gesellschaft, unter dem diese ihre Geschäfte betreibt, durch den sie am Rechtsverkehr teilnimmt und mit dem sie im Handelsregister eingetragen ist (§ 10). Die Firma hat demnach Individualisierungs- und Unterscheidungsfunktion.4) Der Rechtsformzusatz gemäß § 4 ist zwingender Bestandteil der Firma, und zwar unabhängig davon, ob die Gesellschaft auf den Betrieb eines gewerblichen oder gar kaufmännischen Unternehmens gerichtet ist. Dies entspricht der Eigenschaft der GmbH als Formkaufmann (§ 13 Abs. 3).

2

Anders als natürliche Personen (Einzelkaufleute) kann die GmbH nur eine Firma haben und keine weitere Bezeichnung (Namen) tragen, selbst wenn sie mehrere Handelsgeschäfte betreibt (Grundsatz der Firmeneinheit).5) Bei Hinzuerwerb eines weiteren Handelsgeschäfts samt Firma muss deshalb entweder die eigene Firma aufgegeben und eine abgeleitete Firma gebildet werden6) oder die hinzuerworbene Firma entfallen. Für Zweigniederlassungen werden aber auch freiwillige Firmenzusätze als zulässig angesehen, sofern sie in die Satzung aufgenommen werden7) (zum Erfordernis eines Zusatzes siehe § 30 Abs. 3 HGB).

3

_____________ 1) 2) 3) 4) 5)

6) 7)

Änderung durch das Handelsrechtsreformgesetz, BGBl. I 1998, 1474. Vgl. auch Begr. RegE, BT-Drucks. 13/8444, S. 1, 35, 52. Ulmer/Habersack/Löbbe-Heinrich, GmbHG, § 4 Rn. 7. Vgl. nur Scholz-Cziupka, GmbHG, § 4 Rn. 3 f. H. M., Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 3; Ulmer/Habersack/Löbbe-Heinrich, GmbHG, § 4 Rn. 8 – mit Hinweis auf vereinzelte Gegenstimmen; Scholz-Cziupka, GmbHG, § 4 Rn. 3 f. Vgl. etwa Heinrich/Heidinger in: Münch-Hdb. GesR, Bd. 3, § 19 Rn. 61 f. BayObLG, BB 1990, 1364 = NJW-RR 1990, 1510 = Rpfleger 1990, 422; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Heinrich, GmbHG, § 4 Rn. 87 f; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 2.

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§4 4

Firma

Firmen- und Namensschutz besteht nach § 12 BGB, § 15 MarkenG und insbesondere nach § 37 HGB. Dieser sieht in Absatz 1 die Einleitung eines auf Unterlassung gerichteten Firmenmissbrauchsverfahrens durch das Registergericht vor und räumt parallel dazu in Absatz 2 dem durch den Firmenmissbrauch in subjektiven Rechten Verletzten die Möglichkeit ein, im Zivilverfahren Unterlassung, d. h. Beseitigung und Löschung der Firma, geltend zu machen (dazu siehe Rn. 25).8) III. Firmenbildung 1.

Allgemeines

5

Die Grundsätze zur Firmenbildung finden sich für alle Kaufleute in § 18 HGB, sodass wegen der Einzelheiten auf die einschlägigen Kommentierungen zu verweisen ist. Demnach muss die Firma zur Kennzeichnung des Kaufmanns geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen (Abs. 1, dazu siehe Rn. 7 ff). Und sie darf keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen (Abs. 2 Satz 1, dazu siehe Rn. 13 ff). Das Registergericht berücksichtigt aber nur eine ersichtliche Eignung zur Irreführung (Abs. 2 Satz 2).

6

Vor 1998 durften lediglich Personen- oder Sachfirmen gebildet werden; diese Begrenzung ist ebenso obsolet wie die Differenzierung zwischen beiden. Nunmehr erlaubt der Grundsatz der freien Firmenbildung sowohl Personenfirmen (insb. aus den Namen der Gründer), Sachfirmen (mit Bezug zum Unternehmensgegenstand), Mischfirmen (also Kombinationen von Personen- und Sachfirma) sowie schließlich Phantasiefirmen, d. h. Bezeichnungen ohne Sach- oder Namensbezug, freie Wortschöpfungen, die Verwendung von Künstler- und Markennamen etc.9) Auch in Bezug auf die im Folgenden darzustellenden Firmengebote und das Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2 HGB ist infolge dieser Liberalisierung des Firmenrechts eine zunehmend großzügigere Linie in Rechtsprechung und Literatur zu beobachten (weitere Hinweise siehe Rn. 8 f).10) 2.

Firmengebote (§ 18 Abs. 1 HGB)

a) Kennzeichnungseignung 7

Dass die Gebote des § 18 Abs. 1 HGB eingehalten werden, ist für die Eintragungsfähigkeit der Firma, mithin auch der GmbH, entscheidend.11) Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft werden zwar teilweise synonym gebraucht,12) häufig aber – entsprechend dem Wortlaut des § 18 Abs. 1 HGB – auch als selbstän_____________ 8) Näher zum Firmenschutz vgl. die Kommentare zum HGB, etwa Baumbach/Hopt-Hopt, HGB, § 37 Rn. 1 ff. 9) S. nur Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 4; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 4 Rn. 4; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 4 Rn. 1. 10) Vgl. etwa BGH, ZIP 2009, 168 = GmbHR 2009, 249 = DB 2009, 170 – Firmenfähigkeit von Buchstabenkürzeln; Ulmer/Habersack/Löbbe-Heinrich, GmbHG, § 4 Rn. 18 ff; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 15 – 17, 19, 22; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 4 Rn. 6 ff; Scholz-Cziupka, GmbHG, § 4 Rn. 55. 11) BGH, ZIP 2009, 168 = GmbHR 2009, 249 = DB 2009, 170; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 7. 12) Vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe-Heinrich, GmbHG, § 4 Rn. 15.

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§4

Firma

dige Kriterien aufgefasst,13) wobei die Grenzen zweifellos ineinanderfließen.14) Die Kennzeichnungseignung betrifft die Namensfunktion der Firma, also die Eigenschaft, als Bezeichnung für ein bestimmtes Unternehmen zu dienen.15) Sie erfordert es, dass die Firma mit Mitteln der Sprache individualisiert und als Hinweis auf ein Unternehmen verstanden werden kann.16) Hierfür ist grundsätzlich eine aussprechbare Buchstabenfolge erforderlich, was unterscheidungsfähige Buchstabenfolgen i. S. v. Abkürzungen aber einschließt (siehe Rn. 8), sinnlose Aneinanderreihungen von Buchstabenblöcken (AAA.BBB) hingegen ausschließt (siehe Rn. 9).17) Die graphische Gestaltung (Schriftart u. a.) ist grundsätzlich nicht Firmenbestandteil und hat keine firmenrechtliche Bedeutung; sie ist als solche nicht eintragungsfähig.18) Es können nicht nur schon vorhandene oder gar gebräuchliche Begriffe verwendet werden, zulässig sind auch aussprechbare Phantasiebegriffe sowie fremdsprachige Bezeichnungen.19) Buchstabenfolgen und Abkürzungen („ABB“, „BASF“, „C&A“, „SAP“, „KPMG“) werden heute ebenfalls als zulässig angesehen, ohne dass es auf Verkehrsgeltung ankommt.20) Die früher geforderte Aussprechbarkeit „als Wort“ (z. B.: „Haribo“, „Rewe“) ist damit im Interesse einer größeren Wahlfreiheit und Gestaltungsmöglichkeit infolge der Liberalisierung obsolet. Der Bundesgerichtshof verweist darauf, dass Abkürzungen oder Buchstabenkombinationen ebenfalls ein ursprüngliches und eindeutiges, „wortähnliches“ Klangbild aufweisen (z. B.: „DBK“ = „Debeka“), welches von den beteiligten Verkehrskreisen als Unternehmensname verstanden werden kann und auch verstanden wird.21) Die vormals alternativ geforderte Verkehrsgeltung sei kein taugliches Abgrenzungskriterium. Nach heutigem Stand ist die Artikulierbarkeit der Buchstabenfolge folglich ausreichend. Selbst Slogans können firmenfähig sein, sofern sie aufgrund ihrer Verkehrsgeltung nicht als Aufforderung, sondern als namensmäßige Bezeichnung verstanden werden (str.).22) Keine Kenn_____________ 13) 14) 15) 16) 17)

18) 19) 20)

21)

22)

Etwa Scholz-Cziupka, GmbHG, § 4 Rn. 21 ff. Baumbach/Hopt-Hopt, HGB, § 18 Rn. 4; Scholz-Cziupka, GmbHG, § 4 Rn. 21 ff. BGH, ZIP 2009, 168 = GmbHR 2009, 249 = DB 2009, 170. Scholz-Cziupka, GmbHG, § 4 Rn. 21; Lutter/Welp, ZIP 1999, 1073, 1077. BGH, ZIP 2009, 168 = GmbHR 2009, 249 = DB 2009, 170; KG, GmbHR 2000, 1101 = BB 2000, 1957 = NJW-RR 2001, 173; OLG Celle, GmbHR 1999, 412 = DB 1999, 40 = NJW-RR 1999, 543; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 15; Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 4 Rn. 6a. KG, GmbHR 2000, 1101 = BB 2000, 1957 = NJW-RR 2001, 173; zur Verwendung des @-Zeichens vgl. aber die Hinweise in Fn. 28. LG Darmstadt, GmbHR 1999, 482 – „Broker“; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 9, 12. BGH, ZIP 2009, 168 = GmbHR 2009, 249 = DB 2009, 170; Ulmer/Habersack/LöbbeHeinrich, GmbHG, § 4 Rn. 16; Scholz-Cziupka, GmbHG, § 4 Rn. 22; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 4 Rn. 15. So BGH, ZIP 2009, 168 = GmbHR 2009, 249 = DB 2009, 170 für „HM & A GmbH & Co. KG“ m. w. N.; ebenso OLG Hamm, ZIP 2008, 791 = DB 2008, 981 = Rpfleger 2008, 313; a. A. noch OLG Celle, ZIP 2006, 1586 = DB 2006, 1950 = DNotZ 2007, 56, dazu EWiR 2006, 657 (Lamsa). Im Einzelnen str., vgl. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 17; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Heinrich, GmbHG, § 4 Rn. 23.

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§4

Firma

zeichnungseignung kommt aber den Top-Level-Domain-Bezeichnungen („.de“ oder „.com“) zu.23) 9

Auch andere Zeichen als Buchstaben (& + – ( ) ! „“) können in der Firma verwendet werden (Beispiel: „H&M Hennes & Mauritz B.V. & Co. KG“). Bei ihnen ist die Aussprache entweder eindeutig (z. B. „&“ als „und“)24) oder es ist offensichtlich, dass sie nicht ausgesprochen werden (z. B. Anführungszeichen).25) Möglich ist auch die Kombination von Buchstaben, Zeichen und Zahlen (Beispiel: „3M“, „1&1 Internet AG“)26) oder reine Zahlwörter („elf“).27) Nach wie vor umstritten ist allerdings, ob die Verwendung des @-Zeichens in der Firma zulässig ist.28) Eindeutig unzulässig sind jedenfalls lange Zahlenreihen oder Buchstabenkombinationen wie „AAAAA“ mit dem Ziel einer Eintragung an vorderer Stelle in Telefonbüchern etc.29) Das gleiche gilt für fremdsprachige Begriffe in anderen als lateinischen Buchstaben (bspw. chinesische oder kyrillische Schriftzeichen), weil sie nicht aussprechbar sind (siehe Rn. 7).30) Eintragungsfähig sind zudem grundsätzlich nur lateinische Buchstaben.31) Ausgeschlossen sind mangels Eindeutigkeit alle nicht sprechbaren Bildzeichen (o, ^, °), selbst wenn sie als bestimmte Symbole oder Objekte erkannt werden und als solche bezeichnet werden könnten (o als „Pfeil“; ° als „Kreis“).32) Das gilt erst recht für nicht aussprechbare Kürzel, Zeichen _____________ 23) Ulmer/Habersack/Löbbe-Heinrich, GmbHG, § 4 Rn. 25 a. E.; anderes gilt für die sog. Second-Level-Domain, die als Namen erkennbar sind; vgl. auch OLG Frankfurt/M., GmbHR 2011, 202, 203 = GRUR-RR 2011, 96 – Rechtsverkehr stellt für Unterscheidbarkeit und Individualisierbarkeit auf Second-Level-Domain ab. 24) BGHZ 135, 257 = ZIP 1997, 1109 = NJW 1997, 1854, dazu EWiR 1997, 715 (Bärwaldt/ Schabacker) – für die Zeichen „&“ und „+“ als Entsprechung des Wortes „und“. 25) BayObLG, ZIP 2001, 960 = GmbHR 2001, 476 = NJW 2001, 2337, dazu EWiR 2001, 729 (Spindler). 26) Ulmer/Habersack/Löbbe-Heinrich, GmbHG, § 4 Rn. 18; gegen Zulässigkeit reiner ZiffernReihungen aber KG ZIP 2013, 1769 = NZG 2013, 1153; abweichend Lutter/HommelhofBayer § 4 Rn. 17. 27) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 17 f – Vgl. auch OLG München, GmbHR 2011, 587, 588 = Rpfleger 2011, 525 = NZG 2011, 753 – Verwendung „hochgestellter Zahl“ (A³ GmbH) hat lediglich graphische Bedeutung und bindet Registergericht bei Eintragung nicht an das Schriftbild; ebenso OLG München, GmbHR 2010, 1155 = DB 2010, 2164 = Rpfleger 2011, 91 – in Bezug auf Großbuchstaben. 28) Dafür LG Berlin, GmbHR 2004, 428 = NZG 2004, 532 = NJW-RR 2004, 835; LG Cottbus, CR 2002, 134; Ulmer/Habersack/Löbbe-Heinrich, GmbHG, § 4 Rn. 17; Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 4 Rn. 6a, die jegliche frühere Bedenken als überholt ansehen; ausführlich Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 19; dagegen: OLG Braunschweig, WRP 2001, 287 = CR 2001, 477, dazu EWiR 2001, 275 (Mankowski); BayObLG, ZIP 2001, 960 = GmbHR 2001, 476 = NJW 2001, 2337, dazu EWiR 2001, 729 (Spindler). 29) OLG Frankfurt/M., GmbHR 2002, 647 = NJW 2002, 2400 = DB 2002, 2269 („A.A.A.A.A.A.A.SCHLÜSSEL!NOT!SERVICE!DIENSTE!24STUNDEN!VERMITT LUNGSZENTRALE!GmbH“); OLG Celle, GmbHR 1999, 412 = DB 1999, 40 = NJWRR 1999, 543; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 15; Ulmer/Habersack/LöbbeHeinrich, GmbHG, § 4 Rn. 16. 30) BGH, ZIP 2009, 168 = GmbHR 2009, 249 = DB 2009, 170; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 15; Scholz-Cziupka, GmbHG, § 4 Rn. 23, 25. 31) Ulmer/Habersack/Löbbe-Heinrich, GmbHG, § 4 Rn. 17. 32) BGH, ZIP 2009, 168 = GmbHR 2009, 249 = DB 2009, 170; Baumbach/Hopt-Hopt, HGB, § 18 Rn. 4; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 4 Rn. 6a.

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§4

Firma

oder Bilder, die nicht durch feststehenden Namen bezeichnet werden können, sondern eine eigene Interpretation voraussetzen.33) b) Abstrakte Unterscheidungskraft Im Gegensatz zur Kennzeichnungseignung geht es bei der Unterscheidungskraft schwerpunktmäßig um die Abgrenzung des Unternehmens gegenüber anderen. Die Gesellschaft muss aufgrund der Art ihrer Firma so hinreichend individualisierbar sein, dass kein nennenswertes Risiko der Verwechslung mit anderen Gesellschaften besteht.34) Die abstrakte Unterscheidungskraft zielt auf eine generelle Unterscheidbarkeit; demgegenüber geht es bei der konkreten Unterscheidungskraft i. S. v. § 30 HGB lediglich um andere Unternehmen vor Ort (siehe Rn. 12). Die abstrakte Unterscheidungskraft erfordert eine gewisse inhärente Eigentümlichkeit der Bezeichnung; aus Sicht des Rechtsverkehrs darf sie nicht zwangsläufig zu Verwechslung führen. Dies ist desto eher gegeben, je kreativer, ausgefallener und einprägsamer die Firma ist.35) Grundsätzlich sind auch fremdsprachige (artikulierbare) Bezeichnungen zulässig, sofern ausreichend individuell, was bei übernommenen Begriffen regelmäßig einen Zusatz erfordert.36) Individualisierende Abkürzungen – für sich genommen unzulässiger – Branchenbezeichnungen können auch firmenfähig sein (siehe Rn. 11).37)

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Als Problemfälle haben sich insofern erwiesen: Bloße Sachfirmen unter Verwendung von Branchen- oder Gattungsbezeichnungen (Beispiel: „Handwerker GmbH“). Sie sind nicht eintragungsfähig; neben die fehlende abstrakte Unterscheidungskraft tritt hier noch ein Freihaltebedürfnis der Gattungs- und Branchenbezeichnungen für andere Unternehmen.38) Gattungsbezeichnungen werden auch durch Hinzufügung eines Top-Level-Domain-Kürzels („.de“) nicht unterscheidungskräftig. Dass – innerhalb einer Top-Level-Domain – jede Internetadresse nur einmal existiert, ist firmenrechtlich irrelevant.39) Möglich ist aber eine Individualisierung von Gattungs- und Branchenbezeichnungen durch Ortsangaben.40) Sub _____________

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33) Vgl. KG, BB 2000, 1957 f = GmbHR 2000, 1101 = NJW-RR 2001. 34) BGH, ZIP 2009, 168 = GmbHR 2009, 249 = DB 2009, 170; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 8. 35) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 8 f. 36) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 12. 37) Ulmer/Habersack/Löbbe-Heinrich, GmbHG, § 4 Rn. 27. 38) Unstr., OLG Rostock, GmbHR 2011, 829 = NZG 2011, 1160 – „Camping Akademie GmbH“; OLG Frankfurt/M., DB 2005, 1732 = Rpfleger 2005, 366 = AG 2005, 403; BayObLG, GmbHR 2003, 1003 = DB 2003, 2382 = NZG 2003, 1029 – „Profi-Handwerker GmbH“; OLG München, GmbHR 2010, 1156 = NZG 2011, 157 = Rpfleger 2011, 90 – „Zahnarztpraxis Ltd.“; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 10; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 4 Rn. 6b; Baumbach/Hopt-Hopt, HGB, § 18 Rn. 6. 39) Zutr. LG Köln, GmbHR 2008, 1221 = Rpfleger 2008, 425 = DNotZ 2008, 626 – „brillenshop“; OLG Frankfurt/M., GmbHR 2011, 202 = GRUR-RR 2011, 96 – „Outlets.de GmbH“; ebenso z. B. Henssler/Strohn-Wamser, GesR, § 18 HGB Rn. 3; a. A. OLG Dresden, Rpfleger 2011, 277 – „fashion-shop-germany.eu e.Kfr.“ – Zusammenhang zwischen Gattungsbezeichnung als Second-Level-Domain und dazugehöriger Top-LevelDomain reicht für Unterscheidungskraft; dazu auch Stolz, GRUR-Prax 2011, 59. 40) KG, ZIP 2008, 510 = GmbHR 2008, 146 = Rpfleger 2008, 85 – „Autodienst Berlin“; s. a. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 4 Rn. 6b.

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specie Irreführungsverbot setzt dies allerdings eine herausragende Bedeutung am Ort voraus (siehe Rn. 17). Zugelassen wird aber eine durch (mehr oder weniger originelle) Abkürzung individualisierte Branchenbezeichnung (siehe Rn. 10 a. E.).41) Unzulässig sind auch reine Ortsbezeichnungen (Mannheim GmbH),42) auch wenn sie im Landesdialekt gefasst werden (Mannem GmbH). Auch Allerweltsnamen (Schmidt, Schäfer) sind nur mit Zusatz des Vornamens oder einer Abkürzung (Titel, etc.) eintragungsfähig.43) Generell keine ausreichende Individualisierung vermag der zwingende Rechtsformzusatz (siehe Rn. 26) zu vermitteln.44) c) Konkrete Unterscheidungskraft 12

Nach § 30 Abs. 1 HGB muss sich jede neue Firma von allen am selben Ort oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden und in das Handels- oder Genossenschaftsregister eingetragenen Firmen deutlich unterscheiden. Über die abstrakte Unterscheidbarkeit hinaus (siehe Rn. 10 f) müssen also zusätzlich die besonderen Verhältnisse am Sitz der Gesellschaft berücksichtigt und die Verwechslungsgefahr gegenüber vorhandenen Unternehmen ermittelt werden. Maßgeblich hierfür ist der Gesamteindruck aus Wortbild, Klang und Wortsinn.45) Insbesondere ist auch die Branchennähe bzw. -verschiedenheit für die Verwechslungsgefahr relevant. Wegen der Details ist auf die Kommentierungen zu § 30 HGB zu verweisen. 3.

Schranken

a) Täuschungs- und Irreführungsverbot (§ 18 Abs. 2 HGB) 13

Nach § 18 Abs. 2 HGB darf die Firma keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über wesentliche geschäftliche Verhältnisse irrezuführen. Sinn und Zweck ist ein vorbeugender Verkehrsschutz.46) Für die Wesentlichkeit kommt es deshalb auf die Sicht der angesprochenen Verkehrskreise an. § 18 Abs. 2 HGB enthält den Grundsatz der Firmenwahrheit als Eintragungsvoraussetzung; eine Täuschungsabsicht ist insofern generell irrelevant.47) Der Grundsatz gilt nicht nur für den Rechtsformzusatz, sondern auch für den Firmenkern, mithin für die Firma insgesamt, unabhängig davon, ob es sich um eine Personen-, Sach- oder Phantasiefirma handelt. Zum Eintragungshindernis wird die Firmenunwahrheit seit der Handelsrechtsreform allerdings nur noch, wenn der Verstoß gegen § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB ersicht-

_____________ 41) BayObLG, BB 1999, 1401 = NJW-RR 2000, 111 = Rpfleger 1999, 448 – „MEDITEC“ statt Medizintechnik – dort allerdings zu der Frage einer Irreführung. 42) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 10. 43) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 4 Rn. 6b; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 11; i. E. auch Lutter/Welp, ZIP 1999, 1073, 1075; a. A. Heidinger in: MünchKommHGB, § 18 Rn. 35 – nur Problem der konkreten Unterscheidbarkeit nach § 30 HGB. 44) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 4 Rn. 7; Henssler/Strohn-Wamser, GesR, § 18 HGB Rn. 3. 45) BayObLG, GmbHR 1980, 84; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 20. 46) Begr. RegE HandelsrechtsreformG, BT-Drucks. 13/8444, S. 52; zu den durch die Reform bedingten Änderungen (Durchschnittsempfänger, Ersichtlichkeit) s. nur Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 4 Rn. 29 f. 47) BGHZ 22, 88 = GmbHR 1957, 10 = NJW 1956, 1873.

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lich ist (Abs. 2 Satz 2). Es müssen also zwei materielle und eine formelle Voraussetzung erfüllt sein: –

Die Eignung zur Irreführung über geschäftliche Verhältnisse,



die Wesentlichkeit für die angesprochenen Verkehrskreise und



die Ersichtlichkeit der Täuschungseignung.

Der Wortlaut des § 18 Abs. 2 HGB ist an § 3 UWG a. F. (= § 5 UWG n. F.) angelehnt. Im Gegensatz zur Rechtslage vor 1998 ist nicht mehr ausreichend, dass Einzelne irregeführt werden können. Erforderlich ist vielmehr, dass eine Täuschung der „angesprochenen Verkehrskreise“ in Betracht kommt. Anders als nach § 3 UWG a. F., wo auf 10 – 15 % der Durchschnittsverbraucher abgestellt wurde,48) ist jetzt auf die Sicht eines durchschnittlichen Angehörigen des betroffenen Personenkreises abzustellen, somit auf den verständigen Teilnehmer des angesprochenen Verkehrskreises.49) Dieser kann sowohl der Allgemeinheit entsprechen, aber auch einem deutlich engeren Personenkreis.50)

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Der Begriff der geschäftlichen Verhältnisse erfasst sämtliche Umstände, die eine Förderung der Geschäftstätigkeit bewirken können; hierzu zählen insbesondere Größe, Tradition, Qualifikation, Bonität, Sitz, Gegenstand des Unternehmens und wirtschaftliche Verhältnisse des Inhabers.51) Der maßgebliche Umstand muss für angesprochene Verkehrskreise wesentlich, d. h. aus Sicht des Durchschnittsempfängers typischerweise ausschlaggebend und nicht nur nebensächlich sein, was sich an § 13a UWG a. F. anlehnt.52)

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Die Ersichtlichkeit (Abs. 2 Satz 2) der Eignung zur Irreführung soll – als verfahrensrechtliche Voraussetzung – die Ermittlungspflicht des Registergerichts zu dessen Entlastung vermindern. Diesem obliegt seit der Handelsrechtsreform 1998 keine umfassende Amtsermittlung (vgl. § 26 FamFG) mehr; das Gericht braucht vielmehr nur ein „Grobraster“ anzulegen.53) Es kann die Eintragung nur verweigern, wenn die Täuschungseignung ohne umfangreiche Beweiserhebung als naheliegend zu erkennen ist. Die Motive verweisen hierfür auf den gleichlautenden § 37 Abs. 3 MarkenG. Demnach ist die Irreführungseignung ersichtlich, wenn sie unter Zuhilfenahme der eingereichten Unterlagen oder mittels Auskünften aus den üblichen, leicht zugänglichen Informationsquellen oder den tatsächlichen Umständen ohne weiteres erkennbar ist. Eine detailliertere Prüfung soll demgegenüber ggf. dem wettbewerbsrechtlichen Verfahren überlassen bleiben. Wann diese Schwelle überschritten ist, hängt naturgemäß von den Umständen des Einzelfalls ab, weshalb eine reichhaltige Kasuistik existiert (siehe Rn. 17 ff); aufgrund der Liberalisierung und der durch sie ausgelösten großzügigeren Tendenz (siehe Rn. 1) sind _____________

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48) Nachw. bei Ulmer/Habersack/Löbbe-Heinrich, GmbHG, § 4 Rn. 29. 49) Begr. RegE BR-Drucks. 340/97; OLG Düsseldorf, ZIP 2004, 1639 = DB 2004, 1720 = NJW 2004, 2744, dazu EWiR 2005, 79 (Allmendinger). 50) Vgl. nur Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 29. 51) Scholz-Cziupka, GmbHG, § 4 Rn. 52 f; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 4 Rn. 8a; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 4 Rn. 17 f. 52) Ulmer/Habersack/Löbbe-Heinrich, GmbHG, § 4 Rn. 29. 53) Begr. RegE 13/8444 S. 53 f; s. etwa Scholz-Cziupka, GmbHG, § 4 Rn. 51; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 30.

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ältere Entscheidungen allerdings nur noch mit Vorsicht als Orientierungsmaßstab heranzuziehen.54) 17

Auf folgende wichtige Gruppe von Einzelfällen ist besonders hinzuweisen: Nach früherer Rechtsprechung wurde die Hinzufügung einer Ortsbezeichnung in der Regel als Hinweis auf eine Sonderstellung vor Ort gewertet, also auf eine gewisse Größe und Bedeutung des Unternehmens in der Region, sodass bei deren Fehlen Irreführung angenommen wurde.55) Aufgrund der Änderung des § 18 HGB ist streitig, ob geographische Bezeichnungen nunmehr ausschließlich als Hinweis auf den Sitz zu verstehen sind,56) oder auch bzw. sogar regelmäßig eine bestimmte Größe suggerieren wollen.57) Dass mit Ortsbezeichnungen niemals eine Größenbehauptung einhergehen kann, lässt sich schwerlich behaupten. Andererseits wird die Ersichtlichkeit gemäß Absatz 2 Satz 2 zu einer tendenziell großzügigeren Beurteilung führen, weil die zu erwartende oder schon erreichte Bedeutung des Unternehmens nicht ohne weiteres ermittelbar ist.58) Unabhängig hiervon müssen geographische Hinweise aber sachlich zutreffen, es muss daher ein realer Bezug zum genannten Ort bestehen.59) Weiterhin unzulässig ist ferner etwa die Bezeichnung „Ostfriesland Kliniken“, wenn die Gesellschaft nur eine einzelne Klinik in Ostfriesland betreibt,60) zulässig dagegen die Firma „Starnberger Gesellschaft für Unternehmensführung mbH“, selbst wenn der Sitz in einer Nachbargemeinde liegt.61) Der Zusatz „International“ kann als Hinweis auf ein sich international betätigendes Unternehmen verstanden werden und damit nicht als Behauptung einer entsprechenden Marktstellung des Unternehmens.62)

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Auch sonstige, eine gewisse Größe suggerierende Begriffe sind problematisch, wenn der Kleine sich hierdurch „großlügt“. Firmenbestandteile wie: „Markt“, „Haus“, _____________ 54) OLG Düsseldorf, ZIP 2004, 1639 = DB 2004, 1720 = NJW 2004, 2744, dazu EWiR 2005, 79 (Allmendinger); Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 4 Rn. 17. 55) OLG Düsseldorf, GRUR 1980, 315 – „Düsseldorfer …“; OLG Hamm, WM 1991, 1953 = BB 1991, 2107, dazu EWiR 1991, 1235 (Büttner) – „Essener Genossenschaftsbank EG“; diff. jedoch bereits BayObLG, DB 1990, 876 = MDR 1990, 634 – Geographische Zusätze je nach Verkehrsauffassung reine Ortsangabe oder Hinweis auf Größe, beim Zusatz „Haus“ i. d. R. letzteres; s. a. Lutter/Welp, ZIP 1999, 1073, 1080. 56) So OLG Hamm, NZG 2013, 996 = NJW-RR 2013, 1195 – „Osnabrück M-GmbH&Co“; OLG Stuttgart, FGPrax 2004, 40 = Rpfleger 2004, 226 – „Sparkasse Bodensee“; LG Heilbronn, Rpfleger 2002, 158. 57) So Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 29 a. E. (vgl. aber Fn. 58); andererseits aber auch Rn. 30 für großzügige Handhabung wg. eingeschränkter Vorhersehbarkeit bei Eintragung; ebenso Ulmer/Habersack/Löbbe-Heinrich, GmbHG, § 4 Rn. 34. 58) Zutr. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 30. 59) OLG Stuttgart, DB 2001, 697= NJW-RR 2001, 755 = Rpfleger 2001, 186; OLG Hamm, NZG 2013, 996. 60) LG Aurich, Rpfleger 2006, 198. 61) OLG München, DB 2010, 1284 f = Rpfleger 2010, 515 = DNotZ 2010, 933 – „Münchner Hausverwaltung GmbH“ mit Sitz in Nachbargemeinde; LG München, DB 2004, 375; s. a. OLG Stuttgart, DB 2001, 697 = NJW-RR 2001, 755 = Rpfleger 2001, 186; diff. OLG Jena, BB 2011, 2242 – Verwendung von Ortsangaben in attributiver Form bringt Inanspruchnahme einer führenden Stellung stärker zum Ausdruck als nachgestellte Ortsangabe. 62) LG Darmstadt, GmbHR 1999, 482; vgl. zu „Euro“ oder „European“ als Firmenbestandteil ferner OLG Hamm, GmbHR 1999, 1254 = DB 1999, 2002 = NZG 1999, 994.

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„Börse“ werden heute zwar tendenziell gebilligt, weil sie nicht notwendig auf eine bestimmte Größe verweisen. Wer einen „Großhandel“ behauptet, muss ihn aber auch wirklich betreiben.63) Ebenfalls darf sich eine einzelne Gesellschaft nicht „Gruppe“ nennen, weil dies einen Zusammenschluss mehrerer Unternehmen nahelegt.64) Tendenziell streng gehandhabt wird auch der Begriff „Zentrum“, erforderlich ist insofern, dass dem Unternehmen tatsächlich eine besondere Größe und Bedeutung im einschlägigen Markt zukommt.65) Irreführend ist die Firma auch dann, wenn sie eine in Wahrheit nicht bestehende Tradition behauptet. Dies gilt insbesondere bei Verwendung heute nicht mehr gebräuchlicher Regionenbezeichnungen für Neugründungen, wenn hierdurch der Eindruck hervorgerufen wird, dass die Gesellschaft schon bestand, als die Nomenklatur noch üblich war.66) Das Gleiche gilt bei Anknüpfung an eine nicht mehr bestehende Staatsform.67) Auch der Zusatz „und Söhne“ darf durch einen Einzelkaufmann nicht verwendet werden, wenn in Wahrheit keine Familientradition besteht.68)

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Unzulässig sind weiter (unwahre) Sachfirmen ohne Bezug zum Unternehmensgegenstand.69) Zwar muss die Firma keinen Bezug zum Unternehmensgegenstand aufweisen; auch reine Personenfirmen und Phantasiefirmen sind zulässig (siehe Rn. 6). Wenn jedoch eine Sachfirma gewählt wird, muss sie zutreffend sein und darf nichts vorspiegeln, was die Gesellschaft in Wahrheit nicht betreibt.70) Andererseits fehlt die Eignung zur Täuschung, wenn eine Phantasiefirma (auch) als

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_____________ 63) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 29 m. w. N.; ebenso OLG Jena, BB 2011, 2242 – für die Bezeichnung „Fahrzeugwerk“ (Verkehr erwartet großes und bedeutendes Unternehmen); anders OLG Frankfurt/M., NZG 2011, 1234 = BB 2011, 2114 – für „Verband“ (erwecke keine allgemeine Erwartung einer nicht unerheblichen Größe). 64) OLG Jena, ZIP 2014, 375 = GmbHR 2014, 428 = NZG 2013, 1270 – „K-Gruppe UG“; OLG Schleswig, NZG 2012, 34 = NJW-RR 2012, 497 = MDR 2011, 1366 – „J e.K. Group“ (betr. Einzelkaufmann). 65) BGH, NJW-RR 2012, 1066; OLG Frankfurt/M., NZG 2015, 1239; großzügiger hingegen Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 29. 66) OLG Frankfurt/M., DB 2005, 1732 = Rpfleger 2005, 366 = AG 2005, 403 – „HessenNassauische Grundbesitz Aktiengesellschaft“; OLG Zweibrücken, v. 8.7.1981, n. v. – „Kurpfälzisches Kupferstichkabinett“. 67) BayObLG, Rpfleger 1981, 114 = MDR 1981, 321 – „Königlich Bayrisch“. 68) OLG Düsseldorf, MittRhNotK 2000, 298 – selbst bei Hinzufügung des Rechtsformzusatzes „e. K.“; zur Unzulässigkeit eines „Gruppen“-Zusatzes s. Schleswig, NZG 2012, 34 = NJW-RR 2012, 497 = MDR 2011, 1366 – „J e.K. Group“. 69) Zutr. BayObLG, GmbHR 2003, 1003 = DB 2003, 2382 = NZG 2003, 1029; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 36; Ulmer/Habersack/Löbbe-Heinrich, GmbHG, § 4 Rn. 27, 33 f (str.). 70) BayObLG, MDR 1985, 677 = BB 1985, 687 – „Porzellanmanufaktur“ unzulässig, wenn Unternehmen Porzellan nur veredelt, nicht selbst herstellt; OLG München, GmbHR 2010, 1156 = NZG 2011, 157 = Rpfleger 2011, 90 – „Zahnarztpraxis Ltd.“ unzulässig, wenn nur Dienstleistungen für Zahnarztpraxen angeboten werden; dass eine Ltd. keine Zahnarztpraxis betreiben darf, ist unerheblich; a. A. (wegen angeblicher Abgrenzungsschwierigkeiten zur Phantasiefirma) OLG Stuttgart, GmbHR 2012, 571 = NZG 2012, 551 = DB 2012, 741 – „… Solar USA International GmbH“ für eine Gesellschaft, die Beteiligungen an ausländischen Unternehmen verwaltet, die teilweise der Solarbranche angehören; vgl. aber auch BGH, NZG 2016, 398 = ZIP 2016, 319 = EWiR 2016, 239 (Henssler).

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Hinweis auf einen Unternehmensgegenstand verstanden werden kann.71) Ausgeschlossen sind also nur solche Phantasiefirmen, die den Eindruck eines bestimmten Unternehmensgegenstands hervorrufen. Für die Beurteilung ist (auch) insofern der Zeitpunkt der Anmeldung ausschlaggebend. Allerdings kann eine zunächst unproblematische Firma im Nachhinein unzulässig werden, wenn der Unternehmensgegenstand geändert wird.72) 21

Kontrovers wird die Irreführungseignung von (Nach-)Namen natürlicher Personen in einer Personenfirma beurteilt, wenn diese nicht Gesellschafter sind. Richtigerweise hängt das Irreführungspotential davon ab, ob der Name einer lebenden Person zuzuordnen ist und diese im Verkehr zumindest regional Bekanntheit genießt und eine Verbindung mit dem Unternehmensgegenstand aufweist.73) Irreführend ist auch die Verwendung von Namen mit akademischen Graden (Dr.; Prof.), wenn die Namensträger als Gesellschafter ausgeschieden sind oder solche nie waren. Der Bundesgerichtshof hat insofern verlangt, dass ein in der Firma ausgeflaggter promovierter Akademiker Gesellschafter ist, der die Gesellschaftsbelange maßgeblich mitbestimmt, sodass die Qualität der angebotenen Waren oder Dienstleistungen auch durch seine besondere Qualifikation beeinflusst werden.74) Das ist unverändert zutreffend; die breite Öffentlichkeit setzt (immer noch) besonderes Vertrauen in Fähigkeiten, Kompetenz und Zuverlässigkeit des Trägers eines akademischen Grades. Das tatsächliche Vorhandensein und die Einschlägigkeit des Titels wird daher von durchschnittlichen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise bei verständiger Würdigung als „wesentlich“ i. S. d. § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB verstanden.75) Der Titelträger muss also Gesellschafter sein und den Titel tatsächlich erworben haben. Überdies muss ein Fakultätszusatz hinzugefügt werden, wenn der Titel in einem Fachgebiet erworben wurde, der keinen Bezug zum Unternehmensgegenstand aufweist (z. B.: Dr. med. im Namen eines Weingu_____________ 71) BayObLG, BB 1999, 1401 = NJW-RR 2000, 111 = Rpfleger 1999, 448 – „MEDITEC“ kann auf Medien oder Medizinbereich verweisen. 72) Ulmer/Habersack/Löbbe-Heinrich, GmbHG, § 4 Rn. 28. 73) OLG Karlsruhe, GmbHR 2014, 142 = MDR 2014, 233 = NotBZ 2014, 61 OLG Karlsruhe, GmbHR 2010, 1096 = MDR 2010, 1130 (Irreführung bei Verwendung eines bekannten Namens denkbar, wenn Namensträger keinerlei Verbindung zum Unternehmen hat); ferner OLG München, ZIP 2012, 2393 = NZG 2013, 108 = MDR 2013, 44 (betr. Einzelkaufmann); OLG Hamburg, BeckRS 2011, 07893; OLG Jena, GmbHR 2010, 1094 = NZG 2010, 1354 = MDR 2010, 1128; LG München, MittBayNot 2007, 71; LG Wiesbaden, NJW-RR 2004, 1106 = NZG 2004, 829 – keine Irreführung bei Verwendung des Namens einer fiktiven Person, sofern dieser für die angesprochenen Verkehrskreise irrelevant ist, so auch OLG Düsseldorf, BeckRS 2017, 100726; OLG Rostock, NZG 2015, 243 = GmbHR 2015, 37; ferner Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 35 – „Beckenbauer Fußballartikel GmbH“ usw.; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 4 Rn. 12; Scholz-Cziupka, GmbHG, § 4 Rn. 61 f; Staub-Burgard, HGB, § 18 Rn. 56, 59; Henssler/ Strohn-Wamser, GesR, § 18 HGB Rn. 6, der die ggf. fehlende Sachkenntnis oder Seriosität des nicht vorhandenen Gesellschafters hervorhebt; a. A. Kögel, GmbHR 2011, 16, 19 f. 74) S. nur BGH, DB 1992, 1519 = WM 1992, 504 = GRUR 1992, 121, dazu EWiR 1992, 189 (Osterloh); zur Eintragungsfähigkeit akademischer Titel ins Partnerschaftsregister s. BGH, NZG 2017, 734 m. Anm. Römermann. 75) OLG Köln, DNotZ 2009, 140 = FGPrax 2008, 125; vgl. auch bereits BGH, DB 1992, 1519 = WM 1992, 504 = GRUR 1992, 121, dazu EWiR 1992, 189 (Osterloh).

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tes).76) Ausländische Titel müssen im Inland genehmigt werden und dann so, wie erteilt, geführt werden. – Phantasiefirmen ohne Bezug zu bestimmten (lebenden) Personen bleiben hiervon unberührt.77) Die Bezeichnung „Institut“ darf in der Firma nur verwendet werden, wenn es sich um eine unter öffentlicher Aufsicht oder Förderung stehende, der Allgemeinheit und der Wissenschaft dienende Einrichtung mit wissenschaftlichem Personal handelt. Sie ist deshalb ohne klarstellenden Zusatz irreführend, wenn die Gesellschaft ein (rein) gewerbliches Unternehmen betreibt, ohne dass der bloße Rechtsformzusatz eine solche Klarstellung bewirken könnte.78) Entsprechendes gilt auch für die Bezeichnung „Stadtwerke“, die nahelegt, dass das Unternehmen zumindest mehrheitlich in kommunaler Hand befindet.79)

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Unzulässig ist die Verwendung solcher Firmenzusätze, die als Hinweis auf eine andere Rechtsform missverstanden werden könnten (… & Partner; AG).80) Der Bundesgerichtshof hat schon die Zusammenstellung von Buchstaben oder Silben als unzulässig angesehen, die auf die Abkürzung „AG“ enden.81) Neuere instanzgerichtliche Entscheidungen sind teilweise großzügiger.82) Allemal unzulässig ist die Aufnahme der Firma mit AG-Zusatz als Kommanditistin in die Firma einer GmbH & Co. KG „Schmidt AG Müller GmbH & Co. KG“.83)

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b) Spezialgesetzliche Schranken Einige Bezeichnungen sind bestimmten Rechtsträgern vorbehalten, damit korrespondiert teilweise auch eine Pflicht zur Verwendung in der Firma.84) Dies soll dem Schutz des Rechtsverkehrs vor Irreführung dienen. So ist nach § 11 PartGG der Zusatz „und Partner“ und „Partnerschaft“ der PartG vorbehalten und mithin für die GmbH gesperrt.85) Das gilt selbstverständlich auch für die englische Bezeichnung „… & Partners“.86) Für die Rechtsanwaltsgesellschaft (§ 59k Abs. 1 BRAO) _____________ 76) H. M., BGHZ 53, 65, 67 = NJW 1970, 704 = DB 1970, 390; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 4 Rn. 13; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 32; Koller/Roth/ Morck-Roth, HGB, § 18 Rn. 15a; Staub-Burgard, HGB, § 18 Rn. 67 – hinsichtlich der Gesellschaftereigenschaft des Titelträgers und Pflicht zur Fakultätsangabe aber etwas großzügiger; ähnlich Heidinger in: MünchKomm-HGB, § 18 Rn. 115. 77) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 32 – „Dr. Mabuse GmbH“. 78) OLG Düsseldorf, ZIP 2004, 1639 = DB 2004, 1720 = NJW 2004, 2744, dazu EWiR 2005, 79 (Allmendinger) – „Dolmetscher Institut e.K.“; OLG Frankfurt/M., DB 2001, 1664 = NJW-RR 2002, 459 = Rpfleger 2001, 428. 79) BGH, GRUR 2012, 1273 = MDR 2012, 1426 – Stadtwerke Wolfsburg. 80) Einhellige M., vgl. nur Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 33. 81) BGHZ 22, 88 = NJW 1956, 1873 = WM 1956, 1430 – „INDROHAG“; so auch Ulmer/ Habersack/Löbbe-Heinrich, GmbHG, § 4 Rn. 31. 82) OLG Köln, DStR 2007, 267 = GRUR-RR 2007, 163 – „WISAG“; OLG Dresden, NZG 2010, 1237 – „OBAG“, ebenso LG Bremen, GmbHR 2004, 186 – … & Co. GmbH. Zu Recht anders bei optischer Absetzung OLG Hamburg, CR 2004, 769 = GRUR-RR 2005, 199 – „tipp.ag GmbH“ (Irreführung, allerdings bez. § 3 UWG a. F.). 83) OLG Stuttgart, DB 2001, 695 = BB 2001, 14. 84) Hierzu die ausführliche Aufstellung bei Ulmer/Habersack/Löbbe-Heinrich, GmbHG, § 4 Rn. 43 ff. 85) Vgl. etwa OLG Düsseldorf, ZIP 2010, 282 f = GmbHR 2010, 38 = MDR 2009, 1401, dazu EWiR 2010, 371 (Lamsa) – „Partner Logistics Immobilien GmbH“. 86) KG, ZIP 2004, 1645 = GmbHR 2004, 1024 = NZG 2004, 614, dazu EWiR 2005, 41 (Mankowski); OLG Frankfurt/M., GmbHR 2005, 96 = DB 2005, 99 = Rpfleger 2005, 264.

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ist die bisherige Pflicht zur Aufnahme eines Gesellschafternamens in die Firma zum 1.9.2009 entfallen.87) Die Firma muss daher nur noch die Bezeichnung „Rechtsanwaltsgesellschaft“ führen, die zugleich für andere Gesellschaften gemäß Absatz 2 gesperrt ist. Weitere Beispiele reservierter Bezeichnungen sind §§ 39 – 43 KWG für „Bank“, „Bankier“, „Volksbank“ und „Sparkasse“; § 3 KAGB für „Kapitalverwaltungsgesellschaft“, „Investmentvermögen“, „Investmentfonds“, „Investmentgesellschaft“; §§ 43, 53 StBerG „Steuerberatungsgesellschaft“; § 133 WPO für „Wirtschaftsprüfungsgesellschaft“, „Buchprüfungsgesellschaft“; § 6 VAG für „Versicherung“, „Versicherer“, „Assekuranz“, „Rückversicherung“, „Rückversicherer“. c) Verhältnis zu sonstigen Verwendungsverboten 25

Irreführungs- bzw. Verwendungsverbote enthalten auch Vorschriften des UWG (§§ 1, 3), Markenrechts (§§ 5, 15 MarkenG) sowie das allgemeine Namensrecht (§ 12 BGB). Diese errichten aber keine über das Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2 HGB hinausgehende Schranke; denn das Firmenrecht hat ein anderes Regelungsziel als die besonderen Verbotsmaterien.88) Daher kann eine Firma in firmenrechtlicher Hinsicht zulässig, namensrechtlich oder im Hinblick auf das UWG bzw. Markenrecht aber unzulässig sein, was konsequenterweise im Registerverfahren nicht geprüft wird. Ein etwaiger Verstoß führt somit nicht zur Unzulässigkeit der Firma, sondern nur zu Unterlassungsansprüchen.89) Ist eine Gesellschaft danach zur Unterlassung des Firmengebrauchs verpflichtet und demgemäß rechtskräftig zur Anmeldung der Löschung ihrer Firma verurteilt, so bildet der vom Gläubiger beim Registergericht elektronisch einzureichende Vollstreckungstitel die Grundlage für die Löschung, ohne dass es noch eines satzungsändernden Beschlusses bedarf.90) Das Registergericht hat der GmbH sodann gemäß § 399 FamFG eine Frist zur Anmeldung einer neuen Firma zu setzen – und nach fruchtlosem Ablauf der Frist den Mangel der Satzung gemäß § 399 Abs. 2 FamFG festzustellen (zur darauf beruhenden Auflösung gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 6 siehe § 60 Rn. 18 f [Roth]).91) IV. Rechtsformzusatz GmbH

26

Die Firma muss zwingend den Zusatz „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten. Die Übersetzung in andere Sprachen ist unzulässig. Weil das Gesetz sich aber auf keine bestimmte Abkürzung festlegt, kommen vorbehaltlich ihrer Allgemeinverständlichkeit und des Irreführungsverbots theoretisch auch andere Abkürzungen als „GmbH“ in Betracht; letztlich betrifft das aber wohl nur die Abkürzung „X-Ges. m. b. H.“ _____________ 87) Gesetz v. 30.7.2009, BGBl. I 2009, 2449. Auf Briefbögen müssen gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 BORA aber die Namen sämtlicher Gesellschafter mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen aufgeführt werden; wg. der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit s. BVerfG, NJW 2009, 2587. 88) Hierzu eingehend Staub-Burgard, HGB, Anh. I und II zu § 37. 89) S. nur Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 39, 51; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 4 Rn. 29. 90) Überzeugend OLG München, ZIP 2013, 1324 = GmbHR 2013, 764 = NZG 2013, 1114 – Firma verletzte Namens- und Markenrechte; s. dazu auch Becker, GRUR-Prax 2013, 293; Schroeder, GWR 2013, 294. 91) Becker, GRUR-Prax 2013, 293.

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§4

Firma

bzw. „X-Gesellschaft m. b. H.92) Eine „X-Gesellschaft mit bH“ wurde noch nicht gesichtet. Unabdingbar ist insbesondere auch die Aufnahme des Wortes „Gesellschaft“, entweder ausgeschrieben oder abgekürzt (Ges., G). Zur – inzwischen zulässigen – Abkürzung „gGmbH“ siehe Rn. 32. – Wird der Rechtsformzusatz weggelassen, hat dies die unbeschränkte persönliche Haftung des Handelnden kraft Rechtsscheins zur Folge (siehe § 5a Rn. 18 [Schäfer] zur Rechtslage bei der UG).93) Die teilweise gegen den Ansatz des Bundesgerichtshofs erhobene Kritik ist unbegründet (siehe § 5a Rn. 18 [Schäfer]). V. Sonderfälle 1.

Vorgesellschaft

Auch die Vorgesellschaft (Vor-GmbH, Vor-UG) ist als rechtsfähige Gesellschaft eigener Art zweifellos firmenfähig; insoweit gelten die Grundsätze über die Firmenbildung. Auch den Rechtsformzusatz (GmbH/UG) muss die Vorgesellschaft gemäß §§ 4, 5a Abs. 1 in ihre Firma aufnehmen, anderenfalls haften die Handelnden kraft Rechtsschein für sämtliche (vertraglichen) Gesellschaftsverbindlichkeiten.94) Zusätzlich ist ein Hinweis auf die noch nicht erfolgte Eintragung erforderlich („i.Gr.“ oder „iG“).95) Wird dies unterlassen, sind die Folgen allerdings begrenzt. Denn auch beim Auftreten ohne Zusatz wird die Vorgesellschaft nach den Grundsätzen des unternehmensbezogenen Geschäfts als der „richtige“ Rechtsträger verpflichtet. – Im Übrigen gelten, was inhaltliche Anforderungen und Firmenschutz betrifft, keine Besonderheiten. 2.

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Liquidationsphase

Die Auflösung der GmbH führt nicht zum Erlöschen der Firma; vielmehr wird diese während der Liquidationsphase weitergeführt. Erst mit der GmbH erlischt auch ihre Firma. Nach § 68 Abs. 2 ist ab Wirksamwerden der Auflösung ein Zusatz erforderlich, der die Auflösung der Gesellschaft erkennen lässt (insbesondere „i.L.“ oder „in Liqu.“).96) Hierfür braucht die Satzung, weil keine Firmenänderung erfolgt, nicht geändert zu werden.97) Im Insolvenzverfahren ist kein Zusatz erforderlich (siehe § 60 Rn. 30 ff [Roth]).98) _____________ 92) Begr. RegE BT Drucks. 13/8444, S. 75. 93) BGH, ZIP 2007, 908 = NJW 2007, 1529; BGH, ZIP 2012, 1659 = NJW 2012, 2871; näher Ulmer/Habersack/Löbbe-Heinrich, GmbHG, § 4 Rn. 5, 39 f: Beck, ZIP 2017, 1748 sowie Klein, NJW 2015, 3607. 94) BGH, ZIP 1996, 1511 = GmbHR 1996, 764 = NJW 1996, 2645. 95) BGH, NJW 1985, 737 – für die Eintragung einer Vor-GmbH als Komplementärin ins Handelsregister; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 42; Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 4 Rn. 18. 96) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 45. 97) Anders aber, wenn nach Verwertung von Unternehmen und Firma durch Insolvenzverwalter eine Ersatzfirma verwendet werden soll, vgl. OLG München, NZG 2016, 837 = NZI 2016, 641 = GmbHR 2016, 928 m. Anm. Wachter. 98) Vgl. auch OLG Celle, ZIP 2011, 278 = GmbHR 2011, 257 = NZG 2011, 464: Auch wenn GmbH nach der Schlussverteilung im Insolvenzverfahren im Handelsregister noch nicht gelöscht ist, scheidet Fortsetzung aus, dazu § 60 Abs. 1 Nr. 4.

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§4 3. 29

GmbH & Co. KG

Bei der Firma der GmbH & Co. KG ist zu unterscheiden zwischen der Pflicht zur Aufnahme des Rechtsformzusatzes für die KG aus § 19 Abs. 1 Nr. 3 HGB und der aus § 19 Abs. 2 HGB folgenden Pflicht, einen auf das Fehlen einer haftenden natürlichen Person hinweisenden Zusatzes. Bei der GmbH als Komplementärin lautet der Gesamtzusatz demgemäß „GmbH & Co. KG“ oder „GmbH & Cie KG“. Seit der Handelsrechtsreform 1998 braucht die GmbH & Co. KG nicht mehr zwingend die (volle) Firma der Komplementär-GmbH zu führen.103) Zur Firma einer UG & Co. KG siehe § 5a Rn. 15 [Schäfer]. 6.

32

Zweigniederlassung

Die Zweigniederlassung ist kein eigenständiger Rechtsträger. Die GmbH kann aber für die im Bereich der Zweigniederlassung zustande gekommenen Geschäfte unter Firma der Zweigniederlassung klagen und verklagt werden. Denn die Zweigniederlassung kann zwar, muss aber nicht zwingend, dieselbe Firma wie die GmbH tragen.99) Die Zugehörigkeit zur Hauptniederlassung muss allerdings deutlich werden.100) Unzulässig ist demgemäß eine vollkommen eigenständige Firma. Wird eine abweichende Firma geführt, ist der Zusatz „Zweigniederlassung“, „Zweigstelle“ oder „Niederlassung“ „(der) ABC-GmbH“ aufzunehmen.101) Eine abweichende Firma für die Zweigniederlassung bedarf der Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag (siehe Rn. 33).102) 5.

31

Unternehmergesellschaft (UG)

Die Firmenbildung bei der UG unterliegt – abgesehen vom Rechtsformzusatz – keinen Besonderheiten; auch für sie als Rechtsformvariante der GmbH gelten die firmenrechtlichen Grundsätze des § 4. Wegen des besonderen Rechtsformzusatzes („Unternehmergesellschaft [haftungsbeschränkt]“ oder „UG [haftungsbeschränkt]“) gemäß § 5a Abs. 1, der in der Anfangsphase der UG offenbar nicht immer ausreichend ernst genommen wurde, siehe § 5a Rn. 15 [Schäfer]. 4.

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Firma

Gemeinnützige GmbH (Satz 2)

Durch das Gesetz zur Stärkung des Ehrenamts vom 21.3.2013 (Art. 7)104) wurde Satz 2 angefügt, der nunmehr einer gemeinnützigen GmbH ausdrücklich gestattet, dem Rechtsformzusatz ein kleines „g“ voranzustellen; der Zusatz „gGmbH“ ist seither also zulässig, sofern die GmbH ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigte Zwecke i. S. d. §§ 51 – 68 AO verfolgt.105) Damit ist die entgegenstehende Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München insofern überholt; es hatte diese _____________ 99) H. M., BayObLGZ 1990, 151, 158; Staub-Koch, HGB, § 13 Rn. 84 ff; vgl. Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 4 Rn. 17. 100) Näher Ulmer/Habersack/Löbbe-Heinrich, GmbHG, § 4 Rn. 87. 101) Ulmer/Habersack/Löbbe-Heinrich, GmbHG, § 4 Rn. 87. 102) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 4 Rn. 17. 103) S. nur Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 4 Rn. 35. 104) BGBl. I 2013, 556 (in Kraft seit 29.3.2013). 105) Zur Neufassung Wicke, MittBayNot 2014, 13, 19 f; Wachter, GmbHR 2013, R 145.

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§4

Firma

Abkürzung allgemein als unzulässig beurteilt, was aber nicht unbestritten geblieben war.106) VI. Firmenänderung Die Firma ist zwingender Satzungsbestandteil gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 (siehe § 3 Rn. 6 und 18 f [Schäfer]). Ihre Änderung bedarf daher zwingend der Änderung des Gesellschaftsvertrags, vor Eintragung (mit Zustimmung aller Gründer) in der Form des § 2, danach im Wege der Satzungsänderung gemäß §§ 53 f.

33

VII. Firmenfortführung 1.

Übernahme eines Handelsgeschäfts durch Erwerb oder Einbringung

Übernimmt die GmbH im Wege der Sacheinlage oder -übernahme bei ihrer Gründung ein Handelsgeschäft, so kann dessen Firma gemäß § 22 HGB, auf den § 4 ausdrücklich verweist, fortgeführt werden. Wird die übertragende Gesellschaft fortgeführt, muss für sie eine neue Firma gebildet werden. Die fortführende Gesellschaft kann einen Nachfolgezusatz in die Firma aufnehmen; zwingend ist dies aber nach § 22 Abs. 1 HGB nicht. Unwesentliche Änderungen in Bezug auf die Schreibweise etc. sind zulässig.107) In jedem Falle muss aber, wenn die übertragende Gesellschaft eine andere Rechtsform hat, der bisherige Rechtsformzusatz durch den „GmbH“-Zusatz (siehe Rn. 26) ersetzt werden. 2.

34

Umwandlungen (Formwechsel; Verschmelzung)

Entsprechendes gilt auch für den Formwechsel in die GmbH: Der Rechtsträger darf seine alte Firma auch in der neuen Rechtsform beibehalten (§ 200 UmwG), ggf. mit Zustimmung einer in der Firma aufgeführten natürlichen Person (§ 200 Abs. 3 UmwG). Der bisherige Rechtsformzusatz ist gemäß § 200 Abs. 2 UmwG zu ersetzen durch einen GmbH-Zusatz gemäß § 4 (siehe Rn. 26). Ein Nachfolgezusatz entfällt beim Formwechsel mangels Rechtsnachfolge naturgemäß.

35

Für die Verschmelzung ergibt sich Entsprechendes aus § 18 Abs. 1 UmwG, der die Fortführungsbefugnis der übernehmenden Gesellschaft bestimmt, ggf. wiederum mit Zustimmung des Namensträgers (§ 18 Abs. 2 UmwG). Unabdingbar ist der richtige Rechtsformzusatz, fakultativ gemäß § 18 Abs. 1 UmwG ein Nachfolgezusatz. Für die Spaltung gilt § 18 UmwG nicht (§ 125 UmwG).

36

VIII. Rechtsfolgen unzulässigen Firmengebrauchs Die Unzulässigkeit der Firma nach den oben dargestellten Grundsätzen (siehe Rn. 5 ff) stellt vor Eintragung in das Handelsregister ein Eintragungshindernis dar (§ 9c Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 1).108) Ist die Firma nicht zur Kennzeich_____________ 106) OLG München, ZIP 2007, 771 = NJW 2007, 1601 = GmbHR 2007, 267 m. Anm. Rhode, dazu EWiR 2007, 181 (Wachter); a. A. z. B. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 26; Ulmer/Habersack/Löbbe-Heinrich, GmbHG, § 4 Rn. 37. 107) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 4 Rn. 21. 108) Vgl. auch OLG Zweibrücken, Rpfleger 2012, 547 = NotBZ 2012, 439: Die inhaltliche Abänderung einer Anmeldung im Handelsregister wegen Verwendung eines unzulässigen Firmenbestandteils („Rh.“) kann nicht Inhalt einer Zwischenverfügung sein; es darf nur aufgegeben werden, ein dem Vollzug der Anmeldung entgegenstehendes Hindernis zu beheben.

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§ 4a

Sitz der Gesellschaft

nung geeignet, mangelt es ihr an Unterscheidungskraft oder ist sie sonst unzulässig, so darf also der Registerrichter nicht eintragen (bei irreführender Firma muss die Eignung hierzu allerdings ersichtlich sein, siehe Rn. 13). Eine gleichwohl erfolgende Eintragung hindert die Entstehung der GmbH allerdings nicht. Das Registergericht kann entweder ein Amtsauflösungsverfahren gemäß § 399 FamFG betreiben oder auf Änderung der Firma gemäß § 392 FamFG hinwirken.109) Das gilt richtigerweise auch dann, wenn die Firma nachträglich – aufgrund Satzungsänderung oder geänderter tatsächlicher Umstände – unzulässig wird.110) _____________ 109) Ulmer/Habersack/Löbbe-Heinrich, GmbHG, § 4 Rn. 101 f, 106; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 4 Rn. 47. 110) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rn. 48 f.

§ 4a Sitz der Gesellschaft Peter Kindler

Sitz der Gesellschaft ist der Ort im Inland, den der Gesellschaftsvertrag bestimmt. Literatur: Balser, Der Doppelsitz von Kapitalgesellschaften, DB 1972, 2049; Balthasar, Gesellschaftsstatut und Gläubigerschutz: ein Plädoyer für die Gründungstheorie, RIW 2009, 221; Bayer/Schmidt, Grenzüberschreitende Sitzverlegung und grenzüberschreitende Restrukturierungen nach MoMiG, Cartesio und Trabrennbahn, ZHR 173 (2009) 735; Bode/Bron, Brexit als Risiko für die Anerkennung von Limited und LLP?, GmbHR 2016, R129; Drobnig, Kritische Bemerkungen zum Vorentwurf eines EWG-Übereinkommens über die Anerkennung von Gesellschaften, ZHR 129 (1967) 93; DuursmaKepplinger, Aktuelle Entwicklungen zur internationalen Zuständigkeit für Hauptinsolvenzverfahren – Erkenntnisse aus Staubitz-Schreiber und Eurofood, ZIP 2007, 896; Eidenmüller, Wettbewerb der Gesellschaftsrechte in Europa, Zugleich Besprechung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 5.11.2002 in der Rechtssache C-208/00 (Überseering BV gegen Nordic Construction Company Baumanagement GmbH), ZIP 2002, 2233; Franz/Laeger, Die Mobilität deutscher Kapitalgesellschaften nach Umsetzung des MoMiG unter Einbeziehung des Referentenentwurfs zum internationalen Gesellschaftsrecht, BB 2008, 678; Freitag/Korch, Gedanken zum Brexit – Mögliche Auswirkungen im Internationalen Gesellschaftsrecht, ZIP 2016, 1361; Gausing/Mäsch/ Peters, Deutsche Ltd., PLC und LLP: Gesellschaften mit beschränkter Lebensdauer? – Folgen eines Brexits für pseudo-englische Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland, IPRax 2017, 49; Hess, Back to the Past: BREXIT und das europäische internationale Privat- und Verfahrensrecht, IPRax 2016, 409; Hoffmann, Die stille Bestattung der Sitztheorie durch den Gesetzgeber, ZIP 2007, 1581; Katschinski, Die Begründung eines Doppelsitzes bei Verschmelzung, ZIP 1997, 620; Kindler, Die Einpersonen-Kapitalgesellschaft als Konzernbaustein, ZHR 179 (2015) 330; Kindler, Keine Flucht der Unternehmensmitbestimmung durch Einsatz von EU-Scheinauslandgesellschaften, in: Deinert, Internationales Recht im Wandel, Tagungsband Symposium Winkler von Mohrenfels, 2013, S. 147; Kindler, Der reale Niederlassungsbegriff nach dem VALE-Urteil des EuGH, EuZW 2012, 888; Kindler, Internationales Gesellschaftsrecht 2009: MoMiG, Trabrennbahn, Cartesio und die Folgen, IPRax 2009, 189; Kindler, Ende der Diskussion über die so genannte Wegzugsfreiheit, NZG 2009, 130; Kindler, Internationales Gesellschaftsrecht – Licht und Schatten im Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums vom 7.1.2008, Status: Recht 2008, 68; Kindler, GmbHReform und internationales Gesellschaftsrecht, AG 2007, 721; Kindler, Der Wegzug von Gesellschaften in Europa, Der Konzern 2006, 811; Kindler, Sitzverlegung und internati-

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Peter Kindler

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

onales Insolvenzrecht, IPRax 2006, 114; Kindler, Unternehmensmobilität nach „Polbud“: Der grenzüberschreitende Formwechsel in Gestaltungspraxis und Rechtspolitik, NZG 2018, 1; Knaier, Unionales Umwandlungsrecht – Die Zukunft der Unternehmensmobilität im Binnenmarkt, GmbHR 2018, 607; Knof/Mock, Das MoMiG und die Auslandsinsolvenz haftungsbeschränkter Gesellschaften Herausforderung oder Sisyphismus des modernen Gesetzgebers?, GmbHR 2007, 852; König, Doppelsitz einer Kapitalgesellschaft – Gesetzliches Verbot oder zulässiges Mittel der Gestaltung einer Fusion?, AG 2000, 18; Maul/Röhricht, Die Europäische Privatgesellschaft – Überblick über eine neue supranationale Rechtsform, BB 2008, 1574; Mayer/Kleinert, Gesellschaftsrecht: RegE zum 4. UmwÄndG, EuZW 2018, 1011; Mayer/Manz, Der Brexit und seine Folgen auf den Rechtsverkehr zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich, BB 2016, 1731; Noack, Reform des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts: Das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen, DB 2006, 1475; Pertegas, The Belgian Code on Private International Law: a tour d’horizon, IPRax 2006, 59; Pluskat, Die Zulässigkeit des Mehrfachsitzes und die Lösung der damit verbundenen Probleme, WM 2004, 601; Priester, Handelsrechtsreformgesetz – Schwerpunkte aus notarieller Sicht, DNotZ 1998, 691; Rotheimer, Referentenentwurf zum Internationalen Gesellschaftsrecht, NZG 2008, 181; Schaper, Grenzüberschreitender Formwechsel und Sitzverlegung: Die Umsetzung der Vale-Rechtsprechung des EuGH, ZIP 2014, 810; Schall, Der grenzüberschreitende Formwechsel in Europa nach Polbud, ZfPW 2018, 176; J. Schmidt, EU Company Law Package 2018 – Mehr Digitalisierung und Mobilität von Gesellschaften (Teil 2), Der Konzern 2018, 273; Schneider, Internationales Gesellschaftsrecht vor der Kodifizierung, BB 2008, 566; Seggewiße/Weber, Auswirkungen eines britischen Austritts aus der Europäischen Union auf die in Deutschland tätigen Limiteds, GmbHR 2016, 1302; Seibert, Die rechtsmissbräuchliche Verwendung der GmbH in der Krise – Stellungnahme zu einer Umfrage des Bundesministeriums der Justiz, in: Festschrift für Volker Röhricht, 2005, S. 585; Sonnenberger/Bauer, Vorschlag des Deutschen Rates für Internationales Privatrecht für eine Regelung des Internationalen Gesellschaftsrechts auf europäischer/nationaler Ebene, RIW 2006, Beil. 1 zu Heft 4; Steffek, Zustellungen und Zugang von Willenserklärungen nach dem Regierungsentwurf zum MoMiG – Inhalt und Bedeutung der Änderungen für GmbHs, AGs und ausländische Kapitalgesellschaften, BB 2007, 2077; Stiegler, 4. UmwÄndG – Brexit und Verschmelzung auf Personengesellschaften: Way to go oder halbherziger Kompromiss?, ZIP 2018, 2351; Strasser, Die Inlandszustellung an Auslandsgesellschaften, ZIP 2008, 2111; Teichmann, Die Societas Privata Europaea (SPE) als ausländische Tochtergesellschaft, RIW 2010, 120; Ulmer, Gläubigerschutz bei Scheinauslandsgesellschaften, NJW 2004, 1201; Wachter, Die GmbH nach MoMiG im internationalen Rechtsverkehr, GmbHR, Sonderheft 10/2008, 80; Wagner, Vereinheitlichung des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts neun Jahre nach Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrags, NJW 2008, 2225; Wagner, Die neue Rom-II-Verordnung, IPRax 2008, 1; Wagner/Timm, Der Referentenentwurf eines Gesetzes zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen, IPRax 2008, 81; Weller, Unternehmensmitbestimmung für Auslandsgesellschaften, in: Festschrift für Peter Hommelhoff, 2012, S. 1275; Weller, Niederlassungsfreiheit via völkerrechtlicher EG-Assoziierungsabkommen, ZGR 2006, 748; Weller/Thomale/Benz, Englische Gesellschaften und Unternehmensinsolvenzen in der Post-Brexit-EU, NJW 2016, 2378; Zwirlein/Großerichter/Gätsch, Exit before Brexit, NZG 2017, 1041; Zwirlein, Minimalinvasive Maximallösung für pseudo-englische Kapitalgesellschaften, ZGR 2018, 900. Übersicht I. 1. 2.

Allgemeines .......................................... 1 Normzweck ........................................... 1 Aufnahme der Vorschrift in das GmbHG im Zuge des HRefG 1998 ..... 2

3.

Rechtslage seit Inkrafttreten des MoMiG .................................................. 5 II. Satzungssitz .......................................... 6

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§ 4a 1. 2. 3. III. IV. 1. 2. V. VI.

1

Wahl des Satzungssitzes bei der Gesellschaftsgründung .......................... 6 Verlegung des Satzungssitzes ............... 8 Auswirkungen einer Verwaltungssitzverlegung auf den Satzungssitz .... 11 Inländische Geschäftsanschrift ........ 12 Verwaltungssitz .................................. 14 Wahl des Verwaltungssitzes bei der Gesellschaftsgründung ........................ 14 Verlegung des Verwaltungssitzes ....... 18 Doppelsitz ........................................... 27 Nach ausländischem Recht gegründete Gesellschaften mbH (internationales Gesellschaftsrecht) ........ 30

I.

Allgemeines

1.

Normzweck

1. 2.

3.

4.

Fallgruppen .......................................... 30 Gründungsanknüpfung („Gründungstheorie“) bei EU/EWRausländischen Gesellschaften und Gesellschaften unter dem Schutz zweiseitiger Staatsverträge .................. 33 Verwaltungssitzanknüpfung („Sitztheorie“) bei drittstaatlichen Gesellschaften außerhalb zweiseitiger Staatsverträge ....................................... 39 Austritt des Sitzstaates aus der Europäischen Union („Brexit“) ......... 43

Die Vorschrift enthält die Legaldefinition des Rechtsbegriffs „Sitz der Gesellschaft“, den das Gesetz an verschiedenen Stellen verwendet (§ 3 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1, § 9c Abs. 2 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1; § 399 Abs. 4 FamFG). Zugleich – und insoweit ist die Vorschrift mehr als eine bloße Legaldefinition – ordnet § 4a an, dass der Gesellschaftssitz im Inland belegen sein muss. Der Gesellschaftssitz ist im Zweifel Erfüllungsort für die Rechte und Pflichten im Verhältnis der GmbH zu ihren Gesellschaftern und Organmitgliedern1) und er ist analog § 121 Abs. 5 Satz 1 AktG mangels abweichender Satzungsregelung der Ort, an dem Gesellschafterversammlungen (§§ 46 ff) stattfinden. Außerhalb des Gesellschaftsrechts ist der Gesellschaftssitz insbesondere Anknüpfungspunkt für die örtliche und internationale Zuständigkeit für Klagen gegen die Gesellschaft (§ 17 ZPO; Art. 2, Art. 24 Nr. 2, Art. 63 Abs. 1 Buchst. a Brüssel Ia-VO2)), für die Tätigkeit des Registergerichts (§ 377 Abs. 1 FamFG) und für die Insolvenzeröffnung (§ 3 Abs. 1 Satz 1 InsO i. V. m. § 17 ZPO; Art. 3 Abs. 1 Satz 2 EuInsVO). 2.

2

Sitz der Gesellschaft

Aufnahme der Vorschrift in das GmbHG im Zuge des HRefG 1998

Die 1998 mit dem HRefG eingefügte Vorschrift entsprach ursprünglich nahezu wörtlich der schon 1937 in das Aktienrecht aufgenommenen Parallelvorschrift des § 5 AktG.3) Um der als zu liberal empfundenen Praxis der Oberlandesgerichte zu begegnen, die vom Grundsatz der freien Sitzwahl ausging, bestimmte § 4a Abs. 2 a. F., dass der Gesellschaftsvertrag nur bestimmte Orte als Sitz festlegen darf.4) _____________ 1)

2)

3) 4)

120

BGH, ZIP 1985, 157 = GmbHR 1985, 190 = NJW 1985, 1286; BGH, GmbHR 1992, 303 = NJW-RR 1992, 800 = DB 1992, 830; OLG München, ZIP 1999, 1558 = GmbHR 1999, 981 = DB 1999, 1847, dazu EWiR 1999, 949 (Mankowski); OLG Celle, NZG 2000, 595 = GmbHR 2000, 1151. Zu Art. 63 Abs. 1 Buchst. a Brüssel Ia-VO BGH, ZIP 2018, 654 Rn. 26 = GmbHR 2018, 372 m. Anm. Werner; danach bedarf es für die Zuständigkeit keines über den Registertatbestand hinausgehenden realwirtschaftlichen Bezuges. Priester, DNotZ 1998, 691, 698, 708 f. Vgl. BT-Drucks. 13/8444, S. 75, abgedr. in ZIP 1997, 997, 998; aus der Rspr. davor etwa BayObLG, GmbHR 1988, 23 = DB 1987, 2194 = BB 1987, 1970, dazu EWiR 1987, 1095 (Roth); näher Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 4a Rn. 3 f.

Peter Kindler

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

Nach dem bis zum Inkrafttreten des MoMiG geltenden § 4a Abs. 1 a. F. war Sitz der Gesellschaft mithin zwar grundsätzlich der Ort, den der Gesellschaftsvertrag bestimmt. Eine gesetzlich normierte Einschränkung bezüglich der Wahl dieses gesellschaftsvertraglichen Sitzes enthielt aber § 4a Abs. 2 a. F. Danach hatte der Gesellschaftsvertrag als Sitz der Gesellschaft in der Regel den Ort zu bestimmen, an dem die Gesellschaft einen Betrieb hat, oder den Ort, an dem sich die Geschäftsleitung befindet oder die Verwaltung geführt wird. Dahinter stand der Normzweck, das Auseinanderfallen von statutarischer Sitzbestimmung und tatsächlichem Sitz zu verhindern, um dadurch den Gläubigerzugriff und die amtliche Zustellung von Registerverfügungen am Satzungssitz der Gesellschaft zu ermöglichen.5)

3

Eine weitere, ungeschriebene Einschränkung der Satzungsfreiheit war mit Blick auf das Eintragungserfordernis (§§ 7, 11; §§ 36, 41 AktG) anerkannt: Der Satzungssitz musste im Inland liegen, weil sonst ein Registerverfahren schon mangels Zuständigkeit nicht stattfinden kann.6) Aus dem kumulativen Verhältnis dieser beiden Einschränkungen zueinander folgte, dass auch die in § 4a Abs. 2 a. F. (§ 5 Abs. 2 AktG a. F.) aufgeführten Anknüpfungspunkte für die Satzungssitzwahl (Betrieb, Geschäftsleitung oder Verwaltung) im Inland belegen sein mussten.7)

4

3.

Rechtslage seit Inkrafttreten des MoMiG

Der MoMiG-Gesetzgeber hat in zweifacher Weise in dieses Regelungsgefüge eingegriffen. –

Erstens: Die gesetzlich normierte Einschränkung der Satzungssitzwahl wurde aufgehoben; § 4a Abs. 2 ist weggefallen.8)



Zweitens: Die ungeschriebene Einschränkung der Satzungssitzwahl wurde kodifiziert; nach dem 2008 neu gefassten § 4a ist Sitz der Gesellschaft der Ort im Inland, den die Satzung bestimmt.9)

5

II. Satzungssitz 1.

Wahl des Satzungssitzes bei der Gesellschaftsgründung

Für die ursprüngliche Wahl des Satzungssitzes bringt das MoMiG zum einen die – die bisherige Rechtslage bloß bestätigende – Klarstellung, dass der Satzungssitz im Inland belegen sein muss. Eine sachliche Erweiterung der Gestaltungsmöglichkeiten ergibt sich ferner daraus, dass an diesem inländischen Ort – anders als noch nach _____________ 5) 6)

7) 8) 9)

BGH, ZIP 2008, 1627 Rn. 13 = GmbHR 2008, 990 = NJW 2008, 2914. BGHZ 19, 102, 105 f = NJW 1956, 183; BGHZ 25, 134, 144 = NJW 1957, 1433; BGHZ 29, 320, 328 = NJW 1959, 1126 = DB 1959, 485; RGZ 107, 94, 97; in der Instanzgerichtsbarkeit etwa BayObLG, ZIP 2004, 806 f = GmbHR 2004, 490 m. Anm. Stieb = NZG 2004, 1116, dazu EWiR 2004, 375 (Wachter); zuletzt OLG München, ZIP 2007, 2124 = GmbHR 2007, 1273 m. w. N. = NZG 2007, 915, dazu EWiR 2007, 715 (Neye); Hüffer/Koch, AktG, § 5 Rn. 5. Kindler in: MünchKomm-BGB, Bd. 12, IntGesR Rn. 825. Ebenso die sinngleichen §§ 5 Abs. 2 AktG, 2 SEAG, 24 SCEAG. Die Vorschrift ist insoweit mit Art. 54 AEUV vereinbar: BGH, ZIP 2018, 654 Rn. 25 = GmbHR 2018, 372 m. Anm. Werner; zu einer möglichen künftigen Regelung der Satzungssitzverlegung s. Knaier, GmbHR 2018, 607, 617 ff; J. Schmidt, Der Konzern 2018, 273; zu früheren Reformbestrebungen s. Goette/Habersack-Kindler, MoMiG, Rn. 7.15 ff.

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§ 4a Abs. 2 a. F. – nicht zugleich ein Betrieb, die Geschäftsleitung oder die Hauptverwaltung der Gesellschaft belegen sein muss. Keine Aussage findet sich auch im 2008 neu gefassten § 4a, ob die Gesellschaft überhaupt einen Betrieb, die Geschäftsleitung oder die Hauptverwaltung im Inland haben muss. 7

Während in der Begründung zum Regierungsentwurf des MoMiG die Kodifizierung des Inlandserfordernisses nicht weiter erwähnt wird, findet sich zur Streichung der zulässigen Anknüpfungspunkte für die Satzungssitzwahl der Hinweis, dadurch solle der Spielraum der deutschen Gesellschaften erweitert werden; diese sollten ihre Geschäftstätigkeit auch ausschließlich i. R. einer Zweigniederlassung, die alle Geschäftstätigkeiten erfasst, außerhalb des deutschen Hoheitsgebietes entfalten können.10) Dieses Ziel hängt freilich mit den Wahlmöglichkeiten beim Satzungssitz nicht zusammen. Problematisch war – und ist – insoweit vielmehr, ob ein ausländischer Verwaltungssitz überhaupt zulässig ist (dazu siehe Rn. 14 ff). Hierüber schweigt das Gesetz nach wie vor. 2.

Verlegung des Satzungssitzes

8

Für die Satzungssitzverlegung im Inland hat sich durch den Wegfall der § 4a Abs. 2 a. F., § 5 Abs. 2 AktG a. F. der Gestaltungsspielraum erweitert: Es herrscht nunmehr – wie nach dem bis zum HRefG geltenden GmbH-Recht – Wahlfreiheit. Am Satzungssitz muss sich weder ein Betrieb noch die Geschäftsleitung noch der Verwaltungssitz befinden.

9

Leider bestimmt § 4a i. d. F. des MoMiG nicht die sachrechtliche Zulässigkeit der Verlegung des Satzungssitzes einer deutschen Gesellschaft ins Ausland. Dass diese Maßnahme nach deutschem Gesellschaftsrecht zulässig sein soll, ergibt sich nur aus der Pressemitteilung zum RefE vom 7.1.2008 für das IPR der Gesellschaften.11) Als solche ist diese freilich nicht geeignet, die gegenteilige ständige Rechtsprechung der Oberlandesgerichte12) aufzuheben. Der Gesetzgeber hätte deshalb gut daran getan, für deutsche Kapitalgesellschaften diese Möglichkeit ausdrücklich zu eröffnen, so wie dies der Deutsche Rat für IPR vorschlägt.13) Dies hätte die Attraktivität des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts weiter erhöht. Denn ausländische Gesellschafter, die ihrer Geschäftstätigkeit in Deutschland in Form einer GmbH oder AG nachgehen, wüssten so von vornherein, dass ein Statutenwechsel zum heimischen Recht möglich ist („Rückfahrkarte“). Dass diese Option reizvoll sein kann, ist auch _____________ 10) BT-Drucks. 16/6140, S. 29. 11) Abrufbar unter https://www.bmj.bund.de, mit dem Beispiel einer statutenwechselnden Umwandlung einer deutschen GmbH in eine französische S. a. r. l.; zum RefE v. 7.1.2008, s. Kindler, Status: Recht 2008, 68 ff; Rotheimer, NZG 2008, 181 ff; Wagner/Timm, IPRax 2008, 81 ff; Franz/Laeger, BB 2008, 678 ff; Schneider, BB 2008, 566 ff; vgl. den Text des RefE bei Seibert, MoMiG, RWS-Dok. 23, S. 303 oder unter https://www.gmbhr.de/volltext.htm. 12) OLG München, ZIP 2007, 2124 = GmbHR 2007, 1273 = NZG 2007, 915, dazu EWiR 2007, 715 (Neye); zu deren Fortgeltung auch Wachter, GmbHR, Sonderheft 10/2008, 80, 81. 13) Vgl. Art. 10d Abs. 1 EGBGB-E des Deutschen Rates für IPR, Text bei Sonnenberger/ Bauer, RIW 2006, Beil. 1 zu Heft 4 sowie in Sonnenberger, Vorschläge und Berichte zur Reform des europäischen und deutschen internationalen Gesellschaftsrechts, S. 13 mit Erl. S. 55 ff.

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den MoMiG-Verfassern bewusst, wenn sie – in umgekehrter Perspektive – die Streichung der § 4a Abs. 2 a. F., § 5 Abs. 2 AktG a. F. u. a. damit begründen, so könnten deutsche Konzernmütter ihre auslandsansässigen Tochtergesellschaften in der Rechtsform einer deutschen Kapitalgesellschaft führen.14) Als legislatorisches Vorbild hätte man Art. 8 SE-VO15) heranziehen können. Die Praxis wird nach wie vor mit Ersatzstrategien arbeiten, wie mit der Herausverschmelzung der deutschen Kapitalgesellschaft auf eine eigens dafür gegründete ausländische Zweckgesellschaft (§§ 122a ff UmwG) oder der grenzüberschreitenden Anwachsung. Erhöhte Mobilität ist im Rahmen der EU gewährleistet. Im Urteil „Polbud“ vom 25.10.201716) entschied der EuGH über eine Konstellation der Sitztrennung, und zwar aus Sicht des Wegzugsstaates. Zugrunde lag eine isolierte Satzungssitzverlegung – d. h. ohne gleichzeitige Verlegung des effektiven Verwaltungssitzes – von einem EU-Staat in einen anderen. Laut EuGH fällt diese Maßnahme unter die Niederlassungsfreiheit, und zwar als Recht einer nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaft auf Umwandlung (Formwechsel) in eine dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegende Gesellschaft, soweit die Voraussetzungen des Rechts des Zuzugsmitgliedstaats eingehalten sind und das Anknüpfungsmerkmal erfüllt ist, das in diesem anderen Mitgliedstaat für die Verbundenheit einer Gesellschaft mit seiner nationalen Rechtsordnung erforderlich ist.17) Damit sind die sachrechtlichen Voraussetzungen des Zuzugsstaates (im deutschen Recht § 197 UmwG) genauso gemeint wie das IPR des Zuzugsstaates. Das kollisionsrechtliche Anknüpfungsmerkmal darf der Zuzugsmitgliedstaat frei bestimmen.18) Die isolierte Satzungssitzverlegung in einen der Gründungstheorie folgenden Zuzugsstaat ist daher laut EuGH von der Niederlassungsfreiheit gedeckt. Mit dieser Maßgabe wird die Niederlassungsfreiheit zur Rechtsformwahlfreiheit.19) Dass im Staat des Satzungssitzes keine Geschäftstätigkeit ausgeübt werden muss, hatte der EuGH schon in Centros20) behauptet; hierauf nimmt das Urteil „Polbud“ ausdrücklich Bezug.21) Auch gehe aus den Urteilen „Daily Mail“ und „Cartesio“ kein Gebot der Sitzeinheit hervor.22) Zudem könne der Gründungsmitgliedstaat die betroffene Gesellschaft nicht u. a. dadurch daran hindern, einen grenzüberschreitenden Formwechsel vorzunehmen, dass er hierfür Voraussetzungen aufstellt, die _____________ 14) BT-Drucks. 16/6140, S. 29. 15) S. a. die detaillierte Regelung in Art. 35 des geplanten Statuts einer Europäischen Privatgesellschaft (SPE), vgl. Maul/Röhricht, BB 2008, 1574, 1578. 16) EuGH, ZIP 2017, 2145 Rn. 45 ff. – Polbud; dazu Kindler, NZG 2018, 1 ff; Schall, ZfPW 2018, 176 ff. 17) EuGH, ZIP 2017, 2145 Rn. 33 – Polbud; dazu Kindler, NZG 2018, 1 ff; Schall, ZfPW 2018, 176 ff. 18) EuGH, ZIP 2017, 2145 Rn. 34 – Polbud; dazu Kindler, NZG 2018, 1 ff; Schall, ZfPW 2018, 176 ff. 19) Kindler in: MünchKomm-BGB, Bd. 12, IntGesR Rn. 10, 150. 20) EuGH ECLI:EU:C:1999:126 Rn. 17 = NJW 1999, 2027 – Centros. 21) EuGH, ZIP 2017, 2145 Rn. 38 – Polbud; dazu Kindler, NZG 2018, 1 ff; Schall, ZfPW 2018, 176 ff. 22) EuGH, ZIP 2017, 2145 Rn. 42 – Polbud; dazu Kindler, NZG 2018, 1 ff; Schall, ZfPW 2018, 176 ff.

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strenger als diejenigen sind, die in diesem Mitgliedstaat für den innerstaatlichen Formwechsel gelten, etwa in Gestalt eines Liquidationserfordernisses.23) 3. 11

Auswirkungen einer Verwaltungssitzverlegung auf den Satzungssitz

Bis zum MoMiG führte die faktische, gegen § 4a Abs. 2 a. F. verstoßende Verlagerung des Verwaltungssitzes der Gesellschaft zur entsprechenden Anwendung des § 399 FamFG (früher § 144a Abs. 4 Alt. 2 FGG).24) Diese Konsequenz entfällt nunmehr bei der Verwaltungssitzverlagerung im Inland, weil § 4a i. d. F. des MoMiG keine Beschränkung der Satzungssitzwahl auf einen bestimmten inländischen Ort mehr enthält. Durch eine solche Maßnahme kann der Satzungssitz daher nicht mehr nachträglich unrichtig werden, wie dies der Bundesgerichtshof noch in seinem Beschluss vom 2.6.2008 in Anwendung von § 4a Abs. 2 a. F. angenommen hatte.25) Zur Verwaltungssitzverlagerung ins Ausland siehe Rn. 20 ff. III. Inländische Geschäftsanschrift

12

Vom Satzungssitz der Gesellschaft ist die seit dem MoMiG zwingend erforderliche inländische Geschäftsanschrift zu unterscheiden. Das MoMiG enthält eine ganze Reihe von Änderungen betreffend die Zustellung von Schriftstücken und den Zugang von Willenserklärungen.26) Neben der Pflicht zur Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift zum Handelsregister (§ 10 Abs. 1; § 39 Abs. 1 Satz 2 AktG, §§ 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, 13d Abs. 2 HGB) gibt es nunmehr die Möglichkeit der Eintragung einer empfangsberechtigten Person (§ 10 Abs. 2 Satz 2; § 39 Abs. 1 Satz 2 AktG, § 13e Abs. 2 Satz 4 HGB), die Empfangsvertretung durch GmbH-Gesellschafter (§ 35 Abs. 1 Satz 2) bzw. den AG-Aufsichtsrat (§ 78 Abs. 1 Satz 2 AktG) bei Führungslosigkeit, sowie die Erleichterung der öffentlichen Zustellung (§ 185 Nr. 2 ZPO) und des Zugangs von Willenserklärungen (§ 15a HGB) an unerreichbare Gesellschaften.

13

Diese Neuerungen richten sich in erster Linie gegen unlautere „Firmenbestattungen“, d. h. die Beseitigung gescheiterter Gesellschaften mbH außerhalb eines geordneten Liquidations- oder Insolvenzverfahrens. Typischerweise legen die Geschäftsführer dabei ihre Ämter nieder, das Geschäftslokal wird aufgegeben, die Geschäftsanteile werden an Dritte veräußert und der Gesellschaftssitz wird verlegt.27) Außerdem reagiert das Gesetz auf den wachsenden Einsatz ausländischer Kapitalgesellschaften im Inland. Deren Gläubiger müssen nicht selten den zeit- und kostenintensiven

_____________ 23) EuGH, ZIP 2017, 2145 Rn. 43 – Polbud; dazu Kindler, NZG 2018, 1 ff; Schall, ZfPW 2018, 176 ff. 24) BGH, ZIP 2008, 1627 = GmbHR 2008, 990 = NJW 2008, 2914. 25) BGH, ZIP 2008, 1627 Rn. 9 ff = GmbHR 2008, 990 = NJW 2008, 2914. 26) Näher Steffek, BB 2007, 2077 ff; Noack, DB 2006, 1475, 1482 f; Begr. RegE v. 23.7.2007, BT-Drucks. 16/6140, S. 42 f, 50 f, 70 (Bundesrat), S. 78 (Gegenäußerung der BReg.). 27) Zu einer BMJ-Erhebung über derartige Sachverhalte Seibert in: FS Röhricht, S. 585 ff.

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Weg der Auslandszustellung gehen,28) um die Zustellung eines Schriftstücks oder den Zugang einer Willenserklärung zu bewirken. Das soll den Gläubigern künftig erspart bleiben, da die inländische Geschäftsanschrift eine Inlandszustellung nach §§ 166 ff ZPO ermöglicht. Näheres siehe § 8 Rn. 75 f [Wachter].29) IV. Verwaltungssitz 1.

Wahl des Verwaltungssitzes bei der Gesellschaftsgründung

Ebenso wie der Satzungssitz (siehe Rn. 6 ff) ist auch der effektive Verwaltungssitz einer Gesellschaft – der Ort, von dem aus die Gesellschaft tatsächlich geleitet wird – für eine Reihe unterschiedlicher Rechtsgebiete von Bedeutung. Im internationalen Gesellschaftsrecht verwendet ihn die Rechtsprechung – wie der Bundesgerichtshof u. a. 2008 wieder eindrucksvoll bestätigt hat – als Anknüpfungsmerkmal der Sitztheorie,30) soweit sie nicht aufgrund der Niederlassungsfreiheit der Gesellschaft (nach Art. 49, 54 AEUV oder nach zweiseitigen Staatsverträgen) auf den Satzungssitz abstellt.31) Eine Gesellschaftsgründung nach deutschem Recht setzt deshalb stets voraus, dass die Gesellschaft in Deutschland ihren effektiven Verwaltungssitz hat (Sitztheorie).32) Diese Kollisionsregel trägt dem Schutzinteresse des meistbetroffenen Staates – hier: Der Bundesrepublik Deutschland – Rechnung, schon weil _____________ 28) Zur internationalen Zustellung Schack, Int. Zivilverfahrensrecht, Rn. 600 ff, geregelt in der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13.11.2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Ziviloder Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken“) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates, Abl. EU Nr. L 324 v. 10.12.2007, S. 79; dazu auch Wagner, NJW 2008, 2225, 2226; Strasser, ZIP 2008, 2111 ff. 29) Zur inländischen Geschäftsanschrift auch Goette/Habersack-Kindler, MoMiG, Rn. 7.18 ff. 30) BGHZ 178, 192 = ZIP 2008, 2411 = NJW 2009, 289 – Trabrennbahn, dazu EWiR 2009, 355 (Tepfer); gegen Vorinstanz OLG Hamm, ZIP 2006, 1822 = BB 2006, 2487 = GmbHR 2006, 1163 – beide zur Schweiz; BGH, ZIP 2009, 2385 = GmbHG 2010, 211 = ZInsO 2009 2154 – Singapur, dazu EWiR 2010, 117 (Lieder/Kliebisch); BGH, ZIP 2011, 1837 Rn. 16 = NJW 2011, 3372, dazu EWiR 2011, 707 (Mankowski); OLG Hamburg, ZIP 2007, 1108 = GmbHR 2007, 763 = DB 2007, 1245 – Isle of Man; OLG Köln, ZIP 2007, 935 – nach südafrikanischem Recht gegründete Gesellschaft mit effektivem Verwaltungssitz in Köln; OLG Schleswig, Rpfleger 2008, 498 = DNotZ 2008, 709 = FGPrax 2008, 217 – Organbefugnisse bei einer Gesellschaft schwedischen Rechts; zum Begriff des effektiven Verwaltungssitzes näher Kindler in: MünchKomm-BGB, Bd. 12, IntGesR Rn. 456. 31) Zur europarechtlich motivierten Gründungsanknüpfung BGH, ZIP 2005, 805 = GmbHR 2005, 630 = NJW 2005, 1648, dazu EWiR 2005, 431 (Bruns); BGH, ZIP 2007, 1626 = GmbHR 2007, 1048 = BB 2007, 868; BGH, ZIP 2011, 1837 Rn. 16 = NJW 2011, 3372, dazu EWiR 2011, 707 (Mankowski); zur Gründungsanknüpfung nach einem zweiseitigen Staatsvertrag (USA): BGH, ZIP 2003, 1340 = BB 2003, 810 m. Anm. Kindler; BGH, ZIP 2004, 2230 = GmbHR 2005, 51 = DB 2004, 2571, dazu EWiR 2005, 115 (Sinewe); BGH, ZIP 2004, 1549 = GmbHR 2004, 1225 = DB 2004, 1984, dazu EWiR 2004, 919 (Paefgen); zu den drei Fallgruppen der international-gesellschaftsrechtlichen Anknüpfung eingehend Kindler in: MünchKomm-BGB, Bd. 12, IntGesR Rn. 426 – 505. 32) Kindler in: MünchKomm-BGB, Bd. 12, IntGesR Rn. 420, 514 m. zahlr. N.; vgl. ferner OLG Hamm, ZIP 2001, 791 = GmbHR 2001, 440 = DB 2001, 1084; BayObLG, ZIP 2004, 806, 808 = GmbHR 2004, 490 m. Anm. Stieb = NZG 2004, 1116, dazu EWiR 2004, 375 (Wachter); OLG Brandenburg, ZIP 2005, 489 = GmbHR 2005, 484 = DB 2005, 604; wohl auch Teichmann, RIW 2010, 120, 121; krit. zur Anwendung der Sitztheorie auf deutsche Gesellschaften Hoffmann, ZIP 2007, 1581.

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im Staat des Verwaltungssitzes im Regelfall mehr Organmitglieder, Gesellschafter und Gläubiger ansässig sein werden als in irgendeinem anderen Staat.33) Aufsichtsrechtliche und insolvenzrechtliche Zuständigkeitsregeln (insbesondere Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EuInsVO – „COMI“34)) bestätigen die Verwaltungssitzanknüpfung.35) 15

Die Gründung einer deutschen Kapitalgesellschaft als Briefkastengesellschaft – d. h. mit effektivem Verwaltungssitz im Ausland – scheidet daher schon mangels Anwendbarkeit des deutschen Gesellschaftsrechts aus. Die Frage, ob eine nach deutschem Gesellschaftsrecht gegründete Gesellschaft auch nach dem deutschen materiellen Gesellschaftsrecht (Sachrecht) eines inländischen effektiven Verwaltungssitzes bedarf, stellt sich bei der Gesellschaftsgründung nach deutschem Recht nicht. Fehlt es an einem inländischen effektiven Verwaltungssitz, ist das deutsche Gesellschaftsrecht schon kollisionsrechtlich nicht anwendbar. Die Beteiligten handeln unter falschem Recht.

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Im Verfahrensrecht bildet der effektive Verwaltungssitz einen Anknüpfungspunkt für die örtliche und internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Dies gilt für § 17 ZPO,36) Art. 63 Abs. 1 Buchst. b Brüssel Ia-VO,37) § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO und Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EuInsVO.38) Auch das Aufsichtsrecht knüpft vielfach an den effektiven Verwaltungssitz an und will hierdurch Aufsichtsarbitrage unterbinden.39)

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Wegen der Sitztheorie ist auch unter der Geltung des 2008 reformierten § 4a bei einem von Anfang an gegebenen ausländischen Verwaltungssitz das deutsche materielle Gesellschaftsrecht kollisionsrechtlich nicht anwendbar. Dies folgt aus der insoweit nach wie vor maßgeblichen Verwaltungssitzanknüpfung (Sitztheorie, siehe Rn. 14). Entgegen Hoffmann40) hat das MoMiG durch die Neufassung der § 4a GmbHG, § 5 AktG keinen Wechsel zur kollisionsrechtlichen Gründungstheorie in der Variante der „Satzungssitztheorie“ vollzogen.41)

_____________ 33) Kindler in: MünchKomm-BGB, Bd. 12, IntGesR Rn. 421 m. w. N. 34) Dafür, dass der hauptsächliche Interessenmittelpunkt (Centre of Main Interest = COMI) nichts anderes meint, als den im internationalen Gesellschaftsrecht verwendeten Begriff des effektiven Verwaltungssitzes s. nur Kindler in: MünchKomm-BGB, Bd. 12, IntGesR Rn. 422 m. w. N.; ausführlich zur int. Insolvenzeröffnungszuständigkeit: Kindler/NachmannKindler, Hdb. Insolvenzrecht Europa, § 2 Rn. 1 ff. 35) Auch zum Aufsichtsrecht Kindler in: MünchKomm-BGB, Bd. 12, IntGesR Rn. 422 m. w. N. 36) OLG Köln, ZIP 2007, 935 – nach südafrikanischem Recht gegründete Gesellschaft mit effektivem Verwaltungssitz in Köln. 37) Kropholler/v. Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 60 Brüssel I-VO Rn. 2 – zur „Hauptverwaltung“. 38) Dafür, dass der hauptsächliche Interessenmittelpunkt (Centre of Main Interest = COMI) nichts anderes meint, als den im internationalen Gesellschaftsrecht verwendeten Begriff des effektiven Verwaltungssitzes s. nur Kindler in: MünchKomm-BGB, Bd. 12, IntGesR Rn. 422 m. w. N. 39) Einzelnachweise (betr. KWG, VAG, KAGB) hierzu bei Kindler in: MünchKomm-BGB, Bd. 12, IntGesR Rn. 422. 40) Hoffmann, ZIP 2007, 1581 ff. 41) Näher Goette/Habersack-Kindler, MoMiG, Rn. 7.37 ff; BGHZ 178, 192 Rn. 22 = ZIP 2008, 2411 – Trabrennbahn.

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2.

Verlegung des Verwaltungssitzes

In Inlandsfällen führte bis zum MoMiG die Verlegung des Verwaltungssitzes ohne gleichzeitige Verlegung des Satzungssitzes zu diesem Ort nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Auflösung der Gesellschaft analog § 399 FamFG (früher § 144a FGG) i. V. m. § 60 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG bzw. § 262 Abs. 1 Nr. 5 AktG.42)

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Die Verwaltungssitzverlegung im Inland ist seit dem MoMiG ohne weiteres – d. h. ohne Anpassung des Satzungssitzes – möglich. Denn das neue Recht gestattet die Wahl eines x-beliebigen Ortes im Inland als Satzungssitz. Dies mag man rechtspolitisch kritisieren, folgt aber aus der Streichung der § 4a Abs. 2 GmbHG, § 5 Abs. 2 AktG (siehe Rn. 5 ff). Der Registerpublizität unterliegt die Verwaltungssitzverlagerung im Inland mittelbar, wenn mit ihr eine Verlegung der inländischen Geschäftsanschrift (siehe Rn. 12 f) einhergeht. Ferner ist eine Anzeige an das für die Besteuerung zuständige Finanzamt erforderlich (§ 137 Abs. 1 AO).

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Dagegen ist die Verwaltungssitzverlegung ins Ausland vielfach problembehaftet. Im Insolvenzrecht begründet sie für das Insolvenzgericht die Möglichkeit, Sicherungsmaßnahmen zugunsten der Gläubiger zu treffen (§ 21 InsO), sollte das Unternehmen zahlungsunfähig gewesen sein und der Verdacht einer „manipulativen“ Sitzverlegung bestehen.43) Und i. R. d. Insolvenz- oder Gläubigeranfechtung ist anerkannt, dass die Verwaltungssitzverlegung ins Ausland den Tatbestand der Gläubigerbenachteiligung erfüllt.44) Die im Zeitpunkt eines Insolvenzeröffnungsantrags am Ort des COMI (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EuInsVO) bestehende Insolvenzeröffnungszuständigkeit bleibt bei nachträglicher Verwaltungssitzverlegung grundsätzlich bestehen; dies folgt aus dem allgemeinen kompetenzrechtlichen Prinzip der perpetuatio fori.45)

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Für gesellschaftsrechtliche Fragen gilt – wie dargestellt (siehe Rn. 14) – für nach deutschem Recht gegründete Gesellschaften die Sitztheorie. Verlegt eine nach deutschem Recht gegründete Gesellschaft ihren Verwaltungssitz in einen Sitztheoriestaat – z. B. Belgien –, so kommt es zum Statutenwechsel: die Gesellschaft unterliegt fortan dem im Zuzugsstaat geltenden Gesellschaftsrecht,46) und § 4a GmbHG, § 5 AktG finden ab diesem Zeitpunkt keine Anwendung mehr. Wird der Verwaltungssitz in einen Gründungstheoriestaat – wie z. B. Großbritannien – verlegt, so kommt es hingegen zur Rückverweisung (Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB) auf das deutsche Recht als ursprüngliches Gesellschaftsstatut und ein Statuten-

21

_____________ 42) BGH, ZIP 2008, 1627 = GmbHR 2008, 990 = NJW 2008, 2914. 43) BGH, BeckRS 2008, 00720, dazu EWiR 2008, 181 (Webel). 44) BGH, ZIP 2006, 243 Rn. 20 und LS 4 = GmbHR 2006, 316 = NJW 2006, 908; dazu Kindler, IPRax 2006, 114. 45) EuGH, ZIP 2006, 188 m. Anm. Knof/Mock = ZVI 2006, 108 = DB 2006, 212, dazu EWiR 2006, 141 (Vogl); dazu auch Kindler, IPRax 2006, 114 ff; umfassend Duursma-Kepplinger, ZIP 2007, 896 ff. 46) Näher Kindler in: MünchKomm-BGB, Bd. 12, IntGesR Rn. 511 f, 821, 837 f, 843; zu Art. 110 des belgischen IPRG 2004 (https://www.ipr.be) s. Pertegas, IPRax 2006, 59 f; entgegen Wachter, GmbHR, Sonderheft 10/2008, S. 80, 81 f, kann man keineswegs annehmen, dass heute alle EWR-Mitgliedstaaten der Gründungstheorie folgen.

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wechsel findet nicht statt.47) § 4a GmbHG, § 5 AktG bleiben anwendbar. Nach der bis zum 31.10.2008 geltenden Fassung dieser Vorschriften war ein inländischer Verwaltungssitz jedenfalls dann erforderlich, wenn der Satzungssitz nach Absatz 2 a. F. an ihn gekoppelt war.48) 22

23

Weniger einfach ist auch nach Inkrafttreten des MoMiG die Verlagerung des Verwaltungssitzes einer deutschen Kapitalgesellschaft ins Ausland zu beurteilen. In kollisionsrechtlicher Hinsicht ist in diesen Fällen wie bisher (siehe Rn. 21) danach zu unterscheiden, ob die deutsche Gesellschaft ihren Verwaltungssitz in einen Sitztheoriestaat oder in einen Gründungstheoriestaat verlegt.49) –

Bei Verwaltungssitzverlegung in einen Sitztheoriestaat kommt es zum Statutenwechsel, und das deutsche Gesellschaftsrecht ist fortan nicht mehr anwendbar. Dies gilt auch nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache „Cartesio“, wo es um die Wegzugsfreiheit bei grenzüberschreitender Verwaltungssitzverlagerung innerhalb der EU geht (dazu siehe Rn. 26).50)



Dagegen bleibt das deutsche Gesellschaftsrecht bei Verwaltungssitzverlegung in einen Gründungstheoriestaat nach wie vor anwendbar, weil dessen IPR auf das deutsche Recht als Gründungsrecht zurückverweist (Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB).

Bleibt deutsches Gesellschaftsrecht anwendbar, so stellt sich die sachrechtliche Frage, ob ein ausländischer Verwaltungssitz zulässig ist. Die neuen § 4a GmbHG, § 5 AktG regeln dies leider nicht.51) Sie besagen nur, dass der Satzungssitz der Gesellschaft im Inland belegen sein muss. Dennoch bestehen gegen einen ausländischen Verwaltungssitz einer deutschen Gesellschaft aber keine gesellschaftsrechtlichen Bedenken mehr. Denn die Schutzanliegen der – bisher vorgeschriebenen – Deckungsgleichheit von statutarischer Sitzbestimmung und tatsächlichem Sitz52) werden seit Inkrafttreten des MoMiG durch die zwingend gegebene inländische Geschäftsanschrift verwirklicht (siehe Rn. 12 f). Daher ist ein inländischer Verwaltungssitz als sachrechtliches Erfordernis nunmehr entbehrlich.53) Der bisher h. M., dass die Verwaltungssitzverlegung ins Ausland als Auflösungsgrund zu behandeln ist bzw. ein Erzwingungsverfahren nach § 399 FamFG (früher § 144a FGG) _____________ 47) Kindler in: MünchKomm-BGB, Bd. 12, IntGesR Rn. 509 f, 823, 843; zum Ganzen auch Kindler, AG 2007, 721 f. 48) BGH, ZIP 2008, 1627 = GmbHR 2008, 990 = NJW 2008, 2914. 49) Zu einer künftigen Regelung der Verwaltungssitzverlegung näher Goette/HabersackKindler, MoMiG, Rn. 7.52 ff. 50) EuGH, ZIP 2009, 24 m. Anm. Knof/Mock = GmbHR 2009, 86 = NJW 2009, 569, dazu EWiR 2009, 141 (Schulz/Schröder); dazu auch Kindler, NZG 2009, 130 ff. 51) Regelungsvorschläge i. S. einer ausdrücklichen Zulassung des ausländischen Verwaltungssitzes bei Kindler, Der Konzern 2006, 811, 816, und Kindler, AG 2007, 721, 722 unter II.1.; auch bei Hoffmann, ZIP 2007, 1581, 1588 li. Sp. 52) Vgl. BGH, ZIP 2008, 1627 Rn. 13 = GmbHR 2008, 990 = NJW 2008, 2914. 53) Insoweit zutreffend Hoffmann, ZIP 2007, 1581, 1582 f; die früher – Kindler, Der Konzern 2006, 811, 815 und Kindler, AG 2007, 721, 722 – geäußerten Bedenken gebe ich auf, wenngleich eine positivrechtliche Zulassung eines ausländischen Verwaltungssitzes im Interesse der Rechtsklarheit vorzugswürdig gewesen wäre; wie im Text OLG Düsseldorf, ZIP 2009, 1074 = GmbHR 2009, 776 = NZG 2009, 678, dazu EWiR 2009, 573 (Lamsa).

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auslöst,54) ist damit der Boden entzogen. Folglich ist auch ein Gesellschafterbeschluss über die Verwaltungssitzverlegung ins Ausland als solcher wirksam.55) Als Satzungsänderung bedarf ein solcher Beschluss lediglich der hierfür vorgesehenen Mehrheit der Stimmen. Auch auf den Satzungssitz wirkt sich die Verwaltungssitzverlegung ins Ausland – wie soeben angedeutet – nicht aus. Insbesondere wird dadurch der Satzungssitz nicht nachträglich unzulässig i. S. d. BGH-Entscheidung vom 2.6.2008.56) Denn diese erging in Anwendung der durch das MoMiG aufgehobenen Vorschrift des § 4a Abs. 2.

24

Unberührt bleiben die mit der Verwaltungssitzverlagerung verbundenen kompetenzrechtlichen und insolvenzrechtlichen Folgen (zum Insolvenzrecht siehe Rn. 20).57) Als rein tatsächlicher Vorgang bedarf die Maßnahme keines Gesellschafterbeschlusses, erst recht nicht mit satzungsändernder Mehrheit.58) Im Steuerrecht ist § 12 KStG zu beachten.59) Mit der Verwaltungssitzverlegung ändert sich u. U. auch das nach der Rom II-VO (Art. 4 und Art. 23)60) anwendbare Deliktsrecht, was für eine deliktische Organ- und Gesellschafterhaftung von Bedeutung ist.

25

Keine Anforderungen an nationale Regelungen zur Verwaltungssitzverlegung haben sich aus der EuGH-Entscheidung in der Rechtssache „Cartesio“61) ergeben. Im dortigen Sachverhalt ging es um eine Gesellschaft ungarischen Rechts, die ihren operativen Geschäftssitz nach Italien verlegen möchte. Dabei wollte sie weiterhin im ungarischen Handelsregister eingetragen sein und ihren Rechtsstatus als Gesellschaft des ungarischen Rechts beibehalten. Das ungarische Handelsregister verweigerte die Eintragung des neuen operativen Sitzes im Ausland, da die Verwaltungssitzverlegung nach ungarischem Recht unzulässig sei. Die Gesellschaft müsse in Ungarn abgewickelt und anschließend nach dem Recht des Zuzugsstaates neu gegründet werden. Der EuGH sieht die Gesellschaft nicht in ihrer Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) verletzt, da diese kein Recht auf Wegzug umfasse. Das Urteil hat auf das neue deutsche Gesellschaftsrecht keinen Einfluss: Denn seit dem MoMiG ist den deutschen Gesellschaften ein ausländischer Verwaltungssitz

26

_____________ 54) 55) 56) 57)

58) 59) 60) 61)

BGH, ZIP 2008, 1627 = GmbHR 2008, 990 = NJW 2008, 2914. Anders noch Kindler, Der Konzern 2006, 811, 814. BGH, ZIP 2008, 1627 = GmbHR 2008, 990 = NJW 2008, 2914. Im Kompetenzrecht ist insbesondere an die perpetuatio fori zu erinnern, d. h. den Fortbestand der internationalen und örtlichen Zuständigkeit trotz Wegfalls der zuständigkeits-begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens; Gläubigerschutzdefizite befürchten Knof/Mock, GmbHR 2007, 852, 857. A. A. Wachter, GmbHR, Sonderheft 10/2008, S. 80, 82: Gesellschafterbeschluss mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Vgl. aber BFH, ZIP 2010, 283 = GmbHR 2010, 219 = NZG 2010, 237 – keine finale Betriebsaufgabe durch Betriebsverlegung ins Ausland. VO (EG) Nr. 864/2007; dazu Wagner, IPRax 2008, 1, 2 f; Kindler, Einführung in das neue IPR des Wirtschaftsverkehrs, S. 134 ff. EuGH, ZIP 2009, 24 m. Anm. Knof/Mock = GmbHR 2009, 86 = NJW 2009, 569, dazu EWiR 2009, 141 (Schulz/Schröder); dazu auch Kindler, NZG 2009, 130 ff; Kindler, IPRax 2009, 189 ff.

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sachrechtlich gestattet (siehe Rn. 23), und der bloße Statutenwechsel im Falle einer Verwaltungssitzverlegung in einen Sitztheoriestaat behindert die Gesellschaft nicht beim Wegzug. Vielmehr ist in diesen Fällen allein der Zuzugsstaat aufgerufen, die Niederlassungsfreiheit der zuziehenden Gesellschaft nach Maßgabe des Urteils „Überseering“62) zu gewährleisten. V. Doppelsitz 27

Die Zulässigkeit eines Doppelsitzes wurde zunächst im Aktienrecht in den Fällen angenommen, in denen wegen der grundlegenden Veränderungen der politischen, wirtschaftlichen und insbesondere währungsrechtlichen Verhältnisse nach 1945 ein Bedürfnis hierfür bestand.63) Ebenso bestimmte eine Reihe von Sondervorschriften die Zulässigkeit eines Doppelsitzes.64) Heute lässt man die Begründung eines Doppelsitzes in Sonderfällen zu, während im Grundsatz das Erfordernis des einheitlichen Sitzes gilt.65) Ein anerkannter Sonderfall ist etwa die Verschmelzung von zwei alteingesessenen Unternehmen.66)

28

Auch bei der GmbH ist ein Doppelsitz zulässig, wenn hierfür aus firmenhistorischen oder betriebswirtschaftlichen Gründen ein wesentliches Bedürfnis der Beteiligten besteht.67) Im Grundsatz muss es freilich, schon wegen der mit dem Doppelsitz verbundenen registerrechtlichen Schwierigkeiten (siehe Rn. 29), beim einheitlichen Sitz verbleiben, neben dem zusätzliche Sitze nur für Zweigniederlassungen begründet werden können.68)

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Soweit ein Doppelsitz zulässig ist, ist die GmbH in das Handelsregister beider Sitzgerichte einzutragen.69) Auch alle künftigen, die GmbH betreffenden Eintragungen sind bei beiden Gerichten zu bewirken. Dabei ist jedes der beiden Gerichte in seiner Prüfungstätigkeit und seinen Entscheidungen vom anderen Gericht unabhängig.70) Die damit verbundene Rechtsunsicherheit geht, ebenso wie die mit der Doppel_____________ 62) EuGH, Slg. 2002, I-9919 = ZIP 2002, 2037 = GmbHR 2002, 1137, dazu EWiR 2002, 1003 (Neye); Kindler in: MünchKomm-BGB, Bd. 12, IntGesR Rn. 121 – 123. 63) BayObLG, NJW 1962, 1014; OLG Düsseldorf, WM 1949, 100; OLG Düsseldorf, WM 1950, 155 und zuletzt OLG Düsseldorf, NJW-RR 1988, 354 = BB 1988, 1293; OLG Stuttgart, NJW 1953, 748; AG Bonn, MDR 1948, 461; AG Heidelberg, SJZ 1949, 342; LG Köln, NJW 1950, 352 und 871; für Zulassung sogar eines Drittsitzes AG Bremen, DB 1976, 1810. 64) Nachw. bei Balser, DB 1972, 2049. 65) Näher Hüffer/Koch, AktG, § 5 Rn. 10. 66) So Katschinski, ZIP 1997, 620, 621 ff und LG Essen, ZIP 2001, 1632 = AG 2001, 429 – Thyssen Krupp, dazu EWiR 2001, 1077 (König). 67) Ähnlich KG Berlin, BB 1973, 1001; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 4a Rn. 10; Balser, DB 1972, 2049 f; weitergehend Katschinski, ZIP 1997, 620, 621 ff; König, AG 2000, 18, 22 ff; generell Pluskat, WM 2004, 601; a. A., einen Doppelsitz für die GmbH grds. abl.: Baumbach/Hueck-Hueck/Fastrich, GmbHG, § 4a Rn. 7. 68) KGJ 39, A 117, 118. 69) Zum Verfahren der beiden beteiligten Gerichte bei Errichtung des zweiten Sitzes vgl. Balser, DB 1972, 2049, 2050. 70) BayObLG, NJW 1962, 1014; KG Berlin, BB 1973, 1001; LG Hamburg, DB 1973, 2237; Pluskat, WM 2004, 601, 604.

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eintragung verbundenen zusätzlichen Kosten,71) zulasten der Gesellschaft, die sich für den Doppelsitz entschieden hat; Dritten dürfen hieraus keine Nachteile entstehen.72) Dementsprechend kann für die Wirkung von Eintragungen auch nicht darauf abgestellt werden, mit welchem der „Sitze“ ein Dritter in Verbindung treten will.73) VI. Nach ausländischem Recht gegründete Gesellschaften mbH (internationales Gesellschaftsrecht) 1.

Fallgruppen

Außer in den Fällen des schon anfänglichen ausländischen Verwaltungssitzes (siehe Rn. 17) und der Verwaltungssitzverlegung in einen Sitztheoriestaat (siehe Rn. 23) unterliegt eine nach deutschem Recht gegründete GmbH dem deutschen Sachrecht. Dies folgt aus der insoweit grundsätzlich maßgeblichen Verwaltungssitzanknüpfung (siehe Rn. 14, 17), ggf. i. V. m. einer Rückverweisung (Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). Schwieriger ist die Bestimmung des anwendbaren Rechts (Heimatrecht; Gesellschaftsstatut; Personalstatut) bei einer nach ausländischem Recht gegründeten Gesellschaft. Eine geschriebene Kollisionsnorm des internationalen Gesellschaftsrechts gibt es bis heute weder im autonomen IPR noch im EU-Recht. Diametral entgegengesetzte Lösungen sind die Sitztheorie und die Gründungstheorie.74) Während die Sitztheorie die gesellschaftsrechtlichen Fragen dem Recht des tatsächlichen Verwaltungssitzes unterstellt, zieht die Gründungstheorie das Recht des Inkorporationsortes heran. Hauptanliegen der Sitztheorie sind der Schutz des inländischen Geschäftsverkehrs vor unseriösen Auslandsgründungen sowie die Wahrung des numerus clausus der Gesellschaftsformen. Dagegen zielt die Gründungstheorie darauf ab, den Gesellschaftsgründern die Wahl der für sie günstigsten Gesellschaftsrechtsordnung zu ermöglichen.

30

Die deutsche Rechtsprechung folgt grundsätzlich der Sitztheorie (siehe Rn. 14, 17). Mit der EU-rechtlichen Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV nebst dazu vorliegender Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes)75) ist die uneingeschränkte Anwendung der Sitztheorie allerdings nicht mehr vereinbar. An ihrer Stelle ist für diese erste Fallgruppe der nach ausländischem Recht gegründeten Gesellschaften die Gründungsanknüpfung zu befolgen, soweit das am Verwaltungssitz geltende Recht zu unzulässigen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit führt. Maßgeblich ist demnach eine Art Herkunftslandprinzip, soweit eine im EU-Ausland eingetragene Gesellschaft vorliegt. Das gilt gleichermaßen für EWR-Staaten. Daher unterliegt etwa eine im britischen Handelsregister (http:// www.companieshouse.gov.uk/) eingetragene Private Company Limited by Shares

31

_____________ 71) BayObLGZ 1962, 112. 72) LG Hamburg, DB 1973, 2237; LG Essen, ZIP 2001, 1632, 1633 = AG 2001, 429, dazu EWiR 2001, 1077 (König). 73) Näher Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 4a Rn. 34. 74) Überblick z. B. bei Kindler in: MünchKomm-BGB, Bd. 12, IntGesR Rn. 351 ff. 75) EuGH, Slg 2002-I, 9919, 9974 Rn. 95 = ZIP 2002, 2037 = GmbHR 2002, 1137, dazu EWiR 2002, 1003 (Neye).

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dem britischen Gesellschaftsrecht. Das Gleiche gilt für drittstaatliche Gesellschaften, die unter dem Schutz zweiseitiger Staatsverträge stehen. 32

Abzulehnen ist – mit dem Bundesgerichtshof – ein genereller, also auch drittstaatliche Gesellschaften einschließender Übergang von der Sitz- zur Gründungstheorie.76) Ein solcher Schritt wäre für diese zweite Fallgruppe der nach ausländischem Recht gegründeten Gesellschaften weder unionsrechtlich geboten noch kollisionsrechtlich sachgerecht, weil damit berechtigten Schutzanliegen der Sitztheorie (siehe Rn. 30) nicht Rechnung getragen würde. 2.

Gründungsanknüpfung („Gründungstheorie“) bei EU/EWR-ausländischen Gesellschaften und Gesellschaften unter dem Schutz zweiseitiger Staatsverträge

33

Seit der „Überseering“-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes77) steht fest, dass die bislang praktizierte Sitztheorie für EU/EWR-Staaten im Hinblick auf Art. 49, 54 AEUV nicht mehr zu halten ist. Der Bundesgerichtshof beurteilt die Rechts- und Parteifähigkeit der EU-Auslandsgesellschaft daher nach dem Recht ihres Gründungsstaats.78) Soweit damit keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit verbunden ist, sind indessen auch Gesellschaften aus EU/EWR-Staaten dem Recht an ihrem tatsächlichen Verwaltungssitz zu unterstellen.79)

34

Die EU-rechtlich motivierte Gründungsanknüpfung führt dazu, dass deutsches Kollisionsrecht unmittelbar auf die Sachnormen des Inkorporationsstaats verweist (sofern dieser der EU angehört). Die EU-ausländische Gesellschaft ist deshalb nach diesen Sachnormen im Inland rechts- und parteifähig, also z. B. als französische SA oder niederländische BV,80) grundsätzlich nicht dagegen als GbR oder OHG deutschen Rechts.

35

Einzelne Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit sind zulässig, soweit zwingende Gründe des Gemeinwohls dies unter bestimmten Umständen und Voraussetzungen gebieten.81) Kollisionsrechtlich führt dies zu Sonderanknüpfungen, die zulässig sind, wenn besondere Belange den Eingriff in die Niederlassungsfreiheit als verhältnismäßig erscheinen lassen. In letzter Linie (bei Unerträglichkeit des Er_____________ 76) So aber z. B. Balthasar, RIW 2009, 221, 223 ff; Bayer/Schmidt, ZHR 173 (2009) 735, 740 f; Drobnig, ZHR 129 (1967) 93, 115; Eidenmüller, ZIP 2002, 2233, 2244; dagegen wie hier BGHZ 178, 192 Rn. 19 ff = ZIP 2008, 2411 = NJW 2009, 289 – Trabrennbahn, dazu EWiR 2009, 355 (Tepfer); Kindler, IPRax 2009, 189, 190; Weller, ZGR 2006, 748, 765; BGH, ZIP 2009, 2385; BGH, AG 2017, 237. 77) Slg. 2002, I-9919 = ZIP 2002, 2037 = GmbHR 2002, 1137, dazu EWiR 2002, 1003 (Neye). 78) BGHZ 154, 185 = ZIP 2003, 718 = GmbHR 2003, 527 – Überseering, dazu EWiR 2003, 571 (Paefgen); BGHZ 178, 192 = ZIP 2008, 2411 = NJW 2009, 289 – Trabrennbahn, dazu EWiR 2009, 355 (Tepfer). 79) Kindler in: MünchKomm-BGB, Bd. 12, IntGesR Rn. 944 ff gegen BGH, ZIP 2005, 805 = GmbHR 2005, 630 = NJW 2005, 1648, dazu EWiR 2005, 431 (Bruns). 80) Vgl. bes. BGHZ 154, 185, 188 ff = ZIP 2003, 718 = GmbHR 2003, 527 – Überseering, dazu EWiR 2003, 571 (Paefgen). 81) EuGH, Slg 2002-I, 9919, 9974 Rn. 92 = ZIP 2002, 2037 = GmbHR 2002, 1137, dazu EWiR 2002, 1003 (Neye).

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gebnisses im Einzelfall) bleibt die ausländische Norm nach Art. 6 EGBGB (ordre public) außer Anwendung.82) Für Einzelfragen gilt: Die Beteiligungsfähigkeit der EU-ausländischen Gesellschaft beurteilt sich nach deren Personalstatut, sodass grundsätzlich keine Bedenken etwa gegen eine Ltd & Co. KG bestehen (grenzüberschreitende Grundtypenvermischung).83) Auch die Grundbuchfähigkeit der Auslandsgesellschaft ist bei Gründung in einem EU-Staat zu bejahen,84) ebenso die Insolvenzfähigkeit (Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EuInsVO; § 335 InsO), soweit sie nach dem zur Anwendung berufenen ausländischen Recht für die Auslandsgesellschaft gegeben ist.85) Nach einem Urteil des OLG Nürnberg muss das deutsche Recht die Sitzverlegung einer luxemburgischen Société à responsabilité limitée (S.à.r.l.) nach Deutschland und den damit verbundenen Formwechsel in eine deutsche GmbH grundsätzlich anerkennen; auf diesen Vorgang sind die Vorschriften der §§ 190 ff UmwG analog anzuwenden.86)

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Die persönliche Haftung von Gesellschaftern oder Geschäftsleitern kann grundsätzlich nicht nach deutschem Recht begründet werden, wohl aber bei Verstoß gegen EU-Publizitätsvorschriften.87) Möglich ist ein Durchgriff ferner, soweit er im Einzelfall auch bei einem reinem Inlandssachverhalt stattfinden würde88) oder soweit eine deliktsrechtliche Haftung in Rede steht, z. B. bei der Existenzvernichtungshaftung nach § 826 BGB.89) Auch insolvenzrechtlich zu qualifizierende Haftungstatbestände des GmbHG – wie § 64 Satz 190) – finden auf Organmitglieder und Gesellschafter einer EU-ausländischen Gesellschaft mit inländischem Verwaltungssitz Anwendung.91)

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Die Unternehmensmitbestimmung ist durch Sonderanknüpfung zu begründen. Sie gehört als Kernstück der gesellschaftsrechtlich gestalteten Unternehmensverfassung zum wirtschaftsrechtlichen ordre public (vgl. Art. 9 Rom I-VO bzw. Art. 6 EGBGB)

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_____________ 82) Näher Kindler in: MünchKomm-BGB, Bd. 12, IntGesR Rn. 427 ff. 83) Kindler in: MünchKomm-BGB, Bd. 12, IntGesR Rn. 555. 84) BayObLGZ 2002, 413, 416 = ZIP 2003, 398 = GmbHR 2003, 299, dazu EWiR 2003, 273 (Mankowski). 85) Im Erg. zutreffende Substitutionslösung bei AG Hamburg, NJW 2003, 2835, 2836 = ZIP 2003, 1008 = GmbHR 2003, 957, dazu EWiR 2003, 925 (Brenner); ferner Kindler/ Nachmann, Hdb. Insolvenzrecht Europa, § 2 Rn. 55 ff; Bsp.: BGH, ZIP 2015, 68 – Insolvenzverfahren über britische Ltd. mit Verwaltungssitz in Deutschland; Geschäftsleiterhaftung nach § 64 Satz 1 GmbHG, dazu EWiR 2015, 99 (Müller). 86) OLG Nürnberg, ZIP 2014, 128 = NZG 2014, 349 m. Anm. Stiegler = DNotZ 2014, 150 m. Anm. Hushahn, dazu EWiR 2014, 45 (Neye); Schaper, ZIP 2014, 810 ff. 87) Kindler in: MünchKomm-BGB, Bd. 12, IntGesR Rn. 944 ff gegen BGH, ZIP 2005, 805 = GmbHR 2005, 630 = NJW 2005, 1648, dazu EWiR 2005, 431 (Bruns) – Handelndenhaftung nach § 11 Abs. 2 GmbHG analog bei Verstoß gegen die Zweigniederlassungspublizität (§§ 13d ff HGB). 88) Ähnlich Ulmer, NJW 2004, 1201, 1208 f – zu §§ 30, 31. 89) Kindler, IPRax 2009, 189, 193 ff m. Verweis auf BGHZ 173, 246 = ZIP 2007, 1552 = GmbHR 2007, 927 – Trihotel, dazu EWiR 2007, 557 (Wilhelm). 90) EuGH, ZIP 2015, 196 Rn. 19 f = BeckRS 2014, 82509 = EuZW 2015, 141 m. Anm. Kindler, dazu EWiR 2015, 93 (Mankowski). 91) Kindler, ZHR 179 (2015), 330, 372.

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und erfasst kollisionsrechtlich EU-ausländische Gesellschaften mbH mit Verwaltungssitz in der Bundesrepublik Deutschland.92) 3.

Verwaltungssitzanknüpfung („Sitztheorie“) bei drittstaatlichen Gesellschaften außerhalb zweiseitiger Staatsverträge

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Das Anknüpfungsmerkmal der Sitztheorie ist nicht i. S. d. § 4a als Satzungssitz zu verstehen. Maßgeblich ist vielmehr der effektive Sitz, der seinerseits nach dem Ort der Hauptverwaltung zu bestimmen ist.93) Der damit umschriebenen Sitztheorie folgt auch die h. L.94)

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Ausländischer Verwaltungssitz: Für Einzelheiten ist danach zu unterscheiden, ob sich der Sitz der Auslandsgesellschaft im Ausland oder im Inland befindet. Sofern der effektive Sitz (siehe Rn. 39) im Ausland liegt, erledigt sich mit der Sitztheorie zunächst die sog. Anerkennungsproblematik, d. h. die Frage, ob eine nach ihrem Heimatrecht voll rechtsfähige Gesellschaft nach deutschem Recht als juristische Person zu behandeln ist. Wenn die Gesellschaft nämlich nach ihrem Heimatrecht rechtsfähig ist, so ist sie es auch für das deutsche Recht.95) Auch sonst sind grundsätzlich alle Rechtsbeziehungen der ausländischen Gesellschaft nach ihrem Statut zu beurteilen.96) Maßgeblich für das Konzernrecht ist das Schutzbedürfnis der beherrschten Gesellschaft, sodass deutsches Konzernrecht auch für die Beziehungen der beherrschten GmbH zum herrschenden Unternehmen mit Auslandssitz gilt.97)

41

Inländischer Verwaltungssitz: Bei Auslandsgesellschaften mit inländischem Verwaltungssitz verweist die Sitztheorie als kollisionsrechtliche Norm auf deutsches Sachrecht.98) Trotz des ausländischen Gründungsorts ist in dieser Fallgruppe also deutsches Recht anzuwenden, da sich weder aus einem Staatsvertrag noch aus dem Vorrang des AEUV (siehe Rn. 33 ff) etwas anderes ergibt. Die Sitztheorie tritt als allgemeine Kollisionsnorm nur unter den Voraussetzungen des Art. 3 Nr. 2 EGBGB hinter die staatsvertragliche Sonderregelung zurück, mithin immer nur dann, wenn der Staatsvertrag das Gründungsstatut für maßgeblich erklärt. Das ist insbesondere für Art. XXV Abs. 5 Satz 2 des deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handelsund Schifffahrtsvertrages von 1954 der Fall.99)

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Außerhalb der Staatsverträge (siehe Rn. 33 ff, 41) folgt die Scheinauslandsgesellschaft den allgemeinen kollisionsrechtlichen Regeln über das „Handeln unter falschem Recht“. Daher bestimmt sich die Rechts- und Parteifähigkeit des Gebildes nach den _____________ 92) Kindler, ZHR 179 (2015), 330, 373 ff; Kindler in: Deinert, S. 147, 150 ff; Kindler in: MünchKomm-BGB, Bd. 12, IntGesR Rn. 575 m. zahlr. N.; ferner Weller in: FS Hommelhoff, 2012, S. 1275 ff. 93) So z. B. BGHZ 178, 192 = ZIP 2008, 2411 Rn. 21 f = NJW 2009, 289 – Trabrennbahn, dazu EWiR 2009, 355 (Tepfer); BGHZ 212, 381 = AG 2017, 237. 94) Kindler in: MünchKomm-BGB, Bd. 12, IntGesR Rn. 351 ff. 95) Unstr., vgl Kindler in: MünchKomm-BGB, Bd. 12, IntGesR Rn. 542 ff. 96) Kindler in: MünchKomm-BGB, Bd. 12, IntGesR Rn. 521 ff. 97) Kindler in MünchKomm-BGB, Bd. 12, InGesR Rn. 681 ff. 98) BGHZ 178, 192 = ZIP 2008, 2411 = NJW 2009, 289 – Trabrennbahn, dazu EWiR 2009, 355 (Tepfer). 99) BGHZ 153, 353, 355 ff = ZIP 2003, 720 = BB 2003, 811 m. Anm. Kindler, dazu EWiR 2003, 661 (Mankowski); näher Kindler in: MünchKomm-BGB, Bd. 12, IntGesR Rn. 333 ff.

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für die GbR geltenden Grundsätzen100) und ist damit im Wesentlichen zu bejahen. Insbesondere die aktive und passive Parteifähigkeit der GbR101) gilt somit auch für die Auslandsgesellschaft. Betreibt die Auslandsgesellschaft im Inland ein Handelsgewerbe, so unterliegt sie §§ 105, 123 Abs. 2, 124 HGB, was zu denselben Ergebnissen führt. Die Haftungsverfassung richtet sich nach § 128 HGB.102) 4.

Austritt des Sitzstaates aus der Europäischen Union („Brexit“)

Der ungeregelte Austritt eines Mitgliedstaates aus der Europäischen Union (Art. 50 EUV) ist seit dem „Brexit“-Referendum vom 23.6.2016 und dem Scheitern des Austrittsabkommens im britischen Unerhaus am 15.1.2019 ein wahrscheinliches Szenario.103) Dieser Schritt wird ab dem 30.3.2019 (Art. 50 Abs. 3 EUV) einen Statutenwechsel für solche Gesellschaften mit sich bringen, die ihren Satzungssitz im Vereinigten Königreich, ihren Verwaltungssitz hingegen in der Bundesrepublik Deutschland oder einem anderen Sitztheorie-Staat haben.104) Diesen Gebilden droht – in Ermangelung abweichender staatsvertraglicher Regelungen i. S. d. Art. 50 Abs. 2 EUV – die Umwandlung in Personengesellschaften deutschen Rechts mit der Folge der unbeschränkten persönlichen Haftung der Gesellschafter und der Registerpflichtigkeit nach § 106 HGB.105) Dies gilt auch für Verbindlichkeiten aus der Zeit, als die Gesellschaft noch unter dem Schutz der Niederlassungsfreiheit im Inland operieren konnte und als Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts lediglich mit ihrem Gesellschaftsvermögen haftete.106) Aus Sicht der Gesellschafter wird die rechtzeitige Verschmelzung auf eine deutsche KG oder Kapitalgesellschaft nach § 122m UmwG107) oder der Formwechsel in eine irische Ltd. zu erwägen sein. Nach dem geplanten Brexit-Übergangsgesetz (BT-Drucks. 19/5313) soll dafür Zeit bis zum 31.12.2020 sein. Auch die Verlegung des effektiven Verwaltungsitzes kommt in Betracht, und zwar (1) in den Gründungsstaat oder (2) in einen

_____________ 100) BGHZ 151, 204, 206 f = ZIP 2002, 1763 = GmbHR 2002, 1021, dazu EWiR 2002, 971 (Emde); BGHZ 178, 192 = ZIP 2008, 2411 Rn. 23 = NJW 2009, 289 – Trabrennbahn, dazu EWiR 2009, 355 (Tepfer). 101) BGHZ 146, 341, 347 ff = ZIP 2001, 330 = NJW 2001, 1056 – Weißes Ross, dazu EWiR 2001, 341 (Prütting). 102) S. z. B. OLG München, ZIP 2002, 2132 f; Kindler in MünchKomm-BGB, Bd. 12, IntGesR Rn. 486 ff, 490 ff. 103) Zu den Folgen eines „Brexit“ für das internationale Gesellschaftsrecht Freitag/Korch, ZIP 2016, 1361; Mayer/Manz, BB 2016, 1731; Bode/Bron, GmbHR 2016, R129; Hess, IPRax 2016, 409 (417 f); Weller/Thomale/Benz, NJW 2016, 2378; Seggewiße/Weber, GmbHR 2016, 1302; Stiegler in: Kramme/Baldus/Schmidt-Kessel, Brexit und die juristischen Folgen, 2017; Gausing/Mäsch/Peters, IPRax 2017, 49 ff. 104) Seggewiße/Weber, GmbHR 2016, 1302; zu den Sitztheorie-Staaten vgl. Kindler in: MünchKomm-BGB, Bd. 12, IntGesR Rn. 511. 105) Seggewiße/Weber, GmbHR 2016, 1302, 1303. 106) BGHZ 151, 204 = NJW 2002, 3539 = IPRax 2003, 62 mit Anm. Kindler, IPRax 2003, 41; Freitag/Korch, ZIP 2016, 1361, 1363 ff; Hess, IPRax 2016, 409, 418. 107) Dazu Zwirlein, ZGR 2018, 900; Stiegler, ZIP 2018, 2351; Mayer/Kleinert, EuZW 2018, 2011.

Peter Kindler

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43

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

Staat, dessen IPR der Gründungstheorie folgt.108) Europäische Aktiengesellschaften mit Satzungssitz im Vereinigten Königreich sind vom Brexit selbst dann betroffen, wenn ihr Verwaltungssitz im Vereinigten Königreich liegt. Denn der Fortfall der Geltung der SE-Verordnung führt aus deutscher Sicht zu einer zwangsweisen Umwandlung in eine Gesellschaftsform des rein nationalen englischen Rechts (PLC). _____________ 108) Seggewiße/Weber, GmbHR 2016, 1302, 1304; zu den Gründungstheorie-Staaten Kindler in: MünchKomm-BGB, Bd. 12, IntGesR Rn. 509; weitere Gestaltungshinweise bei Zwirlein/ Großerichter/Gätsch, NZG 2017, 1041.

§5 Stammkapital; Geschäftsanteil Carsten Schäfer

(1) Das Stammkapital der Gesellschaft muss mindestens fünfundzwanzigtausend Euro betragen. (2) 1Der Nennbetrag jedes Geschäftsanteils muss auf volle Euro lauten. 2Ein Gesellschafter kann bei Errichtung der Gesellschaft mehrere Geschäftsanteile übernehmen. (3) 1Die Höhe der Nennbeträge der einzelnen Geschäftsanteile kann verschieden bestimmt werden. 2Die Summe der Nennbeträge aller Geschäftsanteile muss mit dem Stammkapital übereinstimmen. (4) 1Sollen Sacheinlagen geleistet werden, so müssen der Gegenstand der Sacheinlage und der Nennbetrag des Geschäftsanteils, auf den sich die Sacheinlage bezieht, im Gesellschaftsvertrag festgesetzt werden. 2Die Gesellschafter haben in einem Sachgründungsbericht die für die Angemessenheit der Leistungen für Sacheinlagen wesentlichen Umstände darzulegen und beim Übergang eines Unternehmens auf die Gesellschaft die Jahresergebnisse der beiden letzten Geschäftsjahre anzugeben. Literatur: Bayer/Hoffmann/Lieder, Ein Jahr MoMiG in der Unternehmenspraxis. Rechtstatsachen zu Unternehmergesellschaft, Musterprotokoll, genehmigtes Kapital, GmbHR 2010, 9; Braun, Nochmals: Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen und Konvergenz nach § 5 III 2 GmbHG, NJW 2010, 2700; Clevinghaus, Voraussetzungen und Folgen der Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen, RNotZ 2011, 449; Eidenmüller/Engert, Rechtsökonomik des Mindestkapitals im GmbH-Recht, GmbHR 2005, 433; Grunewald, Die Zwangseinziehung von GmbH-Geschäftsanteilen, GmbHR 2012, 769; Haas, Mindestkapital und Gläubigerschutz in der GmbH, DStR 2006, 993; Habersack, Die gemischte Sacheinlage, in: Festschrift für Horst Konzen, 2006, S. 179; Harrer, Konkursrisiken bei Verpflichtung zur Zahlung von Aufgeld mit Absicherung durch Verwendungsabrede in GmbH-Satzung?, GmbHR 1994, 361; Heckschen, Gründungserleichterungen nach dem MoMiG – Zweifelsfragen in der Praxis, DStR 2009, 166; Hoffmann-Becking, Fehlerhafte offene Sacheinlage versus verdeckte Sacheinlage in: Liber amicorum für Martin Winter, 2011, S. 237; Kleindiek, Krisenvermeidung in der GmbH: Gesetzliches Mindestkapital, Kapitalschutz und Eigenkapitalersatz, ZGR 2006, 335; Koch, Die verdeckte gemischte Sacheinlage im Spannungsfeld zwischen Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung, ZHR 175 (2011) 55; Lubberich, Sachagio bei GmbH-Gründungen und Kapitalerhöhungen – Gestaltungsmöglichkeiten und Risiken im Überblick, DNotZ 2016, 164; Lutter, Fehler schaffen neue Fehler – Gegen die Divergenztheorie bei § 5 Abs. 3 und § 34 GmbHG,

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Carsten Schäfer

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

GmbHR 2010, 1177; Meyer, Die Einziehung von GmbH-Anteilen im Lichte des MoMiG, NZG 2009, 1201; Pentz, Gemischte Sacheinlage ohne Offenlegung des Vergütungsbestandteils in: Liber amicorum für Martin Winter, 2011, S. 499; Priester, Die gemischte Sacheinlage zwischen Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung, in: Festschrift für Georg Maier-Reimer, 2010, S. 525; Römermann, Auflösung einer GmbH aufgrund der Einziehung eines GmbH-Geschäftsanteils, DB 2010, 209; Simon, Umstellung des Stammkapitals einer GmbH von DM auf Euro: Wahl der richtigen Umrechnungsmethode, DB 2008, 1615; Stehmann, Die Einziehung von Geschäftsanteilen des Gesellschafters einer GmbH, GmbHR 2013, 574; Ulmer, Die Einziehung von GmbH-Anteilen – Ein Opfer der MoMiG-Reform, DB 2010, 321; Wachter, Gründung einer GmbH nach MoMiG, GmbHR Sonderheft 10/2008, S. 5; Wanner-Laufer, Die Zwangseinziehung von Geschäftsanteilen nach § 34 GmbHG – Veränderungen durch die Reform des GmbH-Rechts, NJW 2010, 1499. Übersicht I. 1. 2. II.

Allgemeines .......................................... 1 Inhalt; Normzweck ............................... 1 Änderungen durch das MoMiG ........... 3 Das gesetzliche Mindeststammkapital (Abs. 1, 3 Satz 2) ...................... 5 1. Allgemeines; Funktion ......................... 5 2. Höhe und Festsetzung ......................... 6 3. Eigenkapitalausstattung und Unterkapitalisierung ............................. 9 4. Verhältnis des Stammkapitals zur Summe der Nennbeträge (Abs. 3 Satz 2) ..................................... 11 III. Geschäftsanteil ................................... 13 1. Höhe der Nennbeträge, Festsetzung (Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1) .... 13 2. Übernahme mehrerer Geschäftsanteile bei Gründung (Abs. 2 Satz 2) .... 14 IV. Folgen eines Verstoßes gegen Absätze 1, 2 Satz 1, 3 Satz 2 ............... 15

I.

Allgemeines

1.

Inhalt; Normzweck

V. Sacheinlagen (Abs. 4) ........................ 17 1. Allgemeines ......................................... 17 a) Begriff der Sacheinlage; Sachübernahme ............................ 17 b) Verdeckte Sacheinlage ................. 19 c) Gemischte Sacheinlage ................. 20 2. Zur Sacheinlage im Einzelnen ............ 21 a) Festsetzung im Gesellschaftsvertrag ........................................... 21 b) Einlagefähigkeit ............................ 25 c) Bewertung ..................................... 28 d) Leistungsstörungen ...................... 30 3. Übergang zwischen Bar- und Sacheinlage ........................................... 32 4. Sachgründungsbericht (Abs. 4 Satz 2) .................................................. 33 VI. Gründungsaufwand, Sondervorteile ................................................. 35

§ 5 legt in Absatz 1 für die normale GmbH die Höhe des gesetzlichen Mindeststammkapitals – durch das MoMiG unverändert (siehe Einleitung Rn. 2 [Schäfer]) – auf 25.000 € fest und bestimmt ferner den Nennbetrag eines Geschäftsanteils (volle Euro, mindestens 1 €) und regelt einzelne Gestaltungsfragen (Abs. 2 Satz 2, Abs. 3) sowie das Verhältnis von Nennbetrag und Stammkapital (Abs. 3 Satz 2). Für die UG gilt dies nur mit Einschränkungen, insbesondere darf ihr Mindestkapital gemäß § 5a Abs. 1 auch auf Beträge zwischen 1 € und 24.999 € festgesetzt werden. Absatz 4 regelt schließlich Zulässigkeit und Voraussetzungen einer Sachgründung, also der Vereinbarung von Sacheinlagen im Gesellschaftsvertrag. Hierzu finden sich weitere Bestimmungen in den § 7 Abs. 3, § 8 Abs. 1 Nr. 4 und 5, § 9, § 9c Abs. 1 Satz 2, § 19 Abs. 2 Satz 2 und 3. Die verdeckte Sachgründung, früher üblicherweise im Zusammenhang mit § 5 kommentiert, wird seit dem MoMiG gesetzlich in § 19 Abs. 4 n. F. geregelt und ist daher jetzt dort zu erläutern.

Carsten Schäfer

137

1

§5 2

Stammkapital; Geschäftsanteil

Die Angaben zu Stammkapital und Nennbetrag sind nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 und 4 notwendiger Satzungsinhalt und gemäß § 10 Abs. 1 ins Handelsregister einzutragen. Sie gelten für die normale GmbH zwingend hinsichtlich der Mindestbeträge, Ausgestaltungsregeln und Sachgründungsvoraussetzungen, und zwar gemäß § 55 Abs. 4 auch bei der Kapitalerhöhung, gemäß § 197, § 36 Abs. 2, § 135 Abs. 2 UmwG auch bei Umwandlungen.1) Demgegenüber wird bei der UG Absatz 1 durch § 5a Abs. 1 abgeändert, während Absatz 4 wegen § 5a Abs. 2 Satz 2 gegenstandslos ist (Erläuterungen siehe § 5a Rn. 20 [Schäfer]). 2.

Änderungen durch das MoMiG

3

Art. 1 Nr. 5 des MoMiG (siehe Einleitung Rn. 2, 19 [Schäfer] und BT-Drucks. 16/6140, S. 29 ff) hat weniger starke Veränderungen bewirkt, als zunächst vorgesehen. Insbesondere unterblieb die noch im RegE geplante Absenkung des Mindeststammkapitals auf 10.000 €, an deren Stelle die GmbH-Variante UG (haftungsbeschränkt) eingeführt wurde (dazu siehe § 5a Rn. 1 [Schäfer]). Gleichwohl hat die Neufassung einige Liberalisierungen erbracht. So kann jetzt der Mindestnennbetrag auf 1 € (Abs. 2 Satz 1) festgesetzt werden, während zuvor der Mindestbetrag der Stammeinlage noch bei 100 € lag. Eher terminologischer Natur ist allerdings die Einführung des Begriffs des Nennbetrags (statt Stammeinlage; dazu siehe § 3 Rn. 14 [Schäfer]). Indirekt wird hierdurch auch auf das Teilbarkeitserfordernis verzichtet; früher musste die Stammeinlage durch 50 teilbar sein (Abs. 2 a. F.); hierdurch kann die Kapitalaufbringung bei der Gründung deutlich stärker als bisher individualisiert werden. Einen weiteren Liberalisierungseffekt erzielt das MoMiG durch Zulassung der Übernahme mehrerer Geschäftsanteile schon bei der Gründung in Absatz 2 Satz 2, was die Vorschrift in ihrer bis 1.11.2008 geltenden Fassung ausdrücklich untersagt hatte. Schließlich können auch die (mehreren) Geschäftsanteile eines Gründungsgesellschafters unterschiedliche Nennbeträge aufweisen (Abs. 3 Satz 1). – Eine besondere Übergangsregelung ist für § 5 nicht vorgesehen (vgl. § 3 EGGmbHG), sodass die Neuregelungen für alle Gründungen seit November 2008 gelten.

4

Die geänderte Fassung von Absatz 4 steht systematisch in Zusammenhang mit der Neuformulierung des § 3 Abs. 1 Nr. 4, der wiederum die Konsequenz aus Absatz 2 Satz 2 zieht (Zahl der Geschäftsanteile). Die sprachliche Neuorientierung vom alten Begriff der „Stammeinlage“ zum gegen Einlage übernommenen „Geschäftsanteil“ (siehe § 3 Rn. 12 [Schäfer]) wird konsequentermaßen auch hinsichtlich der Sacheinlage nachvollzogen. Sie hat auch eine Reihe redaktioneller Folgeänderungen nach sich gezogen, so in § 55 Abs. 4, § 58 Abs. 2 Satz 2 sowie in § 57h Abs. 1 Satz 2, § 57l Abs. 2 Satz 4, § 58a Abs. 3 Satz 2, ferner § 47 Abs. 2 (Aufgabe des Teilbarkeitserfordernisses).

_____________ 1)

138

Zur Kapitalaufbringung beim Formwechsel einer GmbH & Co. KG in eine GmbH zuletzt eingehend etwa OLG Frankfurt/M., GmbHR 2015, 808 = NZG 2015, 808 = DStR 2016, 2618)

Carsten Schäfer

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

II. Das gesetzliche Mindeststammkapital (Abs. 1, 3 Satz 2) 1.

Allgemeines; Funktion

Das Stammkapital stellt einen Haftungsfonds zugunsten der Gläubiger dar;2) das Mindestkapital garantiert zwar naturgemäß keine ausreichende Kapitalisierung der Gesellschaft, markiert aber eine Seriositätsschwelle, welche die Gründer überschreiten müssen, um das Haftungsprivileg des § 13 Abs. 2 zu erlangen. Weil die UG mit einem Mindestkapital von – schlimmstenfalls – 1 € auskommt (§ 5a Abs. 1 i. V. m. § 5 Abs. 2 Satz 1), gilt dies allerdings nur (noch) für die „klassische“ GmbH. Allgemein kennzeichnet das Stammkapital, abgesichert durch das Kapitalaufbringungsrecht (insbesondere § 7 Abs. 2, §§ 3, 9, 19 – 24) ebenso wie durch die Unterbilanzhaftung der Gründer (dazu § 11 mit Erläuterungen), zum einen den Betrag desjenigen Vermögens, über das die Gesellschaft im Eintragungszeitpunkt mindestens verfügen muss. Zum anderen darf das Gesellschaftsvermögen zu keinem späteren Zeitpunkt durch Ausschüttungen an die Gesellschafter unter diesen Betrag (weiter) herabsinken (§ 30 Abs. 1). Außerdem ist im Falle einer qualifizierten Unterbilanz unverzüglich die Gesellschafterversammlung einzuberufen (§ 49 Abs. 3) und bei völliger Aufzehrung (Überschuldung) Insolvenzantrag zu stellen (§ 15a InsO). Die spätere Herabsetzung des Stammkapitals kann nur unter Beachtung der §§ 58 ff erfolgen. 2.

5

Höhe und Festsetzung

Dazu, dass das Stammkapital im Gesellschaftsvertrag gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 als starrer und bestimmter Euro-Betrag festzusetzen ist, siehe § 3 Rn. 11 [Schäfer]. Bei der normalen GmbH beträgt er mindestens 25.000 €,3) kann aber selbstverständlich auch höher festgesetzt werden, was sich bei entsprechendem Kapitalbedarf schon deshalb empfiehlt, weil hierdurch die Seriosität der Gründung erhöht wird.4) Bei der normalen GmbH kennt das Gesetz keine Höchstgrenze; oberhalb 25.000 € kann das Stammkapital also beliebig festgesetzt werden, zumal die Teilbarkeit durch 50 (Abs. 3 Satz 2 a. F.) mit dem MoMiG entfallen ist (siehe Rn. 3). Bei der UG kann (und muss) das Stammkapital hingegen zwischen 1 € und 24.999 € liegen (siehe § 5a Rn. 13 [Schäfer]), sodass bei dieser Rechtsform-Variante auch gänzlich unseriöse Unternehmensgründungen möglich sind. In der Praxis scheinen Gründungen ab 1.000 € zu dominieren, offenbar um eine schon anfängliche Überschuldung zu vermeiden.5)

6

Das statutarische Stammkapital fungiert als zentrale Bezugsgröße für das Kapitalschutzsystem (Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsrecht), und zwar naturgemäß auch dann, wenn es, so bei der UG, keinen relevanten Betrag erreicht (siehe § 5a Rn. 13 [Schäfer]). Daneben bildet es aber auch die Bezugsgröße für die Beteili-

7

_____________ 2)

3) 4) 5)

Zur rechtspolitischen Diskussion der Wirksamkeit des so vermittelten Gläubigerschutzes im Vorfeld des MoMiG etwa Kleindiek, ZGR 2006, 335; Haas, DStR 2006, 993; Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433; dazu auch Erläuterungen zu § 5a. Zur Entwicklung der Höhe des Mindeststammkapitals vgl. etwa Ulmer/Habersack/LöbbeUlmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 13 ff; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 5 Rn. 3. Vgl. auch BT-Drucks. 16/6140, S. 29 f. Vgl. Bayer/Hoffmann/Lieder, GmbHR 2010, 9, 11.

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§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

gung des einzelnen Gesellschafters an der Gesellschaft, weil die Summe der Nennbeträge der einzelnen Geschäftsanteile dem Stammkapital entsprechen muss (Abs. 3 Satz 2, dazu siehe Rn. 11). Das Verhältnis des Nennbetrags (bei mehreren Geschäftsanteilen eines Gesellschafters: der Nennbeträge) zum Stammkapital ergibt also die Beteiligungsquote. 8

Die Veränderung des Stammkapitals ist vor Eintragung im Wege der (notariellen) Vertragsänderung möglich, danach im Wege der Kapitalerhöhung (§§ 55 ff) oder herabsetzung (§§ 58 ff), bei der wiederum der Mindestbetrag nicht unterschritten werden darf (§ 58 Abs. 2; Ausnahme: § 58a Abs. 4). Eine Kapitalherabsetzung „in die UG“ ist bei der einmal eingetragenen GmbH nicht möglich (dazu siehe § 5a Rn. 38 [Schäfer]).6) Eine Übergangsregelung zur Euro-Einführung findet sich noch in § 1 EGGmbHG (früher § 86).7) 3.

Eigenkapitalausstattung und Unterkapitalisierung

9

Das Gesetz bestimmt in Gestalt des Mindestkapitals (siehe Rn. 6) die Kapitalisierung der GmbH lediglich in formeller Weise, da sie keinerlei Rücksicht auf das von der Gesellschaft betriebene Unternehmen und mithin auf den tatsächlichen Kapitalbedarf nimmt. Für die UG verzichtet der Gesetzgeber sogar auf jede Grenze (§ 5a Abs. 1). Das Stammkapital wird zudem nur im Zeitpunkt der Eintragung garantiert und danach lediglich gegen Ausschüttungen an die Gesellschafter geschützt. Die vollständige Absicherung der Gläubiger ist also offensichtlich nicht der Zweck des Stammkapitals, das Gläubigerschutz lediglich in seiner Funktion als Seriositätsschwelle gewährt.8) Dies wirft die Frage auf, ob auch, abgesehen von Sonderregelungen (vgl. § 25 KAGB und § 10 KWG), materielle Kapitalisierungsregeln anzuerkennen sind, die unabhängig vom Mindestkapital in Relation zur konkreten Geschäftstätigkeit den „wirklichen Kapitalbedarf“ definieren und bei deren Nichtbeachtung eine Durchgriffshaftung der Gesellschafter eingreift.

10

Die h. L. tritt für eine Durchgriffshaftung bei qualifizierter Unterkapitalisierung ein, in Fällen also, in denen die Gesellschafter die betriebswirtschaftlich erforderlichen Eigenmittel offensichtlich von vornherein verfehlt und auch nicht im Wege der Gesellschafterdarlehen aufgebracht haben.9) Der Bundesgerichtshof hat indessen eine solche Haftung immer wieder abgelehnt, weil keine hinreichend exakten Finanzierungsregeln existierten, zuletzt sogar im Fall einer Beschäftigungsqualifizierungsgesellschaft, deren Kapitalbedarf ziemlich genau berechnet werden konnte, weil sie eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern für maximal zwei Jahre weiterbeschäftigen sollte.10) Allerdings hat der Senat dort erneut betont, dass ein offen_____________ 6) Vor der Eintragung kann das Stammkapital hingegen noch mit der Folge geändert werden, dass eine UG entsteht, vgl. OLG Frankfurt/M., GmbHR 2011, 984. 7) Dazu näher Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 6 ff; Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 5 Rn. 58 ff sowie Simon, DB 2008, 1615. 8) Dazu nur Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 13. 9) Vgl. nur Ulmer/Habersack/Löbbe-Raiser, GmbHG, § 13 Rn. 136 ff; Lutter/HommelhoffLutter/Bayer, GmbHG, § 13 Rn. 20 ff. 10) BGHZ 176, 204 = NJW 2008, 2437 = ZIP 2008, 1232 m. Anm. Altmeppen, S. 1201 – GAMMA, dazu EWiR 2008, 493 (Bruns) – zweifelhaft.

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§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

sichtliches Spekulieren zulasten der Gläubiger als Fall einer sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB zu behandeln sei und somit eine Schadensersatzhaftung nach sich ziehe; wegen der Einzelheiten ist auf die Erläuterungen zu § 13 hinzuweisen. 4.

Verhältnis des Stammkapitals zur Summe der Nennbeträge (Abs. 3 Satz 2)

Nach der Neuregelung des Absatzes 3 Satz 2 muss, berücksichtigt man die Gesetzesmotive,11) auch über das Gründungsstadium hinaus das Stammkapital zwingend mit der Summe der Nennbeträge aller Geschäftsanteile übereinstimmen.12) Welche Folgen bei einem nachträglichen Auseinanderfallen eintreten sollen, ist indessen unklar. Hierzu kann es insbesondere bei Einziehung von Geschäftsanteilen kommen, zumal Einziehungsbeschlüsse auch ohne parallele Kapitalherabsetzung möglich sind. Es ist deshalb zwar – wie bisher – geboten, im Falle der Einziehung die Nennbeträge der verbliebenen Anteile im Wege der Beschlussfassung anzupassen13) oder einen neuen Anteil zu bilden.14) Angesichts des insoweit uneindeutigen Wortlauts erscheint es aber nicht veranlasst, über ein solches Gebot hinaus die Wirksamkeit eines Einziehungsbeschlusses von einer gleichzeitigen Nennwertanpassung pp. abhängig zu machen.15) Einige abweichende instanzgerichtliche Judikate16) dürften sich durch die neuere Rechtsprechung erledigt haben.

11

Die Ausgabe der Geschäftsanteile unter pari, also mit einem Abschlag vom Nennbetrag, würde zwar formal nicht zu einem Auseinanderfallen von Nennbetragssumme und Stammkapital führen; sie ist aber selbstverständlich erst recht unzu_____________

12

11) BT-Drucks. 16/6140, S. 31. 12) Auf Altfälle ist die Regelung nicht anzuwenden, OLG München, ZIP 2012, 773 = GmbHR 2012, 398 = NZG 2012, 349, dazu EWiR 2012, 333 (Peitsmeyer/Theusinger) (bei Gesellschafterliste, die eine vor Inkrafttreten des MoMiG eingereichte Gesellschafterliste korrigieren soll, braucht Summe der Nennbeträge nicht mit dem Stammkapital übereinzustimmen). 13) So h. M., vgl. BayObLG, GmbHR 1992, 42 = DB 1991, 2537 = WM 1992, 227, dazu EWiR 1992, 165 (Bokelmann); Scholz-Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 68; Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 34 Rn. 20; für automatische Anpassung aber Lutter, GmbHR 2010, 1177, 1179; tendenziell auch Grunewald, GmbHR 2012, 769, 772 (dagegen Clevinghaus, RNotZ 2011, 449, 459 ff). 14) Dazu etwa Ulmer/Habersack/Winter-Ulmer, GmbHG, § 34 Rn. 68 – 71. Geht man von automatischer Nennwertanpassung aus, bedürfte es hierfür der Teilabtretung und Zusammenlegung, vgl. Lutter/Hommelhoff-Lutter, GmbHG, § 34 Rn. 9. 15) So auch BGHZ 202, 203 = ZIP 2015, 579 = NZG 2015, 429 und zuvor bereits OLG Rostock, GmbHR 2013, 752; OLG Saarbrücken, ZIP 2012, 729 = GmbHR 2012, 209 = NZG 2012, 180, dazu EWiR 2012, 205 (Niemeyer); LG Dortmund, ZIP 2012, 1247 = BB 2012, 2269 = GWR 2012, 326; vgl. ferner Kleindiek, NZG 2015, 489; Schmidt/Stürner, ZIP 2015, 1521; i. E. auch Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 5 Rn. 10; Ulmer, DB 2010, 321; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 24; Braun, NJW 2010, 2700; i. E. auch Lutter, GmbHR 2010, 1177, 1178 f; a. A. Wachter, GmbHR Sonderheft 10/2008, S. 5, 11; Römermann, DB 2010, 209; sowie die in Fn. 16 genannte Instanzrechtsprechung; vermittelnd – Nichtigkeit, sofern nicht zeitnah eine Anpassung vorgenommen wird – Wanner-Laufer, NJW 2010, 1499; ähnlich auch Clevinghaus, RNotZ 2011, 449, 459 ff; ferner Meyer, NZG 2009, 1201 – Einziehung stellt Erwerb eigener Anteile durch die GmbH dar; so auch Stehmann, GmbHR 2013, 574, 576. 16) OLG München, DNotI-Report 2012, 30 (LS); LG Essen, NZG 2010, 867 = GmbHR 2010, 1034 = ZIP 2010, 2052 (LS), dazu EWiR 2010, 711 (Giedinghagen); LG Neubrandenburg, ZIP 2011, 1214 = GmbHR 2011, 823.

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§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

lässig, wie auch § 14 Satz 2 zu entnehmen ist. Wie bisher lässt sich das – einhellig anerkannte – Verbot der unter-pari-Emission auf eine Analogie zu § 9 Abs. 1 AktG stützen.17) Der Nennbetrag bezeichnet also die unbedingt zu leistende Mindesteinlage jedes Gesellschafters. Demgegenüber können die Anteile durchaus über pari ausgegeben werden, also zusätzlich zur Stammeinlage ein Agio als Nebenleistungspflicht vereinbart werden18) (siehe § 3 Rn. 27 ff [Schäfer]; dort auch zum schuldrechtlich vereinbarten Agio). III. Geschäftsanteil 1. 13

2. 14

Höhe der Nennbeträge, Festsetzung (Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1)

Der Geschäftsanteil ist Grundlage der Mitgliedschaft; ohne wenigstens einen Geschäftsanteil zu übernehmen, kann niemand Gesellschafter einer GmbH sein (siehe § 3 Rn. 12 [Schäfer]). Zugleich muss eine Einlage mindestens i. H. d. Nennbetrags des Geschäftsanteils von einem anderen19) übernommen werden; die unter-pariEmission ist unzulässig, ein Agio dagegen (als Nebenleistungspflicht) unproblematisch (siehe Rn. 12). Die Summe der Nennbeträge muss dem Stammkapital entsprechen (siehe Rn. 11). Der Mindestbetrag jedes Geschäftsanteils beträgt seit dem MoMiG nur noch 1 €,20) woraus aber nicht gefolgert werden sollte, dass eine Festsetzung in Mindesthöhe auch zu empfehlen wäre.21) Der MoMiG-Geber hielt die von der bisherigen Mindestgröße bezweckte Erschwerung des Handels mit GmbHAnteilen schon durch § 15 Abs. 3 für gewährleistet und möchte umgekehrt Teilung und Zusammenlegung erleichtern, weshalb auch das Teilungsverbot in § 17 aufgehoben wurde (zur Teilung siehe § 46 Nr. 4 Rn. 13 ff [Masuch]). Einen Höchstbetrag kennt das Gesetz nicht; die Nennbeträge können gemäß Absatz 3 Satz 1 verschieden hoch gewählt werden und brauchen gemäß Absatz 2 Satz 1 lediglich auf volle Euro zu lauten22) (zur Festsetzung im Gesellschaftsvertrag siehe § 3 Abs. 1 Nr. 4 und dazu siehe § 3 Rn. 12 f [Schäfer]). Übernahme mehrerer Geschäftsanteile bei Gründung (Abs. 2 Satz 2)

Jeder Gesellschafter kann seit dem MoMiG (siehe Rn. 3) schon bei der Gründung mehrere, fortlaufend zu nummerierende (§ 40 Abs. 1 Satz 1) Geschäftsanteile übernehmen (Abs. 2 Satz 2); bis 2008 war dies untersagt, um die Verbindung zwischen Kapitalbeteiligung und persönlicher Verbindung zum Ausdruck zu bringen und dadurch den Abstand zur AG zu unterstreichen.23) Eine Ausnahme gilt allerdings für die Gründung im vereinfachten Verfahren, bei der maximal drei Geschäftsan_____________ 17) S. nur BGHZ 68, 191, 195 = DB 1977, 992 = GmbHR 1978, 9; Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 5 Rn. 11; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 5 Rn. 8. 18) Zu den einzelnen Möglichkeiten Harrer, GmbHR 1994, 361 ff. 19) Zum Verbot der Selbstzeichnung durch die GmbH s. nur Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 5 Rn. 10. 20) Zur Aufgabe der Mindeststammeinlage von 100 €, vgl. BT-Drucks. 16/6140, S. 30. 21) Vgl. Heckschen, DStR 2009, 166, 169; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 5 Rn. 7. 22) Zur Aufgabe des Teilbarkeitserfordernisses, vgl. BT-Drucks. 16/6140, S. 30. 23) Zum ursprünglichen Zweck des Verbots der Übernahme mehrerer Anteile, BT-Drucks. 16/ 6140, S. 30 und zu den Argumenten gegen Fortbestand des Verbots; vgl. aber auch Ulmer/ Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 25 ff.

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teile und maximal ein Geschäftsanteil pro Gesellschafter ausgegeben werden dürfen (§ 2 Abs. 1a). Auch bei mehreren Geschäftsanteilen eines Gründers können unterschiedlich hohe Nennbeträge vorliegen (Abs. 3 Satz 1). Entgegen dem insoweit etwas missverständlichen Wortlaut von Absatz 4 Satz 1 können auch mehrere Geschäftsanteile gegen eine einheitliche Sacheinlage ausgegeben werden. Auch hier ist es ausreichend, wenn die Summe der Nennbeträge dem Wert der Sacheinlage entspricht, was durch das Registergericht ohne weiteres überprüft werden kann. IV. Folgen eines Verstoßes gegen Absätze 1, 2 Satz 1, 3 Satz 2 Absatz 1 gilt zwar zwingend nur für die normale GmbH, nicht für die UG. Dennoch führt das Unterschreiten der Mindeststammkapitalgrenze nur dann nicht zur (Gesamt-)Nichtigkeit des Vertrages (siehe § 3 Rn. 17 [Schäfer]), wenn er als UGVertrag aufrechterhalten werden kann, was eine ordnungsgemäße Firmierung gemäß § 5a Abs. 1 voraussetzt. Bis dahin besteht ein Eintragungshindernis; die Vorgesellschaft kommt aber nach den Regeln der LfV zustande (siehe § 2 Rn. 113 [Schäfer]). Wegen der Folgen nach der Eintragung siehe § 3 Rn. 17 [Schäfer]: Nichtigkeitsklage nach § 75 und Amtslöschung gemäß § 397 FamFG.

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Ebenso zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages führt ein – wenig praktischer – Verstoß gegen Absatz 2 Satz 1 (voller Eurobetrag) und Absatz 3 Satz 2 (Übereinstimmungsgebot). Wird die GmbH gleichwohl versehentlich eingetragen, ist aber lediglich das Amtsauflösungsverfahren nach § 399 Abs. 4 FamFG (§ 144a Abs. 4 FGG) i. V. m. § 60 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG eröffnet (siehe § 3 Rn. 17 [Schäfer]). Auch ein Kapitalerhöhungsbeschluss, der Absatz 2 oder 3 missachtet, ist nichtig,24) was aber nach Aufhebung des Teilbarkeitsgebots und des Mindestnennbetrags von 100 € (siehe Rn. 3) keine praktische Bedeutung mehr haben dürfte. – Dazu, dass das Übereinstimmungsgebot des Absatzes 3 Satz 2 nach zutreffender h. M. nicht zur Nichtigkeit eines Kapitalerhöhungsbeschlusses führen kann, siehe Rn. 11. Auch führt das Auseinanderfallen der Summe der Nennbeträge der verbleibenden Anteile und des Stammkapitals nach Einziehung nicht zur Nichtigkeit des Einziehungsbeschlusses.25)

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V. Sacheinlagen (Abs. 4) 1.

Allgemeines

a) Begriff der Sacheinlage; Sachübernahme Soweit der Gesellschaftsvertrag nichts anderes regelt, ist die Einlagepflicht in Geld zu erbringen, weshalb jede Nicht-Geldleistung als Sacheinlage zu bewerten ist. Keine Sacheinlage, sondern eine Nebenleistungspflicht liegt hingegen vor, wenn neben der Bareinlage eine Nicht-Geldleistung als Agio gesellschaftsvertraglich vereinbart wird.26) Das schließt es freilich nicht aus, die Leistung als Sacheinlage i. S. v.

_____________ 24) BGH, ZIP 2005, 1824 = GmbHR 2005, 1494 = WM 2005, 1963. 25) BGH, ZIP 2015, 579 = GmbHR 2015, 416 = WM 2015, 579; w. N. in Fn. 14. 26) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 174; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 5 Rn. 11.

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§ 20 UmwStG zu behandeln.27) Das Agio unterliegt im GmbH-Recht zwar nicht den Grundsätzen der Kapitalaufbringung,28)gleichwohl darf es aber zumindest keinen negativen Wert aufweisen. Im Übrigen muss das Registergericht die Eintragung auch dann ablehnen, wenn der Wert einer Sacheinlage teilweise zur Deckung des Nennbetrags herangezogen wird und teilweise auf das Agio entfällt, die Sacheinlage dann aber nicht auch den Wert des Agios abdeckt.29) Absatz 4 eröffnet grundsätzlich die Wahl zwischen Bar- und Sachgründung, doch gilt dies nicht für die UG (§ 5a Abs. 2 Satz 2; siehe § 5a Rn. 21 [Schäfer])30) sowie bei der Gründung im vereinfachten Verfahren (§ 2 Abs. 1a i. V. m. MP Nr. 3). Im Übrigen kann aber auch ein Wahlrecht des Gesellschafters oder der Gesellschaft vereinbart werden.31) In jedem Falle ist nach Absatz 4 eine ausdrückliche Festsetzung im Vertrag erforderlich, damit eine bestimmte „Sache“ (siehe Rn. 21 ff) befreiend geleistet werden kann. Grund hierfür ist die besondere Gefährdung von Gläubigern und Minderheitsgesellschaftern durch unterbewertete Sacheinlagen, weshalb Absatz 4 für Transparenz sorgen und eine Reihe weiterer Vorschriften die ordnungsgemäße Bewertung garantieren sollen (§§ 7 – 9, §§ 9c, 10, 19 und 82). Hieran hat sich auch durch die Neuregelung der verdeckten Sacheinlage in § 19 Abs. 4 nichts geändert; die – strafbewehrte! – Verlautbarungspflicht in Absatz 4, § 8 Abs. 1 Nr. 4 und 5 gilt nach wie vor unbedingt (siehe Rn. 19). 18

Absatz 4 umfasst sowohl die Sacheinlage (= Nicht-Geldeinlage) im engeren Sinn als auch die seit 1980 nicht mehr eigens erwähnte Sachübernahme, bei der die Vergütungsforderung eines Gesellschafters oder Dritten gegen die (eigene oder fremde) Einlageforderung verrechnet wird.32) Im Gegensatz zu § 27 Abs. 1 AktG ist demgegenüber eine rein schuldrechtlich vereinbarte Sachübernahme, die nicht auf die Einlageforderung angerechnet werden soll, auch ohne Festsetzung im Vertrag zulässig, sofern sie nicht zur Rückzahlung der Einlage nach den Regeln der verdeckten Sacheinlage führt (siehe Rn. 19). Auch für die Sachübernahme gelten die im Folgenden darzustellenden Regeln über Sacheinlagen: Ihr Gegenstand ist, auch wenn er durch einen Dritten erbracht wird, einschließlich der zu leistenden Vergütung und der Anrechnung auf eine bestimmte Bareinlagepflicht, zwingend im Gesellschaftsvertrag festzusetzen (Abs. 4, dazu siehe Rn. 21). Wegen der Übernahmefähigkeit siehe Rn. 25 f. Eine Besonderheit besteht aber insofern, als wegen der schuldrechtlichen Ausgestaltung der Verpflichtung zur Sachleistung das allgemeine _____________ 27) BFH, NZG 2011, 118, 120 = BStBl. II 2010, 1094 = DB 2010, 1918 – Mitunternehmeranteil als Aufgeld neben Bareinlage, dazu auch FG Baden-Württemberg, GmbHR 2011, 776 = EFG 2011, 1933 = ErbStB 2011, 308 (keine Sacheinlage i. S. v. § 20 UmwStG, wenn Sohn den gesamten ihm zuvor von seinem Vater unentgeltlich übertragenen Gewerbebetrieb unentgeltlich in die GmbH einbringt). 28) BGH, ZIP 2012, 73 – Babcock/Borsig (obiter). 29) Zutr. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 175; eingehend zum Sachagio Lubberich, DNotZ 2016, 164. 30) § 5a Abs. 2 Satz 2 GmbHG ist aber unanwendbar auf die Kapitalerhöhung in die GmbH, s. BGHZ 189, 254 = ZIP 2011, 955 = GmbHR 2011, 699. 31) S. nur Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 5 Rn. 48. 32) Eingehend dazu Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 119.

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Leistungsstörungsrecht uneingeschränkt anwendbar bleibt (siehe Rn. 30 f). Entfällt danach die Verrechnung, bleibt die Geldeinlagepflicht ohne weiteres erhalten.33) b) Verdeckte Sacheinlage Verdeckt werden Sacheinlagen, wenn ohne Festsetzung im Vertrag die Geldeinlage durch eine Sacheinlage ersetzt wird, namentlich der Einlagebetrag gegen die Forderung aus einem Verkehrsgeschäft zwischen Gesellschaft und Gesellschafter verrechnet bzw. der Einlagebetrag zur Erfüllung verwendet wird. War das schon bei Entstehung der Einlagepflicht verabredet, was innerhalb eines halben Jahres ab Vertragsschluss bzw. Erhöhungsbeschluss vermutet wird, so liegt eine Umgehung der auf Sacheinlagen bezogenen Schutzvorschriften (siehe Rn. 17) vor, sodass – auch nach der Neuregelung durch das MoMiG – ein Erfüllungshindernis besteht (§ 19 Abs. 4 Satz 1, jetzt aber mit Anrechnungslösung gemäß Absatz 4 Satz 3). Zum Begriff der verdeckten Sacheinlage siehe § 19 Abs. 4 Satz 1 und § 19 Rn. 15 f [Bartels]. Zudem ist auch die Leistung an Erfüllungs statt weiterhin durch § 19 Abs. 2 Satz 1 verboten (früher: § 19 Abs. 5; dazu siehe § 19 Rn. 6 [Bartels]). Entsprechendes gilt für die nicht im Vertrag festgesetzte Sachübernahme sowie für die Aufrechnung, die durch § 19 Abs. 2 Satz 2 untersagt wird (siehe § 19 Rn. 7 [Bartels]). – Eine Regelung der Nachgründung, wie sie das AktG in § 52 trifft, kennt das GmbH-Recht nicht; Nachgründungsgeschäfte unterliegen aber, wenn sie schon bei der Gründung verabredet sind bzw. innerhalb eines halben Jahres nach der Gründung durchgeführt werden, den Regeln über verdeckte Sacheinlagen.

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c) Gemischte Sacheinlage Wird der Nennbetrag des bzw. der Geschäftsanteils/e eines Gesellschafters teilweise durch Geld-, teilweise durch Sachleistung aufgebracht, so spricht man von einer Mischeinlage, die bei entsprechender Festsetzung unproblematisch zulässig ist.34) Demgegenüber handelt es sich um eine gemischte Sacheinlage, wenn der Wert der Sachleistung höher ist als der entsprechende Nennbetrag und der Gesellschafter für die Differenz eine Gegenleistung in Geld oder eine andere Leistung erhält.35) Es handelt sich jeweils um ein einheitliches Rechtsgeschäft, sodass die Vorschriften über Sacheinlagen bzw. verdeckte Sacheinlagen auch dann Anwendung finden, wenn der Gegenstand der Sacheinlage teilbar ist.36) Insbesondere bedarf es neben der Verlautbarung nach Absatz 4 (siehe auch § 19 Abs. 2 Satz 2) auch hier eines Sachgründungsberichts.37) Das Geschäft kann aufgrund des auf Einheitlichkeit zielenden Willens der Beteiligten nicht nachträglich in einen gesellschafts- und einen kaufrechtlichen Teil aufgespalten werden. Der Bundesgerichtshof hat hieraus zuletzt mehrfach zu Recht die Gesamtunwirksamkeit eines Kauf_____________ 33) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 126. 34) Unstr., s. nur Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 5 Rn. 31; zuletzt OLG Celle, NZG 2016, 300 m. Anm. Sammet sowie Cavin, NZG 2016, 734. 35) S. nur Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 127; Habersack in: FS Konzen, S. 179, 180. 36) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 129. 37) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 123; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 5 Rn. 40.

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bzw. Werkvertrags abgeleitet, sofern die gemischte Sacheinlage verdeckt, also nicht ordnungsgemäß im Gesellschaftsvertrag verlautbart worden war.38) Doch wird diese – für die Beteiligten harte – Konsequenz inzwischen durch § 19 Abs. 4 Satz 2 n. F. abgemildert. Danach sind die Umgehungsgeschäfte nicht länger unwirksam, sodass sich auch bei der gemischten Sacheinlage die Folgen der Verdeckung auf die Nichterfüllung der Geldeinlagepflicht (mit Anrechnungsmöglichkeit) beschränken. Dabei kommt aber eine Anrechnung auf die Einlagepflicht gem. § 19 Abs. 4 Satz 3 (dazu siehe § 19 Rn. 17 ff [Bartels]) nur dann in Betracht, wenn der Wert der Sacheinlage den Wert der Gegenleistung und die Einlagepflicht voll umfasst, d. h. jeder Minderwert der Sacheinlage wirkt sich zuerst als (ggf. partielle) Nichterfüllung der Einlagepflicht mit der Folge einer entsprechenden Geldleistungspflicht des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft aus.39) 2.

Zur Sacheinlage im Einzelnen

a) Festsetzung im Gesellschaftsvertrag 21

Die Sacheinlage muss ausdrücklich unter genauer Bezeichnung ihres (einlagefähigen, dazu siehe Rn. 25 f) Gegenstandes,40) dessen (Einlage-)Werts und des Inferenten, der einen bestimmten Geschäftsanteil (siehe Rn. 22) gegen Sacheinlage übernehmen will, im Gesellschaftsvertrag verlautbart werden. Ziel all dieser Angaben ist es, eine Individualisierung zu ermöglichen. Die Art der Kapitalaufbringung soll für Dritte eindeutig erkennbar sein, und es soll eine Kontrolle durch das Registergericht ermöglicht werden. Die Angaben brauchen aber nicht selbst als Grundlage für eine Bewertung zu taugen; hierzu dient der Sachgründungsbericht (dazu siehe Rn. 33). Zur konkreten Bezeichnung eines Unternehmens (siehe Absatz 4 Satz 2) reicht die Angabe der Firma; es bedarf nicht der Auflistung einzelner Gegenstände.41) Sollen allerdings einzelne Aktiva oder Passiva ausgenommen werden, ist eine genaue Bezeichnung erforderlich.42) Die Sachgründung muss, in Anlehnung an § 9 Abs. 2, insgesamt mindestens zehn Jahre lang aus der Satzung hervorgehen.43)

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Anzugeben ist auch der Nennbetrag desjenigen Geschäftsanteils, der gegen Sacheinlage bzw. Verrechnung einer Sachübernahmevergütung übernommen werden soll. Soll der Geschäftsanteil teils gegen Sach- und teils gegen Bareinlage übernommen werden (Mischeinlage, siehe Rn. 20), so ist der Nennbetrag entsprechend auf_____________ 38) BGHZ 173, 145 = ZIP 2007, 1751 = NJW 2007, 3425 – Lurgi, dazu EWiR 2008, 419 (Habighorst); BGHZ 175, 265 = ZIP 2008, 788 = NZG 2008, 425 – Rheinmöve, dazu EWiR 2008, 513 (Weipert). 39) BGHZ 185, 44 = ZIP 2010, 978 = NJW 2010, 1948 – AdCoCom, dazu EWiR 2010, 421 (Wenzel) – vor Anrechnung ist vom tatsächlichen Wert der eingelegten Sache der Wert der von der Gesellschaft erbrachten Gegenleistung abzuziehen; nur der verbleibende Betrag steht für die Anrechnung zur Verfügung; so auch Scholz-Veil, GmbHG, § 19 Rn. 148; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 77; Pentz, GmbHR 2010, 673, 678 f (Urteilsanm.); a. A. Priester in: FS Maier-Reimer, S. 525, 530 ff. Eingehend zur verdeckten gemischten Sacheinlage Koch, ZHR 175 (2011), 55, 65 ff. 40) Vgl. etwa BGH, ZIP 2003, 30 = NZG 2003, 85 = WM 2003, 25. 41) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 149. 42) Vgl. OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 214, 215 = DB 1996, 368 = WM 1996, 679; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 5 Rn. 31. 43) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 5 Rn. 49.

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zuteilen und die beiden Beträge anzugeben. Bei gemischter Sacheinlage (siehe Rn. 20) ist auch die Vergütung anzugeben. Die Aufnahme in den Vertrag begründet mit dessen Abschluss die mitgliedschaftliche Verpflichtung zur Einlage der konkret vereinbarten Sachleistung, die nicht nachträglich durch einen anderen Gegenstand ersetzt werden kann – Verbot der Leistung an Erfüllungs statt (siehe Rn. 19). Die Abrede gehört zu den korporativen (materiellen) Bestandteilen des Gesellschaftsvertrages (siehe § 2 Rn. 18 [Schäfer]). Für die Erfüllung gelten die allgemeinen zivilrechtlichen Übertragungsregeln; die Leistung muss wegen § 7 Abs. 3 an die durch ihren Geschäftsführer vertretene Vorgesellschaft erfolgen.

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Ohne ausreichende Angaben ist die Festsetzung unwirksam, sodass statt der Sach- eine Geldleistung geschuldet wird. Eine gleichwohl geleistete Sacheinlage hat keine Erfüllungswirkung. Es besteht vielmehr ein Eintragungshindernis, solange nicht die Mindest(-geld-)einlage nach § 7 Abs. 2 geleistet worden ist, was ggf. vom Gesellschafter nachzuweisen ist.44) Die Gründer sind aber ggf. zur Vertragsänderung verpflichtet, wenn sie untereinander die Erbringung von Sacheinlagen vereinbart haben. Mit der Eintragung entsteht der Geschäftsanteil definitiv mit Geldeinlagepflicht; doch gilt auch hier die Anrechnungslösung des § 19 Abs. 4 Satz 3 (dazu siehe § 19 Rn. 17 ff [Bartels]) bei Wirksamkeit der Übertragungsgeschäfte, sofern anstelle der geschuldeten Geldzahlung die Sacheinlage geleistet wurde.45)

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b) Einlagefähigkeit Einlagefähig ist analog § 27 Abs. 2 AktG jeder Gegenstand mit gegenwärtig erfassbarem Vermögenswert, der überdies so auf die Gesellschaft übertragen werden kann, dass er dort mindestens seinem Wert nach endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführer steht, also im Ernstfall durch den Insolvenzverwalter oder Gläubiger der Gesellschaft zwangsweise verwertet werden kann und vor dem Zugriff der (Privat-) Gläubiger des Inferenten geschützt ist (funktionale Betrachtungsweise).46) Die Bilanzierbarkeit ist keine Voraussetzung, sondern Folge der Einlagefähigkeit, hat aber indiziellen Charakter für die Feststellbarkeit des Wertes. Ist ein Gegenstand verkehrsfähig oder jedenfalls übertragbar, so liegen diese Voraussetzungen stets vor. Für seine Verwertbarkeit reicht es aber auch aus, dass der Gegenstand – z. B. die Firma oder der Good Will – i. R. d. von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens den Gläubigerinteressen nutzbar gemacht werden kann.47) Erforderlich ist aber jedenfalls, dass der Gegenstand auf die Gesellschaft übertragen _____________ 44) Vgl. etwa OLG Hamm, ZIP 2013, 2258 = NZG 2013, 1101 = NJW-RR 2013, 1374. 45) So auch Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 5 Rn. 32, der § 19 Abs. 4 Satz 3 in diesem Fall analog anwendet; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 5 Rn. 51; s. a. HoffmannBecking, Liber amicorum für M. Winter, S. 237, 248 ff – zur AG. Dazu, was gilt, wenn die Satzung bei einer gemischten Sacheinlage zwar die Erbringung einer Sacheinlage ausweist, den Vergütungsbestandteil der Abrede jedoch verschweigt s. Pentz, Liber amicorum für M. Winter, S. 499. 46) S. nur Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 48 ff; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 5 Rn. 14 f; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 5 Rn. 23 ff. 47) Zutr. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 54.

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und hierbei aus dem Vermögen des Einlegers in einer Weise ausgesondert wird, dass dessen (Privat-)Gläubiger keinen Zugriff (mehr) darauf haben. 26

Damit fehlt die Einlagefähigkeit nicht nur generell bei (höchstpersönlichen) Dienstleistungen (§ 27 Abs. 2 Halbs. 2 AktG), auch soweit sie sich gegen Dritte richten, sondern auch bei sämtlichen bloß obligatorischen Rechten gegen den Gesellschafter.48) § 19 Abs. 5 n. F. hat hieran nichts geändert, zumal die Regelung es zwar unter bestimmten, engen Voraussetzung zulässt, dass eine Geldleistung unter Wahrung ihrer Erfüllungswirkung i. R. eines Verkehrsgeschäfts wieder an den Inferenten zurückfließt; sie betrifft indessen gerade keine einlagefähigen Gegenstände und ist daher von der Regelung der verdeckten Sacheinlage in § 19 Abs. 4 scharf zu unterscheiden. Nicht einlagefähig sind naturgemäß auch eigene Anteile der Gesellschaft.49)

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Unproblematisch sacheinlagefähig sind sämtliche dinglichen Rechte, auch Immaterialgüterrechte und Sachgesamtheiten bzw. Unternehmen (Abs. 4 Satz 2!) sowie beschränkte dingliche Rechte und (übertragbare) Gesellschaftsanteile (an anderen Gesellschaften).50) Nutzungsrechte erfüllen die oben genannten Voraussetzungen (siehe Rn. 25) nur dann, wenn sie entweder dinglicher Natur sind oder sich gegen einen Dritten richten und der Besitz an der Sache auf die Gesellschaft übertragen wird.51) Sonstige Rechte gegen Dritte sind ebenfalls sacheinlagefähig, sofern sie auf die Gesellschaft übertragbar sind.52) c) Bewertung

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Selbstverständlich muss auch bei einer Sacheinlage der Wert des Einlagegegenstandes den Nennbetrag des übernommenen Geschäftsanteils abdecken (§ 14 Satz 2), wie man bei Sacheinlagen zusätzlich aus dem Grundsatz der realen Aufbringung des Stammkapitals herzuleiten pflegt, der überdies in der Differenzhaftung nach § 9 zum Ausdruck kommt. Denn die Überbewertung einer Sacheinlage hätte eine – verbotene – unter-pari-Emission zur Folge (siehe Rn. 12). Die Überbewertung führt bei Wesentlichkeit gemäß § 9c Abs. 1 Satz 2 zu einem Eintragungshindernis und in jedem Falle zur Differenzhaftung des Inferenten nach § 9 (siehe § 9 Rn. 5 ff [Wachter]), bei verdeckten Sacheinlagen zur Anrechnung nach § 19 Abs. 4 Satz 3. Daneben haften die Gründer auf Schadensersatz nach § 9a, ggf. auch aus §§ 826, _____________ 48) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 55; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 5 Rn. 24; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 5 Rn. 15; vgl. auch BGH, ZIP 2009, 713, 714 = GmbHR 2009, 540 = NZG 2009, 463 – Qivive, dazu EWiR 2009, 443 (Schodder); fortgeführt durch BGHZ 184, 158 = ZIP 2010, 423, 424 f = NJW 2010, 1747 – Eurobike, dazu EWiR 2010, 169 (Lieder) – Regeln über verdeckte Sacheinlagen unanwendbar bei fehlender Sacheinlagefähigkeit. 49) BGH, ZIP 2011, 2097, 2099 Rn. 14 = NZG 2011, 1271 = DB 2011, 2484 – AG; auch nicht im Wege der „Wertpapierleihe“, dazu EWiR 2011, 793 (Vetter). 50) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 72 ff; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 5 Rn. 26. 51) BGHZ 144, 290, 294 = ZIP 2000, 1162 = NJW 2000, 2356, dazu EWiR 2000, 941 (Hirte); Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 61. 52) Wegen der Einzelheiten vgl. etwa Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 58 ff; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 5 Rn. 25 ff.

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823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB.53) Eine Unterbewertung ist demgegenüber ebenso unproblematisch wie die über-pari-Emission im Allgemeinen (siehe Rn. 12).54) Für den Wertansatz (Zeitwert) gelten grundsätzlich die allgemeinen Bewertungsregeln für die Eröffnungsbilanz.55) Maßgeblicher Bewertungszeitpunkt ist gemäß § 9 Abs. 1 derjenige der Registeranmeldung, sodass der Inferent das Risiko der Wertminderung – entgegen dem allgemeinen Grundsatz casum sentit dominus – auch noch nach der schon zuvor erforderlichen (§ 7 Abs. 3!) Einbringung trägt. Dieses Risiko kann dem Inferenten nicht genommen, sondern nur durch eine interne Ausgleichsabrede unter den Gründern ausgeglichen werden.56) Nach wohl noch h. M. kann das Registergericht aus Gründen des (prophylaktischen) Gläubigerschutzes die Eintragung gemäß § 9c darüber hinaus auch dann ablehnen, wenn sich nach der Anmeldung ein wesentlicher Wertverlust ergeben hat;57) nach der Gegenansicht sind die Gläubiger insofern ausreichend durch die Unterbilanzhaftung der Gründer geschützt.

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d) Leistungsstörungen Die allgemeinen Rechte aufgrund von Leistungsstörungen können nur unter Wahrung der Gesellschaft wie auch der betroffenen Mitgliedschaft geltend gemacht werden; zudem ist der Grundsatz der realen Kapitalaufbringung einschließlich der Differenzhaftung nach § 9 vorrangig. Im Falle einer unwirksamen Sacheinlagevereinbarung (z. B. mangels ausreichender Festsetzung oder wegen Missachtung der Form des § 2) tritt eine Geldeinlagepflicht i. H. d. Nennbetrags ein (siehe Rn. 24), und Entsprechendes gilt auch im Falle der Unmöglichkeit einer Sacheinlageleistung, und zwar – entgegen § 275 BGB – selbst dann, wenn der Gesellschafter die Gründe hierfür nicht zu vertreten hat. Für den Fall des Vertretenmüssens kann die Gesellschaft stattdessen auch den Schadensersatzanspruch nach §§ 280, 283 BGB geltend machen.58) Bei Verzug des Sacheinlegers ist ein Anspruch der Gesellschaft aus § 286 BGB unproblematisch; stattdessen kann sie – nach entsprechender Fristsetzung – auch eine Geldleistung verlangen.59) Ein Rücktritt von der Beitrittsvereinbarung ist in jedem Falle ausgeschlossen. _____________ 53) Näher Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 104. 54) Zur – problematischen – bilanziellen Behandlung in diesem Falle s. einerseits Ulmer/ Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 90 – stille Reserve; andererseits Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 5 Rn. 27 – wie vereinbartes Agio, Einstellung in Kapitalrücklage gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB. 55) Ausführlich dazu Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 89 ff; dort auch zur problematischen Bewertung bei Gebrauchsüberlassungen Rn. 93 und bei Einbringung von Unternehmen Rn. 95 ff; ferner etwa Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 5 Rn. 34. 56) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 92. 57) BGHZ 80, 129, 136 = ZIP 1981, 394 = NJW 1981, 1373; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/ Habersack, GmbHG, § 9c Rn. 21; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 9c Rn. 10 f; a. A. Wachter s. u. § 9c Rn. 29; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 9c Rn. 10; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 9c Rn. 16; Scholz-Veil, GmbHG, § 9c Rn. 33. 58) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 115; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 5 Rn. 38. 59) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 116; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 5 Rn. 38.

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30

§5 31

Im Falle eines Sach- oder Rechtsmangels kann die Gesellschaft, statt auf die Differenzhaftung aus § 9 zurückzugreifen, grundsätzlich auch Nacherfüllung gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 BGB oder Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 437 Nr. 3, 281, 283 BGB bzw. neben der Leistung gemäß § 280 BGB verlangen. Minderung und Rücktritt sind demgegenüber ausgeschlossen.60) Diese zusätzlichen Rechtsbehelfe verjähren gemäß § 438 BGB, zumal die Differenzhaftung gemäß § 9 Abs. 1 mit ihrer zehnjährigen Verjährungsfrist (§ 9 Abs. 2) unberührt bleibt. 3.

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Stammkapital; Geschäftsanteil

Übergang zwischen Bar- und Sacheinlage

Der Übergang zwischen Bar- und Sacheinlage bedarf wegen Absatz 4 bzw. § 3 Abs. 1 Nr. 4 zwingend der Satzungsänderung, wofür vor Eintragung eine (notarielle) Vertragsänderung mit Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich ist, und auch nach Eintragung die Satzung wegen §§ 24, 53 Abs. 3 nur mit Zustimmung aller Gesellschafter von der Sach- zu einer Geldeinlage geändert werden kann. Die – grundsätzlich problematischere – Änderung der Geld- in eine Sacheinlage hat der Bundesgerichtshof61) zur „Heilung“ einer verdeckten Sacheinlage ebenfalls zugelassen, wobei aber neben dem satzungsändernden Beschluss auch ein Sachgründungsbericht sowie ein Wertgutachten erforderlich sind. Der Zustimmung aller Gesellschafter bedarf es insofern nicht, weil das Risiko der Ausfallhaftung durch § 9 kompensiert wird.62) An dieser – für alle Wechsel von Geld- zur Sacheinlage oder den Austausch verschiedener Sacheinlagegegenstände zu verallgemeinernden63) – Änderungsmöglichkeit ist auch nach der Neuregelung der verdeckten Sacheinlage durch § 19 Abs. 4 festzuhalten. 4.

Sachgründungsbericht (Abs. 4 Satz 2)

33

Gemäß Absatz 4 Satz 2 müssen alle Gründer, die zum Zeitpunkt der Anmeldung Mitglied der Vorgesellschaft sind, höchstpersönlich einen Sachgründungsbericht erstatten; die Pflicht zu richtigen Angaben ist sowohl durch die Haftung nach § 9a abgesichert als auch strafrechtlich sanktioniert (§ 82 Nr. 2). Der Bericht ist nicht Teil des Gesellschaftsvertrags, weshalb er zwar der Schriftform bedarf (§ 8 Abs. 1 Nr. 4), nicht jedoch einer notariellen Beurkundung. Zweck des Berichtes ist die Sicherung der Kapitalaufbringung durch Erläuterungen zum Wert der eingelegten Gegenstände; er dient dem Wertnachweis und ist damit Grundlage für die Registerprüfung nach § 9c.

34

Inhaltlich muss der Bericht alle wesentlichen Angaben für die registergerichtliche Beurteilung der Angemessenheit der Sacheinlage enthalten. Wegen des Konkreti_____________ 60) Näher Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 117; Scholz-Veil, GmbHG, § 5 Rn. 69 ff – Differenzhaftung aus § 9 als abschließende Sonderregelung; Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 5 Rn. 39 – sofern man Rücktrittsmöglichkeit bejaht, bleibt jedenfalls Bareinlagepflicht bestehen. 61) BGHZ 132, 141 = ZIP 1996, 668 = NJW 1996, 1473; BGHZ 155, 329 = ZIP 2003, 1540 m. Anm. Pentz, S. 2083 = NJW 2003, 3127, dazu EWiR 2003, 1243 (Priester); krit. zur Fortgeltung dieser Rspr. seit dem MoMiG Heidinger/Knaier, GmbHR 2015, 1. 62) BGHZ 132, 141 = ZIP 1996, 668 = NJW 1996, 1473. 63) OLG Hamburg, ZIP 2005, 988 = GmbHR 2005, 997; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 5 Rn. 53.

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§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

sierungsgrades bietet auch die Parallelnorm des § 32 Abs. 2 Satz 1 AktG einen Anhalt.64) Die erforderlichen Angaben variieren naturgemäß je nach Einlagegegenstand, dessen wertbestimmende Eigenschaften maßgeblich sind. Anzugeben sind auch Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten oder, sofern vorhanden, Marktpreise. Hierbei sind der Zustand und die Nutzbarkeit für die Gesellschaft zu verdeutlichen.65) Bei der Einbringung eines Unternehmens sind gemäß Absatz 4 Satz 2 Halbs. 2 die Jahresergebnisse für die letzten beiden Geschäftsjahre vor der Anmeldung anzugeben; die Beifügung eines vollständigen Jahresabschlusses ist aber mindestens empfehlenswert. Besteht das Unternehmen noch keine zwei Jahre, ist sein bisheriger Geschäftsgang darzustellen. Der Verstoß gegen die Angabepflicht nach Absatz 4 begründet ein Eintragungshindernis;66) wird gleichwohl eingetragen, treten Sanktionen nach §§ 9a, 82 Nr. 2 ein (siehe Rn. 33). VI. Gründungsaufwand, Sondervorteile Das GmbH-Recht kennt zwar keine Vorschrift nach Art des § 26 Abs. 2 AktG; nach einhelliger Meinung ist diese Lücke aber durch Analogie zu schließen,67) sodass auch hier Sondervorteile (d. h. sämtliche Rechte, die einem Gesellschafter ohne Gegenleistung anlässlich der Gründung eingeräumt werden) und Gründungsaufwand68) (Gründungskosten und ggf. Gründerlohn) ausdrücklich in die Gründungssatzung aufzunehmen sind (Wirksamkeitsvoraussetzung!); die nachträgliche Überwälzung im Wege der Satzungsänderung ist ausgeschlossen (§ 26 Abs. 3 AktG). Indirekt wird dies in Bezug auf den Gründungsaufwand durch § 9a Abs. 1, § 82 Abs. 1 Nr. 1 sowie neuerdings durch das MP Nr. 5 bestätigt, wonach die Gründungskosten im vereinfachten Verfahren auf höchstens 300 € festgesetzt werden dürfen und im Übrigen zwingend von den Gründern zu tragen sind (dazu siehe § 2 Rn. 101 [Schäfer]). Eine starre prozentuale Obergrenze für den Gründungsaufwand existiert allerdings nicht.69) Ohne wirksame Festsetzung ist der Gründungsaufwand von den Gründern anteilig zu tragen.

35

Nach h. M. reicht es, dass der Gründungsaufwand als – notfalls zu schätzender – Gesamtbetrag ausgewiesen wird.70) Nicht ausreichend ist aber die Angabe einer bloßen Obergrenze; soweit einzelne im Gesamtbetrag enthaltene Kosten nicht

36

_____________ 64) S. nur Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 5 Rn. 55. 65) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 169; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 5 Rn. 55. 66) Vgl. BGH, NZG 2004, 910, 911 = ZIP 2004, 1642 = DB 2004, 1985 – nach Eintragung nur noch Haftungsfolgen, kein Wirksamkeitshindernis. 67) S. nur Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 191, 200, 207; Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 5 Rn. 57; OLG Zweibrücken, ZIP 2014, 623 = GmbHR 2014, 427 = MittBayNot 2014, 78; OLG Hamburg, GmbHR 2011, 766 = DNotZ 2011, 457, dazu EWiR 2011, 535 (Wachter); OLG München, ZIP 2010, 2096, 2097 = NZG 2010, 1302 = DStR 2010, 2470, dazu EWiR 2011, 15 (Wachter). 68) Dazu grundlegend BGHZ 107, 1, 6 = ZIP 1989, 448 = NJW 1989, 1610, dazu EWiR 1989, 479 (Hüffer); s. a. OLG Hamburg, GmbHR 2011, 766 = DNotZ 2011, 457, dazu EWiR 2011, 535 (Wachter). 69) OLG Hamburg, GmbHR 2011, 766, 767 – auch nicht bei der UG; für maximale Obergrenze von 10 % des Stammkapitals OLG Celle, ZIP 2014, 2387 Rn. 17 – 19. 70) BGHZ 107, 1, 6 f = ZIP 1989, 448 = NJW 1989, 1610, dazu EWiR 1989, 479 (Hüffer).

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§ 5a

Unternehmergesellschaft

genau bezifferbar sind, müssen sie geschätzt werden.71) Die übrigen Posten (siehe Rn. 35) sind einzeln aufzulisten. Die Angaben müssen – wie bei Sacheinlagen (siehe Rn. 21) – entsprechend § 9 Abs. 2 zehn Jahre unverändert beibehalten werden. Die Übernahme des Gründungsaufwands durch die Gesellschaft führt zur Belastung des Stammkapitals, die aber i. R. d. Erforderlichen (notwendiger Gründungsaufwand und ggf. angemessener Gründerlohn)72) nach der Wertung des § 26 Abs. 2 AktG hinzunehmen ist und demgemäß weder zu einem Eintragungshindernis führt noch von den Gründern i. R. ihrer Vorbelastungshaftung (Erläuterungen zu § 11) auszugleichen ist. Auch das Ausschüttungsverbot des § 30 ist entsprechend einzuschränken; doch können Gewinne erst nach Wiederauffüllung des zur Kapitaldeckung erforderlichen Vermögens ausgeschüttet werden. Alles dies gilt aber nicht für Sondervorteile,73) wozu auch unverhältnismäßige Gründungskosten und unangemessener Gründerlohn zählen. Voraussetzung ist also die Angemessenheit des Gründungsaufwands. Bei der UG ist ein Gründungsaufwand zwar bis zur Höhe des vereinbarten Stammkapitals zulässig (siehe § 5a Rn. 14 [Schäfer]); auch dort steht er jedoch unter dem Vorbehalt der Angemessenheit. _____________ 71) OLG Zweibrücken, ZIP 2014, 623 = GmbHR 2014, 427, 428 = MittBayNot 2014, 78 – entsprechende Anwendung von § 26 Abs. 2 AktG; ebenso OLG Celle, ZIP 2016, 618 = NZG 2016, 586 = GmbHR 2016, 650 = DStR 2016, 1126. 72) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 211; zur Angemessenheit des Gründerlohns OLG Celle, ZIP 2014, 2387 = EWiR 2016, 11 (Cramer) = NZG 2014, 1383 = GmbHR 2015, 139; Cramer, NZG 2015, 373. 73) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 203.

§ 5a Unternehmergesellschaft Carsten Schäfer (1) Eine Gesellschaft, die mit einem Stammkapital gegründet wird, das den Betrag des Mindeststammkapitals nach § 5 Abs. 1 unterschreitet, muss in der Firma abweichend von § 4 die Bezeichnung „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“ führen. (2) Abweichend von § 7 Abs. 2 darf die Anmeldung erst erfolgen, wenn das Stammkapital in voller Höhe eingezahlt ist. Sacheinlagen sind ausgeschlossen. (3) 1In der Bilanz des nach den §§ 242, 264 des Handelsgesetzbuchs aufzustellenden Jahresabschlusses ist eine gesetzliche Rücklage zu bilden, in die ein Viertel des um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschusses einzustellen ist. 2Die Rücklage darf nur verwandt werden 1.

für Zwecke des § 57c;

2.

zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrags, soweit er nicht durch einen Gewinnvortrag aus dem Vorjahr gedeckt ist;

3.

zum Ausgleich eines Verlustvortrags aus dem Vorjahr, soweit er nicht durch einen Jahresüberschuss gedeckt ist.

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§ 5a

Unternehmergesellschaft

(4) Abweichend von § 49 Abs. 3 muss die Versammlung der Gesellschafter bei drohender Zahlungsunfähigkeit unverzüglich einberufen werden. (5) Erhöht die Gesellschaft ihr Stammkapital so, dass es den Betrag des Mindeststammkapitals nach § 5 Abs. 1 erreicht oder übersteigt, finden die Absätze 1 bis 4 keine Anwendung mehr; die Firma nach Absatz 1 darf beibehalten werden. Literatur: Altmeppen, Irrungen und Wirrungen um den täuschenden Rechtsformzusatz und seine Haftungsfolgen, NJW 2012, 2833; Altmeppen, Geschäftsleiterhaftung für Weglassen des Rechtsformzusatzes aus deutsch-europäischer Sicht, ZIP 2007, 889; Bayer/ Hoffmann, Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) des MoMiG zum 1.1.2009 – eine erste Bilanz, GmbHR 2009, 124; Bayer/Hoffmann/Lieder, Ein Jahr MoMiG in der Unternehmenspraxis. Rechtstatsachen zu Unternehmergesellschaft, Musterprotokoll, genehmigtes Kapital, GmbHR 2010, 9; Berninger, Aufstieg der UG (haftungsbeschränkt) zur vollwertigen GmbH, GmbHR 2011, 953; Berninger, Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – Sachkapitalerhöhungsverbot und Umwandlungsrecht, GmbHR 2010, 63; Bormann, Die Kapitalaufbringung nach dem Regierungsentwurf des MoMiG, GmbHR 2007, 897; Drygala, Zweifelsfragen im Regierungsentwurf zum MoMiG, NZG 2007, 561; Freitag/Riemenschneider, Die Unternehmergesellschaft – „GmbH light“ als Konkurrenz für die Limited?, ZIP 2007, 1485; Gasteyer, UG: Zulässigkeit der Sacheinlage bei einer Kapitalerhöhung auf mindestens 25.000 Euro, NZG 2011, 693; Gasteyer, Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – Praktische Umsetzung des § 5a GmbHG aus anwaltlicher Sicht, NZG 2009, 1364; Gehb/Drangel/Heckelmann, Gesellschaftsrechtlicher Typenzwang als Zwang zu neuem Gesellschaftstyp, NZG 2006, 88; Gehrlein, Der aktuelle Stand des neuen GmbH-Rechts, Der Konzern 2007, 771; Goette, Chancen und Risiken der GmbH-Novelle, WPg 2008, 231; Handelsrechtsausschuss des DAV, Stellungnahme zum RegE des MoMiG, NZG 2007, 735; Heckschen, Gründungserleichterungen nach dem MoMiG – Zweifelsfragen in der Praxis, DStR 2009, 166; Heckschen, Die GmbH-Reform – Wege und Irrwege, DStR 2007, 1442; Heinemann, Die Unternehmensgesellschaft als Zielgesellschaft von Formwechsel, Verschmelzung und Spaltung nach dem Umwandlungsgesetz, NZG 2008, 820; Heinze, Verdeckte Sacheinlage und verdeckte Finanzierungen nach dem MoMiG, GmbHR 2008, 1065; Hennrichs, Reichweite des Sacheinlageverbots und gesetzliche Rücklage, NZG 2009, 1161; Hirte, Die Unternehmergesellschaft (UG) nach dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), ZInsO 2008, 933; Joost, Unternehmergesellschaft, Unterbilanz und Verlustanzeige, ZIP 2007, 2242; Kessel, Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt): Umgehungsmöglichkeiten der Thesaurierungsverpflichtung – und wie man ihr begegnet, GmbHR 2016, 199; Klein, Wenn die Unternehmensgesellschaft (haftungsbeschränkt) erwachsen werden will …, NZG 2011, 377; Kleindiek, Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) des MoMiG – Fortschritt oder Wagnis?, BB 2007, Heft 27, S. I; Klose, Die Stammkapitalerhöhung bei der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), GmbHR 2009, 294; König/Bormann, Die Reform des Rechts der Gesellschaften mit beschränkter Haftung, DNotZ 2008, 652; Lange, Wenn die UG erwachsen werden soll – „Umwandlung“ in die GmbH, NJW 2010, 3686; Leuering, Die Unternehmergesellschaft als Alternative zur Limited, NJW-Spezial 7/2007, S. 315; Leyendecker, Rechtsökonomische Überlegungen zur Einführung der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), GmbHR 2008, 302; Lieder/Hoffmann, Upgrades von Unternehmergesellschaften – Der Übergang von der UG zur Voll-GmbH: Rechtstatsachen und Streitfragen, GmbHR 2011, 561; Lieder/Hoffmann, Zwei auf einen Streich: BGH klärt wichtige Streitfragen zu UG-Kapitalerhöhungen, GmbHR 2011, R 193; Lutter, Für eine Unternehmer-Gesellschaft (UG) – Zur notwendigen Erweiterung der geplanten GmbH-Reform, BB-Special 7/2006, 2; Meckbach, Haftungsfolgen unrechtmäßiger Firmierung einer UG (haftungsbeschränkt)?, NZG 2011, 968; Miras, Die bisherige Rechtsprechung zur Unternehmergesellschaft – Eine kritische Analyse, DB 2010, 2488; Miras, Handelndenhaftung für fehlerhafte Firmierung im Rechtsverkehr,

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Unternehmergesellschaft

NZG 2012, 1095; Müller, Die gesetzliche Rücklage bei der Unternehmergesellschaft, ZGR 2012, 81; Neideck, Rückforderungsansprüche der Unternehmergesellschaft bei Verstoß gegen die Rücklagenverpflichtung, GmbHR 2010, 624; Niemeier, Die „MiniGmbH“ (UG) trotz Marktwende bei der Limited?, ZIP 2007, 1794; Niemeier, GmbH und Limited im Markt der Unternehmensrechtsträger, ZIP 2006, 2237; Noack, Der Regierungsentwurf des MoMiG – die Reform des GmbH-Rechts geht in die Endrunde, DB 2007, 1395; Peetz, Gewinnthesaurierung wider Gewinnabsaugung – ein Praxisproblem der Unternehmergesellschaft, GmbHR 2012, 1160; Pentz, Verdeckte Sacheinlage und UG (haftungsbeschränkt) in: Festschrift für Wulf Goette, 2011, S. 355; Priester, Kapitalbildung bei der UG (haftungsbeschränkt) – einer GmbH mit ernst zu nehmenden Sonderregeln, in: Festschrift für Günter H. Roth, 2011, S. 573; Priester, Wann endet das Sonderrecht der UG (haftungsbeschränkt)?, ZIP 2010, 2182; Priester, Unternehmensgründergesellschaft statt „GmbH light“!, ZIP 2006, 161; Ries, Brauchen wir die „Unternehmergesellschaft“ und den Verzicht auf die notarielle Beurkundung des GmbHGesellschaftsvertrages?, NotBZ 2007, 244; Ries/Schulte, Die UG wird erwachsen: Das Erstarken der Unternehmergesellschaft zur Voll-GmbH, NZG 2018, 571; Römermann, Die Unternehmergesellschaft – manchmal die bessere Variante der GmbH – Wider die vorurteilsbelastete Sicht einer neuen Gesellschaftsform, NJW 2010, 905; Rubel, Konzerneinbindung einer UG (haftungsbeschränkt) durch Gewinnabführungsverträge, GmbHR 2010, 470; Schäfer, Rechtsprobleme bei der Gründung und Durchführung einer UG, ZIP 2011, 53; Schäfer/Hemberger, Rechtsscheinhaftung bei unzulässigem Rechtsformzusatz, Ad Legendum 5/2014, 329; Schall, Kapitalaufbringung nach dem MoMiG, ZGR 2009, 126; Schanze, Sanktionen bei Weglassen eines die Haftungsbeschränkung anzeigenden Rechtsformzusatzes im europäischen Rechtsverkehr, NZG 2007, 533; K. Schmidt, Brüderchen und Schwesterchen für die GmbH?, DB 2006, 1096; Schreiber; Die Unternehmergesellschaft als Rechtsformvariante im Gefüge des GmbH-Rechts, DZWIR 2009, 492; Schulte, Zwei Jahre MoMiG, Aktuelle Problemfelder im Handelsregisterverfahren, GmbHR 2010, 1128; Seibert, Der Regierungsentwurf des MoMiG und die haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft, GmbHR 2007, 673; Seibert/Decker, Die GmbH-Reform kommt! Zur Verabschiedung des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) im Deutschen Bundestag, ZIP 2008, 1208; Specks, Kapitalerhöhungen bei der Unternehmergesellschaft, RNotZ 2011, 234; Stenzel, Die Pflicht zur Bildung einer gesetzlichen Rücklage bei der UG (haftungsbeschränkt) und die Folgen für die Wirksamkeit des Gesellschaftsvertrags einer UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG, NZG 2009, 168; Tamm, Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – Kapitalaufbringung und Gläubigerschutz, MDR 2010, 1025; Tettinger, UG (umwandlungsbeschränkt)? – Die Unternehmergesellschaft nach dem MoMiG-Entwurf und das UmwG, Der Konzern 2008, 75; Theuffel-Werhahn, Ausgewählte Änderungen des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung durch das BMFSchreiben vom 17. Januar 2012 (Teil 1): Struktureller Inlandsbezug und Unternehmergesellschaft, ZStV 2012, 81; Ullrich, Gemeinnützige Unternehmergesellschaft und Verzinsung von „eigenkapitalersetzenden“ Gesellschafterdarlehen, GmbHR 2009, 750; Ulmer, Sacheinlageverbote im MoMiG – umgehungsfest?, GmbHR 2010, 1298; Ulrich, Mehr Unternehmergesellschaften (haftungsbeschränkt) als Limiteds, GmbHR 2011, R 245; Veil, Die Unternehmergesellschaft im System der Kapitalgesellschaften, ZGR 2009, 623; Veil, Die Unternehmergesellschaft nach dem Regierungsentwurf des MoMiG, GmbHR 2007, 1080; Wachter, Sacheinlagen bei der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), NJW 2011, 2620; Wachter, Firmierung der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) & Co. KG, NZG 2009, 1263; Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHRSonderheft 10/2008, S. 33; Wälzholz, Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) als Alternative zur GmbH? – Problempunkte und Einsatzmöglichkeiten der Rechtsform nach dem MoMiG, GmbH-StB 2007, 319; Weber, Besser als erhofft? – Überschießende Rechtsscheinhaftung bei Firmierung einer UG (haftungsbeschränkt) als GmbH, JA 2012, 868; Wicke, Praktische Verwendung und Kapitalbindung der Unternehmergesellschaft

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§ 5a

Unternehmergesellschaft

(haftungsbeschränkt), GWR 2010, 259; Wilhelm, „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ – Der neue § 5a GmbHG in dem RegE zum MoMiG, DB 2007, 1510; Witt, Verdeckte Sacheinlage, Unternehmergesellschaft und Musterprotokoll, ZIP 2009, 1102. Übersicht I. 1. 2. 3. II.

Allgemeines .......................................... 1 Entstehungsgeschichte ......................... 1 Zielsetzung ............................................ 2 Regelungsgegenstand ............................ 3 Rechtsnatur und Wesensmerkmale der UG ......................................... 4 1. Keine eigene Rechtsform ...................... 4 2. Abgrenzung zur ordentlichen GmbH .................................................... 5 3. UG als „transitorische“ Rechtsform-Variante ........................................ 6 III. Anwendbares Recht ............................. 7 1. Grundsatz .............................................. 7 2. Problemfälle ........................................... 9 IV. Gründung; Firmierung (Abs. 1) ...... 11 1. Allgemeines ......................................... 11 2. Stammkapital der UG ......................... 13 3. Besondere Firmierung ........................ 15 V. Besonderheiten bei der Kapitalaufbringung (Abs. 2) ......................... 19 1. Volleinzahlungsgebot (Satz 1) ........... 19 2. Verbot der Sacheinlage (Satz 2) ......... 20

I.

Allgemeines

1.

Entstehungsgeschichte

VI. Die besondere gesetzliche Rücklage (Abs. 3) ............................... 24 1. Zweck ................................................... 24 2. Bildung der Rücklage; Dauer der Pflicht ................................................... 25 3. Verwendung der Rücklage (Satz 2) .... 26 4. Rechtsfolgen einer fehlerhaften Feststellung des Jahresabschlusses ..... 29 VII. Die Einberufung der Gesellschafterversammlung (Abs. 4) .................. 30 1. Zweck ................................................... 30 2. Verhältnis zu § 49 Abs. 3 (und Abs. 2) .................................................. 31 3. Begriff der „drohenden Zahlungsunfähigkeit“ ......................................... 32 VIII. Der Übergang in die ordentliche GmbH (Abs. 5) ................................... 34 1. Kapitalerhöhung (Halbs. 1) ................ 34 2. Rechtsfolge der Kapitalerhöhung ....... 37 3. Beibehalten der Firma (Halbs. 2) ....... 39 4. Andere Umwandlungen der UG ........ 40 IX. Abdingbarkeit ..................................... 41

Aufgrund anhaltender Diskussionen über die Wettbewerbsfähigkeit der mit einem Mindestkapital ausgestatteten GmbH und aufkommenden Wettbewerbsdrucks seitens der „Limited“, dessen Intensität allerdings höchst unterschiedlich beurteilt wurde (Nachw. siehe Einl. Rn. 9 f [Schäfer]),1) entschied sich der Gesetzgeber im RegE des MoMiG, mit der UG eine Rechtsformvariante ohne Mindestkapital anzubieten und erteilte damit schließlich sowohl Überlegungen zur allgemeinen Herabsetzung des Stammkapitals2) als auch Forderungen nach einer neuen Rechtsform eine Absage.3) Ob es empfehlenswert war, das „Balg“ in das GmbHG aufzunehmen,4) blieb _____________ 1)

2)

3)

4)

Aus der Zeit vor Inkrafttreten des MoMiG s. nur Niemeier, ZIP 2007, 1794; Goette, WPg 2008, 231, 232 – keine belastbaren Zahlen, die eine Reaktion des Gesetzgebers rechtfertigen könnten; zur aktuellen Entwicklung s. Ulrich, GmbHR 2011, R 245 f – UG verdrängt Ltd. Der RefE hatte es noch auf 10.000 € reduzieren wollen, dafür aber auf eine Rechtsformvariante verzichtet. Hierzu sagt die Begr. RegE (BT-Drucks. 16/9737, S. 94 f), dass an einem angemessen Mindeststammkapital als Seriositätsschwelle im Interesse des Prestiges der Rechtsform GmbH festgehalten werden solle; zur Diskussion über die Aufgabe des Mindestkapitals eingehend Ulmer/Habersack/Winter-Paura, GmbHG, MoMiG-Erg. Bd., § 5a Rn. 15 ff. Für eine neue Rechtsform insbesondere Gehb/Drangel/Heckelmann, NZG 2006, 88, 94; Lutter, BB-Special 7/2006, S. 2; Priester, ZIP 2006, 161; krit. etwa K. Schmidt, DB 2006, 1096; Bormann, GmbHR 2007, 897, 899; vgl. auch die Nachw. bei Seibert, GmbHR 2007, 673, 674 mit Fn. 8 f und Ulmer/Habersack/Winter-Paura, GmbHG, MoMiG-Erg. Bd., § 5a Rn. 13 f. S. Noack, DB 2007, 1395, 1396.

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bis zuletzt umstritten.5) Der Rechtsausschuss hatte noch im Verfahren eine redaktionelle Korrektur in Absatz 1 (Bezeichnung statt Rechtsformzusatz) und zwei weitere Verwendungszwecke für die Zwangsrücklage in Absatz 3 hinzugefügt.6) Seit dem „Brexit“ stellt sich das Problem gleichsam mit umgekehrten Vorzeichen: Wie kann man einer Scheinauslandsgesellschaft in Form der Ltd. beim absehbaren Verlust ihrer Niederlassungsfreiheit die geordnete Umwandlung in eine Inlands-Rechtsform ermöglichen?7) 2. 2

Zielsetzung

Die Einfügung des neuen § 5a durch Art. 1 Nr. 6 MoMiG war aus Sicht seiner Verfasser von zentraler Bedeutung für das Anliegen, die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen zu stärken, ohne die GmbH (bzw. deren Ruf) durch eine Rechtsformalternative zu schwächen.8) Das Mindeststammkapital wurde für die GmbHVariante UG gewissermaßen partiell abgeschafft, indem zwar ein Stammkapital von ungünstigstenfalls nur 1 € pro Geschäftsanteil (§ 5 Abs. 2) gewählt werden kann (siehe Rn. 3), dafür aber nach Absatz 3 so lange eine Zwangsrücklage zu bilden ist, bis das Mindeststammkapital nach § 5 Abs. 1 erreicht ist. Nehme man das – nicht zwingende, zudem nicht auf die UG beschränkte – vereinfachte Gründungsverfahren nach § 2 Abs. 1a (dazu siehe § 2 Rn. 84 ff [Schäfer]) hinzu, so sei mit der UG ein „bislang unbekanntes Maß an Flexibilität, Schnelligkeit, Einfachheit und Kostengünstigkeit erreicht“9) – vor allem wohl im Interesse junger Existenzgründer. Das leuchtet allerdings nur bei Unternehmen ein, deren Kapitalbedarf sich nicht einmal auf 12.500 €, den Mindesteinzahlungsbetrag (§ 7 Abs. 2), beläuft. Zu befürchten ist vielmehr, dass die UG für unverhältnismäßig riskante und völlig unterfinanzierte Unternehmungen eingesetzt wird.10) Der Gläubigerschutz durch Zwangsrücklage11) und Warnhinweis in der Firma erscheint zudem unzureichend, zumal letzterer bei gesetzlichen Verbindlichkeiten naturgemäß nicht funktionieren kann.12) Es bleibt abzuwarten, ob er in der (Gerichts-)Praxis durch verschärfte Durchgriffstatbestände

_____________ 5) Vgl. etwa Veil, GmbHR 2007, 1080, 1085; Bormann, GmbHR 2007, 897, 899; Kleindiek, BB 2007, Heft 27 S. I; aber auch den Hinweis bei Wilhelm, DB 2007, 1510 auf den Gegenentwurf zum GmbHG von 1892 durch Oechelhäuser, der ebenfalls von einem frei zu vereinbarenden Grundkapital ausgegangen war. Auch nach Inkrafttreten weiter krit. Heckschen, DStR 2009, 166, 169; krit. im Hinblick auf die gesetzliche Ausgestaltung Gasteyer, NZG 2009, 1364; Schreiber, DZWIR 2009, 492; Veil, ZGR 2009, 623; freundliche Beurteilung dagegen bei Römermann, NJW 2010, 905. 6) BT-Drucks. 16/9737, S. 95. Dies war zuvor im Schrifttum angeregt worden; s. Veil, GmbHR 2007, 1080, 1083; Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, 1488. 7) Dazu Weller/Thomale/Benz, NJW 2016, 2378; Seeger, DStR 2016, 1817; Schall, ZfPW 2016, 407; Atta, GmbHR 2017, 567; allgemein zu Reformperspektiven Fleischer, DB 2017, 291. 8) Überblick über die im Wettbewerb stehenden Rechtsformen innerhalb der EU bei Holzner, Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) im Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsformen, S. 87 ff. 9) Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 31. 10) Vgl. nur Leyendecker, GmbHR 2008, 302, 304 ff. 11) Krit. insoweit auch BR, BT-Drucks. 16/6140, S. 63 f – nicht ausreichend. 12) Vgl. etwa Goette, WPg 2008, 231, 236.

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und Anerkennung einer Unterkapitalisierungshaftung kompensiert werden wird.13) Der MoMiG-Geber versucht jedenfalls durch Einführung einer als solche zu kennzeichnenden Variante das Prestige der GmbH – im Interesse des Mittelstandes – zu retten.14) Zumindest einen Anfangserfolg hat er auf diese Weise erreicht, berücksichtigt man, dass schon nach drei Vierteljahren fast 16.000 UG eingetragen waren, davon offenbar viele als Komplementär-UG15) (aber zur Komplementärfähigkeit siehe Rn. 9; zur weiteren Entwicklung siehe Einl. Rn. 9 f [Schäfer]). 3.

Regelungsgegenstand

§ 5a führt in Absatz 1 die Möglichkeit ein, das Mindeststammkapital des § 5 Abs. 1 (25.000 €) zu unterschreiten, wobei die Gesellschaft im Extremfall ein Stammkapital von nur 1 € aufzuweisen braucht, sofern sie nur einen Gesellschafter mit nur einem Geschäftsanteil hat (siehe Rn. 2; im Falle einer vereinfachten Gründung nach § 2 Abs. 1a darf jeder Gesellschafter nur einen Geschäftsanteil übernehmen, siehe § 2 Rn. 92 [Schäfer]). § 5a schafft einige Sondervorschriften für diese Rechtsformvariante, für die im Übrigen, weil die Gesellschaft eine GmbH ist, unbeschränkt das GmbHG gilt.16) Diese Sonderregelungen sollen einen Ausgleich für das geringere Stammkapital schaffen. Namentlich muss die Bezeichnung UG (haftungsbeschränkt) in die Firma aufgenommen werden (Abs. 1). Es gilt ein Volleinzahlungsgebot und Sacheinlageverbot (Abs. 2). Das schon erwähnte Thesaurierungsgebot (siehe Rn. 2) in Absatz 3 dient dem kontinuierlichen Aufbau des Eigenkapitals bis zur Normalgrenze. Absatz 4 knüpft die Pflicht zur Einberufung der Gesellschafterversammlung an die drohende Zahlungsunfähigkeit statt an eine qualifizierte Unterbilanz (siehe § 49 Abs. 3). Absatz 5 setzt schließlich das Sonderrecht der UG außer Kraft, sobald das Stammkapital auf über 25.000 € erhöht wird.

3

II. Rechtsnatur und Wesensmerkmale der UG 1.

Keine eigene Rechtsform

Der Gesetzgeber hat die UG nicht als eigene Rechtsform, sondern als bloße Variante der GmbH konzipiert,17) weshalb Absatz 1 auch (unnötigerweise, siehe Rn. 15) nicht vom „Rechtsformzusatz“, sondern von einer „Bezeichnung“ spricht.18) Die UG ist also eine GmbH, für welche die Sonderregeln des § 5a gelten, und als solche ist sie juristische Person und Kapitalgesellschaft. Man kann sie vereinfachend auch als GmbH ohne Mindeststammkapital bezeichnen.19) Im Grundsatz gelten daher für sie die gleichen _____________ 13) Dafür etwa BR, BT-Drucks. 16/6140, S. 63 f; ebenso Gehb/Drange/Heckelmann, NZG 2006, 88, 94 f; vgl. ferner Joost, ZIP 2007, 2242, 2244; abl. Seibert, GmbHR 2007, 673, 677. 14) Begr. RegE, BT-Drucks. 16/9737, S. 94 f. 15) S. Bayer/Hoffmann, GmbHR 2009, 124 f. 16) Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 31. 17) Ausdrücklich Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 31; zur Debatte um die Reform s. Holzner, Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) im Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsformen, S. 136 f; s. a. König/Bormann, DNotZ 2008, 652; Wilhelm, DB 2007, 1510; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 5a Rn. 5; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 5a Rn. 7; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 5a Rn. 1. 18) Dazu BT-Drucks. 16/9737, S. 95 – es solle dem Irrtum vorgebeugt werden, dass die UG eine eigene Rechtsform sei. 19) So etwa Seibert/Decker, ZIP 2008, 1208.

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Regeln wie für die ordentliche GmbH.20) Weil bei der UG aber die Gesellschafterhaftung gemäß § 13 Abs. 2 ausgeschlossen ist, obwohl die Gesellschafter hierfür entgegen allgemeinen Regeln nicht den Preis einer ordnungsgemäßen Kapitalerhöhung gezahlt haben,21) schafft § 5a als Ausgleich eine Reihe besonderer Pflichten. 2. 5

Ausschließlich die Höhe des von den Gründern gewählten Stammkapitals entscheidet darüber, ob eine UG oder (Normal-)GmbH vorliegt; allerdings spricht nichts Entscheidendes dagegen, dass das Stammkapital vor Eintragung im Wege der Vertragsänderung (allgemein siehe § 2 Rn. 38 f [Schäfer]) auf einen Betrag unter 25.000 € geändert wird (zur abweichenden Rechtslage nach Eintragung siehe Rn. 38).22) Namentlich sind eventuell schon vorhandene Gläubiger durch die Vorbelastungs- bzw. Unterbilanzhaftung ausreichend geschützt. Das Erfordernis einer besonderen Firmierung (und die Einhaltung der übrigen Sonderregeln) ist nicht Voraussetzung, sondern Folge der Rechtswahl; allerdings besteht bei Nichtbeachtung ein Eintragungshindernis (siehe Rn. 17). Auch die UG muss gemäß Absatz 1 notwendig ein Stammkapital haben, schon wegen ihrer Eigenschaft als Kapitalgesellschaft (siehe Rn. 4). Doch gilt für seine Festsetzung lediglich die von § 5 Abs. 2 bestimmte „Mindesthöhe“ von 1 € pro Geschäftsanteil. Damit wird auf die Seriositätsschwelle des § 5 Abs. 1 verzichtet und es werden folglich auch unseriöse Gründungen in Kauf genommen. Die Gläubigerschutzfunktion des – in der Höhe unbestimmten – Stammkapitals kann deshalb bezweifelt werden; sie erscheint sozusagen nurmehr als Reflex des kapitalgesellschaftsrechtlichen Prinzips. Immerhin funktionieren die Regeln der Kapitalaufbringung, vor allem aber der Kapitalerhaltung unabhängig von der konkreten Höhe des Stammkapitals, sodass vor allem letztere – verstärkt durch die Existenzvernichtungshaftung – einen gewissen Schutz der UG gegen die Ausplünderung durch ihre Gesellschafter darstellen.23) 3.

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Abgrenzung zur ordentlichen GmbH

UG als „transitorische“ Rechtsform-Variante

Zwar ist es nicht ausgeschlossen, dass die UG ungünstigenfalls dauerhaft als solche bestehen bleibt, doch hat der Gesetzgeber sie offenbar als Übergangsstadium in die ordentliche GmbH konzipiert. Dies zeigen nicht nur die Verwendungszwecke der Zwangsrücklage nach Absatz 3 und die damit verbundene Anreizwirkung zur Kapitalerhöhung,24) sondern auch die Unumkehrbarkeit des Aufstiegs in die Normal_____________ 20) Vgl. etwa BGH, ZIP 2012, 1764 = DStR 2012, 1617 = MDR 2012, 955, m. zust. Anm. Armbrüster EWiR 2012, 611, 612 – UG kann WEG-Verwalter sein; OVG Lüneburg, NZG 2013, 1433, 1434 – auch UG fällt nicht unter die Freistellungsregelung des § 3 Abs. 3 Satz 3 IHK-G. 21) Hierin liegt das Korrelat für die beschränkte Haftung, s. BGHZ 168, 201 = ZIP 2006, 2214 = NJW 2007, 515 f. 22) OLG Frankfurt/M., GmbHR 2011, 984 m. Anm. Wachter – i. E. ist die Entscheidung dennoch problematisch, weil die Eintragungsabsicht zwischenzeitlich ganz aufgegeben wurde, zutr. Wachter, GmbHR 2011, 986, 987. 23) Vgl. Joost, ZIP 2007, 2242, 2246. 24) Mit Recht krit. zur schwachen Anreizwirkung der Rücklage aber Veil, GmbHR 2007, 1080, 1083; Joost, ZIP 2007, 2242, 2248; eine erhebliche Anreizwirkung sehen hingegen Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, 1488.

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GmbH nach Absatz 5 bzw. § 58 Abs. 2 Satz 1 (keine Kapitalherabsetzung unter den Mindestbetrag).25) Vielmehr folgt hieraus auch, dass die Gesellschaft nur durch Erstgründung, also nicht im Wege der Umwandlung etc., entstehen kann.26) Sehr umstritten war allerdings, ob die UG aufnehmende Gesellschaft i. R. einer Spaltung oder Verschmelzung sein kann.27) Der Bundesgerichtshof hat sich mittlerweile zu Recht der ablehnenden Ansicht angeschlossen.28) Die Frage wirkt sich naturgemäß nur aus, sofern hierfür ausnahmsweise keine Kapitalerhöhung über das Mindestkapital hinaus erforderlich ist (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 2); denn schon für die Kapitalerhöhung in die GmbH ist § 5a Abs. 2 Satz 2 unanwendbar (siehe Rn. 21, 34). Für die übrigen Fälle ist indessen der verneinenden Auffassung beizutreten. Denn bis sie erwachsen geworden ist, soll die UG sich nicht an komplizierten, eine Sacheinlagenbewertung erfordernden Vorgängen beteiligen, was insbesondere daraus folgt, dass das Sacheinlageverbot nicht nur für die Gründung gilt, sondern eben auch für Kapitalerhöhungen (siehe Rn. 21), und zwar nicht bloß zu Beschleunigungszwecken, sondern auch zum Zwecke des Gläubigerschutzes (siehe Rn. 20). Auch dies passt im Übrigen zur „transitorischen Natur“ der UG. III. Anwendbares Recht 1.

Grundsatz

Als GmbH (siehe Rn. 4) unterliegt die UG – abgesehen von den Sonderregeln in § 5a – sämtlichen Vorschriften des GmbHG, soweit sie nicht nach dem Spezialitätsprinzip durch § 5a verdrängt werden.29) Der Gesetzgeber stellt ausschließlich in § 5a das Sonderrecht für die UG zur Verfügung, das die GmbH-Gründer (durch Bestimmung des Stammkapitals, siehe Rn. 5) wählen können. Er wendet somit eine vergleichbare Regelungstechnik wie bei der GmbH & Co. und bei der „kleinen“ bzw. börsennotierten AG an.30)

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Gleichwohl gelten für die UG einige Besonderheiten, die ihre Verwendungsfähigkeit im Vergleich zur GmbH einschränken. So kann sie – unstreitig – nicht durch Umwandlung nach dem UmwG entstehen, und sich wegen des Sacheinlageverbots richtigerweise auch nicht als aufnehmende Gesellschaft an Verschmelzung und Spaltung beteiligen (siehe Rn. 6). Auch in anderen Fällen stellt sich die Frage, ob

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_____________ 25) Treffend etwa Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, 1486. 26) Unstr., vgl. Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 5a Rn. 69; Roth/AltmeppenRoth, GmbHG, § 5a Rn. 8; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 5a Rn. 23. 27) Verneinend Tettinger, Der Konzern 2008, 75; Heinemann, NZG 2008, 820, 822; Roth/ Altmeppen-Roth, GmbHG, § 5a Rn. 8, 38; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 5a Rn. 35; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 5a Rn. 17; Lutter-Priester, UmwG, § 138 Rn. 2; Wicke, GmbHG, § 5a Rn. 16 f – jew. mit Hinweis auf das Sacheinlageverbot; weit. Nachw. in Fn. 27; bejahend dagegen Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 5a Rn. 69; Lutter-Drygala, UmwG, § 3 Rn. 13; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 5a Rn. 63 f; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-J. Schmidt, GmbHG, § 5a Rn. 48. 28) BGH, ZIP 2011, 1054 = GmbHR 2011, 701 = NJW 2011, 1883, dazu EWiR 2011, 419 (Priester); zust. Wachter, NJW 2011, 2620, 2621; Berninger, GmbHR 2011, 953, 957 f; Bremer, GmbHR 2011, 703, 705 (Urteilsanm.); Lieder/Hoffmann, GmbHR 2011, R 193, 194. 29) Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 31; s. a. Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 5a Rn. 17, 19 f. 30) Veil, GmbHR 2007, 1080, 1081.

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wegen des für die UG geltenden Sonderrechts Abstriche von der – prinzipiell universalen – Verwendbarkeit zu machen sind (dazu siehe Rn. 9 ff). 2.

Problemfälle

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Eine noch nicht befriedigend gelöste Frage ist, ob die UG Komplementärin einer KG sein kann.31) Während im Grundsatz (wohl) keine Bedenken gegen eine stammkapitallose Personengesellschaft ohne persönliche Haftung bestehen, zumal der Gesetzgeber von einer entsprechenden Regelung abgesehen hat,32) fragt sich insbesondere, ob das Thesaurierungsgebot des Absatzes 3 systematisch dadurch unterlaufen werden darf, dass der UG im KG-Vertrag keinerlei Gewinnrecht (bzw. kein Kapitalanteil) eingeräumt wird. Im Schrifttum ist deshalb die Komplementärfähigkeit von der Bedingung abhängig gemacht worden, dass die UG auch als Komplementär-Gesellschaft in das Stadium einer ordentlichen GmbH hineinwächst, wofür ihr zwingend ein Gewinnanteil einzuräumen sei.33) Diesem Anliegen ist im Ansatz zuzustimmen, zumal die UG ein bloßes Durchgangsstadium zur GmbH ist, und zwar ohne dass es darauf ankäme, ob man eine – unsinnige – Pflicht zur Gewinnerzielung anerkennen wollte.34) Allerdings wird man es als prinzipiell gleichwertig hinzunehmen haben, wenn die UG – für ihre Haftung – eine feste Vergütung erhält und hieraus die Zwangsrücklage nach Absatz 3 bestücken kann. Denn für eine bestimmte Höhe des Gewinnanteils enthält das Gesetz keinerlei Vorgaben. Mit anderen Worten haben die Gesellschafter zwar darzulegen, dass und wie sie die Zwangsrücklage bestücken wollen. Ob sie der UG aber einen Gewinnanteil oder einen pauschalen Vergütungsanspruch einräumen, bleibt ihnen überlassen.35)

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Aus den gleichen Gründen wie oben (siehe Rn. 9) dargelegt, ist auch der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages problematisch, sofern er die UG zur Abführung ihres gesamten Bilanzgewinns verpflichtet. In der Literatur wird dies mit guten Gründen abgelehnt, weil anderenfalls das Durchgangsstadium zur GmbH systematisch unterlaufen würde.36) In der Tat ist Absatz 3 als vorrangig anzusehen (vgl. § 300 AktG), sodass nur der verbleibende Gewinn abgeführt werden kann. _____________ 31) Ausführlich zum Streitstand Holzner, Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) im Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsformen, S. 341 ff; s. a. Schäfer, ZIP 2011, 53, 58 f. 32) Vgl. zu entsprechenden Forderungen in der SV-Anhörung, BT-Protokoll 16/85, S. 35 (Wanner-Laufer); ferner Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 5a Rn. 73. 33) So Veil, GmbHR 2007, 1080, 1084; für einschränkungslose Komplementärfähigkeit dagegen Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 5a Rn. 39; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 5a Rn. 40; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 5a Rn. 74; ebenso Holzner, Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) im Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsformen, S. 348 f; Hennrichs, NZG 2009, 1161, 1166; Stenzel, NZG 2009, 168; Römermann, NJW 2010, 905, 909. 34) Hierauf aber abstellend Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 5a Rn. 74, 75. 35) Vgl. Schäfer, ZIP 2011, 53, 58 f; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 5a Rn. 36, Priester, FS Roth, 2011, 573, 584; gegen jegliche Gewinnabgabe oder Vergütung Ulmer/Habersack/ Löbbe-Paura, GmbHG § 5a Rn. 74. 36) Veil, GmbHR 2007, 1080, 1084; Wachter, GmbHR Sonderheft 10/2008, S. 33; vgl. auch Wälzholz, GmbH-StB 2007, 319, 321; wohl auch Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 5a Rn. 39; a. A. Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 5a Rn. 41, 73; Rubel, GmbHR 2010, 470.

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Der Hinweis auf § 302 AktG vermag diesen Vorrang nicht zu entkräften; denn der bloße Ausgleich von Verlusten garantiert nicht die Bestückung der gesetzlichen Rücklage und damit das Erreichen des ordentlichen GmbH-Stadiums. – Entsprechendes gilt auch für die UG mit Ideal-Zweck.37) IV. Gründung; Firmierung (Abs. 1) 1.

Allgemeines

Für die Gründung gelten, soweit § 5a keine Sonderregelungen trifft, die allgemeinen Vorschriften, wie sie auch bei Gründung einer ordentlichen GmbH anwendbar sind; denn auch die UG ist eine GmbH (siehe Rn. 4). Sie kann freilich nur durch (Erst-)Gründung entstehen (siehe Rn. 6). Sollte zunächst eine GmbH gegründet werden, wird aber im Stadium der Vorgesellschaft das Stammkapital unter 25.000 € herabgesetzt, so stellt dies ebenfalls die wirksame Gründung einer UG dar.38) Zwar hat der Gesetzgeber bei Einführung des vereinfachten Verfahrens in § 2 Abs. 1a vor allem an die UG gedacht,39) doch ist dieses weder auf die UG beschränkt noch zwingend für die UG-Gründung vorgeschrieben.40) Bei der vereinfachten UG-Gründung (ausführlich dazu siehe § 2 Rn. 84 ff [Schäfer]) ist zusätzlich vor allem auf die dem Volleinzahlungsgebot (Abs. 2 Satz 1) geschuldete Fälligkeitsregelung in Nummer 3 des Musterprotokolls (MP) zu achten. Abweichend von § 5 Abs. 2 Satz 2 kann ein Gesellschafter nicht mehrere Geschäftsanteile übernehmen, und die Gründerzahl ist auf höchstens drei limitiert. Für die wirtschaftliche Neugründung einer (als solche gegründeten) Vorrats-UG gelten die Restriktionen des § 5a entsprechend. Deshalb dürfte die UG als Vorratsgesellschaft kaum tauglich sein; denn weder kann die Aktivierung mit einer Sachkapitalerhöhung verbunden werden noch sind folglich die Regeln über verdeckte Sacheinlagen anwendbar (siehe Rn. 20), sodass regelmäßig auch mit Mitteln aus einer Barkapitalerhöhung keine Gegenstände von einem Gesellschafter erworben werden können (vorbehaltlich der Anwendbarkeit von § 19 Abs. 5, dazu siehe Rn. 19, 23).

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Durch das Erfordernis einer besonderen Firmierung (siehe Rn. 15) soll sich der Rechtsverkehr vor der UG schützen können; doch funktioniert dies naturgemäß nur bei vertraglichen Gläubigern und zudem nur bei solchen mit entsprechender Marktmacht.41) Die in ihrer Überzeugungskraft deshalb begrenzte Idee ist wohl nicht zuletzt auf das auch vom EuGH betonte „Caveat-creditor-Prinzip“ zurückzuführen.42)

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_____________ 37) Anders die Vertreter einer bedingungslosen Zulässigkeit der UG & Co, s. z. B. Ulmer/ Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 5a Rn. 75; diff. Ullrich, GmbHR 2009, 750, 756. – Dass die Thesaurierungspflicht grds. nicht in Widerspruch zu § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO steht, hat das BMF in einem Anwendungserlass zur AO in Nr. 21 zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO klargestellt (dazu Theuffel-Wehrhan, ZStV 2012, 81, 84 f). 38) OLG Frankfurt/M., GmbHR 2011, 984 m. Anm. Wachter. 39) Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 31. 40) Vgl. auch OLG Düsseldorf, DStR 2011, 2106, 2107 = ZIP 2011, 2468; Bormann, GmbHR 2007, 897, 898. 41) Goette, WPg 2008, 231, 236. 42) EuGH, NJW 2003, 3331, 3334 = ZIP 2003, 1885 = GmbHR 2003, 1216 – Inspire Art, dazu EWiR 2003, 1029 (Drygala). Das Gericht glaubt, dass potenzielle Gläubiger ausreichend gewarnt würden, wenn nur die Rechtsform deutlich nach außen sichtbar werde.

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Stammkapital der UG

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Dazu, dass auch für die UG gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 notwendig ein bestimmter Betrag als Stammkapital festgesetzt werden muss, siehe Rn. 5. Er ist im Handelsregister einzutragen (§ 10). Der Unterschied zur ordentlichen GmbH besteht lediglich darin, dass die Untergrenze – wegen § 5 Abs. 2 – bei nur 1 € pro Geschäftsanteil, im Extremfall (Einpersonen-UG) also insgesamt nur bei 1 € liegt. Anders als für die ordentliche GmbH kennt das GmbHG eine Obergrenze für das Stammkapital; denn nach Absatz 1 muss das Mindeststammkapital des § 5 Abs. 1 „unterschritten“ werden, sodass es – unter Berücksichtigung von § 5 Abs. 2 Satz 1 – höchstens 24.999 € betragen darf. Über der UG schwebt damit stets das Damoklesschwert der anfänglichen Überschuldung,43) zumal die Insolvenzgründe der InsO, namentlich also die Überschuldung nach § 19 Abs. 1 InsO, auch für die Vor-GmbH (auch als Vor-UG) einen Eröffnungsgrund darstellen und die Insolvenzantragspflicht des Geschäftsführers nach § 15a InsO auslösen (siehe § 64 Rn. 66 [Bork]).44) Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass Aufwendungen für Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebes nicht als Aktivposten in der Überschuldungsbilanz angesetzt werden dürfen.45) Für Anfangsverluste haften im Übrigen zwar die Gründer; doch sind diese auch effektiv auszugleichen, bevor eingetragen werden kann.46) Wegen der Gründungskosten siehe Rn. 14. Die Gründer sind deshalb, soll ihre Gesellschaft wenigstens bis zur Eintragung überleben, allemal gut beraten, wenn sie es nicht bei der Mindesthöhe von 1 € belassen,47) was offenbar in der Praxis auch angekommen ist.48)

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Die Frage, inwieweit die UG in ihrer Satzung mit Gründungskosten belastet werden darf, hat schon während des Gesetzgebungsverfahrens eine rege Diskussion ausgelöst und zu der klaren und zutreffenden Einsicht geführt, dass – in der Überschuldungsbilanz nicht aktivierbare – Gründungskosten die sofortige Überschuldung bedingen, wenn sie höher sind als das gewählte Stammkapital.49) Das gilt umso mehr, als Gründungskosten nach allgemeinen Regeln (siehe § 5 Rn. 36 [Schäfer]) nicht i. R. d. Vorbelastungshaftung der Gründer auszugleichen sind. Für die praktisch im Vordergrund stehende Gründung im vereinfachten Verfahren hat der Gesetzgeber das Problem in Nummer 5 MP geregelt und damit die Geltung _____________ 43) Vgl. Drygala, NZG 2007, 561 ff; König/Bormann, DNotZ 2008, 652, 657. 44) Ulmer/Habersack/Löbbe-Casper, GmbHG, MoMiG-Erg. Bd., § 64 Rn. 32. – Vorschläge, die Antragsfrist für die UG zu verlängern (Lutter, Vorab-Stellungnahme SV-Anhörung, BT-Protokoll 16/85, S. 6) oder die Antragspflicht zunächst ganz aufzuheben (Drygala, NZG 2007, 561, 562 f) hat der Gesetzgeber zu Recht nicht aufgegriffen. 45) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 5a Rn. 18; Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 64 Rn. 51 – dies gilt erst recht, nachdem § 269 HGB durch das BilMoG gestrichen wurde. 46) S. nur Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 9c Rn. 11. 47) So auch Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 5a Rn. 18. 48) Bayer/Hoffmann, GmbHR 2009, 124, 125. 49) Seibert, GmbHR 2007, 673, 675; Heckschen, DStR 2007, 1442, 1444; Ries, NotBZ 2007, 244, 245; Goette, WPg 2008, 231, 237; die deshalb von Drygala, NZG 2007, 561, 562 vorgeschlagene Suspendierung der Insolvenzantragspflicht ist – zu Recht – nicht Gesetz geworden; sie kommt erst recht de lege lata nicht in Betracht; vgl. auch Wälzholz, GmbH-StB 2007, 319, 321.

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allgemeiner Regeln bestätigt. Demnach dürfen die der Gesellschaft in der Satzung auferlegten Gründungskosten maximal 300 €, höchstens aber den Betrag des Stammkapitals erreichen50); ein Gründerlohn ist ganz ausgeschlossen (siehe § 2 Rn. 101 [Schäfer]). Nur in dieser Höhe stehen somit der Gesellschaft auferlegte Gründungskosten der Eintragung nicht entgegen.51) Da diese Regelung lediglich allgemeine Grundsätze zum Ausdruck bringt, gilt sie für die Gründung im Normalverfahren entsprechend.52) Der Übergang von der UG zur Voll-GmbH durch Kapitalerhöhung stellt im Übrigen keine Gründung (einer GmbH) dar, weshalb die mit der Kapitalerhöhung verbundenen Kosten richtigerweise nicht auf die Gesellschaft abgewälzt werden können.53) 3.

Besondere Firmierung

Während für den Firmenkern die allgemeinen Regeln des § 4 gelten, gilt für den Rechtsformzusatz, dass sich die UG, abweichend von § 4, nicht „GmbH“ nennen darf, sondern sich als „UG (haftungsbeschränkt)“ bzw. „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ bezeichnen muss, und zwar buchstabengetreu und ohne Zwischenfügung weiterer Namensbestandteile (der Zusatz „Gruppe“ für Einzelunternehmen ist irreführend, siehe § 4 Rn. 18 [Schäfer]).54) Auch nach Einfügung des § 4 Satz 2 (siehe § 4 Rn. 32 [Schäfer]) ist die Bezeichnung „gUG“ mangels klarer gesetzlicher Gestattung und wegen Irreführungsgefahr keine zulässige Rechtsformbezeichnung für die gemeinnützige UG.55) Der UG-Zusatz ist ebenso wie der „GmbH“-Zusatz gemäß § 4 in der Sache Rechtsformzusatz, mag auch im Gesetzgebungsverfahren dieser Begriff, weil (angeblich) missverständlich,56) in Absatz 1 durch den neutralen Begriff der „Bezeichnung“ ersetzt worden sein. Er ist zwingender Bestandteil der Firma und damit auch notwendiger Vertragsbestandteil nach § 3 Abs. 1 Nr. 1. Unterbleibt seine (korrekte) Verwendung, kann eine Rechtsscheinhaftung der Geschäftsführer eintreten (siehe Rn. 18). Bei der UG & Co. KG (siehe Rn. 9) ist eine Firmierung als GmbH & Co. KG, jedenfalls dann unzulässig, wenn allein die Unternehmergesellschaft persönlich haftet.57) _____________ 50) Zuletzt KG, NJW 2015, 3175 = ZIP 2015, 1923 = EWiR 2016, 11 (Cramer); ähnlich bereits OLG Hamburg, GmbHR 2011, 766 = DNotZ 2011, 257). 51) Vgl. auch OLG Hamburg, GmbHR 2011, 766, dazu zust. Wachter, EWiR 2011, 535 – auch bei niedrig gewähltem Stammkapital darf die UG bis zu dessen voller Ausschöpfung (max. bis 300 €) mit Gründungsaufwand belastet werden, keine prozentuale Grenze; zum Erfordernis, Gründungskosten ihrer Art nach in der Satzung selbst konkret anzugeben s. KG, ZIP 2012, 1123. 52) Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 5a Rn. 12; a. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 5a Rn. 27. 53) OLG Celle, ZIP 2018, 636 = NZG 2018, 261 = EWiR 2018, 329 (Cziupka). 54) OLG Hamburg, GmbHR 2011, 657 = NZG 2011, 872 – „Unternehmergesellschaft für … (haftungsbeschränkt)“ ist unzulässig. Vgl. auch OLG Jena, GmbHR 2014, 428 f = ZIP 2014, 375. 55) Miras in: BeckOK-GmbHG, § 5a Rn. 51 f; a. A. tendenziell Baumbach/Hueck-Fastrich § 5a Rn. 9. 56) BT-Drucks. 16/9737, S. 55. 57) KG, ZIP 2009, 2293 = GmbHR 2009, 1281 = GWR 2010, 14 m. zust. Anm. Miras; Wachter, NZG 2009, 1263; ebenso auch Schulte, GmbHR 2010, 1128, 1129; Wicke, GWR 2010, 259.

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Zweck der Regelung ist die Warnung des Publikums vor der UG, also vor einer GmbH-Variante ohne Mindestkapital (siehe Rn. 12); deshalb ist der – allerdings nicht sonderlich glücklich gewählte58) – Klammer-Zusatz „haftungsbeschränkt“ stets auszuschreiben, auch wenn im Übrigen das Kürzel „UG“ gewählt wird.59) Die Bezeichnung ist letztlich eine Verlegenheitslösung geblieben, die sich im Laufe der Zeit verfestigt hat.60) Sie ist immerhin geeignet, den Unterschied zur ordentlichen GmbH hervorzuheben. Nachvollziehbar ist zudem, dass ein ausreichender Abstand zum GmbH-Zusatz gewahrt werden sollte, um diesen nicht in Misskredit zu bringen.61) Ob mit weiteren Vorschlägen, etwa einer Offenlegung des Stammkapitals in Geschäftsbriefen,62) wirklich Substantielles gewonnen wäre, mag zudem bezweifelt werden.63) Selbstverständlich muss die UG in ihren Geschäftsbriefen (§ 35a Abs. 1) aber unter ihrer korrekten Bezeichnung gemäß Absatz 1 erscheinen.

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Enthält die Firma der UG einen unrichtigen Rechtsformzusatz in der Satzung, ist der Vertrag – entsprechend der Rechtslage zu § 464) – insgesamt unwirksam, weil ein Essential i. S. v. § 3 Abs. 1 fehlt bzw. unwirksam ist. Dies stellt zugleich ein Eintragungshindernis gemäß § 9c Abs. 2 Nr. 1 dar. Gleichwohl entsteht die UG mit der Eintragung, und es sind dann weder die Nichtigkeitsklage gemäß § 75 noch das Amtslöschungsverfahren gemäß § 397 FamFG eröffnet, wohl aber ist das Amtsauflösungsverfahren nach § 399 Abs. 4 FamFG, § 60 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG statthaft. Daneben kann das Registergericht ein Firmenmissbrauchsverfahren nach § 37 HGB, § 392 FamFG einleiten. Allerdings macht die Beibehaltung eines UGZusatzes die Firma auch nach ihrem Übergang zur GmbH nicht unzulässig, Absatz 5 Halbs. 2.

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Darüber hinaus kommt eine Rechtsscheinhaftung wegen Weglassens des Rechtsformzusatzes in Betracht, die allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stets nur die für die Gesellschaft auftretenden Vertreter (Geschäftsführer) analog § 179 BGB trifft.65) Die gegen diesen Ansatz vorgebrachte Kritik66) überzeugt nicht,67) die analoge Anwendung des § 179 Abs. 1 BGB ist dadurch gerecht_____________ 58) Berechtigte Kritik zum Informationswert etwa bei Veil, GmbHR 2007, 1080, 1081 und Wilhelm, DB 2007, 1510, 1511; krit. auch Handelsrechtsausschuss des DAV, Stellungnahme zum RegE des MoMiG, NZG 2007, 735, 736 f. 59) Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 31 und Gegenäußerung BReg, S. 74; nicht überzeugend daher LG Düsseldorf, ZIP 2014, 1174 – Weglassen des Klammerzusatzes führe nicht per se zur Rechtsscheinhaftung; es bestehe Erkundigungspflicht des Rechtsverkehrs. 60) Seibert/Decker, ZIP 2008, 1208. 61) BT-Drucks. 16/6140, S. 74. – Vgl. auch OLG Dresden, GmbHR 2013, 715: Werbung mit „1 €-GmbH“ für UG-Vorratsgesellschaft ist irreführend und daher wettbewerbswidrig. 62) Dafür Niemeier, ZIP 2006, 2237, 2250. 63) S. a. Leyendecker, GmbHR 2008, 302, 305; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 5a Rn. 29. 64) Dazu nur Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 4 Rn. 28. 65) BGH, ZIP 2012, 1659 = NJW 2012, 2871 = DB 2012, 1916 und dazu Heckschen, EWiR 2012, 697 f; Altmeppen, NJW 2012, 2833; Miras, NZG 2012, 1095; Schäfer/Hemberger, Ad Legendum 2014, 329 ff; a. A. Klein, NJW 2015, 3607, Beurskens, NZG 2016, 681. 66) S. insbes. Altmeppen, NJW 2012, 2833; krit. auch Römermann, GmbHR 2012, 955, 956. 67) So i. E. auch die h. L., Meckbach, NZG 2011, 968, 971; Miras, NZG 2012, 1095; Weber, JA 2012, 868, 870; Rieder in: MünchKomm-GmbHG, § 5a Rn. 16.

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fertigt, dass der Vertreter (zurechenbar) den Rechtsschein einer GmbH erzeugt, obwohl er für eine UG handelt.68) Wird der Zusatz gänzlich weggelassen, haften die Vertreter wegen des dann erzeugten Rechtsscheins einer Personenhandelsgesellschaft unbeschränkt für alle Verbindlichkeiten (siehe § 4 Rn. 26 [Schäfer]). Nicht ganz eindeutig ist die Rechtslage, wenn zwar ein UG-Zusatz geführt, aber der notwendige Klammerzusatz „haftungsbeschränkt“ weggelassen wird. Entgegen LG Düsseldorf69) sprechen indessen auch in diesem Falle die besseren Gründe dafür, von einer Rechtsscheinhaftung der Vertreter auszugehen, weil auch hier das Vorliegen einer Kapitalgesellschaft nicht ausreichend verdeutlicht und deshalb der Rechtsschein einer Personengesellschaft erzeugt wird. Denn der Gesetzgeber hat für eine ausreichende Warnung des Rechtsverkehrs den „UG“-Zusatz allein für unzureichend angesehen und aus diesem Grund die zwingend auszuschreibende Ergänzung „haftungsbeschränkt“ zum notwendigen Firmenbestandteil erklärt.70) Wird demgegenüber fälschlicherweise ein GmbH-Zusatz verwendet, ist der Inhalt der Haftung unklar; denn der Rechtsverkehr kann hier nur auf ein Vermögen der Gesellschaft i. H. d. Mindeststammkapitals (25.000 €) im Eintragungszeitraum vertrauen.71) Zulasten der Handelnden ist sodann anzunehmen, dass das Gesellschaftsvermögen auch im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch mindestens in dieser Höhe vorhanden ist. Die handelnden Geschäftsführer haften dem Vertragspartner deshalb unmittelbar, aber nur in Höhe der Differenz zwischen dem konkreten Stammkapital der UG und dem Mindeststammkapital einer GmbH (25.0000 €).72) Daneben ist auch an Schadensersatzansprüche aus c. i. c. i. H. d. Gesamtausfallschadens zu denken, wenn der betreffende Gläubiger mit einer UG überhaupt nicht abgeschlossen hätte.73) V. Besonderheiten bei der Kapitalaufbringung (Abs. 2) 1.

Volleinzahlungsgebot (Satz 1)

Weil die Gründer das Stammkapital der UG frei bestimmen können, ist es ihnen zumutbar, das selbst gewählte Kapital in voller Höhe vor der Anmeldung aufzubringen (Satz 1), was gemäß § 8 Abs. 2 zu versichern ist. Das gilt entsprechend für Kapitalerhöhungen, die nicht das Mindeststammkapital erreichen (wegen der Kapitalerhöhung in die GmbH siehe Rn. 34). Die Anwendbarkeit von § 19 Abs. 5 n. F. bleibt hiervon aber ebenso unberührt, wie in Bezug auf die Mindesteinlage (§ 7 Abs. 2 Satz 1) bei der ordentlichen GmbH. _____________ 68) Näher Schäfer/Hemberger, Ad Legendum 2014, 329, 333. 69) LG Düsseldorf, ZIP 2014, 1174 = GmbHR 2014, 33; zust. Beck GmbHR 2014, 402; wohl auch Baumbach/Hueck-Fastrich § 5a Rn. 9; a. A. (wie hier) Rowedder/Schmidt-LeithoffBaukelmann § 5a Rn. 14. 70) BegrRegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 31. 71) BGH, ZIP 2012, 1659 = NJW 2012, 2871 = DB 2012, 1916, dazu EWiR 2012, 697 (Heckschen) konnte die Frage wegen geringer Höhe der geltend gemachten Forderung offenlassen. 72) Näher Schäfer/Hemberger, Ad Legendum 2014, 329, 333 f; ebenso Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 5a Rn. 11; s. a. Goette, WPg 2008, 231, 233 – keine Haftungsbeschränkung zum Nulltarif; a. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 5a Rn. 31 – mangels Rechtsschein keine Haftung(?). 73) Dazu Altmeppen, ZIP 2007, 889, 893; Meckbach, NZG 2011, 968 f.

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Verbot der Sacheinlage (Satz 2)

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Bei der UG sind nicht nur verdeckte (zum Verbot der verdeckten Sacheinlage vgl. § 19 Abs. 4 Satz 1 und siehe § 19 Rn. 15 [Bartels]),74) sondern auch offene Sacheinlagen verboten; der Zweck dieses Verbots ist allerdings nicht ganz eindeutig. Teilweise wird gesagt, dass es vor allem der Vereinfachung und Beschleunigung diene.75) Das erscheint auf den ersten Blick plausibel, passt aber nicht so recht dazu, dass beim vereinfachten Verfahren nach § 2 Abs. 1a Sacheinlagen noch einmal besonders – und dort auch für die ordentliche GmbH – ausgeschlossen werden (siehe § 2 Rn. 84 [Schäfer]). Über den Aspekt der Verfahrensvereinfachung hinaus muss das für die UG auch im normalen Gründungsverfahren geltende Verbot der Sacheinlage also noch einen weiteren Zweck verfolgen. Man wird ihn darin zu sehen haben, dass auf missbrauchsanfällige Sacheinlagen im Interesse des Gläubigerschutzes bei der UG ganz verzichtet werden soll.76) Die Motive sagen deshalb richtig: Wenn die Gründer schon das Stammkapital (nahezu) beliebig bestimmen können, sind Sacheinlagen nicht erforderlich und deshalb unzulässig.77) Wer für die Gründung bei den Gründern vorhandene Sachwerte benötigt, namentlich ein Unternehmen, greife zur GmbH, zumal dann ohnehin die Schwelle des Mindestkapitals regelmäßig erreicht sein wird.78) Dieses Verständnis passt auch zur UG als bloßes Übergangsstadium in die GmbH (siehe Rn. 6).

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Aus dem Verbotszweck (siehe Rn. 20) folgt zunächst, dass das Sacheinlageverbot – trotz seines systematischen Bezugs zur Gründung – auch für Kapitalerhöhungen gilt.79) Eine Ausnahme besteht aber für die (Sach-)Kapitalerhöhung in die GmbH _____________ 74) Keine verdeckte Sacheinlage ist die unentgeltliche Übernahme des einzelkaufmännischen Unternehmens des Gründers durch die UG. Entgegen OLG Karlsruhe, ZIP 2014, 1286 f = DB 2014, 2161 liegt aber keine unentgeltliche Übernahme vor, sofern die UG Verbindlichkeiten des Unternehmens übernimmt. 75) So etwa Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 5a Rn. 21. 76) Schäfer, ZIP 2011, 53, 56 m. w. N.; ebenso etwa Lutter-Priester, UmwG, § 138 Rn. 3; offenlassend BGH, ZIP 2011, 1054 Rn. 16 = GmbHR 2011, 701 = NJW 2011, 1883, dazu EWiR 2011, 419 (Priester). 77) Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6410, S. 32; s. a. Seibert, GmbHR 2007, 673, 676; zust. Veil, GmbHR 2007, 1080, 1081; für gläubigerschützenden Zweck auch Wälzholz, GmbH-StB 2007, 319, 322; sowie tendenziell Ulmer, GmbHR 2010, 1298, 1301 f, der vor allem auf systematische Aspekte abstellt (S. 1302 f). 78) So auch Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 5a Rn. 18. – Immerhin bleibt die Möglichkeit, einen Vermögensgegenstand gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB in die Kapitalrücklage zu leisten und später gemäß § 57c in Stammkapital umzuwandeln, s. Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2007, 735, 737. Näher zur Kombination verschiedener Rücklagen für den Übergang in die ordentliche GmbH s. Rn. 36. 79) Ganz h. M., BGH, ZIP 2011, 955, 956 f = NJW 2011, 1881, 1882 f = GmbHR 2011, 699, dazu EWiR 2011, 349 (Berninger); OLG Hamm, GmbHR 2011, 655, 656 = ZIP 2011, 2151; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 5a Rn. 18; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 5a Rn. 23; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 5a Rn. 18, 24 ff; Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt-J. Schmidt, GmbHG, § 5a Rn. 12; Rieder in: MünchKommGmbHG, § 5a Rn. 25, 42; Schäfer, ZIP 2011, 53, 56; Seibert, GmbHR 2007, 673, 676; Bormann, GmbHR 2007, 897, 901; Gasteyer, NZG 2011, 693, 694; Klein, NZG 2011, 377, 378 f; Klose, GmbHR 2009, 294, 295 f; Lange, NJW 2010, 3686, 3687 f; Priester, ZIP 2010, 2182, 2184; a. A. noch Hennrichs, NZG 2009, 1161, 1162 f; Tettinger, Der Konzern 2008, 75, 77; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 5a Rn. 38, 56.

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(siehe Rn. 34); denn in diesem Falle hätte die ordentliche GmbH auch ursprünglich im Wege der Sachgründung errichtet werden können, sodass das Verbot insoweit gegenstandslos ist.80) – Zur Geltung des Sacheinlageverbots bei Verschmelzung oder Spaltung zur Aufnahme siehe Rn. 6 sowie Rn. 40. Wird gegen das Verbot verstoßen, so tritt als Rechtsfolge der (offenen) Vereinbarung einer Sacheinlage die Nichtigkeit der Sacheinlagevereinbarung ein;81) ob dies aus § 134 BGB folgt oder sich (eher) aus einem Verstoß gegen zwingendes Recht ergibt,82) kann dahinstehen. Zweifellos besteht deshalb ein Eintragungshindernis. Allerdings tritt keine Gesamtunwirksamkeit des Vertrages ein, wie häufig vertreten wird.83) Vielmehr gelten im Ausgangspunkt die gleichen Regeln wie auch sonst bei einer unwirksamen Sacheinlagevereinbarung84) (siehe § 5 Rn. 24 [Schäfer]): Es wird statt der Sach- eine Geldleistung geschuldet; eine gleichwohl geleistete Sacheinlage hat keine Erfüllungswirkung. Mit der Eintragung entsteht der Geschäftsanteil definitiv mit Geldeinlagepflicht. Anders als bei der ordentlichen GmbH gilt bei der UG allerdings nicht die Anrechnungslösung des § 19 Abs. 4 Satz 3;85) denn die Regeln der verdeckten Sacheinlage sind auf die UG nicht anwendbar (str., siehe Rn. 23).

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Sehr umstritten ist die Frage, ob das Sacheinlageverbot die Unanwendbarkeit der Regeln über verdeckte Sacheinlagen nach sich zieht, wie wohl überwiegend vertreten wird.86) Nach der Gegenauffassung soll die Vereinfachungsfunktion des _____________

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80) Ganz h. M., BGH, ZIP 2011, 955, 956 f = NJW 2011, 1881, 1882 f = GmbHR 2011, 699, dazu EWiR 2011, 349 (Berninger); OLG Hamm, GmbHR 2011, 655, 656 = ZIP 2011, 2151; OLG Stuttgart, DStR 2011, 2261 f = ZIP 2011, 2151; Schäfer, ZIP 2011, 53, 56; Miras, DStR 2011, 1379; Gasteyer, NZG 2011, 693, 694; Miras, Die neue Unternehmergesellschaft, Rn. 162 ff; Lieder/Hoffmann, GmbHR 2011, 561; Miras, DB 2010, 2488, 2490 ff; Specks, RNotZ 2011, 234, 236 f; vgl. auch Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 5a Rn. 34; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 5a Rn. 23; Seibert, GmbHR 2007, 673, 676; Bormann, GmbHR 2007, 897, 901; Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, 1491; Berninger, GmbHR 2011, 953, 957 f; Priester, ZIP 2010, 2182, 2184; Priester in: FS Roth, S. 573, 578 f; Schulte, GmbHR 2010, 1128; jetzt auch Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 5a Rn. 33; a. A. Ulmer, GmbHR 2010, 1298, 1301 – Unanwendbarkeit des Sacheinlageverbots erst ab Eintragung der Änderung; Wachter, NJW 2011, 2620, 2623; Bayer/Hoffmann/ Lieder, GmbHR 2010, 9, 12; Heckschen, DStR 2009, 166, 170 f; Seibert, GmbHR 2007, 673, 676; Tamm, MDR 2010, 1025, 1026; so auch noch OLG München, ZIP 2010, 1991, 1992 = GmbHR 2010, 1210 = NJW 2011, 464, dazu EWiR 2010, 709 (Blasche) – aufgegeben durch OLG München, ZIP 2011, 2198 = GmbHR 2011, 1276 = NZG 2012, 104. 81) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 5a Rn. 19; Hirte, ZInsO 2008, 933, 934; i. E. auch die für Gesamtunwirksamkeit plädierenden Stimmen (Fn. 83). 82) Zur Abgrenzung allgemein – mit Beispielen – Staudinger-Sack, BGB (Stand: 2003), § 134 Rn. 22. 83) So etwa Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, 1486; Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 779; Lutter/Hommelhoff-/Kleindiek, GmbHG, § 5a Rn. 22. 84) So auch Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 5a Rn. 19. 85) So i. E. auch Wälzholz, GmbH-StB 2007, 319, 320, mit Hinweis auf die – konsequentermaßen anzunehmende – Unwirksamkeit der Verfügungsgeschäfte. 86) Bormann, GmbHR 2007, 897, 901 und König/Bormann, DNotZ 2008, 652, 656 f; Freitag/ Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, 1486; Gasteyer, NZG 2009, 1364, 1365; Heckschen, DStR 2009, 166, 170 f; Hirte, ZInsO 2008, 934; Schäfer, ZIP 2011, 53, 57; Schall, ZGR 2009, 126, 152; Ulmer, GmbHR 2010, 1298, 1301 ff; Wachter, GmbHR-Sonderheft 10/2008, S. 33; Wälzholz, GmbH-StB 2007, 319, 320 f; tendenziell auch Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 5a Rn. 18 ff.

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Sacheinlageverbots keine Suspendierung des § 19 Abs. 4 rechtfertigen. Verdeckte Sacheinlagen geschähen, und ihre Folgen könnten ausgerechnet bei der UG nicht strenger als sonst beurteilt werden.87) Der erstgenannten Auffassung ist beizutreten; richtigerweise ist § 19 Abs. 4 n. F. bei der UG unanwendbar. Es kommt konsequentermaßen lediglich die Anwendung des § 19 Abs. 5 in Betracht, was aber eine korrekte Anmeldung voraussetzt.88) Anderenfalls bleibt es bei den bisherigen Regeln zur Behandlung einer verdeckten Sacheinlage: Die Bareinlagepflicht ist nicht wirksam erbracht; sämtliche Geschäfte zu ihrer Durchführung sind analog § 27 Abs. 3 AktG a. F. bzw. wegen Verstoßes gegen das Gebot realer Kapitalaufbringung unwirksam.89) Die Prämisse der Gegenauffassung, das Verbot bestehe ausschließlich aus Vereinfachungsgründen, trifft nicht zu; vielmehr dient es durchaus auch dem Gläubigerschutz (siehe Rn. 20).90) Es bleibt daher bei der allgemeinen Regel, welche lautet: Die Anwendbarkeit der Regeln über die verdeckte Sacheinlage setzt voraus, dass der verdeckt eingelegte Gegenstand im Wege einer offenen Sacheinlage hätte eingebracht werden können (denn sie knüpfen an die Umgehung der Sacheinlagevorschriften an).91) Die UG ist indessen auf die Bargründung beschränkt; sind die Gründer auf vorhandene Sachwerte, gar ein Unternehmen angewiesen, mögen sie die ordentliche GmbH wählen (siehe Rn. 20). Was in Bezug auf die offene Sachgründung richtig ist, kann bei der verdeckten Sachgründung nicht gut anders sein. VI. Die besondere gesetzliche Rücklage (Abs. 3) 1. 24

Zweck

Absatz 3 schreibt für die UG eine besondere gesetzliche Rücklage vor, die zu einer deutlichen Beschränkung des Ausschüttungsgebots nach § 29 Abs. 1 führt, schließt sie doch die Verteilung eines Viertels des Jahresüberschusses unter die Gesellschafter aus. Die Pflicht zur Rücklagenbildung soll die Eigenkapitalausstattung der UG stärken und Anreiz zur Kapitalerhöhung in die ordentliche GmbH schaffen (siehe vor allem Nummer 1) und dient damit der baldigen Beendigung des Übergangsstadiums der UG (siehe Rn. 6) im Interesse des Gläubigerschutzes.92) Ob die gewählte Lösung – Zwangsrücklage ohne Kapitalerhöhungszwang93) – dieses Ziel _____________ 87) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 5a Rn. 24 und Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 69; trotz Bedenken auch Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 5a Rn. 20 f; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 5a Rn. 40; Heinze, GmbHR 2008, 1065, 1066 f; Witt, ZIP 2009, 1102, 1104; Holzner, Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) im Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsformen, S. 240 f m. w. N.; i. E. auch Pentz in: FS Goette, S. 355, 366 – analoge Anwendung von Abs. 4. 88) Schäfer, ZIP 2011, 53, 57 f; ebenso Joost, ZIP 2007, 2242, 2244. 89) Vgl. nur BGHZ 155, 329 = ZIP 2003, 1540 m. Anm. Pentz, S. 2083 = NJW 2003, 3127, dazu EWiR 2003, 1243 (Priester). 90) Ausführlicher Schäfer, ZIP 2011, 53, 57. 91) Als Prinzip wohl unstr., vgl. zuletzt nur BGH, ZIP 2009, 713, 714 = GmbHR 2009, 540 = NZG 2009, 463 – Qivive, dazu EWiR 2009, 443 (Schodder) – in Bezug auf nicht einlagefähige Dienstleistungen. 92) Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 32; s. a. Müller, ZGR 2012, 81, 84; Joost, ZIP 2007, 2242, 2245; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 5a Rn. 34. 93) Für einen solchen etwa Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2007, 735, 737; Veil, GmbHR 2007, 1080, 1083.

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effektiv verwirklicht, wird allerdings vielfach bezweifelt, zumal die Umgehungsmöglichkeiten durch ein hohes Geschäftsführergehalt und – allerdings in der Regel verbotswidrige – verdeckte Gewinnausschüttungen erheblich sind.94) Fest steht jedenfalls, dass der Gesetzgeber mit der Zwangsrücklage dem nur für die Gründung der UG aufgegebenen „Seriositätsaspekt“95) möglichst rasch wieder zum Durchbruch verhelfen will. 2.

Bildung der Rücklage; Dauer der Pflicht

Der Geschäftsführer muss während des Bestehens der UG mindestens 25 % des Jahresüberschusses (§ 275 HGB), ggf. nach vorherigem Abzug eines Verlustvortrages, schon bei Aufstellung der Jahresbilanz in die gesetzliche Rücklage einstellen (vgl. § 158 Abs. 1 Nr. 4 AktG).96) Das Gesetz limitiert diese Pflicht weder der Höhe noch der Dauer nach,97) insbesondere entfällt sie auch dann nicht, wenn die Rücklage den Betrag des Mindeststammkapitals (25.000 €) erreicht hat. Sie entfällt erst nach einer Kapitalerhöhung auf mindestens 25.000 € (siehe Rn. 34), die aber vom Gesetz nicht erzwungen wird (siehe Rn. 24). 3.

25

Verwendung der Rücklage (Satz 2)

Abweichend von der sonst hinsichtlich Kapital- und Gewinnrücklagen geltenden Rechtslage kann die Rücklage nach Absatz 3 nicht ohne weiteres durch Gesellschafterbeschluss aufgelöst werden, vielmehr bedarf es hierfür eines bestimmten Verwendungszwecks gemäß Nummern 1 – 3. Die Formulierung der auf Vorschlag des Rechtsausschusses eingefügten Nummern 2 und 3 lehnt sich an § 150 Abs. 4 Nr. 1, 2 AktG an;98) eine ähnliche Formulierung findet sich etwa in § 58b Abs. 3.

26

Absatz 3 Nr. 1 nennt als naheliegendsten Zweck zur Gewährleistung des Übergangs in die ordentliche GmbH (siehe Rn. 25) die Verwendung zu einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln gemäß §§ 57c ff. Erreicht die Rücklage einen Betrag von über 25.000 €, braucht sie ihrem Zweck gemäß (siehe Rn. 24) nicht insgesamt für die Kapitalerhöhung verwendet zu werden. Erreicht das Stammkapital auf diese Weise mindestens 25.000 €, so wandelt sie sich in eine einfache (frei verfügbare) Gewinnrücklage um (siehe Rn. 34).99) Möglich – aber wohl nicht sonderlich praktisch – ist auch ein stufenweises Vorgehen, bei dem mehrere Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln hintereinander geschaltet werden,100) was aber Rücklagepflicht und Zweckbindung naturgemäß so lange unberührt lässt, bis das Stadium der ordentlichen GmbH erreicht ist.

27

_____________ 94) Vgl. etwa Veil, GmbHR 2007, 1080, 1083; Bormann, GmbHR 2007, 897, 899; Goette, WPg 2008, 231, 236 f. 95) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 5a Rn. 4, 34. 96) Zu missbräuchlichen Umgehungen der Rücklagenbildung Kessel, GmbHR 2016, 199. 97) Vgl. auch Joost, ZIP 2007, 2242, 2245. 98) Was etwa vom Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2007, 735, 737 angeregt worden war; vgl. auch Riemenschneider/Freitag, ZIP 2007, 1485, 1488; Veil, GmbHR 2007, 1080, 1083. 99) Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6410, S. 32; dazu auch Bormann, GmbHR 2007, 897, 899; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 5a Rn. 33. 100) So auch Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 5a Rn. 33.

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§ 5a 28

Gemäß den auf Vorschlag des Rechtsausschusses nach Vorbild des § 150 Abs. 4 Nr. 1, 2 AktG eingefügten Nummern 2 und 3101) kann die Rücklage auch zum Ausgleich von Verlusten (Jahresfehlbetrag oder Verlustvortrag) verwendet werden, weil diese gemäß § 57d Abs. 2 einer Umwandlung in Stammkapital entgegenstehen. Naturgemäß hat die Verrechnung eines Verlustvortrags mit dem Jahresüberschuss aber Vorrang (vgl. auch Satz 1). 4.

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Rechtsfolgen einer fehlerhaften Feststellung des Jahresabschlusses

Das Gesetz regelt die Folgen eines Verstoßes gegen die Verwendungsbindung nicht ausdrücklich, doch ist man sich darin einig, dass der Feststellungsbeschluss und auch darauf beruhende Gewinnverwendungsbeschlüsse analog § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG (Feststellung) bzw. § 253 Abs. 1 Satz 1 AktG (Verwendung) nichtig sind.102) Hieraus ergeben sich auch Schadensersatzansprüche gegen die Beteiligten, insbesondere den Geschäftsführer (§ 43 Abs. 3) und – sofern nicht der vorrangige § 30 eingreift (siehe sogleich) – bürgerlich-rechtliche Rückzahlungsansprüche (§ 812 BGB).103) Solche Ansprüche kommen im Übrigen auch bei Unterlassung der Rücklagenbildung in Frage.104) Nicht eindeutig ist hingegen die Anwendbarkeit von § 30 Abs. 1 für den Fall, dass die Rücklage zu Ausschüttungen verwendet wird. Sie ist dem Zweck der Rücklage entsprechend zu befürworten, zumal infolge von § 30 Abs. 2 nur freie Rücklagen unbedenklich auszahlungsfähig sind.105) Auch verdeckte Gewinnausschüttungen, welche die Rücklagepflicht beeinträchtigen, unterliegen zu 25 % der Rückforderung nach § 31.106) VII. Die Einberufung der Gesellschafterversammlung (Abs. 4) 1.

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Zweck

Die Pflicht zur sofortigen Einberufung der Gesellschafterversammlung in der Krise wird in § 49 Abs. 3 an den Verlust „der Hälfte des Stammkapitals“ geknüpft. Diese Grenze wird schon im Allgemeinen für wenig geeignet gehalten,107) für die UG mit beliebig hohem Stammkapital wäre sie – jedenfalls in den unteren Regionen – _____________ 101) Vgl. auch Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2007, 735, 737; sowie etwa Veil, GmbHR 2007, 1080, 1083. 102) Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 32; ferner etwa Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 5a Rn. 30; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 5a Rn. 50; Müller, ZGR 2012, 81, 91; Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, 1488. 103) Dazu näher Leuering, NJW-Spezial 7/2007, S. 315; Joost, ZIP 2007, 2242, 2247; s. a. Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 32. 104) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 5a Rn. 30. 105) Ebenso Neideck, GmbHR 2010, 624, 629; Joost, ZIP 2007, 2242, 2247; Wälzholz, GmbHStB 2007, 319, 321; Peetz, GmbHR 2012, 1160, 1164; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 5a Rn. 29; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 5a Rn. 28; Ulmer/Habersack/LöbbePaura, GmbHG, § 5a Rn. 34, 50; tendenziell auch Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 32 – „ggf. kann man auch ausdrücklich auf die Kapitalerhaltung nach §§ 30, 31 verweisen“; a. A. Noack, DB 2007, 1395, 1396. 106) Schäfer, ZIP 2011, 53, 58; Peetz, GmbHR 2012, 1160, 1164; a. A. Römermann, NJW 2010, 905, 906. 107) Haas in: DJT 2006, Gutachten, Bd. I, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, S. E 112.

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§ 5a

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definitiv sinnlos. Denn ein ökonomischer Zusammenhang zwischen Gläubigergefährdung und Stammkapitalbetrag ist hier nur noch wenig plausibel,108) und bei Geringstbeträgen (unter 5.000 €) kann die Regelung des § 49 Abs. 3 zudem nicht funktionieren. Die Einberufungspflicht knüpft daher an den – insolvenzrechtlichen – Begriff der drohenden Zahlungsunfähigkeit an. Ob dies so glücklich ist, muss sich allerdings erweisen; nicht zu Unrecht ist nämlich vorgetragen worden, dass die Pflicht im Grunde zu spät ansetzt.109) Im Übrigen entspricht aber der Normzweck des Absatzes 4 demjenigen von § 49 Abs. 3: In der Krise sollen die Gesellschafter sich selbst um ihre Gesellschaft kümmern können, was eine entsprechende Warnung durch den Geschäftsführer voraussetzt. Indirekt verfolgt die Vorschrift damit gläubigerschützende Zwecke, weshalb sie allgemein als unabdingbar eingeordnet wird (siehe § 49 Rn. 10 [Masuch]). 2.

Verhältnis zu § 49 Abs. 3 (und Abs. 2)

Während in den Gesetzesberatungen verschiedentlich gefordert worden war, mit der drohenden Zahlungsunfähigkeit lediglich einen zusätzlichen Einberufungsgrund zu schaffen,110) hat die Bundesregierung die Belastung „junger Existenzgründer“ „mit Beachtung doppelter Kriterien“ ausdrücklich abgelehnt, was auch im Wortlaut des Absatzes 4 („abweichend“) einen ausreichend klaren Niederschlag gefunden hat.111) Bedenkt man, dass die Einberufung der Gesellschafterversammlung bei drohender Zahlungsunfähigkeit – auch bei der ordentlichen GmbH – ohnehin eine selbstverständliche Pflicht des Geschäftsführers ist,112) die Absatz 4 also lediglich klarstellt, so liegt der eigentliche Regelungsgehalt des Absatzes 4 in der Suspendierung des § 49 Abs. 3, ohne dass es hierfür einen zwingenden Grund gäbe, zumal die Anwendung der Vorschrift bei Stammkapitalbeträgen jenseits der Minimalgrenze durchaus funktioniert. Weil andererseits eine Einberufung – erst – nach Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit häufig zu spät käme, dürfte regelmäßig aufgrund der Generalklausel des § 49 Abs. 2 die Einberufungspflicht schon früher entstehen, sodass Absatz 4 in seiner praktischen Bedeutung zurücktritt.113) 3.

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Begriff der „drohenden Zahlungsunfähigkeit“

Die „drohende Zahlungsunfähigkeit“ ist ein insolvenzrechtlicher Begriff und stellt nach § 18 Abs. 1 InsO einen zusätzlichen Insolvenzgrund bei Antragsstellung durch den Schuldner dar. Sie ist wie folgt in § 18 Abs. 2 InsO definiert: „Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der _____________ 108) Seibert, GmbHR 2007, 673, 676; vgl. auch Veil, GmbHR 2007, 1080, 1083. 109) So etwa Joost, ZIP 2007, 2242, 2248 und Veil, GmbHR 2007, 1080, 1083, auch Roth/ Altmeppen-Roth, GmbHG, § 5a Rn. 31. 110) Empfehlung BR, BT-Drucks. 16/6140, S. 63; Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, 1489. 111) So i. E. auch Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 5a Rn. 63; Roth/AltmeppenRoth, GmbHG, § 5a Rn. 31; rechtspolitische Zustimmung etwa bei Joost, ZIP 2007, 2242, 2248 – sinnvolle Pauschalierung. 112) Darauf weist zu Recht Goette, WPg 2008, 231, 237 hin. 113) So insbesondere Joost, ZIP 2007, 2242, 2248; dem folgend auch Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 5a Rn. 31; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 5a Rn. 27; krit., i. E. aber ähnlich Veil, ZGR 2009, 623, 637.

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Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen.“ Wegen Begriff, Ermittlung und Nachweis der drohenden Zahlungsunfähigkeit kann deshalb auf das insolvenzrechtliche Schrifttum verwiesen werden.114) Wegen der zweifelhaften Geeignetheit des Begriffs zur Gewährleistung des Einberufungszwecks (siehe Rn. 30) siehe Rn. 31. 33

Die Pflicht, nach § 15a InsO Insolvenzantrag zu stellen, bleibt ebenso unberührt wie das Antragsrecht des Geschäftsführers nach §§ 15, 18 InsO; die Wirksamkeit des Antrages ist also nicht von der (vorherigen) Zustimmung der Gesellschafter abhängig.115) Freilich handelt der Geschäftsführer pflichtwidrig und macht sich gegenüber der Gesellschaft schadensersatzpflichtig, wenn er seine Pflicht, die Gesellschafter um Zustimmung zu einem freiwilligen Antrag zu bitten, verletzt116) (näher Erläuterungen zu § 49 Abs. 3). In die Strafsanktion des § 84 ist die Einberufungspflicht nach Absatz 4 demgegenüber – eigenartigerweise – nicht einbezogen. VIII. Der Übergang in die ordentliche GmbH (Abs. 5) 1.

Kapitalerhöhung (Halbs. 1)

34

Der Übergang in die ordentliche GmbH erfolgt gemäß Absatz 5 (nur) durch Kapitalerhöhung, Sodass in jedem Falle zunächst die §§ 53, 54 zur Anwendung kommen117) (vgl. die Erläuterungen zu § 55). Im Übrigen kommt jede Art der Kapitalerhöhung nach den für sie jeweils geltenden Regeln in Betracht (effektiv [§§ 55 ff] oder nominell [§§ 57c ff]), und zwar, sofern hierdurch nur die Schwelle des § 5 Abs. 1 erreicht wird, der Übergang also verwirklicht wird, was trotz Absatz 2 Satz 2 auch im Wege der (effektiven) Sachkapitalerhöhung möglich ist (siehe Rn. 21; zur Barkapitalerhöhung siehe Rn. 35). Die Rücklage nach Absatz 3 kann also zwar nur für eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln verwendet werden, nicht aber auch für eine Erhöhung gegen Einlagen (etwa im Ausschüttungs-Rückhol-Verfahren); dies schließt indessen einen Übergang (selbst bei ausreichender Rücklage) mittels effektiver Kapitalerhöhung selbstverständlich nicht aus, zumal der Gesellschaft dann neue Mittel zufließen.118) Die nicht verwendete Rücklage nach Absatz 3 wird hierdurch frei (siehe Rn. 27). Der Übergang zur VollGmbH erlaubt keine Belastung der GmbH mit den hierfür aufgewandten Kosten (kein Gründungsaufwand, siehe Rn. 14).

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Im Falle einer Barkapitalerhöhung findet aus dem gleichen Grund auch das Volleinzahlungsgebot (siehe Rn. 19) keine Anwendung mehr.119) Allerdings ist _____________ 114) Vgl. etwa Drukarczyk in: MünchKomm-InsO, § 18 Rn. 13 ff. 115) Klöhn in: MünchKomm-InsO, § 15 Rn. 91. 116) Vgl. hier nur OLG München ZIP 2013, 1121, 1123 und näher Schäfer, FS Müller-Graff, 2015, 241, 247f. 117) OLG München, DB 2009, 2651, 2652 = ZIP 2009, 2392 = NJW-RR 2010, 180, dazu EWiR 2010, 185 (Wachter); zur Erstarkung allgemein eingehend Ries/Schulte, NZG 2018, 571. 118) Wohl unstr., s. nur Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 5a Rn. 34. 119) BGH, ZIP 2011, 955, 956 f = NJW 2011, 1881, 1882 f = GmbHR 2011, 699, dazu EWiR 2011, 349 (Berninger); OLG Stuttgart, ZIP 2011, 2151 (LS); OLG Hamm, ZIP 2011, 2151 (LS) = FGPrax 2011, 248 sowie jetzt auch OLG München, ZIP 2011, 2198 – unter ausdrücklicher Aufgabe von OLG München, ZIP 2010, 1991 = DB 2010, 2213 = NJW 2011, 464, w. N. in Fn. 79.

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hierbei folgende Besonderheit zu beachten: Bei strenger Gesetzesanwendung der §§ 56a, 57 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 7 Abs. 2 Satz 1 wären nur 25 % des Nennbetrags einzuzahlen. Aus Gründen des Gläubigerschutzes und um eine Besserstellung des Übergangs gegenüber der Neugründung zu verhindern, ist hier jedoch zusätzlich entsprechend § 7 Abs. 2 Satz 2 eine Mindestgesamtleistung i. H. v. 12.500,– € erforderlich.120) Nach OLG Celle soll hierfür aber das bisherige Stammkapital zu berücksichtigen und die Einzahlungen auf den neuen Anteil hinzuzurechnen sein. Zugleich braucht sich die Anmeldung gemäß § 57 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 7 Abs. 2 Satz 1 demnach nur auf die neue Einlageleistung zu beziehen, sodass eine Fortdauer des ursprünglichen Stammkapitals nicht zu versichern ist.121) Auch eine Kombination aus beiden Erhöhungsformen ist demgemäß zulässig.122) Wird ein genehmigtes Kapital ausgenutzt, ist § 55a Abs. 1 Satz 2 zu beachten. Für die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln kann überdies jede verwendungsfähige Rücklage eingesetzt werden. Sind also neben der Rücklage nach Absatz 3 noch weitere Rücklagen frei, sind auch diese zum Übergang verwendbar. So können etwa auch „in die Kapitalrücklage geleistete“ Gegenstände indirekt für eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln eingesetzt werden (näher dazu vgl. Erläuterungen zu § 57c).123) 2.

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Rechtsfolge der Kapitalerhöhung

Die Übergangs-Kapitalerhöhung wird, wie sonst auch, wirksam mit ihrer Eintragung ins Handelsregister (§ 54 Abs. 3). Diese hat zur Folge, dass vorbehaltlich der Firmenregelung (siehe Rn. 39) die Vorschriften des § 5a unanwendbar werden; das durch sie verdrängte GmbH-Recht wird anwendbar. Der Übergang ist zwar kein Formwechsel, weil die UG ebenfalls eine GmbH ist (siehe Rn. 4); gleichwohl ist er in seinen Wirkungen (Identität des Rechtsträgers; keine Gesamtrechtsnachfolge) einem Formwechsel insofern vergleichbar, als sich eben die Anwendbarkeit bestimmter gesellschaftsrechtlicher Vorschriften ändert. Soll auch die Firma geändert werden, was nicht zwingend ist (siehe Rn. 39), bedarf es eines hierauf gerichteten – satzungsändernden – Beschlusses, der mit der Kapitalerhöhung verbunden werden kann.124)

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Das einmal erreichte Stadium der ordentlichen GmbH ist nicht reversibel, die GmbH kann also nicht durch Kapitalherabsetzung wieder in eine UG verwandelt werden.125) Das ergibt sich schlicht aus § 58 Abs. 2 Satz 1 (keine Kapitalherabsetzung unter den Mindestbetrag), der insofern keine Öffnung zur UG vorsieht. Nicht ausgeschlossen wird hierdurch aber eine Anpassung des Stammkapitals im Wege

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_____________ 120) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 5a Rn. 33; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 5a Rn. 26. 121) OLG Celle, ZIP 2017, 1805 = GmbHR 2017, 1034. 122) Joost, ZIP 2007, 2242, 2246; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 5a Rn. 34. 123) S. den Hinweis in Fn. 78. 124) S. nur Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 5a Rn. 61 f; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 5a Rn. 35. 125) Lutter/Hommelhoff-/Kleindiek, GmbHG, § 5a Rn. 71; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 5a Rn. 37; Seibert, GmbHR 2007, 673, 675; Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, 1491; Bormann, GmbHR 2007, 897, 898 f; Veil, GmbHR 2007, 1080, 1084; Tettinger, Der Konzern 2008, 75, 76.

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der Vertragsänderung vor Eintragung, zumal § 58 nach h. M. dann noch unanwendbar ist (siehe Rn. 5). Sachlich ist diese Regelung zutreffend, da sie dem Übergangsstadium der UG entspricht (siehe Rn. 6), dem eine Rückumwandlungsmöglichkeit widerspräche. Wegen § 58 Abs. 2 Satz 1 ist eine effektive Kapitalherabsetzung bei der UG sogar überhaupt ausgeschlossen. Möglich ist dagegen eine vereinfachte Kapitalherabsetzung nach § 58a Abs. 4 Satz 1 mit gleichzeitiger Kapitalerhöhung auf einen Betrag, der das Mindeststammkapital gemäß § 5 Abs. 1 erreicht oder übersteigt (Kapitalschnitt in die GmbH). 3. 39

Nach Absatz 5 Halbs. 2 kann die UG-Firma beibehalten werden, was den UGRechtsformzusatz einschließt, zumal es sinnlos wäre, die Selbstverständlichkeit auszusprechen, dass der Firmenkern beibehalten werden darf.126) Die GmbH darf sich also weiterhin UG nennen. Der Gesetzgeber ist der Ansicht: „Understatement muss man nicht verbieten.“127) Dies ist zwar unter dem Aspekt der Firmenwahrheit nicht unproblematisch, weil so die mit der Firmierung angestrebte klare Unterscheidbarkeit beider GmbH-Varianten konterkariert wird.128) Ein erhebliches Irreführungspotential ist damit aber nicht verbunden;129) denn der Rechtsverkehr geht lediglich von einem geringeren Stammkapital aus, als es tatsächlich besteht. – Auch wenn die UG sich zunächst für die Beibehaltung ihrer Firma entscheidet, ist ein späterer Wechsel zum GmbH-Zusatz nicht ausgeschlossen. 4.

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Beibehalten der Firma (Halbs. 2)

Andere Umwandlungen der UG

Wegen der (sonstigen) Umwandlungsmöglichkeiten der UG siehe Rn. 6. Die UG kann nicht im Wege der Umwandlung (etwa Verschmelzung durch Neugründung oder Formwechsel) entstehen,130) sich aber grundsätzlich – wie eine ordentliche GmbH – an Umwandlungen nach dem UmwG beteiligen.131) Wegen des Sacheinlageverbots kann die UG aber nicht aufnehmende Gesellschaft i. R. einer Spaltung oder Verschmelzung sein (siehe Rn. 6), es sei denn, eine hiermit verbundene Kapitalerhöhung führte sie ins Stadium der ordentlichen GmbH.132) Ein Formwechsel in _____________ 126) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 5a Rn. 36; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 5a Rn. 62; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 5a Rn. 60. 127) Seibert, GmbHR 2007, 673, 676. 128) So mit Recht Veil, GmbHR 2007, 1080, 1082; vgl. auch Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2007, 735, 737. 129) So auch Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 5a Rn. 36. 130) Wohl unstr., s. nur Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 5a Rn. 69; Freitag/ Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, 1491. 131) Dazu näher Veil, GmbHR 2007, 1080, 1084; Tettinger, Der Konzern 2008, 75, 76 ff; Heinemann, NZG 2008, 820, 822; wie hier ferner Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 5a Rn. 38; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 5a Rn. 69; Berninger, GmbHR 2010, 63. 132) H. M., vgl. BGH, ZIP 2011, 1054 = GmbHR 2011, 701 = NJW 2011, 1883, dazu EWiR 2011, 419 (Priester); OLG Frankfurt/M., ZIP 2010, 1798 = GmbHR 2010, 920, dazu EWiR 2010, 707 (Wachter); zust. Wachter, NJW 2011, 2620, 2621; Priester, EWiR 2011, 419; Berninger, GmbHR 2011, 953, 957 f; Bremer, GmbHR 2011, 703, 705; Lieder/ Hoffmann, GmbHR 2011, R 193, 194; w. N. in Rn. 6; a. A. Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 5a Rn. 69; Lutter-Drygala, UmwG, § 3 Rn. 13; Ulmer/Habersack/LöbbePaura, GmbHG, § 5a Rn. 63.

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§6

Geschäftsführer

eine andere Rechtsform ist möglich, nicht allerdings in die UG133) (naturgemäß mit Ausnahme der GmbH, die keine andere Rechtsform ist, siehe Rn. 4). IX. Abdingbarkeit Die Vorschriften der Absätze 1 – 4 und 5 Halbs. 1 sind zwingendes Recht; lediglich Absatz 5 Halbs. 2 eröffnet hinsichtlich der Firmenfortführung eine Wahlmöglichkeit. _____________ 133) Tettinger, Der Konzern 2008, 75, 76 ff; Bormann, GmbHR 2007, 897, 899.

§6 Geschäftsführer Carsten Schäfer

(1) Die Gesellschaft muss einen oder mehrere Geschäftsführer haben. (2) 1Geschäftsführer kann nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein. 2Geschäftsführer kann nicht sein, wer 1.

als Betreuter bei der Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten ganz oder teilweise einem Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) unterliegt,

2.

aufgrund eines gerichtlichen Urteils oder einer vollziehbaren Entscheidung einer Verwaltungsbehörde einen Beruf, einen Berufszweig, ein Gewerbe oder einen Gewerbezweig nicht ausüben darf, sofern der Unternehmensgegenstand ganz oder teilweise mit dem Gegenstand des Verbots übereinstimmt,

3.

wegen einer oder mehrerer vorsätzlich begangener Straftaten a) des Unterlassens der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Insolvenzverschleppung), b) nach den §§ 283 bis 283d des Strafgesetzbuchs (Insolvenzstraftaten), c) der falschen Angaben nach § 82 dieses Gesetzes oder § 399 des Aktiengesetzes, d) der unrichtigen Darstellung nach § 400 des Aktiengesetzes, § 331 des Handelsgesetzbuchs, § 313 des Umwandlungsgesetzes oder § 17 des Publizitätsgesetzes oder e) nach den §§ 263 bis 264a oder den §§ 265b bis 266a des Strafgesetzbuchs zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr

verurteilt worden ist; dieser Ausschluss gilt für die Dauer von fünf Jahren seit der Rechtskraft des Urteils, wobei die Zeit nicht eingerechnet wird, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. 3

Satz 2 Nr. 3 gilt entsprechend bei einer Verurteilung im Ausland wegen einer Tat, die mit den in Satz 2 Nr. 3 genannten Taten vergleichbar ist.

(3) 1Zu Geschäftsführern können Gesellschafter oder andere Personen bestellt werden. 2Die Bestellung erfolgt entweder im Gesellschaftsvertrag oder nach Maßgabe der Bestimmungen des dritten Abschnitts. Carsten Schäfer

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§6

Geschäftsführer

(4) Ist im Gesellschaftsvertrag bestimmt, dass sämtliche Gesellschafter zur Geschäftsführung berechtigt sein sollen, so gelten nur die der Gesellschaft bei Festsetzung dieser Bestimmung angehörenden Personen als die bestellten Geschäftsführer. (5) Gesellschafter, die vorsätzlich oder grob fahrlässig einer Person, die nicht Geschäftsführer sein kann, die Führung der Geschäfte überlassen, haften der Gesellschaft solidarisch für den Schaden, der dadurch entsteht, dass diese Person die ihr gegenüber der Gesellschaft bestehenden Obliegenheiten verletzt. Literatur: Bachmann, Zum Verbot von Insichgeschäften im GmbH-Konzern, ZIP 1999, 85; Bauer/Arnold, AGG und Organmitglieder – Klares und Unklares vom BGH, NZG 2012, 921; Bauer/Arnold, Altersdiskriminierung von Organmitgliedern, ZIP 2012, 597; Bayer/Lieder, Die Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis, NZG 2012, 1; Böttcher/ Hassner, Inhabilität des strafrechtlich verurteilten Geschäftsführers nach MoMiG, GmbHR 2009, 1321; Fleischer, Zur GmbH-rechtlichen Verantwortlichkeit des faktischen Geschäftsführers, GmbHR 2011, 337; Fleischer, Juristische Personen als Organmitglieder im Europäischen Gesellschaftsrecht, RIW 2004, 16; Goette, Das Organverhältnis des GmbH-Geschäftsführers in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, DStR 1998, 938; Heßeler, Der „Ausländer als Geschäftsführer“ – das Ende der Diskussion durch das MoMiG?!, GmbHR 2009, 759; Hinghaus/Höll/Hüls/Ransiek, Inhabilität nach § 6 Abs. 2 Nr. 3 GmbHG und Rückwirkungsverbot, wistra 2010, 291; Jäger, Der Betreuer als gesetzlicher Vertreter des GmbH-Geschäftsführers, DStR 1996, 108; Kleindiek, Ordnungswidrige Liquidation durch organisierte „Firmenbestattung“, ZGR 2007, 276; Kort, Ungleichbehandlung von Geschäftsleitungsmitgliedern bei AG und GmbH wegen des Alters, WM 2013, 1049; Lutter, Anwendbarkeit der Altersbestimmungen des AGG auf Organpersonen, BB 2007, 725; Müller-Gugenberger, GmbH-Strafrecht nach der Reform, GmbHR 2009, 578; Paefgen, ZIP 2012, 1296; Preis/Sagan, Der GmbH-Geschäftsführer in der arbeitsund diskriminierungsrechtlichen Rechtsprechung des EuGH, BGH und BAG, ZGR 2013, 26; Ries, Der ausländische Geschäftsführer, NZG 2010, 298; Schäfer, Vorsorgevollmachten im Personengesellschaftsrecht, ZHR 175 (2011), 557; K. Schmidt, Führungslosigkeit der GmbH oder GmbH & Co. KG im Prozess, GmbHR 2011, 113; Schneider/ Schneider, Persönliche Haftung der GmbH-Geschäftsführer bei Überlassung der Geschäftsführung an Personen, die nicht Geschäftsführer sein können, GmbHR 2012, 365; Seibert, Die rechtsmissbräuchliche Verwendung der GmbH in der Krise – Stellungsnahmen zu einer Umfrage des Bundesministeriums der Justiz, in: Festschrift für Volker Röhricht, 2005, S. 585; Strohn, Faktische Organe – Rechte, Pflichten, Haftung, DB 2011, 158; Wachter, Ausländer als GmbH-Gesellschafter und -Geschäftsführer, ZIP 1999, 1577; Wegner, Aktuelle Entwicklungen im Insolvenzstrafrecht, HRRS 2009, 32; Wedemann, Vorsorgevollmachten bei Personengesellschaften und GmbHs, ZIP 2013, 1508; Weiß, Die Versicherung des GmbH-Geschäftsführers über das Nichtvorliegen strafrechtlicher Verurteilungen, GmbHR 2013, 1076; Wilsing/Meyer, Diskriminierungsschutz für Geschäftsführer, NJW 2012, 3211; Weyand, Strafrechtliche Aspekte des MoMiG im Zusammenhang mit juristischen Personen, ZInsO 2008, 702. Übersicht I. 1. 2. II.

Einführung ........................................... 1 Normzweck und Inhalt ........................ 1 Änderungen durch das MoMiG ........... 2 Geschäftsführer als notwendiges Organ (Abs. 1) ...................................... 3 III. Bestellungsvoraussetzungen und -hindernisse (Abs. 2) .................... 4 1. Allgemeine Bestellungsvoraussetzungen (Satz 1) ..................................... 4

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2.

a) Unbeschränkt geschäftsfähige natürliche Person ........................... 4 b) Ausländischer Geschäftsführer ..... 5 Bestellungshindernisse (Satz 2) ............ 6 a) Allgemeines .................................... 6 b) Betreuter unter Einwilligungsvorbehalt (Nr. 1) ............................ 7 c) Behördliches Berufsverbot (Nr. 2) ............................................. 8

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§6

Geschäftsführer d) Katalogstraftaten (Nr. 3) ............... 9 e) Rechtsfolgen der Inhabilität ........ 11 3. Statutarische Bestellungsvoraussetzungen (-hindernisse) ......................... 13 IV. Grundsatz der Drittorganschaft (Abs. 3 Satz 1) ..................................... 14 V. Die Bestellung der Geschäftsführer (Abs. 3 Satz 2) ......................... 15 VI. Auslegungsregel (Abs. 4) .................. 18

I.

Einführung

1.

Normzweck und Inhalt

VII. Haftung der Gesellschafter bei Inhabilität (Abs. 5) ............................. 19 1. Allgemeines ......................................... 19 2. Überlassen der Geschäftsführung ...... 20 3. Verschulden ......................................... 22 4. Schadensverursachung durch den Amtsunfähigen .................................... 23 5. Rechtsfolge .......................................... 24

§ 6 betrifft die Regeln für Auswahl und Bestellung von Geschäftsführern, soweit sie bereits im Gründungsstadium relevant und deshalb nicht erst im dritten Abschnitt über die Geschäftsführung (§§ 35 ff) normiert sind. Zweck der Regelung ist die Gewährleistung der Handlungsfähigkeit der Vor-Gesellschaft, zumal den Geschäftsführern für den Gründungsvorgang essentielle Pflichten obliegen, namentlich die Einforderung und Entgegennahme der Gesellschaftereinlagen (§§ 7 Abs. 2, 3) sowie die Anmeldung der Gesellschaft (§§ 7, 78) nebst Abgabe der zugehörigen Versicherungen (§ 8 Abs. 2, 3). Die Bestellung wenigstens eines Geschäftsführers ist deshalb Eintragungsvoraussetzung (auch wenn die GmbH, wird sie gleichwohl eingetragen, dennoch zur Entstehung gelangt).1) Absatz 1 trifft nur die Regelung zur Bestellung der Geschäftsführer; Rechtstellung und Aufgaben sind in §§ 35 ff geregelt, weshalb im Übrigen auf die dortige Kommentierung zu verweisen ist. 2.

Änderungen durch das MoMiG

Das MoMiG (siehe Einleitung Rn. 15 ff [Schäfer]) hat die Inhabilitätstatbestände in Absatz 2 erheblich erweitert.2) In die Nummer 3 wurden die Buchstaben a, c, d und e neu aufgenommen. Die zeitliche Grenze für die Inhabilität ist für alle Straftaten einheitlich auf fünf Jahre seit Rechtskraft des Urteils festgelegt worden. Gemäß Absatz 2 Satz 3 sind auch im Ausland verurteilte Personen von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Mit Absatz 5 wurde erstmals ein besonderer Haftungstatbestand für Gesellschafter geschaffen, die vorsätzlich oder grob fahrlässig einer inhabilen Person die Geschäfte überlassen. Die Erweiterungen im Katalog greifen zentrale Stellen des Wirtschaftsstrafrechts heraus,3) mit Nummer 3 Buchst. e werden allgemeine Vermögensdelikte aus dem Strafgesetzbuch aufgenommen. Entsprechend wurden der Inhalt der Versicherungen nach §§ 8 Abs. 3 Satz 1, 39 Abs. 3 Satz 1 sowie die Strafbarkeit für falsche Versicherungen (§ 82 Abs. 1 Nr. 5) erweitert. – Wegen der neu eingeführten Inhabilitätstatbestände gilt die Übergangsregelung des § 3 Abs. 2 EGGmbHG (kein Verlust des Amtes bei rechtskräftiger Verurteilung vor dem 1.11.2008).4) _____________ 1)

2) 3) 4)

1

Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 6 Rn. 9; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 10 – Möglich wäre aber die Amtslöschung gemäß § 395 FamFG (früher § 142 FGG), falls nicht noch nachträglich ein Geschäftsführer ernannt würde. Krit. hierzu Hinghaus/Höll/Hüls/Ransiek, wistra 2010, 291. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 11. Zur Rückwirkungsproblematik s. Hinghaus/Höll/Hüls/Ransiek, wistra 2010, 291, 292 ff.

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§6

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II. Geschäftsführer als notwendiges Organ (Abs. 1) 3

Damit das Gründungsverfahren durchgeführt werden kann (siehe Rn. 1), muss mindestens ein Geschäftsführer als Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan (§ 35) bestellt werden; im Übrigen kann der Gesellschaftsvertrag die Zahl der Geschäftsführer frei bestimmen. Eine Ausnahme gilt aber für mitbestimmte Gesellschaften, bei denen gemäß § 33 MitbestG ein Arbeitsdirektor erforderlich ist. Die Satzung kann auch eine Mindest- oder Höchstzahl bestimmen, welche die Gesellschafterversammlung bei der Beschlussfassung bindet; hiergegen verstoßende Bestellungs- oder Abberufungsbeschlüsse sind anfechtbar.5) Nicht eintragungsfähig ist aber die Bezeichnung „Sprecher der Geschäftsführung“ für einen Geschäftsführer (von mehreren).6) Wenn die Satzung über die Anzahl der Geschäftsführer schweigt, kann sie auch von der Gesellschafterversammlung anlässlich der Bestellung mit einfacher Mehrheit bestimmt werden.7) Fällt ein gesetzlich oder aufgrund der Satzung erforderlicher Geschäftsführer weg, muss unverzüglich eine Neubestellung erfolgen.8) Ist die Gesellschaft eingetragen, kann sie vorübergehend durch Prokuristen oder andere vertretungsberechtigte Gesellschafter vertreten werden. Zur Neubestellung kann ggf. die Gesellschafterversammlung auch durch die Gesellschafter nach § 50 einberufen werden. III. Bestellungsvoraussetzungen und -hindernisse (Abs. 2) 1.

Allgemeine Bestellungsvoraussetzungen (Satz 1)

a) Unbeschränkt geschäftsfähige natürliche Person 4

Der Geschäftsführer muss zwingend eine natürliche Person und unbeschränkt geschäftsfähig sein, wie Satz 1 seit 1980 ausdrücklich anordnet. Könnten juristische Personen zu Geschäftsführern bestellt werden, bestünde Missbrauchsgefahr, weil die Person des Handelnden nicht durch die Gesellschaft bestimmbar wäre.9) Ferner können Minderjährige auch nicht mit Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter zu Geschäftsführern bestellt werden.10) Unmöglich ist demnach auch die Ermächtigung zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts (§ 112 BGB).11) Entsprechendes gilt für Betreute, die unter den Einwilligungsvorbehalt ihres Betreuers gestellt sind (Abs. 2 Satz 2 Nr. 1). Eine gleichwohl erfolgte Bestellung ist nichtig, aber nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Organbestellung zu behandeln (siehe näher Erläuterungen zu § 35).12) Verliert ein bestellter Geschäftsführer nachträglich seine Geschäftsfähigkeit _____________ 5) Scholz-U. H. Schneider/S. H. Schneider, GmbHG, § 6 Rn. 7; Ulmer/Habersack/LöbbePaefgen, GmbHG, § 6 Rn. 11; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 6 Rn. 5. 6) OLG München, ZIP 2012, 672 = GmbHR 2012, 750 = NZG 2012, 429, dazu EWiR 2012, 485 (Blasche). 7) OLG Stuttgart, GmbHR 1999, 537, 538; Scholz-U. H. Schneider/S. H. Schneider, GmbHG, § 6 Rn. 8. 8) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 6 Rn. 6. 9) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 6 Rn. 16; Fleischer, RIW 2004, 16, 21. 10) OLG Hamm, GmbHR 1992, 671 = DB 1992, 1401 = NJW-RR 1992, 1253. 11) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 18. 12) Zustimmend Bayer/Lieder, NZG 2012, 1, 3 f; s. a. Strohn, DB 2011, 158 f; Ulmer, GmbHG, 2005, § 6 Rn. 11 (anders aber Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 6 Rn. 43); vgl. auch BGH, ZIP 2011, 2195 = NZG 2011, 1383 = DB 2011, 2537, dazu EWiR 2012, 65 (Verhoeven) zum besonderen Vertreter in der AG, anders dann aber BGH, ZIP 2013, 720 für die nichtige Aufsichtsratswahl.

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(oder wird als Betreuter unter Einwilligungsvorbehalt gestellt), so erlischt die Organstellung automatisch, also ohne Abberufungsbeschluss.13) Wird die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit wiedererlangt, erlangt der Ehemalige das Geschäftsführeramt gleichwohl nicht automatisch zurück; es bedarf vielmehr der erneuten Bestellung.14) – Zu der i. R. d. Anmeldung abzugebenden Versicherung bezüglich der Qualifikation der Geschäftsführer siehe § 8 Rn. 64 ff [Wachter]. b) Ausländischer Geschäftsführer Im Grundsatz besteht Einigkeit darüber, dass weder die deutsche Staatsangehörigkeit noch ein Wohnsitz im Inland Bestellungsvoraussetzungen sind.15) Auch von der Möglichkeit, jederzeit (rechtmäßig) nach Deutschland einreisen zu können, kann die Bestellung angesichts moderner Telekommunikationsmittel nicht abhängig gemacht werden,16) zumal das in § 4a a. F. enthaltene Erfordernis eines Verwaltungssitzes im Inland durch das MoMiG aufgegeben wurde (siehe § 4a Rn. 18 ff [Kindler]). Die von der Gegenauffassung geäußerte Befürchtung, dass Geschäftsführer mangels jederzeitiger Einreisemöglichkeit ihre gesetzlichen Pflichten nicht erfüllen könnten,17) greift deshalb nicht durch. 2.

5

Bestellungshindernisse (Satz 2)

a) Allgemeines Die Aufzählung der Bestellungshindernisse in Satz 2 ist nicht abschließend; daneben existieren einige spezialgesetzliche Tatbestände.18) Zudem können Mitglieder des Aufsichtsrats selbstverständlich nicht zugleich Geschäftsführer sein (§ 105 Abs. 1 AktG analog). Im Übrigen führt nach Satz 2 generell nur die Begehung von Vorsatzdelikten zur Inhabilität. Dies ist Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrund_____________ 13) BGHZ 115, 78, 80 = ZIP 1991, 1002 = NJW 1991, 2566, dazu EWiR 1991, 903 (K. Schmidt); Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 6 Rn. 17. 14) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 12; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 6 Rn. 42. 15) S. nur OLG Frankfurt/M., NJW 1977, 1595; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 6 Rn. 53; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 14; Wachter, ZIP 1999, 1577, 1580. 16) OLG Düsseldorf, ZIP 2009, 1074 = GmbHR 2009, 776 = NZG 2009, 678, dazu EWiR 2009, 573 (Lamsa); OLG München, ZIP 2010, 126 = GmbHR 2010, 210 = NZG 2010, 157, dazu EWiR 2010, 247 (Schodder); OLG Zweibrücken, GmbHR 2010, 1260 = MDR 2011, 176 = Rpfleger 2011, 214; vgl. auch OLG Frankfurt/M., BeckRS 2011, 16105 – auch Arbeits- oder Aufenthaltserlaubnis kann nicht verlangt werden; zustimmend Wachter, BB 2010, 269 (Urteilsanm.); so auch Schodder, EWiR 2010, 247; Ries, NZG 2010, 298; Heßeler, GmbHR 2009, 759, 760 f; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 6 Rn. 56 f; Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 41; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 6 Rn. 9; so jetzt auch Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 15; a. A. noch OLG Celle, ZIP 2007, 1157 = GmbHR 2007, 657 = DNotZ 2007, 867; OLG Zweibrücken, NZG 2001, 857 = BB 2001, 784 = NJW-RR 2001, 1689; Rowedder/Schmidt-LeithoffSchmidt-Leithoff, GmbHG, § 6 Rn. 13; Scholz-U. H. Schneider/S. H. Schneider, GmbHG, § 6 Rn. 19. 17) OLG Celle, ZIP 2007, 1157 = GmbHR 2007, 657 = DNotZ 2007, 867; ScholzU. H. Schneider/S. H. Schneider, GmbHG, § 6 Rn. 19. 18) Z. B. Art. 66 GG; § 59f Abs. 2 BRAO; § 28 Abs. 2 WPO/§ 50 StBerG; s. etwa Lutter/ Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 31; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 6 Rn. 31.

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satzes. Die Verurteilung wegen einer der genannten Straftaten führt automatisch zum Verlust des Geschäftsführeramtes,19) wie sich auch aus der Übergangsregelung des § 3 Abs. 2 EGGmbHG ergibt. Bei Inhabilität des Bestellten ist der Bestellungsbeschluss nichtig (siehe Rn. 4, 11).20) b) Betreuter unter Einwilligungsvorbehalt (Nr. 1) 7

Obwohl Betreute nicht beschränkt geschäftsfähig sind, entspricht ihre Rechtsstellung derjenigen beschränkt Geschäftsfähiger dann, wenn sie unter Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 BGB) ihres Betreuers stehen (siehe Rn. 4). Wer nicht ohne Betreuer handeln kann, ist ebenso wenig zur Leitung einer GmbH geeignet wie ein Minderjähriger, der seine Eltern fragen muss.21) Zugleich wird das Vermögen des Betreuten vor den Haftungsrisiken aus dem Geschäftsführeramt geschützt.22) Demgegenüber lässt die Bestellung eines Betreuers als solche das Geschäftsführeramt unberührt, sofern der Aufgabenkreis des Betreuers nicht explizit auf die Geschäftsführertätigkeit des Betreuten erstreckt wird.23) Ebenso wenig wie ein Betreuer kann auch ein Vorsorgebevollmächtigter nicht die Geschäftsführungsbefugnis übernehmen;24) es bleibt also auch im Falle einer Vorsorgevollmacht dabei, dass das Amt mit Eintritt der Geschäftsunfähigkeit kraft Gesetzes endet.25) – Die Versicherung nach § 8 Abs. 3 muss sich nicht auf das Nichtvorliegen dieses Ausschlussgrundes beziehen,26) doch darf das Registergericht eine Erklärung hierzu verlangen.27) c) Behördliches Berufsverbot (Nr. 2)

8

Ein Berufsverbot nach § 70 StGB oder § 35 GewO hat nur Einfluss auf die Geschäftsführerbestellung, wenn die untersagte Berufsausübung mit dem – statutarischen (§ 3 Abs. 1 Nr. 2) oder tatsächlich betriebenen28) – Unternehmensgegenstand der _____________ 19) BGHZ 115, 78 = ZIP 1991, 1002 = NJW 1991, 2566, dazu EWiR 1991, 903 (K. Schmidt); Scholz-U. H. Schneider/S. H. Schneider, GmbHG, § 6 Rn. 38; Lutter/HommelhoffKleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 12; Müller-Gugenberger, GmbHR 2009, 578, 581. 20) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 6 Rn. 17; vgl. auch KG Berlin, ZIP 2012, 84 – zu § 6 Abs. 2 Satz 2 GmbHG. 21) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 18; Jäger, DStR 1996, 108. 22) Heßeler, Amtsunfähigkeit von GmbH-Geschäftsführern gemäß § 6 Abs. 2 GmbHG, S. 145. 23) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 6 Rn. 19. 24) Näher Schäfer, ZHR 175 (2011) 557, 571 f. 25) BGHZ 115, 78, 80 = ZIP 1991, 1002 = NJW 1991, 2566, dazu EWIR 1991, 903 (K. Schmidt); Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 6 Rn. 42; krit. Wedemann, ZIP 2013, 1508, 1512 f. 26) OLG Hamm, ZIP 2010, 2293 = GmbHR 2011, 30 = NZG 2010, 1435; das Registergericht darf jedoch eine Selbstauskunft anfordern, OLG Brandenburg, NotBZ 2012, 34. 27) OLG Brandenburg, NotBZ 2012, 34: Registergericht darf vom GF Erklärung verlangen, ob er als Betreuter bei der Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten ganz oder teilweise einem Einwilligungsvorbehalt unterliegt. 28) Ganz h. M., Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 6 Rn. 12; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 9; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 19. S. a. OLG Düsseldorf, GmbHR 2013, 1152 = NZG 2013, 1183 = MDR 2013, 1236: Darf der eingetragene Geschäftsführer ein Gewerbe nicht ausüben, das sich ganz oder teilweise mit dem Unternehmensgegenstand deckt, so stellt dies einen wesentlichen Mangel dar, der das Registergericht zu einer Löschung(-sankündigung) berechtigt; s. ferner KG, ZIP 2012, 2151 f = GmbHR 2012, 859 = NZG 2012, 750.

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Gesellschaft ganz oder teilweise übereinstimmt (relativer Ausschlussgrund). Das behördliche (oder gerichtliche) Verbot braucht sich hierfür nicht ausdrücklich auf die Geschäftsführertätigkeit zu erstrecken.29) Es genügt vielmehr, wenn allgemein die Ausübung eines Berufes verboten wird, der im Unternehmen ausgeübt wird. Die Nichtigkeit des Bestellungsbeschlusses (siehe Rn. 11) entfällt nicht nach Ablauf von fünf Jahren; Absatz 2 Nr. 3 a. E. ist nicht entsprechend anwendbar.30) – Nach einer obergerichtlichen Entscheidung obliegt dem Registergericht (nicht dem Notar oder Geschäftsführer) die Prüfung, ob sich Unternehmensgegenstand und Gegenstand eines Berufsverbots decken, was sich im Umfang der Versicherung nach § 8 widerspiegeln müsse.31) Die Flucht in (schein-)ausländische Rechtsformen ist seit dem MoMiG durch § 13g Abs. 2 Satz 2 HGB versperrt, der die Inhabilitätsgründe auf Geschäftsführer ausländischer Gesellschaften erstreckt:32) Die Zweigniederlassung einer ausländischen Kapitalgesellschaft kann nicht in Deutschland eingetragen werden, wenn dem Geschäftsführer durch eine vollziehbare Entscheidung einer deutschen Behörde die Gewerbeausübung untersagt wurde.33) Der Verwaltungsakt ist vollziehbar, wenn er entweder unanfechtbar ist oder ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung (mehr) hat. Im Falle eines Strafurteils genügt ein zur Bewährung ausgesetztes Verbot gemäß § 70a StGB ebenso wenig wie ein gemäß § 132a StPO vorläufig angeordnetes.34) d) Katalogstraftaten (Nr. 3) Wer bestimmte Straftaten vorsätzlich begeht, ist als Geschäftsführer ungeeignet (siehe § 8 Rn. 65 f [Wachter]).35) Mit seiner Verurteilung verliert er das Amt automatisch; eine Bestellung, welche die Inhabilität missachtet, ist nichtig (siehe Rn. 6, ferner Rn. 11). Nummer 3 hat im Zuge der GmbHR-Modernisierung eine Ausweitung erfahren; ihr liegt der Gedanke zugrunde, dass der Geschäftsführer nicht nur als Sachwalter der Gesellschaft auftritt, sondern deren Vermögen auch im _____________ 29) BayObLG, ZIP 1994, 1767 = DB 1994, 2282; vgl. auch KG Berlin, ZIP 2012, 84 = GmbHR 2012, 91; OLG Düsseldorf, GmbHR 2013, 1152 = NZG 2013, 1183 = MDR 2013, 1236; KG, ZIP 2012, 2151 = GmbHR 2012, 859 = NZG 2012, 750. 30) Zutr. KG, ZIP 2012, 84 = GmbHR 2012, 91; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 6 Rn. 12. 31) OLG Frankfurt/M., GmbHR 2010, 918 = RNotZ 2010, 591; OLG Frankfurt/M., ZIP 2012, 870, 872 = GmbHR 2011, 115 – Versicherung, dass kein Berufsverbot besteht, das „ganz oder teilweise mit dem Unternehmensgegenstand übereinstimmt“, ist unzureichend; abl. Wachter, EWiR 2011, 49. 32) KG, ZIP 2012, 1609 = FGPrax 2012, 171 = RNotZ 2012, 526 (LS); zur früheren Rspr. s. nur BGHZ 172, 200 = ZIP 2007, 1306 = NJW 2007, 2328. 33) So auch bereits nur BGHZ 172, 200 = ZIP 2007, 1306 = NJW 2007, 2328. 34) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 6 Rn. 20; Lutter/Hommelhoff-Kleindieck, GmbHG, § 6 Rn. 19. 35) Zum Inhalt der entsprechenden Versicherung nach § 8 Abs. 3 siehe insbes. BGH, ZIP 2010, 1337 m. Anm. Wachter; OLG Hamm, GmbHR 2011, 587 = NJW-RR 2011, 833 = NZG 2011, 710; OLG Stuttgart, ZIP 2013, 671 = GmbHR 2013, 91 mit Anm. Oppenländer: Erklärung, dass „keine Umstände vorliegen, die der Bestellung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 GmbHG entgegenstehen“, ist ausreichend. S. aber auch OLG Schleswig GmbHR 2014, 1095, 1097: Versicherung muss konkrete Tatsachen verneinen, die sich auf etwaige Berufsverbote oder strafrechtliche Verurteilungen beziehen; Wiederholung des Gesetzestextes ist unzureichend.

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Interesse der Gläubiger verwaltet.36) Die Erweiterung (siehe Rn. 2) erstreckt sich auf zentrale Bestimmungen des Wirtschaftsstrafrechts. Das Erfordernis der Verurteilung wegen der genannten Straftaten schließt naturgemäß eine Sperrwirkung bei Einstellung der Verfahren gemäß § 153a StPO oder §§ 154, 154a StPO aus. Die mit Rechtskraft des Urteils einsetzende Fünf-Jahres-Frist berechnet sich grundsätzlich nach §§ 187 ff BGB. Hierbei wird die Zeit, in der der Täter behördlich verwahrt wird, nicht mitgezählt (Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2). Da die Frist erst mit der Rechtskraft des Urteils beginnt, muss auch die Versicherung nach § 8 Abs. 3 hierauf abstellen.37) Auf eine Tilgung im Bundeszentralregister gemäß §§ 45 ff BZRG kommt es nicht an, entscheidend ist allein die Frist gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 GmbHG.38) Nach § 3 Abs. 2 EGGmbHG gelten die neuen Katalogstraftaten (siehe Rn. 2) und die Einbeziehung von Auslandstaten nach Satz 3 nicht für Geschäftsführer, die am 1.11.2008 schon im Amt waren und bis zu diesem Tag rechtskräftig verurteilt wurden.39) Durch die Beschränkung des Katalogs auf Vorsatztaten sollen Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Norm ausgeräumt werden.40) –

Buchstabe a spricht missverständlich nur vom „Unterlassen“ eines Insolvenzantrags. Nach § 15a Abs. 4 InsO wird indessen wegen Insolvenzverschleppung bestraft, wer „nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig“ einen Insolvenzantrag stellt. Daher führt selbstverständlich auch die Verurteilung wegen verspäteter Antragstellung zur Inhabilität, zumal gerade hierin eine – im Wortlaut ausdrücklich hervorgehobene – „Verschleppung“ des Antrags liegt.41) Die fahrlässige Insolvenzverschleppung (§ 15a Abs. 5 InsO) begründet keine Amtsunfähigkeit.



Buchstabe b betrifft die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Insolvenzstraftat, die auch ohne ein Berufsverbot gemäß § 70 StGB zur Amtsunfähigkeit führt. Erfasst werden Verurteilungen wegen Bankrott (§§ 283, 283a StGB), der naturgemäß auch durch Organmitglieder begangen werden kann (§ 14 StGB), wegen Verletzung der Buchführungspflicht (§ 283b StGB), wegen Gläubigeroder Schuldnerbegünstigung (§§ 283c, 283d StGB).



Buchstabe c zieht die Konsequenzen aus einer Verurteilung wegen vorsätzlich falscher Angaben bei der Anmeldung i. S. v. § 82 Abs. 1;



Buchstabe d betrifft verschiedene Arten von Falschdarstellung bei Publizitätsakten. Buchstaben c und d ziehen die Konsequenz aus der Verletzung unternehmensbezogener Pflichten, die Dritte in Investitionsentscheidungen beeinträchtigen; auch auf diese Weise soll das Vertrauen der Marktteilnehmer in

_____________ 36) Daher wird teilweise erwogen, den Katalog auch auf Urkundenfälschungs-, Korruptions- und Abgabedelikte zu erweitern, Grigoleit/Rieder, GmbH-Recht nach dem MoMiG, Rn. 267. 37) BGH, ZIP 2011, 1305 = GmbHR 2011, 864 = NZG 2011, 871, dazu EWiR 2011, 599 (Melchior): Versicherung, die nur auf Zeitpunkt der Verurteilung abstellt, ist unzureichend. 38) OLG Dresden, NotBZ 2013, 46; vgl. auch Weiß, GmbHR 2013, 1076 f. 39) Zur Stichtagsregelung und Problemen im Hinblick auf Gesamtstrafenbildung sowie zeitlich unklare Abläufe vgl. Böttcher/Hassner, GmbHR 2009, 1321. 40) Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 33. 41) Zutr. OLG Celle, ZIP 2013, 1914 = GmbHR 2013, 1140 = NZI 2013, 852 m. Anm. Floeth; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 23; a. A. Römermann, GmbHR 2013, 1140 (Urteilsanm.) – schwer nachvollziehbar.

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Unternehmensmitteilungen geschützt werden. Die Bestrafung nach § 331 HGB hat hierbei die größte praktische Bedeutung; die übrigen Normen haben eher Lückenfüllungsfunktion.42) –

Buchstabe e: Die Aufnahme allgemeiner Vermögensdelikte (Betrug, Untreue u. a.) in die Katalogstraftaten war schon seit längerem vom Bundesrat gefordert, zunächst wegen des Eingriffs in die Berufsfreiheit aber nicht aufgegriffen worden.43) Doch hat der MoMiG-Geber diese Bedenken im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens schließlich zurückgestellt, weil auch eine Verurteilung nach § 263 StGB zeige, dass „keine Vertrauensbasis für eine ordnungsgemäße und entsprechend den Regeln des Wirtschaftslebens ausgerichtete Geschäftsführung“ bestehe.44) Zum Ausgleich ist eine qualifizierte Verurteilung erforderlich; sie muss auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr lauten. Gesamtstrafen, die das Mindeststrafmaß übersteigen, führen konsequentermaßen nur dann zur Inhabilität, wenn es sich bei den Einzelstraftaten um Katalogtaten nach Buchstabe e handelt und die Summe der hierauf entfallenden Einzelstrafen mindestens ein Jahr ergibt.45) Nach einer Entscheidung des OLG Hamm können mehrere Geldstrafen zudem nicht in eine Gesamtfreiheitsstrafe „umgerechnet“ werden.46) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Abgrenzung nach der Strafhöhe hat der Gesetzgeber zu Recht zurückgewiesen.47)

Satz 3 stellt die Verurteilung im Ausland mit einer Verurteilung im Inland wegen einer vergleichbaren Straftat (Nr. 3) gleich, damit ein einheitlicher Standard beim Schutz vor ungeeigneten Personen gewährleistet wird. Für die Vergleichbarkeit der Auslandstat enthält das Gesetz keine Anhaltspunkte; sie zu bestimmen bleibt folglich der richterlichen Feststellung überlassen.48) Es kommen aber nur strafrechtliche Verurteilungen in Betracht, nicht auch „Strafen“, die durch andere Gerichte oder Behörden verhängt werden.49)

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e) Rechtsfolgen der Inhabilität Wegen der Folgen der Inhabilität für den Bestellungsbeschluss und des automatischen Amtsverlusts bei Eintritt eines Bestellungshindernisses siehe Rn. 6: Die Bestellung ist nichtig, sie ist im Handelsregister von Amts wegen zu löschen;50) nach den Regeln _____________ Römermann, GmbHR Sonderheft 10/2008, S. 62, 64. Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 74 f. BR-Drucks. 354/07, S. 10; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 16 ff. Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 28; Wegner, HRRS 2009, 32, 36. OLG Hamm, GmbHR 2011, 307 = NJW-RR 2011, 772. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 33. Weyand, ZInsO 2008, 702, 703. BT-Drucks. 16/6140 S. 64; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 20; vgl. ferner OLG München, GmbHR 2014, 869: Auslandstaten sind keine Taten, die das ausländische Recht als Ordnungswidrigkeit qualifiziert. 50) OLG Zweibrücken, NZG 2001, 857, 857 = BB 2001, 784 = NJW-RR 2001, 1689; OLG München, ZIP 2011, 1669 = NJW-RR 2011, 622 = NZG 2011, 394 – Vorrang der Amtslöschung gegenüber zeitlich später angemeldeter Amtsniederlegung; OLG Hamm, ZIP 2011, 527; Scholz-U. H. Schneider/S. H. Schneider, GmbHG, § 6 Rn. 38; Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 23.

42) 43) 44) 45) 46) 47) 48) 49)

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des fehlerhaft bestellten Organs bleiben die bisherigen Rechtshandlungen jedoch wirksam (siehe Rn. 4). Im Falle des Berufsverbots nach Absatz 2 Nr. 2 entfällt die Nichtigkeit des Beschlusses nicht – wie im Falle des Satzes 2 Nr. 3 a. E. – mit Ablauf von fünf Jahren (siehe Rn. 8).51) Mit Rechtskraft eines Strafurteils verliert der Geschäftsführer automatisch sein Amt.52) Auf die Kenntnis des Ausschlussgrundes kommt es in keinem Falle an.53) Nach seinem Wegfall lebt die Organstellung nicht von selbst wieder auf; es bedarf einer erneuten Bestellung (siehe Rn. 4).54) Verliert die Gesellschaft auf diese Weise ihren einzigen oder einen – nach der Satzung – erforderlichen Geschäftsführer, kommt analog § 29 BGB auf Antrag eines Gesellschafters oder Gläubigers eine gerichtliche Notbestellung in Betracht (siehe Rn. 17).55) Im Falle der Führungslosigkeit fällt immerhin die passive Vertretungsbefugnis den Gesellschaftern zu (§ 35 Abs. 1 Satz 2 n. F. und siehe § 35 Rn. 47 [Jacoby]).56) Auch eine Prozesspflegschaft nach § 57 ZPO ist möglich, wobei die Empfangszuständigkeit der Gesellschafter in führungslosen Gesellschaften nach § 35 Abs. 1 Satz 2 n. F. ausdrücklich auch Zustellungen erfasst. Die Unfähigkeit zum Geschäftsführeramt hindert nicht die Übernahme einer anderen, nicht organschaftlichen Position, etwa diejenige eines Prokuristen. 12

Hinsichtlich der Rechtshandlungen des unwirksam bestellten oder inhabil gewordenen Geschäftsführers kommt bei eintragungspflichtigen Tatsachen jedenfalls Verkehrsschutz nach § 15 Abs. 1, 3 HGB in Betracht.57) Dieser wirkt zwar nicht bei Verlust der Geschäftsfähigkeit,58) doch gewährt die Rechtsprechung insofern Schutz nach allgemeinen Rechtsscheingrundsätzen, wenn für Gesellschafter oder Mitgeschäftsführer die fehlende Geschäftsfähigkeit erkennbar war.59) Weitergehenden Schutz vermitteln die Regeln des „faktischen“ (fehlerhaft bestellten) Organs (dazu siehe § 35 Rn. 11, 19 [Jacoby]).60)

_____________ 51) KG, ZIP 2012, 84. 52) BT-Drucks. 16/9737, S. 55; BGHZ 115, 78, 80 = ZIP 1991, 1002 = NJW 1991, 2566, dazu EWIR 1991, 903 (K. Schmidt). 53) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 6 Rn. 42. 54) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 23. 55) BGHZ 98, 174 = ZIP 1986, 1037 = BB 1986, 1601 – sittenwidriger Ratenkredit; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 6 Rn. 82. 56) BGH, ZIP 2010, 2444 = GmbHR 2011, 83 = NZG 2011, 26, dazu EWiR 2011, 17 (Zarth) ist aber eine Klage gegen die führungslose GmbH gleichwohl unzulässig, weil es an der Prozessführungsbefugnis i. S. v. § 52 ZPO fehlt; dazu K. Schmidt, GmbHR 2011, 113. 57) BGHZ 115, 78 = ZIP 1991, 1002 = NJW 1991, 2566, 2567, dazu EWiR 1991, 903 (K. Schmidt); der Schutz wirkt nach allgemeinen Regeln auch bei fehlender Voreintragung s. etwa OLG Köln, ZIP 2015, 1821 = NZG 2015, 1321 = EWiR 2015, 633 (Wachter). 58) BGHZ 115, 78, 81 = ZIP 1991, 1002 = NJW 1991, 2566, dazu EWiR 1991, 903 (K. Schmidt); Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 12. 59) BGHZ 115, 78, 82 f = ZIP 1991, 1002 = NJW 1991, 2566, dazu EWiR 1991, 903 (K. Schmidt); BGH, ZIP 2002, 1895, 1897; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 12; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 6 Rn. 17; a. A. aber Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 25 f – c. i. c. 60) Grundlegend U. Stein, Das faktische Organ, S. 100 ff; vgl. auch Fleischer, GmbHR 2011, 337.

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3.

Statutarische Bestellungsvoraussetzungen (-hindernisse)

Unterliegt die Gesellschaft nicht der Mitbestimmung, kann die Satzung Bestellungsvoraussetzungen oder -hindernisse aufstellen, welche die Gesellschafterversammlung (bzw. ein hiervon abweichendes Bestellungsorgan) binden. Während in mitbestimmten Gesellschaften die Anforderungen an Eignungsklauseln schon seit jeher durch das Erfordernis sachlicher Gründe sowie das Auswahlermessen des Aufsichtsrats eingeschränkt sind,61) ist die früher sonst als einschränkungslos anerkannte Satzungsautonomie inzwischen auch durch das AGG limitiert, dessen §§ 6 – 18 auch für Organmitglieder Geltung heischen (§ 6 Abs. 3 AGG).62) Das einzelne Bestellungskriterium bzw. –hindernis bedarf daher generell einer sachlichen Rechtfertigung im Gesellschaftsinteresse, was namentlich bei den praktisch bedeutsamen Altersklauseln (Mindest-, Höchstalter) zu angemessenen Ergebnissen führt.63) Von vornherein unproblematisch sind Anforderungen an die fachliche Qualifikation, einschließlich einer (spezifischen) Berufserfahrung. Demgegenüber dürfte eine Auswahl nach Geschlecht,64) ethnischer Herkunft, Religion und Weltanschauung in der Regel nicht durch gesellschaftsspezifische Interessen zu rechtfertigen sein.65) Wird bei der Beschlussfassung eine vertragliche Bestellungsvoraussetzung nicht beachtet, bleibt die Bestellung wirksam; doch kann der Bestellungsbeschluss wegen Satzungsverstoßes (analog § 243 Abs. 1 AktG) angefochten werden.66)

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IV. Grundsatz der Drittorganschaft (Abs. 3 Satz 1) Neben oder anstelle von Gesellschaftern können auch Dritte zu Geschäftsführern bestellt werden (Abs. 3 Satz 1). Die Rechtsstellung der Geschäftsführer hängt auch nicht davon ab, ob sie zugleich Gesellschafter sind. Ein – vorbehaltlich eines wichtigen Grundes – nur mit Zustimmung des Berechtigten entziehbares Sonderrecht auf Geschäftsführung (§ 35 BGB, siehe § 2 Rn. 30 [Schäfer]) kann allerdings nur Gesellschaftern eingeräumt werden.67) Gewisse Besonderheiten gelten außerdem für den Gesellschafter-Geschäftsführer der Einpersonengesellschaft (dazu siehe § 35 Rn. 39 f [Jacoby]). Der Grundsatz der Drittorganschaft findet seine Grundlage _____________ 61) Dazu Ulmer/Habersack/Henssler-Ulmer/Habersack, MitbestR, Rn. 10 ff; s. a. Ulmer/ Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 6 Rn. 61; zur Anwendbarkeit des AGG speziell Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 255 ff. 62) S. BGHZ 193, 110 = ZIP 2012, 1291 = GmbHR 2012, 845, dazu EWiR 2012, 437 (Bross) – § 22 AGG ist entspr. anwendbar auf Fremdgeschäftsführer, dessen Bestellung und Anstellung infolge einer Befristung abläuft und der sich erneut um das Amt des Geschäftsführers bewirbt; und dazu Paefgen, ZIP 2012, 1296; Wilsing/Meyer, NJW 2012, 3211; Bauer/ Arnold, NZG 2012, 921; Kort, WM 2013, 1049; eingehend zur Thematik auch Preis/Sagan, ZGR 2013, 26, 59 ff. 63) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 35; Lutter, BB 2007, 725, 728 ff. 64) Zum Verstoß gegen das Gebot geschlechtsneutraler Stellenausschreibung gemäß §§ 7 Abs. 1, 11 AGG durch den Begriff „Geschäftsführer“ OLG Karlsruhe, ZIP 2011, 1979 = GmbHR 2011, 1147 = DB 2011, 2256. 65) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 35. 66) Unstr., Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 36 – Verstöße gegen das AGG führen aufgrund dessen Schutzzwecks dagegen nicht zur Anfechtbarkeit der Bestellung, s. zutr. Bauer/Arnold, AG 2007, 807. 67) Vgl. etwa BGH, ZIP 2012, 824, 826, Rn. 21 = GmbHR 2012, 638 = NZG 2012, 502, dazu EWiR 2012, 377 (Nolting).

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in dem gesetzlichen Idealtypus der Kapitalgesellschaft, die grundsätzlich auf eine Vielzahl von Gesellschaftern angelegt ist, bei denen die persönliche Mitarbeit in der Gesellschaft nicht, wie in der Personengesellschaft (Selbstorganschaft), ohne weiteres vorausgesetzt werden kann. V. Die Bestellung der Geschäftsführer (Abs. 3 Satz 2) 15

Der körperschaftliche Bestellungsakt ist strikt von dem dienstvertraglichen Anstellungsverhältnis zu unterscheiden; die Bestellung begründet sämtliche organschaftlichen Rechte und Pflichten des Geschäftsführers, während der Anstellungsvertrag die (weiteren) Rechte und Pflichten des Geschäftsführers gegenüber der GmbH regelt (siehe § 35 Rn. 13 f [Jacoby]). Eine Koppelung des Dienstverhältnisses an die Organstellung ist aber – unter Beachtung der §§ 621 f BGB – möglich.68) Absatz 3 Satz 2 stellt ausdrücklich klar, dass die Bestellung schon in der Vor-GmbH durch (Mehrheits-)Beschluss der Gesellschafter gemäß §§ 46 Nr. 5, 48 erfolgen kann. Stattdessen kann (nur) die erste Bestellung auch im Gesellschaftsvertrag erfolgen, ohne dass dies in der Regel unterschiedliche Rechtsfolgen auslöst. Denn in der Regel handelt es sich lediglich um einen formellen Satzungsbestandteil (siehe § 2 Rn. 20 [Schäfer]),69) sodass zur Abberufung des Geschäftsführers keineswegs eine Satzungsänderung (mit qualifizierter Mehrheit) erforderlich ist, der Beschluss vielmehr mit einfacher Mehrheit (§ 47 Abs. 1) gefasst werden kann.70) Durch eine hinreichend klare Regelung im Gesellschaftsvertrag kann allerdings die Abberufung an weitere Bedingungen geknüpft bzw. die Organstellung mit einem Sonderrecht des Bestellten verbunden werden,71) letzteres kommt aber nur für Gesellschafter sowie unter der Voraussetzung in Frage, dass Gesellschaftsvertrag oder wenigstens Registerakten besondere Hinweise auf eine solche Vorzugsstellung enthalten;72) im Zweifel liegt lediglich eine einfache Bestellung vor. Die Abberufung aus wichtigem Grund kann in keinem Fall ausgeschlossen werden (§ 38 Abs. 2).

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Der Gesellschaftsvertrag kann abweichende Regeln zur Geschäftsführerbestellung vorsehen, etwa die Verlagerung der Kompetenz von der nach § 46 Nr. 5 grundsätzlich zuständigen Gesellschafterversammlung auf einen Aufsichtsrat, einen Gesellschafterausschuss oder sogar auf einen einzelnen Gesellschafter.73) Dritten kann dagegen kein _____________ 68) S. etwa BGHZ 112, 103, 115 = ZIP 1990, 1057 = NJW 1990, 2622, dazu EWiR 1990, 1209 (Priester); BGH, ZIP 1999, 1669 = GmbHR 1999, 1140 = NJW 1999, 3263 f; Goette, DStR 1999, 1745 f (Urteilsanm.); Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 45. 69) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 6 Rn. 64; Rowedder/Schmidt-LeithoffSchmidt-Leithoff, GmbHG, § 6 Rn. 36. 70) Vgl. nur BGHZ 80, 212, 215 = ZIP 1981, 609 m. Anm. K. Schmidt, S. 611 = NJW 1981, 2125; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 6 Rn. 65; Goette, DStR 1998, 938, 939. 71) OLG Hamm, ZIP 2002, 939 = NZG 2002, 421, 422 = GmbHR 2002, 428; BGH, GmbHR 1982, 129 = WM 1981, 438; Scholz-U. H. Schneider/S. H. Schneider, GmbHG, § 6 Rn. 80, 81; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 6 Rn. 27; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 64; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 6 Rn. 36. 72) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 6 Rn. 68 f – etwa: Bestellung auf Lebenszeit oder für die Zeit der Mitgliedschaft; Stammesverfassung mit paritätischer Besetzung. 73) Vgl. BGH, GmbHR 1973, 279 = WM 1973, 1295 = DNotZ 1974, 239; Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 6 Rn. 30; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 59.

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statutarisches Recht auf Bestellung eingeräumt werden (siehe § 3 Rn. 24 [Schäfer]).74) In jedem Falle bedarf es aber eines Bestellungsakts, auch wenn nach der Satzung eine Bestellung bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen erfolgen soll. In mitbestimmten Gesellschaften wird nach h. M. gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 MitbestG zwingend dem Aufsichtsrat die Bestellungskompetenz übertragen (entspr. auch § 12 Montan-MitbestG); siehe aber § 52 Rn. 144 ff [Rieble]. In der EinpersonenGmbH kann der einzige Gesellschafter sich selbst zum Geschäftsführer bestellen.75) § 35 Abs. 3 i. V. m. § 181 BGB sind unanwendbar, weil die Bestellung ein körperschaftlicher Akt ist, kein rechtsgeschäftliches Handeln für die Gesellschaft.76) Bei Verlust eines Geschäftsführers oder seiner rechtlichen Verhinderung kommt, sofern hierdurch ein notwendiger Geschäftsführer fehlt (siehe Rn. 15), analog § 29 BGB die Notbestellung durch das Amtsgericht am Sitz der Gesellschaft in Betracht.77) Die Bestellung erfolgt nur auf Antrag eines Beteiligten (Gesellschafter, Gläubiger, Mitgeschäftsführer)78) und nur bei Dringlichkeit, sofern also der Gesellschaft oder Dritten ein Schaden droht,79) folglich dann nicht, wenn Gesellschafter zur rechtzeitigen Bestellung in der Lage sind80) oder ein Alleingesellschaftergeschäftsführer sich selbst ersatzlos abberuft bzw. das Amt niederlegt81). Die Bestellung wirkt nur so lange, bis die ordnungsgemäße Vertretungssituation durch die Gesellschafter hergestellt ist; dann erlischt sie automatisch.82) Auch bei der Notbestellung besteht der Vergütungsanspruch allein der Gesellschaft gegenüber, nicht (auch) gegenüber den Gesellschaftern.83) _____________ 74) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 6 Rn. 68; Scholz-U. H. Schneider/ S. H. Schneider, GmbHG, § 6 Rn. 87 f; a. A. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 59; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 6 Rn. 31. 75) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 6 Rn. 75. 76) BGHZ 33, 189, 191; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 6 Rn. 28; Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 63, dort auch zur Anwendbarkeit des § 181 für den Fall, dass ein gesetzlicher Vertreter des Gesellschafters sich in der Gesellschaft zum Geschäftsführer bestellt; dazu auch Bachmann, ZIP 1999, 85. 77) Nachw. in Rn. 15. – Zur Notgeschäftsführerbestellung in der erheblich zerstrittenen Zweimann-GmbH s. OLG Frankfurt, GmbHR 2011, 1151 = NZG 2011, 1277 = NJWSpezial 2011, 657 m. Anm. Lutz, GWR 2011, 468 und OLG Zweibrücken, GmbHR 2012, 691 = NZG 2012, 424 – nur, wenn Problemlösung durch Gesellschafterversammlung nicht erreichbar ist; OLG Düsseldorf, ZIP 2016, 2314 = EWiR 2016, 721 (Paefgen/Schneider) – auch bei unklarer Vertretungslage. 78) Vgl. RGZ 116, 118; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 6 Rn. 82; Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 6 Rn. 32. 79) S. etwa OLG Zweibrücken, ZIP 2001, 973, 974 = GmbHR 2001, 571 = NJW-RR 2001, 1057, dazu EWiR 2002, 223 (Pape); Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 6 Rn. 43. 80) OLG Frankfurt/M., GmbHR 2001, 436 = DB 2001, 472 = Rpfleger 2001, 241. 81) Hier sind Abberufung bzw. Niederlegung i. d. R. wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam, vgl. OLG München, NZG 2011, 432; OLG Düsseldorf, GmbHR 2015, 1271 m. w. N.; OLG Frankfurt/M., ZIP 2015, 478 = GmbHR 2015, 363 – Amtsniederlegung in der Insolvenz; zur ausnahmsweisen Zulässigkeit OLG Dresden, NZG 2015, 391. 82) BGH, ZIP 1981, 182 = NJW 1981, 1041 = MDR 1981, 385; BayObLG, NZG 2000, 41 = NJW-RR 2000, 409; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 6 Rn. 97. 83) BGH, ZIP 1985, 283 = NJW 1985, 637 = WM 1985, 52; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 6 Rn. 32; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 56.

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VI. Auslegungsregel (Abs. 4) 18

Die Auslegungsregel des Absatzes 4 gilt nur für die gesellschaftsvertragliche Bestellung. Enthält der Vertrag eine Regelung, die sämtlichen Gesellschaftern Geschäftsführungsbefugnis einräumt, so gilt dies im Zweifel nur für die Gründungsgesellschafter. Zu Geschäftsführern bestellt werden demnach nur diejenigen, die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses Gesellschafter sind. Später hinzukommende Gesellschafter werden Geschäftsführer nur durch Bestellungsbeschluss. Scheidet ein Gesellschafter aus der GmbH aus, erlischt sein Geschäftsführeramt, sofern der Gesellschaftsvertrag keine abweichende Regelung vorsieht.84) VII. Haftung der Gesellschafter bei Inhabilität (Abs. 5) 1.

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Allgemeines

Der vom MoMiG eingeführte neue Haftungstatbestand dient der Bekämpfung von Missbrauch, namentlich in Gestalt der „Firmenbestattung“.85) Er tritt an die Seite der in Bestattungsfällen regelmäßig anzunehmenden Nichtigkeit der Geschäftsführerbestellung bzw. -abberufung.86) Zweck der Haftung ist es, im öffentlichen bzw. Gläubigerinteresse zu verhindern, dass die Gesellschafter eine inhabile Person zum Geschäftsführer bestellen oder ihr (bei Bestellung eines Strohmanns) sonst die Geschäfte überlassen.87) Die Gesellschafter haften der Gesellschaft gegenüber für die Auswahl eines amtsunfähigen Geschäftsführers oder seine Belassung nach späterem Eintritt der Inhabilität, sodass von einer Haftung für Auswahl- und Überwachungsverschulden gesprochen werden kann.88) Sie soll die Umgehung der Inhabilitätstatbestände durch Einschaltung eines Strohmanns verhindern und den Kapitalerhaltungsinteressen der Gesellschaft dienen:89) Wer duldet, dass ein Inhabiler faktisch die Geschäfte führt, haftet der Gesellschaft, auch wenn der bestellte Geschäftsführer nicht amtsunfähig ist. Demgegenüber kommt es auf die – ohnehin unwirksame – Bestellung eines inhabilen Geschäftsführers nicht entscheidend an. Der faktische Geschäftsführer selbst haftet nach allgemeinen Regeln (dazu siehe § 43 Rn. 6 ff [Klöhn]). Die Haftung trifft Aufsichtsratsmitglieder analog, sofern diese für Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer zuständig sind;90) eine Haftung (auch) _____________ 84) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 6 Rn. 103. 85) Begr. Bundesrat-Vorschlag, BT-Drucks. 15/3594, S. 25 f – zu einem ForderungssicherungsG; dazu eingehend Kleindiek, ZGR 2007, 276, 277 ff; Seibert in: FS Röhricht, S. 585, 587 ff. 86) Dazu OLG Zweibrücken NZG 2013, 1113; LG Saarbrücken BeckRS 2016, 08151; abweichend OLG Karlsruhe NZG 2013, 818; zur gleichzeitigen Abberufung des bisherigen Geschäftsführers Wicke MittBayNot 2014, 18. – Zur Nichtigkeit einer missbräuchlichen Sitzverlegung bei Bestattungen s. a. KG RNotZ 2011, 562; AG Memmingen NZG 2006, 7. 87) S. a. Begr. BR-Vorschlag, BT-Drucks. 16/511, S. 25 f. 88) BT-Drucks. 16/6140, S. 65; s. a. Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 6 Rn. 106 mit Hinweis auf BR-Drucks. 354/07 (Beschluss), S. 10; Schneider/Schneider, GmbHR 2012, 365, 368. 89) BR-Stellungnahme z. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, Anl. 2, S. 64 f. 90) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 34; Wicke, GmbHG, § 6 Rn. 22; Schneider/ Schneider, GmbHR 2012, 365, 366; abw. Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 6 Rn. 112 – Haftung nach allgemeinen Vorschriften (insbes. § 52 GmbHG, §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 2 AktG).

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der Gesellschafter schließt das nicht notwendig aus.91) Umgekehrt wird die Gesellschafterhaftung keineswegs dadurch ausgeschlossen, dass ein Mitgeschäftsführer nicht auf die Abberufung eines inhabilen Kollegen drängt; hier besteht ggf. Anspruchskonkurrenz. – Aufgrund der Übergangsregelung in § 3 Abs. 2 EGGmbHG wurde die Haftung für vor dem 1.11.2008 bestellte Geschäftsführer bei den neuen Amtsunfähigkeitstatbeständen (siehe Rn. 9 ff) erst praktisch, wenn sie wegen einer solchen Katalogtat nach dem 1.11.2008 rechtskräftig verurteilt wurden. 2.

Überlassen der Geschäftsführung

Das Tatbestandsmerkmal des Überlassens weicht bewusst vom Vorschlag des Bundesrates ab, der die Formulierung „bestellen oder nicht abberufen“ empfohlen hatte.92) Auf diese Weise soll die Geschäftsführung durch einen Inhabilen aufgrund fehlerhafter Bestellung zweifelsfrei erfasst werden. Denn die Bestellung ist bei Vorliegen eines Tatbestands nach Absatz 2 unwirksam und ein Geschäftsführer verliert bei später eintretender Amtsunfähigkeit automatisch sein Amt, ohne dass es hierfür einer Abberufung bedürfte (siehe Rn. 6, 9). Die Geschäftsführung ist dem Inhabilen nach vorheriger Bestellung also stets und ohne weiteres „überlassen“ i. S. v. Absatz 5, gleichviel ob die Amtsunfähigkeit von vornherein bestand oder nachträglich eingetreten ist.93) Schon aufgrund des Gesetzeszwecks (siehe Rn. 23) wird aber auch das bloß faktische Handeln für die Gesellschaft ohne Bestellung erfasst, sofern der Betreffende – auch als Hintermann – die Geschicke der Gesellschaft in die Hand genommen hat, also als faktischer Geschäftsführer agiert (dazu siehe § 35 Rn. 19 [Jacoby]).94) Wer dies als Gesellschafter mindestens fahrlässig duldet (siehe Rn. 22), unterliegt der Haftung nach Absatz 5.

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Nicht eindeutig beurteilt wird, ob auch Minderheitsgesellschafter in die Haftung einbezogen werden. Soweit zum Teil gesagt wird, diese seien generell von der Haftung ausgeschlossen, wenn sie nur gegen den Antrag auf Bestellung eines Inhabilen gestimmt haben,95) ist dem nicht zuzustimmen. Im Ausgangspunkt ist jeder Gesellschafter (unter Einschluss mittelbar Beteiligter) Haftungsadressat, sofern er das Handeln eines inhabilen Geschäftsführers duldet.96) Hat ein Minderheitsgesellschafter allerdings alle ihm zumutbaren Schritte unternommen, um das Auftreten des Amtsunfähigen für die Gesellschaft zu unterbinden, trifft ihn kein Verschulden (siehe Rn. 22). Hierzu muss er wenigstens auf die Einberufung einer (weiteren) Ge-

21

_____________ 91) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 34; Ulmer/Habersack/Winter-Paefgen, GmbHG, MoMiG-Erg.-Bd., § 6 Rn. 22; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 52. 92) Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des RA, BT-Drucks. 16/9737, S. 96. 93) Unstr., etwa Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 46; Schneider/Schneider, GmbHR 2012, 365, 367; ähnlich auch Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 27. 94) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 48; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 32; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 6 Rn. 107. 95) So Wicke, GmbHG, § 6 Rn. 21; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 6 Rn. 110 – keine Haftung, wenn Gesellschafter gegen die Bestellung stimmt, sich enthält oder an der Abstimmung nicht teilnimmt. 96) Zutr. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 29 f; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 52; Schneider/Schneider GmbHR 2012, 365, 366; a. A. (enger) Ulmer/ Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 6 Rn. 108 – nur sog. „Drahtzieher-Gesellschafter“.

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§6

Geschäftsführer

sellschafterversammlung zur Bestellung eines neuen Geschäftsführers drängen bzw. die Versammlung selbst nach § 50 einberufen, falls er zu wenigstens 10 % beteiligt ist.97) 3. 22

4. 23

Verschulden

Die Überlassung der Geschäftsführung (siehe Rn. 20) muss vorsätzlich oder grob fahrlässig sein; das Auftreten des Inhabilen als Geschäftsführer und seine Amtsunfähigkeit müssen dem Gesellschafter also wenigstens so deutlich erkennbar sein, dass sich ihm weitere Erkundigungen aufdrängen. So verlangt etwa das Wissen um eine Vorstrafe die Überprüfung, ob eine Katalogstraftat begangen wurde.98) Grobe Fahrlässigkeit ist regelmäßig bei Einschaltung eines Strohmanns und/oder dann anzunehmen, wenn die Geschäftsführung ohne förmliche Bestellung einem anderen übertragen wird.99) Im Übrigen obliegt jedem Gesellschafter ein Mindestmaß an Kontrollpflichten auch unabhängig von seiner konkreten Stellung in der Gesellschaft und der Größe des Unternehmens. Erhöhten Anforderungen unterliegen die mit der Auswahl des Geschäftsführers betrauten Gesellschafter. Minderheitsgesellschafter, die von der Amtsunfähigkeit erfahren, müssen wenigstens den Versuch unternehmen, eine Gesellschafterversammlung zur Bestellung eines anderen Geschäftsführers einzuberufen, sofern sie die Einberufung nicht selbst vornehmen können (siehe Rn. 21). Die Beweislast für fehlendes Verschulden trägt der Gesellschafter.100) Ob den Geschäftsführer selbst ein Verschulden trifft, ist für die Gesellschafterhaftung belanglos.101) Schadensverursachung durch den Amtsunfähigen

Damit die Gesellschafter nach Absatz 5 haften, muss der Gesellschaft grundsätzlich infolge einer Pflichtverletzung des fehlerhaft bestellten bzw. faktischen Geschäftsführers i. S. v. § 43 („Obliegenheitsverletzung“; siehe § 43 Abs. 2) ein Schaden entstanden sein.102) Damit wird indirekt zugleich die Haftung des bloß faktischen Geschäftsführers nach § 43 anerkannt (siehe Rn. 18 f). Beruht der Schaden allerdings (auch) auf der Amtsunfähigkeit des Geschäftsführers, kommt ausnahmsweise eine Gesellschafterhaftung in Betracht, ohne dass der faktische Geschäftsführer (z. B. Geschäftsunfähige) selbst haftbar ist.103) Im Übrigen schließt eine (mehrheitliche) Weisung der Gesellschafter oder ihre einvernehmliche Billigung zwar grundsätzlich eine Haftung des Geschäftsführers aus (siehe § 43 Rn. 52 [Klöhn]); dies gilt jedoch naturgemäß dann nicht, wenn der Geschäftsführer gegen zwingendes Recht, nament_____________ 97) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 50; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 30 a. E.; vgl. auch BGH, ZIP 1990, 1413 = NJW 1990, 2560, 2566 = DB 1990, 1859 – Lederspray, – zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Minderheitsgesellschaftern. 98) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 50; Römermann, GmbHR-Sonderheft 10/2008, S. 62, 69. 99) Zutr. Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 50. 100) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 60. 101) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 61; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 6 Rn. 115. 102) BT-Drucks. 16/6140, S. 65; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 53. 103) Zutr. Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 61.

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§7

Anmeldung der Gesellschaft

lich ihm im Gläubigerinteresse auferlegte Pflichten, verstößt; die § 43 Abs. 3 Satz 3 bzw. § 64 Satz 4 drücken insofern lediglich einen allgemeinen Grundsatz aus. Außerhalb der Disposition der Gesellschafter liegt etwa auch die Existenzvernichtung der Gesellschaft. Umgekehrt scheidet innerhalb der Dispositionsbefugnis der Gesellschafter sowohl eine Haftung des Geschäftsführers als auch eine solche der Gesellschafter nach Absatz 5 aus, zumal die (hierin einigen) Gesellschafter auch nachträglich auf Ansprüche gegen den Geschäftsführer verzichten können.104) De facto bleibt also im Wesentlichen die Haftung wegen der Verletzung solcher Pflichten, die dem Geschäftsführer im Interesse der Gläubiger oder der Öffentlichkeit auferlegt sind, worin sich der legitime und gesetzessystematisch korrekt verortete gläubigerschützende Zweck der Haftung nach Absatz 5 zeigt (siehe Rn. 19).105) Wo also der Geschäftsführer gläubigerschützende Normen verletzt, bewahrt die Weisung weder ihn noch die Gesellschafter vor einer Haftung. – Die Beweislast für die fehlende Pflichtwidrigkeit des Geschäftsführerhandelns tragen nach allgemeinen Regeln (zur Geschäftsführerhaftung) die in Anspruch genommenen Gesellschafter.106) 5.

Rechtsfolge

Die nach Absatz 5 verantwortlichen Gesellschafter haften als Gesamtschuldner (§ 426 BGB) gegenüber der Gesellschaft. Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre (§ 43 Abs. 4). Die Haftung muss vom (neuen) Geschäftsführer durchgesetzt werden, der regelmäßig zugleich den inhabilen (Ex-)Geschäftsführer in Anspruch nehmen wird, welcher ebenfalls gesamtschuldnerisch für den Schaden haftet.107) Die Gesellschafter können hierauf nur i. R. ihrer Dispositionsbefugnis Einfluss nehmen (siehe Rn. 23). In der Insolvenz ist für die Durchsetzung der Insolvenzverwalter zuständig. Außerdem ist den Gesellschaftsgläubigern, die lediglich einen Reflexschaden wegen Schädigung (nur) der GmbH erleiden und daher keine Direktansprüche haben, analog §§ 93 Abs. 5 Satz 1, 117 Abs. 5 Satz 1, 309 Abs. 4 Satz 3 AktG ein eigenes Verfolgungsrecht zuzuerkennen.108) _____________ 104) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 56 f; a. A. Ulmer/Habersack/LöbbePaefgen, GmbHG, § 6 Rn. 114. 105) Zutr. Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 58. 106) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 60. 107) S. nur Römermann, GmbHR Sonderheft 10/2008, S. 62, 70; allg. zur Haftung des faktischen Geschäftsführers auch Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 2 f. 108) Überzeugend Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 59.

§7 Anmeldung der Gesellschaft Carsten Schäfer

(1) Die Gesellschaft ist bei dem Gericht, in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat, zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. (2) 1Die Anmeldung darf erst erfolgen, wenn auf jeden Geschäftsanteil, soweit nicht Sacheinlagen vereinbart sind, ein Viertel des Nennbetrags eingezahlt ist. 2 Insgesamt muss auf das Stammkapital mindestens soviel eingezahlt sein, dass der Gesamtbetrag der eingezahlten Geldeinlagen zuzüglich des GesamtnennbeCarsten Schäfer

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§7

Anmeldung der Gesellschaft

trags der Geschäftsanteile, für die Sacheinlagen zu leisten sind, die Hälfte des Mindeststammkapitals gemäß § 5 Abs. 1 erreicht. (3) Die Sacheinlagen sind vor der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister so an die Gesellschaft zu bewirken, dass sie endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführer stehen. Literatur: Bayer, Unwirksame Leistungen auf die Stammeinlage und nachträgliche Erfüllung, GmbHR 2004, 445; Cramer, Die Übernahme des Gründungsaufwands durch die GmbH, NZG 2015, 373; Haverkamp, Zeitenwende im Recht der Kapitalaufbringung: Die Einzahlung von GmbH-Stammeinlagen auf ein debitorisches Konto ist wirksam!, ZInsO 2008, 1126; Ising, Handelsregisteranmeldungen durch den beurkundenden Notar, NZG 2012, 289; Jeep/Wiedemann, Die Praxis der elektronischen Registeranmeldung – Die Umsetzung des EHUG aus notarieller und richterlicher Sicht, NJW 2007, 2439; Müller/Federmann, Praktische Hinweise zum Erwerb einer Vorrats-GmbH nach dem MoMiG, BB 2009, 1375; Schlotter/Reiser, Ein Jahr EHUG – die ersten Praxiserfahrungen, BB 2008, 118; Sikora/Schwab, Das EHUG in der notariellen Praxis, MittBayNot 2007, 1; Vossius, Keine Umwidmung von Gründungs- in Erhöhungseinlage, NotBZ 2013, 383. Übersicht I. Allgemeines .......................................... 1 II. Anmeldung der Gesellschaft (Abs. 1) .................................................. 3 1. Rechtsnatur der Anmeldung ................ 3 2. Anmeldebefugnis .................................. 5 3. Zuständigkeit für das Eintragungsverfahren ................................................ 7 4. Form und Inhalt der Anmeldung ................................................. 8 5. Fehlerhafte Anmeldung ........................ 9 III. Einlageleistung vor der Anmeldung (Abs. 2, 3) .................................. 10

I. 1

1.

2. 3. 4. 5.

Mindesteinzahlung als Anmeldevoraussetzung ...................................... 10 a) Allgemeines .................................. 10 b) Mindesteinzahlung je Geschäftsanteil (Abs. 2 Satz 1) ........ 11 c) Mindestgesamtleistung auf das Stammkapital (Abs. 2 Satz 2) ...... 12 Mehrleistungen .................................... 14 Zahlung zur endgültigen freien Verfügung ............................................ 16 Zahlungsempfänger ............................. 23 Sacheinlagen (Abs. 3) .......................... 26

Allgemeines

Daraus, dass die GmbH erst mit der Eintragung entsteht (§§ 10, 11 Abs. 1), ergibt sich für die Gründer naturgemäß ein Anmeldezwang, den § 7 konkretisiert, zumal eine Eintragung von Amts wegen kaum vorstellbar wäre. Selbstverständlich besteht aber der Anmeldezwang nur so lange, wie die Gesellschafter an der Gründung einer GmbH (UG) festhalten.1) Geben sie die Eintragungsabsicht auf, wandelt sich die Gesellschaft, sofern diese bereits ein Unternehmen betreibt, allerdings in eine OHG oder (mangels Gewerbebetriebs) in eine GbR um, sodass im ersten Fall eine Anmeldepflicht aus § 29 HGB entsteht. Auch im Übrigen sind die §§ 7, 8 als Spezialvorschriften zu § 29 HGB anzusehen; selbstverständlich ist keine gesonderte Anmeldung der Firma erforderlich. – Die Vorschrift gilt entsprechend bei Kapitalerhöhungen (§ 56a) sowie bei der wirtschaftlichen Neugründung einer Vorrats-GmbH (siehe § 3 Rn. 18 [Schäfer]).2) – _____________ 1) 2)

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Unstr., vgl. nur Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 5. BGHZ 155, 318 = ZIP 2003, 1698 = NJW 2003, 3198, dazu EWiR 2003, 967 (Keil); BGHZ 153, 158 = ZIP 2003, 251 = NJW 2003, 892, dazu EWiR 2003, 327 (Keil); OLG Celle, ZIP 2008, 605 (LS) = GmbHR 2008, 211 = NZG 2008, 271; OLG München, ZIP 2010, 579 = BB 2010, 1240, 1241 = NZG 2010, 544, dazu EWiR 2010, 249 (Melchior); vgl. auch Müller/Federmann, BB 2009, 1375.

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§7

Anmeldung der Gesellschaft

Die Vorschriften des § 7 dienen dem öffentlichen Interesse bzw. dem Gläubigerschutz und sind daher zwingendes Recht.3) Der Normtext hat sich wie folgt entwickelt: Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 wurden zum 1.1.1981 eingefügt (GmbH-Novelle 19804)), Absatz 2 Satz 2 durch das EuroEG5) zum 1.1.1999 ohne sachliche Änderung von einem absoluten DM-Betrag auf die (relative) Hälfte des Stammkapitals umgestellt. Die Absätze 2 und 3, welche die Mindesteinzahlungen bei der Gründung festlegen, sind durch das MoMiG6) zum 1.11.2008 begrifflich an die neue Terminologie des § 5 Abs. 2 („Geschäftsanteil“, „Nennbetrag“) angepasst worden; Absatz 2 Satz 3, der eine besondere Sicherheit für ausstehende Einlagen bei der Einpersonen-Gründung vorgeschrieben hatte, wurde als unnötig gestrichen.7)

2

II. Anmeldung der Gesellschaft (Abs. 1) 1.

Rechtsnatur der Anmeldung

Die Anmeldung ist kein Rechtsgeschäft, sondern einerseits Verfahrenshandlung,8) andererseits organschaftlicher Akt;9) die Vorschriften über Willenserklärungen gelten jedoch teilweise analog.10) Das Anmeldeerfordernis besteht in Hinblick auf die konstitutive Eintragung der GmbH (siehe Rn. 1) ebenso wie bei aller Art von Satzungsänderungen (§ 54 Abs. 3). Dies unterscheidet es von echten (erzwingbaren) Anmeldepflichten, wie sie etwa § 39 hinsichtlich der Vertretungsbefugnisse bzw. § 67 Abs. 1 hinsichtlich der Liquidatoren enthält (weitere Beispiele: § 13d Abs. 2 HGB für Zweigniederlassungen; § 13h Abs. 1 HGB für die Verlegung der Hauptniederlassung). Folglich besteht nach Absatz 1 (entgegen dem Wortlaut) keine öffentlich-rechtliche Anmeldepflicht, sodass auch keine Zwangsgeldfestsetzung durch das Registergericht bei Nichtanmeldung in Betracht kommt (§ 79 Abs. 2).

3

Die fehlende öffentlich-rechtliche Anmeldepflicht (siehe Rn. 3) schließt eine Pflicht der Geschäftsführer gegenüber der (Vor-)Gesellschaft zur Vornahme der Anmeldung keineswegs aus. Diese entsteht mindestens durch eine entsprechende Weisung der Gesellschafter, aber auch ohne Weisung, wenn alle Voraussetzungen für die Anmeldung erfüllt sind und kein entgegenstehender Wille der Gesellschafter erkennbar ist.11) Erfüllt der Geschäftsführer seine Pflicht nicht, kann er entweder auf Abgabe der Anmeldung verklagt (Vollstreckung wegen Absatz 2 gemäß § 888 ZPO)

4

_____________ 3) Zur Anwendbarkeit bei Umwandlungen und zum Vorrang des UmwG vgl. OLG Frankfurt/M., ZIP 2015, 1229 = NZG 2015, 1318. 4) Gesetz v. 4.7.1980, BGBl. I 1980, 836. 5) Art. 3 § 3 des Gesetzes v. 9.6.1998 – EuroEG, BGBl. I 1998, 1242. 6) Art. 1 des Gesetzes v. 23.10.2008 – MoMiG, BGBl. I 2008, 2026. 7) Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 33. 8) Scholz-Veil, GmbHG, § 7 Rn. 12; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 7 Rn. 1. 9) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 19. 10) Näher Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 78 Rn. 1; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/ Casper, GmbHG, § 7 Rn. 10 – für § 130 Abs. 2 BGB bei Wegfall der GF-Eigenschaft vor Eintragung; Scholz-Veil, GmbHG, § 7 Rn. 12 – für § 104 ff BGB u. a. 11) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 5 f m. w. N.

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§7

Anmeldung der Gesellschaft

oder abberufen werden (§ 38); außerdem ist er der Gesellschaft zum Ersatz eines hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet (§ 43 Abs. 2).12) 2.

Anmeldebefugnis

5

Wer zur Anmeldung berechtigt ist, ergibt sich aus § 78. Demnach müssen sämtliche Geschäftsführer der Vor-GmbH (§ 6), einschließlich ihrer Stellvertreter (§ 44), gemeinschaftlich handeln, und zwar im Namen der Gesellschaft, nicht im eigenen.13) Deshalb entzieht die Rücknahme der Anmeldung durch einen Geschäftsführer dieser insgesamt die Grundlage.14) Ein gemäß § 6 Abs. 2 unwirksam bestellter Geschäftsführer (siehe § 6 Rn. 6 [Schäfer]) hat freilich keine Anmeldebefugnis. Ebenso steht den Gesellschaftern (Gründern) generell keine Anmeldebefugnis zu, und folglich unterliegen sie auch keiner (zivilrechtlichen) Mitwirkungspflicht in Bezug auf die Anmeldung.15) Wohl aber müssen sie aufgrund des Gesellschaftsvertrages alles zur Eintragung Erforderliche veranlassen (Mindesteinzahlungen; Mitwirkung am Sachgründungsbericht). Entsprechendes gilt für die Mitglieder eines Aufsichts- oder Beirats.

6

Dritte können nicht zur Abgabe der Versicherungen nach § 8 Abs. 2, 3 bevollmächtigt werden.16) Die Einreichung der von den Geschäftsführern formgerecht vorgefertigten Erklärungen durch einen Boten, namentlich den Notar,17) wird aber seit jeher als zulässig angesehen, zumal sie zur höchstpersönlichen Natur der Anmeldung nicht in Widerspruch steht.18) Dies gilt erst recht seit Neufassung des § 12 Abs. 1 Satz 1 HGB, wonach die elektronische Übermittlung in öffentlich-beglaubigter Form zu erfolgen hat, sodass sie in aller Regel der Notar einreichen wird. 3.

7

Zuständigkeit für das Eintragungsverfahren

Die Anmeldung ist nach Absatz 1 an das ausschließlich zuständige Registergericht (Amtsgericht, § 376 FamFG) am Satzungssitz der Gesellschaft (§ 4a) zu richten. Die Anmeldung bei einem unzuständigen Gericht ist von diesem zurückzuweisen, doch hat die fehlende Zuständigkeit auf die Wirksamkeit einer gleichwohl erfolgenden Eintragung keinen Einfluss (§ 2 Abs. 3 FamFG = § 7 FGG).19) Eine _____________ 12) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 7 Rn. 2; Scholz-Veil, GmbHG, § 7 Rn. 6 m. w. N. 13) BGHZ 105, 324, 327 = ZIP 1989, 29 = NJW 1989, 295, dazu EWiR 1889, 59 (SchulzeOsterloh). 14) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 7 Rn. 1. 15) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 7. 16) H. M., BayObLG, DB 1987, 215, 216 = GmbHR 1987, 228; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 7 Rn. 3; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 7 Rn. 1; Staub-Koch, HGB, § 12 Rn. 43; a. A. im Ansatz OLG Karlsruhe ZIP 2014, 2181 = NZG 2014, 1346 (betr. Änderung der Geschäftsansicht durch Prokuristen; entscheidend sei, dass Grundlagenentscheidung angemeldet werden solle, die von Prokura nicht gedeckt sei). 17) Ein Tätigwerden des Notars als Vertreter scheidet aus und folglich auch die Vollmachtsvermutung des § 378 FamFG, s. nur Staub-Koch, HGB, § 12 Rn. 51; vgl. auch Ising, NZG 2012, 289, 290 f – Anmeldung durch Notar in Verbindung mit persönlichen Versicherungen nicht sinnvoll. 18) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 13 m. w. N. 19) S. a. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 17; Scholz-Veil, GmbHG, § 7 Rn. 9.

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§7

Anmeldung der Gesellschaft

Amtslöschung gemäß § 395 FamFG (= § 142 FGG) kommt nur in Betracht, wenn die Anmeldung ohne den Willen der Geschäftsführer erfolgt ist.20) 4.

Form und Inhalt der Anmeldung

Die Anmeldung hat gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 HGB seit dem 1.1.200721) elektronisch in öffentlich beglaubigter Form (§ 129 BGB, §§ 39a, 40 BeurkG)22) zu erfolgen. Die Pflicht zur elektronischen Einreichung dient der Verfahrensbeschleunigung und schließt den Postweg zwingend aus; das Landesrecht kann eine Ausnahme bei Störungen des elektronischen Systems vorsehen (§ 54 Abs. 3 HRV). Der Notar hat neben der Beglaubigung die zur Eintragung erforderlichen Daten mit speziellen Programmen elektronisch aufzubereiten23) und dem Gericht zu übermitteln. Die nähere Ausgestaltung bleibt den Ländern aufgrund der Verordnungsermächtigung des § 8a Abs. 2 HGB überlassen.24) Die Einreichung per Email ist indessen nirgendwo ausreichend.25) Alternativ sollen elektronische öffentliche Urkunden auch von Behörden und siegelberechtigen Körperschaften ohne Hinzuziehung eines Notars zulässig sein.26) – Der Inhalt der Anmeldung und der dabei abzugebenden Versicherungen ergibt sich aus § 8 (siehe die Erläuterungen dort). Wegen der Voraussetzungen nach Absatz 2 (Mindesteinlagen) und 3 (Sacheinlagen) siehe Rn. 11 ff bzw. Rn. 26. – Wegen der Kosten der Anmeldung ist auf die Kommentierungen zu § 12 HGB zu verweisen.27) 5.

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Fehlerhafte Anmeldung

Ist die Anmeldung verfahrensfehlerhaft oder liegen die Voraussetzungen nach Absatz 2 oder 3 nicht vor, ist die Eintragung – vorbehaltlich einer Zwischenverfügung – vom Registergericht abzulehnen (§ 9c Abs. 1).28) In diesem Falle ist die Gesellschaft selbst beschwert und kann, vertreten durch die Gesellschafter, Beschwerde einlegen.29) Die Eintragung führt stets zur wirksamen Entstehung der GmbH, in der Regel auch zur Heilung der Mängel, schwerwiegende Verfahrensfehler ausgenommen. Geheilt werden insbesondere Inhalts- und Formfehler, das Fehlen der _____________ 20) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 16; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 7 Rn. 3. 21) Gesetz v. 10.11.2006 – EHUG, BGBl. I 2006, 2553. 22) Näher zur Beglaubigung etwa Staub-Koch, HGB, § 12 Rn. 24 f. 23) Dazu etwa Jeep/Wiedemann, NJW 2007, 2439; Schlotter/Reiser, BB 2008, 118. 24) Staub-Koch, HGB, § 8a Rn. 6 ff. 25) Sikora/Schwab, MittBayNot 2007, 1. 26) OLG Stuttgart, ZIP 2009, 1867 (LS) = GmbHR 2009, 666 (LS) = FGPrax 2009, 129 – unter Hinweis auf § 371a Abs. 2 ZPO. 27) Vgl. insbes. Staub-Koch, HGB, § 12 Rn. 78 ff sowie OLG Hamm, NJW-RR 2009, 935 = FGPrax 2009, 133 = MittBayNot 2009, 325 – Erstellung der XML-Datei im Zuge der elektronischen Registeranmeldung ist gebührenfreies Nebengeschäft gemäß §§ 147 Abs. 3, 35 KostO (str., s. Anm. von Sikora, MittBayNot 2009, 326; dazu jetzt Vorbemerkung 2.1 des Kostenverzeichnisses: § 35 KostO hat keine Entsprechung mehr). 28) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 7 Rn. 4 m. w. N.; Scholz-Veil, GmbHG, § 7 Rn. 15. 29) BGHZ 105, 324 = ZIP 1989, 29 = NJW 1989, 295, dazu EWiR 1889, 59 (SchulzeOsterloh); OLG Hamm, BB 2001, 1756 = Rpfleger 2001, 553 = DNotZ 2001, 956; s. a. BGHZ 117, 323 = ZIP 1992, 689 = NJW 1992, 1824, dazu EWiR 1992, 113 (Priester) – AG.

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§7

Anmeldung der Gesellschaft

nach § 8 erforderlichen Unterlagen oder Versicherungen, die örtliche Unzuständigkeit des Registergerichts, die unterbliebene Mitwirkung sämtlicher Geschäftsführer (soweit Einverständnis aller vorliegt) und die Anmeldung durch einen Vertreter (trotz Höchstpersönlichkeit, siehe Rn. 6). Nicht geheilt werden nur besonders schwerwiegende Mängel; sie können Anlass für eine Amtslöschung nach § 395 FamFG (früher § 142 FGG) sein.30) Hierzu zählt die Anmeldung ohne den Willen sämtlicher Geschäftsführer (durch Geschäftsführer oder Dritte) sowie eine Eintragung ohne Anmeldung.31) III. Einlageleistung vor der Anmeldung (Abs. 2, 3) 1.

Mindesteinzahlung als Anmeldevoraussetzung

a) Allgemeines 10

Die Absätze 2 und 3 dienen dem Gläubigerschutz durch Nachweis eines Mindestmaßes an finanzieller Leistungsfähigkeit und dem Ausschluss solcher Unternehmen, die hierzu nicht in der Lage sind.32) Gleichwohl lässt das Gesetz eine Anzahlung auf die Einlageschuld für die Anmeldung genügen. Der Gesetzgeber verzichtet bewusst auf eine Volleinzahlung als Anmeldungsvoraussetzung. Wirtschaftlich nicht benötigtes Kapital soll zunächst frei bleiben. Die Grenze kann allerdings durch Festsetzung eines (zu) niedrigen Stammkapitals mit anschließender Kapitalerhöhung oder Bereitstellung von Gesellschafterdarlehen umgangen werden. Es wird sogar als zulässig angesehen die Gründungskosten bis zu einer gewissen Höhe der Gesellschaft aufzuerlegen (siehe § 5 Rn. 35 f [Schäfer]).33) Der MoMiG-Geber hat sich trotz dieser moderaten Einzahlungsregelung nicht davon abhalten lassen, für die UG das Mindeststammkapital und damit auch die Einzahlungserfordernisse nahezu völlig freizugeben (siehe § 5a Rn. 13 [Schäfer]). Immerhin gilt dort ein Volleinzahlungsgebot auch für Geldeinlagen (siehe § 5a Abs. 2 Satz 1, zu Besonderheiten beim Übergang in die (normale) GmbH siehe § 5a Rn. 34 f [Schäfer]). – Die beiden Einzahlungsgrenzen nach Absatz 2 (anteilsbezogen und insgesamt) müssen kumulativ eingehalten werden (siehe Rn. 11 f). b) Mindesteinzahlung je Geschäftsanteil (Abs. 2 Satz 1)

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Satz 1, der seit dem MoMiG (siehe Rn. 2) entsprechend § 5 Abs. 2 nicht mehr von „Stammeinlage“, sondern „Geschäftsanteil“ spricht, stellt für Geldeinlagen das Erfordernis einer Mindesteinzahlung von 25 % des Nennbetrags auf jeden Geschäftsanteil auf (zu Sacheinlagen und Sachübernahmen siehe Absatz 3 und siehe Rn. 26). Aufgrund der Mindestgesamtleistung (Satz 2) liegt sie bei reinen Bargründungen bei einzelnen Gesellschaftern allerdings zwangsläufig höher, wenn das Stammkapital lediglich die Mindestgrenze erreicht (siehe Rn. 12). Bei gemischten _____________ 30) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 7 Rn. 4; Scholz-Veil, GmbHG, § 7 Rn. 16. 31) Scholz-Veil, GmbHG, § 7 Rn. 16; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 11, 15; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 7 Rn. 4. 32) Vgl. BT-Drucks. 8/1347, S. 32 – zur identischen früheren Regelung in § 7a. 33) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 5 Rn. 57; s. a. OLG Celle, ZIP 2014, 2387 = DStR 2015, 139 = GmbHR 2015, 154 – bis zu 10 % des Stammkapitals, dazu Cramer, NZG 2015, 373.

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Einlagen (siehe § 5 Rn. 20 [Schäfer]) ist der Sacheinlageanteil gemäß Absatz 3 voll, der Geldanteil zu mindestens 25 % zu erbringen,34) bezogen auf den um den Wert der Sacheinlage reduzierten Nennbetrag. Da sich die Mindesteinzahlungspflicht ausdrücklich auf jeden einzelnen Geschäftsanteil bezieht, ist eine Gesamtbetrachtung insoweit ausgeschlossen. Die Nichterfüllung bei einem Anteil kann also nicht durch Mehrzahlung auf einen anderen kompensiert werden.35) Hält ein Gesellschafter mehrere Geschäftsanteile (§ 5 Abs. 2 Satz 2 GmbHG) kann er durch eine Tilgungsbestimmung i. S. d. § 366 Abs. 1 BGB festlegen, auf welchen Geschäftsanteil er zahlt. Trifft er keine solche Bestimmung, die auch konkludent erfolgen kann, findet § 366 Abs. 2 BGB Anwendung, sodass eine gleichmäßige Anrechnung erfolgt, zumal die in § 366 Abs. 2 BGB genannten Kriterien in Bezug auf Geschäftsanteile unergiebig sind.36) Die nachträgliche Umwidmung einer Leistung durch Abänderung der Tilgungsbestimmung ist aus Gründen des Gläubigerschutzes und im Übrigen auch deshalb ausgeschlossen, weil sie Auswirkungen auf die zwingende Haftung von Rechtsvorgängern und Mitgesellschaftern nach §§ 22, 24 GmbHG hätte.37) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung der zu zahlenden Beträge ist grundsätzlich die Anmeldung. Werden die Nennbeträge durch Satzungsänderung zwischen Anmeldung und Eintragung erhöht, müssen entstandene Differenzbeträge nachentrichtet werden.38) Maßgeblicher Bezugspunkt für die Einlagepflicht ist allein der Nennbetrag; für ein als Nebenleistung i. S. v. § 3 Abs. 2 (siehe § 3 Rn. 30 [Schäfer]) vereinbartes Agio kann die Fälligkeit durch den Gesellschaftsvertrag frei bestimmt werden und wird deshalb auch nicht i. R. v. § 9c registergerichtlich überprüft.39) c) Mindestgesamtleistung auf das Stammkapital (Abs. 2 Satz 2) Satz 2 verlangt zusätzlich, dass der Wert der insgesamt erbrachten Einlagen die Hälfte des gesetzlich vorgesehenen Mindestkapitals gemäß § 5 Abs. 1 (= 25.000 €) erreicht. Bezugspunkt ist somit – anders als nach Satz 1 – nicht das statutarische Stammkapital. Der Mindestgesamtbetrag beträgt daher stets 12.500 €, abzüglich des (festgesetzten) Wertes etwaiger Sacheinlagen. Entspricht also bei einer reinen Bargründung das statutarische Stammkapital dem Mindestbetrag, müssen zusätzlich zu der Mindesteinlage pro Geschäftsanteil nach Satz 1 insgesamt weitere 6.250 € aufgebracht werden. Es gilt hier aber, anders als bei der Grenze nach Satz 1, eine Gesamtbetrachtung, sodass die Gesellschafter im Prinzip frei sind, die zusätzliche _____________ 34) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 28; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 7 Rn. 4; ferner OLG Celle, ZIP 2016, 368 = DStR 2016, 332 = NZG 2016, 300 und dazu Sammet, NZG 2016, 344; a. A. Cavin, NZG 2016, 734, wenn bewirkte Sacheinlage 25 % des Nennbetrags deckt. 35) Unstr., vgl. nur Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 7 Rn. 19. 36) OLG Hamm, GmbHR 2011, 652 f = RNotZ 2011, 437 = NotBZ 2011, 337, dazu EWiR 2011, 601 (Wachter). 37) BGH, ZIP 2013, 1422 Rn. 15 = GmbHR 2013, 869 = NZG 2013, 865; Wachter, EWiR 2013, 281, 282; Vossius, NotBZ 2013, 383. 38) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 7 Rn. 20. 39) Ganz h. M., vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 26 m. N. zu Gegenstimmen; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 7 Rn. 4; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 7 Rn. 5a.

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Leistungspflicht einvernehmlich zu regeln, und sogar ein einzelner Gesellschafter den gesamten Rest übernehmen kann. Ohne eine besondere Vertragsbestimmung (oder ad-hoc-Einigung) ist die Einzahlungspflicht freilich gemäß § 19 Abs. 1 im Verhältnis ihrer Beteiligungen auf die Gesellschafter zu verteilen.40) 13

Seit Aufhebung von Satz 3 a. F. durch das MoMiG (siehe Rn. 2) gelten keine Besonderheiten mehr für Einpersonen-Gründungen. Früher musste der Differenzbetrag zwischen Mindesteinzahlung und Stammkapital durch eine Sicherheitsleistung i. S. v. §§ 232 ff BGB abgedeckt werden; der Gesetzgeber hielt dies für eine überflüssige Erschwerung der Einpersonen-Gründung, zumal die Regelung durch die EinpersonenRL (89/667/EWG) nicht geboten war.41) 2.

Mehrleistungen

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Mehrleistungen sind in der Satzung vorgesehene oder freiwillige Einzahlungen auf die Einlagepflicht, die schon vor Eintragung über den gesetzlichen Mindestbetrag in Absatz 2 hinausgehen und bis zur vollen Höhe des Einlagebetrags reichen können. Ihre Tilgungswirkung war früher umstritten. Eine verbreitete Auffassung befürwortete sie nur dann, wenn der Mehrbetrag bei Eintragung noch in Geld vorhanden war, weil die Mehrleistung das Risiko einer vorzeitigen Geschäftsaufnahme und eines darauf beruhenden Vermögensverlustes erhöhe.42) Ersichtlich passt diese Begründung aber nicht zum derzeitigen Stand der Gesellschafterhaftung wegen Anlaufverlusten, die das Vorbelastungsverbot abgelöst hat (siehe § 11 Rn. 27 ff [Schroeter]). Weil die Kapitalausstattung heute durch die Vorbelastungshaftung der Gründer gerade auch bei einer (einvernehmlichen) Geschäftsaufnahme vor der Eintragung abgesichert wird, sind die Argumente gegen eine Tilgungswirkung von Mehrleistungen obsolet.43) Demnach setzt die Tilgungswirkung allerdings voraus, dass alle Gesellschafter sowohl der Geschäftsaufnahme – weil hiervon ihre Vorbelastungshaftung abhängt – als auch der Mehrleistung zugestimmt haben, weil diese sämtliche Gesellschafter gleichermaßen trifft.44) Die Zustimmung zur Geschäftsaufnahme beinhaltet freilich im Zweifel zugleich die Zustimmung zur Entgegennahme von Mehrleistungen.45)

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Soweit die Vorbelastungshaftung der Gründer an der fehlenden Zustimmung der Gesellschafter zur Geschäftsaufnahme scheitert, fehlt eine wesentliche Prämisse für die Tilgungswirkung von Mehrleistungen, siehe Rn. 14. Hier muss die Erfüllung _____________ 40) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 29; Scholz-Veil, GmbHG, § 7 Rn. 24; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 7 Rn. 6. 41) Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 33. 42) Nachweise bei Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 46. 43) Heute ganz h. M., BGHZ 105, 300 = ZIP 1989, 27 = NJW 1989, 710, dazu EWiR 1989, 55 (K. Schmidt); Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 46; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 7 Rn. 9; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 7 Rn. 5a. 44) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 46; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 7 Rn. 5a; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 7 Rn. 21f; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 7 Rn. 9; abw. zu letzterem aber Scholz-Veil, GmbHG, § 7 Rn. 47 – Verluste gehen vorrangig zu Lasten der Mehrleistung und beträfen nicht die Verlustdeckungshaftung. 45) Zutr. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 46.

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richtigerweise davon abhängen, ob die übrigen Gesellschafter speziell mit der Mehrleistung einverstanden waren, diese also durch die Satzung vorgeschrieben oder durch die Zustimmung der übrigen Gesellschafter gedeckt war.46) Handelt der einzahlende Gesellschafter hingegen unabgestimmt, trägt er das Risiko, dass der Geschäftsführer eigenmächtig die Geschäfte aufnimmt und der Betrag durch die Verluste aufgezehrt wird. Die Tilgungswirkung tritt dann erst bei der Eintragung ein, soweit der Mehrbetrag wenigstens seinem Wert nach noch im Gesellschaftsvermögen vorhanden ist.47) 3.

Zahlung zur endgültigen freien Verfügung

Das Gebot der Leistung zur endgültigen freien Verfügung der Geschäftsführer, das Absatz 3 nur für Sacheinlagen zur Sicherung der Aufbringung ausdrücklich erwähnt, gilt unstreitig auch für Geldeinlagen (inländisches Bar- und Buchgeld),48) zumal § 8 Abs. 2 Satz 1 dies für die Anmeldung ausdrücklich hervorhebt. Die Gesellschafter müssen ihre Verfügungsmacht über den Einlagebetrag endgültig verloren haben, und die Geschäftsführer tatsächlich und rechtlich in der Lage sein, über die Mittel uneingeschränkt, dauerhaft und vorbehaltlos für die Gesellschaft zu verfügen.49) Das Gebot der endgültigen freien Verfügung stellt damit die zentrale, über die allgemeinen Regeln des § 362 Abs. 1 BGB hinausgehende gesellschaftsrechtliche Erfüllungsvoraussetzung dar; freilich hat es dadurch erheblich an praktischer Bedeutung verloren, dass die kritischen Fälle des verabredeten Hin- und Herzahlens heute i. d. R. durch § 19 Abs. 5 erfasst werden (siehe Rn. 20). Das Erfordernis endgültiger freier Verfügung ist Ausdruck des Prinzips der realen (effektiven) Kapitalaufbringung. Trotz formaler Erbringung des geschuldeten Einlagebetrages besteht die Einlageschuld daher grundsätzlich fort, wenn der Geldbetrag der Gesellschaft nicht endgültig und effektiv zugeflossen ist. Die endgültige freie Verfügung bezieht sich – seit Aufgabe des Vorbelastungsverbots durch BGHZ 80, 129 – naturgemäß nicht auf den konkreten Einlagegegenstand, sondern grundsätzlich auf dessen Wert (zu Einschränkungen bei bestimmten Fallgestaltungen siehe Rn. 20 ff; zur teilweise abweichenden Beurteilung des Bundesgerichtshofs bei Leistungen auf debitorisches Konto siehe Rn. 22, bei Direktzahlung an Gesellschaftsgläubiger siehe Rn. 18).50)

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Wird ein anderer Gegenstand als Geld in inländischer Währung geleistet (insb. Schecks, Wechsel, Devisen), tritt die Erfüllung erst ein, wenn die erfüllungshalber

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_____________ 46) Zutr. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 47; dem folgend auch Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 7 Rn. 9; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 7 Rn. 5a; weitergehend (stets Erfüllung) Scholz-Veil, GmbHG, § 7 Rn. 47; ähnlich Roth/ Altmeppen-Roth, GmbHG, § 7 Rn. 22. 47) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 47. 48) S. nur BGHZ 113, 335, 347 = ZIP 1991, 511 = NJW 1991, 1754; BayObLG, GmbHR 1994, 329 = DB 1994, 524 = BB 1994, 530; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 52 f; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 7 Rn. 18 f. 49) BGHZ 113, 335, 347 = ZIP 1991, 511 = NJW 1991, 1754; Ulmer/Habersack/LöbbeUlmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 53. 50) Grundlegend Ihrig, Die endgültige freie Verfügung über die Einlage von Kapitalgesellschaften; ferner Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 55.

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geleisteten Gegenstände in Bar- oder Buchgeld transformiert wurden.51) Eine Leistung an Erfüllungs statt und sonstige Erfüllungssurrogate sind wegen des Erfordernisses realer Kapitalaufbringung für die Mindesteinlage zur Gewährleistung ausreichender Liquidität ganz ausgeschlossen, und zwar auch, soweit § 19 Abs. 2 Satz 2 einer Aufrechnung (einvernehmlich oder durch die Gesellschaft) nicht entgegensteht.52) 18

Die Zahlung kann außer durch den Inferenten auch durch Dritte erbracht werden (§ 267 BGB); wie bei der Leistung durch den Gesellschafter können hierfür auch Fremdmittel eingesetzt werden, selbstverständlich dürfen diese aber nicht (mittelbar) aus dem Vermögen der Gesellschaft stammen.53) Die Erfüllung der Einlageschuld kann nach §§ 362 Abs. 2, 185 BGB mit Einwilligung des Geschäftsführers jedenfalls dann auch durch Zahlung an Dritte erfolgen, wenn die Forderung des Gläubigers vollwertig ist.54) Anderes soll aber nach h. M. analog § 54 Abs. 3 AktG für die Mindesteinlage nach Absatz 2 gelten, deren Erfüllungswirkung selbst bei Anweisung durch den Geschäftsführer abgelehnt wird.55) Dies lässt sich indessen mit materiellen Anforderungen an die Erfüllung, namentlich dem Grundsatz der realen Kapitalaufbringung, nicht rechtfertigen, weil der Gesellschaft zweifelsfrei ein Wert i. H. d. Schuldbefreiung dauerhaft zufließt und deshalb dem – wertmäßig verstandenen – Gebot der endgültigen freien Verfügung des Geschäftsführers (siehe Rn. 16), der mit der Leistung einverstanden ist, Genüge getan wird.56) Es handelt sich lediglich um einen abgekürzten Zahlungsvorgang, sodass kein Grund besteht, die Erfüllungswirkung zu verneinen. Die (möglicherweise) leichtere Nachprüfbarkeit für das Registergericht rechtfertigt für sich nicht die restriktive Lösung der h. M., zumal sich § 54 Abs. 3 AktG auf § 37 Abs. 1 Satz 3 AktG (Erfordernis einer Bankbescheinigung) bezieht, der im GmbH-Recht nicht (entsprechend) gilt (siehe § 8 Rn. 63 [Wachter]). – War der Geschäftsführer hingegen nicht beteiligt, ist die Leistungspflicht schon wegen §§ 362 Abs. 2, 185 BGB nicht erloschen; die Schuldbefreiung, genauer der sich hieraus ergebende (bereicherungsrechtliche) Regressanspruch des Gesellschafters, kann dann nur als Sacheinlage geleistet werden. _____________ 51) OLG Dresden, ZIP 1999, 1885 = GmbHR 2000, 38 = NJW-RR 2000, 112; Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 7 Rn. 9; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 39; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 7 Rn. 13; eingehend Scholz-Veil, GmbHG, § 7 Rn. 32. 52) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 41; abw. Scholz-Veil, GmbHG, § 7 Rn. 33 – hinsichtlich der Aufrechnung. 53) BGH, ZIP 2004, 1046 = NZG 2004, 618; BGH, ZIP 1992, 1303 = NJW 1992, 2698; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 44; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 7 Rn. 9; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 7 Rn. 27f. 54) BGH, ZIP 1986, 161 = NJW 1986, 989, 990 = WM 1986, 129, dazu EWiR 1986, 159 (K. Schmidt). 55) BGHZ 150, 197, 200 = ZIP 2002, 799 = NJW 2002, 1716; BGH, ZIP 2011, 1101 Rn. 12 = GmbHR 2011, 705 = NZG 2011, 667; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 42; Scholz-Veil, GmbHG, § 7 Rn. 33; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 19 Rn. 13; Wicke, GmbHG, § 7 Rn. 7; BGH, ZIP 1986, 161 = NJW 1986, 989 = WM 1986, 129, dazu EWiR 1986, 159 (K. Schmidt); OLG Naumburg, GmbHR 1999, 1037 = DB 1999, 1897 = NJW-RR 1999, 1641. 56) So auch Bayer, GmbHR 2004, 445, 454 und Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 7 Rn. 16; K. Schmidt, GesR, § 37 II. 2. g) a. E.

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Verwendungsabreden zwischen Gesellschafter und Geschäftsführer hinsichtlich der eingelegten Beträge betreffen nicht die Mittelaufbringung und sind daher unter dem Aspekt der endgültigen freien Verfügung grundsätzlich unproblematisch, wenn sie der Umsetzung von Investitionsentscheidungen der Gesellschafter oder sonstiger, der Weisung der Gesellschafter unterliegender geschäftspolitischer Zwecke dienen. Anderes gilt aber, wenn sie zum (indirekten) Rückfluss der Einlagemittel an den einlegenden Gesellschafter, nahestehende Personen oder von ihm beherrschte Gesellschaften führen.57) Der MoMiG-Geber (siehe Rn. 2) hat spezielle Verwendungsabreden in zwei Fällen hiervon abweichend geregelt, soweit sie nämlich das Hin- und Herzahlen (siehe Rn. 20) und eine verdeckte Sacheinlage betreffen (siehe Rn. 21).

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Unter dem Begriff des Hin- und Herzahlens werden Konstellationen erfasst, in denen der Inferent seine Einlage zunächst erbringt, Geldmittel in entsprechender Höhe aber – mit oder ohne Rechtsgrundlage – wieder an den Gesellschafter zurückfließen; dieser Fall ist allerdings inzwischen in § 19 Abs. 5 geregelt (näher sogleich und siehe § 19 Rn. 36 ff). Werden die Mittel allerdings zur Begleichung einer bei Begründung der Einlagepflicht (durch Vertragsschluss bzw. Kapitalerhöhung) schon bestehenden – einlagefähigen – Forderung des Gesellschafters gegen die Gesellschaft verwendet, handelt es sich um einen Fall der spezieller geregelten verdeckten Sacheinlage gemäß § 19 Abs. 4 (siehe Rn. 21 und § 19 Rn. 36 ff [Bartels]). Das Vorliegen einer – erfüllungsschädlichen – Verwendungsabrede wird vermutet, wenn die Begründung der Einlageschuld und der Rückfluss der Mittel bei prinzipiell beliebiger Reihenfolge58) im Abstand von bis zu sechs Monaten erfolgen. Der klassische Fall betrifft die darlehensweise Rückzahlung der Einlage an den Gesellschafter; dies führte nach früherer Ansicht zur Nichterfüllung der Einlagepflicht.59) Seit dem MoMiG kommt es indes auf Vollwertigkeit und Fälligkeit des Rückgewähranspruchs an. Ohne Erfüllungswirkung bleibt die Leistung damit, wenn es sich um ein reguläres Darlehen handelt. Ebenso hat der Bundesgerichtshof – zu Unrecht60) – die Erfüllungswirkung auch dann verneint, wenn die Einlagemittel in einen (konzernweiten) Cash-Pool fließen, obwohl sie dort für die Gesellschaft jederzeit verfügbar sind.61) Diese Qualifizierung wurde durch den MoMiG-Geber

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_____________ 57) Unstr., vgl. nur BGHZ 113, 335, 347 = ZIP 1991, 511 = NJW 1991, 1754; BGH, ZIP 2011, 1101 Rn. 12 = GmbHR 2011, 705 = NZG 2011, 667; Ulmer/Habersack/LöbbeUlmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 56 f; Scholz-Veil, GmbHG, § 7 Rn. 38; Bayer, GmbHR 2004, 445, 449; näher zur Zurechnung von Zahlungen an Dritte vgl. Erläuterungen zu § 19 Abs. 5. 58) Unstr., s. nur Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 53. 59) Vgl. nur BGHZ 153, 107, 110 = ZIP 2003, 211 = NJW 2003, 825, dazu EWiR 2003, 223 (Blöse); BGHZ 165, 113, 116 f = ZIP 2005, 2203 = NJW 2006, 509, dazu EWiR 2006, 33 (Tillmann); BGH, ZIP 2004, 1046 = GmbHR 2004, 896 = WM 2004, 1140; zur erfüllungsschädlichen Rückzahlung an einen dem Gesellschafter zurechenbaren Dritten z. B. OLG Jena, ZIP 2007, 124 = WM 2007, 77, 80 = DB 2006, 2624, dazu EWiR 2007, 433 (Naraschewski) – Treuhänder; ferner nur Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 40; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 7 Rn. 24. 60) Vgl. Schäfer, BB-Special 7/2006, S. 5. 61) BGHZ 166, 8 ff = ZIP 2006, 665 = NJW 2006, 1736, dazu EWiR 2006, 523 (Hoos/ A. Kleinschmidt).

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indirekt dadurch bestätigt, dass § 19 Abs. 5 das Hin- und Herzahlen – allgemein, aber gerade auch für das Cash-Pooling –ausdrücklich (allerdings mit entgegengesetzter Tendenz) regelt. Demnach stellt die – angezeigte (Nachweise siehe § 19 Rn. 45 [Bartels])!62) – Rückzahlung des Einlagebetrages an den Gesellschafter die Erfüllungswirkung dann nicht in Frage, wenn die Gesellschaft hierfür einen vollwertigen und liquiden „Rückgewähranspruch“ erhält (siehe § 19 Abs. 5 Rn. 46 ff [Bartels]). 21

Auch der verdeckten Sacheinlage, bei der die Gesellschaft im Ergebnis statt Geld eine Sache erhält (zum Begriff siehe § 19 Abs. 4 und dazu siehe § 19 Rn. 15 ff [Bartels]), liegt eine grundsätzlich erfüllungsschädliche Verwendungsabrede zugrunde, die zum Rückfluss der Einlagemittel an den Gesellschafter führt, und zwar typischerweise aufgrund eines Verkehrsgeschäfts. Auch die Verrechnung mit Altforderungen des Gesellschafters gehört hierher; insoweit gehen die Regeln zur verdeckten Sacheinlage den für die einvernehmliche Aufrechnung geltenden (dazu Erläuterungen zu § 19 Abs. 2 Satz 2) vor. Wiederum wird die Abrede vermutet (siehe Rn. 20), wenn zwischen der Gründung (bzw. Kapitalerhöhung) und dem Rechtsgeschäft, auf dessen Grundlage die Geldmittel wieder an den Inferenten zurückfließen, ein Zeitraum von nicht mehr als sechs Monaten liegt (sofern die Abrede nicht anderweitig nachgewiesen werden kann). Die früher wegen fehlender freier Verfügung ausnahmslos erfüllungsschädliche verdeckte Sacheinlage hat im MoMiG (siehe Rn. 2) eine Neuregelung durch § 19 Abs. 4 n. F. erfahren. Demnach hat die verdeckte Leistung einer (einlagefähigen) Sache zwar weiterhin keine Erfüllungswirkung, doch kann ihr – vom Inferenten nachzuweisender – Wert auf die Barleistungspflicht angerechnet werden (näher Erläuterungen zu § 19 Abs. 4).

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Bei der Zahlung auf ein debitorisch geführtes Bankkonto der Gesellschaft hängt die Erfüllung der Einlagepflicht nach der Rechtsprechung nicht allein davon ab, ob der Gesellschaft dauerhaft ein Wert in Gestalt einer Schuldbefreiung zufließt. Vielmehr verlangt der Bundesgerichtshof für die Erfüllungswirkung zusätzlich, dass das kontoführende Kreditinstitut den Geschäftsführern gestattet, über den eingelegten Geldbetrag zu verfügen, entweder i. R. einer allgemeinen Kreditlinie oder aufgrund einer geduldeten Überziehung.63) Als ausreichend wird es aber angesehen, dass die Bank der Gesellschaft auf einem anderen Konto einen Kredit i. H. d. geleisteten Einlage zur Verfügung stellt.64) Wird das Einverständnis bzw. die Kreditlinie von der Bank storniert, fehlt es konsequentermaßen an der endgültigen freien Verfügung.65) Richtigerweise ist dem aber nur mit der – höchstrichterlich noch _____________ 62) Dazu, dass die Anzeige Erfüllungsvoraussetzung ist, vgl. BGHZ 180, 38 Rn. 16 = ZIP 2009, 713, 715 = NJW 2009, 2375 – Qivive, dazu EWiR 2009, 443 (Schodder) und BGH, ZIP 2009, 1561 m. Anm. Altmeppen, S. 1545 = DB 2009, 1755 = GmbHR 2009, 926 – Cash Pool II, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer); str. 63) BGH, ZIP 2005, 121 = NJW-RR 2005, 338 = NZG 2005, 180; vgl. auch LG Duisburg, GWR 2010, 15 m. Anm. Petrovicki. 64) BGHZ 150, 197 = ZIP 2002, 799 = NJW 2002, 1716. 65) BGH, ZIP 2005, 121 = NZG 2005, 180 = WM 2005, 132; BGHZ 150, 197 = ZIP 2002, 799 = NJW 2002, 1716; OLG Hamm, ZIP 2004, 1427 = GmbHR 2005, 168, dazu EWiR 2005, 23 (Höpfner); Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 7 Rn. 27b; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 34; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 7 Rn. 11.

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nicht bestätigten – Einschränkung zuzustimmen, dass eine Einzahlung auf Anweisung des Geschäftsführers den Gesellschafter auch ohne erneute Verfügbarkeit des Einlagebetrages befreit.66) Dies ergibt sich aus einem systematischen Vergleich zur vom Geschäftsführer angewiesenen Direktleistung an einen Gesellschaftsgläubiger (siehe Rn. 18), zumal der Gesellschaft auch hier dauerhaft ein Wert in Form der Schuldbefreiung zufließt. Selbst bei Annahme einer Analogie zu § 54 Abs. 3 AktG (siehe Rn. 18) würde insofern nichts anderes gelten. Eine Anweisung liegt auch dann vor, wenn der Geschäftsführer versäumt, den Inferenten ein anderes als das überzogene Konto zu nennen, wenn der Gesellschafter auf ein übliches und ihm bekanntes Geschäftskonto der GmbH überweist, sofern er dessen debitorischen Zustand nicht kennt.67) Diese Regeln gelten im Übrigen auch dann, wenn das Kreditinstitut, bei dem das Konto der Gesellschaft geführt ist, selbst Inferent ist.68) 4.

Zahlungsempfänger

Zahlungsempfänger ist – vorbehaltlich einer erfüllungswirksamen Leistung an einen Dritten (siehe Rn. 18) – die Vor-GmbH (GmbH i. G.).69) Die erforderliche Zweckbindung der Zahlung kann sich auch aus den Umständen ergeben.70) Deshalb ist es unschädlich, wenn das Einzahlungskonto schon für die (künftige) GmbH oder „Gründungsgesellschaft“ geführt wird. Es kann sogar auf den Geschäftsführer persönlich lauten, wenn es sich um ein in seiner Organeigenschaft eröffnetes Konto handelt.71) Bei Kapitalerhöhungen, für die Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend gelten (§ 56a), ist Zahlungsempfänger die GmbH.

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Zahlungen im Vorgründungsstadium auf ein Konto der – selbst nicht rechtsfähigen72) – Vorgründungsgesellschaft,73) des zukünftigen Geschäftsführers74) oder ein für die zukünftige (Vor-)Gesellschaft errichtetes Konto75) bewirken keine Erfüllung. Eine nachträgliche Befreiung von der Barleistungspflicht tritt nur ein,

24

_____________ 66) OLG Oldenburg, ZIP 2009, 424 = GmbHR 2008, 1270; OLG Bamberg, OLGR 2003, 12 = GmbHR 2003, 717; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 7 Rn. 21 f; Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 7 Rn. 11; zu Unrecht krit. Haverkamp, ZInsO 2008, 1126. 67) Zutr. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 7 Rn. 22. 68) Str., zutr. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 35 m. N. auch zur Gegenauffassung. 69) Unstr., vgl. nur BGHZ 45, 338 = DB 1966, 853 = NJW 1966, 1311; Scholz-Veil, GmbHG, § 7 Rn. 27. 70) S. z. B. OLG Frankfurt/M., ZIP 1992, 765 = GmbHR 1992, 604 = BB 1992, 1082. 71) BGHZ 153, 107, 112 = ZIP 2003, 211 = NJW 2003, 825, dazu EWiR 2003, 223 (Blöse); BGH, ZIP 1990, 1400 = GmbHR 1990, 554, 555 = NJW 1991, 226; OLG Naumburg, GmbHR 1998, 239 = NJW-RR 1998, 1648; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 36; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 7 Rn. 8; s. zu den Einzahlungsmöglichkeiten auch Begr. RegE (MoMiG), BT-Drucks. 16/6140, S. 35. 72) Zur rechtlichen Qualifikation der Vor-Gründungsgesellschaft vgl. nur Ulmer/Habersack/ Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 2 Rn. 58. Verfügt diese bereits über ein eigenes Einzahlungskonto, handelt es sich um eine Innengesellschaft mit Gesamthandsvermögen. 73) Vgl. OLG Hamm, GmbHR 1992, 750. 74) OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 398. 75) OLG Frankfurt/M., ZIP 2005, 1596 = NZG 2005, 556 = FGPrax 2005, 134.

Carsten Schäfer

203

§7

Anmeldung der Gesellschaft

wenn der Einlagebetrag bei Übernahme des Vermögens durch die Vor-GmbH76) noch unversehrt als gegenständlich unterscheidbarer Gegenstand vorhanden ist.77) In diesem Falle ist die Übertragung der Vermögenswerte der Vorgründungsgesellschaft auf die Vor-GmbH keine Sachgründung.78) 25

Bei der Einpersonen-GmbH kommt vorrangig die Zahlung auf ein Gesellschaftskonto in Betracht (nicht aber ein Konto des Gesellschafters!).79) Demgegenüber tritt die Erfüllung durch Barzahlung der Einlage nur unter der Voraussetzung ein, dass der hierfür bestimmte Bargeldbetrag vollständig aus dem Privatvermögen des Gründungsgesellschafters (Geschäftsführers) ausgeschieden wird und in das Sondervermögen der zu gründenden GmbH gelangt (zur Einordnung der EinpersonenVor-GmbH siehe § 11 Rn. 98 [Schroeter]). Die Rechtsprechung verlangt insofern zu Recht, dass die Zugehörigkeit zum Vermögen der zu gründenden GmbH für einen Außenstehenden objektiv erkennbar wird. Nicht ausreichend ist daher das Vorzeigen des Geldbetrages beim anmeldenden Notar80) oder die Aufbewahrung in einem auch privat genutzten Safe.81) 5.

26

Sacheinlagen (Abs. 3)

Sacheinlagen (zum Begriff siehe § 5 Rn. 17 [Schäfer]) müssen schon vor der Anmeldung vollständig an den Geschäftsführer geleistet werden, und zwar ebenfalls zu dessen endgültiger freier Verfügung (siehe Rn. 16 ff). Erfasst sind sowohl reine Sacheinlagen als auch der Sachteil bei Mischeinlagen und Sachübernahmen (siehe Rn. 11). Bis zur Anmeldung müssen sämtliche Erfüllungsgeschäfte (insbesondere gemäß §§ 398, 413, 854, 929 f BGB) erfolgt und erforderliche Unterlagen (z. B. gemäß § 952 BGB) übergeben worden sein. Bei Grundstücken und anderen eintragungspflichtigen Rechten lässt die h. M. allerdings wegen der nicht unerheblichen Dauer bis zur Eintragung die bindende Einigung genügen, sofern auch sämtliche sonstigen Eintragungsvoraussetzungen vorliegen (Eintragungsbewilligung, §§ 19, 20 GBO und Antrag beim Grundbuchamt, §§ 13, 17 GBO).82) Nach h. M. reicht die Eintragung einer Vormerkung für die Vor-GmbH hingegen nicht aus.83) _____________ 76) Dazu, dass ein automatischer Vermögensübergang von der Vorgründungsgesellschaft auf die Vor-Gesellschaft in jedem Falle ausscheidet, vgl. nur BGHZ 91, 148, 151 = ZIP 1984, 950 = NJW 1984, 2164; BGH, ZIP 1998, 646 = WM 1998, 817 = NJW 1998, 1645; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Ulmer, GmbHG, § 2 Rn. 59. 77) BGH, ZIP 1992, 1303 = NJW 1992, 2698; vgl. auch die OLG-Urteile in Fn. 70 ff; ScholzVeil, GmbHG, § 7 Rn. 27. 78) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 48. 79) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 37; zur ebenfalls zugelassenen Leistung auf ein eigens errichtetes Treuhandkonto s. etwa OLG Stuttgart, WM 1985, 1066, 1067. 80) OLG Oldenburg, ZIP 2008, 267 = GmbHR 2007, 1043 = DB 2007, 2195. 81) OLG Hamburg, GmbHR 2001, 972 = BB 2001, 2182. 82) H. M., Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 51; Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 7 Rn. 14; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 7 Rn. 17. 83) Scholz-Veil, GmbHG, § 7 Rn. 43; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 7 Rn. 14; Roth/ Altmeppen-Roth, GmbHG, § 7 Rn. 35; a. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 51; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 7 Rn. 17.

204

Carsten Schäfer

§8

Inhalt der Anmeldung

Leistungsempfänger ist die (grundbuchfähige) Vor-GmbH.84) Auch eine Auflassung an die (künftige) GmbH wird als schuldbefreiend anerkannt. Die Eintragung der GmbH als Eigentümerin im Grundbuch ist vor deren Entstehung zwar eine Falschbezeichnung, aber unschädlich. Falls zunächst die Vor-GmbH als Eigentümerin eingetragen ist, ist die Eintragung nach Entstehung der GmbH entsprechend zu berichtigen. Im Übrigen gilt allgemein (vorbehaltlich der besonderen Behandlung von Grundstücken), dass die GmbH den Gegenstand nur dann zur endgültigen freien Verfügung ihrer Geschäftsführer erlangt hat, wenn der Rechtserwerb ausreichend sicher gewährleistet ist. Die für die Bareinlage hierzu anerkannten Grundsätze (siehe Rn. 16 ff) gelten mutatis mutandis. _____________ 84) So zu Recht bereits BGHZ 45, 338, 348 = WM 1966, 571 = NJW 1966, 1311; BayObLG, DB 1979, 1500; ferner nur Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 50; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 14.

§8 Inhalt der Anmeldung Thomas Wachter

(1) Der Anmeldung müssen beigefügt sein: 1.

der Gesellschaftsvertrag und im Fall des § 2 Abs. 2 die Vollmachten der Vertreter, welche den Gesellschaftsvertrag unterzeichnet haben, oder eine beglaubigte Abschrift dieser Urkunden,

2.

die Legitimation der Geschäftsführer, sofern dieselben nicht im Gesellschaftsvertrag bestellt sind,

3.

eine von den Anmeldenden unterschriebene Liste der Gesellschafter nach den Vorgaben des § 40,

4.

im Fall des § 5 Abs. 4 die Verträge, die den Festsetzungen zugrunde liegen oder zu ihrer Ausführung geschlossen worden sind, und der Sachgründungsbericht,

5.

wenn Sacheinlagen vereinbart sind, Unterlagen darüber, dass der Wert der Sacheinlagen den Nennbetrag der dafür übernommenen Geschäftsanteile erreicht.

6.

(weggefallen)

(2) 1In der Anmeldung ist die Versicherung abzugeben, dass die in § 7 Abs. 2 und 3 bezeichneten Leistungen auf die Geschäftsanteile bewirkt sind und dass der Gegenstand der Leistungen sich endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befindet. 2Das Gericht kann bei erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit der Versicherung Nachweise (unter anderem Einzahlungsbelege) verlangen. (3) 1In der Anmeldung haben die Geschäftsführer zu versichern, dass keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 sowie Satz 3 entgegenstehen, und dass sie über ihre unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht belehrt worden sind. 2Die Belehrung nach § 53 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes kann schriftlich vorgenommen werden; sie Thomas Wachter

205

§8

Inhalt der Anmeldung

kann auch durch einen Notar oder einen im Ausland bestellten Notar, durch einen Vertreter eines vergleichbaren rechtsberatenden Berufs oder einen Konsularbeamten erfolgen. (4) In der Anmeldung sind ferner anzugeben: 1.

eine inländische Geschäftsanschrift,

2.

Art und Umfang der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer.

(5) Für die Einreichung von Unterlagen nach diesem Gesetz gilt § 12 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs entsprechend. Literatur: Blath, Die Selbstbestellung des Geschäftsführers oder Vorstands der Muttergesellschaft zum Geschäftsführer der Tochter-GmbH, GmbHR 2018, 345; Bock, Verknüpfung der Handels- und Gesellschaftsregister in Europa, GmbHR 2018, 281; Blasche/ König, Möglichkeiten der einzelfallbezogenen Erweiterung der Vertretungsbefugnis des gesamtvertretungsberechtigten GmbH-Geschäftsführers zur Einzelvertretungsbefugnis, NZG 2013, 1412; Bock, Online-Gründung und Digitalisierung im Gesellschaftsrecht – Der Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission, DNotZ 2018, 643; Bormann, Die digitalisierte GmbH, ZGR 2017, 621; Diehn/Rachlitz, Notarielle Prüfungspflichten im Grundbuch- und Registerverkehr, DNotZ 2017, 487; Eickelberg, SUP, EGVP, ePers und XML, Die schöne neue (digitale) Welt der GmbH-Gründung, NZG 2015, 81; Eickelberg, Der Homo Oeconomicus und die staatlichen Register, Rpfleger 2013, 253; Flume, Der minderjährige Gesellschafter, NZG 2014, 17; Hasselmann, Die vollmachtlose Gründung einer Einpersonen-GmbH, ZIP 2012, 1947; Ising, Handelsregisteranmeldungen durch den beurkundenden Notar, NZG 2012, 289; Kögel, Entwicklungen im Handels- und Registerrecht seit 2015, Rpfleger 2017, 313; Knaier, Stolpersteine bei den Geschäftsführerversicherungen nach § 8 Abs. 2 und 3 GmbHG, ZNotP 2017, 409; Knaier/Pfelger, Alles klar bei der Versicherung nach § 8 Abs. 3 GmbHG?, Rpfleger 2018, 357; Krafczyk, Die berufsständischen Organe im Registerverfahren, NZG 2014, 769; Leitzen, Öffentlichrechtliche Genehmigungen in GmbH-Registerverfahren nach dem MoMiG, GmbHR 2009, 480; Niesse, Beteiligung ausländischer Gesellschaften am Registerverfahren, NotBZ 2015, 368; Offermann-Burckart, Anwaltliches Gesellschaftsrecht – die Satzung der AnwaltsGmbH, AnwBl. 2015, 122; Poelzig/Volmer, „Der Bundesminister der Finanzen warnt“ – Ein Überblick zum neuen Kapitalanlagegesetzbuch, DNotZ 2014, 483; Renaud, Handelsregisteranmeldung durch Prokuristen, GmbHR 2012, 1128; Rezori, Die Kapitalaufbringung bei der GmbH-Gründung, RNotZ 2011, 125; Ries, Die europaweite Verknüpfung der Handelsregister – Risiken und Chancen, ZIP 2013, 866; Ries, Arbeitsentlastung für die Registergerichte?, NZG 2013, 1058; Rothbächer, Die (nicht) erforderliche Vorlage der Genehmigungsurkunde bei der GmbH-Gründung, GmbHR 2019, 18; Schulte, Das notarielle Antragsrecht gemäß § 378 FamFG – unentdeckte Möglichkeiten im gesellschaftsrechtlichen Notariat?, notar 2014, 270; Streicher, Das Antragsrecht der Notare – eine Möglichkeit, Handelsregisteranmeldungen zu vereinfachen, GmbHR 2016, 686; Tonikidis, Die Gründung einer Einpersonen-GmbH durch einen vollmachtlosen Stellvertreter, MittBayNot 2014, 514; Vossius, Gesellschaftsrecht und Freiwillige Gerichtsbarkeit, ZGR 2009, 366; Weigl, Behördliche Genehmigungen bei der GmbH-Gründung, DNotZ 2011, 169; Weiß, Die Versicherung des GmbH-Geschäftsführers über das Nichtvorliegen strafrechtlicher Verurteilungen (§ 8 Abs. 3 S. 1 GmbHG), GmbHR 2013, 1076; von Werder/Hobuß, Handelsregisteranmeldung der Gründung einer Kapitalgesellschaft sowie späterer Kompetenzen des Notars nach § 378 FamFG, BB 2018, 1031. Übersicht I. Überblick .............................................. 1 II. Anlagen zur Handelsregisteranmeldung (Abs. 1) .................................. 4

206

1. 2.

Gesellschaftsvertrag (Abs. 1 Nr. 1 Fall 1) ..................................................... 4 Vollmachten (Abs. 1 Nr. 1 Fall 2) ....... 8

Thomas Wachter

§8

Inhalt der Anmeldung 3.

Legitimation der Geschäftsführer (Abs. 1 Nr. 2) ...................................... 4. Liste der Gründungsgesellschafter (Abs. 1 Nr. 3) ...................................... 5. Verträge über Sacheinlagen (Abs. 1 Nr. 4 Fall 1) ............................ 6. Sachgründungsbericht (Abs. 1 Nr. 4 Fall 2) ......................................... 7. Wertnachweise für die Sacheinlagen (Abs. 1 Nr. 5) ...................................... 8. Genehmigungen nach Gewerbeund Handwerksrecht (Abs. 1 Nr. 6 a. F.) ..................................................... 9. Sonstige Anlagen zur Handelsregisteranmeldung .................................. III. Inhalt der Handelsregisteranmeldung .............................................. 1. Versicherung bezüglich Kapitalaufbringung (Abs. 2) ................................ a) Inhalt der Versicherung (Abs. 2 Satz 1) .............................. aa) Versicherung in Bezug auf das Bewirken der Leistungen .............

I.

14 17 30 33 36 42 44 52 52 52 52

bb) Versicherung in Bezug auf die freie Verfügungsbefugnis ............ 58 cc) Versicherung in Bezug auf etwaige Vorbelastungen ............... 61 b) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Versicherung ................................ 62 c) Versicherung als ausreichender Nachweis (Abs. 2 Satz 2) ............ 63 2. Versicherung bezüglich der Qualifikation der Geschäftsführer (Abs. 3) ................................................ 64 a) Bestehen von Bestellungshindernissen ....................................... 64 b) Belehrung über Auskunftsrecht des Registergerichts ..................... 70 3. Angabe der inländischen Geschäftsanschrift (Abs. 4 Nr. 1) ...................... 75 4. Angaben zur Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer (Abs. 4 Nr. 2) .... 77 5. Weitere Angaben in der Anmeldung ...................................................... 84 IV. Elektronische Einreichung von Unterlagen (Abs. 5) ........................... 85

Überblick

Die Gesellschaft ist bei dem örtlich zuständigen Gericht zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (siehe § 7 Abs. 1 GmbHG, §§ 376 Abs. 2, 374 Nr. 1 FamFG).1) Die Handelsregisteranmeldung ist ein Antrag, der auf die gerichtliche Eintragung der Gesellschaft gerichtet ist. Die Anmeldung muss stets durch alle Geschäftsführer erfolgen (§ 78).2)

1

§ 8 enthält ergänzende Vorgaben zum Inhalt der Anmeldung und den erforderlichen Anlagen. Die Vorschrift wurde durch das MoMiG in mehrfacher Hinsicht geändert (Art. 1 Nr. 9 Buchst. a – d MoMiG).3) Absatz 1 enthält einen Katalog der Anlagen, die dem Registergericht zusammen mit der Handelsregisteranmeldung vorzulegen sind. Absatz 2 Satz 1 sieht vor, dass alle Geschäftsführer die Ordnungsgemäßheit der Kapitalaufbringung in der Anmeldung persönlich versichern müssen. Der neu gefasste Absatz 2 Satz 2 beschränkt die Prüfungsbefugnis des Registergerichts in Bezug auf die Kapitalaufbringung. Absatz 3 schreibt u. a. vor, dass alle Geschäftsführer persönlich versichern müssen, dass in ihrer Person keine Bestellungshindernisse bestehen. In der Anmeldung sind gemäß Absatz 4 auch die inländische Geschäftsanschrift und die Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer anzugeben. Schließlich stellt Absatz 5 klar, dass alle Unterlagen dem Registergericht in elektronischer Form einzureichen sind.

2

_____________ 1) 2)

3)

Zu aktuellen Fragen des Registerrecht s. die regelmäßig erscheinenden Rechtsprechungsübersichten von Kilian, notar 2018, 13; Kögel, Rpfleger 2017, 313. Zur Anmeldebefugnis des Notars nach § 378 FamFG s. OLG Oldenburg, ZIP 2011, 2360 = DB 2012, 403 = NZG 2011, 1233; OLG Karlsruhe, GmbHR 2011, 308; ausführlich dazu Ising, NZG 2012, 289; Schulte, notar 2014, 270; Streicher, GmbHR 2016, 686; von Werder/Hobuß, BB 2018, 1031. BT-Drucks. 16/6140, S. 80 ff.

Thomas Wachter

207

§8 3

Inhalt der Anmeldung

Auf der Grundlage der Handelsregisteranmeldung und der eingereichten Unterlagen prüft das Registergericht sodann, ob die Gesellschaft ordnungsgemäß errichtet und angemeldet worden ist (§ 9c Abs. 1). Ist dies der Fall, wird die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen (§ 10). Mit der Eintragung ist die GmbH entstanden. II. Anlagen zur Handelsregisteranmeldung (Abs. 1) 1.

Gesellschaftsvertrag (Abs. 1 Nr. 1 Fall 1)

4

Der Handelsregisteranmeldung ist der Gesellschaftsvertrag (Satzung) (§ 3) in notariell beurkundeter Form (§ 2 Abs. 1 Satz 1) beizufügen (Abs. 1 Nr. 1 Fall 1).

5

Der Gesellschaftsvertrag muss dem Registergericht stets (auch) in deutscher Sprache vorgelegt werden (§ 488 Abs. 3 FamFG; § 184 GVG). Die zweisprachige Errichtung des Gesellschaftsvertrages (meist in Tabellenform links in deutscher und rechts in englischer Sprache) ist ausreichend.4) Wurde der Gesellschaftsvertrag ausschließlich in einer anderen Sprache errichtet (§ 5 Abs. 2 BeurkG), ist eine Übersetzung durch einen öffentlich bestellten und allgemein vereidigten Übersetzer zu erstellen.5) Dies gilt auch dann, wenn der Registerrichter die andere Sprache selbst spricht. Denn die Publizitätsfunktion des deutschen Handelsregisters wäre beeinträchtigt, wenn die entsprechenden Urkunden dort nicht zumindest auch in deutscher Sprache abrufbar wären (siehe § 9 Abs. 1 Satz 1 HGB).

6

Wird die Gesellschaft im vereinfachten Verfahren errichtet (§ 2 Abs. 1a), enthält das Musterprotokoll (MP) – und zwar dort Nr. 1 – 5 – zugleich auch den Gesellschaftsvertrag (siehe § 2 Abs. 1a Satz 5).

7

Bei einer Änderung des Gesellschaftsvertrages vor Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister, ist der geänderte Gesellschaftsvertrag samt notarieller Satzungsbescheinigung (§ 54 Abs. 1 Satz 2) beim Registergericht einzureichen.6) Dies gilt auch bei einer Änderung des im Musterprotokoll enthaltenen Gesellschaftsvertrages. 2.

Vollmachten (Abs. 1 Nr. 1 Fall 2)

8

Der Gesellschaftsvertrag ist grundsätzlich von sämtlichen Gründern selbst in notariell beurkundeter Form zu unterzeichnen (§ 2 Abs. 1). Die Unterzeichnung durch Bevollmächtigte ist nur aufgrund einer notariell errichteten oder beglaubigten Vollmacht zulässig (§ 2 Abs. 2). In diesem Fall sind die Vollmachten dem Registergericht in Urschrift oder beglaubigter Abschrift vorzulegen (Abs. 1 Nr. 1 Fall 2).

9

Der Notar hat i. R. d. Beurkundung des Gesellschaftsvertrages auch etwaige Vollmachten der Gründer in formaler und inhaltlicher Hinsicht zu überprüfen.7) Die Vollmachtsurkunden sind dem Notar in Urschrift oder Ausfertigung vorzulegen. Die Vorlage einer beglaubigten Abschrift oder einer (Fax- bzw. pdf-)Kopie genügt nicht (siehe § 172 BGB). Der Gründungsurkunde sind die Vollmachten sodann in _____________ 4) 5) 6)

7)

208

S. dazu etwa die Muster bei Walz in: Beck’sches Formularbuch, Abschn. J, S. 455 ff. LG Düsseldorf, GmbHR 1999, 609. = NZG 1999, 730. KG Berlin, GmbHR 1997, 412 = DB 1997, 270. Im Zusammenhang mit der Gründung einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) s. OLG Frankfurt/M., GmbHR 2011, 984. Winkler, Beurkundungsgesetz, § 12 Rn. 4 ff.

Thomas Wachter

§8

Inhalt der Anmeldung

Urschrift oder beglaubigter Abschrift beizufügen (§ 12 Satz 1 BeurkG; siehe auch § 21 Abs. 3 BNotO8)). Eine gesonderte Vorlage an das Registergericht ist dann entbehrlich. Die Vollmachten sind dem Registergericht stets (auch) in deutscher Sprache vorzulegen (§ 488 Abs. 3 FamFG, § 184 GVG). Für Untervollmachten gelten die gleichen Grundsätze.

10

Die Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 1 gilt nach ihrem Wortlaut an sich nur für rechtsgeschäftlich Bevollmächtigte (§ 166 Abs. 2 BGB), da nur in diesem Fall eine Vollmachtsurkunde vorgelegt werden kann. Aufgrund des Normzwecks – dem Registergericht soll die ordnungsgemäße Vertretung der Gründer ermöglicht werden – gilt die Vorschrift aber auch für organschaftliche und gesetzliche Vertreter. In jedem Fall ist daher die ordnungsgemäße Vertretung in öffentlich beglaubigter Form gegenüber dem Registergericht nachzuweisen.

11

Bei juristischen Personen des Privatrechts wird die Vertretung durch ihre Organe in der Regel durch eine Notarbescheinigung (§ 21 BNotO) oder die Vorlage eines beglaubigten Registerauszugs nachgewiesen.9) Bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts ergibt sich die Vertretung meist aus den für diese geltenden gesetzlichen Bestimmungen (z. B. Gemeindeordnung).

12

Minderjährige Kinder werden (i. R. d. gesetzlichen Vorschriften, insbesondere §§ 181, 1629, 1643, 1795, 1822 und 1909 BGB) durch ihre Eltern als gesetzliche Vertreter vertreten, ohne dass es insoweit eines besonderen Nachweises bedarf.10) Wird das Kind allerdings durch einen Elternteil allein vertreten (siehe §§ 1671 ff, 1680 BGB), ist grundsätzlich die Vorlage entsprechender Nachweise erforderlich (z. B. gerichtlicher Beschluss über die Übertragung des Sorgerechts oder Sterbeurkunde eines Elternteils). Zudem ist eine etwa erforderliche Genehmigung des Familiengerichts vorzulegen (§§ 1643, 1822 Nr. 3 und/oder Nr. 10 BGB; dazu siehe § 2 Rn. 65 f [Schäfer]).

13

3.

Legitimation der Geschäftsführer (Abs. 1 Nr. 2)

Die Geschäftsführer der Gesellschaft werden entweder im Gesellschaftsvertrag, durch Gesellschafterbeschluss (§ 46 Nr. 5) oder einen sonstigen Akt (z. B. Beschluss eines Beirats) bestellt (§ 6 Abs. 3 Satz 2; ebenso siehe § 6 Rn. 15 ff [Schäfer]). Ist die Bestellung nicht im Gesellschaftsvertrag enthalten, ist dem Registergericht ein Nachweis über die Legitimation der Geschäftsführer vorzulegen (Abs. 1 Nr. 2).

14

Im Allgemeinen sind der Anmeldung somit die Urkunden über die Bestellung der Geschäftsführer in Urschrift oder öffentlich beglaubigter Abschrift beizufügen (siehe § 39 Abs. 2).

15

_____________ 8) S. dazu u. a. OLG Düsseldorf, NZG 2015, 199 = BB 2015, 590; OLG Bremen, DNotZ 2014, 636 = NJW-RR 2014, 1362. 9) Zur Vertretung ausländischer Gesellschaften s. Limmer/Hertel/Frenz/Mayer-Heggen, Würzburger Notarhandbuch, Teil 7, Kap. 6, S. 3572 ff (m. einer umfangreichen Länderübersicht). Zum Nachweis der Vertretungsbefugnis des Vorstandsmitglieds einer japanischen Gesellschaft s. OLG München, ZIP 2010, 1182 = GmbHR 2010, 532. 10) Zur Beteiligung Minderjähriger ausführlich Bürger, RNotZ 2006, 156; Flume, NZG 2014, 17; Maier-Reimer/Marx, NJW 2005, 3025; Rust, DStR 2005, 1942, 1992; Wälzholz, GmbH-StB 2007, 170.

Thomas Wachter

209

§8 16

Inhalt der Anmeldung

Im Gesellschaftsvertrag ist die Bestellung der Geschäftsführer in der Praxis kaum jemals enthalten. Eine Ausnahme gilt insbesondere für die Fälle, bei denen die Gesellschaft im vereinfachten Verfahren errichtet worden ist (§ 2 Abs. 1a i. V. m. Nr. 5 Satz 1 des MP; ebenso siehe § 2 Rn. 2 ff [Schäfer]). 4.

Liste der Gründungsgesellschafter (Abs. 1 Nr. 3)

17

Der Handelsregisteranmeldung ist eine Liste der Gründungsgesellschafter beizufügen (Abs. 1 Nr. 3). Dies gilt allerdings nicht bei einer Gesellschaftsgründung im vereinfachten Verfahren. In diesem Fall „gilt“ das Musterprotokoll zugleich auch als Gesellschafterliste (§ 2 Abs. 1a Satz 4), sodass die Erstellung und Einreichung einer gesonderten Gesellschafterliste entbehrlich ist.

18

Die Liste der Gründungsgesellschafter muss von allen Geschäftsführern eigenhändig unterzeichnet sein. Stellvertretung ist unzulässig. Die Unterzeichnung der Gesellschafterliste hat in jedem Fall durch die Geschäftsführer (und nicht durch den Notar) zu erfolgen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Notar an der Gründung der Gesellschaft mitgewirkt hat (siehe § 40 Abs. 2). Denn bei der Errichtung einer GmbH werden die Gesellschafter und deren Beteiligungsverhältnisse erstmals festgelegt und nicht verändert (i. S. v. § 40 Abs. 1 Satz 1). Eine Unterzeichnung durch den beurkundenden Notar ist somit weder erforderlich noch ausreichend.

19

Kommt es allerdings bereits vor der erstmaligen Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister zu Veränderungen in den Beteiligungsverhältnissen, hat der beurkundende Notar eine neue Gesellschafterliste samt einer entsprechenden Bescheinigung zu erstellen, zu unterzeichnen und beim Registergericht einzureichen (§ 40 Abs. 2).

20

Eine Beglaubigung der Unterschriften der Geschäftsführer unter der Gesellschafterliste ist nicht erforderlich.11)

21

Die Angabe von Ort und Datum der Unterzeichnung ist zweckmäßig, aber gesetzlich nicht vorgeschrieben.12)

22

Die Liste der Gesellschafter muss den allgemeinen Vorgaben des § 40 GmbH genügen (Abs. 1 Nr. 3; siehe § 40 Rn. 14 ff [Wachter]).13) Seit 2018 ist die Ausgestaltung der Liste (auf der Grundlage von § 40 Abs. 4 GmbHG) in einer Gesellschafterlistenverordnung (GesLV)14) näher geregelt. _____________ 11) Dafür haben sich i. R. d. Gesetzgebungsverfahrens u. a. der Bundesrat (BR-Drucks. 354/ 07, Beschluss, Nr. 14 und Nr. 17) und der Handelsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltsvereins (NZG 2007, 735, 741) ausgesprochen. 12) Anders noch der Vorschlag in BT-Drucks. 16/6140, S. 51 f Fn. 6. 13) Zuletzt geändert durch Art. 14 Nr. 2 des Gesetzes zur Umsetzung der Vierten EUGeldwäscherichtlinie u. a. v. 23.6.2017 (BGBl. I 2017, 1822); ausführlich zu der Neuregelung des § 40 GmbHG u. a. Birkefeld/Schäfer, BB 2017, 2755; Böhringer, BWNotZ 2017, 61; Cramer, NZG 2018, 721; Melchior, NotBZ 2017, 281; Melchior/Böhringer, GmbHR 2017, 1074; Schaub, Peter, GmbHR 2017, 727; Seibert/Bochmann/Cziupka, GmbHR 2017, 1128; Wegener, notar 2017, 299; Wicke, DB 2017, 2528. 14) Verordnung über die Ausgestaltung der Gesellschafterliste (Gesellschafterlistenverordnung – GesLV) v. 20.6.2018, BGBl. I 2018, 870; ausführlich dazu u. a. Freier, notar 2018, 292; Lieder/Becker, NotBZ 2018, 321; Miller, NJW 2018, 2518; Seibert/Kell, GmbHR 2018, R 212; Szalai, GWR 2018, 250.

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§8

Inhalt der Anmeldung

Inhaltlich muss die Liste zunächst Namen, Vornamen, Geburtsdatum (nicht auch Geburtsort) und den Wohnort (nicht unbedingt die vollständige Wohnanschrift; nicht ausreichend ist dagegen der Ort der Geschäftsansässigkeit) aller Gesellschafter enthalten (§ 40 Abs. 1 Satz 1). Die Angabe des Berufs der Gesellschafter ist – anders als bei der Liste der Aufsichtsratsmitglieder – nicht erforderlich (§ 52 Abs. 2 Satz 1 GmbHG i. V. m. § 37 Abs. 4 Nr. 3a AktG).

23

Falls es sich bei einem Gesellschafter um eine andere Gesellschaft handelt, müssen deren Firma, Sitz, Register und Nummer angegeben werden (§ 40 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1). Die Angabe des Gründungsjahres (in Analogie zum Geburtsdatum) wird nicht verlangt. Sonstige Angaben (wie etwa die Geschäftsanschrift oder das Recht des Staates, dem die Gesellschaft unterliegt) sind gleichfalls nicht erforderlich (siehe demgegenüber etwa § 11 Abs. 4 Nr. 2 GwG). Für sonstige juristische Personen (wie etwa Stiftungen, Vereine oder Körperschaften des öffentlichen Rechts) gilt dies entsprechend.

24

Bei eingetragenen Kaufleuten ist umstritten, ob die Angabe der Firma ausreichend ist oder zusätzlich die Angabe des Namens des Kaufmanns erforderlich ist.15) Grundsätzlich sollten die Angaben in der Gesellschafterliste mit der Bezeichnung des Gesellschafters in der notariellen Gründungsurkunde übereinstimmen. Angesichts des Zwecks der Gesellschafterliste – die Transparenz der Beteiligungsverhältnisse zu verbessern – sollten im Allgemeinen beide Angaben gemacht werden.

25

Bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts müssen stets (auch) alle Gesellschafter „unter einer zusammenfassenden Bezeichnung“ mit ihrem Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Wohnort in der Gesellschafterliste aufgeführt sein (§ 40 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2).16) Die Angabe von Name und Sitz der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist zusätzlich möglich, alleine aber nicht ausreichend. Entsprechendes gilt grundsätzlich auch für andere Gesamthandgemeinschaften, wie etwa Erbengemeinschaften sowie Ehegatten und Lebenspartner in Gütergemeinschaft (nach deutschem oder ausländischem Recht).

26

Neben den Gesellschaftern sind in der Liste auch „die Nennbeträge und die laufenden Nummern“ der von jedem Gesellschafter übernommenen Geschäftsanteile anzugeben (§ 40 Abs. 1 Satz 1). Die Anzahl der Geschäftsanteile ist in der Liste dagegen nicht zwingend anzugeben (anders als im Gesellschaftsvertrag, siehe § 3 Abs. 1 Nr. 4).

27

Mit der durch das MoMiG neu eingefügten laufenden Nummer soll die zweifelsfreie Identifizierung jedes einzelnen Geschäftsanteils ermöglicht werden. Bei späteren Verfügungen über einen Geschäftsanteil sollte daher stets auch die in der Gesellschafterliste aufgeführte Nummer angegeben werden. Mangelnde Bestimmtheit

28

_____________ 15) Für die alleinige Angabe der Firma u. a. Scholz-Veil, GmbHG, § 8 Rn. 7. – Für die zusätzliche Angabe auch des bürgerlichen Namens u. a. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/ Casper, GmbHG, § 8 Rn. 7. 16) S. dazu (im Zusammenhang mit der Übergangsregelung des § 8 EGGmbHG) BGH, ZIP 2018, 1591, und die Vorinstanz OLG Hamm, ZIP 2016, 2021; ausführlich dazu Hermanns, DB 2016, 2464; Huneke, GmbHR 2016, 1186.

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§8

Inhalt der Anmeldung

kann die Nichtigkeit der Verfügung zur Folge haben.17) Über die Vergabe der Nummern entscheiden die Gründungsgeschäftsführer nach billigem Ermessen. Die Vorgaben der Gesellschafterlistenverordnung sind dabei zu beachten (vor allem § 1 GesLV). Entscheidend ist stets, dass die Gesellschafterliste die Beteiligungsverhältnisse für jedermann klar und übersichtlich darstellt. 29

Seit 2017 sind in der Gesellschafterliste zusätzlich Prozentangaben zur Höhe der Beteiligung zu machen.18) Dabei ist stets die prozentuale Höhe des einzelnen Geschäftsanteils anzugeben (§ 40 Abs. 1 Satz 1 und § 4 Abs. 1 GesLV). Für den (Regel-)Fall, dass der Gesellschafter mehr als einen Geschäftsanteil hält, ist ferner auch die prozentuale Höhe der gesamten Beteiligung des Gesellschafters anzugeben (§ 40 Abs. 1 Satz 3 und § 4 Abs. 2 GesLV). Ziel der Prozentangabe ist es vor allem, das Vorliegen einer wirtschaftlichen Berechtigung (im Sinne von § 3 GwG) „auf einen Blick“ aus der Liste erkennen zu können.19) 5.

Verträge über Sacheinlagen (Abs. 1 Nr. 4 Fall 1)

30

Sind im Gesellschaftsvertrag Sacheinlagen festgesetzt worden (§ 5 Abs. 4 Satz 1; zum Begriff siehe § 27 Abs. 1 Satz 1 AktG), sind dem Registergericht die „Verträge, die den Festsetzungen zugrunde liegen oder zu ihrer Ausführung geschlossen worden sind“ vorzulegen (Abs. 1 Nr. 4 Fall 1).

31

Die Bestimmung umfasst sowohl die schuldrechtlichen Verträge als auch deren dingliche Erfüllung. Die Verträge müssen wirksam abgeschlossen worden sein.

32

Für die Form der Verträge gelten jeweils die allgemeinen Vorschriften (z. B. §§ 873, 925 BGB für Grundstücke oder § 15 Abs. 3 und 4 für Geschäftsanteile an GmbHs). Die Vorschrift begründet nach allgemeiner Auffassung keine Schriftform für Verträge, die an sich keiner Form bedürfen (z. B. die Übertragung von beweglichen Gegenständen oder die Abtretung von Rechten).20) Gleichwohl wird das Registergericht für die Prüfung einer Sacheinlage mündliche Erklärungen kaum jemals als ausreichend ansehen und im Allgemeinen entsprechende schriftliche Nachweise verlangen. 6.

33

Sachgründungsbericht (Abs. 1 Nr. 4 Fall 2)

Im Falle einer Sachgründung ist dem Registergericht stets auch ein schriftlicher Sachgründungsbericht mit vorzulegen (Abs. 1 Nr. 4 Fall 2).21) In dem Sachgründungsbericht haben die Gesellschafter die für die Angemessenheit der Leistungen für Sacheinlagen wesentlichen Umstände darzulegen (§ 5 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1). Bei Einbringung eines Unternehmens (oder Unternehmensteils) sind zusätzlich auch die Jahresergebnisse der beiden letzten Geschäftsjahre anzugeben (§ 5 Abs. 4 _____________ 17) S. nur Scholz-Seibt, GmbHG, § 15 Rn. 89. 18) S. dazu OLG Nürnberg, GmbHR 2018, 86 mit Anm. Bochmann/Cziupka = ZIP 2018, 25, ausführlich Engel, NZG 2018, 175 und OLG München, GmbHR 2018, 35 = ZIP 2017, 2475 = EWiR 2018, 11 (Bochmann/Cziupka). 19) S. zum Ganzen die amtliche Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 18/11555, S. 172 ff. 20) S. statt vieler Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 8 Rn. 5; Scholz-Veil, GmbHG, § 8 Rn. 10. 21) Ausführlich dazu Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 5 Rn. 164 ff; ScholzVeil, GmbHG, § 5 Rn. 98 ff.

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§8

Inhalt der Anmeldung

Satz 2 Halbs. 2 GmbHG i. V. m. § 275 Abs. 2 Nr. 20 bzw. 275 Abs. 3 Nr. 19 HGB). Eine weitere Konkretisierung der erforderlichen Angaben ist – anders als im Aktienrecht (§ 32 Abs. 2 AktG) – im Gesetz nicht vorgesehen. Der Sachgründungsbericht ist von allen Gesellschaftern persönlich zu unterzeichnen. Der Sachgründungsbericht ist somit auch von den Gesellschaftern zu unterschreiben, die selbst keine Sacheinlage erbringen. Eine Unterzeichnung durch die Geschäftsführer ist weder erforderlich noch ausreichend.

34

Falsche Angaben im Sachgründungsbericht sind strafbar (§ 82 Abs. 1 Nr. 2).

35

7.

Wertnachweise für die Sacheinlagen (Abs. 1 Nr. 5)

Haben die Gesellschafter Sacheinlagen vereinbart, sind dem Registergericht Unterlagen vorzulegen, wonach der „Wert der Sacheinlagen den Nennbetrag der dafür übernommenen Geschäftsanteile erreicht“ (Abs. 1 Nr. 5).

36

Die Anforderungen an die vorzulegenden Wertnachweise richten sich vor allem nach dem Gegenstand der jeweiligen Sacheinlage.22)

37

Bei Wertpapieren und Rohstoffen kann auf aktuelle Markt- und Börsenpreise Bezug genommen werden. Bei starken Kursschwankungen muss regelmäßig auf einen Durchschnittswert (z. B. der letzten drei Monate vor der Anmeldung) abgestellt werden.

38

Der Verkehrswert einer Sacheinlage kann darüber hinaus auch durch zeitnahe Verkäufe unter fremden Dritten nachgewiesen werden.

39

In allen anderen Fällen wird regelmäßig die Vorlage eines Bewertungsgutachtens von einem unabhängigen und allgemein anerkannten Sachverständigen erforderlich sein. Dies gilt insbesondere bei der Einbringung von Grundstücken23) und Unternehmen.24) Bei Unternehmen ist die Vorlage einer aktuellen Bilanz allenfalls dann ein geeigneter Wertnachweis, wenn die Einbringung zu Buchwerten erfolgt und von einem Angehörigen der wirtschaftsprüfenden oder steuerberatenden Berufe bestätigt25) worden ist.26)

40

_____________ 22) S. zuletzt etwa BGH, ZIP 2004, 1642 = GmbHR 2004, 1219 m. Anm. Manger – zur Bewertung eines obligatorischen Nutzungsrechts in Form eines Unterpachtvertrages. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 8 Rn. 8 ff; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 8 Rn. 12; Scholz-Veil, GmbHG, § 8 Rn. 18. 23) S. dazu u. a. BayObLG, GmbHR 1995, 52 = DB 1995, 35, dazu EWiR 1995, 481 (Meyding). – Zur Berücksichtigung von Grundpfandrechten, die auf einem Grundstück lasten s. u. a. OLG Frankfurt/M., ZIP 2006, 1584 = GmbHR 2006, 817; LG Bonn, DStR 2006, 1426 = RNotZ 2006, 130 m. Anm. Lange. 24) Instruktiv zur Sacheinlage von Unternehmensanteilen nach MoMiG, LG Freiburg, GmbHR 2009, 1006 = DB 2009, 187. Ferner OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 214 = DB 1996, 368; OLG München, GmbHR 1994, 712, dazu EWiR 1994, 465 (Schulze-Osterloh); LG Augsburg, GmbHR 1996, 216 = DB 1996, 467. 25) Zur Notwendigkeit der Vorlage einer geprüften Bilanz bei einer kleinen GmbH s. OLG Düsseldorf, GmbHR 1995, 592. = NJW 1995, 2927. 26) Ähnlich Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 8 Rn. 12; Scholz-Veil, GmbHG, § 8 Rn. 18.

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§8 41

Inhalt der Anmeldung

Die Prüfungsbefugnis des Registergerichts ist durch das MoMiG in Bezug auf die Überbewertung von Sacheinlagen eingeschränkt worden (§ 9c Abs. 1 Satz 2). Die Verpflichtung zur Vorlage von Nachweisen über den Wert der Sacheinlagen wurde in diesem Zusammenhang allerdings nicht geändert (Abs. 1 Nr. 5). Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich jedoch, dass das Registergericht nur noch dann weitere Ermittlungen vornehmen soll, wenn aufgrund der vorgelegten Unterlagen erhebliche Zweifel an der Werthaltigkeit einer Sacheinlage bestehen. Die mit der Einholung von Sachverständigengutachten verbundenen „Kosten und Zeitverzögerungen“ sollen möglichst vermieden werden.27) 8.

Genehmigungen nach Gewerbe- und Handwerksrecht (Abs. 1 Nr. 6 a. F.)

42

Die Eintragung einer GmbH ist seit Inkrafttreten des MoMiG nicht mehr von der Vorlage einer Genehmigungsurkunde der zuständigen Verwaltungsbehörde abhängig (siehe Abs. 1 Nr. 6 a. F.). Dies hat zu einer ganz erheblichen Vereinfachung und Beschleunigung der GmbH-Gründungen beigetragen.

43

Lediglich bei Kreditinstituten (§§ 32, 43 KWG28)), Versicherungsgesellschaften (§§ 5 Abs. 3 Nr. 1, 13 Abs. 1 VAG) und Investmentaktiengesellschaften (§§ 3 Abs. 5, 108 ff, 110 Abs. 4 KAGB) wird das Vorliegen der erforderlichen Genehmigung von vielen Registergerichten unverändert verlangt.29) Mit der Zielsetzung des MoMiG, die Eintragung im Handelsregister zu vereinfachen und zu beschleunigen, erscheint diese Praxis nicht vereinbar. In der amtlichen Gesetzesbegründung30) findet sich gleichfalls keinerlei Hinweis auf eine solche Prüfungsbefugnis des Registergerichts. 9.

Sonstige Anlagen zur Handelsregisteranmeldung

44

Absatz 1 nennt die Unterlagen, die dem Registergericht im Falle der Bargründung (Nr. 1 – Nr. 3) bzw. der Sachgründung (zusätzlich Nr. 4 und Nr. 5) einer GmbH in jedem Fall vorzulegen sind. Dieser Katalog ist aber keineswegs abschließend. Je nach Einzelfall kann die Vorlage weiterer Unterlagen gesetzlich notwendig oder zumindest empfehlenswert sein.

45

Die Zulässigkeit der Firma (§ 4 GmbHG, §§ 17 ff HGB) ist vom Registergericht eigenständig zu prüfen. Die Vorlage eines Gutachtens der Industrie- und Handelskammer ist daher nicht erforderlich und darf vom Registergericht im Allgemeinen auch nicht eingeholt werden (siehe §§ 23 Satz 2, 25 Abs. 1 Satz 2 HRV). In zweifelhaften Fällen kann die freiwillige Vorlage eines entsprechenden Gutachtens die Eintragung im Handelsregister gleichwohl beschleunigen.

46

Die überwiegende Meinung geht heute davon aus, dass ein Ausländer auch dann wirksam zum Geschäftsführer einer deutschen GmbH bestellt werden kann, wenn _____________ 27) S. dazu BT-Drucks. 16/6140, S. 87 f. 28) Zu § 32 KWG s. BGH, ZIP 2014, 880 = NZG 2014, 189; BGHZ 197, 1 = ZIP 2013, 966, dazu EWiR 2013, 461 (v. Livonius); ausführlich dazu Wenzel, NZG 2013, 814. 29) Ausführlich dazu Leitzen, GmbHR 2009, 480; Poelzig/Volmer, DNotZ 2014, 483; Weigl, DNotZ 2011, 169. 30) BT-Drucks. 16/6140, S. 81.

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§8

Inhalt der Anmeldung

er nicht (jederzeit) nach Deutschland einreisen kann.31) Gleichwohl ist die Frage in der Praxis immer wieder umstritten. Dem Registergericht können daher von vornherein entsprechende Nachweise über die Aufenthaltserlaubnis bzw. die Zulässigkeit einer Einreise mit vorgelegt werden. Im Falle des Hin- und Herzahlens ist die Leistung an den Gesellschafter oder deren Vereinbarung in der Handelsregisteranmeldung zwingend anzugeben (§ 19 Abs. 5 Satz 2; dazu siehe § 19 Rn. 29 ff [Bartels]). Die Offenlegung in der Handelsregisteranmeldung ist Voraussetzung dafür, dass der Einlage des Gesellschafters Erfüllungswirkung zukommt.32) Das Registergericht ist nach überwiegender Auffassung zudem berechtigt, die Vollwertigkeit33) und jederzeitige Fälligkeit34) des Rückgewähranspruchs zu überprüfen und die Vorlage entsprechender Nachweis zu verlangen.35)

47

Der Handelsregisteranmeldung sind keine Unterlagen über den Gründungsaufwand beizufügen (Umkehrschluss zu § 37 Abs. 4 Nr. 2 Fall 2 AktG). Allerdings können die Gründungskosten von der Gesellschaft nur dann übernommen werden, wenn dies in der Satzung ausdrücklich vorgesehen ist (siehe § 26 Abs. 2 AktG analog). Dabei genügt im Allgemeinen die Angabe des Gesamtbetrags unter Hinweis auf die einzelnen Aufwendungen (z. B. Notar- und Gerichtsgebühren, Kosten für Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, Kosten von Sachverständigen für die Bewertung von Sacheinlagen, Grunderwerbsteuer bei der Einlage von Grundstücken, etc.).36) Eine genaue Aufschlüsselung der Gründungskosten ist grundsätzlich nicht erforderlich (siehe demgegenüber § 37 Abs. 4 Nr. 2 a. E. AktG). Das Registergericht kann i. R. d. Amtsermittlung im Einzelfall allerdings Nachweise über die Gründungskosten verlangen. In der Praxis erfolgt dies meist dann, wenn die Gründungskosten mehr als 10 % des Stammkapitals betragen.37)

48

_____________ 31) So zuletzt OLG Zweibrücken, GmbHR 2010, 1260 = NZG 2010, 1347; OLG München, ZIP 2010, 126 = GmbHR 2010, 210, dazu EWiR 2010, 247 (Schodder), und Ries, NZG 2010, 298; OLG Düsseldorf, ZIP 2009, 1074 = GmbHR 2009, 776, dazu EWiR 2009, 573 (Lamsa). Zust. Heßeler, GmbHR 2009, 759. 32) BGH, ZIP 2009, 1561 = GmbHR 2009, 926 m. Anm. Bormann, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer); BGH, ZIP 2009, 713 = GmbHR 2009, 540, dazu EWiR 2009, 443 (Schodder); OLG Stuttgart, ZIP 2011, 1959 = GmbHR 2012, 215, dazu EWiR 2012, 99 (Henkel); OLG Koblenz, GmbHR 2011, 579 m. Anm. Zabel = DZWIR 2011, 303. 33) Zum Begriff der Vollwertigkeit s. BGH, ZIP 2009, 70 = GmbHR 2009, 199 m. Anm. Podewils, dazu EWiR 2009, 129 (Blasche). Zu den Anforderungen an den Nachweis der Vollwertigkeit OLG München, ZIP 2011, 567 = GmbHR 2011, 422, dazu EWiR 2011, 383 (Hagebrauck). 34) BGH, ZIP 2009, 1561 = GmbHR 2009, 926 m. Anm. Bormann, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer). 35) S. dazu u. a. Herrler, DStR 2011, 2255 und DStR 2011, 2300. 36) Grundlegend BGHZ 107, 1 = ZIP 1989, 448, dazu EWiR 1989, 479 (Hüffer). – S. a. OLG Celle, ZIP 2014, 2387 = GmbHR 2015, 139 – Gründungkosten von 60 % des Stammkapitals bei Formwechsel einer GmbH unangemessen und unzulässig; OLG Zweibrücken, ZIP 2014, 623 = GmbHR 2014, 427 – Angabe des Gründungsaufwands in der Satzung einer GmbH durch Angabe einer prozentualen Obergrenze nicht ausreichend; ausführlich zum Ganzen Cramer, NZG 2015, 373; Elsing, DNotZ 2011, 245; Hupka, notar 2017, 104. 37) S. dazu im Zusammenhang mit einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) mit einer individuellen Satzung OLG Hamburg, GmbHR 2011, 766 = DNotZ 2011, 457 m. Anm. Weiler.

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§8

Inhalt der Anmeldung

49

Werden die Mitglieder des Aufsichtsrats vor der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister bestellt, sind dem Registergericht auch die Urkunden über deren Bestellung vorzulegen (§ 52 Abs. 2 Satz 1 GmbHG i. V. m. § 37 Abs. 4 Nr. 3 AktG). Darüber hinaus ist dem Registergericht zwingend eine Liste der Mitglieder des Aufsichtsrats vorzulegen, aus welcher Name und Vorname, der ausgeübte Beruf und der Wohnort aller Mitglieder des Aufsichtsrats ersichtlich sind (§ 52 Abs. 2 Satz 1 GmbHG i. V. m. § 37 Abs. 4 Nr. 3a AktG). Die Liste der Aufsichtsratsmitglieder ist nach dem Gesetzeswortlaut von niemandem zu unterschreiben (Umkehrschluss zu §§ 8 Abs. 1 Nr. 3, 40 Abs. 1 und 2 zur Gesellschafterliste). Die vorstehenden Regelungen gelten sowohl für einen fakultativen als auch für einen obligatorischen Aufsichtsrat.

50

Bei Gesellschaften von Freiberuflern (z. B. Ärzten, Architekten, Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern) verlangen viele Registergerichte die Vorlage einer Stellungnahme der zuständigen Kammer, wonach die Satzung den berufsrechtlichen Vorgaben entspricht.38) Ein Nachweis über das Bestehen einer Berufshaftpflichtversicherung muss dagegen nicht vorgelegt werden (Umkehrschluss zu § 4 Abs. 3 PartGG). Bei steuerbegünstigten Gesellschaften (z. B. gemeinnützigen GmbHs, Stiftungs-GmbHs) sollte im Hinblick auf die Einhaltung der steuerrechtlichen Bestimmungen der Abgabenordnung (§§ 51 ff AO) eine entsprechende Stellungnahme des Finanzamts vorgelegt werden.

51

Das Registergericht soll die Eintragung von der Zahlung eines Kostenvorschusses abhängig machen (§ 14 Abs. 1 Satz 3 GNotKG).39) Mit der Handelsregisteranmeldung kann dem Registergericht daher ein Nachweis über die Einzahlung der Kosten vorgelegt werden. Dies ist dann nicht erforderlich, wenn der Notar für die Kostenschuld die persönliche Haftung übernimmt (§ 16 Nr. 3 GNotKG). III. Inhalt der Handelsregisteranmeldung 1.

Versicherung bezüglich Kapitalaufbringung (Abs. 2)

a) Inhalt der Versicherung (Abs. 2 Satz 1) aa) Versicherung in Bezug auf das Bewirken der Leistungen 52

Alle Geschäftsführer haben in der Handelsregisteranmeldung persönlich zu versichern, dass die (in § 7 Abs. 2 und 3 bezeichneten Leistungen) auf die Geschäftsanteile bewirkt sind und sich der Gegenstand der Leistungen endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befindet (Abs. 2 Satz 1). Falsche Versicherungen sind strafbar (§ 82 Abs. 1 Nr. 1).

53

Hinsichtlich des Umfangs der erforderlichen Leistungen ist zwischen Bareinlagen und Sacheinlagen zu unterscheiden:40) _____________ 38) OLG Hamm, ZIP 2006, 2034 = NJW 2006, 3434 – keine Überprüfung der Satzung einer Anwalts-AG durch das Registergericht auf die Einhaltung berufsrechtlicher Regelungen. – Zur Satzungsgestaltung bei der Anwalts-GmbH s. Offermann-Burckart, AnwBl. 2015, 122. 39) Zur Nichtzahlung eines Gerichtskostenvorschusses für GmbH-Gründung als Eintragungshindernis s. KG Berlin, GmbHR 2017, 1337 mit Anm. Melchior = ZIP 2018, 80. 40) Zur GmbH-Gründung mit einer Mischeinlage bestehend aus Bar- und Sacheinlage s. OLG Celle, ZIP 2016, 368 = EWiR 2016, 333 (Schröter); ausführlich dazu Cavin, NZG 2016, 734; Sammer, NZG 2016, 344.

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§8

Inhalt der Anmeldung

Bei Bareinlagen darf die Anmeldung grundsätzlich erst dann erfolgen, wenn auf jeden einzelnen Geschäftsanteil mindestens 25 % des Nennbetrags und (unter Berücksichtigung etwaiger Sacheinlagen) insgesamt mindestens 50 % des Stammkapitals der Gesellschaft einbezahlt worden ist (§ 7 Abs. 2; siehe § 7 Rn. 10 ff [Schäfer]). Ausnahmen gelten allerdings bei Gründung einer Gesellschaft im vereinfachten Verfahren (§ 2 Abs. 1a) und für die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) (§ 5a). Im Falle des vereinfachten Gründungsverfahrens muss auf jede Einlage mindestens 50 % des Nennbetrags sofort einbezahlt werden (Nr. 3 Satz 2 des MP). Bei der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) muss das Stammkapital (von mindestens 1 € und höchstens 24.999 €) vor der Anmeldung stets in voller Höhe und in bar einbezahlt worden sein (§ 5a Abs. 2 Satz 1).

54

Sacheinlagen sind vor der Anmeldung stets in vollem Umfang so zu bewirken, dass sie endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführer stehen.41) Bei der Gründung einer Gesellschaft im vereinfachten Verfahren (Nr. 3 Satz 2 des MP) und bei der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) (§ 5a Abs. 2 Satz 2) sind Sacheinlagen generell ausgeschlossen.

55

In Bezug auf die Erbringung der Einlagen bestehen heute keine Unterschiede mehr zwischen Einpersonen- und Mehrpersonengesellschaften. Bei einer nur teilweisen Leistung der Bareinlagen muss der Gesellschafter für die restliche Einlage insbesondere keine Sicherheit mehr erbringen (siehe § 7 Abs. 2 Satz 3 a. F.). Allerdings muss insbesondere bei Einpersonengesellschaften darauf geachtet werden, dass die Einlagen aus dem privaten Vermögen des Gesellschafters tatsächlich und rechtlich in das Vermögen der neu gegründeten Gesellschaft überführt werden. Bei Bargeld ist diese Zuordnung kaum rechtssicher möglich, sodass Bareinlagen grundsätzlich auf ein Konto der Gesellschaft einbezahlt werden sollten.42)

56

Die Geschäftsführer müssen in der Handelsregisteranmeldung konkret versichern, welcher Gesellschafter welche Leistung (Bareinlagen oder Sacheinlagen), in welcher Höhe (unter Angabe von Eurobeträgen) und auf welchen Geschäftsanteil (nicht zwingend unter Angabe der laufenden Nummer laut der Gesellschafterliste) bewirkt hat (Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1).43) Hat ein Gesellschafter mehrere Anteile übernommen, muss sich aus der Versicherung zweifelsfrei ergeben, wie die Einlagen den einzelnen Geschäftsanteilen zuzuordnen sind. Eine Versicherung, die lediglich den Gesetzeswortlaut wiederholt, ist nicht ausreichend. Eine pauschale Versicherung kann allenfalls dann genügen, wenn alle Gesellschafter eine einheitliche Einlage übernommen haben und diese vollständig erbracht haben.44) Die Versicherung

57

_____________ 41) S. zu einer gescheiterten Sacheinlage OLG Naumburg, NotBZ 2018, 316 (volle Bareinzahlung bei nicht nachweisbarer Werthaltigkeit der vereinbarte Sacheinlage). 42) S. dazu zuletzt OLG Oldenburg, ZIP 2008, 267 = GmbHR 2007, 1043 – Bloße Vorlage von Geldscheinen beim Notar und das Notieren der Nummern ist nicht ausreichend; OLG Hamburg, GmbHR 2001, 972 = NZG 2002, 53 – Hinterlegung eines Geldbetrags im privaten Safe des alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht ausreichend. 43) S. u. a. OLG Hamm, GmbHR 2011, 652 = BB 2011, 1218; OLG Hamm, GmbHR 1987, 430 = DB 1987, 161, dazu EWiR 1987, 55 (Bokelmann). 44) OLG Frankfurt/M., GmbHR 1992, 531 = DB 1992, 1282, dazu EWiR 1992, 679 (Winkler); OLG Düsseldorf, GmbHR 1986, 267 = DNotZ 1986, 180 m. Anm. Baumann.

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§8

Inhalt der Anmeldung

der Geschäftsführer ist auch dann notwendig, wenn dem Registergericht die Erbringung der Einlagen auf andere Weise nachgewiesen worden ist (z. B. durch Vorlage einer Bankbestätigung).45) bb) Versicherung in Bezug auf die freie Verfügungsbefugnis 58

Darüber hinaus müssen die Geschäftsführer in der Handelsregisteranmeldung auch versichern, dass sich die Leistungen endgültig in ihrer freien Verfügung befinden (Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2). Dies ist dann der Fall, wenn die Einlagen tatsächlich und rechtlich vorbehaltlos in das Vermögen der Gesellschaft übergegangen sind.

59

Im Falle des Hin- und Herzahlens (§ 19 Abs. 5) befindet sich die Leistung nicht uneingeschränkt in der endgültig freien Verfügung der Geschäftsführer.46) Dementsprechend müssen die Geschäftsführer eine solche Leistung oder deren Vereinbarung in der Handelsregisteranmeldung auch zwingend angeben (§ 19 Abs. 5 Satz 2; dazu siehe Rn. 47 und § 19 Rn. 29 ff [Bartels]).

60

Bei einer verdeckten Sacheinlage (§ 19 Abs. 4; dazu siehe § 19 Rn. 11 ff [Bartels])47) dürfen die Geschäftsführer nicht versichern, dass die Bareinlagen ordnungsgemäß erbracht sind. Denn die Einlageverpflichtung des Gesellschafters besteht zunächst fort (siehe § 19 Abs. 4 Satz 3). Frühestens im Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschaft (nicht aber vorher) erfolgt eine Anrechnung des Werts der Sacheinlage auf die Einlageverpflichtung. Dementsprechend darf auch das Registergericht die Gesellschaft bei Kenntnis von der verdeckten Sacheinlage selbst dann nicht eintragen, wenn der Wert der Sache die Höhe der vereinbarten Einlage erreicht oder sogar übersteigt.48) cc) Versicherung in Bezug auf etwaige Vorbelastungen

61

Darüber hinaus müssen die Geschäftsführer in der Versicherung stets auch angeben, ob und ggf. in welcher Höhe das Stammkapital durch Verbindlichkeiten vorbelastet ist.49) b) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Versicherung

62

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Richtigkeit der Versicherung der Geschäftsführer ist der Zugang der Handelsregisteranmeldung beim Registergericht (§ 130 Abs. 3 BGB

_____________ 45) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 8 Rn. 12; a. A. OLG Düsseldorf, GmbHR 1986, 266 = DNotZ 1986, 179 m. Anm. Baumann. 46) S. BGH, GmbHR 2018, 960 – Keine Erfüllung bei ungehendem Rückfluss. Zur Geschäftsführerhaftung bei Falschangaben gegenüber dem Registergericht aufgrund Hin- und Herzahlens s. OLG Brandenburg, GmbHR 2018, 474. 47) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 8 Rn. 15; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 8 Rn. 14. 48) S. dazu OLG Karlsruhe, ZIP 2014, 1286 = GmbHR 2014, 752 – Eintragung einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) nach Geschäftsübertragung von einem eingetragenen Kaufmann. 49) BGH, ZIP 1981, 394 = GmbHR 1981, 114, dazu EWiR 1992, 57 (Bokelmann); BayObLG, GmbHR 1998, 1225; KG Berlin, GmbHR 1997, 412; OLG Frankfurt/M., GmbHR 1992, 531, dazu EWiR 1992, 679 (Winkler).

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Thomas Wachter

§8

Inhalt der Anmeldung

analog).50) Die Versicherung ist demnach richtig, wenn sie bereits zusammen mit der Gründung der Gesellschaft von den Geschäftsführern unterzeichnet wird, vom Notar (aufgrund einer entsprechenden Anweisung) aber erst nach dem Bewirken der vereinbarten Leistungen elektronisch an das Handelsregister übermittelt wird. c) Versicherung als ausreichender Nachweis (Abs. 2 Satz 2) Nach dem gesetzlichen Regelungsmodell ist die (strafbewehrte) Versicherung der Geschäftsführer als Nachweis für die ordnungsgemäße Aufbringung des Stammkapitals ausreichend. Im Rahmen des MoMiG hat der Gesetzgeber nochmals deutlich gemacht, dass das Registergericht nur „bei erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit der Versicherung“ weitere Nachweise (z. B. Einzahlungsbelege) verlangen kann (Abs. 2 Satz 2). 2.

63

Versicherung bezüglich der Qualifikation der Geschäftsführer (Abs. 3)

a) Bestehen von Bestellungshindernissen In der Handelsregisteranmeldung haben die Geschäftsführer ferner zu versichern, dass keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung (nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 sowie Satz 3) entgegenstehen (Abs. 3 Satz 1 Fall 1).51)

64

Geschäftsführer einer deutschen GmbH kann grundsätzlich jede natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein (§ 6 Abs. 2 Satz 1). Nicht zum Geschäftsführer einer GmbH kann dagegen bestellt werden, wer als Betreuter bei der Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten einem Einwilligungsvorbehalt unterliegt (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1), einem Berufs- oder Gewerbeverbot unterliegt (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2)52) oder wegen bestimmter Straftaten verurteilt worden ist (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 353) und Satz 2; ausführlich siehe § 6 Rn. 9 [Schäfer]).54) Das Registergericht hat die Einhaltung der gesetzlichen Bestellungshindernisse i. R. d. Eintragungsverfahrens zu überprüfen (§ 9c Abs. 1 Satz 1). Dabei kann es grundsätzlich auch eine entsprechende Auskunft des Bundeszentralregisters anfordern (siehe § 41 Abs. 1 Nr. 1 BZRG). Nachdem ein solches Auskunftsersuchen bei der Vielzahl von Gesellschaftsgründungen weder praktikabel noch verhältnismäßig wäre, muss der Geschäftsführer in der Handelsregisteranmeldung eine Art Selbstauskunft erteilen und entsprechend versichern, dass in seiner Person keine Bestellungshindernisse vorliegen.

65

_____________ 50) LG München I, GmbHR 2004, 1580 m. Anm. Bärwaldt/Glöckner; LG Gießen, GmbHR 2003, 543; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 8 Rn. 9; a. A. OLG Düsseldorf, GmbHR 2000, 232 = NZG 2000, 262 m. Anm. Waldner = DNotZ 2000, 529 m. Anm. Kallrath; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 8 Rn. 19a. 51) Ausführlich zum Ganzen Knaier, ZNotP 2017, 409; Knaier/Pfelger, Rpfleger 2018, 357; Weiß, GmbHR 2013, 1076. 52) S. dazu OLG Frankfurt/M., GmbHR 2011, 1156; OLG Frankfurt/M., GmbHR 2010, 918; KG Berlin, ZIP 2012, 84 = GmbHR 2012, 91. 53) Zur erforderlichen Versicherung des GmbH-Geschäftsführers wegen Vorstrafen aufgrund Sportwettbetrugs s. OLG Oldenburg, DNotZ 2018, 540 mit krit. Anm. Knaier = ZIP 2018, 278 = EWiR 2018, 267 (Floeth); zu Recht kritisch dazu Knaier/Pfleger, RPfleger 2018, 357 (359 ff). 54) S. dazu BGH, ZIP 2011, 1305 = GmbHR 2011, 864, dazu EWiR 2011, 599 (Melchior); OLG Naumburg, GmbHR 2017, 403 mit Anm. Melchior = ZIP 2017, 1519; OLG München, ZIP 2016, 1872; OLG München, GmbHR 2014, 869.

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§8

Inhalt der Anmeldung

66

Eine pauschale Bezugnahme auf die gesetzlichen Bestimmungen wird von der Rechtsprechung dabei nicht als ausreichend angesehen.55) Die einzelnen Bestellungshindernisse müssen in der Versicherung grundsätzlich einzeln aufgeführt werden. Andernfalls sei eine vollständige und wahrheitsgemäße Selbstauskunft der Geschäftsführer nicht gewährleistet. Ausreichend ist es allerdings, wenn der Geschäftsführer in der Anmeldung versichert, dass er „noch nie, weder im Inland noch im Ausland, wegen einer Straftat verurteilt worden“ ist.56)

67

Die Versicherung der Geschäftsführer muss sich nur auf die Bestellungshindernisse nach Nummer 2 (Berufs- und Gewerbeverbote) und Nummer 3 (Straftaten) beziehen, nicht dagegen auch auf Nummer 1 (Einwilligungsvorbehalt bei Betreuten).57)

68

Die Abgabe einer falschen Versicherung ist strafbar (§ 82 Abs. 1 Nr. 5). Die Verurteilung wegen einer falschen Versicherung führt ihrerseits auf die Dauer von fünf Jahren zu einem Bestellungshindernis (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. c).

69

Die Versicherung muss durch alle Geschäftsführer persönlich abgegeben werden.58) Stellvertretung ist ausgeschlossen. b) Belehrung über Auskunftsrecht des Registergerichts

70

Das Registergericht hat gegenüber dem Bundeszentralregister ein Recht auf unbeschränkte Auskunft (§ 41 Abs. 1 Nr. 1 BZRG). Darauf ist der Betroffene, der sich sonst unter Umständen bereits als unbestraft bezeichnen könnte (§ 53 Abs. 1 Nr. 1 BZRG) hinzuweisen (§ 53 Abs. 2 BZRG).

71

Die Belehrung der Geschäftsführer über das unbeschränkte Auskunftsrecht des Registergerichts erfolgt in der Regel durch den Notar, der die Unterschriften der Geschäftsführer unter der Handelsregisteranmeldung beglaubigt (Abs. 3 Satz 2). Die Belehrung muss aber nicht unbedingt persönlich erfolgen. Im Einzelfall ist auch eine schriftliche Belehrung möglich (Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1). Der Notar kann den Geschäftsführern daher auch eine schriftliche Belehrung über das unbeschränkte Auskunftsrecht des Registergerichts gegenüber dem Bundeszentralregister zukommen lassen. Als Nachweis über die erfolgte Belehrung wird dem Handelsregister dann ein unterzeichnetes Exemplar der Belehrung vorgelegt.

72

Die Belehrung kann durch einen deutschen Notar, einen im Ausland bestellten Notar, durch einen Vertreter eines „vergleichbaren rechtsberatenden Berufes“ (z. B. einen Rechtsanwalt) oder einen Konsularbeamten erfolgen (Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2; _____________ 55) S. dazu zuletzt OLG München, GmbHR 2014, 869 = NJW-RR 2014, 1381; OLG München, ZIP 2009, 1866 = GmbHR 2009, 831; OLG München, ZIP 2009, 1320 = GmbHR 2009, 830, dazu EWiR 2009, 507 (Heßeler); OLG München, ZIP 2009, 1321 = GmbHR 2009, 829. 56) BGH, ZIP 2010, 1337 = GmbHR 2010, 812, dazu EWiR 2010, 533 (Schaller). Zust. OLG Hamm, GmbHR 2011, 587 = NZG 2011, 710; einschränkend aber OLG Oldenburg, MittBayNot 2018, 479 (bei im Bundeszentralregister getilgten Straftaten nach Ablauf von fünf Jahren seit rechtskräftiger Verurteilung). 57) S. dazu OLG Hamm, ZIP 2010, 2293 = GmbHR 2011, 30. 58) Die Formulierung „Wir versichern“ genügt nicht, so jedenfalls OLG München, GmbHR 2018, 807; OLG Frankfurt am Main, EWiR 2016, 623 (Melchior).

220

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§8

Inhalt der Anmeldung

geändert durch Art. 1 Nr. 9 Buchst. a, bb MoMiG).59) Dagegen kann die Belehrung nicht auch durch Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Unternehmensberater vorgenommen werden. Alle Geschäftsführer müssen sodann in der Handelsregisteranmeldung persönlich versichern, dass sie über ihre unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht belehrt worden sind (Abs. 3 Satz 1 Fall 2).60) Aus der Versicherung muss sich nicht zwingend ergeben, durch wen die Belehrung im Einzelfall erfolgt ist.

73

Die Abgabe einer falschen Versicherung ist auch insoweit strafbar (§ 82 Abs. 1 Nr. 5).

74

3.

Angabe der inländischen Geschäftsanschrift (Abs. 4 Nr. 1)

In der Handelsregisteranmeldung ist ferner eine inländische Geschäftsanschrift anzugeben (Abs. 4 Nr. 1; siehe auch § 24 HRV).61) Die Geschäftsanschrift muss Straße, Hausnummer, Postleitzahl und Ort umfassen.62) Die Angabe einer c/o Adresse ist zulässig.63) Dagegen ist die Angabe eines bloßen Postfachs nicht ausreichend.

75

Die Geschäftsanschrift muss stets in Deutschland liegen. Dies gilt auch dann, wenn die Gesellschaft ihren Verwaltungssitz im Ausland hat. Im Übrigen kann die Geschäftsanschrift frei gewählt werden. Die Geschäftsanschrift muss sich weder am Satzungssitz noch am Verwaltungssitz der Gesellschaft befinden. An der angegebenen Geschäftsanschrift muss die Gesellschaft auch keinen Betrieb haben.64)

76

4.

Angaben zur Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer (Abs. 4 Nr. 2)

In der Anmeldung ist darüber hinaus auch „Art und Umfang der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer“ anzugeben (Abs. 4 Nr. 2).

77

Die allgemeine Regelung zur Vertretung der GmbH durch die Geschäftsführer ist stets anzumelden (Abs. 4 Nr. 2) und einzutragen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 GmbHG i. V. m. § 43 Nr. 4 Buchst. a HRV).65) Maßgebend ist dabei die Vertretungsbefugnis nach dem Gesellschaftsvertrag. Enthält der Gesellschaftsvertrag keine Regelung, gilt die gesetzliche Vertretungsregelung (§ 35 Abs. 2 Satz 1). Die Anmeldung und Eintragung könnte dann wie folgt lauten:

78

„Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, vertritt dieser die Gesellschaft allein. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, wird die Gesellschaft durch sämtliche Geschäftsführer gemeinsam vertreten.“

_____________ 59) S. dazu BT-Drucks. 16/6140, S. 84. 60) S. dazu OLG München, ZIP 2010, 1494 = GmbHR 2010, 983. 61) Zu den Übergangsfragen nach § 3 Abs. 1 EGGmbHG s. OLG München, ZIP 2009, 619 = DStR 2009, 599, dazu EWiR 2009, 439 (Schaller); OLG München, ZIP 2009, 366 = GmbHR 2009, 380 m. Anm. Blasche/von Rüden, dazu EWiR 2009, 199 (Steffek). Zur Anmeldepflicht der Geschäftsführer bei Insolvenz OLG Hamburg, GmbHR 2011, 828. 62) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 8 Rn. 20; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 8 Rn. 34; Wicke, GmbHG, § 8 Rn. 17; zur Zustellung an die Geschäftsanschrift s. BGH, DB 2019, 57. 63) OLG Hamm, GmbHR 2015, 938; OLG Hamm, ZIP 2011, 2014; OLG Rostock, GmbHR 2011, 30; OLG Naumburg, GmbHR 2009, 832; ausführlich dazu Stenzel, NZG 2011, 851. 64) Zur Anmeldung der Änderung der Geschäftsanschrift KG Berlin, ZIP 2016, 2121; KG Berlin, ZIP 2016, 1968 = EWiR 2016, 525 (Blasche). 65) S. u. a. BayObLG, GmbHR 1981, 59 = DB 1980, 681; OLG Düsseldorf, GmbHR 1989, 421 = NJW 1989, 3100.

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§8

Inhalt der Anmeldung

79

Bei einer „klassischen“ GmbH kommt es in der Praxis jedoch kaum einmal vor, dass der Gesellschaftsvertrag keinerlei Regelung zur Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer enthält.

80

Weicht die Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer von der allgemeinen Vertretungsbefugnis ab, dann (und nur dann) ist diese besondere Vertretungsbefugnis des jeweiligen Geschäftsführers anzumelden (Abs. 4 Nr. 2) und einzutragen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 GmbHG i. V. m. § 43 Nr. 4 Satz 2 HRV).66) Die bloße Ermächtigung im Gesellschaftsvertrag, dass allen, einzelnen oder mehreren Geschäftsführern eine abweichende Vertretungsbefugnis eingeräumt werden kann, ist dagegen weder anzumelden noch einzutragen.67) Eine Anmeldung ist vielmehr erst dann erforderlich, wenn einem Geschäftsführer tatsächlich eine besondere Vertretungsbefugnis eingeräumt worden ist (z. B. Einzelvertretung statt Gesamtvertretung). Die Begriffe „Einzelvertretungsbefugnis“ und „Alleinvertretungsbefugnis“ sind dabei synonym.68) Der Beschluss, mit dem einem Geschäftsführer eine besondere Vertretungsbefugnis eingeräumt wird, ist dem Handelsregister vorzulegen (Abs. 1 Nr. 2).

81

Eine Abweichung von der allgemeinen Vertretungsbefugnis besteht auch in der vollständigen oder teilweisen Befreiung eines, mehrerer oder aller Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB.69) Anmeldung und Eintragung müssen stets so erfolgen, dass sie aus sich heraus verständlich sind. Ein Rückgriff auf die Registerakten oder Unterlagen außerhalb des Registers darf für die Feststellung der Vertretungsbefugnis nicht erforderlich sein. Wird ein Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit, genügt in der Anmeldung eine bloße Bezugnahme auf die gesetzliche Regelung (siehe auch Nr. 4 Satz 2 des MP); eine zusätzliche Umschreibung der Befreiung von dem Verbot von Insichgeschäften bzw. der Mehrfachvertretung ist in diesem Fall nicht erforderlich.70)

82

Bei der Gründung einer GmbH im vereinfachten Verfahren (§ 2 Abs. 1a) gilt die gesetzliche Vertretungsregelung, weil das Musterprotokoll (MP) keine allgemeine

_____________ 66) S. OLG München, ZIP 2017, 1855 = EWiR 2017, 715 (Cramer); BayObLG, GmbHR 1997, 741 = DB 1997, 1272. 67) S. u. a. OLG Hamm, GmbHR 1997, 32 = DB 1996, 2272; OLG Frankfurt/M., GmbHR 1984, 118 = DB 1993, 2174; OLG Hamm, GmbHR 1993, 500 = NJW-RR 1994, 361; OLG Frankfurt/M., GmbHR 1984, 184 = DB 1984, 42. 68) BGH, ZIP 2007, 1103 = GmbHR 2007, 704, dazu EWiR 2007, 401 (Terner). 69) BGH, ZIP 1991, 650 = GmbHR 1991, 264, dazu EWiR 1992, 137 (Reithmann); BGH, ZIP 1983, 568 = GmbHR 1983, 269; OLG Nürnberg, GmbHR 2015, 486; OLG Hamm, GmbHR 2011, 306; OLG Stuttgart, ZIP 2008, 225 = GmbHR 2007, 1270; OLG Frankfurt/M., GmbHR 1997, 349; OLG Düsseldorf, GmbHR 1995, 51, dazu EWiR 1994, 1063 (Meyding); BayObLG, GmbHR 1990, 213 = DB 1989, 2529. dazu EWiR 1989, 1205 (Finken). – Zu den Amtspflichten des Notars bei Beurkundung und Vollzug einer Satzungsänderung einer GmbH mit dem Ziel der Befreiung des Alleingeschäftsführers und -gesellschafters vom Selbstkontrahierungsverbot s. BGH, ZIP 2000, 131 = GmbHR 2000, 136 m. Anm. Schick, dazu EWiR 2000, 675 (Kornblum). 70) A. A. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 8 Rn. 22.

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§8

Inhalt der Anmeldung

Regelung zur Vertretung enthält.71) Der (alleinige) Gründungsgeschäftsführer ist stets von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit (Nr. 4 Satz 2 des MP). Dies ist als besondere Vertretungsregelung anzumelden und einzutragen. Die Anmeldung könnte in diesem Fall daher wie folgt lauten: „Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, vertritt dieser die Gesellschaft allein. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, wird die Gesellschaft durch sämtliche Geschäftsführer gemeinsam vertreten. Zum Geschäftsführer der Gesellschaft wurde Herr/Frau …, geboren am …, wohnhaft in … bestellt. Er ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.“

In der Handelsregisteranmeldung sind darüber hinaus stets „Familiennamen, Vornamen, Geburtsdatum und Wohnort“ aller Geschäftsführer anzumelden, nachdem diese Angaben auch im Handelsregister eingetragen werden (§ 43 Nr. 4 Buchst. b HRV). Die Angabe der vollständigen privaten Wohnanschrift ist nicht erforderlich.72)

83

Veränderungen in der Person der Geschäftsführer oder deren Vertretungsbefugnis zwischen Anmeldung und Eintragung der Gesellschaft sind ebenfalls anzumelden (§ 39).

84

5.

Weitere Angaben in der Anmeldung

Die Handelsregisteranmeldung kann neben den Mindestangaben nach § 8 weitere Angaben enthalten (z. B. die Anmeldung einer empfangsberechtigten Person nach § 10 Abs. 2 Satz 2 oder die Erteilung einer Prokura nach § 53 Abs. 1 HGB).

85

IV. Elektronische Einreichung von Unterlagen (Abs. 5) Die Handelsregisteranmeldung ist von allen Geschäftsführern zu unterzeichnen (§ 78).73) Die Unterschriften der Geschäftsführer müssen dabei öffentlich beglaubigt werden (§ 12 Abs. 1 Satz 1 HGB i. V. m. § 129 BGB). Seit 2017 ist die Handelsregisteranmeldung von einem (deutschen) Notar zudem stets vorab auf ihre Eintragungsfähigkeit zu prüfen (§ 378 Abs. 3 Satz 1 FamFG).74)

86

Vollmachten zur Handelsregisteranmeldung müssen gleichfalls öffentlich beglaubigt oder notariell beurkundet sein (§ 12 Abs. 1 Satz 2 HGB).75) Die Versicherungen in der Handelsregisteranmeldung müssen die Geschäftsführer allerdings stets persönlich abgeben, sodass insoweit eine Vertretung ausgeschlossen ist.

87

_____________ 71) Zur (umstrittenen) Anmeldung der Vertretungsbefugnis in diesen Fällen s. OLG Düsseldorf, ZIP 2011, 2468 = GmbHR 2011, 1319; OLG Hamm, ZIP 2011, 1668 = GmbHR 2011, 708; OLG Celle, GmbHR 2011, 305; OLG Hamm, ZIP 2011, 1011 = GmbHR 2011, 87 m. Anm. Dignas; OLG Bremen, ZIP 2009, 1998 = GmbHR 2009, 1210; OLG Stuttgart, ZIP 2009, 1011 = GmbHR 2009, 827, dazu EWiR 2009, 535 (Heckelmann); ausführlich dazu Ries, NZG 2009, 739; LG Stralsund, GmbHR 2009, 829. = NZG 2009, 915. 72) Dazu Seibert/Wedemann, GmbHR 2007, 17. 73) S. OLG Karlsruhe, ZIP 2014, 2181 = GmbHR 2014, 1046 – keine Anmeldung der durch Prokuristen. 74) BGBl. I 2017, 1396. – Ausführlich zu den neuen Prüfpflichten Attenberger, MittBayNot 2017, 335; Diehn/Rachlitz, DNotZ 2017, 487; Heinemann, ZNozP 2017, 166; Zimmer, NJW 2017, 1909. 75) S. dazu OLG Karlsruhe, GmbHR 2015, 144 = NJW-RR 2015, 420 – zum Nachweise des Nicht-Erlöschens einer Handelsregistervollmacht durch Zeitablauf; OLG Karlsruhe, ZIP 2014, 1392 = ZEV 2014, 671 mit Anm. Schaub, dazu EWiR 2014, 447 (Schodder) – zur Anmeldung aufgrund einer notariellen Generalvollmacht gegenüber dem Handelsregister.

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Überbewertung der Sacheinlagen

88

Die öffentlich beglaubigte Handelsregisteranmeldung wird sodann zwingend elektronisch76) in öffentlich beglaubigter Form beim zuständigen Registergericht eingereicht (§ 12 Abs. 1 Satz 1 HGB). Die Einreichung hat durch einen (deutschen) Notar zu erfolgen (§ 378 Abs. 3 Satz 2 FamFG) Eine Anmeldung in Papierform ist nicht (mehr) möglich.

89

Neben der Handelsregisteranmeldung selbst sind auch die beigefügten Anlagen elektronisch einzureichen (Abs. 5 i. V. m. § 12 Abs. 2 Satz 1 HGB). Dies gilt nicht nur für die „Unterlagen“ über die Werthaltigkeit von Sacheinlagen (siehe Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 5), sondern für alle (gesetzlich vorgesehenen oder freiwillig vorgelegten) „Dokumente“ (so § 12 Abs. 2 Satz 1 HGB). Ist eine Urschrift oder eine einfache Abschrift einzureichen oder ist für das Dokument die Schriftform bestimmt (z. B. für einen Einzahlungsbeleg oder den Sachgründungsbericht), genügt die Übermittlung einer elektronischen Aufzeichnung (§ 12 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 HGB). Ist dagegen ein notariell beurkundetes Dokument oder eine öffentlich beglaubigte Abschrift einzureichen (z. B. ein Beschluss über die Bestellung eines Geschäftsführers), so ist ein mit einem einfachen elektronischen Zeugnis versehenes Dokument zu übermitteln (§ 12 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 HGB i. V. m. § 39a BeurkG). _____________ 76) Zur Nutzung digitaler Technologien im Bereich des Gesellschaftsrechts (einschließlich der Onlinegründung von Kapitalgesellschaften) s. den Vorschlag der EU-Kommission, COM (2018) 239 final v. 25.4.2018 = BR-Drucks. 163/18 v. 2.5.2018; ausführlich dazu u. a. Bock, DNotZ 2018, 643; Bormann, ZGR 2017, 621; Knaier, GmbHR 2018, 560; Noack, DB 2018, 1324; Schmidt, Jessica, Der Konzern 2018, 229 und 273.

§9 Überbewertung der Sacheinlagen Thomas Wachter (1) 1Erreicht der Wert einer Sacheinlage im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister nicht den Nennbetrag des dafür übernommenen Geschäftsanteils, hat der Gesellschafter in Höhe des Fehlbetrags eine Einlage in Geld zu leisten. 2Sonstige Ansprüche bleiben unberührt. (2) Der Anspruch der Gesellschaft nach Absatz 1 Satz 1 verjährt in zehn Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister. Literatur: Bayer/Illhardt, Darlegungs- und Beweislast im Recht der GmbH anhand praktischer Fallkonstellationen, GmbHR 2011, 505, 638, 751, 856; Burgard/Heimann, Haftungsrisiken des Alleingesellschafter-Geschäftsführers einer Ein-Personen-GmbH, NZG 2018, 601; Kallmeyer, Differenzhaftung bei Verschmelzung mit Kapitalerhöhung und Verschmelzung im Wege der Neugründung, GmbHR 2007, 1121; Porzelt, Die Überbewertung der Sacheinlagen und die Rechtsfolgen für die Gesellschafter, GmbHR 2018, 1251; Porzelt, Ungeklärte Fragen der Gründerhaftung der Gesellschafter einer (Vor-)GmbH, GmbHR 2018, 663; Schäfer, Schuldrechtliches Agio im Aktienrecht – Kapitalaufbringung ad libitum?, ZIP 2016, 953; Schnorbus/Plassmann, Bilanzierung eines schuldrechtlichen Agios als andere Zuzahlung gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB, ZIP 2016, 693; Wagner, Gründung bzw. Kapitalerhöhung von Kapitalgesellschaften – Aufgeld auf satzungsmäßiger bzw. schuldrechtlicher Grundlage, DB 2004, 293. Übersicht I.

224

Überblick .............................................. 1

II. Differenzhaftung für Sacheinlagen ................................................. 5

Thomas Wachter

§9

Überbewertung der Sacheinlagen 1.

2.

I.

Voraussetzungen der Differenzhaftung ................................................... 5 a) Nennbetrag des übernommenen Geschäftsanteils ............................. 5 b) Wert der Sacheinlage ................... 10 Rechtsfolgen der Differenzhaftung ... 13 a) Höhe des Anspruchs ................... 13 b) Inhalt des Anspruchs ................... 16

3.

Verjährung der Differenzhaftung (Abs. 2) ................................................ 19 4. Auswirkungen auf die Eintragung der Gesellschaft ................................... 20 III. Sonstige Ansprüche bei Überbewertung von Sacheinlagen (Abs. 1 Satz 2) ..................................... 22

Überblick

Die Vorschrift regelt die Differenzhaftung des Gesellschafters im Falle der Überbewertung einer (offenen) Sacheinlage. Im Interesse einer ordnungsgemäßen Kapitalaufbringung muss der Wert einer Sacheinlage im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft (mindestens) den Nennbetrag des dafür übernommenen Geschäftsanteils erreichen (siehe § 8 Abs. 1 Nr. 5). Ist dies aufgrund einer Überbewertung der Sacheinlage nicht der Fall, hat der Gesellschafter i. H. d. Fehlbetrages eine Einlage in Geld zu leisten (Abs. 1 Satz 1).1) Bei einer (nicht nur unwesentlichen) Überbewertung der Sacheinlage hat das Registergericht zudem die Eintragung der Gesellschaft abzulehnen (§ 9c Abs. 1 Satz 2).

1

Die gesetzlich geregelte Differenzhaftung gilt für Fälle der offenen Sacheinlage (einschließlich Mischeinlagen und Sachübernahmen). Die i. R. d. MoMiG ursprünglich vorgesehene entsprechende Anwendung von § 9 auch auf Fälle der verdeckten Sachgründung2) ist schließlich doch nicht in das Gesetz aufgenommen worden.3) Für die verdeckte Sacheinlage hat der Gesetzgeber eine eigene Anrechnungslösung vorgesehen (§ 19 Abs. 4 Satz 3), die aber durchaus gewisse Ähnlichkeiten zu der Differenzhaftung bei der offenen Sacheinlage aufweist.4) Allerdings erfolgt die Anrechnung bei der verdeckten Sacheinlage nicht vor der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister (§ 19 Abs. 4 Satz 4). Zudem bestehen Unterschiede bei der Beweislast: bei der offenen Sacheinlage trifft die Beweislast für eine Überbewertung grundsätzlich die GmbH, bei der verdeckten Sacheinlage muss dagegen der Gesellschafter die Werthaltigkeit des Vermögensgegenstandes beweisen (§ 19 Abs. 4 Satz 5).

2

Absatz 1 Satz 1 regelt die Differenzhaftung des Gesellschafters im Falle der Überbewertung einer offenen Sacheinlage. Die allgemeine Ersetzung des Begriffs der Stammeinlage durch den Begriff des Geschäftsanteils (siehe § 14) i. R. d. MoMiG hat dazu geführt, dass als Bezugsgröße für die Überbewertung jetzt der „Nennbetrag des dafür übernommenen Geschäftsanteils“ maßgebend ist (Art. 1 Nr. 10 Buchst. a, aa MoMiG). Der durch das MoMiG neu eingefügte Absatz 1 Satz 2 stellt klar, dass neben der Differenzhaftung Ansprüche aus anderen Rechtsgründen unberührt bleiben (Art. 1 Nr. 10 Buchst. a, bb MoMiG).5) Der Anspruch der Gesellschaft aus der Differenzhaftung verjährt in zehn Jahren seit Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister (Abs. 2; angepasst durch Art. 1 Nr. 10 Buchst. b MoMiG).

3

_____________ 1) 2) 3) 4) 5)

Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 9 Rn. 1. S. § 19 Abs. 4 Satz 2 GmbHG-E in der Fassung des RegE, BT-Drucks. 16/6140. S. dazu die Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/9737. Ausführlich Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 71; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 9 Rn. 1 und 2a. Dazu BT-Drucks. 16/6140, S. 86.

Thomas Wachter

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§9 4

Überbewertung der Sacheinlagen

§ 9 gilt auch bei einer Sachkapitalerhöhung (§ 56 Abs. 2).6) Dagegen gibt es bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 57c ff) keine Differenzhaftung, da es in diesem Fall weder Einlagen noch Übernahmeerklärungen gibt.7) II. Differenzhaftung für Sacheinlagen 1.

Voraussetzungen der Differenzhaftung

a) Nennbetrag des übernommenen Geschäftsanteils 5

Die Differenzhaftung des Gesellschafters setzt voraus, dass der Wert der Sacheinlage den „Nennbetrag des dafür übernommenen Geschäftsanteils“ nicht erreicht (Abs. 1 Satz 1).

6

Maßgeblich sind insoweit die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages (§§ 3 Abs. 1 Nr. 4, 5, Abs. 4 Satz 1). Im Falle der offenen Sacheinlage muss der Nennbetrag des Geschäftsanteils, auf den sich die Sacheinlage bezieht, im Gesellschaftsvertrag festgesetzt sein.

7

Seit Inkrafttreten des MoMiG ist es möglich, dass ein Gesellschafter bereits bei Gründung der Gesellschaft mehrere Geschäftsanteile (mit gleichen oder unterschiedlichen Nennbeträgen) übernimmt (§ 5 Abs. 2 Satz 2). In diesem Fall müssen die Nennbeträge der einzelnen Geschäftsanteile, die im Hinblick auf die Sacheinlage übernommen werden, im Gesellschaftsvertrag genau bezeichnet werden. Eine Angabe der laufenden Nummer der einzelnen Geschäftsanteile ist zwar gesetzlich nicht vorgesehen, aus Gründen einer zweifelsfreien Identifizierung aber gleichwohl sinnvoll. Eine eindeutige Zuordnung der Sacheinlage zu den einzelnen Geschäftsanteilen ist zudem auch im Hinblick auf die Versicherung der Geschäftsführer bezüglich der vollständigen Bewirkung der Leistung von praktischer Bedeutung (§ 8 Abs. 2 Satz 1).

8

Sacheinlage und Geschäftsanteil sind aufgrund der Festsetzungen im Gesellschaftsvertrag rechtlich miteinander verbunden. Der Minderwert einer Sacheinlage kann demnach nicht durch den Mehrwert einer anderen Sacheinlage (desselben Gesellschafters oder eines anderen Gesellschafters) ausgeglichen werden.8) Eine Verrechnung zwischen Mehr- und Minderwerten mehrerer Sacheinlagen ist nur dann möglich, wenn ein Gesellschafter für die Übernahme eines einzigen Geschäftsanteils mehrere Sacheinlagen erbringt.9)

9

Bezugsgröße für die Differenzhaftung des Gesellschafters ist der „Nennbetrag des dafür übernommenen Geschäftsanteils“. Ein etwaiges Agio10) ist demnach nicht zu _____________ 6) Zu der Pflicht des Notars bei etwaigen Zweifeln an der richtigen Bewertung einer Sacheinlage auf die Gefahr einer Differenzhaftung des Übernehmers hinzuweisen, s. BGH, ZIP 2007, 2126 = GmbHR 2007, 1331 = DB 2007, 2477, dazu EWiR 2007, 753 (Volmer). 7) S. BGH, ZIP 2019, 114 – Keine Differenzhaftung bei Verschmelzung einer GmbH mit Kapitalerhöhung. 8) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 9 Rn. 2; Wicke, GmbHG, § 9 Rn. 2. 9) LG Augsburg, GmbHR 1996, 216 = DB 1996, 467 = BB 1996, 920. 10) Allgemein zum Agio u. a. Schäfer, ZIP 2016, 953; Schnorbus/Plassmann, ZIP 2016, 693; Wagner, DB 2004, 293.

226

Thomas Wachter

§9

Überbewertung der Sacheinlagen

berücksichtigen.11) Dementsprechend kann ein vom Gesellschafter geleistetes Agio auch nicht auf eine etwaige Differenzhaftung angerechnet werden.12) b) Wert der Sacheinlage Die Differenzhaftung stellt auf den „Wert“ der Sacheinlage ab (Abs. 1 Satz 1). Dabei kommt es auf den objektiven Verkehrswert der Sacheinlage an. Die im Zusammenhang mit der Handelsregisteranmeldung dem Registergericht vorgelegten Unterlagen über den Wert der Sacheinlage (§ 8 Abs. 1 Nr. 5) haben insoweit keine Bindungswirkung. Die Ermittlung des Verkehrswerts hängt vom jeweiligen Gegenstand der Sacheinlage ab. Im Einzelfall kann die Erstellung eines Gutachtens eines unabhängigen Sachverständigen erforderlich sein.

10

Maßgebend ist der Wert „im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister“ (Abs. 1 Satz 1). Damit ist der Zeitpunkt gemeint, in dem die Handelsregisteranmeldung beim Registergericht elektronisch eingeht (entsprechend § 130 Abs. 3 BGB).13) Wertveränderungen nach dem Zeitpunkt der Handelsregisteranmeldung sind für die Differenzhaftung somit ohne Bedeutung. Kommt es zwischen Anmeldung und Eintragung der Gesellschaft zu Wertminderungen (gleich aus welchem Grund), trifft den einzelnen Gesellschafter keine Differenzhaftung, weil die Sacheinlage im maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung nicht überbewertet war.14) Die Gründer sind aber aufgrund der Vorbelastungshaftung zum Ausgleich der Differenz verpflichtet. Werterhöhungen nach der Anmeldung kommen grundsätzlich der Gesellschaft zugute. Die Gesellschafter können für diesen Fall im Innenverhältnis allerdings einen Ausgleich vorsehen.

11

Die Beweislast für den Minderwert der Sacheinlage obliegt nach allgemeinen Grundsätzen der Gesellschaft als Inhaberin des Anspruchs. – Zu der umgekehrten Beweislast bei der verdeckten Sacheinlage nach § 19 Abs. 4 Satz 5 siehe § 19 Rn. 11 ff [Bartels].15) Allerdings kommen bei Vorlage unzureichender Wertnachweise oder sonstigen begründeten Zweifeln Beweiserleichterungen oder sogar eine Beweislastumkehr in Betracht.16)

12

2.

Rechtsfolgen der Differenzhaftung

a) Höhe des Anspruchs Die Überbewertung der Sacheinlage führt dazu, dass „der Gesellschafter i. H. d. Fehlbetrages eines Einlage in Geld zu leisten hat.“ (Abs. 1 Satz 1).17) Bei der Differenz_____________ 11) So wohl auch die amtliche Gesetzesbegründung zum MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 86, Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 9 Rn. 4. 12) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 9 Rn. 8. 13) S. u. a. OLG Köln, GmbHR 1999, 288 = NZG 1999, 454. 14) BGH, ZIP 1999, 84 = GmbHR 1999, 714 = DStR 1998, 1884 m. Anm. Goette. 15) So jetzt auch Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 9 Rn. 4a. 16) S. u. a. OLG Naumburg, GmbHR 1998, 385 = DB 1998, 125, dazu EWiR 1997, 855 (Knothe); OLG München, GmbHR 1994, 712, dazu EWiR 1994, 465 (Schulze-Osterloh); OLG Düsseldorf, GmbHR 1992, 112 = WM 1991, 1669 = NJW-RR 1992, 426, dazu EWiR 1991, 677 (Siemon). – Zu Fragen der Darlegungs- und Beweislast im Recht der GmbH s. Bayer/Illhardt, GmbHR 2011, 505, 638, 751, 856. 17) S. dazu OLG Naumburg, NotBZ 2018, 316 (volle Bareinzahlung bei nicht nachweisbarer Werthaltigkeit der vereinbarten Sacheinlage).

Thomas Wachter

227

13

§9

Überbewertung der Sacheinlagen

haftung handelt es sich somit nicht etwa um einen Schadensersatzanspruch gegen den Gesellschafter, sondern lediglich um eine Verpflichtung zur Erbringung einer Geldeinlage. Auf ein Verschulden des Gesellschafters kommt es für die Differenzhaftung somit nicht an. 14

Die Verpflichtung zur Geldeinlage besteht unabhängig davon, wie hoch der Fehlbetrag im jeweiligen Einzelfall ist. Eine Differenzhaftung besteht insbesondere auch bei ganz geringfügigen Fehlbeträgen. Lediglich die Eintragung der Gesellschaft kann bei nur unwesentlichen Überbewertungen von Sacheinlagen nicht mehr abgelehnt werden (§ 9c Abs. 1 Satz 2).

15

Die Differenzhaftung ist auch nicht auf die Höhe des Nennbetrages des Geschäftsanteils beschränkt, der von dem Gesellschafter für die Sacheinlage übernommen worden ist. In Einzelfällen (z. B. Einbringung eines überschuldeten Unternehmens oder eines mit Altlasten belasteten Grundstücks) kann den Gesellschafter somit auch eine weitergehende Einlageverpflichtung treffen.18) b) Inhalt des Anspruchs

16

Die Differenzhaftung sichert die ordnungsgemäße Kapitalaufbringung bei der Gesellschaft und ist daher zwingend.19) Abweichende Vereinbarungen zulasten der Gesellschaft sind unzulässig.

17

Der Anspruch der Gesellschaft auf Leistung des Fehlbetrages entsteht kraft Gesetzes im Zeitpunkt der Anmeldung und ist sofort zur Zahlung fällig.20) Eines Gesellschafterbeschluss bedarf es dafür nicht; eine Änderung der Satzung (Bareinlage anstelle einer Sacheinlage) ist gleichfalls nicht erforderlich.21) Der Verpflichtung zur Geldeinlage tritt an Stelle der überbewerten Sacheinlage und ist daher stets vollständig zu bewirken (entsprechend § 7 Abs. 3).

18

Aufrechnung und Erlass sind unzulässig (§ 19 Abs. 2). Die Ausfallhaftung der übrigen Gesellschafter (§ 24) gilt auch für die Differenzhaftung. Der Erwerber eines Geschäftsanteils haftet (neben dem Veräußerer) gleichfalls für den Fehlbetrag (§ 16 Abs. 2). Im Falle der Kaduzierung trifft die Haftung auch die Rechtsvorgänger (§§ 21 ff). 3.

19

Verjährung der Differenzhaftung (Abs. 2)

Der Anspruch der Gesellschaft aus der Differenzhaftung verjährt in zehn Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister (Abs. 2 i. V. m. §§ 187 ff BGB).22) Im Übrigen gelten für die Verjährung die allgemeinen Vorschriften (§§ 194 ff BGB). Eine Verkürzung der Verjährungsfrist ist aufgrund des zwingenden Charakters der Differenzhaftung unzulässig. Eine Verlängerung auf bis zu 30 _____________ 18) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 9 Rn. 4. – Teilweise abweichend Roth/AltmeppenRoth, GmbHG, § 9 Rn. 4a. 19) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 9 Rn. 1. 20) Ausführlich dazu Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 9 Rn. 7; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 9 Rn. 7 ff; Scholz-Veil, GmbHG, § 9 Rn. 20. 21) OLG Naumburg, NotBZ 2018, 316. 22) Zu Übergangsfragen s. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 9 Rn. 8; Roth/AltmeppenRoth, GmbHG, § 9 Rn. 10.

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Thomas Wachter

Überbewertung der Sacheinlagen

Jahre ist dagegen theoretisch möglich (siehe § 202 Abs. 2 BGB),23) in der Praxis allerdings unüblich. 4.

Auswirkungen auf die Eintragung der Gesellschaft

Die Überbewertung einer Sacheinlage begründet nicht nur die Differenzhaftung des Gesellschafters, sondern wirkt sich auch auf die Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister aus. Denn das Registergericht überprüft i. R. d. Eintragungsverfahrens auch die Werthaltigkeit der vereinbarten Sacheinlage. Stellt das Registergericht fest, dass die Sacheinlage überbewertet worden ist, muss die Eintragung der Gesellschaft mangels ordnungsgemäßer Gründung grundsätzlich abgelehnt werden (§ 9c Abs. 1 Satz 1). Dies gilt allerdings nur bei einer nicht nur unwesentlichen Überbewertung (§ 9c Abs. 1 Satz 2). Unwesentliche Überbewertungen gelten dagegen als unbeachtlich und stehen der Eintragung der Gesellschaft nicht entgegen.

20

Bei einer nicht nur unwesentlichen Überbewertung einer Sacheinlage kann das Eintragungshindernis allerdings dadurch behoben werden, dass der Gesellschafter den Anspruch auf Differenzhaftung erfüllt.24) In diesem Fall ist das Kapital ordnungsgemäß aufgebracht. Durch die Geldeinlage wird die bestehende Sacheinlageverpflichtung erfüllt, soweit die Sacheinlage nicht werthaltig ist. Die geänderte Form der Kapitalaufbringung ist gegenüber dem Registergericht offenzulegen und nachzuweisen. Die Geschäftsführer (und zwar alle) haben das geänderte Bewirken der Leistungen in einer Handelsregisteranmeldung zu versichern (entsprechend § 8 Abs. 2 Satz 1). Mit dieser Ergänzung ist die Gesellschaft dann ordnungsgemäß errichtet und kann vom Registergericht in das Handelsregister eingetragen werden.25)

21

III. Sonstige Ansprüche bei Überbewertung von Sacheinlagen (Abs. 1 Satz 2) Die Überbewertung einer offenen Sacheinlage begründet zunächst die (verschuldensunabhängige) Differenzhaftung des Gesellschafters für den Fehlbetrag (Abs. 1 Satz 1). Der Gesetzgeber hat i. R. d. MoMiG ausdrücklich klargestellt, dass sonstige Ansprüche davon unberührt bleiben (Abs. 1 Satz 2). In der amtlichen Gesetzesbegründung wird insoweit insbesondere auf „Ansprüche auf ein durch den Wert der Sacheinlage nicht vollständiges gedecktes Agio“ verwiesen.26)

22

Bei Mängeln der eingebrachten Sache stehen der Gesellschaft zudem die allgemeinen Gewährleistungsansprüche zu. Neben der Differenzhaftung kommt auch eine Haftung der Gesellschafter und Geschäftsführer als Gründer in Betracht (§ 9a). In Einzelfällen ist schließlich eine deliktische Haftung möglich (z. B. nach § 826 BGB oder nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB).

23

_____________ 23) Wicke, GmbHG, § 9 Rn. 7. 24) Wicke, GmbHG, § 9 Rn. 5. 25) So jetzt auch OLG Naumburg, NotBZ 2018, 316 (Versicherung der Geschäftsführer entsprechend § 8 Abs. 2 GmbHG ist erforderlich, aber auch ausreichend.). 26) BT-Drucks. 16/6140, S. 86.

Thomas Wachter

229

§ 9a

Ersatzansprüche der Gesellschaft

§ 9a Ersatzansprüche der Gesellschaft Thomas Wachter (1) Werden zum Zweck der Errichtung der Gesellschaft falsche Angaben gemacht, so haben die Gesellschafter und Geschäftsführer der Gesellschaft als Gesamtschuldner fehlende Einzahlungen zu leisten, eine Vergütung, die nicht unter den Gründungsaufwand aufgenommen ist, zu ersetzen und für den sonst entstehenden Schaden Ersatz zu leisten. (2) Wird die Gesellschaft von Gesellschaftern durch Einlagen oder Gründungsaufwand vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit geschädigt, so sind ihr alle Gesellschafter als Gesamtschuldner zum Ersatz verpflichtet. (3) Von diesen Verpflichtungen ist ein Gesellschafter oder ein Geschäftsführer befreit, wenn er die die Ersatzpflicht begründenden Tatsachen weder kannte noch bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes kennen musste. (4) 1Neben den Gesellschaftern sind in gleicher Weise Personen verantwortlich, für deren Rechnung die Gesellschafter Geschäftsanteile übernommen haben. 2 Sie können sich auf ihre eigene Unkenntnis nicht wegen solcher Umstände berufen, die ein für ihre Rechnung handelnder Gesellschafter kannte oder bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes kennen musste. Literatur: Burgard/Heimann, Haftungsrisiken des Alleingesellschafter-Geschäftsführers einer Ein-Personen-GmbH, NZG 2018, 601; Dreher, Die Gründerhaftung bei der GmbH, DStR 1992, 33; Haas/Wünsch, Die Haftung der Gesellschafter und Geschäftsführer nach § 9a Abs. 1 GmbHG, NotBZ 1999, 109; Lergon, Die persönliche Haftung des Gesellschafters einer GmbH, RNotZ 2003, 213. Übersicht I. Überblick .............................................. 1 II. Haftung wegen falscher Angaben (Abs. 1) .................................................. 6 1. Voraussetzungen des Ersatzanspruchs ................................................... 6 2. Rechtsfolgen des Ersatzanspruchs ..... 17 III. Haftung wegen sonstigen Fehlverhaltens (Abs. 2) ..................... 20

I. 1

1.

Voraussetzungen des Ersatzanspruchs ................................................. 20 2. Rechtsfolgen des Ersatzanspruchs ..... 22 IV. Haftung der Hintermänner der Gesellschafter (Abs. 4) ....................... 25 V. Sonstige Ansprüche der Gesellschaft .................................................... 27

Überblick

Gesellschafter und Geschäftsführer haften der Gesellschaft als Gesamtschuldner, wenn sie zum Zwecke der Errichtung der Gesellschaft falsche Angaben gemacht haben (Abs. 1). Die Gesellschafter haften der Gesellschaft zudem auch dann, wenn sie diese durch Einlagen oder Gründungsaufwand geschädigt haben (Abs. 2). Das für die Haftung erforderliche Verschulden wird vom Gesetzgeber in allen Fällen vermutet. Die Haftung entfällt nur dann, wenn der Schuldner die die Ersatzpflicht begründenden Tatsachen weder kannte noch bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns kennen musste (Abs. 3). Neben den Gesellschaftern haften deren Hintermänner in gleicher Weise (Abs. 4). Ergänzende Vorschriften zu dem Ersatzanspruch der Gesellschaft infolge einer Gründerhaftung finden sich in § 9b.

230

Thomas Wachter

§ 9a

Ersatzansprüche der Gesellschaft

Die Vorschrift des § 9a dient der Sicherung der ordnungsgemäßen Kapitalaufbringung und ist daher zwingend.1)

2

Absatz 1 und 3 (nicht aber auch Absatz 2) gelten auch i. R. einer Kapitalerhöhung (§ 57 Abs. 4).

3

Falsche Angaben der Gesellschafter oder Geschäftsführer zum Zweck der Eintragung der Gesellschaft sind zudem strafbar (§ 82 Abs. 1 Nr. 1).

4

Eine Ausfallhaftung für den Fall der Zahlungsunfähigkeit oder Leistungsunfähigkeit eines Gründers (siehe § 46 Abs. 4 AktG) gibt es im GmbH-Recht nicht.2) Die Vorschrift kann auch nicht entsprechend angewendet werden.

5

II. Haftung wegen falscher Angaben (Abs. 1) 1.

Voraussetzungen des Ersatzanspruchs

Gesellschafter und Geschäftsführer haften der Gesellschaft, wenn sie zum Zwecke der Errichtung der Gesellschaft „falsche Angaben“ gemacht haben (Abs. 1).

6

Falsch sind die Angaben, wenn sie unvollständig3) oder unrichtig sind (siehe auch § 46 Abs. 1 Satz 1 AktG, wonach die Gründer für die „Richtigkeit und Vollständigkeit“ ihrer Angaben verantwortlich sind) oder wenn notwendige Angaben ganz unterbleiben (z. B. die Angabe des Hin- und Herzahlens nach § 19 Abs. 5 Satz 2).4)

7

Für die Unrichtigkeit kommt es auf den Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung an.5) Werden die Angaben erst nach diesem Zeitpunkt unrichtig, besteht keine Verpflichtung zur Berichtigung der Angaben.6) Die Haftung entfällt, wenn die Angaben nur bei Abgabe der Erklärung falsch waren, aber noch vor der Eintragung der Gesellschaft berichtigt werden.

8

Die Haftung umfasst alle Angaben zum Zwecke der Errichtung der Gesellschaft. Eine Einschränkung auf bestimmte Angaben, wie sie sich in der parallelen Vorschrift über die Strafbarkeit des Gründungsschwindels findet (§ 82 Abs. 1 Nr. 1) ist nicht vorgesehen.7) Gleichwohl werden die falschen Angaben regelmäßig die Übernahme der Geschäftsanteile, die Leistung der Einlagen, die Verwendung eingezahlter Beträge, etwaige Sondervorteile, den Gründungsaufwand oder die Sacheinlagen betreffen (siehe § 82 Abs. 1 Nr. 1). Erfasst sind damit insbesondere auch falsche

9

_____________ 1) 2) 3) 4)

5) 6) 7)

Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 9a Rn. 14; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 9b Rn. 10. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 9a Rn. 2. OLG Bremen, GmbHR 1998, 40; LG Heilbronn, DB 1993, 1352. Zur Notwendigkeit der Offenlegung des Hin- und Herzahlens s. BGH, ZIP 2009, 1561 = GmbHR 2009, 926 m. Anm. Bormann, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer); BGH, ZIP 2009, 713 = GmbHR 2009, 540, dazu EWiR 2009, 443 (Schodder); zur Haftung nach § 9a Abs. 1 GmbHG wegen falscher Angaben gegenüber dem Registergericht s. OLG Brandenburg, GmbHR 2018, 474. OLG Bremen, GmbHR 1998, 40; a. A. – Maßgeblichkeit der Eintragung – OLG Rostock, GmbHR 1995, 658 = BB 1995, 1920. OLG Bremen, GmbHR 1998, 40; a. A. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 9a Rn. 10. Dafür jetzt u. a. auch Scholz-Veil, GmbHG, § 9a Rn. 13 ff.

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§ 9a

Ersatzansprüche der Gesellschaft

Angaben zu verdeckten Sacheinlagen (siehe § 19 Abs. 4)8) und zum Hin- und Herzahlen (siehe § 19 Abs. 5).9) Die Haftung gilt auch für Angaben bei der Offenlegung einer wirtschaftlichen Neugründung. 10

Die falschen Angaben werden sich im Allgemeinen in der Handelsregisteranmeldung oder den beigefügten Unterlagen befinden (siehe § 8 Abs. 1 bis 3). Zwingend ist dies indes nicht. Demnach können auch falsche Angaben außerhalb der Handelsregisteranmeldung eine Haftung begründen.

11

Die falschen Angaben müssen von einem Gesellschafter, dessen Hintermännern oder einem Geschäftsführer gemacht werden. Dies ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus dem Gesetzeswortlaut, folgt aber aus dem Gesamtzusammenhang. Eine Haftung für falsche Angaben Dritter (z. B. eines Sachverständigen) kommt nicht in Betracht.10) Etwas anderes gilt aber dann, wenn sich die Gesellschafter oder Geschäftsführer die falschen Aussagen des Dritten zu eigen gemacht haben (z. B. weil sie die falschen Angaben eines Sachverständigen zur Werthaltigkeit im Sachgründungsbericht oder in der Handelsregisteranmeldung übernommen haben).

12

Aus dem Gesetz ergibt sich nicht, wem gegenüber die Gesellschafter oder Geschäftsführer die falschen Angaben gemacht haben müssen. Als mögliche Adressaten der falschen Angaben kommen u. a. das Registergericht,11) die anderen Geschäftsführer und Gesellschafter, Sachverständige12) und der beurkundende Notar in Betracht. Die Haftung setzt aber stets voraus, dass die falschen Angaben „zum Zweck der Errichtung der Gesellschaft“ gemacht worden sind (ähnlich auch § 82 Abs. 1 Nr. 1).

13

Nicht ausreichend sind dagegen im Allgemeinen falsche Angaben gegenüber Gewerbeämtern, Finanzbehörden oder Kammern (siehe § 379 FamFG).13) Etwas anderes kann allerdings dann gelten, wenn das Registergericht deren Beteiligung an dem Eintragungsverfahren ausnahmsweise als notwendig ansieht. In der Praxis ist dies insbesondere bei solchen Gesellschaften der Fall, die eine Tätigkeit im Bereich des Bank- und Versicherungswesens ausüben (siehe §§ 32, 43 KWG, §§ 5 Abs. 3 Nr. 1, 13 Abs. 1 VAG, §§ 3 Abs. 5, 108 ff, 110 Abs. 4 KAGB),14) bei gemeinnützigen Gesellschaften (siehe §§ 51 ff AO) sowie bei Gesellschaften von Angehörigen verkammerter Berufe. _____________ 8) S. etwa KG Berlin, GmbHR 2011, 821; OLG Köln, ZIP 1999, 399 = GmbHR 1999, 663 = DB 1999, 1846. 9) S. OLG Celle, GmbHR 2001, 243 = NZG 2000, 1178. 10) Anders die h. M., s. u. a. KG Berlin, NZG 2000, 841. – Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 9a Rn. 3; Scholz-Veil, GmbHG, § 9a Rn. 10. 11) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 9a Rn. 13; Scholz-Veil, GmbHG, § 9a Rn. 11. – Einschränkend Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 9a Rn. 4. 12) S. BGH, ZIP 1998, 243 = GmbHR 1998, 233 = DStR 1998, 1884 m. Anm. Goette, dazu EWiR 1998, 179 (v. Gerkan). 13) So die ganz h. M. für falsche Angaben gegenüber der Genehmigungsbehörde im Hinblick auf die Abschaffung von § 8 Abs. 1 Nr. 6 a. F., s. nur Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 9a Rn. 3; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 9a Rn. 4; Wicke, GmbHG, § 9a Rn. 4. 14) Ausführlich dazu Leitzen, GmbHR 2009, 480; Poelzig/Volmer, DNotZ 2014, 483; Weigl, DNotZ 2011, 169.

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Thomas Wachter

§ 9a

Ersatzansprüche der Gesellschaft

Falsche Angaben gegenüber einer Bank begründen grundsätzlich keine Gründungshaftung, sofern die Angaben nicht dazu dienen, gegenüber dem Registergericht die ordnungsgemäße Erbringung der Bareinlagen durch einen Einzahlungsbeleg oder eine förmliche Bankbestätigung nachzuweisen.

14

Die Haftung setzt Verschulden voraus, dass vom Gesetzgeber allerdings vermutet wird (Abs. 3).15) Gesellschafter und Geschäftsführer haften nur dann nicht, wenn sie die Ersatzpflicht begründenden Tatsachen weder kannten noch kennen mussten. Maßgebend ist dabei die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes (siehe § 43 Abs. 1). Persönliche Unfähigkeit entlastet nicht. Allerdings sind besondere Kenntnisse und Erfahrungen des einzelnen Gesellschafters oder Geschäftsführers haftungsverschärfend zu berücksichtigen.

15

Geschäftsführer handeln demnach schuldhaft, wenn sie die Angaben der Gesellschafter (z. B. in einem Sachgründungsbericht) ungeprüft übernehmen. Dagegen müssen Gesellschafter die Angaben der Geschäftsführer (z. B. in der Handelsregisteranmeldung) nicht stets auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit überprüfen.16) Etwas anderes kann aber dann gelten, wenn die Gesellschafter im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass die Angaben der Geschäftsführer falsch sind. Dies kann insbesondere auch bei Vereinbarung einer verdeckten Sacheinlage (§ 19 Abs. 4) oder eines Hin- und Herzahlens (§ 19 Abs. 5)17) der Fall sein. Auf Angaben Dritte (z. B. von Sachverständigen und Beratern) dürfen Gesellschafter und Geschäftsführer dagegen vertrauen, wenn der Dritte sorgfältig ausgewählt wurde und sachkundig, zuverlässig und unabhängig ist.

16

2.

Rechtsfolgen des Ersatzanspruchs

Alle Gesellschafter und Geschäftsführer haften der Gesellschaft als Gesamtschuldner,18) wenn zum Zweck der Errichtung der Gesellschaft schuldhaft falsche Angaben gemacht worden sind (Abs. 1 i. V. m. §§ 249 ff19) und § 426 BGB). Nach der gesetzlichen Regelung sind „fehlende Einzahlungen zu leisten, eine Vergütung, die nicht unter den Gründungsaufwand aufgenommen ist, zu ersetzen und für den sonst entstehenden Schaden Ersatz zu leisten.“ Die Gesellschaft ist so zu stellen, wie sie stehen würde, wenn die Angaben der Gesellschafter und Geschäftsführer richtig und vollständig gewesen wären (und nicht so, wie sie stehen würden, wenn die Angaben nicht gemacht worden wären).20) Der Anspruch auf Schadensersatz umfasst insbesondere auch die Kosten der Rechtsverfolgung und einen etwa entgangenen Gewinn. _____________ 15) KG Berlin, NZG 2000, 841. 16) Ähnlich Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 9a Rn. 6; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 9a Rn. 13. 17) S. dazu OLG Brandenburg, GmbHR 2018, 474 (Haftung der Geschäftsführer bei Falschangaben gegenüber dem Registergericht aufgrund Hin- und Herzahlens). 18) Zum Ausgleich im Innenverhältnis s. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 9a Rn. 53 ff; Scholz-Veil, GmbHG, § 9a Rn. 41 f. 19) Zur Frage der Berücksichtigung eines Mitverschuldens (§ 254 BGB) s. Ulmer/Habersack/ Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 9a Rn. 45; Scholz-Veil, GmbHG, § 9a Rn. 34. 20) S. OLG Celle, GmbHR 2001, 243 = NZG 2000, 1178; OLG Hamm, GmbHR 1994, 399 = DB 1993, 1763.

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17

§ 9a

Ersatzansprüche der Gesellschaft

18

Der Ersatzanspruch entsteht erst mit der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister (siehe § 9b Abs. 2 Satz 2: Verjährungsbeginn frühestens mit Eintragung).21) Die Vor-GmbH ist somit nicht anspruchsberechtigt.22) Zur Geltendmachung des Ersatzanspruches ist grundsätzlich ein Gesellschafterbeschluss erforderlich (§ 46 Nr. 8). Der betroffene Gesellschafter hat dabei kein Stimmrecht (§ 47 Abs. 4 Satz 2). Ein Gesellschafterbeschluss ist aus Gründen des Gläubigerschutzes jedoch dann nicht erforderlich, wenn der Anspruch von einem Insolvenzverwalter geltend gemacht wird.

19

Der Anspruch richtet sich gegen die Personen, die im Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschaft auch noch Gesellschafter bzw. Geschäftsführer sind. Gesellschafter und Geschäftsführer, die vor der Eintragung der Gesellschaft aus ihrer Stellung ausgeschieden sind, haften somit (nach § 9a) nicht mehr;23) die Haftung nach anderen Vorschriften bleibt davon aber unberührt. Umgekehrt trifft die Haftung auch solche Personen, die erst nach der Gründung, aber noch vor der erstmaligen Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister Gesellschafter oder Geschäftsführer geworden sind.24) III. Haftung wegen sonstigen Fehlverhaltens (Abs. 2) 1.

Voraussetzungen des Ersatzanspruchs

20

Die Gesellschafter haften der Gesellschaft darüber hinaus auch dann als Gesamtschuldner, wenn sie von einem Gesellschafter durch Einlagen oder Gründungsaufwand vorsätzlich oder grob fahrlässig geschädigt wird (Abs. 2). Das haftungsbegründende Verhalten besteht in diesem Fall nicht in falschen Angaben der Gründungsgesellschafter, sondern der Erbringung von unbrauchbaren (Sach-)Einlagen oder der Festsetzung eines überhöhten Gründungsaufwands. Die Haftung nach Absatz 2 ist gegenüber der Haftung nach Absatz 1 subsidiär.25)

21

Der die Haftung verursachende Gesellschafter muss dabei – anders als im Falle von Absatz 1 – vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt haben. Dies hat die Gesellschaft zu beweisen. Alle anderen Gesellschafter haften dagegen für vermutetes Verschulden (Abs. 3), wobei insoweit auch einfache Fahrlässigkeit ausreichend ist. 2.

22

Rechtsfolgen des Ersatzanspruchs

Die Gründungshaftung wegen sonstigen Fehlverhaltens trifft nur die Gesellschafter und deren Hintermänner, nicht aber auch die Geschäftsführer. Andere Personen, die an der Schädigung der Gesellschaft mitgewirkt haben, haften nach dieser Vorschrift nicht (siehe demgegenüber die weitergehende Regelung in § 47 AktG). Allerdings kann eine Haftung nach Deliktsrecht (z. B. nach § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 82 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 26 ff StGB) in Betracht kommen. _____________ 21) OLG Rostock, GmbHR 1995, 658 = BB 1995, 1920. 22) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 9a Rn. 12. 23) OLG Rostock, GmbHR 1995, 658 = BB 1995, 1920; a. A. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 9a Rn. 14. 24) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 9a Rn. 2. 25) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 9a Rn. 14; Wicke, GmbHG, § 9a Rn. 8.

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§ 9a

Ersatzansprüche der Gesellschaft

Die Gründer haften gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz (§ 9a Abs. 2 GmbHG i. V. m. §§ 249 ff und § 426 BGB). Die Gesellschaft ist so zu stellen, wie sie bei ordnungsgemäßem Verhalten der Gründer stehen würde. Der Anspruch umfasst auch den Ausgleich von etwaigen Wertdifferenzen (z. B. bei der Überbewertung einer Sacheinlage die Differenz zum tatsächlichen Wert oder bei der Festsetzung eines überhöhten Gründungsaufwands die Differenz zu den angemessenen Kosten) sowie alle sonstigen Schäden (z. B. Produktionsausfall aufgrund der Sacheinlage einer mangelhaften Maschine).

23

Für die Entstehung des Anspruchs und seine Geltendmachung gelten die gleichen Überlegungen wie für den Ersatzanspruch wegen falscher Angaben (nach Abs. 1; siehe Rn. 18 f).

24

IV. Haftung der Hintermänner der Gesellschafter (Abs. 4) Neben den Gesellschaftern haften in gleicher Weise die Personen, für deren Rechnung die Gesellschafter Geschäftsanteile übernommen haben (§ 47 Abs. 4 Satz 1). Damit soll eine Umgehung der Gründungshaftung verhindert werden. Für die Beteiligung eines Gründungsgesellschafters haften somit zwei Personen: der „Vordermann“ (Strohmann, Treuhänder) haftet nach Absatz 1 bis 3 und der „Hintermann“ (Auftraggeber, Treugeber) haftet nach Absatz 4. Die Haftung des Hintermanns entfällt nur dann, wenn er nachweisen kann, dass sowohl er als auch der „Vordermann“ nicht schuldhaft gehandelt haben (Abs. 4 Satz 2). Dabei gilt auch insoweit der Sorgfaltsmaßstab eines ordentlichen Geschäftsmannes. Eine Einschränkung der Haftung bei Hintermännern, die praktisch keinen Einfluss auf die Gründung genommen haben, kommt nicht in Betracht.26) Zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs gegen die Hintermänner ist ein Gesellschafterbeschluss aus Gründen des Gläubigerschutzes nicht erforderlich.27)

25

Die Regelung findet keine Anwendung auf Gesellschafter, für die bei der Gründung ein gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertreter (offen) gehandelt hat. Gesellschafter ist in diesem Fall alleine der Vertretene. Diesen trifft die Gründerhaftung nach Absatz 1 bis 3. Der Vertreter ist nicht Gesellschafter und haftet daher allenfalls nach Deliktsrecht.28)

26

V. Sonstige Ansprüche der Gesellschaft Neben der Haftung nach § 9a sind weitere Ansprüche der Gesellschaft nicht ausgeschlossen. In Betracht kommen dabei insbesondere deliktische Ansprüche (z. B. aus § 826 BGB oder aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 263, 266 StGB). Als Schutzgesetz kommt insbesondere auch § 82 Abs. 1 Nr. 1 in Betracht. Dagegen ist § 9a selbst kein Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB. Unterschiede zwischen den einzelnen Anspruchsgrundlagen bestehen insbesondere in der Person des Gläubigers _____________ 26) So auch Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 9a Rn. 13, und jetzt auch (anders noch in der 10. Auflage); Scholz-Veil, GmbHG, § 9a Rn. 26; a. A. aber Ulmer/Habersack/ Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 9a Rn. 36. 27) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 9a Rn. 1. 28) S. dazu im Einzelnen Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 9a Rn. 12; Roth/AltmeppenRoth, GmbHG, § 9a Rn. 21.

Thomas Wachter

235

27

§ 9b

Verzicht auf Ersatzansprüche

(der Anspruch nach § 9a steht nur der Gesellschaft zu, deliktische Ansprüche stehen dagegen auch Dritten zu) und der Verjährung (einerseits fünf Jahre ab Eintragung nach § 9b Abs. 2 und andererseits grundsätzlich in drei Jahren nach § 195 BGB). 28

Die Haftung des Geschäftsführers für Gründungsmängel richtet sich ausschließlich nach Absatz 1. Der allgemeine Haftungstatbestand des § 43 ist insoweit verdrängt (Umkehrschluss zu § 48 Satz 2 AktG).29) _____________ 29) OLG Celle, GmbHR 2001, 243 = NZG 2000, 1178; OLG Rostock, GmbHR 1995, 658 = BB 1995, 1920.

§ 9b Verzicht auf Ersatzansprüche Thomas Wachter

(1) 1Ein Verzicht der Gesellschaft auf Ersatzansprüche nach § 9a oder ein Vergleich der Gesellschaft über diese Ansprüche ist unwirksam, soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist. 2Dies gilt nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird. (2) 1Ersatzansprüche der Gesellschaft nach § 9a verjähren in fünf Jahren. 2Die Verjährung beginnt mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister oder, wenn die zum Ersatz verpflichtende Handlung später begangen worden ist, mit der Vornahme der Handlung. Literatur: Haas, Der Verzicht und Vergleich auf Haftungsansprüche gegen den GmbHGeschäftsführer, ZInsO 2007, 464; Meul, § 9b I GmbHG – Freifahrtschein oder Beschränkung für den Insolvenzverwalter?, NZI 2017, 689. Übersicht I. Überblick .............................................. 1 II. Verzicht oder Vergleich (Abs. 1) ....... 5

I. 1

III. Verjährung (Abs. 2) ........................... 12

Überblick

Die Vorschrift enthält ergänzende Regelungen für die Ersatzansprüche der Gesellschaft nach § 9a. Die Gesellschaft kann auf die Ersatzansprüche nach § 9a nur eingeschränkt verzichten oder sich darüber vergleichen (Abs. 1). Ein Verzicht oder Vergleich ist grundsätzlich unwirksam, soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist.1) Die Vorschrift dient ausschließlich dem Gläubigerschutz und soll die Durchsetzbarkeit gläubigerschützender Ersatzansprüche sichern; einen weitergehenden Schutz der Gesellschaft oder einer Minderheit bezweckt § 9b dagegen nicht.

_____________ 1)

236

Grundlegend jetzt BGH, ZIP 2018, 1451 = EWiR 2018, 563 (Haas) = GmbHR 2018, 923 mit Anm. Bormann = BB 2018, 1932 mit Anm. Wilhelm.

Thomas Wachter

§ 9b

Verzicht auf Ersatzansprüche

Für einen Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen einen Geschäftsführer wegen Verstoß gegen die Kapitalerhaltung gilt Absatz 1 entsprechend (§ 43 Abs. 3 Satz 2).2)

2

Ersatzansprüche der Gesellschaft nach § 9a verjähren in fünf Jahren (Abs. 2 Satz 1). Die Verjährung beginnt frühestens mit Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister (Abs. 2 Satz 2).

3

§ 9b gilt auch i. R. einer Kapitalerhöhung (§ 57 Abs. 4).

4

II. Verzicht oder Vergleich (Abs. 1) Ein Verzicht der Gesellschaft über Ersatzansprüche nach § 9a oder ein Vergleich über diese Ansprüche ist grundsätzlich unwirksam (Abs. 1 Satz 1).

5

Die Vorschrift erfasst alle Ersatzansprüche der Gesellschaft nach § 9a Abs. 1 bis 4 (nicht auch des Insolvenzverwalters).3) Ansprüche nach anderen Vorschriften bleiben dagegen grundsätzlich unberührt. Allerdings können für ein Verzicht oder Vergleich in Bezug auf andere Schadensersatzansprüche Beschränkungen nach allgemeinen Vorschriften (z. B. § 826 BGB, §§ 129 ff InsO, §§ 3 ff AnfG) gelten.4)

6

Die Vorschrift gilt für Verzicht und Vergleich. Verzicht meint den Erlassvertrag (§ 397 Abs. 1 BGB) und das negative Schuldanerkenntnis (§ 397 Abs. 2 BGB).5) Vergleich ist der Vergleichsvertrag (§ 779 BGB) und der Prozessvergleich. Ein Vergleich, bei dem die Gesellschaft kein vermögensrechtliches Opfer erbringt, ist zwar nach dem Wortlaut, nicht aber nach dem Normzweck erfasst.

7

Die Vorschrift gilt über ihren Wortlaut hinaus auch für andere Rechtsgeschäfte, die einem Verzicht oder Vergleich wirtschaftlich entsprechen. Dies kann bspw. der Fall sein bei einem Klageverzicht, einer Stundungsvereinbarung, der Annahme einer (nicht gleichwertigen) Leistung an Erfüllungs statt, der Abtretung ohne vollwertige Gegenleistung oder dem bloßen „Verjährenlassen“ des Anspruchs.6) Ein Insolvenzverwalter ist dagegen nicht gehindert, Ersatzansprüche des Schuldners wegen verbotener Zahlungen im Rahmen eines Vergleichs an einen Dritten abzutreten.7)

8

Zum Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung ist ein Gesellschafterbeschluss erforderlich (§ 46 Nr. 8 analog).8) Der von dem Verzicht oder Vergleich betroffene Gesellschafter hat dabei kein Stimmrecht (§ 47 Abs. 4 Satz 2).

9

Die Vereinbarung ist unwirksam, „soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist“ (Abs. 1 Satz 1). Die Vereinbarung ist insoweit auflösend bedingt. Die Vereinbarung ist danach insbesondere dann endgültig un-

10

_____________ 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8)

BGH, ZIP 1987, 1050 = GmbHR 1986, 302 = WM 1986, 789, dazu EWiR 1986, 587 (Weipert). BGH, ZIP 2018, 1451 = GmbHR 2018, 923 mit Anm. Bormann = BB 2018, 1932 mit Anm. Wilhelm. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 9c Rn. 9. Zu einem unwirksamen Verzicht s. OLG Brandenburg, GmbHR 2018, 474. OLG Hamm, NZG 2001, 1144. BGH, ZIP 2018, 1451 = GmbHR 2018, 923 mit Anm. Bormann = BB 2018, 1932 mit Anm. Wilhelm. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 9b Rn. 1.

Thomas Wachter

237

§ 9c

Ablehnung der Eintragung

wirksam, wenn die Gesellschaft insolvent ist oder die Voraussetzungen für einen Insolvenzantrag (§§ 17 ff InsO) vorliegen. Darüber hinaus ist die Vereinbarung auch dann unwirksam, wenn das Vermögen der Gesellschaft zur Befriedigung nicht ausreicht (z. B. im Falle von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder bei der Liquidation der Gesellschaft). Die Unwirksamkeit kann auch nur einen Teil der Vereinbarung betreffen (§ 139 BGB und Gesetzeswortlaut „soweit“). Eine zeitliche Befristung ist dabei (anders als im Aktienrecht, siehe § 50 Satz 1 AktG) nicht vorgesehen, sodass die Unwirksamkeit auch noch mehrere Jahre nach Eintragung der Gesellschaft eintreten kann. 11

Die Vereinbarung ist jedoch ausnahmsweise unbedingt wirksam, wenn der Ersatzpflichtige (Gesellschafter, Geschäftsführer oder Hintermänner eines Gesellschafters) zahlungsunfähig oder überschuldet9) ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht (§§ 213 ff InsO) oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan (§§ 217 ff InsO) geregelt wird (Abs. 1 Satz 2). Entscheidend ist dabei stets, dass der Verzicht oder der Vergleich der Gesellschaft gegenüber der voraussichtlichen Insolvenzquote einen Mehrerlös sichert. III. Verjährung (Abs. 2)

12

Die Ersatzansprüche der Gesellschaft nach § 9a verjähren in fünf Jahren (§ 9b Abs. 2 Satz 1 GmbHG i. V. m. §§ 187 ff BGB). Die Verjährung beginnt grundsätzlich mit der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister (Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1). Ist die zum Ersatz verpflichtende Handlung allerdings erst nach der Eintragung begangen worden, beginnt auch die Verjährung erst mit der Vornahme der Handlung (Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2). Im Übrigen gelten für die Verjährung die allgemeinen Vorschriften (§§ 194 ff BGB). Eine Verkürzung der Verjährungsfrist ist aufgrund des zwingenden Charakters der Haftung unzulässig.10) Eine Verlängerung auf bis zu 30 Jahre ist dagegen möglich (siehe § 202 Abs. 2 BGB). _____________ 9) Allgemeine Auffassung, s. nur Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 9b Rn. 3. 10) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 9b Rn. 4; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 9c Rn. 8.

§ 9c Ablehnung der Eintragung Thomas Wachter

(1) 1Ist die Gesellschaft nicht ordnungsgemäß errichtet und angemeldet, so hat das Gericht die Eintragung abzulehnen. 2Dies gilt auch, wenn die Sacheinlagen nicht unwesentlich überbewertet worden sind. (2) Wegen einer mangelhaften, fehlenden oder nichtigen Bestimmung des Gesellschaftsvertrages darf das Gericht die Eintragung nach Absatz 1 nur ablehnen, soweit diese Bestimmung, ihr Fehlen oder ihre Nichtigkeit 1.

238

Tatsachen oder Rechtsverhältnisse betrifft, die nach § 3 Abs. 1 oder auf Grund anderer zwingender gesetzlicher Vorschriften in dem Gesellschaftsvertrag bestimmt sein müssen oder die in das Handelsregister einzutragen oder von dem Gericht bekanntzumachen sind, Thomas Wachter

§ 9c

Ablehnung der Eintragung

2.

Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschafter oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind, oder

3.

die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages zur Folge hat.

Literatur: Fleischer, Zur Auslegung von Gesellschaftsverträgen und Satzungen, DB 2013, 1466; Hasselmann, Die vollmachtlose Gründung einer Einpersonen-GmbH, ZIP 2012, 1947; Keilbach, Die Prüfungsaufgaben der Registergerichte, MittRhNotK 2000, 365; Schockenhoff, Die Auslegung von GmbH- und AG-Satzungen, ZGR 2013, 76; Spiegelberger/ Walz, Die Prüfung der Kapitalaufbringung im Rahmen der GmbH-Gründung, GmbHR 1998, 761; Thoma, Der Handel mit Waren aller Art als Unternehmensgegenstand einer GmbH, RNotZ 2011, 413; Tonikidis, Die Gründung einer Einpersonen-GmbH durch einen vollmachtlosen Stellvertreter, MittBayNot 2014, 514. Übersicht I. Überblick .............................................. 1 II. Eintragungsverfahren .......................... 5 III. Prüfungsbefugnis des Registergerichts (Abs. 1 Satz 1) .......................... 10 1. Allgemeines ......................................... 10 2. Prüfung der Errichtung ...................... 16 3. Prüfung der Anmeldung ..................... 19 4. Prüfung der Bareinlagen ..................... 21 5. Prüfung der Sacheinlagen (Abs. 1 Satz 2) ..................................... 26

I.

6.

Prüfung des Gesellschaftsvertrages (Abs. 2) ................................................ 31 a) Einführung ................................... 31 b) Zwingender Mindesthalt des Gesellschaftsvertrages (Abs. 2 Nr. 1) ............................... 33 c) Vorschriften im öffentlichen Interesse (Abs. 2 Nr. 2) ............... 39 d) Gesamtnichtigkeit des Gesellschaftsvertrages (Abs. 2 Nr. 3) ... 45

Überblick

Die Gründung der Gesellschaft wird vom Registergericht vor Eintragung auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft (§ 9c). Die gesetzliche Regelung ist Ausdruck des im deutschen Kapitalgesellschaftsrechts geltenden Normativsystems. Danach ist die Entstehung einer GmbH von bestimmten, gesetzlich festgelegten Voraussetzungen abhängig, deren Einhaltung i. R. d. Eintragungsverfahrens von einem staatlichen Gericht überprüft wird. Die Gründer haben einen Rechtsanspruch auf unverzügliche Eintragung der Gesellschaft, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Ein Ermessen steht dem Gericht bei der Entscheidung über die Eintragung nicht zu. Gesetzeswidrige Gesellschaftsgründungen sollen auf diese Weise verhindert werden.

1

Das Registergericht hat die Eintragung der Gesellschaft abzulehnen, wenn die Gesellschaft nicht ordnungsgemäß errichtet und angemeldet worden ist (Abs. 1 Satz 1). Dies setzt voraus, dass das Registergericht die Ordnungsmäßigkeit der Gründung überprüft. Die Prüfung umfasst insbesondere auch die ordnungsgemäße Kapitalaufbringung. Die Eintragung ist daher insbesondere auch dann abzulehnen, wenn Sacheinlagen nicht nur unwesentlich überbewertet worden sind (Abs. 1 Satz 2, geändert durch Art. 1 Nr. 12 MoMiG). Mangelhafte, fehlerhafte und nichtige Bestimmungen der Satzung dürfen vom Registergericht nur beanstandet werden, wenn sie von erheblicher Bedeutung sind (Abs. 2, neu eingefügt durch Art. 10 des HRefG).1)

2

_____________ 1)

BGBl. I 1998, 1474.

Thomas Wachter

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§ 9c

Ablehnung der Eintragung

3

Bei späteren Satzungsänderungen (nach Eintragung der Gesellschaft) ist das Registergericht zu einer umfassenden Prüfung der Satzung berechtigt und verpflichtet. Eine Beschränkung des Prüfungsrechts (nach Abs. 2) gilt dann nicht mehr.2)

4

Für Kapitalerhöhungen gilt Absatz 1 – nicht aber auch Absatz 2 – entsprechend (§ 57a). II. Eintragungsverfahren

5

Das Registergericht hat vor der Eintragung zu prüfen, ob die Gesellschaft ordnungsgemäß errichtet worden ist (§ 9c). Vor der Anmeldung beim Registergericht erfolgt aber bereits eine umfassende Überprüfung der gesamten Gründung durch den beurkundenden Notar (§ 2 Abs. 1 und 2). Dem Notar obliegen dabei umfangreiche Prüfungs-, Beratungs- und Aufklärungspflichten (§ 17 BeurkG), die weit über die gerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle hinausgehen.3) Die gesetzlichen Beschränkungen der gerichtlichen Prüfungsbefugnisse (Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2) gelten für den Notar nicht. Der Notar prüft die Eintragungsfähigkeit der Anmeldung (§ 378 Abs. 3 Satz 1 FamFG).4) Der Notar koordiniert und überwacht zudem den gesamten Gründungsvorgang. Für etwaige Fehler haftet der Notar persönlich, unbeschränkt und unbeschränkbar (§ 19 BNotO).5) Die notarielle Mitwirkung an der Gründung hat eine erhebliche Entlastung der staatlichen Registergerichte zur Folge. Insgesamt kommt es dadurch zu einer deutlichen Vereinfachung und Beschleunigung des Gründungsvorgangs.

6

Der Notar reicht die Handelsregisteranmeldung samt allen Anlagen elektronisch beim zuständigen Registergericht ein (§ 378 Abs. 3 Satz 2 FamFG). Anhand dieser Unterlagen prüft das Registergericht, ob die Gesellschaft ordnungsgemäß errichtet und angemeldet worden ist. Eine Stellungnahme der Industrie- und Handelskammer wird dabei im Allgemeinen nicht (mehr) eingeholt (§ 23 Satz 2 HRV).

7

Liegen die Eintragungsvoraussetzungen vor, trägt der Richter die Gesellschaft unverzüglich in das Handelsregister ein (siehe §§ 25 ff HRV). Dem Richter steht _____________ 2) 3) 4) 5)

240

BayObLG, GmbHR 2001, 728 = DB 2001, 1981 = NJW-RR 2002, 248. Ausführlich dazu u. a. Ganter/Hertel/Wöstmann-Ganter, Hdb. Notarhaftung, Rn. 1089 ff; D. Mayer/Weiler in Beck’sches Notarhandbuch, Abschnitt D I Rn. 18. Ausführlich zu den Prüfpflichten Attenberger, MittBayNot 2017, 335; Diehn/Rachlitz, DNotZ 2017, 487; Heinemann, ZNozP 2017, 166; Zimmer, NJW 2017, 1909. S. dazu u. a. BGH, ZIP 2008, 1928 = GmbHR 2008, 766 = DB 2008, 1316 – Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit Vorauszahlungen bei einer Kapitalerhöhung; BGH, ZIP 2007, 2126 = GmbHR 2007, 1331 = DB 2007, 2477, dazu EWiR 2007, 753 (Volmer) – Hinweispflicht auf etwaige Unterbewertung einer Sacheinlage und Risiko einer Differenzhaftung; BGH, ZIP 2000, 131 = GmbHR 2000, 136 m. Anm. Schick = DB 2000, 412, dazu EWiR 2000, 675 (Kornblum) – Vollzugs- und Überwachungspflichten bei Befreiung des alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführers vom Selbstkontrahierungsverbot; BGH, ZIP 1996, 19 = GmbHR 1996, 217 = DB 1996, 132, dazu EWiR 1996, 439 (Limmer) – Aufklärungspflichten hinsichtlich der Bedeutung des Begriffs des Einzahlens von Einlagen bei einer Barkapitalerhöhung; OLG Naumburg, GmbHR 2010, 533 = NZG 2010, 585 = DStR 2010, 564 – Aufklärung über die Bedeutung des Begriffs der Bareinlage; OLG Schleswig, NZG 2005, 89 – Hinweispflicht in Bezug auf die Fortführungshaftung nach § 25 HGB; OLG Düsseldorf, GmbHR 1995, 591 = NJW 1995, 1761 = WM 1995, 854, dazu EWiR 1995, 851 (Trölitzsch) – Belehrungspflichten bei der Einbringung von Darlehensforderungen als Sacheinlage.

Thomas Wachter

§ 9c

Ablehnung der Eintragung

dabei kein Ermessen zu. Die Beteiligten haben vielmehr einen Rechtsanspruch auf Eintragung der Gesellschaft. Liegen die Eintragungsvoraussetzungen dagegen nicht vor, muss das Registergericht den Beteiligten die Möglichkeit geben, den Mangel zu beheben (§ 382 Abs. 4 FamFG und § 26 Satz 2 HRV). In der Zwischenverfügung muss das Gericht alle etwaigen Eintragungshindernisse klar, eindeutig und verständlich bezeichnen. Beheben die Beteiligten die vom Registergericht gerügten Eintragungshindernisse fristgerecht, ist die Gesellschaft in das Handelsregister einzutragen. Werden die Mängel dagegen nicht oder nicht fristgemäß behoben, weist das Gericht die Anmeldung (kostenpflichtig) zurück.

8

Gegen die Zwischenverfügung und gegen die Ablehnung der Eintragung können die Beteiligten Beschwerde einlegen (§§ 58 ff FamFG). Die Beschwerde ist beim Registergericht des Amtsgerichts einzulegen, dass die Zwischenverfügung bzw. die ablehnende Entscheidung erlassen hat (§ 64 Abs. 1 FamFG). Die Beschwerde ist innerhalb einer Frist von einem Monat einzulegen (§ 63 Abs. 1 FamFG). Beschwerdeberechtigt ist die Vorgesellschaft, die dabei durch die Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Zahl vertreten wird. Gesellschafter und Geschäftsführer sind selbst nicht beschwerdeberechtigt. Über die Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht (§ 68 FamFG und § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG). Gegen die ablehnende Entscheidung des Oberlandesgerichts ist die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof statthaft (§§ 70 ff FamFG und § 133 GVG).

9

III. Prüfungsbefugnis des Registergerichts (Abs. 1 Satz 1) 1.

Allgemeines

Das Registergericht hat zu prüfen, ob die Gesellschaft ordnungsgemäß errichtet und angemeldet worden ist (Abs. 1 Satz 1; siehe auch § 38 Abs. 1 AktG). Die Prüfung umfasst alle formellen und materiellen Voraussetzungen für die Eintragung der Gesellschaft.6) Diese Prüfung ist zwingend und steht nicht im Ermessen des Gerichts.

10

Hinsichtlich des Prüfungsumfangs bestehen keine Unterschiede zwischen den einzelnen GmbH-Varianten („klassische“ GmbH oder Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) nach § 5a) und Gründungsverfahren (individuelle Gründung oder vereinfachtes Verfahren nach § 2 Abs. 1a).

11

Grundlage der gerichtlichen Prüfung ist die Handelsregisteranmeldung samt allen Anlagen. Ergibt sich aus diesen Unterlagen kein Anhaltspunkt dafür, dass die Errichtung und Anmeldung nicht ordnungsgemäß erfolgt ist, muss das Registergericht die Gesellschaft unverzüglich eintragen. Nur dann, wenn das Registergericht aufgrund der eingereichten Unterlagen im Einzelfall berechtigten Anlass hat, an der Ordnungsgemäßheit der Gründung zu zweifeln, kann es i. R. d. Amtsermittlung (§ 26 FamFG) eine weitergehende Prüfung vornehmen.7) Dagegen ist das Re-

12

_____________ 6) 7)

Grundlegend BGHZ 113, 335 = ZIP 1991, 511 = GmbHR 1991, 255, dazu EWiR 1991, 1213 (Frey). S. dazu etwa BayObLG, GmbHR 1998, 1225 = DB 1998, 2359 = NZG 1999, 27; OLG Düsseldorf, GmbHR 1998, 235 = DB 1998, 250 = BB 1998, 1497.

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§ 9c

Ablehnung der Eintragung

gistergericht nicht berechtigt, von den Beteiligten routinemäßig oder auf der Grundlage bloßer Vermutungen weitergehende Nachweise zu verlangen.8) 13

Das Gericht muss einen Mangel auch dann beanstanden, wenn dieser durch die Eintragung der Gesellschaft geheilt werden würde.9) Bei einer verdeckten Sacheinlage muss die Eintragung der Gesellschaft somit auch dann abgelehnt werden, wenn der Wert der Sacheinlage die Höhe der Geldeinlage nachweislich erreicht oder diese sogar übersteigt (§ 19 Abs. 4 Satz 3 und 4).

14

Die gerichtliche Prüfung ist auf die Rechtmäßigkeit der Errichtung und Anmeldung beschränkt. Fragen der Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit oder Gerechtigkeit liegen daher von vornherein außerhalb der Prüfungskompetenz des Registergerichts. Darüber hinaus ist auch die sprachliche und redaktionelle Fassung der Gründungsurkunden vom Registergericht nicht zu überprüfen.

15

Für die Prüfung der ordnungsgemäßen Gründung der Gesellschaft kommt es auf den Zeitpunkt der Anmeldung an.10) Vorbelastungen stellen somit im Allgemeinen kein Eintragungshindernis dar, sondern sind von den Gesellschaftern auszugleichen. Etwas anderes kommt nur dann in Betracht, wenn das Registergericht aufgrund konkreter Tatsachen begründete Zweifel an der Durchsetzbarkeit der Ansprüche aus der Vorbelastungshaftung hat.11) 2.

16

Prüfung der Errichtung

Das Registergericht hat zunächst zu prüfen, ob die Gesellschaft ordnungsgemäß „errichtet“ worden ist (Abs. 1 Satz 1). Dies umfasst die gesamte Errichtung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (i. S. v. §§ 1 ff) und somit insbesondere auch folgende Punkte: –

Zulässiger Gesellschaftszweck (§ 1);



Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrages durch alle Gesellschafter oder deren Vertreter (§ 2 Abs. 1 Satz 2), –

bei Gesellschaftern, die keine natürliche Personen sind: Nachweis der Existenz- und Vertretungsberechtigung in öffentlich beglaubigter Form (insbesondere bei ausländischen Gesellschaften),



bei Vertretung eines Gesellschafters: Vorlage einer notariell errichteten oder beglaubigten Vollmacht (§ 2 Abs. 2)12) oder eines sonstigen Vertretungsnach-

_____________ 8) Instruktiv KG Berlin, GmbHR 1998, 786 = DB 1998, 1400 = BB 1998, 1548. 9) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 9c Rn. 3a. 10) Ganz h. M., s. nur Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 9c Rn. 17 ff; a. A. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 9c Rn. 12 f. 11) S. dazu etwa BayObLG, GmbHR 1998, 1225 = DB 1998, 2359 = NZG 1999, 27 – das Konkursverfahren über das Vermögen des alleinigen Gesellschafters ist während des Eintragungsverfahrens mangels Masse abgelehnt worden. 12) Zum umstrittenen Verbot der vollmachtlosen Vertretung bei Einpersonengesellschaften (§ 180 BGB) s. LG Berlin, GmbHR 1996, 123; OLG Frankfurt/M., GmbHR 2003, 415 = DB 2003, 654 = NZG 2003, 438. S. dazu auch OLG München, ZIP 2011, 772 = GmbHR 2011, 91 = BB 2010, 2787 m. Anm. Zirngibl/Kupsch. – Kritisch Hasselmann, ZIP 2012, 1947; Tonikidis, MittBayNot 2014, 514.

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§ 9c

Ablehnung der Eintragung

weises in öffentlich beglaubigter Form (z. B. bei gesetzlicher oder organschaftlicher Vertretung), –

Vorlage etwa erforderlicher gerichtlicher Genehmigungen (z. B. nach §§ 181, 1629, 1643, 1795, 1822 und 1909 BGB),



Vorlage von etwa notwendigen Zustimmungserklärungen von Ehegatten oder Lebenspartnern nach in- oder ausländischem Recht (z. B. §§ 1365, 1423 BGB);



Form des Gesellschaftsvertrages (§ 2 Abs. 1 Satz 1);



Wirksamkeit des Gesellschaftsvertrages;13)





Mindestinhalt des Gesellschaftsvertrages (§ 3 Abs. 1), –

Firma (§ 4 GmbHG und §§ 18 ff HGB),



Satzungssitz der Gesellschaft im Inland (§ 4a),



Gegenstand des Unternehmens,



Betrag des Stammkapitals (§ 5 Abs. 1),



Zahl und Nennbeträge der einzelnen Geschäftsanteile (§ 5 Abs. 2 und 3),



Festsetzung etwaiger Sacheinlagen (§ 5 Abs. 4);

Sonstiger Inhalt des Gesellschaftsvertrages unter Berücksichtigung der beschränkten Prüfungsbefugnis des Registergerichts (Abs. 2).

Bei Gründung einer Gesellschaft unter Verwendung des Musterprotokolls (§ 2 Abs. 1a) hat das Registergericht auch zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine vereinfachte Gründung vorliegen. Dazu gehören u. a. –

Höchstens drei Gesellschafter (§ 2 Abs. 1a Satz 1);



Nur ein Geschäftsführer (§ 2 Abs. 1a Satz 1);



Verwendung des Musterprotokolls in der Anlage zum GmbHG ohne gesetzlich nicht vorgesehene Abweichungen (§ 2 Abs. 1a Satz 2 und 3).

Bei Gründung einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) sind vom Registergericht auch die Voraussetzungen dieser Rechtsformvariante zu überprüfen (§ 5a). Dies sind insbesondere: –

Stammkapital von mindestens 1 € und höchstens 24.999 € (§ 5a Abs. 1);



Firma mit der Bezeichnung „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“ (§ 5a Abs. 1);



Keine Sacheinlagen (§ 5a Abs. 2 Satz 2).

_____________ 13) S. etwa KG Berlin, GmbHR 1997, 412 = DB 1997, 270 = BB 1997, 172 – Nichtigkeit eines Gesellschaftsvertrages wegen Umgehung eines gesetzlichen Verbots, wenn einem ausländischen Alleingesellschafter eine selbständige Erwerbstätigkeit mit der Aufenthaltserlaubnis untersagt worden ist.

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§ 9c 3. 19

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Ablehnung der Eintragung

Prüfung der Anmeldung

Das Registergericht hat zu prüfen, ob die Gesellschaft ordnungsgemäß „angemeldet“ worden ist (Abs. 1 Satz 1). Dies umfasst die gesamte Handelsregisteranmeldung samt allen Anlagen (i. S. v. §§ 7, 8) und somit insbesondere auch folgende Punkte: –

Zuständigkeit des Registergerichts (§ 7 Abs. 1);



Form der Anmeldung und der Anlagen (§ 12 HGB und § 8 Abs. 5 GmbHG);



Unterzeichnung der Anmeldung durch alle Geschäftsführer (§ 78);



Wirksame Bestellung der Geschäftsführer (§§ 6 Abs. 3, 8 Abs. 1 Nr. 2 und 8 Abs. 3);



Ordnungsgemäße Kapitalaufbringung (§§ 7 Abs. 2 und 3, 8 Abs. 3 und 9c Abs. 1 Satz 2), insbesondere auch –

Versicherung der Geschäftsführer (§ 8 Abs. 2 Satz 1),



bei Bareinlagen: Vorlage von Einzahlungsbelegen, aber nur bei erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit der Versicherung (§ 8 Abs. 2 Satz 2),



bei Sacheinlagen: Festsetzung der Sacheinlagen in der Satzung (§ 5 Abs. 4) und Vorlage der vorgeschriebenen Unterlagen über die Sacheinlagen und deren Wert (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 und 5),



Hinweise auf verdeckte Sacheinlagen (§ 19 Abs. 4),



Offenlegung eines Hin- und Herzahlens (§ 19 Abs. 5 Satz 2),



Bestehen von etwaigen Vorbelastungen,



ein neben einer Einlage zu erbringendes Aufgeld (Agio) unterliegt dagegen nicht der Kontrolle der Kapitalaufbringung durch das Registergericht;14)



Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift (§ 8 Abs. 4 Nr. 1);



Anmeldung von Art und Umfang der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer (§ 8 Abs. 4 Nr. 2);



Vorlage eines wirksamen Gesellschaftsvertrages samt etwaigen Vollmachten (§ 8 Abs. 1 Nr. 1);



Vorlage der von allen Geschäftsführern unterschriebenen Liste der Gründungsgesellschafter (§ 8 Abs. 1 Nr. 3; Ausnahme beim Musterprotokoll: § 2 Abs. 1a Satz 4);



Vorlage aller sonst gesetzlich vorgeschriebenen Anlagen (z. B. bei Bestellung eines Aufsichtsrats, § 52 Abs. 2 Satz 1 GmbHG i. V. m. § 37 Abs. 4 Nr. 3 und Nr. 3a AktG).

Das Registergericht prüft zudem auch, ob die Kosten für die Eintragung bezahlt sind (§ 14 Abs. 1 Satz 3 GNotKG).15)

_____________ 14) BGH, ZIP 2007, 2416 = GmbHR 2008, 147 m. Anm. Herchen = DStR 2008, 60. 15) Zur Nichtzahlung eines Gerichtskostenvorschusses als Eintragungshindernis s. KG Berlin, GmbHR 2017, 1337 mit Anm. Melchior = ZIP 2018, 80.

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§ 9c

Ablehnung der Eintragung

4.

Prüfung der Bareinlagen

Die Kontrolle des Registergerichts umfasst insbesondere auch die Ordnungsgemäßheit der Kapitalaufbringung (Abs. 1 Satz 1). Im Falle der Bargründung sieht der Gesetzgeber die (strafbewährte) Versicherung der Geschäftsführer über die Leistung der Einlagen grundsätzlich als ausreichenden Nachweis für die Kapitalaufbringung an (§§ 8 Abs. 2, 82 Abs. 1 Nr. 1).16) Ein weitergehender Nachweis war und ist im Gesetz nicht vorgesehen.17) Im Unterschied zum Aktienrecht muss die Leistung der Bareinlagen insbesondere nicht durch eine (zusätzliche) Bankbestätigung nachgewiesen werden (siehe § 37 Abs. 1 Sätze 2 bis 5 AktG).

21

Gleichwohl haben viele Registergerichte i. R. d. Amtsermittlung oftmals weitergehende Nachweise (z. B. Einzahlungsbelege) verlangt. Dieser Praxis hat der Gesetzgeber i. R. d. MoMiG ein Ende bereitet. Danach darf das Registergericht nur noch „bei erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit der Versicherung Nachweise (unter anderem Einzahlungsbelege) verlangen“ (§ 8 Abs. 2 Satz 2).18) Damit wird die gerichtliche Prüfungsbefugnis eingeschränkt. Systematisch gehört die Vorschrift zu Absatz 1 und nicht zu dem in § 8 Abs. 2 geregelten Inhalt der Handelsregisteranmeldung.

22

„Erhebliche Zweifel“ an der Ordnungsgemäßheit der Kapitalaufbringung können nur in konkreten Einzelfällen vorliegen, nicht aber generell in bestimmten Fallgruppen. Es wäre demnach bspw. unzulässig, wenn ein Registergericht bei der Gründung von Unternehmensgesellschaften (haftungsbeschränkt) oder der Beteiligung von ausländischen Staatsangehörigen stets weitergehende Nachweise verlangen würde. Ein berechtigter Anlass für erhebliche Zweifel kann aber z. B. dann vorliegen, wenn die Handelsregisteranmeldung mit der Versicherung der Geschäftsführer über die Kapitalaufbringung dem Registergericht (ohne sachlichen Grund) erst mehrere Monate nach der Gründung vorgelegt wird.19)

23

Bei Bargründungen einer „klassischen“ GmbH hat der Gesetzgeber die teilweise Einzahlung der Einlagen ausdrücklich als zulässig anerkannt (§ 7 Abs. 2; Ausnahme: § 5a Abs. 2 Satz 1). Dementsprechend berechtigt die nur teilweise Teileinzahlung der Bareinlagen das Registergericht auch nicht zu einer weitergehenden Prüfung der Kapitalaufbringung. Im Hinblick auf die offene Einlageforderung können weder Sicherheiten noch Bonitätsnachweise verlangt werden.

24

Unabhängig von der Frage der Prüfungsbefugnis des Registergerichts sollten die Geschäftsführer (und deren Berater) in der Praxis allerdings stets darauf achten, dass die Handelsregisteranmeldung erst dann beim Registergericht eingeht, wenn die Kapitalaufbringung auch tatsächlich erfolgt ist. Denn andernfalls wäre die ent_____________

25

16) S. OLG Stuttgart, ZIP 2011, 1612 = GmbHR 2011, 1101 = DB 2011, 1971. 17) Grundlegend (bereits vor MoMiG) BGHZ 113, 335 = ZIP 1991, 511 = GmbHR 1991, 255, dazu EWiR 1991, 1213 (Frey). 18) S. dazu die amtliche Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 16/6140, S. 83. 19) S. dazu OLG Düsseldorf, GmbHR 1998, 235 = DB 1998, 250 = BB 1998, 1497. – S. aber auch zur Darlegungs- und Beweislast im Zusammenhang mit der Kapitalaufbringung BGH, ZIP 2014, 261 = GmbHR 2014, 319; OLG Hamm, ZIP 2013, 2258 = NJW-RR 2013, 1374; OLG Jena, ZIP 2013, 1378, dazu EWiR 2013, 651 (Möller); OLG Karlsruhe, GmbHR 2014, 144.

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§ 9c

Ablehnung der Eintragung

sprechende Versicherung in der Handelsregisteranmeldung unter Umständen falsch (§ 8 Abs. 2 Satz 1) und die Geschäftsführer könnten sich strafbar machen (§ 82 Abs. 1 Nr. 1). 5. 26

Prüfung der Sacheinlagen (Abs. 1 Satz 2)

Vor der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister muss das Registergericht insbesondere auch prüfen, ob etwaige Sacheinlagen ordnungsgemäß erbracht worden sind. Grundlage der Prüfung sind dabei die Handelsregisteranmeldung und die als Anlagen eingereichten Unterlagen, und zwar –

die Festsetzung der Sacheinlagen im Gesellschaftsvertrag (§ 5 Abs. 4 Satz 1),



die Verträge, die den Festsetzungen zugrunde liegen oder zu ihrer Ausführung geschlossen worden sind (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 Fall 1),



der Sachgründungsbericht der Gesellschafter (§ 5 Abs. 4 Satz 2 i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2),



die Versicherung der Geschäftsführer, dass die Sacheinlagen vollständig bewirkt worden sind und sich endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befinden (§§ 8 Abs. 2 Satz 1, 7 Abs. 3),



die Unterlagen, wonach der Wert der Sacheinlagen den Nennbetrag der dafür übernommenen Geschäftsanteile erreicht (§ 8 Abs. 1 Nr. 5).

27

Nach der gesetzlichen Regelung muss das Registergericht die Eintragung der Gesellschaft insbesondere dann ablehnen, wenn Sacheinlagen überbewertet20) worden sind (Abs. 1 Satz 1). Im Rahmen des MoMiG hat der Gesetzgeber die Prüfungsbefugnis (in Anlehnung an das Aktienrecht, siehe § 38 Abs. 2 Satz 2 AktG) allerdings eingeschränkt (Abs. 1 Satz 2).21) Die Eintragung kann demnach nur noch dann abgelehnt werden, wenn die Sacheinlagen „nicht unwesentlich überbewertet worden sind“. Bei unwesentlichen Überbewertungen muss die Gesellschaft dagegen eingetragen werden.22)

28

Mit der Neuregelung soll vor allem den vielfach bestehenden Bewertungsunsicherheiten bei Sacheinlagen angemessen Rechnung getragen werden. Als unwesentlich dürfte im Allgemeinen eine Bandbreite von plus/minus 20 % anzusehen sein.23)

29

Geht das Registergericht aufgrund der eingereichten Unterlagen allerdings davon aus, dass die Sacheinlagen wesentlich überbewertet worden sind, stellt dies unverändert ein Eintragungshindernis dar. In diesem Fall kann das Registergericht von den Beteiligten weitere Unterlagen anfordern oder eine Prüfung durch einen Sachverständigen anordnen. Ergibt sich i. R. d. weiteren Ermittlungen, dass die Sacheinlage nicht oder nur unwesentlich überbewertet worden ist, muss die Gesellschaft eingetragen werden. Bestätigt sich dagegen der Verdacht einer wesentlichen Überbewertung der Sacheinlage, ist die Anmeldung zurückzuweisen. Allerdings können _____________ 20) Zur Unschädlichkeit einer Unterbewertung LG Augsburg, GmbHR 1996, 216 = DB 1996, 467 = BB 1996, 920. 21) S. dazu die amtliche Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 16/6140, S. 86 f. 22) Instruktiv zu der Neuregelung für den Fall der Sacheinlage von GmbH-Geschäftsanteilen LG Freiburg, GmbHR 2009, 1106 = DB 2009, 1871 = Rpfleger 2009, 386. 23) S. dazu BVerfG, BStBl. II 2007, 192 = NJW 2007, 573 m. Anm. Meincke.

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Ablehnung der Eintragung

die Beteiligten den Eintragungsmangel beheben, indem der Gesellschafter den entsprechenden Fehlbetrag in bar aufbringt (siehe § 9 Abs. 1) und die Geschäftsführer in einer ergänzenden Anmeldung die geänderte Kapitalaufbringung gegenüber dem Registergericht richtig versichern (§ 8 Abs. 2 Satz 1 analog). Für die Prüfung der Sacheinlagen ist der Zeitpunkt der Anmeldung24) (und nicht erst die Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister) maßgebend. Wertveränderungen nach der Anmeldung stellen somit kein Eintragungshindernis dar, sondern begründen lediglich die Vorbelastungshaftung der Gesellschafter. 6.

30

Prüfung des Gesellschaftsvertrages (Abs. 2)

a) Einführung Das Registergericht darf die Eintragung der Gesellschaft wegen einer mangelhaften, fehlenden oder nichtigen Bestimmung des Gesellschaftsvertrages nur unter engen Voraussetzungen ablehnen (Abs. 2; siehe auch § 38 Abs. 3 AktG). Mit der i. R. d. Handelsrechtsreformgesetzes25) eingefügten Neuregelung sollte die gerichtliche Kontrolle der Satzung beschränkt und dadurch das Eintragungsverfahren beschleunigt werden.26)

31

Die möglichen Gründe für die Beanstandung der Satzung sind im Gesetz abschließend geregelt (Abs. 2 Nr. 1 bis 3). Danach darf das Registergericht die Eintragung der Gesellschaft nur noch dann ablehnen, wenn die Satzung nicht den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestinhalt aufweist (Nr. 1), im öffentlichen Interesse bestehende Vorschriften verletzt (Nr. 2) oder insgesamt nichtig ist (Nr. 3). In allen anderen Fällen darf das Registergericht die Bestimmungen der Satzung weder beanstanden noch zum Anlass für weitere Nachforschungen nehmen.27) Die Vorschrift bestätigt zudem, dass die Prüfungsbefugnis des Registergerichts auf eine reine Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkt ist. Unklare,28) missverständliche oder widersprüchliche Satzungsbestimmungen stellen daher kein Eintragungshindernis dar.

32

b) Zwingender Mindesthalt des Gesellschaftsvertrages (Abs. 2 Nr. 1) Das Registergericht darf und muss prüfen, ob die gesetzlich zwingend vorgesehenen Angaben in dem Gesellschaftsvertrag korrekt enthalten sind (Abs. 2 Nr. 1).

33

Dazu gehört zunächst der gesetzliche Mindestinhalt des Gesellschaftsvertrages, wie er im GmbH-Gesetz vorgesehen ist, d. h.

34



die Firma und deren Zulässigkeit (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 i. V. m. § 4 GmbHG und §§ 18 ff HGB, unter Berücksichtigung der Beschränkungen des § 18 Abs. 2 Satz 2 HGB sowie § 5a Abs. 1 GmbHG), _____________ 24) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 9c Rn. 16; Scholz-Veil, GmbHG, § 9c Rn. 33; a. A. BGHZ 80, 129 = ZIP 1981, 394 = GmbHR 1981, 114, dazu EWiR 1992, 57 (Bokelmann), Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 9c Rn. 10 f; Ulmer/Habersack/LöbbeUlmer/Habersack, GmbHG, § 9c Rn. 21. 25) BGBl. I 1998, 1474. 26) Ausführlich dazu die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 13/8444, S. 75 ff – umfassend zum Ganzen: Ullrich, Registergerichtliche Inhaltskontrolle von Gesellschaftsverträgen und Satzungsänderungsbeschlüssen. 27) A. A. wohl Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 9c Rn. 20 a. E. 28) A. A. OLG München, ZIP 2006, 132 = GmbHR 2005, 1492 = DB 2005, 2291 – zu der Auslegung der Satzungsbestimmung, dass Veröffentlichungen der Gesellschaft im „Bundesanzeiger“ erfolgen sollen; s. jetzt § 12.

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Ablehnung der Eintragung



der Sitz der Gesellschaft (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2 i. V. m. § 4a),



der Gegenstand des Unternehmens, insbesondere seine Zulässigkeit und ausreichende Individualisierung (§ 3 Abs. 1 Nr. 2),29)



der Betrag des Stammkapitals (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 und § 5a Abs. 1),



die Zahl und die Nennbeträge der Geschäftsanteile, die von den einzelnen Gesellschaftern übernommen worden sind (§ 3 Abs. 1 Nr. 4).

35

Zu den vom Registergericht zu überprüfenden Satzungsbestimmungen gehören darüber hinaus alle Regelungen, die aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften enthalten sein müssen, wie etwa die ordnungsgemäße Festsetzung der Sacheinlagen (§ 5 Abs. 4) und des Gründungsaufwands (§ 26 AktG analog).30) Keine zwingenden Vorschriften in diesem Sinne sind dagegen in der Satzung festgelegte Nebenleistungspflichten (§ 3 Abs. 2; siehe den Verweis auf § 3 Abs. 1 – nicht auch auf Absatz 2 – in § 9c Abs. 2 Nr. 1).31)

36

Bei Verwendung des Musterprotokolls (§ 2 Abs. 1a) darf das Registergericht auch prüfen, ob dieses in zulässiger Weise verwendet worden ist (z. B. höchstens drei Gesellschafter, nur ein Geschäftsführer, keine sonst vom Gesetz abweichenden Bestimmungen).

37

Die Prüfungsbefugnis umfasst ferner alle Bestimmungen, die in das Handelsregister einzutragen sind (§ 10 Abs. 1 und 2) oder vom Gericht bekannt zu machen sind (§ 10 HGB). Bekannt gemacht werden jedoch nur die Eintragungen im Handelsregister, sodass die beiden vom Gesetz getrennt geregelten Fallgruppen deckungsgleich sind. Der Inhalt der Eintragungen im Handelsregister überschneidet sich zudem in weitem Umfang mit dem gesetzlichen Mindestinhalt des Gesellschaftsvertrags (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 4). Eine darüber hinausgehende Prüfungsbefugnis des Registergerichts besteht aber in Bezug auf –

die inländische Geschäftsanschrift (§ 10 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 8 Abs. 4 Nr. 1),



der Tag des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages (§ 10 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 GmbHG und § 9 Abs. 2 BeurkG),



die Personen der Geschäftsführer (§ 10 Abs. 1 Satz 1),



die Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 8 Abs. 4 Nr. 2),



Bestimmungen über die Zeitdauer der Gesellschaft (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Fall 1),



Bestimmungen über ein genehmigtes Kapital (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 i. V. m. § 55a),



eine inländische empfangsberechtigte Person (§ 10 Abs. 2 Satz 2 Fall 1).

_____________ 29) Zur Unzulässigkeit des Unternehmensgegenstands Handel mit Waren aller Art s. OLG Düsseldorf, GmbHR 2010, 1261 = DStR 2010, 2367 = DB 2011, 168. Dazu ausführlich Thoma, RNotZ 2011, 413. 30) S. dazu im Zusammenhang mit einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) mit einer individuellen Satzung OLG Hamburg, GmbHR 2011, 766 = DNotZ 2011, 457 m. Anm. Weiler. 31) A. A. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 9c Rn. 18.

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Ablehnung der Eintragung

Allerdings sind die Geschäftsanschrift, die Personen der Geschäftsführer und einer empfangsberechtigten Personen im Allgemeinen nicht Bestandteil des Gesellschaftsvertrages, sondern der Handelsregisteranmeldung (und ggf. weiterer Beschlüsse). Der Inhalt der Handelsregisteranmeldung unterliegt aber ohnehin der uneingeschränkten Prüfungsbefugnis des Registergerichts (nach Absatz 1 Satz 1, und zwar ohne die Einschränkungen nach Absatz 2).

38

c) Vorschriften im öffentlichen Interesse (Abs. 2 Nr. 2) Das Registergericht darf und muss ferner prüfen, ob der Gesellschaftsvertrag „Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutz der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegebenen sind“ (Abs. 2 Nr. 2).

39

Mit dieser Formulierung hat sich der Gesetzgeber an den gesetzlichen Gründen für die Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen (§ 241 Nr. 3 Fall 2 und 3 AktG) orientiert. Die weiteren Nichtigkeitsgründe (u. a. Unvereinbarkeit mit dem Wesen der Gesellschaft, § 241 Nr. 3 Fall 1 AktG und Verstoß gegen die guten Sitten, § 241 Nr. 4 AktG) wurden dabei nicht übernommen. Bei einem Verstoß des Gesellschaftsvertrages gegen die guten Sitten dürfte das Registergericht gleichwohl berechtigt und verpflichtet sein, die Eintragung abzulehnen.32)

40

Zu den gläubigerschützenden Vorschriften gehören insbesondere die Regelungen zur Kapitalaufbringung und -erhaltung (§§ 5, 9, 9a, 16 Abs. 2, 19, 21 ff, 30 ff). Darüber hinaus unterliegen der Prüfungsbefugnis des Registergerichts aber bspw. auch Regelungen, bei denen die Abfindung für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters zulasten der Gläubiger einseitig beschränkt oder ausgeschlossen wird (siehe § 34 GmbHG i. V. m. § 738 BGB analog).33) Bei einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) können ferner Regelungen beanstandet werden, die die Bildung der gesetzlich vorgeschriebenen Rücklage oder deren Verwendung beeinträchtigen (§ 5a Abs. 3).

41

Sonstige Vorschriften im öffentlichen Interesse sind bspw. das Mitbestimmungsgesetz34) und das Drittelbeteiligungsgesetz, das Strafgesetzbuch und das Ordnungswidrigkeitengesetz sowie das Steuer- und Bilanzrecht (z. B. Abweichung von den Fristen zur Aufstellung des Jahresabschlusses in § 264 Abs. 1 HGB). Das öffentliche Interesse ist darüber hinaus auch dann berührt, wenn der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten in unzulässiger Weise eingeschränkt wird.35)

42

Dagegen bestehen Vorschriften, die dem Schutz von Minderheitsgesellschaftern dienen (z. B. §§ 50, 51, 51a oder 66 Abs. 2) nicht im öffentlichen Interesse. Verstöße dagegen stellen somit kein Eintragungshindernis dar.36)

43

_____________ 32) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 9c Rn. 9; a. A. insbesondere BT-Drucks. 13/ 8444, S. 78. 33) S. BGHZ 144, 365 = ZIP 2000, 1294 = GmbHR 2000, 822, dazu EWiR 2000, 943 (Casper). 34) BGHZ 83, 106 = ZIP 1982, 434 = DB 1982, 534 – zu §§ 25 ff MitbestG. 35) S. dazu BGH, ZIP 2009, 1003 = GmbHR 2009, 705 m. Anm. Römermann = DB 2009, 1171, dazu EWiR 2009, 477 (Dürr/Wiggenhorn). 36) S. dazu OLG München, ZIP 2010, 2348 = GmbHR 2010, 870 = BB 2010, 1930 – zu einer Satzungsregelung, die die Einziehung eines Geschäftsanteils im Falle der Erhebung der Auflösungsklage vorsieht.

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§ 10 44

Inhalt der Eintragung

Keiner gerichtlichen Überprüfung unterliegen somit auch alle sonstigen Satzungsklauseln, wie etwa Güterstands- und Nachfolgeregelungen, Steuerklauseln oder Bestimmungen über Gesellschafterversammlungen und -beschlüsse. d) Gesamtnichtigkeit des Gesellschaftsvertrages (Abs. 2 Nr. 3)

45

Schließlich darf und muss das Registergericht die Eintragung der Gesellschaft ablehnen, wenn der Gesellschaftsvertrag insgesamt nichtig ist (Abs. 2 Nr. 3).

46

Einzelne Satzungsbestimmungen können nur dann die Nichtigkeit des gesamten Gesellschaftsvertrages zur Folge haben, wenn die gesetzliche Vermutungsregelung für die Gesamtnichtigkeit (§ 139 BGB) greift. Im Allgemeinen ist der Wille der Gründer aber auch dann auf die Errichtung der Gesellschaft gerichtet, wenn eine einzelne Satzungsregelung nichtig ist.37) Dies zeigt sich auch daran, dass heute die meisten Gesellschaftsverträge ohnehin eine salvatorische Klausel enthalten, in der diese Absicht nochmals ausdrücklich zum Ausdruck gebracht wird. Die Nichtigkeit einer einzelnen Satzungsbestimmung hat damit regelmäßig nicht die Nichtigkeit des gesamten Gesellschaftsvertrages zur Folge. Die Prüfungsbefugnis des Registergerichts nach Absatz 2 Nr. 3 läuft somit weitgehend leer. _____________ 37) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 9c Rn. 56; Wicke, GmbHG, § 9c Rn. 8; a. A. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 9c Rn. 11; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 9c Rn. 20; Scholz-Veil, GmbHG, § 9c Rn. 23.

§ 10 Inhalt der Eintragung Thomas Wachter (1) 1Bei der Eintragung in das Handelsregister sind die Firma und der Sitz der Gesellschaft, eine inländische Geschäftsanschrift, der Gegenstand des Unternehmens, die Höhe des Stammkapitals, der Tag des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages und die Personen der Geschäftsführer anzugeben. 2Ferner ist einzutragen, welche Vertretungsbefugnis die Geschäftsführer haben. (2) 1Enthält der Gesellschaftsvertrag Bestimmungen über die Zeitdauer der Gesellschaft oder über das genehmigte Kapital, so sind auch diese Bestimmungen einzutragen. 2Wenn eine Person, die für Willenserklärungen und Zustellungen an die Gesellschaft empfangsberechtigt ist, mit einer inländischen Anschrift zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet wird, sind auch diese Angaben einzutragen; Dritten gegenüber gilt die Empfangsberechtigung als fortbestehend, bis sie im Handelsregister gelöscht und die Löschung bekannt gemacht worden ist, es sei denn, dass die fehlende Empfangsberechtigung dem Dritten bekannt war. Literatur: Ries, Die europaweite Verknüpfung der Handelsregister – Risiken und Chancen, ZIP 2013, 866; Steffek, Zustellungen und Zugang von Willenserklärungen nach dem Regierungsentwurf zum MoMiG – Inhalt und Bedeutung der Änderung für GmbHs, AGs und ausländische Kapitalgesellschaften, BB 2007, 2077. Übersicht I.

250

Überblick .............................................. 1

II. Inhalt der Eintragung .......................... 4

Thomas Wachter

§ 10

Inhalt der Eintragung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

I.

Firma ...................................................... 4 Sitz ......................................................... 5 Inländische Geschäftsanschrift ............ 6 Gegenstand des Unternehmens ........... 7 Höhe des Stammkapitals ...................... 8 Tag des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages ..................................... 9 Personen der Geschäftsführer und ihre Vertretungsbefugnis .................... 10

8. 9. 10. 11. III. IV. V.

Zeitdauer der Gesellschaft .................. 13 Genehmigtes Kapital ........................... 16 Empfangsberechtigte Person .............. 17 Sonstige Eintragungen ........................ 22 Rechtsfolgen der Eintragung ........... 26 Kosten der Eintragung ...................... 28 Haftung ............................................... 31

Überblick

Eine neu gegründete GmbH muss von allen Geschäftsführern zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden (§§ 7 Abs. 1, 8 und 78). Über den Antrag auf Eintragung entscheidet der Registerrichter (§§ 3, 17 RPflG) des örtlich zuständigen Amtsgerichts (§§ 8 ff HGB, §§ 374 ff FamFG). Ist die Gesellschaft ordnungsgemäß errichtet und angemeldet worden (§ 9c Abs. 1 Satz 1), muss die Eintragung vom Richter vorgenommen bzw. veranlasst werden. Die Eintragung der neu gegründeten GmbH erfolgt in Abteilung B des Handelsregisters. Das Verfahren der Eintragung (§§ 23 ff HRV) und der Inhalt der Eintragung (§§ 43 ff HRV) sind in der Handelsregisterverordnung1) geregelt. Mit der Eintragung im Handelsregister entsteht die GmbH als juristische Person (§ 11 Abs. 1). Die Eintragung wird den Beteiligten bekannt gegeben (§ 383 Abs. 1 FamFG). Die Bekanntmachung erfolgt elektronisch (§ 10 HGB; siehe www.handelsregisterbekanntmachungen.de) und beschränkt sich auf den Inhalt der Eintragung im Handelsregister. Andere Angaben (z. B. Festsetzungen über Sacheinlagen) werden weder eingetragen noch bekannt gemacht. Eintragung und Bekanntmachung sind die Grundlagen für die Publizität des Handelsregisters (§ 15 HGB).

1

Absatz 1 bestimmt den zwingenden Mindestinhalt der Eintragung im Handelsregister. Einzutragen sind danach die Firma (§ 3 Abs. 1 Nr. 1), der (Satzungs-)Sitz (§ 3 Abs. 1 Nr. 2), die inländische Geschäftsanschrift (§ 8 Abs. 4 Nr. 1, eingefügt durch Art. 1 Nr. 9 Buchst. d und Nr. 13 Buchst. a MoMiG), der Gegenstand des Unternehmens (§ 3 Abs. 1 Nr. 2), die Höhe des Stammkapitals (§ 3 Abs. 1 Nr. 3), der Tag des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages (§ 2 Abs. 1 GmbHG i. V. m. § 9 Abs. 2 BeurkG), die Person der Geschäftsführer und ihre Vertretungsbefugnis (§ 8 Abs. 4 Nr. 2).

2

Absatz 2 regelt, welche Eintragungen im Einzelfall sonst noch zulässig sind. Danach ist auch die Bestimmung über die Zeitdauer der Gesellschaft einzutragen, wenn der Gesellschaftsvertrag eine solche Bestimmung enthält (§ 10 Abs. 2 Satz 1). Ferner ist ein genehmigtes Kapital einzutragen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 55a, eingefügt durch Art. 14b Nr. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), BGBl. I 2009, 2479). Schließlich ist eine empfangsberechtigte Person mit ihrer inländischen Anschrift in das Handelsregister anzumelden, wenn eine solche angemeldet worden ist (§ 10 Abs. 2 Satz 2, eingefügt durch Art. 1 Nr. 13 Buchst. b MoMiG). _____________

3

1)

Ausführlich dazu Melchior/Schulte, Handelsregisterverordnung. – Die HRV wurde zuletzt geändert durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2012/17/EU in Bezug auf die Verknüpfung von Zentral-, Handels- und Gesellschaftsregistern in der Europäischen Union v. 22.12.2014, BGBl. I 2014, 2409. Ausführlich dazu Kilian, notar 2012, 302; Ries, ZIP 2013, 866.

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§ 10

Inhalt der Eintragung

II. Inhalt der Eintragung 1. 4

2. 5

Inländische Geschäftsanschrift

Seit Inkrafttreten des MoMiG3) ist stets auch eine inländische Geschäftsanschrift der Gesellschaft in das Handelsregister einzutragen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, eingefügt durch Art. 1 Nr. 13 Buchst. a MoMiG, i. V. m. § 43 Nr. 2 Buchst. b HRV).4) Die Geschäftsanschrift ist im Allgemeinen nicht Bestandteil des Gesellschaftsvertrages (siehe § 3), aber zwingend anzumelden (§ 8 Abs. 4 Nr. 1). Die Geschäftsanschrift muss in Deutschland liegen und Postleitzahl, Ort, Straße und Hausnummer umfassen. Ausreichend ist auch eine c/o Anschrift.5) Nicht genügend ist dagegen die bloße Angabe eines Postfachs. 4.

7

Sitz

Im Handelsregister wird der Sitz der GmbH eingetragen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 GmbHG i. V. m. § 43 Nr. 2 Buchst. b HRV). Sitz der Gesellschaft ist der Ort im Inland, den der Gesellschaftsvertrag bestimmt (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 4a). Im Handelsregister wird stets der Satzungssitz eingetragen. Der Verwaltungssitz kann auch dann nicht eingetragen werden, wenn der Gesellschaftsvertrag dazu (ausnahmsweise) eine Regelung enthält. Als Satzungssitz wird die jeweilige politische Gemeinde, nicht aber die Postleitzahl eingetragen. 3.

6

Firma

Im Handelsregister wird die Firma der GmbH eingetragen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 GmbHG i. V. m. § 43 Nr. 2 Buchst. a HRV). Maßgebend ist die im Gesellschaftsvertrag enthaltene Firma (§ 3 Abs. 1 Nr. 1). Die Zulässigkeit der Firma richtet sich nach § 4 GmbHG und §§ 17 ff HGB (bei einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) siehe § 5a Abs. 1). Eine zulässige Firma ist grundsätzlich so einzutragen, wie sie im Gesellschaftsvertrag festgelegt worden ist. Dies gilt insbesondere auch für die konkrete Schreibweise der Firma, wie etwa Groß- und Kleinschreibung, Zeichenabstände und Leerzeichen.2)

Gegenstand des Unternehmens

Im Handelsregister wird der Gegenstand des Unternehmens eingetragen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 GmbHG i. V. m. § 43 Nr. 2 Buchst. c HRV). Maßgebend ist grundsätzlich der im Gesellschaftsvertrag festgelegte Unternehmensgegenstand (§ 3 Abs. 1 Nr. 2). Allerdings werden in der Praxis allgemein übliche Zusätze zum Unternehmensgegen_____________ 2)

3)

4) 5)

252

Anders für grafische Gestaltung einer Firma OLG München, GmbHR 2011, 587 = NZG 2011, 753 = Rpfleger 2011, 525 – hochgestellte Zahl, und OLG München, GmbHR 2010, 1155 = DB 2010, 2164 = Rpfleger 2011, 91 – Verwendung von Großbuchstaben. Zu Übergangsfragen bei Anmeldung der inländischen Geschäftsanschrift s. OLG München, ZIP 2009, 619 = DStR 2009, 599 = Rpfleger 2009, 460, dazu EWiR 2009, 439 (Schaller); OLG München, ZIP 2009, 366 = GmbHR 2009, 380 m. Anm. Blasche/v. Rüden = DB 2009, 387, dazu EWiR 2009, 199 (Steffek). Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 10 Rn. 5. OLG Hamm, ZIP 2011, 2014 = GmbHR 2011, 595 = NJW-RR 2011, 685; OLG Rostock, GmbHR 2011, 30 = DStR 2010, 1999 = NZG 2011, 279; OLG Naumburg, GmbHR 2009, 832 = DB 2009, 1698 = BB 2009, 1649.

Thomas Wachter

§ 10

Inhalt der Eintragung

stand (wie etwa die Berechtigung der Gesellschaft zur Errichtung von Zweigniederlassung oder zum Erwerb von Beteiligungen an anderen Unternehmen) selbst dann nicht im Handelsregister eingetragen, wenn sie im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich aufgeführt sind. Im Hinblick auf die Übersichtlichkeit und Verständlichkeit der Eintragungen im Handelsregister erscheint diese – vom Gesetzeswortlaut abweichende – Registerpraxis zulässig. 5.

Höhe des Stammkapitals

Im Handelsregister wird die Höhe des Stammkapitals eingetragen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 GmbHG i. V. m. § 43 Nr. 3 HRV). Dies entspricht dem im Gesellschaftsvertrag festgelegten „Betrag des Stammkapitals“ (§ 3 Abs. 1 Nr. 3). Die Zahl und die Nennbeträge der einzelnen Geschäftsanteile werden im Handelsregister dagegen nicht eingetragen (siehe § 3 Abs. 1 Nr. 4). Die entsprechenden Angaben sind nur aus der Gesellschafterliste ersichtlich (§ 8 Abs. 1 Nr. 3). 6.

Tag des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages

Im Handelsregister wird der Tag des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages eingetragen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 GmbHG i. V. m. § 43 Nr. 6 Buchst. a HRV). Dieser Tag ergibt sich unmittelbar weder aus dem Gesellschaftsvertrag noch aus der Handelsregisteranmeldung, ist aber aus dem Datum der notariellen Beurkundung des Gesellschaftsvertrages ersichtlich (§ 2 Abs. 1 GmbHG i. V. m. § 9 Abs. 2 BeurkG). Maßgebend ist stets der Tag der Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrages, auch wenn dieser (z. B. aufgrund des Fehlens einer gerichtlichen Genehmigung) erst später wirksam geworden ist. Erfolgt vor der erstmaligen Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister eine Nachtragsbeurkundung, ist sowohl der Tag der ursprünglichen Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrages als auch der Tag der Nachtragsbeurkundung einzutragen.6) 7.

8

9

Personen der Geschäftsführer und ihre Vertretungsbefugnis

Im Handelsregister werden schließlich stets auch die Personen der Geschäftsführer und ihre Vertretungsbefugnis eingetragen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 GmbHG i. V. m. § 43 Nr. 4 Buchst. a und b HRV).

10

Einzutragen sind zunächst alle Geschäftsführer mit Namen, Vornamen,7) Geburtsdatum (nicht auch Geburtsort) und Wohnort (nicht der vollständigen Wohnanschrift). Der Beruf wird nicht eingetragen.8) Stellvertretende Geschäftsführer (§ 44) sind gleichfalls einzutragen, allerdings ohne Stellvertretervermerk.9)

11

_____________ 6) 7)

8)

9)

A. A. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 10 Rn. 2; Wicke, GmbHG, § 10 Rn. 2 – Datum der Vertragsänderung. S. dazu BGH, ZIP 2015, 1064 = EWiR 2015, 533 (Kleefass) (kein Anspruch aus Transsexuellengesetz der Geschäftsführerin einer GmbH auf vollständige Löschung ihres vormals männlichen Vornamens im Handelsregister); ausführlich dazu J. Schmidt, GmbHR 2015, R 209. Zur Eintragungsfähigkeit von Doktortiteln aufgrund Gewohnheitsrechts s. BGH, GmbHR 2017, 707 = ZIP 2017, 1067 = NZG 2017, 734 mit Anm. Römermann = EWiR 2017, 389 (Paefgen/Sorg). BGH, ZIP 1998, 152 = GmbHR 1998, 181 = NJW 1998, 1071; BayObLG, GmbHR 1997, 410 = DB 1997, 818 = DStR 1997, 1137, dazu EWiR 1997, 523 (Bokelmann).

Thomas Wachter

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§ 10 12

Inhalt der Eintragung

Die Eintragung der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer richtet sich nach der Anmeldung (§ 8 Abs. 4 Nr. 2). 8.

Zeitdauer der Gesellschaft

13

Eine Bestimmung über die Zeitdauer der Gesellschaft ist nur dann in das Handelsregister einzutragen, wenn der Gesellschaftsvertrag eine solche Bestimmung enthält (§ 10 Abs. 2 Satz 1 GmbHG i. V. m. § 43 Nr. 6 Buchst. b, aa HRV). In der Praxis finden sich solche Bestimmungen allerdings kaum jemals in einem Gesellschaftsvertrag (§ 3 Abs. 2 Fall 1). Die Eintragung der zeitlichen Beschränkung der Gesellschaft ist nicht Voraussetzung für ihre Wirksamkeit.10)

14

Die in vielen Gesellschaftsverträgen anzutreffende Bestimmung, wonach die Gesellschaft auf unbestimmte Dauer bestehen soll, ist nicht einzutragen.

15

Keine Bestimmung über die Zeitdauer der Gesellschaft (und daher nicht einzutragen) sind Regelungen, die einzelnen Gesellschaftern ein Kündigungsrecht gewähren11) oder für den Fall des Ausscheidens eines bestimmten Gesellschafters die Auflösung der Gesellschaft vorsehen.12) Denn die Ausübung eines Kündigungsrechts oder das Ausscheiden eines Gesellschafters sind ungewiss, sodass es an einer Beschränkung der Gesellschaft auf eine bestimmte oder zumindest bestimmbare Zeit fehlt. 9.

16

Genehmigtes Kapital

Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) am 1.8.200913) ist auch eine etwaige Bestimmung über ein genehmigtes Kapital im Handelsregister einzutragen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 GmbH i. V. m. § 43 Nr. 6 Buchst. b, hh HRV; siehe auch § 39 Abs. 2 AktG).14) Das MoMiG hat – nach aktienrechtlichem Vorbild – auch im GmbH-Recht ein genehmigtes Kapital eingeführt (§ 55a),15) das in der Praxis bislang aber nur zurückhaltend genutzt wird.16) 10. Empfangsberechtigte Person

17

Das MoMiG hat erstmals die Möglichkeit geschaffen, neben den Geschäftsführern weitere empfangsberechtigte Personen zu bestellen und im Handelsregister eintragen zu lassen (§ 10 Abs. 2 Satz 2, eingefügt durch Art. 1 Nr. 13 Buchst. b MoMiG).17) Die Neuregelung dient dem Ziel, Zustellungen an die GmbH zu erleichtern.18) Bei Eintragung einer empfangsberechtigten Person, ist eine Zustellung nicht nur an die _____________ 10) 11) 12) 13) 14) 15)

OLG Hamm, GmbHR 1971, 57. BayObLG, BB 1975, 249; a. A. OLG Hamm, GmbHR 1971, 57. A. A. OLG Hamm, GmbHR 1971, 57. BGBl. I 2009, 2479. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 10 Rn. 4b; Wicke, GmbHG, § 10 Rn. 2. Ausführlich dazu u. a. Cramer, GmbHR 2009, 406; Klett, GmbHR 2008, 1312; Lieder, ZGR 2010, 868; Lieder, DNotZ 2010, 655; Priester, GmbHR 2008, 1177; Schnorbus/ Donner, NZG 2009, 1241. 16) Bayer/Hoffmann, GmbHR 2009, R 161. 17) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 10 Rn. 9; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 10 Rn. 4, 4a; Wicke, GmbHG, § 10 Rn. 3 ff. 18) S. BT-Drucks. 16/6140, S. 87 f, 102 ff, 128 ff; ausführlich zum Ganzen Steffek, BB 2007, 2077.

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Thomas Wachter

§ 10

Inhalt der Eintragung

im Handelsregister eingetragene Geschäftsanschrift der Gesellschaft, sondern auch an den Empfangsberechtigten möglich (§ 35 Abs. 2 Satz 4). Öffentliche Zustellungen sind dementsprechend erst dann möglich, wenn sowohl die Zustellung an die im Handelsregister eingetragene Geschäftsanschrift als auch die Zustellung an den Empfangsberechtigten erfolglos war (§ 185 Nr. 2 ZPO). Eine Verpflichtung zur Bestellung einer empfangsberechtigten Person besteht nicht. Als Empfangsberechtigter kommt grundsätzlich jede (natürliche oder juristische) Person in Betracht, die im Inland über eine zustellungsfähige Anschrift verfügt. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass diese Funktion vor allem von Gesellschaftern, Steuerberatern und Notaren übernommen wird. In der Praxis wurden bislang jedoch kaum empfangsberechtigte Personen im Handelsregister eingetragen.

18

Hat die Gesellschaft eine empfangsberechtigte Person bestellt, wird diese nur aufgrund einer entsprechenden Anmeldung in das Handelsregister eingetragen (siehe § 10 Abs. 2 Satz 2 GmbHG i. V. m. § 43 Nr. 2 Buchst. b HRV). Anzumelden und einzutragen ist der Familienname und Vorname (nicht auch das Geburtsdatum) und die Anschrift im Inland. Eine bloße Postfachadresse ist nicht ausreichend. Ist der Empfangsberechtigte keine natürliche Person, sind die Firma, die Rechtsform und die inländische Anschrift einzutragen.

19

Die Handelsregisteranmeldung ist von den Geschäftsführern in vertretungsberechtigter Zahl zu unterschreiben. Die Mitwirkung der empfangsberechtigten Person ist nicht erforderlich. Dem Handelsregister muss der Beschluss über die Bestellung der empfangsberechtigten Person oder ein Nachweis über dessen Einverständnis mit der Bestellung nicht vorgelegt werden.

20

Bei einer Abberufung einer empfangsberechtigten Person ist die entsprechende Eintragung im Handelsregister unverzüglich zu löschen. Denn Zustellungen an den Empfangsbevollmächtigten sind zulasten der Gesellschaft noch solange möglich, wie dieser im Handelsregister eingetragen war (sofern dem Dritten die fehlende Empfangsberechtigung nicht bekannt war (§ 10 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2). Die Abberufung ist wiederum durch die Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Zahl anzumelden.

21

11. Sonstige Eintragungen Der Inhalt der Eintragungen ist in § 10 grundsätzlich abschließend geregelt.19) Sonstige Tatsachen sind im Interesse der Übersichtlichkeit und Verständlichkeit des Handelsregisters nicht einzutragen.

22

Nicht eingetragen werden insbesondere die Namen der Gesellschafter und die von diesen übernommenen Geschäftsanteile. Die entsprechenden Angaben finden sich lediglich in der Gesellschafterliste (§§ 8 Abs. 1 Nr. 3, 40).

23

Etwaige Aufsichtsratsmitglieder werden gleichfalls nicht im Handelsregister eingetragen. Allerdings haben die Geschäftsführer dem Registergericht eine Liste der Aufsichtsratsmitglieder einzureichen (§ 52 Abs. 2 GmbHG i. V. m. § 37 Abs. 4 Nr. 3a AktG). Nach dem Gesetzeswortlaut ist die Liste weder von den Geschäftsführern

24

_____________ 19) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 10 Rn. 4; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 10 Rn. 5; Wicke, GmbHG, § 10 Rn. 2.

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§ 10

Inhalt der Eintragung

noch von den Mitgliedern des Aufsichtsrats zu unterzeichnen. Das Registergericht macht sodann einen Hinweis bekannt, dass die Liste eingereicht worden ist (§ 52 Abs. 2 Satz 2 a. E.). Die Liste selbst wird aber nicht bekannt gemacht. 25

Nicht eingetragen werden darüber hinaus auch die Höhe der einzelnen Einlagen, Festsetzungen über Sacheinlagen oder nach der Satzung bestehende Nebenleistungsverpflichtungen (§ 3 Abs. 2 Fall 2). Diese Angaben werden aber über die Bezugnahme auf den Gesellschaftsvertrag zum Inhalt des Handelsregisters. III. Rechtsfolgen der Eintragung

26

Mit der Eintragung im Handelsregister (§ 27 Abs. 4 HRV, § 382 Abs. 2 FamFG) entsteht die GmbH als juristische Person (§ 11 Abs. 1). Dies gilt auch dann, wenn die Eintragung nicht (oder noch nicht) hätte erfolgen dürfen. Etwaige Mängel werden im Allgemeinen durch die Eintragung geheilt. Bei schwerwiegenden Mängeln ist ggf. eine Nichtigkeitsklage (§ 75), eine Amtslöschung (§§ 395, 397 FamFG) oder eine Amtsauflösung (§ 399 FamFG) möglich.

27

Fehlerhafte oder unvollständige Eintragungen können vom Registergericht von Amts wegen berichtigt werden (§ 17 HRV). Die Gesellschaft (bzw. der Notar, § 378 FamFG)20) kann durch einen formlosen Antrag auf eine Berichtigung hinwirken. Daneben kommt auch eine Beschwerde (§ 59 Abs. 2 FamFG) in Betracht. IV. Kosten der Eintragung

28

Die Kosten für die Eintragung richten sich nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz i. V. m. der Handelsregistergebührenverordnung (§ 58 GNotKG). Die Kosten für die Ersteintragung einer GmbH betragen danach 100 € (Gebührenverzeichnis Nr. 2100). Falls mindestens eine Sacheinlage geleistet wird erhöhen sich die Gebühren auf 150 € (Gebührenverzeichnis Nr. 2101). Hinzu kommt jeweils eine Gebühr von 20 € für die Entgegennahme der Gesellschafterliste (Gebührenverzeichnis Nr. 5002). Die Gebühren sind unabhängig von der Höhe des Stammkapitals.

29

Bei Verwendung des Musterprotokolls (§ 2 Abs. 1a) erfolgt keine Gebührenermäßigung.

30

Das Registergericht soll die Eintragung grundsätzlich von der Einzahlung eines Kostenvorschusses abhängig machen (§ 14 Abs. 1 Satz 3 GNotKG).21) Ein Kostenvorschuss darf aber insbesondere dann nicht verlangt werden, wenn ein Notar erklärt hat, für die Kostenschuld die persönliche Haftung zu übernehmen (§ 16 Nr. 3 GNotKG). V. Haftung

31

Schuldhafte Pflichtverletzungen bei der Eintragung und Bekanntmachung können Amtshaftungsansprüche begründen (§ 839 BGB).22) Anhaltspunkt für eine Pflicht_____________ 20) S. dazu OLG Oldenburg, ZIP 2011, 2360 = DB 2012, 403 = NZG 2011, 1233; OLG Karlsruhe, GmbHR 2011, 308. 21) Zur Nichtzahlung eines Gerichtskostenvorschusses für GmbH-Gründung als Eintragungshindernis s. KG Berlin, GmbHR 2017, 1337 mit Anm. Melchior = ZIP 2018, 80. 22) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 10 Rn. 13; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 9c Rn. 25; Scholz-Veil, GmbHG, § 10 Rn. 33.

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§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

verletzung kann insbesondere ein Verstoß gegen die gesetzlichen Vorgaben der Handelsregisterverordnung sein (z. B. die Pflicht zur unverzüglichen Entscheidung nach § 25 Satz 2 HRV). Das Spruchrichterprivileg (§ 839 Abs. 2 Satz 1 BGB) gilt für den Registerrichter nicht. Anspruchsberechtigt sind alle Personen, für die Eintragung im Handelsregister Bedeutung erlangt oder erlangen kann. Die Beteiligten haben Eintragung und Bekanntmachung auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen, um ihre Schadensersatzansprüche nicht zu verlieren (siehe § 839 Abs. 3 BGB).

§ 11 Rechtszustand vor der Eintragung Ulrich G. Schroeter

(1) Vor der Eintragung in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft besteht die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als solche nicht. (2) Ist vor der Eintragung im Namen der Gesellschaft gehandelt worden, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch. Literatur: Altmeppen, Zur Verwendung eines „alten“ GmbH-Mantels, DB 2003, 2050; Altmeppen, Konkursantragspflicht in der Vor-GmbH?, ZIP 1997, 273; Bachmann, Die Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung und die Folgen ihrer Versäumung, NZG 2012, 579; Bachmann, Abschied von der „wirtschaftlichen Neugründung“?, NZG 2011, 441; Bayer, Neue und gebrauchte Mäntel, „gestreckte“ und „mutierte“ Gründungen – Die Rechtsfigur der „wirtschaftlichen Neugründung“ in der Rechtsprechung des BGH, in: Festschrift für Wulf Goette, 2011, S. 15; Bayer/Lieder, Vorbelastungshaftung und Vorbelastungsbilanz, insbesondere bei späterer Auffüllung des Haftungsfonds, ZGR 2006, 875; Beuthien, Zum Haftungsprivileg der Vorgesellschafter, in: Festschrift für Walther Hadding, 2004, S. 309; Beuthien, Haftung bei gesetzlichen Schuldverhältnissen einer Vorgesellschaft, BB 1996, 1337; Beuthien, Haftung der Vorgesellschafter: Warum so umständlich? Warum so milde?, WM 2013, 1485; Bredow/Schumacher, Registerkontrolle und Haftungsrisiken bei der Verwendung von GmbH-Mantelgesellschaften, DStR 2003, 1032; Ensthaler, Haftung von Gesellschaftern einer Vor-GmbH, BB 1997, 1208; Fleischer, Unterbilanzhaftung und Unternehmensbewertung, GmbHR 1999, 752; Geißler, Fragen zum Insolvenzverfahren der Vor-GmbH, DZWIR 2009, 52; Goette, Haftungsfragen bei der Verwendung von Vorratsgesellschaften und „leeren“ GmbH-Mänteln, DStR 2004, 461; Götz, Darlegungs- und Beweislast im Unterbilanzhaftungsprozess bei Erstgründung und wirtschaftlicher Neugründung einer GmbH, GmbHR 2013, 290; Gottschalk, Die wirtschaftliche Neugründung einer GmbH und ihre Haftungsfolgen, DStR 2012, 1458; Haas, Das neue Kapitalersatzrecht nach dem RegE-MoMiG, ZInsO 2007, 617; Haas, VorGmbH und Insolvenz, DStR 1999, 985; Habersack, Wider das Dogma von der unbeschränkten Gesellschafterhaftung bei wirtschaftlicher Neugründung einer AG oder GmbH, AG 2010, 845; Habersack, Gesellschafterdarlehen nach dem MoMiG – Anwendungsbereich, Tatbestand und Rechtsfolgen der Neuregelung, ZIP 2007, 2145; Heidinger, Die wirtschaftliche Neugründung: Grenzen der analogen Anwendung des Gründungsrechts, ZGR 2005, 101; Heinze, „Präventivkontrolle“ der Kapitalaufbringung bei der wirtschaftlichen Neugründung, GmbHR 2011, 962; Heinze, Zum richtigen Klagegegner bei einer Klage auf Änderung der Gesellschafterliste nach Beitritt zu einer Vor-GmbH, GmbHR 2013, 1261; Herresthal/Servatius, Grund und Grenzen der Haftung bei der wirtschaftlichen Neugründung einer GmbH, ZIP 2012, 197; Heyer/Reichert-Clauß, Sichere Verwendung von Vorratsgesellschaften – die Anforderungen der Rechtsprechung, NZG 2005, 193; Horn, Haftung bei wirtschaftlicher Neugründung – Hinweise für die Transaktionspraxis, DB 2012, 1255; Hüffer, Die Haftung bei wirtschaftlicher Neugründung unter Verstoß gegen die Offenlegungspflicht, NJW 2011, 1772; Jeep, Leere Hülse, be-

Ulrich G. Schroeter

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§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

schränktes Risiko: Die Gesellschafterhaftung bei nicht offengelegter wirtschaftlicher Neugründung, NZG 2012, 1209; Kallmeyer, Mehrfachaufbringung des Stammkapitals einer GmbH, GmbHR 2003, 322; Kersting, Verzicht auf den Unversehrheitsgrundsatz im Recht der GmbH, ZHR 175 (2011), 644; Kindler, GmbH-Reform und internationales Gesellschaftsrecht, AG 2007, 721; Kleindiek, Zur Gründerhaftung in der Vor-GmbH – Besprechung der Entscheidung BGH ZIP 1997, 679, ZGR 1997, 427; Krafka, Die wirtschaftliche Neugründung von Kapitalgesellschaften, ZGR 2003, 577; Krolop, Zur Begrenzung der Unterbilanzhaftung bei der Vorrats- und Mantelgründung, ZIP 2011, 305; Kuleisa, Vorbelastungshaftung bei der wirtschaftlichen Neugründung, DB 2011, 575; Lieder, Vorgründungsgesellschaft, Vorbeteilungsgesellschaft und andere Vorbereitungsgesellschaften, DStR 2014, 2464; Lieder, Zur Anwendbarkeit der Grundsätze der Mantelverwendung, NZG 2010, 410; Lutter, Haftungsrisiken bei der Gründung einer GmbH, JuS 1998, 1073; Martini, Das Verhältnis der Körperschaftssteuerpflicht der Vorgesellschaften zur späteren Eintragung, DStR 2011, 337; Mayer/Manz, Der Brexit und seine Folgen auf den Rechtsverkehr zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich, BB 2016, 1731; Meister, Zur Vorbelastungsproblematik und zur Haftungsverfassung der Vorgesellschaft bei der GmbH, in: Festschrift für Winfried Werner, 1984, S. 521; Merkt, Die Einpersonen-Vor-GmbH im Spiegel der rechtswissenschaftlichen Diskussion, in: Festschrift für Karsten Schmidt, 2009, S. 1161; Michalski, Haftung nach § 11 GmbHG für rechtsgeschäftsähnliches Handeln, NZG 1998, 248; Mülbert, Neuordnung des Kapitalrechts, WM 2006, 1977; Müller/Keilmann, Beteiligung am Schiedsverfahren wider Willen?, SchiedsVZ 2007, 113; Ostheim, Gedanken zu § 2 GmbHG i. d. F. der Novelle 1980, GesRZ 1982, 124; Passarge, Besondere Rechtsformen in der Liquidation, NZG 2010, 646; Peetz, Wirtschaftliche Neugründung einer GmbH und Haftung, GmbHR 2011, 178; Peetz, Die Vor-GmbH und der gewissenhafte Gründer, GmbHR 2003, 933; Podewils, Offene Fragen zur wirtschaftlichen Neugründung, GmbHR 2010, 684; Priester, Beginn der Rechtsperson: Vorräte und Mäntel, ZHR 168 (2004), 248; Priester, Gesellschafterdarlehen in der Vorbelastungsbilanz, ZIP 1994, 413; Priester, Vorbeteiligungsgesellschaft bei GmbH-Kapitalerhöhung, GWR 2014, 405; Raiser, Die Reichweite des Richterrechts am Beispiel des Rechts der Gründung der GmbH, in: Festschrift für Uwe Blaurock, 2013, S. 385; Roth, Die Gründerhaftung im Recht der Vor-GmbH, ZGR 1984, 597; H. Schmidt, Der Regreßanspruch des Fremdgeschäftsführers gegen die Gesellschafter der Vor-GmbH, GmbHR 1988, 129; K. Schmidt, Die Verwendung von GmbH-Mänteln und ihre Haftungsfolgen: ein Thema von gestern?, ZIP 2010, 857; K. Schmidt, Vorratsgründung, Mantelkauf und Mantelverwendung, NJW 2004, 1345; Schulz/Wasmeier, Geschäftsleiterhaftung bei Auslandsgesellschaften, RIW 2010, 657; Schwab, Handelndenhaftung und gesetzliche Verbindlichkeiten, NZG 2012, 481; Stimpel, Unbeschränkte oder beschränkte, Außen- oder Innenhaftung im Recht der GmbH-Vorgesellschaft – notwendiges oder überholtes Dogma, in: Festschrift für Hans-Joachim Fleck, 1988, S. 345; Strohn, Aus der neueren Rechtsprechung des BGH zum Gesellschaftsrecht (Teil 1), DB 2012, 1137; Tavakoli, Begrenzung der Unterbilanzhaftung bei wirtschaftlicher Neugründung einer GmbHG, NJW 2012, 1855; Ulmer, Die höchstrichterlich „enträtselte“ Gesellschaft bürgerlichen Rechts, ZIP 2001, 585; Ulmer, Entschärfte Gesellschafterhaftung bei wirtschaftlicher Neugründung einer zuvor unternehmenslosen Alt-GmbH, ZIP 2012, 1265; Ulmer, Zur Haftungsverfassung in der Vor-GmbH, ZIP 1996, 733; Wachter, Haftung der handelnden Personen bei wirtschaftlicher Neugründung einer Vorrats- oder Mantelgesellschaft, BB 2011, 2443; Wachter, Wer trägt die Kosten der wirtschaftlichen Neugründung?, GmbHR 2016, 791; Wahl/Schult, Reichweite der Unterbilanzhaftung bei wirtschaftlicher Neugründung einer GmbH, NZG 2010, 611; Weller, Die „Wechselbalgtheorie“, in: Festschrift für Wulf Goette, 2011, S. 591; Weller/Harms, Die Vorbelastungshaftung in der GmbH zwischen EuGVVO und EuInsVO, IPRax 2016, 119; Wiedenmann, Zur Haftungsverfassung der Vor-AG: Der Gleichlauf von Gründerhaftung und Handelnden-Regress, ZIP 1997, 2029; Wilken, Gesellschafterhaftung in der echten Vor-GmbH, ZIP 1995, 1163; Winnen, Die wirtschaftliche Neugründung von Kapitalgesellschaften, RNotZ 2013, 389;

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Ulrich G. Schroeter

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Zöllner, Die sogenannte Gründerhaftung: Bemerkungen zum Rätsel Vorgesellschaft, in: Festschrift für Herbert Wiedemann, 2002, S. 1383. Übersicht I. Regelungsgegenstand der Norm ........ 1 II. Stadien der Entstehung einer GmbH ................................................... 3 III. Vorgründungsgesellschaft .................. 4 1. Wesen und Rechtsnatur ........................ 5 2. Vertretung ............................................. 6 3. Haftung .................................................. 7 4. Verhältnis zu Vorgesellschaft und GmbH .................................................... 9 IV. Vorgesellschaft ................................... 10 1. Wesen und Rechtsnatur ...................... 10 2. Firma .................................................... 13 3. Organe und Gesellschafter ................. 14 a) Geschäftsführer ............................ 14 b) Aufsichtsrat .................................. 17 c) Gesellschafter ............................... 18 4. Vertretung ........................................... 19 a) Vertretungsmacht ........................ 19 b) Handeln im Namen der (Vor-)Gesellschaft ....................... 22 5. Vorgesellschaft als Rechtsträgerin ..... 23 6. Haftung ................................................ 25 a) Haftung der Vorgesellschaft ....... 26 b) Verlustdeckungshaftung der Vorgesellschafter .......................... 27 aa) System einer einheitlichen Gründerhaftung ........................... 28 bb) Anwendungsbereich und Voraussetzungen der Verlustdeckungshaftung .......................... 31 cc) Ausgestaltung als durchbrochene Innenhaftung ............... 35 dd) Inhalt und Umfang der Haftung ........................................ 37 7. Änderungen in der Vorgesellschaft .... 40 8. Beendigung der Vorgesellschaft ......... 41 a) Auflösung, Kündigung ................ 41 b) Wegfall der Eintragungsabsicht (sog. „unechte“ Vorgesellschaft) ........................................... 43 aa) Voraussetzungen .......................... 44 bb) Rechtsfolgen fehlender Eintragungsabsicht ............................ 46 c) Insolvenz ...................................... 49 9. Verhältnis zur GmbH ......................... 52 V. Entstehung der GmbH als juristische Person ............................... 53

I.

1.

Rechtswirkungen der Handelsregistereintragung ................................... 53 2. Formwechselnde Identität von Vorgesellschaft und GmbH, Folgen .................................................. 54 3. Unterbilanzhaftung (Vorbelastungshaftung) der Gesellschafter ....... 56 a) Anwendungsbereich .................... 57 b) Ausgestaltung als reine Innenhaftung ................................ 59 c) Inhalt und Umfang der Haftung ........................................ 60 VI. Gründerhaftung bei „wirtschaftlicher Neugründung“ einer GmbH .... 67 1. Wirtschaftliche Neugründung ............ 68 2. Pflicht zur Anzeige wirtschaftlicher Neugründungen .................................. 69 3. Haftung wirtschaftlicher Neugründer als Anwendungsfall der einheitlichen Gründerhaftung ........................ 72 a) Inhalt und Umfang der Haftung wirtschaftlicher Neugründer bei unterbliebener Anzeige ................. 75 aa) Verlustdeckungshaftung .............. 78 bb) Modifizierte Unterbilanzhaftung (BGH) ............................ 79 b) Unterbilanzhaftung (Vorbelastungshaftung) wirtschaftlicher Neugründer nach ordnungsgemäß erfolgter Anzeige ............. 81 c) Ausgestaltung als reine Innenhaftung ................................ 82 d) Sonstige Modalitäten der Haftung ........................................ 83 VII. Handelndenhaftung gemäß Absatz 2 ............................................... 85 1. Normzweck ......................................... 86 2. Im Namen der Gesellschaft Handelnde ........................................... 89 3. Inhalt und Umfang der Haftung ........ 92 4. Konkurrenzen, Regress ....................... 96 a) Konkurrenzen .............................. 96 b) Regress des Haftenden ................ 97 VIII. Entstehung einer EinpersonenGmbH .................................................. 98

Regelungsgegenstand der Norm

§ 11 betrifft den Rechtszustand der Gesellschaft vor deren Eintragung in das Handelsregister, regelt diesen aber selbst nur sehr punktuell: Absatz 1 beschränkt sich auf die negative Aussage, dass die GmbH vor der Eintragung „als solche“ noch Ulrich G. Schroeter

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1

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

nicht besteht, und überlässt die Konkretisierung der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage damit Rechtsprechung und Wissenschaft. In einer langjährigen, wechselhaften und vielfach kontroversen Entwicklung1) haben diese ein komplexes Regelsystem geschaffen, das zwischen drei Entstehungsstadien der GmbH differenziert (siehe Rn. 3) und den Verband einer jeweils angepassten Organisationsund Haftungsverfassung unterwirft. Die Rechtsprechung wendet das Haftungskonzept, das aus § 11 für im Vorgesellschaftsstadium entstandene Verbindlichkeiten entwickelt wurde, in jüngerer Zeit auf Fälle der „wirtschaftlichen Neugründung“ einer GmbH (durch Aktivierung bereits eingetragener Vorratsgesellschaften oder „gebrauchter“ GmbH-Mäntel) entsprechend an, wobei Voraussetzungen und Inhalt dieser Haftung nicht völlig geklärt sind (siehe Rn. 67 ff). Absatz 2 enthält eine ergänzende Haftungsnorm, der nach heutigem Verständnis nur noch begrenzte Bedeutung zukommt (siehe Rn. 85 ff). 2

Der Normwortlaut des § 11 ist seit 1892 unverändert und wurde auch durch das MoMiG nicht berührt. Die Vorschrift einschließlich daran anknüpfender Rechtsprechungsregeln gilt auch für die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt).2) Eine Parallelnorm enthält § 41 Abs. 1 AktG. II. Stadien der Entstehung einer GmbH

3

Die Entstehung einer GmbH lässt sich in drei Abschnitte unterteilen, während derer der jeweils bestehende Verband einer unterschiedlichen Organisations- und Haftungsverfassung unterliegt: Vor Abschluss eines auf Gründung der GmbH gerichteten Gesellschaftsvertrages (§ 2) liegt noch keine entstehende GmbH, sondern allenfalls eine Vorgründungsgesellschaft vor (dazu siehe Rn. 4 ff). Mit Abschluss eines i. S. d. § 2 formgerechten GmbH-Gesellschaftsvertrages ist die GmbH errichtet, die jedoch vor Eintragung in das Handelsregister noch nicht „als solche“ (§ 11 Abs. 1), sondern einstweilen nur als Vorgesellschaft besteht (siehe Rn. 10 ff); während dieses Stadiums greift flankierend die Handelndenhaftung gemäß Absatz 2 ein (siehe Rn. 85 ff). Mit ihrer Registereintragung entsteht die GmbH schließlich „als solche“ (siehe Rn. 53 ff). III. Vorgründungsgesellschaft

4

Werden die Gründer bereits vor Abschluss eines notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrages (§ 2) gemeinsam mit Blick auf die Errichtung der GmbH tätig, so kommt eine Vorgründungsgesellschaft zustande. Sie ist – anders als die Vorgesellschaft (siehe Rn. 10) – kein notwendiges Zwischenstadium innerhalb der Entstehung einer GmbH. Ihre praktische Bedeutung resultiert vor allem aus der persönlichen Haftung der Vorgründungsgesellschafter für in diesem Stadium eingegangene Verbindlichkeiten (siehe Rn. 8). In jüngerer Zeit sind die Grundsätze der Vorgründungsgesellschaft vereinzelt auch angewandt worden, wenn Altgesellschafter, Übernehmer neu gebildeter Gesellschaftsanteile und GmbH in der Vorphase der Durchführung einer Kapitalerhöhung zusammengewirkt haben (Vorbeteiligungsgesellschaft).3) _____________ 1) 2) 3)

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Dazu Raiser in: FS Blaurock, S. 385, 391 ff. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 11 Rn. 1. So in OLG Schleswig, ZIP 2014, 1525, 1527 ff (n. rkr.), dazu EWiR 2014, 583 (Rüppel/ Hoffmann); zust. Lieder, DStR 2014, 2464, 2465 ff; Priester, GWR 2014, 405, 407 f.

Ulrich G. Schroeter

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

1.

Wesen und Rechtsnatur

Bei einer Vorgründungsgesellschaft handelt es sich um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts i. S. d. §§ 705 ff BGB (häufig in Gestalt einer Innengesellschaft ohne eigenes Vermögen) oder, sofern bereits ein Handelsgeschäft betrieben wird, um eine OHG (§ 105 HGB).4) Die Bestimmungen des GmbHG finden keine Anwendung. Die Vorgründungsgesellschaft entsteht durch Abschluss eines Vor- oder Gesellschaftsvertrages, der auch konkludent erfolgen kann;5) der Form des § 2 bedarf jener nur dann, wenn er die Gründer bereits zur Errichtung der GmbH verpflichten soll6) (siehe § 2 Rn. 117 ff [Schäfer]). Im Falle einer Vorbeteiligungsgesellschaft (siehe Rn. 4) soll dies entsprechend gelten; die Formvorschrift des § 55 Abs. 1 soll nicht anwendbar sein.7) 2.

Vertretung

Die Vertretung der Vorgesellschaft richtet sich nach dem einschlägigen Recht der GbR bzw. OHG; für die spätere GmbH geplante Vertretungsregelungen (namentlich beabsichtigte Geschäftsführerbestellungen) wirken noch nicht.8) Wird bei Abschluss eines Vertrages während des Vorgründungsstadiums der Rechtsträger des Unternehmens, für das gehandelt wird, falsch bezeichnet – etwa weil, wie in der Praxis häufig, im Namen der (tatsächlich noch nicht bestehenden) „GmbH i. Gr.“ oder „GmbH“ aufgetreten wird – so wird aus dem unternehmensbezogenen Geschäft als wahrer Rechtsträger die Vorgründungsgesellschaft berechtigt und verpflichtet.9) Etwas anderes gilt nur bei entsprechender Vereinbarung mit dem Vertragspartner.10) Wer bereits als Geschäftsführer für Vorgesellschaft oder GmbH auftritt, haftet entsprechend § 179 Abs. 1 BGB persönlich.11) 3.

5

6

Haftung

Für ihre eingegangenen Verpflichtungen haftet zunächst die Vorgründungsgesellschaft selbst mit ihrem Gesellschaftsvermögen.12) An ihrer Haftung kann es ausnahmsweise fehlen, wenn die Auslegung eines Vertrages (§§ 133, 157 BGB) ergibt, dass statt der Vorgründungsgesellschaft ausschließlich die künftige Vorgesellschaft oder GmbH verpflichtet werden sollte.13) _____________ 4) BGH, ZIP 1983, 933 = GmbHR 1984, 41 = NJW 1983, 2822; BGHZ 91, 148, 151 = ZIP 1984, 950 = NJW 1984, 2164; OLG Stuttgart, NZG 2002, 910, 911 ff = GmbHR 2002, 1067. 5) Bloße Gespräche zwischen den Beteiligten genügen hierzu aber regelmäßig nicht; Priester, GWR 2014, 405, 406. 6) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 35. 7) OLG Schleswig, ZIP 2014, 1525, 1528 f, dazu EWiR 2014, 583 (Rüppel/Hoffmann); Lieder, DStR 2014, 2464, 2469 f. 8) OLG Stuttgart, NZG 2002, 910, 913 = GmbHR 2002, 1067. 9) BGHZ 91, 148, 152 = ZIP 1984, 950 = NJW 1984, 2164; BGH, GmbHR 1985, 214 = WM 1985, 479; BGH, GmbHR 1992, 164; BGH, ZIP 1998, 646 = GmbHR 1998, 633 = NJW 1998, 1645, dazu EWiR 1998, 417 (Dreher/Kreiling). 10) Vgl. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 37 m. w. N. 11) BAG, ZIP 2006, 1672, 1673 = NJW 2006, 3230 = DB 2006, 1944; OLG Koblenz, NZG 2003, 32, 33 = GmbHR 2002, 1239; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 11 Rn. 71. 12) Merkt in: MünchKomm-GmbHG, § 11 Rn. 106. 13) BGHZ 91, 148, 153 = ZIP 1984, 950 = NJW 1984, 2164 – seltener Sonderfall; BGH, GmbHR 1992, 164 (obiter).

Ulrich G. Schroeter

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7

§ 11 8

Für Verbindlichkeiten aus Geschäften der Vorgründungsgesellschaft haften daneben auch deren Gesellschafter nach den Regeln der GbR bzw. OHG persönlich und unbeschränkt.14) Etwas anderes gilt nur, wenn die Haftung durch Vereinbarung mit dem Vertragspartner auf das Vermögen der Vorgründungsgesellschaft beschränkt wurde (selten).15) Da sowohl die Errichtung der GmbH als auch ihre Eintragung die Rechtsverhältnisse der Vorgründungsgesellschaft unberührt lassen (siehe Rn. 9), besteht die persönliche Haftung der Vorgründungsgesellschafter ungeachtet dieser Entwicklungen fort;16) sie kann daher auch dann noch geltend gemacht werden, wenn die GmbH nicht zur Eintragung gelangen sollte oder Vorgesellschaft bzw. GmbH in die Insolvenz gefallen sind. Die Handelndenhaftung nach Absatz 2 bezieht sich hingegen nach ganz h. M. nicht auf Verbindlichkeiten aus dem Vorgründungsstadium (siehe Rn. 87). 4.

9

Rechtszustand vor der Eintragung

Verhältnis zu Vorgesellschaft und GmbH

Zwischen Vorgründungsgesellschaft einerseits und Vorgesellschaft sowie GmbH andererseits besteht weder Identität17) noch eine andersartige Kontinuität18) (Grundsatz der Diskontinuität). Die Aktiva und Passiva der Vorgründungsgesellschaft gehen daher nicht automatisch auf Vorgesellschaft oder GmbH über, sondern müssen gesondert übertragen werden.19) Eine Übertragung der Verbindlichkeiten (mit befreiender Wirkung für die Vorgründungsgesellschafter) erfordert eine Schuldübernahme gemäß §§ 414, 415 BGB20) oder eine diese umfassende Vertragsübernahme;21) beide setzen eine Zustimmung der Gläubiger voraus. Eine konkludente Übertragung von Rechten und Pflichten ist möglich, etwa durch Weiterführung

_____________ 14) BGH, ZIP 1983, 933 f = GmbHR 1984, 41 = NJW 1983, 2822; BGHZ 91, 148, 151 = ZIP 1984, 950 = NJW 1984, 2164; BGH, GmbHR 1985, 214 = WM 1985, 479; BAG, ZIP 2006, 1044, 1045 = GmbHR 2006, 756 = NZG 2006, 507. 15) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 37; Merkt in: MünchKomm-GmbHG, § 11 Rn. 107. 16) BGH, GmbHR 1992, 164; BGH, ZIP 1998, 646 = GmbHR 1998, 633 = NJW 1998, 1645, dazu EWiR 1998, 417 (Dreher/Kreiling); BGH, NJW-RR 2001, 1042, 1043 = GmbHR 2001, 293 = NZG 2001, 561. Dies liegt nur dann anders, wenn mit dem Gläubiger vereinbart wurde, dass die Mitglieder der Vorgründungsgesellschaft nur bis zur Eintragung der GmbH haften sollen, vgl. BGH, ZIP 1983, 933, 934 = GmbHR 1984, 41 = NJW 1983, 2822. 17) BGH, NJW-RR 2001, 1042, 1043 = GmbHR 2001, 293 = NZG 2001, 561; teilweise a. A. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 11 Rn. 74. 18) Plastisch BGHZ 91, 148, 151 = ZIP 1984, 950 = NJW 1984, 2164 – die Vorgründungsgesellschaft „hat mit der in Aussicht genommenen GmbH im Rechtssinne noch nichts zu tun“; OLG Koblenz, NZG 2003, 32 = GmbHR 2002, 1239. 19) BGHZ 91, 148, 151 = ZIP 1984, 950 = NJW 1984, 2164; BGH, GmbHR 1985, 214 = WM 1985, 479; BGH, ZIP 1998, 646 = GmbHR 1998, 633 = NJW 1998, 1645, dazu EWiR 1998, 417 (Dreher/Kreiling); BGH, NJW-RR 2001, 1042, 1043 = GmbHR 2001, 293 = NZG 2001, 561. 20) BGH, GmbHR 1985, 214 = WM 1985, 479; BGH, ZIP 1998, 646 = GmbHR 1998, 633 = NJW 1998, 1645, dazu EWiR 1998, 417 (Dreher/Kreiling). 21) BGH, ZIP 1998, 646 = GmbHR 1998, 633 = NJW 1998, 1645, dazu EWiR 1998, 417 (Dreher/Kreiling).

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Ulrich G. Schroeter

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

eines Girokontos.22) Fehlt die erforderliche Gläubigerzustimmung, so dauert auch die persönliche Haftung der Vorgründungsgesellschafter an (siehe Rn. 8). Leisten später Vorgesellschaft oder GmbH auf eine Verbindlichkeit der Vorgründungsgesellschaft, so liegt ein Fall des § 267 BGB vor. IV. Vorgesellschaft 1.

Wesen und Rechtsnatur

Die zwischen Errichtung und Eintragung der GmbH bestehende Vorgesellschaft (Vor-GmbH) ist weder Gesellschaft bürgerlichen Rechts bzw. OHG noch juristische Person,23) sondern als notwendige Vorstufe zur mit der Eintragung entstehenden juristischen Person ein bereits eigenständiges, von ihren Gründern und Gesellschaftern verschiedenes körperschaftlich strukturiertes Rechtsgebilde eigener Art.24) Sie untersteht dem Recht der eingetragenen GmbH schon insoweit, als es mit ihrem besonderen Zweck vereinbar ist und die betroffenen Bestimmungen des GmbHRechts nicht die Eintragung im Handelsregister voraussetzen.25)

10

Die Vorgesellschaft entsteht mit der notariellen Beurkundung des Gesellschaftsvertrages.26) Ihr Zweck beschränkt sich nach h. M. darauf, unter Erhaltung des schon eingebrachten Vermögens die Eintragung der Gesellschaft zu erreichen und damit die Entstehung der GmbH als juristische Person herbeizuführen,27) während er nach einer abweichenden Ansicht bereits deckungsgleich mit dem Zweck der späteren GmbH ist.28) Der Unterschied zwischen beiden Ansätzen zeitigt Folgen für die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis der Gesellschaftsorgane (siehe Rn. 15, 19 f) sowie die Haftung von Gesellschaftern und Geschäftsführern (siehe Rn. 33, 57, 87).

11

_____________ 22) OLG Hamm, GmbHR 1997, 602, 603 – konkludente Übertragung der Rechte und Pflichten der Vorgründungsgesellschaft aus einem Kontokorrentverhältnis auf die Vorgesellschaft. 23) BGHZ 21, 242, 246 = NJW 1956, 1435; BGHZ 143, 314, 319 = ZIP 2000, 411 = NJW 2000, 1193, dazu EWiR 2000, 339 (Freitag). 24) BGHZ 80, 129, 132 = ZIP 1981, 394 = NJW 1981, 1373; BGHZ 80, 212, 214 = ZIP 1981, 609 = NJW 1981, 2125; BGHZ 120, 103, 105 = ZIP 1993, 144 = NJW 1993, 459, dazu EWiR 1993, 119 (Demharter); BGHZ 117, 323, 326 = ZIP 1992, 689 = NJW 1992, 1824, dazu EWiR 1992, 673 (Kraft); BGH, NJW 1998, 1079, 1080 = ZIP 1998, 109 = GmbHR 1998, 185; BFH, NJW-RR 2010, 1124, 1125 = ZIP 2010, 1036 (LS) = GmbHR 2010, 764. 25) BGHZ 21, 242, 246 = NJW 1956, 1435; BGHZ 45, 338, 347 = NJW 1966, 311; BAG, ZIP 2000, 1546, 1548 = GmbHR 2000, 1041 = NJW 2000, 2915, dazu EWiR 2000, 915 (Goette); BAG, ZIP 2006, 1044, 1045 = GmbHR 2006, 756 = NZG 2006, 507; ebenso BGHZ 169, 270 = ZIP 2006, 2267, 2268 = NJW 2007, 589 – zur Vor-AG, dazu EWiR 2007, 289 (Krolop). 26) BGHZ 91, 148, 151 = ZIP 1984, 950 = NJW 1984, 2164; BGH, ZIP 2008, 1025 = GmbHR 2008, 654 = NJW 2008, 2441; OLG Hamm, ZIP 2006, 2031, 2032 = GmbHR 2006, 1044 = NZG 2006, 754. 27) BGHZ 80, 129, 139 = ZIP 1981, 394 = NJW 1981, 1373; OLG Hamm, ZIP 2006, 2031, 2032 = GmbHR 2006, 1044 = NZG 2006, 754; BayObLG, NJW 1965, 2254, 2255 – zur Vor-AG; Merkt in: MünchKomm-GmbHG, § 11 Rn. 15; Rowedder/Schmidt-LeithoffSchmidt-Leithoff, GmbHG, § 11 Rn. 36. 28) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 26.

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§ 11 12

Keine Vorgesellschaft liegt vor, sofern die Gesellschafter von vornherein nicht den Zweck verfolgen, die GmbH ins Handelsregister eintragen zu lassen; man spricht hier von einer (anfänglichen) „unechten“ Vorgesellschaft, die dem Recht der GbR bzw. der OHG untersteht29) (dazu siehe Rn. 43 ff). 2.

13

Rechtszustand vor der Eintragung

Firma

Die Vorgesellschaft ist namensfähig (§ 12 BGB)30) und verfügt bereits über eine eigene Firma31) (§ 4), falls sie schon Geschäftstätigkeit in einem Handelsgewerbe aufgenommen hat32) (dazu siehe § 4 Rn. 27 [Schäfer]). Aufgrund des firmenrechtlichen Irreführungsverbots (§ 18 Abs. 2 HGB) ist bei der Firmenbildung ein Hinweis auf das Gründungsstadium erforderlich;33) üblich ist der Zusatz „in Gründung“ oder „i. Gr.“ Die so firmierende Vorgesellschaft erwirbt das Firmenrecht mit Wirkung auch für die spätere GmbH34) und kann folglich bereits Prioritätsschutz gegenüber Konkurrenten begründen. 3.

Organe und Gesellschafter

a) Geschäftsführer 14

Handlungsorgan der Gesellschaft sind bereits im Vorgesellschaftsstadium die Geschäftsführer, wie sich aus §§ 7 Abs. 3, 78 ergibt. Bestellt werden sie entweder im Gesellschaftsvertrag oder durch Mehrheitsbeschluss der Gesellschafterversammlung.35)

15

Der Umfang der Geschäftsführungsbefugnis richtet sich im Vorgesellschaftsstadium nach dem Zweck der Vorgesellschaft (hierzu siehe Rn. 11).36) Sie umfasst daher jedenfalls die Herbeiführung der gesetzlichen Eintragungsvoraussetzungen und der Eintragung selbst37) sowie bei Sachgründungen die Weiterführung eines eingebrachten Handelsgeschäfts (weil zur Erhaltung seines Wertes erforderlich), während die Aufnahme einer werbenden Tätigkeit vor Eintragung ansonsten nicht vom Vorgesellschaftszweck gedeckt und den Geschäftsführern daher grundsätzlich _____________ 29) BGHZ 143, 314, 319 = ZIP 2000, 411 = NJW 2000, 1193, dazu EWiR 2000, 339 (Freitag); BGHZ 152, 290, 294 f = ZIP 2002, 2309 = NJW 2003, 429; BFH, NJW-RR 2010, 1124, 1125 = ZIP 2010, 1036 (LS) = GmbHR 2010, 764; OLG Bremen, ZIP 2000, 2201, 2203 = NZG 2001, 227, dazu EWiR 2000, 1015 (Münnich). 30) BGHZ 117, 323, 326 = ZIP 1992, 689 = NJW 1992, 1824, dazu EWiR 1992, 673 (Kraft); BGHZ 120, 103, 106 = ZIP 1993, 144 = NJW 1993, 459 – Columbus, dazu EWiR 1993, 119 (Demharter). 31) BGHZ 117, 323, 326 = ZIP 1992, 689 = NJW 1992, 1824, dazu EWiR 1992, 673 (Kraft); BGH, NJW 1998, 1079, 1080 = ZIP 1998, 109 = GmbHR 1998, 185. 32) BGHZ 120, 103, 106 = ZIP 1993, 144 = NJW 1993, 459, dazu EWiR 1993, 119 (Demharter). 33) BGH, Beschl. v. 12.11.1984 – II ZB 2/84, NJW 1985, 736, 737 = ZIP 1985, 280 = GmbHR 1985, 153 (obiter); Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 4 Rn. 18; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 4 Rn. 42. 34) BGHZ 120, 103, 106 f = ZIP 1993, 144 = NJW 1993, 459 – Columbus, dazu EWiR 1993, 119 (Demharter). 35) BGHZ 80, 212, 214 = ZIP 1981, 609 = NJW 1981, 2125. 36) BGH, ZIP 2004, 1409, 1410 = GmbHR 2004, 1151 = NJW 2004, 2519, dazu EWiR 2004, 783 (Drygala); Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 11 Rn. 34, 43; a. A. Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 26a. 37) Unstr., Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 10.

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Ulrich G. Schroeter

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

nicht gestattet ist.38) Die Gesellschafter können die Geschäftsführer allerdings übereinstimmend ermächtigen, schon vor der Eintragung der Gesellschaft geschäftlich tätig zu werden;39) ein solcher Beschluss bedarf nicht der Form des § 2 Abs. 1, weil er alleine für das Stadium der Vorgesellschaft relevant ist und nicht über die Eintragung hinaus fortwirkt.40) Auch eine konkludente Einwilligung oder Genehmigung ist ausreichend.41) In den genannten Fällen liegt eine Erweiterung von Vorgesellschaftszweck und Geschäftsführungsbefugnis und nicht lediglich der Vertretungsmacht vor,42) weil die Geschäftsführer erkennbar auch im Innenverhältnis zu den zweckdienlichen Handlungen berechtigt sein sollen (und andernfalls Regressansprüchen der Gesellschafter ausgesetzt wären). Im Innenverhältnis sind die Geschäftsführer wie bei der eingetragenen GmbH den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterworfen.43) Der Sorgfaltsmaßstab der §§ 9a, 43 und die Haftung im Falle seiner Missachtung gelten ebenso44) wie die Insolvenzantragspflicht des § 15a Abs. 1 InsO (siehe Rn. 50).

16

b) Aufsichtsrat Für den fakultativen Aufsichtsrat der Vorgesellschaft gilt § 52;45) im Gegensatz zur AG ist der Aufsichtsrat im Gründungsstadium der GmbH jedoch ohne gesetzlich vorgesehene Aufgaben.46) Die Anwendbarkeit einen obligatorischen Aufsichtsrat verlangender Mitbestimmungsnormen (§§ 77, 77a BetrVG 1952, §§ 1, 6 MitbestG) auf die Vorgesellschaft ist umstritten,47) hat in der Praxis aber nur vergleichsweise geringe Bedeutung erlangt.

17

c) Gesellschafter Das oberste Willensbildungsorgan der Vorgesellschaft ist die Gesamtheit der Gesellschafter.48) Der Gesellschafterversammlung obliegt die Bestellung der Geschäfts_____________ 38) BGH, NJW 1963, 859 = WM 1963, 248; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 11 Rn. 45. 39) BGHZ 72, 45, 49 = NJW 1978, 1978; BGHZ 80, 129, 139 = ZIP 1981, 394 = NJW 1981, 1373; BGHZ 80, 182, 183 = ZIP 1981, 516 = NJW 1981, 1452; BGH, ZIP 2004, 1409, 1410 = GmbHR 2004, 1151 = NJW 2004, 2519, dazu EWiR 2004, 783 (Drygala); Kleindiek, ZGR 1997, 427, 434; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 11 Rn. 63. 40) BGHZ 80, 129, 139 = ZIP 1981, 394 = NJW 1981, 1373. 41) BGHZ 65, 378, 382 = NJW 1976, 419; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 11 Rn. 37; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 11 Rn. 36. 42) BGH, ZIP 2004, 1409, 1410 = GmbHR 2004, 1151 = NJW 2004, 2519, dazu EWiR 2004, 783 (Drygala); anders hingegen BGHZ 80, 129, 139 = ZIP 1981, 394 = NJW 1981, 1373; Lutter, JuS 1998, 1073, 1076. 43) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 11 Rn. 12; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 11 Rn. 62; Saenger/Inhester-Pfisterer, GmbHG, § 11 Rn. 5. 44) BGH, ZIP 1987, 1050, 1051 = GmbHR 1986, 302 = NJW-RR 1986, 1293, dazu EWiR 1986, 587 (Weipert); Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 9. 45) Merkt in: MünchKomm-GmbHG, § 11 Rn. 28; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 52. 46) BayObLG, ZIP 2000, 1445, 1446 = GmbHR 2000, 982 = DB 2000, 1955, dazu EWiR 2001, 21 (Kort). 47) Dagegen BayObLG, ZIP 2000, 1445 f = GmbHR 2000, 982 = DB 2000, 1955, dazu EWiR 2001, 21 (Kort); vgl. Merkt in: MünchKomm-GmbHG, § 11 Rn. 29 f m. w. N. auch zur Gegenansicht. 48) Vgl. Merkt in: MünchKomm-GmbHG, § 11 Rn. 31.

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§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

führer, soweit diese nicht bereits im Gesellschaftsvertrag erfolgt ist (siehe Rn. 14). Für die Rechte der Vorgesellschafter und ihre Beschlussfassung gelten vorbehaltlich einer abweichenden Satzungsregelung die §§ 45 ff entsprechend;49) dies gilt namentlich für das Mehrheitsprinzip des § 47 Abs. 1,50) aber auch für § 47 Abs. 2 – 4 über das Stimmrecht und §§ 48 ff über die Gesellschafterversammlung51) sowie das Auskunfts- und Bucheinsichtsrecht des § 51a.52) Bereits aus dem Gesellschaftsvertrag folgt die Pflicht der Vorgesellschafter, die Mindesteinlagen auf das Stammkapital zu leisten (§ 7 Abs. 2, 3); des Weiteren sind sie verpflichtet, alle zur Bewirkung der Eintragung der Gesellschaft ihrerseits erforderlichen Handlungen vorzunehmen, ggf. also Geschäftsführer zu bestellen, einen Sachgründungsbericht zu verfassen, Auskünfte zu erteilen oder Unterlagen beizubringen.53) Werden der Gesellschaft im Vorgesellschaftsstadium Gesellschafterdarlehen gewährt, so waren nach bisherigem Recht §§ 32a, 32b a. F. einschlägig;54) seit dem MoMiG findet im Insolvenzfall § 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4, 5 InsO Anwendung (siehe Rn. 51). Zu Änderungen im Gesellschafterkreis siehe Rn. 40. 4.

Vertretung

a) Vertretungsmacht 19

Die Vorgesellschaft wird entsprechend § 35 Abs. 1 Satz 1 durch ihre Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Zahl vertreten.55) Der Umfang ihrer Vertretungsmacht richtet sich nach h. M. nach dem Umfang der Geschäftsführungsbefugnis (siehe Rn. 15),56) während eine verbreitete Gegenansicht in der Literatur bereits § 37 Abs. 2 anwenden will.57) Für eine begrenzte Vertretungsmacht (h. M.) spricht vor allem die persönliche und unbeschränkte Gesellschafterhaftung für Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft (siehe Rn. 28) – wenn für eine solche Haftungskonstellation in § 714 BGB eine Kongruenz von Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht vorgesehen ist, muss dieser Grundgedanke erst recht für die Vor_____________ 49) Ganz h. M. BGHZ 80, 212, 214 = ZIP 1981, 609 = NJW 1981, 2125; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 11 Rn. 45. 50) BGHZ 80, 212, 214 f = ZIP 1981, 609 = NJW 1981, 2125; Merkt in: MünchKommGmbHG, § 11 Rn. 31; teilweise a. A. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 11 Rn. 12. 51) Henssler/Strohn-Schäfer, GesR, § 11 GmbHG Rn. 22; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/ Habersack, GmbHG, § 11 Rn. 46. 52) Peetz, GmbHR 2003, 933, 936. 53) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 8; Saenger/Inhester-Pfisterer, GmbHG, § 11 Rn. 4; Wicke, GmbHG, § 11 Rn. 4. 54) BGH, ZIP 2009, 1273, 1276 = NJW 2009, 2378 = WM 2009, 1327; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, §§ 32a, 32b Rn. 19; a. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 30 Rn. 17, §§ 32a/b Rn. 14. 55) BGHZ 117, 323, 326 = ZIP 1992, 689 = NJW 1992, 1824, dazu EWiR 1992, 673 (Kraft); BayObLG, ZIP 1985, 1487, 1488 = GmbHR 1986, 118 = DB 1986, 106. 56) BGHZ 72, 45, 49 = NJW 1978, 1978; BGHZ 80, 129, 139 = ZIP 1981, 394 = NJW 1981, 1373; BGH, ZIP 2004, 1409, 1410 = GmbHR 2004, 1151 = NJW 2004, 2519 – zur VorAG, dazu EWiR 2004, 783 (Drygala); Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 20; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 11 Rn. 14; Merkt in: MünchKomm-GmbHG, § 11 Rn. 63; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 11 Rn. 68. 57) Raiser/Veil, KapG, § 26 Rn. 122; Roth, ZGR 1984, 597, 609; Saenger/Inhester-Pfisterer, GmbHG, § 11 Rn. 12; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 63 f.

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§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

gesellschaft gelten, bei der die persönliche Gesellschafterhaftung mit einer Fremdorganschaft zusammenfallen kann.58) Die umfassende Vertretungsmacht nach § 37 Abs. 2 passt dagegen als allgemeine Regel nur für die eingetragene GmbH, bei der die Haftungsbeschränkung des § 13 Abs. 2 greift. Die Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer umfasst daher bei Sachgründungen alle zur Fortführung eines eingebrachten Handelsgeschäfts notwendigen Rechtsgeschäfte (und deckt sich damit im Ergebnis weitgehend mit § 37 Abs. 2),59) während sie bei Bargründungen im Ausgangspunkt auf zur Herbeiführung der Eintragung notwendige Rechtshandlungen beschränkt ist.60) Haben die Gesellschafter die Geschäftsführungsbefugnis allerdings einstimmig erweitert (siehe Rn. 15), so greift auch die Vertretungsmacht entsprechend weiter aus und kann namentlich die für eine werbende Unternehmenstätigkeit notwendigen Rechtsgeschäfte umfassen.61) Agieren die Geschäftsführer außerhalb ihrer Vertretungsmacht, so wird die Vorgesellschaft nicht gebunden; Gläubigerschutz wird durch die Handelndenhaftung nach Absatz 2 geleistet (siehe Rn. 85 ff).

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Sofern die Vorgesellschaft bereits ein Handelsgewerbe betreibt, kommt zudem eine Vertretung durch Prokuristen (§ 49 Abs. 1 HGB) in Frage.62) Ist die Vorgesellschaft führungslos, so wird sie durch ihre Gesellschafter passiv vertreten, weil § 35 Abs. 1 Satz 2 schon im Vorgesellschaftsstadium entsprechend anwendbar ist.63)

21

b) Handeln im Namen der (Vor-)Gesellschaft Handeln Geschäftsführer oder Prokuristen i. R. ihrer Vertretungsmacht, so wird hierdurch nach den Regeln über unternehmensbezogene Rechtsgeschäfte die Vorgesellschaft berechtigt und verpflichtet, weil sie in diesem Stadium Trägerin des Unternehmens ist.64) Ob dabei im Namen der Vorgesellschaft, der künftigen GmbH oder beider aufgetreten wurde, ist – anders als nach früherer Rechtsprechung65) – unerheblich.66)

_____________ 58) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 19; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/ Habersack, GmbHG, § 11 Rn. 68. 59) BGHZ 45, 338, 343 = NJW 1966, 311; BGHZ 80, 129, 139 = ZIP 1981, 394 = NJW 1981, 1373. 60) BGHZ 80, 129, 139 = ZIP 1981, 394 = NJW 1981, 1373; Lutter, JuS 1998, 1073, 1076. 61) BGHZ 72, 45, 49 = NJW 1978, 1978; BGHZ 80, 129, 139 = ZIP 1981, 394 = NJW 1981, 1373; BGHZ 80, 182, 183 = ZIP 1981, 516 = NJW 1981, 1452; BGH, ZIP 2004, 1409, 1410 = GmbHR 2004, 1151 = NJW 2004, 2519 – zur Vor-AG, dazu EWiR 2004, 783 (Drygala). 62) OLG Hamburg, GmbHR 1963, 50, 53; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 11 Rn. 77; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 65. 63) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 20. 64) BGHZ 72, 45, 49 = NJW 1978, 1978; BGH, ZIP 1990, 94 = GmbHR 1990, 206 = DB 1990, 273, dazu EWiR 1990, 193 (Littbarski); Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 11 Rn. 73 f. 65) Vgl. BGHZ 53, 210, 211 = NJW 1970, 806; BGH, GmbHR 1973, 101 = NJW 1973, 798. 66) BGH, ZIP 1990, 94, 95 = GmbHR 1990, 206 = DB 1990, 273, dazu EWiR 1990, 193 (Littbarski); Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 18.

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§ 11 5.

Rechtszustand vor der Eintragung

Vorgesellschaft als Rechtsträgerin

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Die Vorgesellschaft kann unstreitig selbst Trägerin von Rechten und Pflichten sein;67) die Vorgesellschaft als solche und nicht jeder einzelne Gesellschafter oder eine von ihr verschiedene Gesamtheit ihrer Gesellschafter ist Trägerin der eingebrachten Vermögenswerte.68) Sie ist aktiv und passiv parteifähig,69) im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit beteiligtenfähig und beschwerdeberechtigt70) (siehe § 9c Rn. 9 [Wachter]), grundbuch-, konto-, scheck- und wechselfähig,71) kann Handelsgesellschaft sein, wenn sie ein Handelsgewerbe betreibt (§ 13 Abs. 3 gilt erst ab Eintragung),72) sich an anderen Gesellschaften beteiligen, insb. als Komplementärin einer KG,73) Unternehmensverträge (namentlich Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge) abschließen,74) und ist insolvenzfähig (siehe Rn. 49). Als werdende Kapitalgesellschaft ist die Vorgesellschaft bereits nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG körperschaftssteuerpflichtig;75) schon mit der Aufnahme der Geschäftstätigkeit der Vorgesellschaft beginnt das erste (Rumpf-)Wirtschaftsjahr der GmbH.76)

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Dass vielfach gleichwohl von der fehlenden Rechtsfähigkeit der Vorgesellschaft ausgegangen wird,77) kann vor diesem Hintergrund nicht überzeugen; nach dem _____________ 67) BGHZ 80, 129, 139 = ZIP 1981, 394 = NJW 1981, 1373; BGHZ 117, 323, 326 = ZIP 1992, 689 = NJW 1992, 1824, dazu EWiR 1992, 673 (Kraft); BGH, NJW 1998, 1079, 1080 = ZIP 1998, 109 = GmbHR 1998, 185; BAG, ZIP 2000, 1546, 1548 = GmbHR 2000, 1041 = NJW 2000, 2915, dazu EWiR 2000, 915 (Goette); BAG, ZIP 2006, 1044, 1045 = GmbHR 2006, 756 = NZG 2006, 507. 68) BGHZ 117, 323, 326 = ZIP 1992, 689 = NJW 1992, 1824, dazu EWiR 1992, 673 (Kraft). 69) BGH, NJW 1998, 1079, 1080 = ZIP 1998, 109 = GmbHR 1998, 185; BGH, ZIP 2008, 1025 = GmbHR 2008, 654 = NJW 2008, 2441; OLG Hamm, ZIP 2006, 2031, 2032 = GmbHR 2006, 1044 = NZG 2006, 754. 70) BGHZ 117, 323, 327 = ZIP 1992, 689 = NJW 1992, 1824, dazu EWiR 1992, 673 (Kraft); BGH, NJW 1998, 1079, 1080 = ZIP 1998, 109 = GmbHR 1998, 185. 71) BGHZ 45, 338, 347 = NJW 1966, 311; BGHZ 117, 323, 326 = ZIP 1992, 689 = NJW 1992, 1824, dazu EWiR 1992, 673 (Kraft); BGH, NJW 1998, 1079, 1080 = ZIP 1998, 109 = GmbHR 1998, 185; BayObLG, ZIP 1985, 1487, 1488 = GmbHR 1986, 118 = DB 1986, 106. 72) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 13; Merkt in: MünchKomm-GmbHG, § 11 Rn. 51; a. A. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 11 Rn. 44 – generell als Handelsgesellschaft zu behandeln. 73) BGHZ 80, 129, 139 = ZIP 1981, 394 = NJW 1981, 1373; BGHZ 117, 323, 326 = ZIP 1992, 689 = NJW 1992, 1824, dazu EWiR 1992, 673 (Kraft); a. A. noch BGHZ 63, 45, 47. 74) Vgl. BFHE 226, 283 = NZG 2010, 119, 120 = GmbHR 2009, 1341, dazu EWiR 2010, 435 (Tepfer). 75) BFHE 169, 343 = GmbHR 1993, 171 = NJW 1993, 1222; BFH, NJW-RR 2010, 1124 = ZIP 2010, 1036 (LS) = GmbHR 2010, 764. Teilweise krit. Martini, DStR 2011, 337, 339 ff. 76) BFHE 226, 283 = NZG 2010, 119, 120 = GmbHR 2009, 1341, dazu EWiR 2010, 435 (Tepfer). 77) BGHZ 117, 323, 326 = ZIP 1992, 689 = NJW 1992, 1824 – noch keine „volle“ Rechtsfähigkeit, dazu EWiR 1992, 673 (Kraft); BGHZ 120, 103, 106 = ZIP 1993, 144 = NJW 1993, 459 – keine „Rechtsfähigkeit im engeren Sinne“, dazu EWiR 1993, 119 (Demharter); BGHZ 143, 314, 319 = ZIP 2000, 411 = NJW 2000, 1193 – „noch fehlende Rechtsfähigkeit“, dazu EWiR 2000, 339 (Freitag); BFH, NJW-RR 2010, 1124, 1125 = ZIP 2010, 1036 (LS) = GmbHR 2010, 764; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 7, 12; Haas, DStR 1999, 985.

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§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

erreichten Stand der Rechtsentwicklung ist vielmehr festzuhalten, dass die Vorgesellschaft Rechtsfähigkeit besitzt.78) In der Sache ist sie, wie beschrieben, als Trägerin von Rechten und Pflichten bereits umfassend anerkannt; zudem ergäbe sich andernfalls die befremdliche Folge, dass eine Vorgesellschaft bei Aufgabe der Eintragungsabsicht Rechtsfähigkeit erlangt, weil diese der dann bestehenden „unechten“ Vorgesellschaft als Außen-GbR mittlerweile zuerkannt wird (siehe Rn. 48).79) Zur juristischen Person wird die Gesellschaft allerdings erst mit ihrer Eintragung in das Handelsregister.80) 6.

Haftung

Hinsichtlich der Haftung für Verbindlichkeiten, die im Vorgesellschaftsstadium begründet werden, ist zu unterscheiden zwischen der Haftung der Vorgesellschaft selbst (siehe Rn. 26), der Haftung der Vorgesellschafter (siehe Rn. 27 ff) und schließlich der Handelndenhaftung nach Absatz 2, die vor allem die Geschäftsführer der Vorgesellschaft trifft (siehe Rn. 85 ff). Die insoweit im Folgenden dargestellten Regeln gelten für Haftungsansprüche, die vor Eintragung der GmbH in das Handelsregister geltend gemacht werden; ab der Eintragung findet ein abweichendes Haftungsregime Anwendung (siehe Rn. 53).

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a) Haftung der Vorgesellschaft Die Vorgesellschaft haftet ihren Gläubigern mit dem Gesellschaftsvermögen für die in ihrem Namen (oder dem der künftigen GmbH) begründeten Verbindlichkeiten.81) Dies gilt auch dann, wenn nach der Satzung nur Bareinlagen vereinbart sind.82) Die Vorgesellschaft haftet entsprechend § 31 BGB für das Verschulden ihrer Geschäftsführer und sonstiger Organmitglieder83) und nach § 831 BGB für die Schädigung Dritter durch Verrichtungsgehilfen, weil sie bereits Geschäftsherrin sein kann.84) Zur Zwangsvollstreckung genügt analog § 735 ZPO ein Titel gegen sie.85)

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b) Verlustdeckungshaftung der Vorgesellschafter Daneben haften während des Vorgesellschaftsstadiums die Vorgesellschafter persönlich; § 13 Abs. 2 gilt unstreitig erst ab Eintragung der Gesellschaft in das Handels_____________ 78) So auch BGH, ZIP 2008, 1025 = GmbHR 2008, 654 = NJW 2008, 2441; BGHZ 146, 341, 347 = ZIP 2001, 330 = NJW 2001, 1056 (obiter), dazu EWiR 2001, 341 (Prütting); BAG, ZIP 2006, 1044, 1047 = GmbHR 2006, 756 = NZG 2006, 507 – „eigene Rechtspersönlichkeit“; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 27; ähnlich Raiser/Veil, KapG, § 26 Rn. 105 – „vorläufige Rechtsfähigkeit“. 79) BGHZ 146, 341, 343 = ZIP 2001, 330 = NJW 2001, 1056 – ARGE Weißes Ross, dazu EWiR 2001, 341 (Prütting); Ulmer, ZIP 2001, 585, 589. 80) Saenger/Inhester-Pfisterer, GmbHG, § 11 Rn. 8. 81) BGHZ 152, 290, 296 = ZIP 2002, 2309 = NJW 2003, 429; BAG, ZIP 2006, 1044, 1045 = GmbHR 2006, 756 = NZG 2006, 507; BayObLG, ZIP 1985, 1487, 1488 = GmbHR 1986, 118 = DB 1986, 106. 82) BGHZ 80, 182, 183 = ZIP 1981, 516 = NJW 1981, 1452. 83) OLG Stuttgart, NJW-RR 1989, 637, 638; Raiser/Veil, KapG, § 26 Rn. 109. 84) Beuthien, BB 1996, 1337, 1338; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 68. 85) Heßler in: MünchKomm-ZPO, § 735 Rn. 6.

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§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

register.86) Art und Umfang der Gesellschafterhaftung sind freilich im Grundsätzlichen umstritten und in der Vergangenheit wechselhaft beurteilt worden. Seit Überwindung des sog. Vorbelastungsverbots87) geht die h. M. einschließlich der obersten Bundesgerichte heute zu Recht von einer unbeschränkten Verlustdeckungshaftung der Gesellschafter aus, die als Innenhaftung gegenüber der Vorgesellschaft ausgestaltet ist.88) aa) System einer einheitlichen Gründerhaftung 28

Die mit der Aufnahme der Geschäftstätigkeit einverstandenen Gesellschafter haften danach unbeschränkt für sämtliche Anlaufverluste der Vorgesellschaft.89) Nach h. M. stellen sich diese Verlustdeckungshaftung gegenüber der Vorgesellschaft und die ab Eintragung eingreifende Unterbilanzhaftung (Vorbelastungshaftung) gegenüber der GmbH (siehe Rn. 56 ff) dabei als Bestandteile einer einheitlichen,90) aber an die Besonderheiten des jeweiligen Entstehungsstadiums der Gesellschaft angepassten Gründerhaftung dar.91) Die entscheidende zeitliche Zäsur zwischen Verlustdeckungs- und Unterbilanzhaftung ist die Eintragung der GmbH in das Handelsregister, die zugleich einen Wechsel in der Rechtsform des Haftungsgläubigers (statt Vorgesellschaft nunmehr entstandene GmbH) mit sich bringt.92) Voraussetzungen und Inhalt beider Haftungsfiguren sind im Übrigen zwar weitgehend parallel, jedoch mit Unterschieden im Detail ausgestaltet.

29

Die Rechtsprechung wendet die Grundsätze der einheitlichen Gründerhaftung in jüngerer Zeit auch auf Fälle der wirtschaftlichen Neugründung einer GmbH, d. h. der Aktivierung einer Vorratsgesellschaft oder der Verwendung eines „alten“ Gesellschaftsmantels durch die Neugründer, entsprechend an (siehe Rn. 67 ff); es handelt sich systematisch insofern um den dritten Anwendungsfall der einheitlichen Gründerhaftung.93) _____________ 86) BGH, ZIP 1996, 590, 591 = GmbHR 1996, 279 = NJW 1996, 1210, dazu EWiR 1996, 359 (Wilken); BGHZ 134, 333, 336 = ZIP 1997, 679 = NJW 1997, 1507, dazu EWiR 1997, 463 (Fleischer); OLG Jena, NZG 1999, 461 = GmbHR 1999, 772; Kleindiek, ZGR 1997, 427, 435. 87) Vgl. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 11 Rn. 49 ff. 88) Grundlegend BGHZ 134, 333, 334 ff = ZIP 1997, 679 = NJW 1997, 1507, dazu EWiR 1997, 463 (Fleischer); dem folgend BAG, ZIP 1996, 1548 = GmbHR 1996, 763 = NJW 1996, 3165; BAG, ZIP 1997, 1544, 1546 = GmbHR 1997, 694 = NJW 1997, 3331, dazu EWiR 1997, 849 (Goette); BFH, ZIP 1998, 1149, 1151 = GmbHR 1998, 854 = NJW 1998, 2926, dazu EWiR 1998, 745 (Bork); BGHZ 149, 273, 275 = ZIP 2002, 353 = NJW 2002, 824; BSG, ZIP 2000, 494, 496 = GmbHR 2000, 425 = NZG 2000, 590, dazu EWiR 2000, 1055 (Kort); abweichendes Haftungskonzept bei Kersting, ZHR 175 (2011), 644, 647 ff. 89) BGHZ 134, 333, 337 = ZIP 1997, 679 = NJW 1997, 1507, dazu EWiR 1997, 463 (Fleischer). 90) A. A. Beuthien, WM 2013, 1485, 1486. 91) BGH, ZIP 1996, 590, 591 = GmbHR 1996, 279 = NJW 1996, 1210, dazu EWiR 1996, 359 (Wilken); BGHZ 134, 333, 338 = ZIP 1997, 679 = NJW 1997, 1507, dazu EWiR 1997, 463 (Fleischer); BGHZ 152, 290, 293 f = ZIP 2002, 2309 = NJW 2003, 429; BGHZ 192, 341, 346 = ZIP 2012, 817 = WM 2012, 845 = DB 2012, 1024, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer). 92) Zur formwechselnden Identität von Vorgesellschaft und GmbH s. unten Rn. 54. 93) Hüffer, NJW 2011, 1772, 1777.

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§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Das Recht der Gesellschafterdarlehen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 InsO; früher §§ 32a, 32b a. F.) wird bei Anwendbarkeit (siehe Rn. 51) schon deshalb nicht durch die Regeln der Verlustdeckungs- und Unterbilanzhaftung verdrängt, weil es andersartige Rechtsfolgen zeitigt.94)

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bb) Anwendungsbereich und Voraussetzungen der Verlustdeckungshaftung Die Verlustdeckungshaftung betrifft nur Gesellschaften, deren Eintragung in das Handelsregister unterblieben ist (ab erfolgter Eintragung werden Verluste aus dem Vorgesellschaftsstadium ausschließlich durch die Unterbilanzhaftung kompensiert),95) und deren Gesellschaftsvermögen zur Befriedigung bestehender Gläubigeransprüche nicht ausreicht.

31

Daneben kann die Verlustdeckungshaftung nach zutreffender, aber bestrittener Ansicht auch die Gesellschafter einer unter Verwendung eines gebrauchten GmbHMantels wirtschaftlich neu gegründeten Gesellschaft treffen (dazu siehe Rn. 77 ff).

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In persönlicher Hinsicht trifft die Verlustdeckungshaftung alle Mitglieder der Vorgesellschaft, die der Geschäftsaufnahme vor Eintragung zugestimmt haben.96) Nicht erforderlich ist Kenntnis oder Zustimmung bzgl. der konkreten Verbindlichkeit der Vorgesellschaft; Zustimmung zu Festlegung oder Erweiterung des Vorgesellschaftszwecks und damit auch der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer (siehe Rn. 15) genügt.97) Fehlt es daran, so haftet der betreffende Vorgesellschafter nicht.98)

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Verlustdeckungsansprüche gegen die Vorgesellschafter entstehen nach Ansicht des Bundesgerichtshofs erst mit Scheitern der Eintragung (siehe Rn. 41, 44 f) und sind mit Beginn der Liquidation der Vorgesellschaft bzw. Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig.99) Sie füllen den Haftungsfonds der Vorgesellschaft danach erst dann wieder auf, wenn keine Aussicht auf Entstehung einer eingetragenen GmbH mehr besteht, und können nicht vor Scheitern der Vorgesellschaft geltend gemacht werden.100) Setzt die Gesellschaft ihre werbende Tätigkeit allerdings trotz Scheiterns der Eintragung als „unechte“ Vorgesellschaft fort, so entfällt die Verlustde-

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_____________ 94) So zu den Grundsätzen des Eigenkapitalersatzes nach §§ 32a, 32b a. F. BGH, ZIP 2009, 1273, 1276 = NJW 2009, 2378 = WM 2009, 1327. 95) BGHZ 80, 182, 183 = ZIP 1981, 516 = NJW 1981, 1452; BGH, ZIP 2005, 2257 = GmbHR 2006, 88 = NZG 2006, 64, dazu EWiR 2006, 143 (Wilhelm). 96) BGHZ 134, 333, 337 = ZIP 1997, 679 = NJW 1997, 1507, dazu EWiR 1997, 463 (Fleischer); Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 11 Rn. 102, 120. 97) BGHZ 152, 290, 296 = ZIP 2002, 2309 = NJW 2003, 429; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 25. 98) Vgl. OLG Hamm, NZG 2002, 867 = AG 2003, 278. 99) BGH, ZIP 1996, 590, 592 = GmbHR 1996, 279 = NJW 1996, 1210, dazu EWiR 1996, 359 (Wilken); BGHZ 134, 333, 341 = ZIP 1997, 679 = NJW 1997, 1507, dazu EWiR 1997, 463 (Fleischer) – wo freilich jeweils vom Verlustdeckungsanspruch „gegen die VorGmbH“ die Rede ist; Haas, DStR 1999, 985, 986; Raiser/Veil, KapG, § 26 Rn. 110; Saenger/ Inhester-Pfisterer, GmbHG, § 11 Rn. 16; explizit offengelassen in BSG, ZIP 2000, 494, 497 = GmbHR 2000, 425 = NZG 2000, 590, dazu EWiR 2000, 1055 (Kort). 100) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 26; a. A. – für eine kontinuierliche Verlustausgleichspflicht der Gesellschafter – Kleindiek, ZGR 1997, 427, 444; Lutter, JuS 1998, 1073, 1076; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 80; Ulmer, ZIP 1996, 733, 738.

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ckungshaftung, weil nunmehr die umfassendere gesamtschuldnerische Gesellschafterhaftung nach dem Recht der GbR bzw. OHG eingreift (siehe Rn. 48). cc) Ausgestaltung als durchbrochene Innenhaftung 35

Die Verlustdeckungshaftung ist nach h. M. als Innenhaftung gegenüber der Vorgesellschaft konzipiert, um dadurch vor allem einen Wettlauf der Gläubiger zu vermeiden;101) dafür sprechen neben § 93 InsO102) des Weiteren auch aktuelle Entwicklungen wie etwa zur deliktsrechtlichen Existenzvernichtungshaftung der GmbHGesellschafter, die ebenfalls als Innenhaftung ausgestaltet ist und damit den Grundsatz des durch die Gesellschaft mediatisierten Gläubigerschutzes betont.103) Die Gegenansicht, die unter Hinweis auf Gläubigerinteressen für eine generelle Außenhaftung eintritt,104) hat sich bislang nicht durchgesetzt. Gläubiger müssen sich daher an die Vorgesellschaft halten und ggf. deren Ansprüche gegen die Gesellschafter pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen.105)

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Die Verlustdeckungshaftung stellt sich dabei allerdings nicht als „reine“, d. h. ausnahmslose Innenhaftung dar; vielmehr wird die Konzeption in einer Reihe praktisch höchst bedeutsamer Fälle durchbrochen: Man nimmt nämlich ausnahmsweise dort eine unmittelbare Außenhaftung der Vorgesellschafter an, wo eine vorherige Inanspruchnahme der Vorgesellschaft aussichtslos oder für die Gläubiger unzumutbar erscheint.106) Anerkannt ist dies in folgenden Konstellationen: wenn die Vorgesellschaft vermögenslos ist107) (etwa bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens,108) Zurück_____________ 101) BGH, ZIP 1996, 590, 592 = GmbHR 1996, 279 = NJW 1996, 1210, dazu EWiR 1996, 359 (Wilken); BGHZ 134, 333, 339 ff = ZIP 1997, 679 = NJW 1997, 1507, dazu EWiR 1997, 463 (Fleischer); BAG, ZIP 1997, 2199, 2201 = NJW 1998, 628 = DB 1998, 2493, dazu EWiR 1998, 373 (Kothe); BAG, ZIP 2006, 1044, 1046 = GmbHR 2006, 756 = NZG 2006, 507; BFH, ZIP 1998, 1149, 1151 = GmbHR 1998, 854 = NJW 1998, 2926, dazu EWiR 1998, 745 (Bork); BFH, NJW-RR 2010, 1124, 1125 = ZIP 2010, 1036 (LS) = GmbHR 2010, 764; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 27 ff; Merkt in: MünchKomm-GmbHG, § 11 Rn. 79; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 11 Rn. 80 ff; a. A. Beuthien, WM 2013, 1485, 1487. 102) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 11 Rn. 55; Wilken, ZIP 1995, 1163, 1166. 103) BGHZ 173, 246, 258 ff = ZIP 2007, 1552 = NJW 2007, 2689 – Trihotel, dazu EWiR 2007, 557 (Wilhelm). 104) LAG Köln, ZIP 1997, 1921, 1922 f = GmbHR 1997, 1148 = DStR 1998, 178, dazu EWiR 1998, 123 (Kort); LSG Stuttgart, ZIP 1997, 1651, 1652 = GmbHR 1997, 893 = DStR 1998, 177, dazu EWiR 1998, 63 (Fleischer); Kleindiek, ZGR 1997, 427, 445; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 11 Rn. 19; Raiser/Veil, KapG, § 26 Rn. 124 ff; Rowedder/Schmidt-LeithoffSchmidt-Leithoff, GmbHG, § 11 Rn. 98; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 82. 105) BGH, ZIP 1996, 590, 592 = GmbHR 1996, 279 = NJW 1996, 1210, dazu EWiR 1996, 359 (Wilken); BGHZ 134, 333, 339 = ZIP 1997, 679 = NJW 1997, 1507, dazu EWiR 1997, 463 (Fleischer); BAG, ZIP 2006, 1044, 1046 = GmbHR 2006, 756 = NZG 2006, 507. 106) Vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 11 Rn. 83 f. 107) BGH, ZIP 1996, 590, 592 = GmbHR 1996, 279 = NJW 1996, 1210, dazu EWiR 1996, 359 (Wilken); BGHZ 134, 333, 341 = NJW 1997, 1507, 1509 = ZIP 1997, 679, dazu EWiR 1997, 463 (Fleischer); BFH, NJW-RR 2010, 1124, 1125 = ZIP 2010, 1036 (LS) = GmbHR 2010, 764; BAG, ZIP 2006, 1044, 1046 = GmbHR 2006, 756 = NZG 2006, 507; BSG, ZIP 2000, 494, 497 = GmbHR 2000, 425 = NZG 2000, 590, dazu EWiR 2000, 1055 (Kort); Goette, DStR 1998, 179, 181 (Urteilsanm.); krit. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 11 Rn. 56. 108) OLG Oldenburg, NZG 2001, 811, 812 = GmbHR 2001, 973 (obiter).

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weisung des Insolvenzeröffnungsantrags109) oder Einstellung des eröffneten Insolvenzverfahrens mangels kostendeckender Masse110)), wenn es sich um eine Einpersonen-Vorgesellschaft handelt (siehe Rn. 98), und wenn die Vorgesellschaft nur einen einzigen Gläubiger hat111) (wobei Letzteres für den Gläubiger häufig kaum verlässlich zu beurteilen ist), nicht hingegen für die Vorgesellschaft ohne feststellbaren effektiven Sitz.112) Das vom Bundesgerichtshof bislang ebenfalls genannte Fehlen eines Geschäftsführers auf Seiten der Vorgesellschaft113) sollte nicht mehr ausreichen, seit der durch das MoMiG geschaffene § 35 Abs. 1 Satz 2 für den Fall der Führungslosigkeit die passive Vertretung der Gesellschaft durch die Gesellschafter vorsieht,114) selbst wenn hierdurch die Aktivvertretung und Prozessfähigkeit der Vorgesellschaft nicht sichergestellt wird.115) Die Beweislast für die Voraussetzungen einer ausnahmsweisen Außenhaftung tragen die Gläubiger.116) dd) Inhalt und Umfang der Haftung Die Verlustdeckungshaftung der Vorgesellschafter erstreckt sich auf sämtliche bei der Vorgesellschaft eingetretenen Verluste, die nach dem Scheitern der Eintragung nicht vom Gesellschaftsvermögen abgedeckt werden,117) gleich ob diese aus rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen Verbindlichkeiten der Gesellschaft resultieren. Sie ist in ihrer Höhe unbeschränkt118) und namentlich weder auf die Einlage- oder Stammkapitalziffer119)

_____________ 109) BFH, ZIP 1998, 1149, 1152 = GmbHR 1998, 854 = NJW 1998, 2926, dazu EWiR 1998, 745 (Bork); BAG, ZIP 2000, 1546, 1549 = GmbHR 2000, 1041 = NJW 2000, 2915, dazu EWiR 2000, 915 (Goette); vgl. aber BAG, ZIP 1997, 1544, 1546 = GmbHR 1997, 694 = NJW 1997, 3331, dazu EWiR 1997, 849 (Goette). 110) BSG, ZIP 2000, 494, 497 = GmbHR 2000, 425 = NZG 2000, 590, dazu EWiR 2000, 1055 (Kort). 111) BGH, ZIP 1996, 590, 592 = GmbHR 1996, 279 = NJW 1996, 1210, dazu EWiR 1996, 359 (Wilken); BGHZ 134, 333, 341 = NJW 1997, 1507, 1509 = ZIP 1997, 679, dazu EWiR 1997, 463 (Fleischer); BFH, NJW-RR 2010, 1124, 1125 = ZIP 2010, 1036 (LS) = GmbHR 2010, 764; BAG, ZIP 1997, 2199, 2201 = NJW 1998, 628= DB 1998, 2493, dazu EWiR 1998, 373 (Kothe); a. A. Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 24 Rn. 29. 112) LAG Berlin, NZA-RR 2000, 545, 546. 113) BGHZ 134, 333, 341 = NJW 1997, 1507, 1509 = ZIP 1997, 679, dazu EWiR 1997, 463 (Fleischer); OLG Oldenburg, NZG 2001, 811, 812 = GmbHR 2001, 973; Goette, DStR 1998, 179, 181 (Urteilsanm.); Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 11 Rn. 83. 114) So wohl auch Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 27; ebenso (ohne Begr.) Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 24 Rn. 29. 115) Vgl. zur begrenzten Wirkung des § 35 Abs. 1 Satz 2 BGH, ZIP 2010, 2444 f = GmbHR 2011, 83 = NJW-RR 2011, 115, dazu EWiR 2011, 117 (Zarth). 116) Merkt in: MünchKomm-GmbHG, § 11 Rn. 86. 117) BGHZ 134, 333, 334 = ZIP 1997, 679 = NJW 1997, 1507, dazu EWiR 1997, 463 (Fleischer); Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 25; Kleindiek, ZGR 1997, 427, 444. 118) BGHZ 134, 333, 337 = ZIP 1997, 679 = NJW 1997, 1507, dazu EWiR 1997, 463 (Fleischer); BAG, ZIP 1996, 1548 = GmbHR 1996, 763 = NJW 1996, 3165; BFH, ZIP 1998, 1149, 1151 = GmbHR 1998, 854 = NJW 1998, 2926, dazu EWiR 1998, 745 (Bork); Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 72. 119) BAG, ZIP 1997, 2199, 2201 = NJW 1998, 628 = DB 1998, 2493, dazu EWiR 1998, 373 (Kothe); Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 11 Rn. 52.

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noch auf nicht eingezahlte Stammeinlagen begrenzt.120) Einer Wiederauffüllung des Stammkapitals bedarf es allerdings nicht.121) 38

Mehrere Vorgesellschafter haften nicht als Gesamtschuldner, sondern zunächst nur entsprechend ihrem Beteiligungsverhältnis (pro rata);122) es liegen also Teilschulden (§ 420 BGB) vor.123) Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Grundsatz der Innenhaftung durchbrochen und die Verlustdeckungshaftung als unmittelbare Außenhaftung zugelassen wird (siehe Rn. 36),124) denn hierdurch ändert sich nur die Geltendmachung der Haftung, nicht aber ihr Umfang. Fällt ein Vorgesellschafter aus, so findet § 24 entsprechende Anwendung.125)

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Der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Vorgesellschaft ist berechtigt, Ansprüche aus Verlustdeckungshaftung gegen Vorgesellschafter geltend zu machen;126) in der Praxis dürfte die Geltendmachung durch den Insolvenzverwalter der Regelfall sein. Für deren Verjährung gilt § 9 Abs. 2 entsprechend.127) 7.

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Änderungen in der Vorgesellschaft

Für Satzungsänderungen ist bei der Vorgesellschaft eine Änderung des Gesellschaftsvertrages in der Form des § 2 unter Mitwirkung aller Gesellschafter erforderlich.128) Dies gilt auch für Veränderungen des Gesellschafterkreises,129) weil Geschäftsanteile erst mit Eintragung der GmbH in das Handelsregister entstehen und die Übertragung eines Geschäftsanteils im Stadium der Vorgesellschaft daher ausscheidet;130) dagegen ist eine Erweiterung des Vorgesellschaftszwecks nicht _____________ 120) BFH, ZIP 1998, 1149, 1151 = GmbHR 1998, 854 = NJW 1998, 2926, dazu EWiR 1998, 745 (Bork); BAG, ZIP 2006, 1044, 1046 = GmbHR 2006, 756 = NZG 2006, 507; OLG Jena, NZG 1999, 461 = GmbHR 1999, 772. 121) BGHZ 192, 341, 347 = ZIP 2012, 817 = WM 2012, 845 = DB 2012, 1024, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer). 122) BGHZ 134, 333, 342 = ZIP 1997, 679 = NJW 1997, 1507, dazu EWiR 1997, 463 (Fleischer). 123) BSG, ZIP 2000, 494, 498 = GmbHR 2000, 425 = NZG 2000, 590, dazu EWiR 2000, 1055 (Kort); unzutreffend BAG, ZIP 2000, 1546, 1550 = GmbHR 2000, 1041 = NJW 2000, 2915 – § 421 BGB, dazu EWiR 2000, 915 (Goette). 124) BSG, ZIP 2000, 494, 498 = GmbHR 2000, 425 = NZG 2000, 590, dazu EWiR 2000, 1055 (Kort); BAG, ZIP 1997, 1544, 1546 = GmbHR 1997, 694 = NJW 1997, 3331, dazu EWiR 1997, 849 (Goette); BAG, ZIP 2006, 1044, 1046 = GmbHR 2006, 756 = NZG 2006, 507; BFH, ZIP 1998, 1149, 1151 = GmbHR 1998, 854 = NJW 1998, 2926, dazu EWiR 1998, 745 (Bork); Ulmer, ZIP 1996, 733, 737; a. A. Ensthaler, BB 1997, 1208, 1211; Rowedder/ Schmidt-Leithoff-Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 11 Rn. 100. 125) KG Berlin, NJW-RR 1994, 494, 495 = GmbHR 1993, 647; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 25; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 11 Rn. 82. 126) BGHZ 134, 333, 342 = ZIP 1997, 679 = NJW 1997, 1507, dazu EWiR 1997, 463 (Fleischer). 127) BGHZ 149, 273, 275 = ZIP 2002, 353 = NJW 2002, 824; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 11 Rn. 57. 128) BGH, ZIP 2005, 253 = GmbHR 2005, 354 = NZG 2005, 263. 129) BGHZ 21, 242, 246 = NJW 1956, 1435 – zum Ausscheiden eines Vorgesellschafters; BGH, ZIP 2005, 253 = GmbHR 2005, 354 = NZG 2005, 263; OLG Jena, GmbHR 2013, 145; Saenger/Inhester-Pfisterer, GmbHG, § 11 Rn. 4. 130) BGH, ZIP 2005, 253 = GmbHR 2005, 354 = NZG 2005, 263; OLG Jena, NZG 2014, 902, 904 – jedenfalls für den Zeitraum vor dem MoMiG.

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§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

formbedürftig (siehe Rn. 15). Der geänderte Gesellschaftsvertrag ist analog § 54 Abs. 1 Satz 2 zum Handelsregister einzureichen;131) allerdings findet § 54 Abs. 3 auf die Vorgesellschaft keine Anwendung.132) 8.

Beendigung der Vorgesellschaft

a) Auflösung, Kündigung Aufgelöst werden kann die Vorgesellschaft zum einen durch Auflösungsbeschluss der Gesellschafter, für den es nach h. M. einer ¾-Mehrheit bedarf.133) Ein Gestaltungsurteil entsprechend § 61 ist nicht erforderlich.134) Zur Beendigung führt auch die Kündigung aus wichtigem Grund durch einen Gesellschafter135) (die nach h. M. ohne Kündigungsklage erfolgen kann136)), nicht hingegen Tod oder Insolvenz eines Gesellschafters.137) Zudem tritt Auflösung ein, wenn die Eintragung in das Handelsregister rechtskräftig abgelehnt wurde, weil hiermit der Zweck der Vorgesellschaft endgültig verfehlt ist (§ 726 Alt. 2 BGB analog).138)

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Im Falle ihrer Auflösung ist die Vorgesellschaft grundsätzlich nach den für die GmbH geltenden Regeln (§§ 60 ff) abzuwickeln, soweit diese keine Eintragung in das Handelsregister voraussetzen.139) §§ 65 und 67 finden aus diesem Grund keine Anwendung.140) Liquidator der Vorgesellschaft ist deren Geschäftsführer als geborener Liquidator; möglich ist auch die Bestellung einer anderen Person zum gekorenen Liquidator oder aus wichtigen Gründen gemäß § 66 Abs. 2 durch das Gericht.141) Solange die Liquidation dauert, besteht die Vorgesellschaft als rechtsund parteifähige Abwicklungsgesellschaft fort.142)

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b) Wegfall der Eintragungsabsicht (sog. „unechte“ Vorgesellschaft) Da die Vorgesellschaft nur aufgrund ihrer Eigenschaft als Vorstufe zur entstehenden juristischen Person als „Rechtsgebilde eigener Art“ behandelt wird (siehe Rn. 10), ist die Eintragungsabsicht ein für sie konstitutives Merkmal. Fällt diese später weg, _____________ 131) KG, NJW-RR 1997, 794, 795; OLG Jena, NZG 2014, 902, 904; a. A. Heinze, GmbHR 2013, 1261. 132) OLG Köln, DB 1995, 2413, 2414 = NJW-RR 1996, 550; OLG Jena, NZG 2014, 902, 904. 133) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 11 Rn. 20; Merkt in: MünchKomm-GmbHG, § 11 Rn. 43; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 55. 134) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 11 Rn. 59. 135) BGHZ 169, 270 = ZIP 2006, 2267, 2269 = NJW 2007, 589 – zur Vor-AG, dazu EWiR 2007, 289 (Krolop). 136) BGHZ 169, 270 = ZIP 2006, 2267, 2269 = NJW 2007, 589 – zur Vor-AG, dazu EWiR 2007, 289 (Krolop). 137) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 11 Rn. 20; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/ Habersack, GmbHG, § 11 Rn. 54. 138) BGHZ 169, 270 = ZIP 2006, 2267, 2269 = NJW 2007, 589 – zur Vor-AG, dazu EWiR 2007, 289 (Krolop); OLG Köln, NZG 1998, 181 = GmbHR 1997, 601. 139) OLG Hamm, ZIP 2006, 2031, 2032 = GmbHR 2006, 1044 = NZG 2006, 754; Passarge, NZG 2010, 646, 647. 140) Passarge, NZG 2010, 646, 647; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 65 Rn. 1, § 67 Rn. 3. 141) Passarge, NZG 2010, 646, 647. 142) BGH, NJW 1998, 1079, 1080 = ZIP 1998, 109 = GmbHR 1998, 185; BGH, ZIP 2008, 1025 = GmbHR 2008, 654 = NJW 2008, 2441.

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§ 11

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so liegt daher nicht länger eine Vorgesellschaft, sondern lediglich eine – vielfach missverständlich so bezeichnete – „unechte Vorgesellschaft“ vor. Dasselbe gilt, wenn die Gesellschafter von vornherein nie die Absicht hatten, die GmbH ins Handelsregister eintragen zu lassen143) (anfängliche unechte Vorgesellschaft, siehe Rn. 12). aa) Voraussetzungen 44

Eine Gesellschaft verliert danach ihre Eigenschaft als Vorgesellschaft, sobald die Eintragungsabsicht der Gesellschafter wegfällt. Vielfach wird synonym vom Scheitern der Eintragung gesprochen;144) dies ist freilich ungenau, weil ein Scheitern auch aus objektiven, von der Eintragungsabsicht unabhängigen Umständen resultieren kann und dann abweichenden Regeln unterliegt (namentlich zur rechtskräftigen Ablehnung der Registereintragung siehe Rn. 41).

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Entscheidend ist nicht die subjektive Willensrichtung der Gesellschafter, sondern die Perspektive eines objektiven Dritten. Eine Aufgabe der Eintragungsabsicht kann daher etwa darin zum Ausdruck kommen, dass die Gesellschafter keinen Eintragungsantrag mehr stellen,145) etwa weil sie sich über die Bewertung der einzubringenden Sacheinlagen nicht einigen können,146) dass Eintragungsunterlagen nicht unverzüglich beschafft147) oder Beanstandungen des Registergerichts im Eintragungsverfahren nicht umgehend abgestellt werden,148) dass die Gesellschafter die Auflösung der Gesellschaft beschließen149) oder ausdrücklich übereinkommen, diese als OHG fortzuführen,150) dass der Geschäftsbetrieb der Vorgesellschaft auf eine andere Gesellschaft übertragen wird,151) oder dass die Geschäftsführer der Vorgesellschaft einen Insolvenzantrag stellen.152) Es muss nicht zwingend (und beweisbar) eine definitive Aufgabe der Eintragungsabsicht durch die Gesellschafter vorliegen; eine nachhaltige Vernachlässigung der Herbeiführung der Eintragung genügt.153) Die lange Dauer des Eintragungsverfahrens allein ist aber nicht ausreichend.154) Die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen der Eintragungsabsicht trifft denjenigen, der sich darauf beruft.155) _____________ 143) Eine bereits anfänglich fehlende Eintragungsabsicht ist freilich in der Praxis selten oder nie beweisbar; vgl. nur OLG Bremen, ZIP 2000, 2201, 2204 = NZG 2001, 227, dazu EWiR 2000, 1015 (Münnich). 144) Vgl. etwa BGHZ 152, 290, 295 = ZIP 2002, 2309 = NJW 2003, 429. 145) BGHZ 152, 290, 295 = ZIP 2002, 2309 = NJW 2003, 429; OLG Hamm, ZIP 2006, 2031, 2032 = GmbHR 2006, 1044 = NZG 2006, 754. 146) BGHZ 152, 290, 295 = ZIP 2002, 2309 = NJW 2003, 429. 147) BFH, ZIP 1998, 1149, 1150 = GmbHR 1998, 854 = NJW 1998, 2926, dazu EWiR 1998, 745 (Bork). 148) BGHZ 152, 290, 295 = ZIP 2002, 2309 = NJW 2003, 429; BFH, ZIP 1998, 1149, 1150 = GmbHR 1998, 854 = NJW 1998, 2926, dazu EWiR 1998, 745 (Bork). 149) BGHZ 152, 290, 295 = ZIP 2002, 2309 = NJW 2003, 429. 150) OLG Jena, NZG 1999, 461 = GmbHR 1999, 772. 151) BFH, NJW-RR 2010, 1124, 1125 = ZIP 2010, 1036 (LS) = GmbHR 2010, 764. 152) BGHZ 152, 290, 295 = ZIP 2002, 2309 = NJW 2003, 429. 153) OLG Hamm, ZIP 2006, 2031, 2032 = GmbHR 2006, 1044 = NZG 2006, 754. 154) BGHZ 152, 290, 296 = ZIP 2002, 2309 = NJW 2003, 429; OLG Bremen, ZIP 2000, 2201, 2204 = NZG 2001, 227, dazu EWiR 2000, 1015 (Münnich). 155) KG Berlin, NJW-RR 1994, 494, 495 = GmbHR 1993, 647.

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§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

bb) Rechtsfolgen fehlender Eintragungsabsicht Die Rechtsverhältnisse der Gesellschaft mit Dritten sowie ihre Parteifähigkeit156) bestehen nach Aufgabe der Eintragungsabsicht fort; dies gilt auch für ihre Prozessfähigkeit, wenn die Gesellschaft in einem laufenden Gerichtsverfahren durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten wird.157) Auf der anderen Seite steht mit Aufgabe der Eintragungsabsicht fest, dass die „gescheiterte“ Vorgesellschaft nicht nach KStG körperschaftssteuerpflichtig ist.158) Im Übrigen hängen die Rechtsfolgen entscheidend davon ab, ob die Gesellschafter die Vorgesellschaft sogleich abwickeln oder die begonnene Geschäftstätigkeit trotz fehlender Eintragungsabsicht fortsetzen:

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Haben die Gesellschafter die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister aufgegeben, so ist die Vorgesellschaft entsprechend den §§ 60 ff sofort zu liquidieren (siehe Rn. 42).159) In diesem Fall beschränkt sich die Haftung der Gesellschafter auf eine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft nach den Grundsätzen der Verlustdeckungshaftung (siehe Rn. 35).160)

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Sofern die Gesellschafter die Geschäftstätigkeit nach Aufgabe der Eintragungsabsicht hingegen fortsetzen, anstatt die Gesellschaft abzuwickeln, besteht diese als „unechte Vorgesellschaft“ fort. Als solche unterliegt sie dem Recht der GbR161) bzw. dem Recht der OHG, soweit sie einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Gewerbebetrieb erfordert.162) Die Gesellschafter einer „unechten“ Vorgesellschaft trifft daher stets eine unbeschränkte Außenhaftung (§ 128 HGB);163) mehrere Gesellschafter haften gesamtschuldnerisch und nicht lediglich pro rata, weil die Grundsätze der Verlustdeckungshaftung keine Anwendung mehr finden.164) Diese verschärfte Haftung erstreckt sich nach h. M. zudem nicht nur auf nach Aufgabe der Eintragungsabsicht entstandene Verbindlichkeiten, sondern auch auf sämtliche

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_____________ 156) BGH, ZIP 2008, 1025 = GmbHR 2008, 654 = NJW 2008, 2441. 157) BGH, ZIP 2008, 1025, 1026 = GmbHR 2008, 654 = NJW 2008, 2441, dazu de Lousanoff, NZG 2008, 490 (Urteilsanm.). 158) BFH, NJW-RR 2010, 1124, 1125 = ZIP 2010, 1036 (LS) = GmbHR 2010, 764, dazu Martini, DStR 2011, 337 ff (Urteilsanm.). 159) BGH, NJW 1998, 1079, 1080 = ZIP 1998, 109 = GmbHR 1998, 185; OLG Hamm, ZIP 2006, 2031, 2032 = GmbHR 2006, 1044 = NZG 2006, 754; krit. Peetz, GmbHR 2003, 933, 935 f. 160) BGHZ 152, 290, 295 = ZIP 2002, 2309 = NJW 2003, 429; BFH, NJW-RR 2010, 1124, 1125 = ZIP 2010, 1036 (LS) = GmbHR 2010, 764. 161) BGH, NJW 1998, 1079, 1080 = ZIP 1998, 109 = GmbHR 1998, 185; BGH, ZIP 2008, 1025 = GmbHR 2008, 654 = NJW 2008, 2441. 162) BGHZ 143, 314, 319 = ZIP 2000, 411 = NJW 2000, 1193, dazu EWiR 2000, 339 (Freitag); OLG Hamm, ZIP 2006, 2031, 2032 = GmbHR 2006, 1044 = NZG 2006, 754; BayObLG, NJW 1965, 2254, 2257 – zur Vor-AG. 163) BGHZ 80, 129, 142 f = ZIP 1981, 394 = NJW 1981, 1373; BGHZ 134, 333, 341 = ZIP 1997, 679 = NJW 1997, 1507, dazu EWiR 1997, 463 (Fleischer); BGHZ 143, 314, 320 = ZIP 2000, 411 = NJW 2000, 1193, dazu EWiR 2000, 339 (Freitag); BGHZ 152, 290, 295 = ZIP 2002, 2309 = NJW 2003, 429; BFH, NJW-RR 2010, 1124, 1125 = ZIP 2010, 1036 (LS) = GmbHR 2010, 764. 164) BGHZ 152, 290, 293 f = ZIP 2002, 2309 = NJW 2003, 429; BFH, NJW-RR 2010, 1124, 1125 = ZIP 2010, 1036 (LS) = GmbHR 2010, 764; OLG Hamm, ZIP 2006, 2031, 2032 = GmbHR 2006, 1044 = NZG 2006, 754.

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§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

bereits zuvor begründete Schulden der Gesellschaft165) (einschließlich gesetzlicher Verbindlichkeiten wie namentlich Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, die durch die Handelndenhaftung nach Absatz 2 hingegen nicht umfasst werden; siehe Rn. 92)166)– sie wirkt also gleichsam zurück. Der resultierende Haftungsunterschied ist für die Gesellschafter harsch, aber zwingend, weil nur ein andauernder Gründungsvorgang mit Aussicht auf baldiges Entstehen einer GmbH mit gesetzlich kontrolliertem Haftungsfonds die haftungsrechtlichen Besonderheiten der Vorgesellschaft begründen und rechtfertigen kann.167) c) Insolvenz 49

Die Vorgesellschaft ist analog § 11 Abs. 1 InsO als solche insolvenzfähig.168) Mögliche Eröffnungsgründe sind Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO);169) nach zutreffender, aber bestrittener Auffassung auch die Überschuldung (§ 19 InsO), bei deren Feststellung Verlustdeckungsansprüche gegen die Vorgesellschafter zu aktivieren sind.170)

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Die Insolvenzantragspflicht des § 15a Abs. 1 InsO gilt für den oder die Geschäftsführer der Vorgesellschaft ebenso entsprechend171) wie die Antragspflicht der Gesellschafter im Falle der führungslosen Gesellschaft (§ 15a Abs. 3 InsO).172) Gemeinschuldnerin im eröffneten Insolvenzverfahren ist die Vorgesellschaft, die gegenüber dem Insolvenzverwalter durch die Geschäftsführer vertreten wird.173) Ansprüche aus Verlustdeckungshaftung gegen die Vorgesellschafter (siehe Rn. 35 ff) fallen bei Eröffnung des Verfahrens in die Insolvenzmasse und sind sodann durch den Insolvenzverwalter geltend zu machen.174) _____________ 165) BGHZ 80, 129, 142 = ZIP 1981, 394 = NJW 1981, 1373; BGHZ 134, 333, 341 = ZIP 1997, 679 = NJW 1997, 1507, dazu EWiR 1997, 463 (Fleischer); BGHZ 152, 290, 295 = ZIP 2002, 2309 = NJW 2003, 429; BAG, ZIP 1997, 2199, 2201 = NJW 1998, 628 = DB 1998, 2493, dazu EWiR 1998, 373 (Kothe); BFH, ZIP 1998, 1149, 1152 = GmbHR 1998, 854 = NJW 1998, 2926, dazu EWiR 1998, 745 (Bork); BayObLG, ZIP 1985, 1487, 1488 = GmbHR 1986, 118 = DB 1986, 106. 166) BFH, ZIP 1998, 1149, 1151 f = GmbHR 1998, 854 = NJW 1998, 2926, dazu EWiR 1998, 745 (Bork). 167) BFH, ZIP 1998, 1149, 1151 = GmbHR 1998, 854 = NJW 1998, 2926, dazu EWiR 1998, 745 (Bork); BGHZ 152, 290, 295 = ZIP 2002, 2309 = NJW 2003, 429. Insofern wie hier Beuthien, WM 2013, 1485, 1489. 168) BGH, ZIP 2003, 2123 = GmbHR 2003, 1488 = NJW-RR 2004, 258; BayObLG, NJW 1965, 2254, 2257 – zur Vor-AG; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 11 Rn. 9; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 11 Rn. 64; anders Henssler/Strohn-Schäfer, GesR, § 11 GmbHG Rn. 16: § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO analog. 169) Haas, DStR 1999, 985. 170) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 17; Haas, DStR 1999, 985, 986; Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt-Michalski, GmbHG, § 11 Rn. 69; a. A. Altmeppen, ZIP 1997, 273, 274; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 35. 171) Geißler, DZWIR 2009, 52, 54. Ebenso zu § 64 Abs. 1 GmbHG a. F. Haas, DStR 1999, 985, 988; Ulmer/Habersack/Winter-Casper, GmbHG, § 64 Rn. 31; a. A. Altmeppen, ZIP 1997, 273, 274. 172) Geißler, DZWIR 2009, 52, 55; Ulmer/Habersack/Winter-Casper, GmbHG, § 64 Rn. 31. 173) Haas, DStR 1999, 985, 988. 174) BGHZ 134, 333, 342 = ZIP 1997, 679 = NJW 1997, 1507, dazu EWiR 1997, 463 (Fleischer).

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§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Wurden der Gesellschaft im Vorgesellschaftsstadium Gesellschafterdarlehen gewährt, so findet § 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4, 5 InsO Anwendung175) (siehe Anhang zu § 30 Rn. 24 [Thiessen]; zu §§ 32a, 32b a. F. siehe Rn. 30). Da § 39 Abs. 4 InsO auf das Fehlen eines den Gesellschaftsgläubigern unmittelbar (also nach außen)176) und unbeschränkt177) persönlich haftenden Gesellschafters abstellt, gilt dies auch für Vorgesellschaften, bei denen die Verlustdeckungshaftung der Gründer ausnahmsweise als Außenhaftung zugelassen wird (siehe Rn. 36),178) weil die Vorgesellschafter auch in diesem Fall auf ihren Geschäftsanteil beschränkt haften (siehe Rn. 38);179) nicht hingegen bei „unechten“ Vorgesellschaften (siehe Rn. 48). 9.

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Verhältnis zur GmbH

Bei Vorgesellschaft und GmbH handelt es sich um einen identischen Verband, der ab der Eintragung lediglich einer geänderten Organisations- und Haftungsverfassung unterliegt (formwechselnde Identität); siehe Rn. 54.

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V. Entstehung der GmbH als juristische Person 1.

Rechtswirkungen der Handelsregistereintragung

Mit der Handelsregistereintragung entsteht die GmbH „als solche“, d. h. als juristische Person (§ 13 Abs. 1) und Handelsgesellschaft (§ 13 Abs. 3). Die Eintragung besitzt insoweit konstitutive Wirkung; auf ihre Bekanntmachung (§ 10 HGB) kommt es nicht an. Da ab der Handelsregistereintragung zudem die Haftungsbeschränkung des § 13 Abs. 2 eingreift, markiert sie darüber hinaus eine bedeutende Zäsur i. R. d. Haftungssystems der werdenden GmbH: Während die Verlustdeckungshaftung der Vorgesellschafter (siehe Rn. 31 ff) und die Handelndenhaftung nach Absatz 2 (siehe Rn. 85 ff) – nicht hingegen die Haftung der Gründer aus dem Vorgründungsstadium (siehe Rn. 8) – ipso iure enden, setzen die Haftung der GmbH (siehe Rn. 54 f) sowie ggf. die Unterbilanzhaftung ihrer Gesellschafter (siehe Rn. 56 ff) ein. 2.

53

Formwechselnde Identität von Vorgesellschaft und GmbH, Folgen

Nicht einheitlich beurteilt wird das Verhältnis von Vorgesellschaft und GmbH. Allgemein anerkannt ist, dass die Rechte und Pflichten der Vorgesellschaft ab der Handelsregistereintragung ipso iure (d. h. ohne Erfordernis gesonderter Übertragungsakte) der GmbH zustehen; man streitet jedoch über die rechtlich-dogmatische Begründung dieses Ergebnisses: Während die wohl h. M. von einer Universalsukzession ausgeht,180) sprechen die besseren Gründe für eine formwech_____________ 175) Habersack, ZIP 2007, 2145, 2148; Goette/Habersack-Habersack, MoMiG, Rn. 5.20. 176) Habersack, ZIP 2007, 2145, 2147 Fn. 33; Mülbert, WM 2006, 1977, 1981; zweifelnd Haas, ZInsO 2007, 617, 629. 177) BT-Drucks. 16/6140, S. 57; Haas, ZInsO 2007, 617, 628; Mülbert, WM 2006, 1977, 1981; Bornemann in: FK-InsO, § 39 Rn. 41. 178) A. A. anscheinend Habersack, ZIP 2007, 2145, 2148; Goette/Habersack-Habersack, MoMiG, Rn. 5.20. 179) Etwas anderes gilt daher nur in den Fällen, in denen es um die Verlustdeckungsaußenhaftung bei einer Einpersonen-GmbH geht. 180) BGH, ZIP 1981, 1328 = NJW 1982, 932; BGHZ 105, 300, 303 f = ZIP 1989, 27 = NJW 1989, 710, dazu EWiR 1989, 55 (K. Schmidt); Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 56.

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§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

selnde Identität von Vorgesellschaft und eingetragener GmbH, die sich dadurch auszeichnet, dass der identische Verband durch die Eintragung ipso iure seine Rechtsform wechselt und als vollwertige GmbH nunmehr einem anderen Regelungsregime untersteht.181) 55

Sämtliche Rechte und Pflichten der Vorgesellschaft bestehen daher in der mit dieser identischen, nunmehr aber einer anderen Organisations- und Haftungsverfassung unterliegenden GmbH fort (nach h. M. hingegen: automatischer Übergang182)). Dies gilt sowohl für die Aktiva der Vorgesellschaft183) als auch für deren Passiva, selbst soweit diese aus nicht durch die Satzung gedeckten Geschäften stammen.184) Einer Eintritts- oder Genehmigungserklärung der GmbH bedarf es hierzu nicht;185) das früher geltende Vorbelastungsverbot186) ist überholt. Hat ein Bürge sich für Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft verbürgt, haftet er auch für Verbindlichkeiten der eingetragenen GmbH,187) sofern sich aus der Auslegung der Bürgschaftserklärung nicht etwas anderes ergibt. 3.

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Unterbilanzhaftung (Vorbelastungshaftung) der Gesellschafter

Die ergänzende Unterbilanzhaftung (auch: Vorbelastungshaftung) setzt ab Eintragung in das Handelsregister die zunächst bestehende Verlustdeckungshaftung als Teil der einheitlichen Gründerhaftung gegenüber der Gesellschaft (siehe Rn. 28 ff) fort. a) Anwendungsbereich

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Die Unterbilanzhaftung verpflichtet die Gesellschafter zum Ausgleich, soweit der Wert des Gesellschaftsvermögens der GmbH im Zeitpunkt der Eintragung unter das Stammkapital gesunken ist.188) In sachlicher Hinsicht setzt sie also die erfolgte Eintragung voraus; sie gilt ebenso für die Sach- wie für die Bargründung.189) In persönlicher Hinsicht trifft sie ebenso wie die Verlustdeckungshaftung (siehe Rn. 33) _____________ 181) Für Identität auch BGH, ZIP 2009, 1806, 1807 = GmbHR 2009, 1096 = NJW 2009, 2883, dazu EWiR 2010, 81 (Steffek/J. Schmidt); OLG Stuttgart, NJW-RR 1989, 637, 638; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 25. 182) BGHZ 45, 338, 342 f = NJW 1966, 311; BGHZ 80, 129, 140 = ZIP 1981, 394 = NJW 1981, 1373 – „nahtloser“ Übergang; BGHZ 117, 323, 327 = ZIP 1992, 689 = NJW 1992, 1824, dazu EWiR 1992, 673 (Kraft); BGHZ 120, 103, 107 = ZIP 1993, 144 = NJW 1993, 459; Goette, DStR 1998, 179, 180 (Urteilsanm.). 183) BGHZ 80, 129, 137 = ZIP 1981, 394 = NJW 1981, 1373; BGHZ 105, 300, 303 f = ZIP 1989, 27 = NJW 1989, 710, dazu EWiR 1989, 55 (K. Schmidt). 184) BGHZ 80, 129, 140 = ZIP 1981, 394 = NJW 1981, 1373; BGHZ 120, 103, 107 = ZIP 1993, 144 = NJW 1993, 459, dazu EWiR 1993, 119 (Demharter); BGHZ 134, 333, 339 = ZIP 1997, 679 = NJW 1997, 1507, dazu EWiR 1997, 463 (Fleischer). 185) BGHZ 80, 182, 183 = ZIP 1981, 516 = NJW 1981, 1452. 186) Vgl. BGHZ 53, 210, 212 = NJW 1970, 806. 187) BGH, ZIP 2009, 1806, 1807 = GmbHR 2009, 1096 = NJW 2009, 2883, dazu EWiR 2010, 81 (Steffek/J. Schmidt). 188) BGHZ 80, 129, 141 = ZIP 1981, 394 = NJW 1981, 1373; BGHZ 105, 300, 303 = ZIP 1989, 27 = NJW 1989, 710, dazu EWiR 1989, 55 (K. Schmidt); BSG, ZIP 2000, 494, 496 = GmbHR 2000, 425 = NZG 2000, 590, dazu EWiR 2000, 1055 (Kort); Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 11 Rn. 61. 189) BGHZ 192, 341, 356 = ZIP 2012, 817 = WM 2012, 845 = DB 2012, 1024, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer).

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§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

nur diejenigen Gesellschafter, die der Geschäftsaufnahme vor Eintragung zugestimmt haben190) (zur diesbezüglichen Beweislast siehe Rn. 63). Vorsatz oder Fahrlässigkeit der Gesellschafter ist demgegenüber keine Voraussetzung der Unterbilanzhaftung.191) Der Bundesgerichtshof wendet die Unterbilanzhaftung zudem auf Fälle der wirtschaftlichen Neugründung einer GmbH durch Verwendung eines alten GmbHMantels oder Aktivierung einer Vorratsgesellschaft entsprechend an (ausführlich siehe Rn. 67 ff).

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b) Ausgestaltung als reine Innenhaftung Die Haftung der Gesellschafter besteht allein im Innenverhältnis gegenüber der GmbH;192) ihre direkte Inanspruchnahme durch Gesellschaftsgläubiger im Wege einer Außenhaftung ist unstreitig ausgeschlossen. Die Unterbilanzhaftung ist zudem – anders als die Verlustdeckungshaftung (siehe Rn. 36) – auch dann als reine Innenhaftung ausgestaltet, wenn die GmbH vermögenslos ist oder nur einen Gesellschafter hat, denn ab Eintragung in das Handelsregister steht § 13 Abs. 2 einem unmittelbaren Zugriff auf die Gesellschafter durchgehend entgegen.193) Ein Gesellschaftsgläubiger kann auf einen Unterbilanzausgleichsanspruch der GmbH daher ausschließlich im Wege der Forderungspfändung zugreifen.

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c) Inhalt und Umfang der Haftung Die Unterbilanzhaftung zielt auf Ausgleich des Fehlbetrags, um den das Reinvermögen der GmbH zum Zeitpunkt der Eintragung hinter der Stammkapitalziffer zurückbleibt.194) Dieser berechnet sich als Differenz zwischen Aktivvermögen und Passivseite der Bilanz einschließlich Stammkapital (Unterbilanz) und kann daher im Überschuldungsfall auch über die Höhe des Stammkapitals hinausgehen.195) Im Einzelnen ist der Haftungsumfang durch eine Vorbelastungsbilanz auf den Stichtag der Eintragung (nicht: der Anmeldung196)) zu ermitteln,197) deren Erstellung dem Geschäftsführer obliegt.198) _____________ 190) BGHZ 105, 300, 303 = ZIP 1989, 27 = NJW 1989, 710, dazu EWiR 1989, 55 (K. Schmidt); BGHZ 192, 341, 357 = ZIP 2012, 817 = WM 2012, 845 = DB 2012, 1024, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer); Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 11 Rn. 33; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 11 Rn. 102. 191) Krolop, ZIP 2011, 305, 310. 192) BGH, ZIP 2005, 2257 = GmbHR 2006, 88 = NZG 2006, 64, dazu EWiR 2006, 143 (Wilhelm); OLG Oldenburg, NZG 2001, 811, 812 = GmbHR 2001, 973. 193) BGH, ZIP 2005, 2257 = GmbHR 2006, 88 = NZG 2006, 64, dazu EWiR 2006, 143 (Wilhelm). 194) BGHZ 80, 129, 141 = ZIP 1981, 394 = NJW 1981, 1373; BGHZ 192, 341, 346 = ZIP 2012, 817 = WM 2012, 845 = DB 2012, 1024, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer); BSG, ZIP 2000, 494, 496 = GmbHR 2000, 425 = NZG 2000, 590, dazu EWiR 2000, 1055 (Kort); Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 11 Rn. 32; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 11 Rn. 13. 195) BGH, GmbHR 1982, 235 = WM 1982, 40; BGHZ 105, 300, 303 = ZIP 1989, 27 = NJW 1989, 710, dazu EWiR 1989, 55 (K. Schmidt). 196) A. A. anscheinend Hüffer, NJW 2011, 1772, 1775. 197) BGHZ 140, 35, 37 = ZIP 1998, 2151 = NJW 1999, 283; Fleischer, GmbHR 1999, 752, 754; Priester, ZIP 1994, 413. 198) Goette, Die GmbH, § 1 Rn. 57 – vom Geschäftsführer ohne Aufforderung zu erstellen.

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Die Vorbelastungsbilanz ist im Regelfall als Vermögensbilanz der Gesellschaft mit ihren wirklichen Werten nach Fortführungsgrundsätzen aufzustellen.199) Nur dann, wenn die Aufnahme der Geschäftstätigkeit durch die Vorgesellschaft bereits ausnahmsweise zu einer Organisationseinheit geführt hat, die als Unternehmen anzusehen ist, das (über seine einzelnen Vermögenswerte hinaus) einen eigenen Vermögenswert repräsentiert, muss das Unternehmen im Ganzen nach einer hierfür betriebswirtschaftlich anerkannten, vom Tatrichter auszuwählenden200) Bewertungsmethode (namentlich der Ertragswertmethode)201) bewertet werden.202) War der Gesellschaft hingegen schon zum Zeitpunkt der Eintragung eine negative Überlebens- und Fortbestehensprognose zu stellen, so ist deren Vermögen zu Veräußerungswerten anzusetzen.203)

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Gründungsaufwand ist vom Fehlbetrag abzuziehen, sofern die Übernahme der Gründungskosten durch die Gesellschaft in der Satzung wirksam vereinbart wurde;204) er ist (nur) in diesem Fall also nicht ausgleichspflichtig. Gesellschafterdarlehen sind (auch nach MoMiG) zu passivieren, selbst wenn ein Rangrücktritt i. S. d. § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO erklärt wurde.205) Ingangsetzungskosten (wie etwa Geschäftsführergehälter und Mieten) dürfen jedenfalls seit Streichung des § 269 HGB durch das BilMoG nicht mehr aktiviert werden.206)

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Die Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen von Unterbilanzhaftungsansprüchen trifft grundsätzlich die GmbH bzw. deren Insolvenzverwalter.207) Ist allerdings eine Vorbelastungsbilanz auf den Eintragungsstichtag (siehe Rn. 60) nicht _____________ 199) BGHZ 124, 282, 285 = ZIP 1994, 295 = NJW 1994, 724, dazu EWiR 1994, 275 (v. Gerkan); BGH, ZIP 1997, 2008, 2009 = GmbHR 1997, 1145 = NJW 1998, 233, dazu EWiR 1998, 33 (Wilken); BGH, GmbHR 2002, 545, 546 = NZG 2002, 524 = DB 2002, 993; BGHZ 165, 391, 396 = ZIP 2006, 668 = NJW 2006, 1594, dazu EWiR 2006, 565 (Naraschewski). 200) BGH, ZIP 1993, 1160, 1162 = GmbHR 1993, 505 = NJW 1993, 2101, dazu EWiR 1993, 769 (H. P. Westermann). 201) BGHZ 140, 35, 36 = ZIP 1998, 2151 = NJW 1999, 283. 202) BGHZ 140, 35, 36 = ZIP 1998, 2151 = NJW 1999, 283; BGH, GmbHR 2002, 545, 546 = NZG 2002, 524 = DB 2002, 993; BGHZ 165, 391, 396 = ZIP 2006, 668 = NJW 2006, 1594, dazu EWiR 2006, 565 (Naraschewski). 203) BGH, ZIP 1997, 2008, 2009 = GmbHR 1997, 1145 = NJW 1998, 233, dazu EWiR 1998, 33 (Wilken). 204) BGH, NJW 1998, 233, 234 = ZIP 1997, 2008 = GmbHR 1997, 1145, dazu EWiR 1998, 33 (Wilken); BGHZ 165, 391, 396 = ZIP 2006, 668 = NJW 2006, 1594, dazu EWiR 2006, 565 (Naraschewski); Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 11 Rn. 35; a. A. Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 64. 205) BGHZ 124, 282, 286 f = ZIP 1994, 295 = NJW 1994, 724, dazu EWiR 1994, 275 (v. Gerkan); OLG Naumburg, NZG 1999, 316 = GmbHR 1999, 665 – für Darlehensgewährung unter Rangrücktritt; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 129; krit. Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 11 Rn. 36; bei Rangrücktritt a. A. Kuleisa, DB 2011, 575, 576; Priester, ZIP 1994, 413, 416. 206) Früher str.; so schon vor dem BilMoG Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 64; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 11 Rn. 35. 207) BGH, ZIP 1997, 2008, 2009 = NJW 1998, 233, 234 = GmbHR 1997, 1145, dazu EWiR 1998, 33 (Wilken); BGH, ZIP 2003, 625, 627 = NZG 2003, 393, 394 = GmbHR 2003, 466; BGHZ 192, 341, 357 = ZIP 2012, 817 = WM 2012, 845 = DB 2012, 1024, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer); a. A. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 11 Rn. 18. Ausführlich zu Darlegungs- und Beweislastfragen Götz, GmbHR 2013, 290, 291 ff.

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erstellt worden und sind auch sonst keine hinreichenden geordneten Geschäftsaufzeichnungen vorhanden, so kann nach den Grundsätzen der sekundären Behauptungslast den Gesellschaftern die Darlegung obliegen, dass eine Unterbilanz nicht bestanden hat.208) Letzteres gilt entsprechend für den Einwand, eine Unterbilanz habe aufgrund einer ausnahmsweise nach der Ertragswertmethode vorzunehmenden Unternehmensbewertung (siehe Rn. 61) nicht bestanden,209) oder die wirtschaftlich neugegründete GmbH habe bei Wiederbelebung ihres leeren Mantels über weiteres Vermögen verfügt.210) Die h. L. legt dem Gesellschafter zudem die Beweislast für sein etwaig fehlendes Einverständnis mit der Geschäftsaufnahme (siehe Rn. 57) auf, weil es sich hierbei um eine haftungsausschließende Tatsache handele.211) Die einzelnen Gesellschafter haften auf Ausgleich der Unterbilanz nur pro rata ihrer Beteiligung,212) aber nicht beschränkt auf die Höhe des Nennbetrags ihres Gesellschaftsanteils (siehe Rn. 60). § 24 findet entsprechende Anwendung.213)

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Ist der aus Unterbilanzhaftung in Anspruch genommene Gesellschafter im EUAusland ansässig, soll sich die internationale gerichtliche Zuständigkeit für eine entsprechende Klage nach neuerer Rechtsprechung aus Art. 7 Nr. 1 Buchst. a EuGVVO ergeben.214) Zuständig sind danach i. d. R. die Gerichte am Sitz der Gesellschaft.215)

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Der Gesellschaftsanspruch aus Unterbilanzhaftung ist in der Jahresbilanz der GmbH zu aktivieren.216) Er unterliegt nach dem Bundesgerichtshof denselben strengen Regeln der Kapitalaufbringung wie die ursprüngliche Einlageschuld217) und geht aus diesem Grund nicht automatisch „durch Zweckerreichung“ unter, wenn die Gesellschaft nach dem Stichtag aus anderen Gründen über ein die Stammkapitalziffer

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_____________ 208) BGH, ZIP 2003, 625, 627 = NZG 2003, 393, 394 = GmbHR 2003, 466; OLG Brandenburg, ZInsO 2010, 202 f = ZIP 2010, 1036 (LS) = GmbHR 2010, 200. 209) BGHZ 165, 391, 398 = ZIP 2006, 668 = NJW 2006, 1594, dazu EWiR 2006, 565 (Naraschewski). 210) OLG Jena, ZIP 2004, 2327, 2329 = GmbHR 2004, 1468 = NZG 2004, 1114, dazu EWiR 2005, 179 (Werner). 211) LG Meiningen, GmbHR 2017, 302, 303 = GWR 2017, 166; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 65; Kuleisa, DB 2011, 575, 576; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 11 Rn. 40. 212) BGHZ 105, 300, 303 = ZIP 1989, 27 = NJW 1989, 710, dazu EWiR 1989, 55 (K. Schmidt); BGH, ZIP 2003, 625, 627 = NZG 2003, 393, 394 = GmbHR 2003, 466; BGHZ 192, 341, 346 = ZIP 2012, 817 = WM 2012, 845 = DB 2012, 1024, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer). 213) BGH, ZIP 2003, 625, 627 = NZG 2003, 393, 394 = GmbHR 2003, 466. 214) OLG Rostock, ZInsO 2014, 1498, 1499 f = GmbHR 2014, 1264 f. 215) Näher dazu Weller/Harms, IPRax 2016, 119, 121 f. 216) BGHZ 165, 391, 399 = ZIP 2006, 668 = NJW 2006, 1594, dazu EWiR 2006, 565 (Naraschewski). 217) BGHZ 124, 282, 286 = ZIP 1994, 295 = NJW 1994, 724, dazu EWiR 1994, 275 (v. Gerkan); BGHZ 165, 391, 401 = ZIP 2006, 668 = NJW 2006, 1594, dazu EWiR 2006, 565 (Naraschewski); BGHZ 192, 341, 356 = ZIP 2012, 817 = WM 2012, 845 = DB 2012, 1024, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer); Kuleisa, DB 2011, 575.

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übersteigendes Vermögen verfügt.218) §§ 19 ff gelten entsprechend;219) der Gesellschafter kann daher nicht einseitig mit seinen Ansprüchen aufrechnen.220) Möglich ist allenfalls eine Verrechnung durch die Gesellschaft, deren Zulässigkeit jedoch voraussetzt, dass der Gegenanspruch des Gesellschafters vollwertig, fällig und liquide ist.221) Der Anspruch aus Unterbilanzhaftung verjährt entsprechend § 9 Abs. 2 in zehn Jahren.222) VI. Gründerhaftung bei „wirtschaftlicher Neugründung“ einer GmbH 67

Eine der GmbH-Gründung im rechtlichen Sinne funktionell ähnliche Situation liegt vor, wenn eine GmbH zwar bereits i. S. d. § 13 Abs. 1 „als solche“ besteht, als Rechtsträger aber mit einem neuen wirtschaftlichen Unternehmen ausgestattet wird. Da für „wirtschaftliche Neugründungen“ dieser Art keine gesonderten gesetzlichen Regelungen bestehen, sind diese von der Rechtsprechung in jüngerer Zeit in einem „rechtsschöpferischen Akt“223) einem Haftungsregime unterstellt worden, welches der Haftungsverfassung der Vorgesellschaft (siehe Rn. 25 ff) nachgebildet ist und sich daher als dritter Anwendungsfall der einheitlichen Gründerhaftung224) (siehe Rn. 28 ff) begreifen lässt (dazu im Einzelnen siehe Rn. 72 ff). 1.

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Wirtschaftliche Neugründung

Als „wirtschaftliche Neugründung“ einer bereits im Handelsregister eingetragenen GmbH sieht die Rechtsprechung einerseits die Aktivierung einer Vorratsgesellschaft durch deren Ausstattung mit einem Unternehmen und die erstmalige Aufnahme ihres Geschäftsbetriebs225) sowie andererseits die Verwendung eines alten, mittlerweile „leeren“ Gesellschaftsmantels226) an (siehe § 3 Rn. 18 ff [Schäfer]).227) _____________ 218) BGHZ 165, 391, 399 f = ZIP 2006, 668 = NJW 2006, 1594, dazu EWiR 2006, 565 (Naraschewski) mit Verweis auf BGHZ 144, 336, 341 = ZIP 2000, 1251 = GmbHR 2000, 771 – Balsam/Procedo; BGHZ 192, 341, 359 = ZIP 2012, 817 = WM 2012, 845 = DB 2012, 1024, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer); krit. Bayer/Lieder, ZGR 2006, 875, 883 ff. 219) BGHZ 80, 129, 141 = ZIP 1981, 394 = NJW 1981, 1373; BGHZ 165, 391, 401 = ZIP 2006, 668 = NJW 2006, 1594, dazu EWiR 2006, 565 (Naraschewski); OLG Brandenburg, ZInsO 2010, 202, 205 = ZIP 2010, 1036 (LS) = GmbHR 2010, 200; Roth/AltmeppenRoth, GmbHG, § 11 Rn. 12a. 220) OLG Brandenburg, ZInsO 2010, 202, 205 = ZIP 2010, 1036 (LS) = GmbHR 2010, 200; Kuleisa, DB 2011, 575. 221) BGH, ZIP 2009, 662, 663 = GmbHR 2009, 485 = DB 2009, 673; Kuleisa, DB 2011, 575; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 27. 222) BGHZ 105, 300, 305 = ZIP 1989, 27 = NJW 1989, 710, dazu EWiR 1989, 55 (K. Schmidt); BGH, ZIP 2008, 217, 218 = DStR 2008, 933 = NZG 2008, 147, dazu EWiR 2008, 535 (Ostermaier); zu Altfällen bei Mantelverwendung vor BGHZ 155, 318 = ZIP 2003, 1698 = NZG 2003, 972, dazu EWiR 2003, 967 (Keil). 223) So Goette, DStR 2004, 461, 463; ähnlich OLG Köln, ZIP 2008, 973, 974 = GmbHR 2008, 704 (LS) – richterliche Rechtsfortbildung. 224) So treffend Hüffer, NJW 2011, 1772, 1777. 225) Grundlegend BGHZ 117, 323 = ZIP 1992, 689 = NJW 1992, 1824 – zu Vorratsgesellschaften des Aktienrechts, dazu EWiR 1992, 673 (Kraft); BGHZ 153, 158 = ZIP 2003, 251 = NJW 2003, 892 – zu Vorratsgesellschaften des GmbH-Rechts, dazu EWiR 2003, 327 (Keil). 226) Grundlegend BGHZ 155, 318 = ZIP 2003, 1698 = NZG 2003, 972, dazu EWiR 2003, 967 (Keil). 227) Gegen diese Gleichsetzung Ulmer, ZIP 2012, 1265, 1269; zur Tragung der Kosten wirtschaftlicher Neugründungen Wachter, GmbHR 2016, 791, 795 ff.

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Schwierigkeiten kann vor allem die Abgrenzung der Mantelverwendung von der bloßen Umstrukturierung einer bestehenden GmbH machen:228) Um eine wirtschaftliche Neugründung handelt es sich nur, wenn die Gesellschaft eine „leere Hülse“ ist, also kein aktives Unternehmen betreibt, an das eine Fortführung des Geschäftsbetriebs – sei es auch unter wesentlicher Umgestaltung, Einschränkung oder Erweiterung seines Tätigkeitsgebietes – in irgendeiner wirtschaftlich noch gewichtbaren Weise anknüpfen kann.229) Keine bloße „leere Hülse“ liegt insoweit vor, wenn die Gesellschaft nach Gründung und Eintragung konkrete Aktivitäten zur Planung und Vorbereitung der Aufnahme ihrer nach außen gerichteten Geschäftstätigkeit i. R. ihres statutarischen Unternehmensgegenstandes entfaltet.230) Auf die Vermögenslosigkeit der Vorrats- oder Mantelgesellschaft231) oder einen Gesellschafterwechsel232) kommt es nicht an; ebenso wenig darauf, ob nach (Wieder-)Aufnahme des Geschäftsbetriebs (teilweise) die gleiche Art von Geschäften betrieben wird wie zuvor.233) Die Grundsätze der wirtschaftlichen Neugründung finden auch im Liquidationsstadium einer GmbH Anwendung;234) entscheidend ist hier, ob noch nennenswerte Liquidationsaufgaben i. S. d. § 70 wahrgenommen werden.235) Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer wirtschaftlichen Neugründung treffen denjenigen, der sich auf diese stützt,236) also regelmäßig den Insolvenzverwalter, der die Gründerhaftung (siehe Rn. 72 ff) geltend macht. 2.

Pflicht zur Anzeige wirtschaftlicher Neugründungen

Wirtschaftliche Neugründungen werden von der heute ganz h. M. als zulässig angesehen,237) bergen aber die Gefahr einer Umgehung der gesetzlichen Gründungsvorschriften, weil die gesetzliche und gesellschaftsvertragliche Kapitalausstattung der Gesellschaft bei Aufnahme der (neuen) wirtschaftlichen Tätigkeit nicht oder

_____________ 228) Vgl. Gottschalk, DStR 2012, 1458, 1462; Jeep, NZG 2012, 1209, 1214 ff; Lieder, NZG 2010, 410, 411. 229) BGHZ 155, 318, 324 = ZIP 2003, 1698 = NZG 2003, 972, dazu EWiR 2003, 967 (Keil); BGH, ZIP 2010, 621 = GmbHR 2010, 474 = NJW 2010, 1459, dazu EWiR 2010, 611 (Schmitz-Du Mont); BGHZ 192, 341, 345 = ZIP 2012, 817 = WM 2012, 845 = DB 2012, 1024, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer). 230) BGH, ZIP 2010, 621 = GmbHR 2010, 474 = NJW 2010, 1459, dazu EWiR 2010, 611 (Schmitz-Du Mont). 231) Bayer in: FS Goette, S. 18, 23; Habersack, AG 2010, 845, 847; Lieder, NZG 2010, 410, 412; Peetz, GmbHR 2011, 178, 183; a. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 166. 232) BGH, ZIP 2014, 418, 419 = GmbHR 2014, 317, dazu EWiR 2014, 273 (Keiluweit); OLG München, ZIP 2010, 579, 580 = GmbHR 2010, 425 = DB 2010, 836, dazu EWiR 2010, 249 (Melchior); Podewils, GmbHR 2010, 684, 687. 233) BGH, ZIP 2014, 418, 419 = GmbHR 2014, 317, dazu EWiR 2014, 273 (Keiluweit). 234) BGH, ZIP 2014, 418 f = GmbHR 2014, 317, dazu EWiR 2014, 273 (Keiluweit); ScholzK. Schmidt/Bitter, GmbHG, § 60 Rn. 86. 235) BGH, ZIP 2014, 418, 419 = GmbHR 2014, 317, dazu EWiR 2014, 273 (Keiluweit). 236) Vgl. BGH, ZIP 2010, 621 = GmbHR 2010, 474 = NJW 2010, 1459, dazu EWiR 2010, 611 (Schmitz-Du Mont). 237) Ausführlich Kresse, Mantel- und Vorratsgesellschaften, S. 223 ff.

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nicht mehr gewährleistet sein muss.238) Die Rechtsprechung begegnet dem durch eine entsprechende Anwendung der der Gewährleistung der Kapitalausstattung dienenden Gründungsvorschriften des GmbHG einschließlich der zugehörigen registergerichtlichen Kontrolle:239) Jede wirtschaftliche Neugründung ist daher obligatorisch und explizit240) gegenüber dem Registergericht offenzulegen; damit verbunden ist eine (am satzungsmäßigen Stammkapital auszurichtende241)) Versicherung entsprechend § 8 Abs. 2 abzugeben, in der zu versichern ist, dass die in § 7 Abs. 2 und 3 bezeichneten Leistungen auf die Stammeinlagen bewirkt sind, das satzungsmäßige Stammkapital zum Zeitpunkt der Anzeige242) wertmäßig vorhanden ist und sich hiervon ein Viertel – zumindest aber 12.500 € – (weiterhin oder jedenfalls wieder) endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befindet.243) Diese Versicherung erfordert bei Reaktivierung einer Mantelgesellschaft regelmäßig die Erstellung einer Stichtagsbilanz.244) Offenlegung und Versicherung gegenüber dem Handelsregister245) (hier gemeinsam bezeichnet als „Anzeige“) müssen durch die Geschäftsführer der GmbH246) in vertretungsberechtigter Zahl erfolgen; § 78 Halbs. 2, der die gemeinschaftliche Bewirkung der in § 7 vorgeschriebenen Anmeldung durch sämtliche Geschäftsführer vorschreibt, ist nicht entsprechend _____________ 238) BGHZ 155, 318, 322 = ZIP 2003, 1698 = NZG 2003, 972, dazu EWiR 2003, 967 (Keil); BGH, ZIP 2014, 418 f = GmbHR 2014, 317, dazu EWiR 2014, 273 (Keiluweit); plastisch Goette, DStR 2010, 764, 765 (Urteilsanm.) – Gefahr eines vorhandenen „schwarzen Schuldenlochs“. 239) BGHZ 153, 158, 160 = ZIP 2003, 251 = NJW 2003, 892, dazu EWiR 2003, 327 (Keil); BGHZ 155, 318, 321 = ZIP 2003, 1698 = NZG 2003, 972, dazu EWiR 2003, 967 (Keil); BGH, ZIP 2011, 1761, 1762 = GmbHR 2011, 1032 = DB 2011, 2145, dazu EWiR 2011, 639 (Nolting); BGHZ 192, 341, 344 = ZIP 2012, 817 = WM 2012, 845 = DB 2012, 1024, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer); zur Nichtanwendung auf Altfälle (vor BGHZ 155, 318, 321 = ZIP 2003, 1698 = NZG 2003, 972, dazu EWiR 2003, 967 [Keil]) aus Gründen des Vertrauensschutzes OLG Köln, ZIP 2008, 973, 974 = GmbHR 2008, 704 (LS). 240) Eine lediglich konkludente Offenlegung durch Anmeldung von Satzungsänderungen, deren Natur auf eine möglicherweise erfolgte wirtschaftliche Neugründung hinweisen mag, dürfte vor dem Hintergrund des Zwecks der Offenlegungspflicht nicht ausreichen; offengelassen in KG Berlin, ZIP 2010, 582, 583 = GmbHR 2010, 476 = NZG 2010, 387, dazu EWiR 2010, 291 (Giedinghagen/Rulf); eine explizite Offenlegung empfehlend Kuleisa, DB 2011, 575, 577. 241) BGHZ 155, 318, 325 f = ZIP 2003, 1698 = NZG 2003, 972, dazu EWiR 2003, 967 (Keil); BGHZ 192, 341, 345 f = ZIP 2012, 817 = WM 2012, 845 = DB 2012, 1024, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer); Götz, GmbHR 2013, 290, 299; a. A. Heidinger, ZGR 2005, 101, 122 ff. 242) A. A. Giedinghagen/Rulf, GmbHR 2012, 637, 638 (Urteilsanm.); Herresthal/Servatius, ZIP 2012, 197, 200 f – Zeitpunkt der wirtschaftlichen Neugründung. 243) BGHZ 153, 158, 162 = ZIP 2003, 251 = NJW 2003, 892, dazu EWiR 2003, 327 (Keil); BGHZ 155, 318, 322 ff = ZIP 2003, 1698 = NZG 2003, 972, dazu EWiR 2003, 967 (Keil); BGH, ZIP 2011, 1761, 1762 = GmbHR 2011, 1032 = DB 2011, 2145, dazu EWiR 2011, 639 (Nolting); BGHZ 192, 341, 347 = ZIP 2012, 817 = WM 2012, 845 = DB 2012, 1024, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer). Zum Inhalt der Versicherung auch Peetz, GmbHR 2003, 229, 230 (Urteilsanm.); zu den vorzulegenden Nachweisen AG Duisburg, NZG 1998, 194, 195 = GmbHR 1998, 87. 244) Podewils, GmbHR 2010, 684, 685. 245) Formulierungsvorschläge bei Fleischhauer/Preuß-Fleischhauer, Handelsregisterrecht, S. 432 ff; Krafka/Kühn-Krafka/Kühn, Registerrecht, Rn. 1109. 246) OLG Jena, ZIP 2007, 124 = DB 2006, 2624 = ZInsO 2007, 159, dazu EWiR 2007, 433 (Naraschewski).

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anwendbar,247) weil die Vorschrift nur strafbewehrte Versicherungen erfassen will248) und eine Strafbewehrung der Anzeige wirtschaftlicher Neugründungen infolge des Analogieverbotes (Art. 103 Abs. 2 GG) ausscheidet (siehe Rn. 84). Das pflichtwidrige Unterlassen der Anzeige durch die Geschäftsführer kann Schadensersatzansprüche begründen.249) Der Zweck der Anzeigepflicht liegt in der Ermöglichung einer formal-rechtlichen registergerichtlichen Präventivkontrolle analog § 9c GmbHG i. V. m. § 26 FamFG,250) mittels derer die reale Aufbringung der gesetzlich vorgeschriebenen Kapitalausstattung im Zeitpunkt der Geschäftsaufnahme überprüft und sichergestellt werden soll.251) Die Kontrolle leidet freilich darunter, dass das Registerrecht auf die rechtsfortbildend geschaffene Pflicht zur Anzeige wirtschaftlicher Neugründungen bislang nicht abgestimmt ist:252) Das Registergericht soll offengelegte wirtschaftliche Neugründungen zwar in Wahrnehmung seines rechtsfortbildend erweiterten Prüfungsumfangs mittelbar dadurch beanstanden können, dass es die Eintragung damit (zufällig) einhergehender Satzungsänderungen ablehnt.253) Hierbei handelt es sich jedoch erkennbar um eine Hilfskonstruktion, weil die wirtschaftliche Neugründung selbst nach h. M. weder eintragungspflichtig noch -fähig ist254) und ihre Nichteintragung (vgl. § 9c Abs. 1 Satz 1) als Sanktion daher ausscheidet; auch muss die Anzeige einer wirtschaftlichen Neugründung keineswegs immer mit der Anmeldung sonstiger nach § 54 eintragungspflichtiger Satzungsänderungen oder der Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste (§ 40) zusammenfallen.255) (Letzteres _____________ 247) A. A. die ganz h. M.: Krafka/Kühn-Krafka/Kühn, Registerrecht, Rn. 1109; Heidinger, ZGR 2005, 101, 106; Podewils, GmbHR 2010, 684, 685; möglicherweise auch OLG Jena, ZIP 2007, 124 = DB 2006, 2624 = ZInsO 2007, 159, dazu EWiR 2007, 433 (Naraschewski). 248) Ulmer/Habersack/Winter-Casper, GmbHG, § 78 Rn. 20. 249) Horn, DB 2012, 1255, 1260. 250) OLG Nürnberg, ZIP 2011, 1670 (LS) = GmbHR 2001, 582 = DStR 2011, 1190; Heidinger, ZGR 2005, 101, 105 f; Kresse, Mantel- und Vorratsgesellschaften, S. 421 ff; Podewils, GmbHR 2010, 684, 685. 251) Vgl. BGHZ 153, 158, 162 = ZIP 2003, 251 = NJW 2003, 892, dazu EWiR 2003, 327 (Keil); BGHZ 155, 318, 323 = ZIP 2003, 1698 = NZG 2003, 972, dazu EWiR 2003, 967 (Keil); BGHZ 192, 341, 347 = ZIP 2012, 817 = WM 2012, 845 = DB 2012, 1024, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer); OLG Jena, ZIP 2007, 124 = DB 2006, 2624 = ZInsO 2007, 159, dazu EWiR 2007, 433 (Naraschewski); Bachmann, NZG 2011, 441, 444 f; Bayer in: FS Goette, S. 18; Goette, DStR 2004, 461, 462. 252) Vgl. auch Gottschalk, DStR 2012, 1458, 1462. 253) Vgl. OLG Schleswig, GmbHR 2002, 1135 = NZG 2003, 35; OLG Nürnberg, ZIP 2011, 1670 (LS) = GmbHR 2011, 582 = DStR 2011, 1190; AG Duisburg, NZG 1998, 194, 195 = GmbHR 1998, 87; Bachmann, NZG 2012, 579, 580; Herresthal/Servatius, ZIP 2012, 197, 202; Heyer/Reichert-Clauß, NZG 2005, 193, 194; krit. Kallmeyer, GmbHR 2003, 322, 324; diff. Heinze, GmbHR 2011, 962, 965 f; Ulmer, ZIP 2012, 1265, 1271 f. 254) Kallmeyer, GmbHR 2003, 322, 324; Krafka/Kühn-Krafka/Kühn, Registerrecht, Rn. 1109; Herresthal/Servatius, ZIP 2012, 197, 202. 255) BGHZ 155, 318, 325 = ZIP 2003, 1698 = NZG 2003, 972, dazu EWiR 2003, 967 (Keil); BGH, ZIP 2011, 1761, 1762 = GmbHR 2011, 1032 = DB 2011, 2145, dazu EWiR 2011, 639 (Nolting); OLG Jena, ZIP 2004, 2327 = GmbHR 2004, 1468 = NZG 2004, 1114, dazu EWiR 2005, 179 (Werner); Bayer in: FS Goette, S. 18, 20; Bredow/Schumacher, DStR 2003, 1032, 1036; Goette, DStR 2004, 461, 463; Hüffer, NJW 2011, 1772, 1777.

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kommt praktisch vor allem in Konzernen vor, die eigene Vorratsgesellschaften mit dem benötigten Unternehmensgegenstand samt Geschäftsführer vorhalten.)256) 71

Es sollte daher – rechtsfortbildend – eine unmittelbare registergerichtliche Beanstandung unzureichender oder unzutreffender Anzeigen wirtschaftlicher Neugründungen in Form einer Entscheidung i. S. d. § 382 Abs. 4 FamFG zugelassen werden (selbst wenn diese sich nicht als „Zwischen“-verfügung in Vorbereitung einer Registereintragung darstellt), weil das Registerrecht die erfolgte Fortbildung des materiellen Kapitalschutzrechts insoweit nachvollziehen muss. In der Konsequenz einer Präventivkontrolle der realen Kapitalaufbringung liegt es freilich, sogar die Registereintragung wirtschaftlicher Neugründungen zu gestatten,257) zumal entsprechende Vorgänge alle allgemeinen Merkmale eintragungsfähiger Tatsachen258) aufweisen. 3.

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Haftung wirtschaftlicher Neugründer als Anwendungsfall der einheitlichen Gründerhaftung

Ergänzend zur registergerichtlichen Präventivkontrolle wird die reale Kapitalaufbringung bei wirtschaftlichen Neugründungen auf materiell-rechtlicher Haftungsebene durch eine entsprechende Anwendung des – auf eine Innenhaftung (siehe Rn. 82) beschränkten259) – Haftungsmodells der Unterbilanzhaftung sichergestellt.260) Es handelt sich dabei um eine richterrechtliche Gründerhaftung, die der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs schrittweise entwickelt und trotz grundsätzlicher Kritik in Teilen des Schrifttums261) fortgeführt hat.262) Nicht eindeutig geklärt ist ihr Inhalt und Umfang, die vom Bundesgerichtshof traditionell als „entsprechende Anwendung des Haftungsmodells der Unterbilanzhaftung“263) umschrieben werden; „maßgeblicher Stichtag für eine Unterbilanzhaftung“ sei die Offenlegung gegen-

_____________ 256) Horn, DB 2012, 1255, 1256 m. w. N. 257) In diesem Sinne auch Krafka, ZGR 2003, 577, 590; Kresse, Mantel- und Vorratsgesellschaften, S. 416; Peetz, GmbHR 2003, 229, 231 (Urteilsanm.); Pentz in: MünchKommAktG, § 23 Rn. 104. 258) Zu diesen Krafka/Kühn-Krafka/Kühn, Registerrecht, Rn. 88. 259) BGH, ZIP 2011, 1761, 1762 = GmbHR 2011, 1032 = DB 2011, 2145, dazu EWiR 2011, 639 (Nolting). 260) BGHZ 155, 318, 326 = ZIP 2003, 1698 = NZG 2003, 972, dazu EWiR 2003, 967 (Keil); BGH, ZIP 2011, 1761, 1762 = GmbHR 2011, 1032 = DB 2011, 2145, dazu EWiR 2011, 639 (Nolting); OLG Düsseldorf, ZIP 2012, 2011, 2012 = GmbHR 2012, 1135, dazu EWiR 2013, 11 (Bode); OLG München, ZIP 2010, 579, 580 = GmbHR 2010, 425 = DB 2010, 836, dazu EWiR 2010, 249 (Melchior). 261) Statt mancher Altmeppen, DB 2003, 2050, 2051 ff; Priester, ZHR 168 (2004) 248, 260 f; K. Schmidt, NJW 2004, 1345 ff; K. Schmidt, ZIP 2010, 857, 863. 262) BGHZ 192, 341, 354 = ZIP 2012, 817 = WM 2012, 845 = DB 2012, 1024 betont, dass auch mit der jüngst postulierten Nichtanwendung der Grundsätze der Verlustdeckungshaftung „kein Wechsel des Haftungsmodells im Raum“ stehe, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer). 263) BGHZ 155, 318, 326 = ZIP 2003, 1698 = NZG 2003, 972, dazu EWiR 2003, 967 (Keil); OLG München, ZIP 2010, 579, 580 = GmbHR 2010, 425 = DB 2010, 836, dazu EWiR 2010, 249 (Melchior); ganz ähnlich BGH, ZIP 2011, 1761, 1762 = GmbHR 2011, 1032 = DB 2011, 2145 – „Modell der Unterbilanzhaftung“, dazu EWiR 2011, 639 (Nolting).

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über dem Handelsregister.264) Jede Konkretisierung dieser „Modell“-Formel muss dabei dem Umstand Rechnung tragen, dass es sich bei einer wirtschaftlich neu gegründeten Gesellschaft bereits um eine „als solche“ bestehende GmbH (§ 13) und nicht lediglich um eine Vorgesellschaft handelt.265) Die hieraus resultierenden Folgen für die Gründerhaftung sind freilich umstritten: Nach vorzugswürdiger Ansicht wird mit dem „Haftungsmodell der Unterbilanzhaftung“ das differenzierte Haftungssystem der einheitlichen Gründerhaftung (siehe Rn. 28 ff) über das Entstehungsstadium der Gesellschaft hinaus auf die als vergleichbar bewertete Fallkonstellation wirtschaftlicher Neugründungen erstreckt; die Haftung wirtschaftlicher Neugründer stellt sich daher als dritten Anwendungsfall der einheitlichen Gründerhaftung dar.266) Die geforderte Anzeige jeder wirtschaftlichen Neugründung gegenüber dem Handelsregister (siehe Rn. 69) ist vor diesem Hintergrund keine bloße registerrechtliche Formalie,267) sondern stellt sich als funktionales Äquivalent zu Anmeldung und Eintragung der GmbH bei deren rechtlicher Gründung sowie Dreh- und Angelpunkt der Haftung wirtschaftlicher Neugründer dar: Da deren übereinstimmender Zweck die Sicherung der realen Kapitalaufbringung durch eine registergerichtliche Präventivkontrolle ist, muss ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht (und die dadurch bewirkte Vereitelung der Präventivkontrolle) sich auf die Ausgestaltung der Gründerhaftung auswirken, weil die wirtschaftlichen Neugründer in diesem Fall für ihr vorzeitiges, nämlich der Anzeige vorausgehendes unternehmerisches Handeln einzustehen haben.268) Es ist folglich auch bei wirtschaftlichen Neugründungen zwischen Verlustdeckungs- und Unterbilanzhaftung der Gesellschafter zu unterscheiden;269) die zeitliche Zäsur zwischen beiden Haftungsphasen270) ist hier die Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung gegenüber dem Handelsregister.

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Demgegenüber hat sich der Bundesgerichtshof im Jahre 2012271) für ein abweichendes Haftungskonzept ausgesprochen, das im Wesentlichen auf eine modifi-

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_____________ 264) BGHZ 155, 318, 326 f = ZIP 2003, 1698 = NZG 2003, 972, dazu EWiR 2003, 967 (Keil); BGH, ZIP 2011, 1761, 1762 = GmbHR 2011, 1032 = DB 2011, 2145, dazu EWiR 2011, 639 (Nolting); BGHZ 192, 341, 348 = ZIP 2012, 817 = WM 2012, 845 = DB 2012, 1024, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer); OLG Düsseldorf, ZIP 2012, 2011, 2013 = GmbHR 2012, 1135, dazu EWiR 2013, 11 (Bode); a. A. Herresthal/Servatius, ZIP 2012, 197, 200 f. 265) Vgl. BGHZ 192, 341, 347 = ZIP 2012, 817 = WM 2012, 845 = DB 2012, 1024, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer); LG Saarbrücken, Urt. v. 12.6.2009 – 13 S 65/09; Goette, DStR 2004, 461, 463. 266) Hüffer, NJW 2011, 1772, 1777. 267) Entgegen KG Berlin, ZIP 2010, 582, 583 = GmbHR 2010, 476 = NZG 2010, 387, dazu EWiR 2010, 291 (Giedinghagen/Rulf); wie hier Krolop, ZIP 2011, 305, 306. 268) Hüffer, NJW 2011, 1772, 1776. 269) LG Berlin, Urt. v. 26.2.2008 – 92 O 24/07, EWiR 2008, 401 f (Korsten/Hennig); a. A. OLG Düsseldorf, ZIP 2012, 2011, 2013 = GmbHR 2012, 1135, dazu EWiR 2013, 11 (Bode); Herresthal/Servatius, ZIP 2012, 197, 203. 270) Von einer Unterscheidung zwischen dem vor und nach erfolgter Anzeige eingreifenden Haftungsregime geht auch BGH, ZIP 2011, 1761, 1763 = GmbHR 2011, 1032 = DB 2011, 2145, dazu EWiR 2011, 639 (Nolting) aus. 271) BGHZ 192, 341 ff = ZIP 2012, 817 = WM 2012, 845 = DB 2012, 1024, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer) sowie Ulmer, ZIP 2012, 1265, 1267 – rechtsfortbildendes Grundsatzurteil; BGH, ZIP 2014, 418 = GmbHR 2014, 317, dazu EWiR 2014, 273 (Keiluweit).

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zierte Unterbilanzhaftung hinausläuft (siehe Rn. 79). Praktische Unterschiede zeitigen die beiden Ansätze vor allem in Fällen, in denen eine Anzeige der wirtschaftlichen Neugründung dauerhaft unterblieben ist (siehe Rn. 75 ff), wohingegen sich bezüglich des Haftungsumfangs nach ordnungsgemäß erfolgter Anzeige (siehe Rn. 81) und der sonstigen Ausgestaltung der Gründerhaftung (siehe Rn. 82, 83 f) keine entscheidenden Divergenzen ergeben. a) Inhalt und Umfang der Haftung wirtschaftlicher Neugründer bei unterbliebener Anzeige 75

Die Gründerhaftung nach unterbliebener Anzeige greift ein, wenn die ordnungsgemäße Anzeige der wirtschaftlichen Neugründung gegenüber dem Registergericht (die Offenlegung und/oder die Versicherung analog § 8 Abs. 2; siehe Rn. 68) unterblieben ist. Das Fehlen eines der beiden Anzeigeakte genügt, um diese Form der Haftung wirtschaftlicher Neugründer auszulösen;272) dasselbe muss gelten, wenn die Versicherung regelwidrig nicht am satzungsmäßigen Stammkapital, sondern am gesetzlichen Mindeststammkapital ausgerichtet war. Das Haftungsregime bei unterbliebener Anzeige sollte dagegen nicht eingreifen, wenn Offenlegung und Versicherung nicht verbunden,273) sondern getrennt erfolgen; hier ist die Haftung nach erfolgter Anzeige (siehe Rn. 81) einschlägig. Bedeutungslos ist, ob Offenlegung und Versicherung zusammen mit der Anmeldung sonstiger Satzungsänderungen (siehe Rn. 70) vorgenommen werden oder nicht. Ob die Anzeige verschuldet oder unverschuldet, vorsätzlich, fahrlässig oder unerkannt unterblieben ist, sollte für die Gründerhaftung ebenfalls ohne Belang sein.274)

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Dieses Haftungsregime erfasst namentlich wirtschaftlich neu gegründete, aber ohne Anzeige in die Insolvenz gefallene275) sowie sonst wirtschaftlich gescheiterte276) Gesellschaften; es dürfte daher den praktischen Regelfall der Gründerhaftung bei wirtschaftlichen Neugründungen darstellen. Für den Stichtag i. R. d. Gründerhaftung (siehe Rn. 73, 81) ist der Zugang der Anzeige beim Registergericht (§ 130 Abs. 3 BGB analog) entscheidend;277) ab diesem Zeitpunkt findet das abweichende Haftungsregime nach ordnungsgemäßer Anzeige (siehe Rn. 81) Anwendung.

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Umstritten ist in dieser Fallgruppe der Haftungsumfang: Während die zutreffende Ansicht von einer unbeschränkten Verlustdeckungshaftung der wirtschaftlichen Neugründer ausgeht (siehe Rn. 78), nimmt der Bundesgerichtshof eine modifizierte Unterbilanzhaftung (siehe Rn. 79) und damit einen geringeren Haftungsumfang an, sofern das satzungsmäßige Stammkapital der Gesellschaft im Zeitpunkt der wirtschaftlichen Neugründung nachweisbar vollumfänglich vorhanden war. _____________ 272) LG Saarbrücken, Urt. v. 12.6.2009 – 13 S 65/09. 273) Dies verlangen BGHZ 155, 318, 326 f = ZIP 2003, 1698 = NZG 2003, 972, dazu EWiR 2003, 967 (Keil); BGH, ZIP 2011, 1761, 1762 = GmbHR 2011, 1032 = DB 2011, 2145, dazu EWiR 2011, 639 (Nolting). 274) OLG München, ZIP 2010, 579, 582 = GmbHR 2010, 425 = DB 2010, 836, dazu EWiR 2010, 249 (Melchior); Peetz, GmbHR 2011, 178, 180. 275) Habersack, AG 2010, 845, 847. 276) Hüffer, NJW 2011, 1772, 1775. 277) Vgl. Heyer/Reichert-Clauß, NZG 2005, 193, 196; Peetz, GmbHR 2011, 178, 179; Wachter, BB 2011, 2444, 2445.

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Rechtszustand vor der Eintragung

aa) Verlustdeckungshaftung Ist die Anzeige der wirtschaftlichen Neugründung (siehe Rn. 69) gegenüber dem Registergericht endgültig unterblieben, haften die Gesellschafter nach hier vertretener Ansicht (siehe Rn. 73) nach dem Modell der Verlustdeckungshaftung (siehe Rn. 27 ff) gegenüber der GmbH (Innenhaftung; dazu noch siehe Rn. 82).278) Inhalt und Umfang der Verlustdeckungshaftung wirtschaftlicher Neugründer entsprechen der Verlustdeckungshaftung von Vorgesellschaftern (siehe Rn. 37 ff). Sie läuft daher auf eine unbeschränkte Gesellschafterhaftung hinaus,279) die bei mehreren Gesellschaftern allerdings nur pro rata eingreift (siehe Rn. 38). Die Verjährungsfrist sollte dabei – entgegen der h. M. (siehe Rn. 83) – nicht bereits zum Zeitpunkt der wirtschaftlichen Neugründung, sondern erst mit dem endgültigen Unterbleiben von deren Anzeige (d. h. regelmäßig der Eröffnung des Insolvenzverfahrens) beginnen, weil andernfalls ein gewichtiger Anreiz gegen das Nachholen unterlassener Anzeigen gesetzt würde. Wird die wirtschaftliche Neugründung gegenüber dem Handelsregister später angezeigt, vom Registergericht jedoch beanstandet (siehe Rn. 71), so greift die Verlustdeckungshaftung ein, weil die Gesellschaft ihre (neue) Geschäftstätigkeit unter Zustimmung der neu gründenden Gesellschafter bereits vor gerichtlicher Prüfung der realen Kapitalaufbringung aufgenommen hatte. Erfolgt hingegen keine registerrichterliche Beanstandung, so endet die (insoweit latente) Verlustdeckungshaftung mit der Anzeige ex nunc, weil nunmehr die Unterbilanzhaftung (siehe Rn. 81) eingreift.

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bb) Modifizierte Unterbilanzhaftung (BGH) Nach neuester Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist die Haftung der Gesellschafter bei unterbliebener (ordnungsgemäßer) Offenlegung einer wirtschaftlichen Neugründung dagegen auf den Umfang einer Unterbilanz begrenzt, die in dem Zeitpunkt besteht, zu dem die wirtschaftliche Neugründung nach außen in Erscheinung tritt.280) Ein entsprechendes Nach-außen-in-Erscheinung-treten soll dabei entweder in der Anmeldung einer (mit der wirtschaftlichen Neugründung zusammenfallenden) Satzungsänderung oder aber in der Aufnahme der wirtschaftlichen

_____________ 278) OLG München, ZIP 2010, 579, 580 = GmbHR 2010, 425 = DB 2010, 836, dazu EWiR 2010, 249 (Melchior); LG Berlin, Urt. v. 26.2.2008 – 92 O 24/07, dazu EWiR 2008, 401 f (Korsten/Hennig); Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 3 Rn. 13b; Habersack, AG 2010, 845, 847; Hüffer, NJW 2011, 1772, 1775; in der Sache ebenso, aber von „Vorbelastungshaftung“ sprechend OLG Jena, ZIP 2007, 124, 125 = DB 2006, 2624 = ZInsO 2007, 159, dazu EWiR 2007, 433 (Naraschewski); a. A. Heidinger, ZGR 2005, 101, 128 ff; Herresthal/ Servatius, ZIP 2012, 197, 203; Heyer/Reichert-Clauß, NZG 2005, 193, 195; Wicke in: MünchKomm-GmbHG, § 3 Rn. 39; offengelassen bei Goette, DStR 2004, 461, 464. 279) OLG Jena, ZIP 2007, 124, 125 = DB 2006, 2624 = ZInsO 2007, 159, dazu EWiR 2007, 433 (Naraschewski); OLG München, ZIP 2010, 579, 580 = GmbHR 2010, 425 = DB 2010, 836, dazu EWiR 2010, 249 (Melchior); Habersack, AG 2010, 845, 847. 280) BGHZ 192, 341, 346 = ZIP 2012, 817 = WM 2012, 845 = DB 2012, 1024, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer); BGH, ZIP 2014, 418 = GmbHR 2014, 317, dazu EWiR 2014, 273 (Keiluweit); OLG Düsseldorf, ZIP 2012, 2011, 2013 = GmbHR 2012, 1135, dazu EWiR 2013, 11 (Bode); zust. Gottschalk, DStR 2012, 1458, 1460 ff.

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Tätigkeit liegen,281) wobei es auf den in concreto früheren Zeitpunkt ankommen dürfte.282) In der Sache schließt sich der Bundesgerichtshof damit einem Urteil des KG Berlin283) sowie einem Teil des Schrifttums284) an. Zur Begründung stützt er sich auf den Zweck der entsprechenden Anwendung der Gründungsvorschriften (siehe Rn. 69), der auf die Sicherstellung der Kapitaldeckung der Gesellschaft zum Zeitpunkt ihrer wirtschaftlichen Neugründung begrenzt sei; deren Offenlegung könne insoweit nicht mit der Ersteintragung der GmbH gleichgesetzt werden.285) Eine Verlustdeckungshaftung wirtschaftlicher Neugründer (siehe Rn. 78) stelle die Gläubiger daher ungerechtfertigt besser, als sie bei ordnungsgemäßer Offenlegung stünden.286) Das Haftungsmodell des Bundesgerichtshofs läuft somit auf eine (bloße) modifizierte Unterbilanzhaftung hinaus, bei der allerdings die Gesellschafter die Darlegungs- und Beweislast287) dafür tragen, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem die wirtschaftliche Neugründung nach außen in Erscheinung trat, keine Differenz zwischen dem statutarischen Stammkapital und dem Wert des Gesellschaftsvermögens bestand288) (siehe § 3 Rn. 22 [Schäfer]). 80

Das beschriebene Haftungskonzept für Fälle nicht angezeigter wirtschaftlicher Neugründungen überzeugt nicht,289) weil es der zentralen Bedeutung der gerichtlichen Präventivkontrolle der Kapitalausstattung nicht Rechnung trägt; insbesondere die Gleichstellung der „Aufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit“ mit der Anzeige gegenüber dem Registergericht290) hat faktisch zur Folge, dass die Anzeigepflicht _____________ 281) BGHZ 192, 341, 349 = ZIP 2012, 817 = WM 2012, 845 = DB 2012, 1024, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer); BGH, ZIP 2014, 418 = GmbHR 2014, 317, dazu EWiR 2014, 273 (Keiluweit); OLG Düsseldorf, ZIP 2012, 2011, 2013 = GmbHR 2012, 1135, dazu EWiR 2013, 11 (Bode). 282) Bachmann, NZG 2012, 579, 580; Jeep, NZG 2012, 1209, 1213; Ulmer, ZIP 2012, 1265, 1267; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 179. 283) KG Berlin, ZIP 2010, 582, 583 = GmbHR 2010, 476 = NZG 2010, 387, dazu EWiR 2010, 291 (Giedinghagen/Rulf). 284) Habersack, AG 2010, 845, 849 f; Kuleisa, DB 2011, 575, 580; Peetz, GmbHR 2011, 178, 181 ff; Podewils, GmbHR 2010, 684, 687; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 178 ff; Wahl/Schult, NZG 2010, 611, 613. Bereits früher, aber diff. Ulmer/Habersack/ Winter-Ulmer, GmbHG, § 3 Rn. 150, 168 f. 285) BGHZ 192, 341, 351 = ZIP 2012, 817 = WM 2012, 845 = DB 2012, 1024, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer). 286) BGHZ 192, 341, 353 = ZIP 2012, 817 = WM 2012, 845 = DB 2012, 1024, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer); KG Berlin, ZIP 2010, 582, 583 = GmbHR 2010, 476 = NZG 2010, 387, dazu EWiR 2010, 291 (Giedinghagen/Rulf); Habersack, AG 2010, 845, 850; K. Schmidt, ZIP 2010, 857, 862 f. 287) Dazu ausführlich Götz, GmbHR 2013, 290, 291 ff. 288) BGHZ 192, 341, 358 = ZIP 2012, 817 = WM 2012, 845 = DB 2012, 1024, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer); BGH, ZIP 2014, 418, 420 = GmbHR 2014, 317, dazu EWiR 2014, 273 (Keiluweit); OLG München, ZIP 2010, 579, 581 = GmbHR 2010, 425 = DB 2010, 836, dazu EWiR 2010, 249 (Melchior); Habersack, AG 2010, 845, 850; Podewils, GmbHR 2010, 684, 688; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 180. Der die Gründer in Anspruch nehmende Insolvenzverwalter muss seine Klage gleichwohl erst einmal beziffern; vgl. dazu Strohn, DB 2012, 1137, 1143. 289) Bachmann, NZG 2011, 441, 443 ff; Bachmann, NZG 2012, 579, 580; Hüffer, NJW 2011, 1772, 1775 ff; Krolop, ZIP 2011, 305, 306 ff. 290) BGHZ 192, 341, 349 = ZIP 2012, 817 = WM 2012, 845 = DB 2012, 1024, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer).

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sanktionslos ignoriert werden kann.291) Die Quelle der vielfach beklagten Rechtsunsicherheit sowie der erheblichen Haftungsrisiken für Verwender von Vorratsgesellschaften und „alten“ GmbH-Mänteln liegt in dem konkretisierungsbedürftigen Tatbestand der Rechtsfigur der wirtschaftlichen Neugründung292) (siehe Rn. 68) sowie in der Entscheidung der Rechtsprechung, die erfassten Vorgänge als ebenso kontrollbedürftig einzustufen wie die rechtliche („Erst“-)Gründung einer GmbH; etwaige Korrekturen müssen folglich an diesen beiden Stellen ansetzen. b) Unterbilanzhaftung (Vorbelastungshaftung) wirtschaftlicher Neugründer nach ordnungsgemäß erfolgter Anzeige Ist die wirtschaftliche Neugründung dagegen ordnungsgemäß angezeigt (siehe Rn. 69) worden, so haften die Gesellschafter – insofern weitgehend unstreitig – gegenüber der GmbH (Innenhaftung) nach dem Modell der Unterbilanzhaftung (Vorbelastungshaftung) (siehe Rn. 56 ff).293) Maßgeblicher Stichtag ist die Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung gegenüber dem Handelsregister.294) Etwas anderes muss nach hier vertretener Ansicht allerdings gelten, wenn die wirtschaftliche Neugründung zwar angezeigt, aber durch das Registergericht beanstandet (siehe Rn. 71) wurde; in diesem Fall greift die Verlustdeckungshaftung (siehe Rn. 78) ein. Inhalt und Umfang der Haftung nach ordnungsgemäßer Anzeige entsprechen der Unterbilanzhaftung der Gesellschafter nach Eintragung in das Handelsregister bei rechtlicher Gründung einer GmbH (siehe Rn. 60 ff).

81

c) Ausgestaltung als reine Innenhaftung Jede Gründerhaftung nach wirtschaftlicher Neugründung ist stets eine reine Innenhaftung gegenüber der GmbH,295) und zwar auch dann, wenn die erforderliche Anzeige gegenüber dem Handelsregister dauerhaft unterblieben ist und daher nach hier vertretener Ansicht die Grundsätze der Verlustdeckungshaftung entsprechend eingreifen (siehe Rn. 78): Einer ausnahmsweisen Durchbrechung der Innenhaftung (siehe Rn. 36) steht die bei ihrer rechtlichen („Erst“-)Gründung bereits erfolgte Eintragung der GmbH in das Handelsregister und das ungeachtet der wirtschaftlichen Neugründung fortbestehende Trennungsprinzip (§ 13 Abs. 2) entgegen.296) Aus diesem Grund scheidet auch eine entsprechende Anwendung der für „unechte“ Vorgesellschaften entwickelten Grundsätze (siehe Rn. 48) aus; es kommt also bei Fehlen oder Wegfall der Absicht zur Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung gegenüber dem Handelsregister nicht etwa zu einer „unechten“ wirtschaftlichen _____________ 291) Bachmann, NZG 2012, 579, 580; Bayer, EWiR 2012, 347, 348; Tavakoli, NJW 2012, 1855, 1856; vorsichtig auch Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 182. 292) Hüffer, NJW 2011, 1772, 1773. 293) OLG Düsseldorf, ZIP 2012, 2011, 2013 = GmbHR 2012, 1135, dazu EWiR 2013, 11 (Bode). 294) BGHZ 155, 318, 326 f = ZIP 2003, 1698 = NZG 2003, 972, dazu EWiR 2003, 967 (Keil); BGH, ZIP 2011, 1761, 1762 = GmbHR 2011, 1032 = DB 2011, 2145, dazu EWiR 2011, 639 (Nolting); BGHZ 192, 341, 348 = ZIP 2012, 817 = WM 2012, 845 = DB 2012, 1024, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer); a. A. Tavakoli, NJW 2012, 1855, 1856; krit. auch Horn, DB 2012, 1255, 1257. 295) A. A. (für Außenhaftung) Heidinger, ZGR 2005, 101, 124 ff. 296) LG Saarbrücken, Urt. v. 12.6.2009 – 13 S 65/09.

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Neugründung mit der Folge einer unbeschränkten persönlichen Außenhaftung der Neugründer gemäß oder entsprechend § 128 HGB.297) Zur (als Außenhaftung konzipierten) Handelndenhaftung analog Absatz 2 siehe Rn. 88. d) Sonstige Modalitäten der Haftung 83

Die Gründerhaftung nach wirtschaftlicher Neugründung trifft gemäß § 16 Abs. 2 auch den Erwerber eines Geschäftsanteils298) sowie nach Kaduzierung gemäß § 21 den Rechtsvorgänger des wirtschaftlichen Neugründers (§ 22 Abs. 1).299) Die Leistung einer Einlage i. H. d. statutarischen Stammkapitals bei oder nach der wirtschaftlichen Neugründung bewirkt keine Haftungsbefreiung.300) Die Geltendmachung der Haftung erfolgt regelmäßig durch den Insolvenzverwalter (siehe Rn. 39). Für die Verjährung gilt § 9 Abs. 2 entsprechend,301) wobei die Verjährungsfrist nach h. M. bei unterlassener Anzeige (siehe Rn. 75) bereits zum Zeitpunkt der wirtschaftlichen Neugründung (Aktivierung der Vorratsgesellschaft oder des Altmantels302) – zweifelhaft, siehe Rn. 78), bei erfolgter Anzeige (siehe Rn. 81) hingegen erst mit Anzeige der wirtschaftlichen Neugründung gegenüber dem Registergericht303) beginnen soll.

84

Bei falscher Anzeige haften Gesellschafter und Geschäftsführer im Übrigen gegenüber der GmbH entsprechend § 9a Abs. 1.304) Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit nach § 82 scheidet dagegen schon des Analogieverbots (Art. 103 Abs. 2 GG) wegen aus.305)

_____________ 297) LG Saarbrücken, Urt. v. 12.6.2009 – 13 S 65/09; Heyer/Reichert-Clauß, NZG 2005, 193, 195; a. A. Bredow/Schumacher, DStR 2003, 1032, 1034 f. Offengelassen bei Goette, DStR 2004, 461, 464 f. 298) BGHZ 192, 341, 355 = ZIP 2012, 817, = WM 2012, 845 = DB 2012, 1024, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer); BGH, ZIP 2014, 418, 420 = GmbHR 2014, 317, dazu EWiR 2014, 273 (Keiluweit); Herresthal/Servatius, ZIP 2012, 197, 203; Horn, DB 2012, 1255, 1258; a. A. Krolop, ZIP 2011, 305, 311; Podewils, GmbHR 2010, 684, 689; Wahl/Schult, NZG 2010, 611, 612. 299) OLG Düsseldorf, ZIP 2012, 2011, 2013 = GmbHR 2012, 1135, dazu EWiR 2013, 11 (Bode). 300) OLG München, ZIP 2010, 579, 581 = GmbHR 2010, 425 = DB 2010, 836, dazu EWiR 2010, 249 (Melchior); Wahl/Schult, NZG 2010, 611, 613. 301) BGH, ZIP 2008, 217, 218 = DStR 2008, 933 = NZG 2008, 147, dazu EWiR 2008, 535 (Ostermaier) (auch zur abweichenden Rechtslage bei Altfällen); OLG Jena, ZIP 2007, 124, 126 = DB 2006, 2624 = ZInsO 2007, 159, dazu EWiR 2007, 433 (Naraschewski). 302) OLG Jena, ZIP 2007, 124, 126 = DB 2006, 2624 = ZInsO 2007, 159, dazu EWiR 2007, 433 (Naraschewski); Peetz, GmbHR 2011, 178, 184. Für Altfälle ebenso BGH, ZIP 2008, 217, 218 = DStR 2008, 933, 934 = NZG 2008, 147, dazu EWiR 2008, 535 (Ostermaier). 303) BGH, ZIP 2008, 217, 218 = DStR 2008, 933 = NZG 2008, 147, dazu EWiR 2008, 535 (Ostermaier) (auch zur abweichenden Rechtslage bei Altfällen); OLG Köln, ZIP 2008, 973, 974 = GmbHR 2008, 704 (LS). 304) KG Berlin, ZIP 2010, 582, 583 = GmbHR 2010, 476 = NZG 2010, 387, dazu EWiR 2010, 291 (Giedinghagen/Rulf); Bachmann, NZG 2012, 579, 580; Heidinger, ZGR 2005, 101, 110. 305) BGHZ 192, 341, 353 = ZIP 2012, 817 = WM 2012, 845 = DB 2012, 1024, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer).

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§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

VII.

Handelndenhaftung gemäß Absatz 2

Die persönliche (Außen-)Haftung der für die Gesellschaft vor deren Eintragung Handelnden, die Absatz 2 vorsieht, hat ihre historische Funktion306) durch die zwischenzeitliche Entwicklung einer umfassenden Gründerhaftung (siehe Rn. 28) heute weitgehend verloren.307) Ihre Bedeutung ist daher mittlerweile begrenzt.308) 1.

85

Normzweck

Der Handelndenhaftung nach Absatz 2 kommt nach heutigem Verständnis ein zweifacher Zweck zu: Sie soll den Gläubigern zum einen dafür einen Ausgleich geben, dass die Kapitalgrundlage der ihnen zunächst haftenden Vorgesellschaft noch nicht gerichtlich kontrolliert und durch zwingende Schutzvorschriften gesichert ist;309) insofern kommt ihr nach zutreffender, aber bestrittener Ansicht auch weiterhin eine gewisse Druckfunktion zu, mittels derer die Geschäftsführer zum aktiven Betreiben der Gesellschaftseintragung angehalten werden sollen.310) Zum anderen soll die Haftung nach Absatz 2 für die Gläubiger das Risiko kompensieren, das aus einem etwaigen Überschreiten der Vertretungsmacht der Handelnden (die bei der Vorgesellschaft vom nicht notwendigerweise erkennbaren Gesellschaftszweck abhängt; siehe Rn. 11, 15, 19 f) resultiert.311)

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Die Handelndenhaftung nach Absatz 2 ist dabei nur einschlägig, sofern es um während des Vorgesellschaftsstadiums begründete Verbindlichkeiten geht. Sie ist nach h. M. dagegen von vornherein nicht eröffnet, soweit im Vorgründungsstadium, d. h. bei Bestehen einer bloßen Vorgründungsgesellschaft (siehe Rn. 4 ff) gehandelt wurde.312) Auch im Entstehungsstadium einer Einpersonen-GmbH (siehe Rn. 98) kommt eine Handelndenhaftung nach Absatz 2 folglich erst in Frage, nachdem der Notar die Errichtungserklärung nach §§ 1, 2 Abs. 1 beurkundet hat.313) Des Weiteren ist erforderlich, dass die Haftung nach Absatz 2 vor Eintragung der GmbH geltend

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_____________ 306) Vgl. hierzu Merkt in: MünchKomm-GmbHG, § 11 Rn. 115 f. 307) BGH, ZIP 2004, 1409 = GmbHR 2004, 1151 = NJW 2004, 2519, dazu EWiR 2004, 783 (Drygala); BGH, ZIP 2011, 1761, 1762 = GmbHR 2011, 1032 = DB 2011, 2145, dazu EWiR 2011, 639 (Nolting). 308) S. nur Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 11 Rn. 24 – weitgehend obsolet. 309) BGHZ 80, 182, 184 = ZIP 1981, 516 = NJW 1981, 1452; BGHZ 91, 148, 152 = ZIP 1984, 950 = NJW 1984, 2164; OLG Oldenburg, NZG 2001, 811, 812 = GmbHR 2001, 973; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 45. 310) BGH, Urt. v. 27.2.1961 – II ZR 253/59, LM Nr. 10 zu § 11 GmbHG; BGHZ 47, 25, 29 = NJW 1967, 828; Henssler/Strohn-Schäfer, GesR, § 11 GmbHG Rn. 48 f; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 93; für eine allenfalls beschränkte Bedeutung der Druckfunktion hingegen BGH, ZIP 2004, 1409, 1410 = GmbHR 2004, 1151 = NJW 2004, 2519 (zu § 41 Abs. 1 AktG), dazu EWiR 2004, 783 (Drygala); Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 11 Rn. 124. 311) BGHZ 155, 318, 327 = ZIP 2003, 1698 = NZG 2003, 972, dazu EWiR 2003, 967 (Keil); BGH, ZIP 2004, 1409, 1410 = GmbHR 2004, 1151 = NJW 2004, 2519 – zur Vor-AG, dazu EWiR 2004, 783 (Drygala); BGH, ZIP 2011, 1761, 1762 = GmbHR 2011, 1032 = DB 2011, 2145, dazu EWiR 2011, 639 (Nolting). 312) BGHZ 91, 148, 152 f = ZIP 1984, 950 = NJW 1984, 2164 – Aufgabe der bis dahin bestehenden, gegenteiligen Rspr.; BGH, GmbHR 1985, 214 = WM 1985, 479; BAG, ZIP 2006, 1672 = NJW 2006, 3230 = DB 2006, 1944; OLG Hamm, GmbHR 1997, 602, 603. 313) OLG Brandenburg, Urt. v. 5.4.2011 – 11 U 121/09.

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§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

gemacht wird, da sie mit Eintragung nach h. M. erlischt.314) Von einem Fortbestand der Handelndenhaftung wird man nach Sinn und Zweck allerdings dort auszugehen haben, wo der Handelnde die Vorgesellschaft mangels Vertretungsmacht nicht verpflichten konnte.315) 88

In Fällen der „wirtschaftlichen Neugründung“ einer GmbH (siehe Rn. 68) wird Absatz 2 von der h. M. analog angewandt.316) Der Rechtsprechung zufolge gilt dies allerdings nur, sofern die Geschäfte vor Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung gegenüber dem Handelsregister aufgenommen wurden, ohne dass dem alle Gesellschafter zugestimmt haben317) – lag eine Zustimmung sämtlicher Gesellschafter vor, so soll eine Handelndenhaftung nach Absatz 2 ausscheiden. Spricht man Absatz 2 demgegenüber – wie hier (siehe Rn. 86; ebenso siehe § 3 Rn. 20 [Schäfer]) – auch eine Druckfunktion zu, kann diese Einschränkung nicht überzeugen, weil die Pflicht der Geschäftsführer zur Anzeige der wirtschaftlichen Neugründung gegenüber dem Handelsregister durch eine Zustimmung aller Gesellschafter nicht beseitigt wird. Die Handelndenhaftung endet in Fällen wirtschaftlicher Neugründung mit deren Offenlegung gegenüber dem Handelsregister, weil ab diesem Zeitpunkt die Gründerhaftung nach dem Modell der Unterbilanzhaftung (siehe Rn. 81) eingreift.318) 2.

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Im Namen der Gesellschaft Handelnde

Die Handelndenhaftung nach Absatz 2 beschränkt sich nach heutiger Ansicht auf Geschäftsführer sowie Personen, die wie ein Geschäftsführer tätig werden (faktische Geschäftsführer);319) auf eine wirksame Bestellung kommt es also nicht an. Absatz 2 erfasst dabei auch Geschäftsführer, die einen anderen (etwa einen Bevollmächtigten oder einen lediglich gesamtvertretungsberechtigten Mitgeschäftsführer) für sich handeln lassen,320) nicht dagegen (nicht geschäftsführende) Gesellschafter, und _____________ 314) BGHZ 80, 129, 145 = ZIP 1981, 394 = NJW 1981, 1373; BGHZ 80, 182, 183 = ZIP 1981, 516 = NJW 1981, 1452; BGH, ZIP 1983, 933 = GmbHR 1984, 41 = NJW 1983, 2822; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 53. 315) OLG Oldenburg, NZG 2001, 811, 812 = GmbHR 2001, 973; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 53; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 11 Rn. 29; Saenger/InhesterPfisterer, GmbHG, § 11 Rn. 29; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 11 Rn. 147; a. A. Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 120. 316) BGHZ 155, 318, 327 = ZIP 2003, 1698 = NZG 2003, 972, dazu EWiR 2003, 967 (Keil); BGH, ZIP 2011, 1761, 1762 = GmbHR 2011, 1032 = DB 2011, 2145, dazu EWiR 2011, 639 (Nolting); OLG Jena, ZIP 2004, 2327, 2328 = GmbHR 2004, 1468 = NZG 2004, 1114, dazu EWiR 2005, 179 (Werner); Horn, DB 2012, 1255, 1256; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 3 Rn. 14; Saenger/Inhester-Pfisterer, GmbHG, § 11 Rn. 24; a. A. Herresthal/Servatius, ZIP 2012, 197, 204; Priester, ZHR 168 (2004) 248, 263 f; K. Schmidt, GesR, § 4 III. 3. e); Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 99; Ulmer/Habersack/LöbbeUlmer/Löbbe, GmbHG, § 3 Rn. 161, 187; Ulmer, ZIP 2012, 1265, 1271. 317) BGH, ZIP 2011, 1761, 1762 = GmbHR 2011, 1032 m. Anm. Bayer = DB 2011, 2145, dazu EWiR 2011, 639 (Nolting). 318) BGH, ZIP 2011, 1761, 1762 = GmbHR 2011, 1032 = DB 2011, 2145, dazu EWiR 2011, 639 (Nolting); Podewils, GmbHR 2010, 684, 686. 319) BGHZ 66, 359, 360 f= NJW 1976, 1685; BGHZ 80, 129, 135 = ZIP 1981, 394 = NJW 1981, 1373; BGHZ 91, 148, 153 = ZIP 1984, 950 = NJW 1984, 2164. 320) BGHZ 53, 206, 208 = NJW 1970, 1043; BGH, NJW 1974, 1284 = GmbHR 1974, 153; OLG Hamm, GmbHR 1997, 602, 603.

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Rechtszustand vor der Eintragung

zwar auch dann nicht, wenn der betreffende Gesellschafter mit der Geschäftsaufnahme vor Eintragung einverstanden war, sie veranlasst, gefördert oder erst ermöglicht hat.321) Auch Prokuristen und andere rechtsgeschäftlich Bevollmächtigte der Gesellschaft haften nicht nach Absatz 2;322) ebenso wenig Mitglieder eines etwa bestehenden Aufsichtsrats.323) Handelt der Geschäftsführer einer noch nicht eingetragenen Komplementär-GmbH im Namen der KG, so findet Absatz 2 entsprechende Anwendung.324) Der im Namen einer ausländischen Gesellschaft Handelnde wird dem Normwortlaut nach nicht von Absatz 2 erfasst. Die Rechtsprechung wendet die Vorschrift aber weiterhin analog bei nach ausländischem Recht gegründeten Gesellschaften an, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz im Inland haben und der kollisionsrechtlichen Sitztheorie unterfallen;325) durch den „Brexit“ könnte diese Konstellation künftig zusätzliche Bedeutung erlangen.326) Allerdings ist die beschriebene Erstreckung der Handelndenhaftung schon deshalb abzulehnen, weil entsprechende Auslandsgesellschaften nach neuerer Rechtsprechung als Personengesellschaften deutschen Rechts behandelt und daher OHG- bzw. GbR-Recht unterstellt werden,327) dessen Ergänzung um eine Haftung analog Absatz 2 systemwidrig ist.328) Im Anwendungsbereich der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV; früher Art. 43, 48 EG) oder völkervertraglicher Äquivalente (im Verhältnis zu den EWR-Staaten und den USA) ist eine Handelndenhaftung entsprechend Absatz 2 per se ausgeschlossen.329)

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In sachlicher Hinsicht umfasst Absatz 2 nur rechtsgeschäftliches330) oder rechtsgeschäftsähnliches331) Handeln gegenüber Dritten, wobei im Namen der GmbH332) _____________

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321) BGHZ 47, 25, 27 ff = NJW 1967, 828; BGHZ 65, 378, 380 f = NJW 1976, 419; BGHZ 72, 45, 46 f = NJW 1978, 1978. 322) BGHZ 66, 359, 361 = NJW 1976, 1685; OLG Oldenburg, NZG 1999, 729 m. Anm. Michalski/de Vries; Raiser/Veil, KapG, § 26 Rn. 115. 323) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 105; vgl. aber BGH, ZIP 2004, 1409, 1410 = GmbHR 2004, 1151 = NJW 2004, 2519 – zu § 41 Abs. 1 AktG, dazu EWiR 2004, 783 (Drygala). 324) BGHZ 80, 129, 133 = ZIP 1981, 394 = NJW 1981, 1373; BAG, ZIP 2008, 1740, 1744 = DB 2007, 1161; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 70. 325) BGH, ZIP 2009, 2385, 2386 = GmbHR 2010, 211 = AG 2010, 79 – Gesellschaft singapurischen Rechts, dazu EWiR 2010, 117 (Lieder/Kliebisch); Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 100. 326) Mayer/Manz, BB 2016, 1731, 1733. 327) BGHZ 151, 204, 206 = ZIP 2002, 1763 = GmbHR 2002, 1021, dazu EWiR 2002, 971 (Emde); BGH, ZIP 2008, 2411, 2413 = GmbHR 2009, 138 = NJW 2009, 289, dazu EWiR 2009, 355 (Tepfer); vgl. näher Weller in: FS Goette, S. 591 ff. 328) Tendenziell krit. auch Schulz/Wasmeier, RIW 2010, 657, 662 ff. 329) BGH, ZIP 2005, 805, 806 = GmbHR 2005, 630= NJW 2005, 1648, dazu EWiR 2005, 431 (Bruns); OLG Hamm, NZG 2006, 826 f = NJW-RR 2006, 1631; a. A. Kindler, AG 2007, 721, 727. 330) BGHZ 53, 210, 214 = NJW 1970, 806; BGHZ 65, 378, 380 f = NJW 1976, 419; BGHZ 76, 320, 322 = ZIP 1980, 366 = NJW 1980, 1630. 331) Für unberechtigte Mahnung und Zahlungsaufforderung OLG Karlsruhe, ZIP 1998, 958 = GmbHR 1998, 239 = NJW-RR 1998, 474; näher Michalski, NZG 1998, 248 f. 332) BGHZ 53, 210, 214 = NJW 1970, 806; BGHZ 65, 378, 380 f = NJW 1976, 419; BGHZ 66, 359, 360 = NJW 1976, 1685.

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oder im Namen der Vorgesellschaft333) aufgetreten worden sein kann. Keine Rolle spielt, ob die Gesellschaft, in deren Namen gehandelt wurde, später unter der dabei genannten Firma in das Handelsregister eingetragen worden ist oder nicht, weil sich der Schutzzweck des Absatzes 2 nicht auf die richtige Firmenbezeichnung erstreckt.334) Dass der Vertragspartner wusste oder wissen musste, dass er mit einer nicht eingetragenen Vorgesellschaft kontrahierte, steht einer Haftung nach Absatz 2 nicht im Wege, denn es handelt sich um keine Vertrauenshaftung.335) Bei einer GmbH & Co. KG i. Gr. reicht ein Auftreten des Geschäftsführers im Namen der KG aus.336) Vertretungsmacht des Handelnden ist keine Voraussetzung seiner Haftung.337) 3. 92

Inhalt und Umfang der Haftung

Die Handelnden haften den Gläubigern nach Absatz 2 unbeschränkt und unmittelbar (Außenhaftung) für die Folgen ihres rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen338) Handelns, nicht hingegen für kraft Gesetzes begründete Gesellschaftsverbindlichkeiten339) wie namentlich Steuern340) und Sozialversicherungsbeiträge341) oder für rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten, die nicht durch die Handelnden begründet wurden, sondern etwa nach § 25 HGB342) oder § 613a BGB343) auf die Vorgesellschaft übergegangen sind. Der Haftungsinhalt bestimmt sich nach dem Inhalt der vom Handelnden namens der Gesellschaft eingegangenen Verbindlichkeit344) und kann daher nicht nur auf Zahlung oder Schadensersatz, sondern auch auf Naturalleistung gerichtet sein;345) die Handelndenhaftung ist im Außenverhältnis nicht i. S. einer Ausfallhaftung nur subsidiär.346) Der nach Absatz 2 haftende Geschäftsführer kann dem Gläubiger die Einwendungen und Einreden entgegenhalten, die der Gesellschaft zustehen oder (bei mangelnder Verpflichtung _____________ 333) BGHZ 91, 148, 149 = ZIP 1984, 950 = NJW 1984, 2164; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 48; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 11 Rn. 27; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 107; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 11 Rn. 137; a. A. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 11 Rn. 24. 334) OLG Oldenburg, NZG 2001, 811, 812 = GmbHR 2001, 973. 335) BGH, Urt. v. 27.2.1961 – II ZR 253/59, LM Nr. 10 zu § 11 GmbHG; OLG Hamburg, GmbHR 1963, 50, 51; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 109. 336) BAG, ZIP 2008, 1740, 1744 = DB 2007, 1161. 337) BGH, Urt. v. 27.2.1961 – II ZR 253/59, LM Nr. 10 zu § 11 GmbHG; BGHZ 80, 182, 183 = ZIP 1981, 516 = NJW 1981, 1452; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 107a. 338) So für Ansprüche aus §§ 812 ff BGB: OLG Karlsruhe, ZIP 1998, 958 = GmbHR 1998, 239 = NJW-RR 1998, 474. 339) A. A. jüngst Schwab, NZG 2012, 481, 484 – für analoge Anwendung des Absatzes 2. 340) BFH, GmbHR 1997, 187, 188. 341) BAG, ZIP 2000, 1546, 1548 = GmbHR 2000, 1041 = NJW 2000, 2915, dazu EWiR 2000, 915 (Goette); BAG, ZIP 2006, 1044, 1046 = GmbHR 2006, 756 = NZG 2006, 507. 342) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 106. 343) LAG Thüringen, ZIP 2001, 1106, 1114 = NZA-RR 2001, 121, dazu EWiR 2000, 857 (Künzl). 344) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 111; teilweise a. A. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 11 Rn. 37. 345) Vgl. RGZ 72, 401, 406. 346) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 111, 113; a. A. Beuthien in: FS Hadding, S. 309 f.

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Rechtszustand vor der Eintragung

der Gesellschaft infolge fehlender Vertretungsmacht) zustünden.347) Der Anspruch aus Absatz 2 verjährt innerhalb der Frist, die für die Verbindlichkeit der Gesellschaft gilt bzw. gelte;348) eine durch Klage gegen die Gesellschaft eingetretene Verjährungshemmung wirkt auch gegenüber dem Handelnden.349) Die Haftung nach Absatz 2 besteht dabei nur gegenüber Dritten, nicht auch gegenüber Gesellschaftern, und zwar nach h. M. selbst dann nicht, wenn diese als Drittgläubiger eine Forderung gegen die Gesellschaft besitzen350) – Letzteres erscheint nicht zweifelsfrei, weil handelnde Geschäftsführer von den Gesellschaftern nach der heutigen Konzeption der Verlustdeckungshaftung (siehe Rn. 27 ff) keine Haftungsfreistellung mehr verlangen könnten (siehe Rn. 97).351) Mehrere Handelnde haften nach Absatz 2 „persönlich und solidarisch“, d. h. als Gesamtschuldner i. S. d. §§ 421 ff BGB.352) In ihrem Verhältnis zur Haftung der Vorgesellschaft (siehe Rn. 26) wird die Handelndenhaftung überwiegend als akzessorische Haftung angesehen, § 129 HGB soll analog oder sinngemäß gelten.353) Überzeugender erscheint es, auch Vorgesellschaft und Handelnde(n) als Gesamtschuldner einzuordnen,354) weil ihr Verhältnis alle Merkmale des § 421 BGB aufweist; §§ 421 ff BGB greifen folglich direkt ein. Dass die Verjährung des gegen die Vorgesellschaft gerichteten Anspruchs entgegen der Vermutung des § 425 Abs. 2 BGB auch dem nach Absatz 2 haftenden Handelnden zugutekommen muss,355) lässt sich damit begründen, dass sich insoweit i. S. d. § 425 Abs. 1 BGB aus dem Schuldverhältnis ein anderes ergibt.

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Abbedingung oder Beschränkung der Haftung durch Vereinbarung mit einem Gläubiger ist möglich;356) entsprechende (insbesondere konkludente) Abreden dürfen

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_____________ 347) OLG Oldenburg, NZG 2001, 811, 813 = GmbHR 2001, 973 – für Einrede der Wandelung nach BGB a. F.; Raiser/Veil, KapG, § 26 Rn. 116. 348) RGZ 75, 203, 205 ff; BGHZ 69, 95, 104 = NJW 1977, 1683; OLG Dresden, Urt. v. 8.12.2016 – 8 U 467/16, BeckRS 2016, 130064 Tz. 3.8.2.1. 349) OLG Dresden, Urt. v. 8.12.2016 – 8 U 467/16, BeckRS 2016, 130064 Tz. 3.8.2.3. 350) BGHZ 76, 320, 325 = ZIP 1980, 366 = NJW 1980, 1630; Henssler/Strohn-Schäfer, GesR, § 11 GmbHG Rn. 56; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 11 Rn. 27; Merkt in: MünchKomm-GmbHG, § 11 Rn. 136; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 11 Rn. 140. 351) Dies war das entscheidende Argument gegen eine Haftung aus Absatz 2 in BGHZ 76, 320, 325 f = ZIP 1980, 366 = NJW 1980, 1630; vgl. auch H. Schmidt, GmbHR 1988, 129, 134 Fn. 62. 352) Kleindiek, ZGR 1997, 427, 437. 353) Ostheim, GesRZ 1982, 124, 127; Henssler/Strohn-Schäfer, GesR, § 11 GmbHG Rn. 57; Merkt in: MünchKomm-GmbHG, § 11 Rn. 141; Saenger/Inhester-Pfisterer, GmbHG, § 11 Rn. 28; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 111; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/ Habersack, GmbHG, § 11 Rn. 141, 144. 354) RGZ 72, 401, 406; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 51; Rowedder/SchmidtLeithoff-Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 11 Rn. 128. 355) In diesem Sinne auch RGZ 75, 203, 205 f; BGHZ 69, 95, 104 = NJW 1977, 1683; Saenger/Inhester-Pfisterer, GmbHG, § 11 Rn. 28; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 111; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 11 Rn. 144. 356) BGHZ 53, 210, 213 = NJW 1970, 806; BGH, GmbHR 1973, 798 = NJW 1973, 798.

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Rechtszustand vor der Eintragung

aber – entgegen Tendenzen in der früheren Rechtsprechung357) – keinesfalls vorschnell angenommen werden.358) 95

Unterliegt die im Namen der Gesellschaft begründete Verbindlichkeit einer Schiedsvereinbarung (§ 1029 ZPO), so kann auch die Handelndenhaftung nach Absatz 2 nur vor einem entsprechenden Schiedsgericht durchgesetzt werden.359) 4.

Konkurrenzen, Regress

a) Konkurrenzen 96

Der sachliche Anwendungsbereich der Handelndenhaftung nach Absatz 2 überschneidet sich mit demjenigen der Falsus-procurator-Haftung nach § 179 BGB: Beide Vorschriften sind einschlägig, sofern der Geschäftsführer in concreto außerhalb seiner Geschäftsführungsbefugnis (siehe Rn. 15) und daher ohne Vertretungsmacht (siehe Rn. 19) gehandelt hat, die Vorgesellschaft also nicht rechtsgeschäftlich binden konnte. Nach zutreffender Ansicht finden sie in diesem Fall parallel Anwendung,360) während die Gegenansicht Absatz 2 als lex specialis ansieht und daher allein anwenden will.361) § 179 BGB ist allein einschlägig, wenn der Geschäftsführer für eine nicht existente Vorgesellschaft gehandelt hat362) und ausnahmsweise nicht lediglich eine Falschbezeichnung der Gesellschaft vorliegt, die nach den Grundsätzen unternehmensbezogener Geschäfte363) zur Bindung der das Unternehmen tragenden Gesellschaft führt. b) Regress des Haftenden

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Die Handelnden haben aus ihrem Anstellungsvertrag in Übereinstimmung mit §§ 611, 675, 670 BGB Befreiungs- bzw. Regressansprüche gegen die Vorgesellschaft und, nach erfolgter Eintragung, gegen die mit dieser identische GmbH,364) sofern sie ihren Geschäftsleiterpflichten gemäß § 43 (siehe Rn. 16) gerecht geworden sind.365) Daneben tritt ein Freistellungs- bzw. Ausgleichsanspruch gegen die Vorgesellschaft aus § 426 Abs. 1 BGB,366) und schließlich geht die Forderung des Gläubigers gegen die Vorgesellschaft nach § 426 Abs. 2 BGB (ggf. anteilig) auf den leistenden Geschäftsführer über.367) Ein Regress gegen die Gesellschafter scheidet _____________ 357) Vgl. etwa RGZ 116, 71, 74. 358) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 11 Rn. 126; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 110. 359) Müller/Keilmann, SchiedsVZ 2007, 113, 116; Zöller-Geimer, ZPO, § 1029 Rn. 60. 360) Lutter, JuS 1998, 1073, 1076; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 120. 361) Raiser/Veil, KapG, § 26 Rn. 116; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Michalski, GmbHG, § 11 Rn. 96; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 11 Rn. 139. 362) Merkt in: MünchKomm-GmbHG, § 11 Rn. 127. 363) Vgl. Schramm in: MünchKomm-BGB, § 164 Rn. 23 ff. 364) H. Schmidt, GmbHR 1988, 129; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 11 Rn. 34; Roth, ZGR 1984, 597, 619 ff; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 114; Wiedenmann, ZIP 1997, 2029, 2035. 365) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 114. 366) Henssler/Strohn-Schäfer, GesR, § 11 GmbHG Rn. 60. 367) Henssler/Strohn-Schäfer, GesR, § 11 GmbHG Rn. 59; s. a. Ulmer/Habersack/LöbbeUlmer/Habersack, GmbHG, § 11 Rn. 149: § 774 Abs. 1 Satz 1 BGB analog.

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Rechtszustand vor der Eintragung

dagegen regelmäßig aus, weil diese vor Eintragung der GmbH grundsätzlich nur die Verlustdeckungshaftung als Innenhaftung gegenüber der Vorgesellschaft trifft (siehe Rn. 35);368) etwas anderes kommt nur dort in Frage, wo diese Innenhaftung ausnahmsweise durchbrochen wird (siehe Rn. 36). VIII. Entstehung einer Einpersonen-GmbH Der Rechtszustand vor Eintragung einer Einpersonen-GmbH ist im Schrifttum in vielerlei Hinsicht umstritten;369) für die Praxis relevante Fragen sind allerdings mittlerweile überwiegend geklärt. Die Grundsätze, die für die entstehende MehrpersonenGmbH gelten, finden danach fast durchgehend auch bei der Einpersonen-GmbH Anwendung: So greift die persönliche Haftung des Vorgründungsgesellschafters (siehe Rn. 8) auch bei nachfolgender Errichtung und Eintragung einer EinpersonenGmbH.370) Im Vorgesellschaftsstadium verfügt die Einpersonen-Vorgesellschaft sodann über eigenes, vom Privatvermögen des Gründers zu trennendes Vermögen,371) kann unbeschränkt am Rechtsverkehr teilnehmen und wird zutreffend als rechtsfähig angesehen;372) sie wird durch den Geschäftsführer vertreten, zu dem der Alleingesellschafter sich auch selbst bestellen kann (dann: § 35 Abs. 3).373) Die Verlustdeckungshaftung greift gleichermaßen ein, ist hier aber nach h. M. durchgehend als Außenhaftung ausgestaltet.374) Auch die Handelndenhaftung nach Absatz 2 findet Anwendung.375)

98

Bei Aufgabe der Gründung oder endgültigem Scheitern der Eintragung findet nach h. M. keine Liquidation statt; die Aktiva und Passiva der Vorgesellschaft fallen dem einzigen Gesellschafter vielmehr ohne weiteres an.376) Bei erfolgter Eintragung erstarkt die Einpersonen-Vorgesellschaft zur Einpersonen-GmbH; Rechte und Pflichten setzen sich damit nach hier vertretener Auffassung einfach fort (formwechselnde Identität; nach h. M. hingegen: automatischer Übergang; dazu siehe Rn. 54 f).377) Die Verlustdeckungsaußenhaftung des Gesellschafters geht zugleich in eine Unterbilanzinnenhaftung gegenüber der GmbH über (siehe Rn. 53).378)

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_____________ 368) 369) 370) 371) 372)

373) 374)

375) 376) 377) 378)

Wiedenmann, ZIP 1997, 2029, 2035. S. ausführlich Merkt in: FS K. Schmidt, S. 1161 ff. BGH, NJW-RR 2001, 1042, 1043 = GmbHR 2001, 293 = NZG 2001, 561. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 11 Rn. 31. Str., wie hier BGH, ZIP 1999, 489, 490 = NZG 1999, 960 = NJW-RR 1999, 1554; LG Berlin, GmbHR 2001, 391, 392; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 11 Rn. 31; a. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 11 Rn. 24 f. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 11 Rn. 31; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 150; a. A. Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 11 Rn. 148. BGHZ 134, 333, 341 = ZIP 1997, 679 = NJW 1997, 1507, dazu EWiR 1997, 463 (Fleischer); BFH, ZIP 1998, 1149, 1151 = GmbHR 1998, 854 = NJW 1998, 2926, dazu EWiR 1998, 745 (Bork); BFHE 225, 85 = BStBl. II 2009, 600 = NJW 2009, 3743, 3744; BFH, NJW-RR 2010, 1124, 1125 = ZIP 2010, 1036 (LS) = GmbHR 2010, 764; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 11 Rn. 84. BGHZ 91, 148, 149 = ZIP 1984, 950 = NJW 1984, 2164. BGH, ZIP 1999, 489, 490 = NZG 1999, 960 = WM 1999, 686; LG Berlin, GmbHR 2001, 391, 392; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 11 Rn. 31. Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 11 Rn. 151. BGH, ZIP 2005, 2257 = GmbHR 2006, 88 = NZG 2006, 64, dazu EWiR 2006, 143 (Wilhelm).

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Bekanntmachungen der Gesellschaft

§ 12 Bekanntmachungen der Gesellschaft Ulrich G. Schroeter

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Bestimmt das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag, dass von der Gesellschaft etwas bekannt zu machen ist, so erfolgt die Bekanntmachung im Bundesanzeiger (Gesellschaftsblatt). 2Daneben kann der Gesellschaftsvertrag andere öffentliche Blätter oder elektronische Informationsmedien als Gesellschaftsblätter bezeichnen. Literatur: Apfelbaum, Wichtige Änderungen für Notare durch das EHUG jenseits der elektronischen Handelsregisteranmeldung, DNotZ 2007, 166; Noack, Elektronische Publizität im Aktien- und Kapitalmarktrecht in Deutschland und Europa, AG 2003, 537; Noack, Pflichtbekanntmachungen bei der GmbH: Neue Regeln durch das Justizkommunikationsgesetz, DB 2005, 599; Oppermann, Bekanntmachungen der GmbH und der AG im „Bundesanzeiger“, RNotZ 2005, 597; Spindler/Kramski, Der elektronische Bundesanzeiger als zwingendes Gesellschaftsblatt für Pflichtbekanntmachungen der GmbH, NZG 2005, 746; Stuppi, Bekanntmachungen der GmbH nach § 12 GmbHG, GmbHR 2006, 138; Terbrack, Neuregelung der Bekanntmachungen bei der GmbH, DStR 2005, 2045. Übersicht I. Regelungsgegenstand der Norm ........ II. Gesetzlich geregelte Bekanntmachungen (Satz 1) ............................. III. Satzungsmäßig geregelte Bekanntmachungen ............................. 1. Zusätzliche Bekanntmachungstatbestände (Satz 1) ..............................

I.

1 3 5

2.

Zusätzliche (gekorene) Gesellschaftsblätter (Satz 2) ........................... 6 3. Satzungsbezugnahmen auf den Bundesanzeiger (Satz 3 a. F.) ............... 8 IV. Unterlassene oder fehlerhafte Bekanntmachungen ........................... 10

5

Regelungsgegenstand der Norm

1

§ 12 vereinheitlicht durch die Einführung des gesetzlichen Gesellschaftsblattes die Unternehmenspublizität der GmbH und legt in Gestalt des Bundesanzeigers zugleich ein diesbezügliches Pflichtmedium fest. Die Vorschrift dient damit dem erleichterten Informationszugang der Publizitätsadressaten (also vor allem der Gläubiger, aber auch der Gesellschafter);1) sie ist insgesamt zwingend.2)

2

Satz 1 und 2 wurden zum 1.4.2005 eingeführt. Als der elektronische Bundesanzeiger zum 1.4.2012 zur einzigen verbleibenden Form des Bundesanzeigers wurde (siehe Rn. 4), wurde als Folgeänderung in Satz 1 das Wort „elektronischen“ vor dem Wort „Bundesanzeiger“ gestrichen.3) Als weitere Folgeänderung fiel mit Wirkung zum 1.4.2012 der bisherige Satz 3 weg, der zum 1.1.2007 hinzugefügt worden war4) (dazu siehe Rn. 8). Eine Parallelnorm (mit allerdings engerem Anwendungsbereich) enthält § 25 AktG. Der frühere, bereits zum 1.11.1993 aufgehobene § 12 a. F. betraf Zweigniederlassungen, die nunmehr in §§ 13 ff HGB geregelt sind. _____________ 1) 2) 3)

4)

302

Vgl. Noack, AG 2003, 537 ff; Wicke in: MünchKomm-GmbHG, § 12 Rn. 1. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 12 Rn. 4. Durch Art. 2 Abs. 51 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über Verkündung und Bekanntmachung sowie der ZPO, des EGZPO und der AO v. 22.12.2011, BGBl. I 2011, 3044 ff. Durch das EHUG v. 10.11.2006; dazu Apfelbaum, DNotZ 2007, 166.

Ulrich G. Schroeter

§ 12

Bekanntmachungen der Gesellschaft

II. Gesetzlich geregelte Bekanntmachungen (Satz 1) Durch das Gesetz bestimmte Bekanntmachungspflichten i. S. d. Satzes 1 sind nur solche nach dem GmbHG, nicht auch nach anderen Gesetzen (wie etwa dem WpHG oder § 19 Satz 1 MitbestG5)). Gemeint sind zudem nur Bekanntmachungen der Gesellschaft, während etwa die Bekanntmachung von nach dem GmbHG erforderlichen Handelsregistereintragungen durch das Registergericht erfolgt und § 10 HGB unterliegt;6) aus diesem Grund ist auch die Bekanntmachung der Bestellung oder des Wechsels von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 52 Abs. 2 Satz 3 kein Fall des § 12 Satz 1.7) Bekanntmachungen der Gesellschaft schreibt das GmbHG in § 30 Abs. 2 Satz 2 (beschlossene Rückzahlung von Nachschüssen), § 58 Abs. 1 Nr. 1 (beschlossene Herabsetzung des Stammkapitals), §§ 65 Abs. 2, 73 Abs. 1 (Auflösung der GmbH mit Gläubigeraufforderung)8) und § 75 Abs. 2 i. V. m. § 246 Abs. 4 Satz 1 AktG (Erhebung der Nichtigkeitsklage) vor.

3

Gesetzlich vorgeschriebene Bekanntmachungen müssen im Gesellschaftsblatt erfolgen, bei dem es sich nach der Legaldefinition9) des Satzes 1 um den vom Bundesministerium der Justiz herausgegebenen Bundesanzeiger handelt. Dieser erscheint seit dem 1.4.2012 nur noch elektronisch (§ 5 Abs. 1 VkBkmG); die zuvor parallele Veröffentlichung des Bundesanzeigers in gedruckter (d. h. Papier-) und in elektronischer Form ist damit beendet worden (§ 12 VkBkmG).10) Der Bundesanzeiger ist im Internet verfügbar;11) seine Betreiber sind zur Aufnahme ordnungsgemäß eingereichter Bekanntmachungen verpflichtet.12) Zum Nachweis der Bekanntmachung (etwa gegenüber dem Handelsregister) genügt die Angabe der Internetfundstelle.13)

4

III. Satzungsmäßig geregelte Bekanntmachungen 1.

Zusätzliche Bekanntmachungstatbestände (Satz 1)

Nach Satz 1 kann der Gesellschaftsvertrag zusätzliche, vom Gesetz nicht angeordnete bekanntmachungspflichtige Tatbestände vorsehen.14) Beispiele sind die Einberufung der Gesellschafterversammlung15) oder personelle Veränderungen in fakultati_____________ 5) A. A. Saenger/Inhester-Pfisterer, GmbHG, § 12 Rn. 7; Wicke, GmbHG, § 12 Rn. 2; Wicke in: MünchKomm-GmbHG, § 12 Rn. 5. 6) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 12 Rn. 5; Scholz-Veil, GmbHG, § 12 Rn. 5; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 12 Rn. 6. 7) A. A. Stuppi, GmbHR 2006, 138. 8) Zu § 12 in diesem Zusammenhang OLG Stuttgart, ZIP 2011, 84 = GmbHR 2011, 38 = NZG 2011, 29. 9) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 12 Rn. 2; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/ Habersack, GmbHG, § 12 Rn. 3. 10) Art. 1 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über Verkündung und Bekanntmachung sowie der ZPO, des EGZPO und der AO v. 22.11.2011, BGBl. I 2011, 3044 ff. 11) www.bundesanzeiger.de. 12) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 12 Rn. 4; Terbrack, DStR 2005, 2045; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 12 Rn. 3; vgl. jetzt § 9 VkBkmG. 13) Terbrack, DStR 2005, 2045, 2047; Wicke in: MünchKomm-GmbHG, § 12 Rn. 4. 14) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 12 Rn. 5. 15) Scholz-Veil, GmbHG, § 12 Rn. 5; Saenger/Inhester-Pfisterer, GmbHG, § 12 Rn. 8; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 12 Rn. 5.

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5

§ 12

Bekanntmachungen der Gesellschaft

ven beiratsähnlichen Gremien;16) aufgrund des typischerweise engen Mitgliederkreises der GmbH ist das praktische Bedürfnis für gesellschaftsvertraglich vorgeschriebene Gesellschaftsbekanntmachungen allerdings insgesamt gering.17) Bestehen diese, so müssen sie zwingend zumindest auch im Bundesanzeiger als dem gesetzlichen Gesellschaftsblatt erfolgen (Satz 1).18) 2.

Zusätzliche (gekorene) Gesellschaftsblätter (Satz 2)

6

Daneben kann die Satzung noch andere öffentliche Blätter (d. h. Zeitungen, Zeitschriften oder einen Staatsanzeiger19)) oder elektronische Informationsmedien (etwa die Internetwebsite der Gesellschaft20)) als gekorene Gesellschaftsblätter benennen (Satz 2), und zwar sowohl für gesellschaftsvertraglich wie auch gesetzlich vorgeschriebene Gesellschaftsbekanntmachungen.21) Eine solche Erweiterung der Publizitätsmedien kann sich dabei auf alle oder lediglich einzelne Bekanntmachungsgegenstände beziehen22) und ist nicht auf Medien in deutscher Sprache beschränkt.23)

7

Wie die Formulierung „daneben“ (Satz 2) zeigt, bleibt die Pflicht nach Satz 1 zur Veröffentlichung im Bundesanzeiger allerdings durchgehend unberührt;24) die Bestimmung gekorener Gesellschaftsblätter hat also nach § 12 nie substitutive, sondern nur kumulative Wirkung.25) Bei mehreren Gesellschaftsblättern treten an die Bekanntmachung geknüpfte Rechtsfolgen grundsätzlich erst mit der letzten erforderlichen Bekanntmachung ein;26) satzungsmäßige Bekanntmachungserfordernisse kann die Satzung allerdings von einer solchen dilatorischen Wirkung ausnehmen. Eine Ausnahme gilt ohnehin, wenn ein Gesellschaftsblatt sein Erscheinen ganz oder vorübergehend eingestellt hat.27) 3.

8

Satzungsbezugnahmen auf den Bundesanzeiger (Satz 3 a. F.)

Zahlreiche geltende Gesellschaftsverträge (vor allem solche, die vor Schaffung des § 12 und des elektronischen Bundesanzeigers abgefasst wurden) sehen vor, dass _____________ 16) Terbrack, DStR 2005, 2045: in der Praxis eher selten. 17) Noack, DB 2005, 599. 18) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 12 Rn. 5; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 12 Rn. 3, 6. 19) So in OLG Stuttgart, ZIP 2011, 84 = GmbHR 2011, 38 = NZG 2011, 29 – Staatsanzeiger des Landes Baden-Württemberg. 20) BT-Drucks. 14/8769, S. 11; Spindler/Kramski, NZG 2005, 746, 747; Terbrack, DStR 2005, 2045. 21) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 12 Rn. 5. 22) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 12 Rn. 5; Wicke in: MünchKomm-GmbHG, § 12 Rn. 7. 23) Terbrack, DStR 2005, 2045. 24) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 12 Rn. 5; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 12 Rn. 5; Scholz-Veil, GmbHG, § 12 Rn. 7; a. A. Wicke in: MünchKomm-GmbHG, § 12 Rn. 11; Wicke, GmbHG, § 12 Rn. 2. 25) Vgl. demgegenüber zu § 25 AktG Hüffer, AktG, § 25 Rn. 1. 26) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 12 Rn. 8; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 12 Rn. 6; Scholz-Veil, GmbHG, § 12 Rn. 9; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 12 Rn. 9. 27) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 12 Rn. 6; zu § 25 AktG ebenso Röhricht in: GroßkommAktG, § 25 Rn. 6.

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§ 12

Bekanntmachungen der Gesellschaft

Gesellschaftsbekanntmachungen „im Bundesanzeiger“ zu erfolgen haben. Dies hatte zu Unsicherheiten geführt, als der Bundesanzeiger zusätzlich zur überkommenen Papierform auch in elektronischer Form publiziert wurde; für diese Fälle hatte Satz 3 a. F. bis zum 31.3.2012 klargestellt, dass eine Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger ausreichte. Seit der Bundesanzeiger nur noch in elektronischer Form herausgegeben wird (siehe Rn. 4), bedarf es dieser Klarstellung nicht mehr.28) Jegliche Satzungsbezugnahmen auf den Bundesanzeiger beziehen sich seit dem 1.4.2012 auf den im Internet veröffentlichten Bundesanzeiger (§ 5 Abs. 1 VkBkmG), wobei es keine Rolle spielt, ob sie sich sprachlich auf den „Bundesanzeiger“, den „gedruckten Bundesanzeiger“, den „elektronischen Bundesanzeiger“ beziehen oder eine sonstige Umschreibung verwenden. Zum Umgang mit Altsatzungen, die als einziges Bekanntmachungsblatt ein anderes Blatt als den Bundesanzeiger benennen, äußert sich das Gesetz nicht; auch Satz 3 a. F. enthielt hierzu keine Aussage. Die Fortgeltung einer solchen Regelung ist eine Frage der Satzungsinterpretation, die aus Gründen des Schutzes der Informationsadressaten regelmäßig zu einer Publikationspflicht sowohl im gesetzlichen Gesellschaftsblatt (Satz 1) als auch dem satzungsmäßig benannten Bekanntmachungsblatt führen wird.29)

9

IV. Unterlassene oder fehlerhafte Bekanntmachungen Die Rechtsfolgen unterlassener oder fehlerhaft erfolgter Bekanntmachungen sind nicht Regelungsgegenstand des § 12, sondern müssen denjenigen Gesetzes- oder Satzungsbestimmungen entnommen werden, welche die verletzte Bekanntmachungspflicht begründen. Grundsätzlich ist dabei davon auszugehen, dass fehlerhafte Bekanntmachungen keine Rechtswirkungen entfalten und insbesondere keine Fristen in Gang setzen.30)

_____________ 28) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 12, Rn. 8 a. E. 29) Wie hier OLG Stuttgart, ZIP 2011, 84 = GmbHR 2011, 38 = NZG 2011, 29; Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 12 Rn. 6; Noack, DB 2005, 599, 600; Spindler/Kramski, NZG 2005, 746, 749; a. A. Oppermann, RNotZ 2005, 597, 601 ff. 30) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 12 Rn. 9; Saenger/Inhester-Pfisterer, GmbHG, § 12 Rn. 14; Scholz-Veil, GmbHG, § 12 Rn. 10.

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10

Abschnitt 2 Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter § 13 Juristische Person; Handelsgesellschaft Marc-Philippe Weller/Kirsten Discher

(1) Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als solche hat selbständig ihre Rechte und Pflichten; sie kann Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden. (2) Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den Gläubigern derselben nur das Gesellschaftsvermögen. (3) Die Gesellschaft gilt als Handelsgesellschaft im Sinne des Handelsgesetzbuchs. Literatur: Altmeppen, Zur vorsätzlichen Gläubigerschädigung, Existenzvernichtung und materiellen Unterkapitalisierung in der GmbH, ZIP 2008, 1201; Altmeppen, Grundlegend Neues zum „qualifiziert faktischen“ Konzern und zum Gläubigerschutz in der EinmannGmbH, ZIP 2001, 1837; Coing, Zum Problem des sogenannten Durchgriffs bei juristischen Personen, NJW 1977, 1793; Dauner-Lieb, Die Existenzvernichtungshaftung – Schluss der Debatte?, DStR 2006, 2034; Gehrlein, Die Existenzvernichtungshaftung im Wandel der Rechtsprechung, WM 2008, 761; Goette, Aktuelle Rechtsprechung des II. Zivilsenats zum Gesellschafts- und Insolvenzrecht, ZInsO 2007, 1177; Goette, Die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zum Gesellschaftsrecht, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 1; Goette, Aus der neueren Rechtsprechung des BGH zum GmbH-Recht, ZIP 2005, 1481; Ihrig, Einzelfragen zur Existenzvernichtungshaftung als Binnenhaftung, DStR 2007, 1170; Kleindiek, Materielle Unterkapitalisierung, Existenzvernichtung und Deliktshaftung – GAMMA, NZG 2008, 686; Lutter, Die zivilrechtliche Haftung in der Unternehmensgruppe, ZGR 1982, 244; Lutter/Banerjea, Die Haftung wegen Existenzvernichtung, ZGR 2003, 402; Müller-Freienfels, Zur Lehre vom sogenannten Durchgriff bei juristischen Personen, AcP 156 (1957) 522; Priester, Die eigene GmbH als fremder Dritter, ZGR 1993, 512; Raiser, Die Haftungsbeschränkung ist kein Wesensmerkmal der juristischen Person, in: Festschrift für Marcus Lutter, 2000, S. 637; Röhricht, Insolvenzrechtliche Aspekte im Gesellschaftsrecht, ZIP 2005, 505; Schanze, Gesellschafterhaftung für unlautere Einflussnahme nach § 826 BGB: Die Trihotel-Doktrin des BGH, NZG 2007, 681; K. Schmidt, Gesellschafterhaftung und „Konzernhaftung“ bei der GmbH, NJW 2001, 3577; Strohn, Existenzvernichtungshaftung – Vermögensvermischungshaftung – Durchgriffshaftung, ZInsO 2008, 706; Ulmer, Von „TBB“ zu „Bremer Vulkan“ – Revolution oder Evolution?, ZIP 2001, 2021; Weller, Die Klagbarkeit gesellschaftsrechtlicher Treuepflichten, in: Liber Amicorum für Martin Winter, 2011, S. 755; Weller, Die Wechselbalgtheorie, in: Festschrift für Wulff Goette, 2011, S. 583; Weller, Wettbewerbsverbote und ihre Drittwirkung in der Kapitalgesellschaft & Co. KG, ZHR 175 (2011) 110; Weller, Die Rechtsquellendogmatik des Gesellschaftskollisionsrechts, IPRax 2009, 202; Weller, Die Neuausrichtung der Existenzvernichtungshaftung durch den BGH und ihre Implikationen für die Praxis, ZIP 2007, 1681; Weller, Die Existenzvernichtungshaftung im modernisierten GmbH-Recht – Eine Außenhaftung für Forderungsvereitelung (§ 826 BGB), DStR 2007, 1166; Wiedemann, Reflexionen zur Durchgriffshaftung, ZGR 2003, 283; M. Winter, Eigeninteresse und Treuepflicht bei der EinmannGmbH in der neueren BGH-Rechtsprechung, ZGR 1994, 570.

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§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft Übersicht

I. Überblick .............................................. 1 II. Die GmbH als juristische Person (Abs. 1) .................................................. 2 1. Reichweite der Rechtsfähigkeit ............ 3 2. Handlungsfähigkeit ............................... 4 3. Die GmbH im gerichtlichen Verfahren ............................................... 5 III. Stellung der GmbHGesellschafter ....................................... 7 1. Treuepflicht ........................................... 7 a) Grundlagen ..................................... 7 b) Inhalt und Intensität der Treuepflicht .................................... 8 c) Einpersonen-GmbH .................... 10 d) Positive und negative Stimmpflicht ............................................ 11 e) Sonderrechte ................................ 14 f) Wettbewerbsverbot der Gesellschafter ......................................... 15 g) Rechtsfolgen der Treuepflicht .... 16 2. Gleichbehandlungsgebot .................... 18 3. Actio pro socio .................................... 20 IV. Das Haftungskonzept der GmbH (Abs. 2) ................................................ 24 1. Trennungsprinzip ................................ 24 2. Persönlicher selbständiger Verpflichtungsgrund ........................... 27

I. 1

3.

§ 826 BGB – Schädigung im Liquidationsstadium ............................ 33 4. Durchgriffshaftung ............................. 34 a) Vermögensvermischung .............. 36 b) Materielle Unterkapitalisierung .............................. 38 c) Existenzvernichtung .................... 42 aa) Entzug des Gesellschaftsvermögens .......................................... 47 bb) Insolvenzverursachung oder -vertiefung .................................... 49 cc) Sittenwidrigkeit des Gesellschafterverhaltens ........................ 50 dd) Vorsatz des Gesellschafters ......... 51 ee) Schaden der Gesellschaft ............. 52 ff) Haftungsbegrenzung ................... 53 gg) Schuldner (Adressaten) der Existenzvernichtungshaftung ...... 54 hh) Geltendmachung .......................... 55 ii) Anwendbarkeit auf Scheinauslandsgesellschaften ....................... 56 5. Gesellschafterfreundlicher Durchgriff, Reflexschaden, umgekehrter Durchgriff ..................... 57 6. Zurechnung von Kenntnissen und Eigenschaften ...................................... 60 V. Handelsgesellschaft (Abs. 3) ............. 61

Überblick1)

Absatz 1 verleiht der GmbH konstitutiv Rechtspersönlichkeit als selbständige juristische Person. In Konsequenz der damit einhergehenden Verselbständigung der Gesellschaft von ihren Mitgliedern statuiert Absatz 2 das Trennungsprinzip, wonach den Gesellschaftsgläubigern lediglich das Gesellschaftsvermögen haftet und nicht das persönliche Vermögen der Gesellschafter. Gemäß Absatz 3 ist die GmbH Handelsgesellschaft i. S. d. HGB. Auf diese sind nach § 6 HGB ohne Rücksicht auf den Gesellschaftszweck und den Unternehmensgegenstand die Vorschriften des Handelsrechts anwendbar, also auch dann, wenn die GmbH kein Gewerbe i. S. d. § 1 HGB betreibt. II. Die GmbH als juristische Person (Abs. 1)

2

Die GmbH ist juristische Person. Sie gehört zu den Kapitalgesellschaften, wird mit Abschluss des Gesellschaftsvertrages „errichtet“ und „entsteht“ mit der Eintragung in das Handelsregister, § 11 Abs. 1. Vor Errichtung besteht eine auf den gemeinsamen Zweck der GmbH-Gründung gerichtete Vorgründungsgesellschaft, regelmäßig in Gestalt einer GbR oder OHG. Zwischen Errichtung und Eintragung besteht die GmbH als Vorgesellschaft („Vor-GmbH“). Mit der Eintragung ins _____________ 1)

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Herzlich gedankt sei Frau Nina Benz, Mitarbeiterin am Institut für ausländisches und internationales Privat- und Wirtschaftsrecht der Universität Heidelberg, für ihre wertvolle Mitwirkung bei der Aktualisierung des Manuskriptes für die 4. Auflage.

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Juristische Person; Handelsgesellschaft

§ 13

Handelsregister geht die Vor-GmbH mit ihrem Vermögen und sämtlichen Verbindlichkeiten eo ipso auf die entstehende GmbH über.2) Umstritten, aber für die Praxis unerheblich ist, ob es sich dabei um eine Gesamtrechtsnachfolge handelt3) oder um einen Wechsel der Rechtsgestalt des i. Ü. in seiner Identität fortbestehenden Vermögensträgers.4) Näher zu den Stadien der GmbH-Entstehung siehe § 11 Rn. 3 ff [Schroeter]. 1.

Reichweite der Rechtsfähigkeit

Die volle Rechtsfähigkeit der GmbH beginnt mit ihrer Eintragung im Handelsregister, § 11 Abs. 1, und endet nach Abschluss des Liquidationsverfahrens mit der Löschung aus dem Handelsregister (Vollbeendigung).5) § 13 Abs. 1 benennt beispielhaft eine Reihe rechtlich relevanter Maßnahmen, die eine GmbH als solche ergreifen kann, etwa den Eigentumserwerb. Grenzen resultieren daraus, dass bestimmte Maßnahmen nur von natürlichen Personen vorgenommen werden können. Vor diesem Hintergrund kann die GmbH grundsätzlich uneingeschränkt am Rechtsverkehr teilnehmen, Verträge beliebiger Art abschließen (auch mit ihren Gesellschaftern) und selbst Mitglied in anderen Verbänden (z. B. GbR, KG, KGaA, Verein etc.) sein.6) Die Arbeitnehmereigenschaft kann ihr selbst zwar nicht zukommen; sie kann jedoch andere als Arbeitgeber durch einen Dienstleistungsvertrag (§ 611 BGB) verpflichten. Nach Maßgabe des Art. 19 Abs. 3 GG ist sie auch grundrechtsfähig.7) Im Steuerrecht ist sie als solche Steuerschuldnerin.8) Die GmbH ist zwar nicht selbst Urheberin oder Erfinderin, kann aber Rechte an geschützten Werken sowie gewerbliche Schutzrechte (Patente, Gebrauchsmusterund Warenzeichenrechte) erwerben. Der Schutz des Namensrechts nach § 12 BGB erstreckt sich auch auf die Firma der GmbH (§ 4); ebenso geschützt ist ihre soziale Geltung als Wirtschaftsunternehmen.9) 2.

3

Handlungsfähigkeit

Die GmbH handelt durch ihre Organe, insbesondere die Geschäftsführer. Sie vertreten die GmbH (§ 35 Abs. 1). Der Besitz der GmbH wird durch die Geschäftsführer ausgeübt (Organbesitz); diese sind weder Besitzdiener (§ 855 BGB) noch Besitzmittler (§ 868 BGB); vielmehr wird der Besitz des Geschäftsführers der GmbH unmittelbar zugeordnet.10) Zivilrechtlich wird der GmbH das pflichtwidrige Handeln ihrer Organe analog § 31 BGB zugerechnet, unabhängig ob es um ver_____________ 2) BGHZ 137, 140 = NJW 1981, 1373, 1375 = ZIP 1981, 394. 3) BGH, ZIP 1981, 1328 = GmbHR 1892, 183 = NJW 1982, 932; BGH, ZIP 1981 394 = GmbHR 1981, 114 = NJW 1981, 1373. 4) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 11 Rn. 137; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 152. 5) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 2. 6) BGH, ZIP 1997, 1027 = GmbHR 1997, 595 = NJW 1997, 1923, dazu EWiR 1997, 1061 (Stehe). 7) BVerfGE 3, 359 = NJW 1954, 593. 8) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 13 Rn. 3. 9) BGHZ 98, 94, 98 Rn. 17 = ZIP 1986, 1145 = NJW 1986, 2951, dazu EWiR 1986, 1237 (Müller-Graff). 10) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 4.

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4

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

tragliches oder deliktisches Handeln geht (Organtheorie).11) Strafrechtlich sind die jeweils handelnden Organmitglieder dagegen selbst verantwortlich, doch können unter Umständen auch gegen die Gesellschaft nach § 30 OWiG Geldbußen festgesetzt werden.12) Die GmbH kann als Vertreterin einer anderen Person bevollmächtigt werden (§ 167 BGB); Prokura kann ihr jedoch nicht erteilt werden (§§ 48, 54 HGB). 3.

Die GmbH im gerichtlichen Verfahren

5

Im zivilprozessualen Verfahren ist die GmbH parteifähig (§ 50 Abs. 1 ZPO). Ihre Prozessfähigkeit nach § 52 ZPO wird zum Teil verneint, mit der Begründung, dass sie nur durch ihre gesetzlichen Vertreter handeln könne.13) Die Gegenansicht erkennt der GmbH – vergleichbar zur Rechtslage beim Besitz – aufgrund des ihr unmittelbar zurechenbaren Organhandelns eine eigene Prozessfähigkeit zu.14) Praktische Auswirkungen hat dieser Streit jedoch nicht. Die GmbH wird im Prozess durch ihre Geschäftsführer vertreten (§ 35 Abs. 1), deren Name und Adresse sind daher in der Klageschrift anzugeben. Geschäftsführer sind als gesetzliche Vertreter der GmbH als Partei zu vernehmen (§§ 445 ff, 455 ZPO); die Gesellschafter können dagegen Zeugen sein.15) Der Gerichtsstand der GmbH richtet sich nach ihrem Sitz (§ 17 ZPO). Schließlich ist die GmbH insolvenzfähig (§§ 11, 15 InsO). Die GmbH bleibt, obwohl sie aus dem Handelsregister gelöscht wurde, prozessfähig, solange die Gegenpartei substantiiert darlegen kann, dass bei der Gesellschaft noch Vermögen vorhanden ist.16) Der Gesellschaftsvertrag kann für Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis zwischen der GmbH und ihren Gesellschaftern sowie zwischen Gesellschaftern unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts (§§ 1031, 1066 ZPO) bestimmen.17)

6

Die GmbH ist im öffentlichen Recht gemäß § 11 Nr. 1 VwVfG bzw. den entsprechenden landesrechtlichen Regelungen, beteiligtenfähig und gemäß § 12 Nr. 3 VwVfG handlungsfähig. Die Parteifähigkeit ergibt sich aus § 61 Nr. 1 VwGO. Die GmbH wird wiederum durch ihre Geschäftsführer vertreten gemäß § 62 Abs. 3 VwGO. III. Stellung der GmbH-Gesellschafter 1.

Treuepflicht

a) Grundlagen 7

Der Begriff der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht umschreibt ein Bündel von Rücksichtspflichten (§ 241 Abs. 2 BGB)18) der Gesellschafter zu ihrer Gesell_____________ 11) Näher K. Schmidt, GesR, S. 247 ff. 12) Als Nebenfolgen von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, die sich auf Pflichten oder Vorteile der Gesellschaft beziehen. 13) BGHZ 38, 71, 75 = NJW 1963, 441; BGHZ 36, 207 = GmbHR 1962, 48 = NJW 1962, 538; Baumbach/Lauterbach-Hartmann, ZPO, § 51 Rn. 16; Thomas/Putzo-Hüßtege, ZPO, § 51 Rn. 6, § 52 Rn. 4. 14) BGH, NJW 1965, 1666; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 6; Ensthaler/Füller/ Schmidt-Ensthaler, GmbHG, § 13 Rn. 5; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 13 Rn. 8. 15) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 13 Rn. 8. 16) BGH, ZIP 2010, 2444 = NJW-RR 2011, 115, dazu EWiR 2011, 17 (Zarth). 17) Näher hierzu Scholz-Bitter, GmbHG, § 13 Rn. 43 – 46. 18) Vergleichbar M. Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, S. 325: „gesetzliches Schutzpflichtverhältnis ohne primäre Leistungspflicht“.

310

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schaft sowie der Gesellschafter untereinander.19) Ursprünglich nur für Personengesellschaften diskutiert, ist die Treuepflicht mittlerweile auch bei Kapitalgesellschaften (einschließlich der AG20)) anerkannt.21) Inhaltlich entspricht die Treuepflicht im GmbH-Recht eher den für Personengesellschaften entwickelten Grundsätzen, geht mithin weiter als bei der AG.22) Sie ist zwar nicht ausdrücklich normiert, lässt sich aber – je nach dogmatischem Begründungsansatz – dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB,23) der mitgliedschaftlichen Förderpflicht nach § 705 BGB oder „einer durch die gemeinsame Mitgliedschaft vermittelten organisationsrechtlichen Sonderverbindung“24)) entnehmen.25) Bei sog. Drittgeschäften unterliegt das Verhalten des Gesellschafters nur eingeschränkt der mitgliedschaftlichen Treuepflicht.26) b) Inhalt und Intensität der Treuepflicht Aus der Treuepflicht können sich für die Gesellschafter sowohl (negativ) Unterlassungspflichten als auch – unter besonderen Voraussetzungen – (positiv) Mitwirkungspflichten ergeben.27) Beispielsweise kann ein Gesellschafter verpflichtet sein, über Vorgänge, die mitgliedschaftliche Vermögensinteressen seiner Mitgesellschafter betreffen, aufzuklären.28) Ferner kann sich aus der Treuepflicht eine Verpflichtung ergeben, gesellschaftsinterne Informationen vertraulich zu behandeln.29) Laut Bundesgerichtshof kann ein Gesellschafter aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht gehalten sein, einer der Sache nach gerechtfertigten Gehaltszahlung an einen Gesellschafter-Geschäftsführer zuzustimmen.30) Ein Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht kann auch in der Rückforderung eines durch eine GmbH einem Minderheitsgesellschafter gewährten Darlehens liegen, wenn die für die Gesellschaft handelnden Mehrheitsgesellschafter das Gewinnbezugsrecht _____________ 19) BGH, ZIP 2007, 268 Rn. 9 = GmbHR 2007, 260 = NJW 2007, 917, dazu EWiR 2007, 201 (Wagner). 20) Allerdings ist hier die Treuepflicht in ihrem Anwendungsbereich enger begrenzt, BGHZ 103, 184, 199 f = ZIP 1988, 301 = NJW 1988, 1579, dazu EWiR 1988, 529 (Drygala); BGHZ 129, 136 = ZIP 1995, 819 = NJW 1995, 1739, dazu EWiR 1995, 525 (Rittner). 21) BGHZ 103, 184, 193 f = ZIP 1988, 301 = NJW 1988, 1579, dazu EWiR 1988, 529 (Drygala); BGHZ 129, 136, 143 Rn. 18 = ZIP 1995, 819 = NJW 1995, 1739, dazu EWiR 1995, 525 (Rittner); BGH, ZIP 2007, 268 (LS 1) = GmbHR 2007, 260 = NJW 2007, 917, dazu EWiR 2007, 201 (Wagner) – Treuepflicht der GmbH-Gesellschafter. 22) BGHZ 65, 15, 18 Rn. 13 = GmbHR 1975, 269 = NJW 1976, 191; BGHZ 98, 276 = ZIP 1986, 1383 = GmbHR 1986, 426, dazu EWiR 1986, 1107 (Riegger); BGH, ZIP 2007, 268 = GmbHR 2007, 260 = NJW 2007, 917, dazu EWiR 2007, 201 (Wagner). 23) Vgl. Schubert in: MünchKomm-BGB, § 242 Rn. 104 ff. 24) M. Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, S. 325. 25) Zum Streitstand Ensthaler/Füller/Schmidt-Ensthaler, GmbHG, § 13 Rn. 20. 26) BGH, ZIP 1988, 1117 = GmbHR 1988, 386 = NJW 1989, 166, dazu EWiR 1988, 861 (Fleck). 27) Weller in: Liber Amicorum M. Winter, S. 755, 757 ff. 28) BGH, ZIP 2007, 268 Rn. 9 = GmbHR 2007, 260 = NJW 2007, 917, dazu EWiR 2007, 201 (Wagner). 29) OLG Frankfurt/M., GmbHR 1992, 668 = DB 1992, 2489 – auch gegenüber unterbeteiligten Konkurrenzunternehmen. 30) BGH, ZIP 2007, 268 Rn. 10 f = GmbHR 2007, 260 = NJW 2007, 917, dazu EWiR 2007, 201 (Wagner).

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des Minderheitsgesellschafters durch permanente Thesaurierung der Gewinne verletzen.31) Vgl. auch die Auswirkungen der Treuepflicht auf das Stimmrecht (siehe Rn. 11 ff), das Wettbewerbsverbot (siehe Rn. 15) und die actio pro socio (siehe Rn. 20). 9

Die Intensität der Treuepflicht ist einzelfallabhängig. Kriterien sind insbesondere das Beteiligungsverhältnis, das Maß des konkreten Einflusses, den der einzelne Gesellschafter hat (z. B. durch Sonderrechte) und die Realstruktur der Gesellschaft (personalistische oder kapitalistische Prägung).32) Je personalistischer die GmbH strukturiert ist, desto höher sind die Anforderungen, die sich aus der Treuepflicht für den Gesellschafter ergeben.33) Gleichfalls wird man davon auszugehen haben, dass sich die Treuepflicht desjenigen Gesellschafters intensiviert, der an der organschaftlichen Leitung der Gesellschaft beteiligt ist, da neben die mitgliedschaftliche Treuepflicht dann zusätzlich die organschaftliche Treuepflicht tritt, die aufgrund der ihr immanenten Fremdinteressenwahrungspflicht besonders intensiv ist.34) Er darf bei Geschäftsführungsangelegenheiten keine Sondervorteile verfolgen und Konzerninteressen keinen Vorrang einräumen.35) c) Einpersonen-GmbH

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Bei der Einpersonen-GmbH ist die Existenz einer Treuepflicht des einzigen Gesellschafters gegenüber seiner Gesellschaft umstritten. Eine Kontrolle durch andere Gesellschafter fehlt in einer solchen Konstellation, sodass eine gesteigerte Schutzbedürftigkeit der Gesellschaft angenommen werden kann. Zum Teil wird gleichwohl vertreten, dass der Gesellschaft gegenüber ihrem einzigen Gesellschafter kein eigenes Interesse zukommen könne,36) während nach neuerer Rechtsprechung37) der werbenden Gesellschaft grundsätzlich ein von dem Interesse ihrer Gesellschafter unabhängiges eigenes Vermögensinteresse zugesprochen wird, welches vor existenzvernichtenden Eingriffen der Gesellschafter zu schützen sei. Allerdings konstruiert die Rechtsprechung den Schutz dieses Vermögensinteresses nicht – obwohl dies möglich gewesen wäre – über die Treuepflicht,38) sondern über § 826 BGB (näher zur Existenzvernichtung siehe Rn. 42 ff). _____________ 31) OLG Brandenburg, ZIP 2009, 1955 = GmbHR 2009, 825 = DB 2009, 1342, dazu EWiR 2009, 639 (Schodder). 32) BGHZ 65, 15, 19 = GmbHR 1975, 269 = NJW 1976, 191; BGHZ 103, 184, 195 = ZIP 1988, 301 = NJW 1988, 1579, dazu EWiR 1988, 529 (Drygala) – für die AG; OLG Düsseldorf, DB 1993, 2474, 2476 = ZIP 1994, 619 = GmbHR 1994, 172, dazu EWiR 1994, 683 (Zimmermann); OLG Naumburg, DB 1995, 723; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 40. 33) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 13 Rn. 29. 34) Weller, ZHR 175 (2011) 110, 115 ff, 126 ff. 35) BGHZ 65, 15, 19 = GmbHR 1975, 269 = NJW 1976, 191. 36) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 13 Rn. 20; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 58 f; Wicke, GmbHG, § 13 Rn. 20; OLG Celle, GmbHR 2007, 1036 = BeckRS 2007, 11304. 37) BGHZ 173, 246 = NJW 2007, 2689, 2692 = ZIP 2007, 1552 Rn. 28 – Trihotel, dazu EWiR 2007, 557 (Wilhelm); BGH, ZIP 2009, 802, 806 = NZG 2009, 545, 548 = GmbHR 2009, 601. 38) Hierfür etwa Ulmer, ZIP 2001, 2021, 2026; M. Winter, ZGR 1994, 570, 581.

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d) Positive und negative Stimmpflicht Aufgrund der Treuepflicht kann der Gesellschafter insbesondere verpflichtet sein, sein Stimmrecht auszuüben.39) Die Verpflichtung erstreckt sich auf die Teilnahme an Abstimmungsverfahren und kann sogar so weit gehen, (positiv) einer bestimmten Beschlussvorlage zuzustimmen.40) Dies schränkt der BGH jüngst dahingehend ein, als nur dann in einem bestimmten Sinn abgestimmt werden müsse, wenn die zu beschließende Maßnahme zur Erhaltung wesentlicher Werte, die die Gesellschafter geschaffen haben, oder zur Vermeidung erheblicher Verluste, die die Gesellschaft bzw. die Gesellschafter erleiden könnten, objektiv unabweisbar erforderlich ist und den Gesellschaftern unter Berücksichtigung ihrer eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar ist, also wenn der Gesellschaftszweck und das Interesse der Gesellschaft gerade diese Maßnahme zwingend gebieten und der Gesellschafter seine Zustimmung ohne vertretbaren Grund verweigert.41) Diese hohen Anforderungen sollen v. a. dann gelten, wenn eine Satzungsänderung zur Abstimmung gestellt wird, der BGH wendet sie jedoch auch auf die Zustimmung zu Geschäftsführungsmaßnahmen an. Ein Gesellschafter kann von seinen Mitgesellschaftern weiter die Mitwirkung bei einer „heilenden“ Änderung der Einlagendeckung von der Bar- zur Sacheinlage verlangen, wenn sich die Gesellschafter über die geplante Einlage einig waren, dies aber auf rechtlich fehlerhafte Weise umzusetzen suchten.42) Hierfür muss der Beschluss jedoch im Gesellschaftsinteresse dringend erforderlich und dem Gesellschafter zumutbar sein (ebenso siehe Rn. 16).43) Der Bundesgerichtshof bejaht ferner eine positive Stimmpflicht, wenn es um die Genehmigung einer gerechtfertigten Gehaltszahlung an einen Gesellschafter-Geschäftsführer geht.44)

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In negativer Hinsicht kann sich die Verpflichtung ergeben, eine Stimmabgabe zu unterlassen,45) eine Sperrminorität nicht auszuüben46) und insbesondere bei Sanierungsfällen oder erforderlichen Umstrukturierungsmaßnahmen ein gesellschaftsvertragliches Widerspruchsrecht nicht auszuüben.47) In Ausnahmefällen wird sogar einstweiliger Rechtsschutz ungeachtet des Paradigmas „Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache“ bezogen auf die Nichtausübung des Stimmrechts gewährt.48)

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_____________ 39) Weller in: Liber Amicorum M. Winter, S. 755, 757, 771; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 13 Rn. 29. 40) BGHZ 98, 276, 278 ff = ZIP 1986, 1383 = GmbHR 1986, 426, dazu EWiR 1986, 1107 (Riegger); BGH, ZIP 1987, 914 = GmbHR 1987, 349 = NJW 1987, 3192, dazu EWiR 1987, 787 (Günther); OLG Hamm, GmbHR 1992, 612 = DStR 1992, 992. 41) BGH, DStR 2016, 1693 = NZG 2016, 781. 42) BGHZ 155, 329 = ZIP 2003, 1540 = NJW 2003, 3127, dazu EWiR 2003, 1243 (Priester). 43) BGHZ 98, 276, 280 = ZIP 1986, 1383 = GmbHR 1986, 426, dazu EWiR 1986, 1107 (Riegger). 44) BGH, ZIP 2007, 268 Rn. 10 f = GmbHR 2007, 260 = NJW 2007, 917, dazu EWiR 2007, 201 (Wagner). 45) OLG Düsseldorf, NZG 2005, 633. 46) BGHZ 129, 136, 153 = ZIP 1995, 819 = NJW 1995, 1739, dazu EWiR 1995, 525 (Rittner). 47) OLG Stuttgart, GmbHR 2000, 288 = DB 1999, 2256 = NZG 2000, 490. 48) OLG Hamm, GmbHR 1993, 163 = DB 1992, 2129; OLG Frankfurt/M., GmbHR 1993, 161; OLG Düsseldorf, NZG 2005, 633.

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Ob die Stimmabgabe eines Gesellschafters wegen Verstoßes gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht in materiell-rechtlicher Hinsicht ausnahmsweise als unbeachtlich zu behandeln ist, hat in aller Regel nicht das Registergericht im Eintragungsverfahren zu prüfen, sondern ist den Zivilgerichten vorbehalten, da eine solche Prüfung eine umfassende materiell-rechtliche Würdigung erfordert.49) Die Zweckmäßigkeit der Stimmabgabe und die Rationalität der Beweggründe unterliegen dabei aber nicht der gerichtlichen Überprüfung.50) e) Sonderrechte

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Die Treuepflicht erstreckt sich nicht zuletzt auf die Ausübung von Sonderrechten, so z. B. auf die Entsendung in den Aufsichtsrat einer Gesellschaft. Die Gesellschafter dürfen dieses Recht nicht zum Nachteil der Gesellschaft ausüben.51) Gleiches gilt für die Vorschlags- und Entsenderechte für andere Organe. f)

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Wettbewerbsverbot der Gesellschafter

In der OHG ist das Wettbewerbsverbot der Gesellschafter in § 112 HGB gesetzlich geregelt. Dagegen besteht in der GmbH für einen Gesellschafter, der nicht gleichzeitig Geschäftsführer ist, von Gesetzes wegen grundsätzlich kein Wettbewerbsverbot.52) Von diesem Grundsatz gibt es freilich Ausnahmen: –

Selbstverständlich kann in einer vertraglichen Vereinbarung ein Wettbewerbsverbot vereinbart werden (Vertragsfreiheit).53) Dabei sind allerdings die Grenzen der § 138 BGB, Art. 101 AEUV (ex-Art. 81 EGV) und des § 1 GWB zu beachten.54) Daher ist ein im Gesellschaftsvertrag enthaltenes umfassendes Wettbewerbsverbot im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG dahingehend auszulegen, dass es mit dem Austritt des Gesellschafters aus der Gesellschaft endet.55) Andernfalls käme es einem gegen § 138 BGB i. V. m Art. 12 Abs. 1 GG verstoßenden Berufsverbot gleich.56) Ein Verstoß gegen § 1 GWB ist hingegen nicht anzunehmen, sofern das Wettbewerbsverbot dazu notwendig ist, die i. Ü. kartellrechtsneutrale GmbH davor zu schützen, dass ein Gesellschafter sie von innen aushöhlt.57) In diesem Fall greift auch das Verbot nach Art. 101, 105 AEUV nicht.58)



Des Weiteren kann sich ein Wettbewerbsverbot aus der Treuepflicht ergeben, sofern die Gesellschaft personalistisch strukturiert ist und der Gesellschafter

_____________ 49) 50) 51) 52) 53) 54) 55) 56) 57) 58)

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OLG Frankfurt/M., ZIP 2009, 1930 = GmbHR 2009, 378 = DB 2009, 611. BGH, DStR 2016, 1693, 1695 = NZG 2016, 781. RGZ 165, 68, 79. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 46. OLG Frankfurt/M., DB 1992, 2489, 2490 = GmbHR 1992, 668; OLG Köln, GmbHR 1991, 366 = DB 1991, 1008 = BB 1991, 859; OLG Karlsruhe, GmbHR 1999, 539. BGH, ZIP 1988, 1080 = GmbHR 1988, 334 = NJW 1988, 2737, dazu EWiR 1988, 901 (Leube). BGH, ZIP 2010, 324 = GmbHR 2010, 256 = NJW 2010, 1206, dazu EWiR 2010, 405 (Podewils). BGH, NJW 2010, 1206, 1207 = ZIP 2010, 324 = GmbHR 2010, 256, dazu EWiR 2010, 405 (Podewils). BGH, ZIP 2009, 2263 = NZG 2010, 76 = DB 2010, 2539. BGH, ZIP 2009, 2263 = NZG 2010, 76 = DB 2010, 2539; EuGH, Slg. 1994, I-5641.

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eine beherrschende Stellung innehat.59) Begründung: Die GmbH müsse davor geschützt werden, von einem beherrschenden Gesellschafter, der persönlich in derselben Branche wie die GmbH tätig ist, „von innen her ausgehöhlt zu werden“.60) Die Voraussetzung der beherrschenden Stellung rechtfertigt sich daraus, dass der Mehrheitsgesellschafter relevanten Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen kann, indem er ihr über die Gesellschafterversammlung Weisungen erteilt, § 37 Abs. 1. Haben hingegen die Mitgesellschafter bei Aufnahme des konkurrierenden Gesellschafters Kenntnis von der Wettbewerbssituation, ist von deren (konkludentem) Einverständnis auszugehen.61) Eine Befreiung von einem kraft Treuepflicht bestehenden Wettbewerbsverbot kann durch Gesellschafterbeschluss aufgrund Satzungsermächtigung erfolgen.62) Bei der Abstimmung hierüber hat der zu befreiende Gesellschafter gemäß § 47 Abs. 4 Satz 1 kein Stimmrecht.63) Dies darf bei einem satzungsmäßig bestehenden Wettbewerbsverbot nicht dadurch umgangen werden, dass der Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung einen Antrag auf Aufhebung des gesamten Wettbewerbsverbots stellt und unter seiner Beteiligung ein entsprechender Mehrheitsbeschluss zu Stande kommt.64) In der Einpersonengesellschaft trifft den Gesellschafter, selbst wenn er gleichzeitig Geschäftsführer sein sollte, kein Wettbewerbsverbot, solange nicht Gläubigerinteressen gefährdet sind.65) g) Rechtsfolgen der Treuepflicht Primärebene: Eine aufgrund der Treuepflicht gebotene Handlung oder Unterlassung des Gesellschafters ist in Natur klagbar und durchsetzbar,66) sofern der Pflichtinhalt hinreichend konkret bestimmbar ist und nach einer umfassenden Interessenabwägung ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse desjenigen besteht, der die Beachtung der Treuepflicht in Natur einfordert.67) Ein überwiegendes Interesse ist regelmäßig anzunehmen, wenn es im Verletzungsfall nicht vollständig in Geld kompensiert werden kann, etwa weil der Schaden schwierig nachweisbar ist, z. B. bei Wettbewerbsverstößen (was normativ in dem alternativ zum Schadensersatz beste_____________ 59) Ausführlich Weller, ZHR 175 (2011) 110, 121 ff; aus der Rspr. BGHZ 89, 162, 166 = ZIP 1984, 446 = GmbHR 1984, 203; BGH, GmbHR 1987, 302 f; BGH, ZIP 1988, 1080 = GmbHR 1988, 334 = NJW 1988, 2737, dazu EWiR 1988, 901 (Leube); eine 50 %ige Beteiligung allein genügt dafür noch nicht, OLG Karlsruhe, GmbHR 1999, 539 f. 60) BGH, NJW 1988, 2737, 2738 = ZIP 1988, 1080 = GmbHR 1988, 334, dazu EWiR 1988, 901 (Leube). 61) BGH, GmbHR 1987, 302 f. 62) BGH, NJW 1981, 1512 = ZIP 1981, 399 = GmbHR 1981, 189. 63) BGH, NJW 1981, 1512, 1513 = ZIP 1981, 399 = GmbHR 1981, 189. 64) OLG Bamberg, NZG 2010, 385, 386 = GmbHR 2010, 709; Baumbach/Hueck-Zöllner/ Noack, GmbHG, § 47 Rn. 79. 65) BGHZ 122, 333, 336 = ZIP 1993, 917 = GmbHR 1993, 427, dazu EWIR 1993, 693 (Maier-Reimer); BGH, ZIP 2008, 308 = GmbHR 2008, 257 = NZG 2008, 187, dazu EWiR 2008, 135 (H. P. Westermann). 66) Vgl. BGHZ 48, 163 = GmbHR 1968, 99 = NJW 1967, 1963; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 13 Rn. 30. 67) Weller in: Liber Amicorum M. Winter, S. 755, 761 ff, 772.

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henden Gewinnabschöpfungsanspruch zum Ausdruck kommt, vgl. § 113 Abs. 1 Halbs. 2 HGB).68) 17

Sekundärebene: Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Treupflicht sind die Anfechtbarkeit des Beschlusses, durch den gegen die Treuepflicht verstoßen wurde69) sowie Schadensersatzansprüche gegen den die Treuepflicht verletzenden Gesellschafter.70) Die Schadensersatzansprüche verjähren innerhalb von drei Jahren, §§ 195, 199 BGB.71) Ob Schadensersatzansprüche bei einer Treuepflichtverletzung nur dann geltend gemacht werden können, wenn vorher der Gesellschafterbeschluss angefochten wurde, ist indes umstritten.72) Als ultima ratio kommt schließlich die Ausschließung des Gesellschafters in Betracht.73) 2.

Gleichbehandlungsgebot

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In der GmbH gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung, der im Aktiengesetz in § 53a AktG eine Regelung erfahren hat, ebenfalls. Er verbietet eine willkürliche, sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung der Gesellschafter,74) etwa die Zuwendung von Vorteilen nur an einzelne Gesellschafter (z. B. in Form einer verdeckten Gewinnausschüttung)75) und den Ausschluss einzelner Gesellschafter vom Bezugsrecht.76) Der Anspruch auf gleichmäßige Behandlung kann sowohl gegenüber der Gesellschaft als auch gegenüber den Gesellschaftern geltend gemacht werden.

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Die Vertragsfreiheit gestattet freilich die privatautonome Vereinbarung von Sonderrechten zugunsten einzelner Gesellschafter.77) In Betracht kommen etwa Satzungsregelungen zu Mehrstimmrechten und zur Gewinnverteilung.78) Vollständig darf der Gleichbehandlungsgrundsatz indes nicht abbedungen werden.79) Die Abweichung vom Gleichbehandlungsgebot bedarf grundsätzlich der Zustimmung des benachteiligten Gesellschafters. Gesellschafterbeschlüsse, die gegen das Gebot der Gleichbe_____________ 68) Weller in: Liber Amicorum M. Winter, S. 755, 770 f. 69) BGHZ 76, 352 = ZIP 1980, 275 = GmbHR 1981, 111. 70) BGH, ZIP 2007, 268 Rn. 10 = GmbHR 2007, 260 = NJW 2007, 917, dazu EWiR 2007, 201 (Wagner). 71) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 42. 72) BGHZ 129, 169 f = ZIP 1995, 819 = NJW 1995, 1739, dazu EWiR 1995, 525 (Rittner); bejahend: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Lieder, GmbHG, § 13 Rn. 203; Rowedder/ Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 13 Rn. 85 – für ein Erlöschen des Schadensersatzanspruchs bei Eintritt der Bestandskraft des Beschlusses. 73) Bei schweren Verstößen, die die Vertrauensgrundlage zerstören BGHZ 9, 157, 163 = GmbHR 1953, 72 = NJW 1953, 780; BGHZ 16, 317, 322 = GmbHR 1955, 127 = NJW 1955, 667; RGZ 169, 330, 333. 74) BGH, ZIP 1992, 237 = GmbHR 1992, 257 = NJW 1992, 892, dazu EWiR 1992, 321 (Wiedermann); BGH, ZIP 1990, 784 = GmbHR 1990, 344 = NJW 1990, 2625, dazu EWiR 1990, 701 (Fleck). 75) BGH, GmbHR 1972, 224 = DB 1972, 1575 = BB 1972, 894; OLG München, ZIP 1997, 1965 = GmbHR 1997, 1103 = BB 1997, 2341. 76) BGHZ 71, 40 = DB 1978, 974 = NJW 1987, 1316. 77) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 61 f. 78) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 14 Rn. 47. 79) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 13 Rn. 33.

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handlung verstoßen, sind anfechtbar.80) Sie können jedoch durch den betroffenen Gesellschafter genehmigt werden. Liegt der Verstoß in einer Geschäftsführungsmaßnahme, so ist diese rückgängig zu machen oder die Benachteiligung auszugleichen.81) 3.

Actio pro socio

Der Begriff der actio pro socio umschreibt die Geltendmachung von Mitgliedschaftsrechten durch einen Gesellschafter gegen seine Mitgesellschafter im eigenen Namen aber für die Gesellschaft. Die Rechtsfigur entstammt ursprünglich dem Personengesellschaftsrecht, gilt nunmehr aber auch für die GmbH.82) Als Ausfluss des Mitgliedschaftsrechts der Gesellschafter unterliegt die actio pro socio der gesellschafterlichen Treubindung, d. h. einer Rechtsmissbrauchsschranke.83) Zur Intensität der Treuepflicht in der GmbH siehe Rn. 9.

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Die h. M. sieht in der actio pro socio einen Unterfall der Prozessstandschaft.84) Eine rechtskräftige Entscheidung über die Gesellschafterklage bindet auch die Gesellschaft,85) wobei das Prozesskostenrisiko allein der klagende Gesellschafter trägt.86)

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Voraussetzung für die Geltendmachung der actio pro socio ist ein Eingriff in das Mitgliedschaftsrecht des Gesellschafters.87) Der Gesellschafter muss sich auf ein eigenes subjektives Recht (nicht auf eines der GmbH) berufen können, also auf ein Einzelrecht, das er aus seiner Mitgliedschaft als Gesamtheit von Rechten ableiten kann. Dies kann anzunehmen sein, wenn die Geschäftsführung den Gleichbehandlungsgrundsatz oder Mitwirkungsrechte des Minderheitsgesellschafters verletzt, der Wert der Mitgliedschaft bzw. das Gewinnbezugsrecht durch unberechtigte oder nicht angemessene Leistungen an Mitgesellschafter beeinträchtigt wird88) oder wenn Verstöße gegen das Wettbewerbsverbot vorliegen (zum Wettbewerbsverbot siehe Rn. 15). Als Gegenstand der actio pro socio kommen des Weiteren Ansprüche auf Einlagenzahlung und Nachschusszahlungen, sowie alle verwandten Ansprüche wie Verlustdeckungs- und _____________

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80) BGH, NJW 1992, 892, 895 = ZIP 1992, 237 = GmbHR 1992, 257, dazu EWiR 1992, 321 (Wiedemann). 81) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 65. 82) BGHZ 65, 15 = GmbHR 1975, 269 = NJW 1976, 191; BGH, ZIP 1982, 1203 = WM 1982, 928; BGH, NJW 1990, 2627, 2628 = GmbHR 1990, 343 = DB 1990, 1813, dazu EWiR 1990, 791 (Meyer-Landrut); BGH, ZIP 2004, 804, 805 = GmbHR 2004, 739 = DB 2004, 973, dazu EWiR 2004, 497 (Kowalski); BGH, ZIP 2005, 320 = GmbHR 2005, 301 = DB 2005, 331. 83) BGH, ZIP 2010, 1232 = NZG 2010, 783 = DB 2010, 1400. 84) OLG Düsseldorf, ZIP 1994, 619, 621 = DB 1993, 2474 = GmbHR 1994, 172, dazu EWiR 1994, 683 (Zimmermann); Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 13 Rn. 37; K. Schmidt, GesR, § 21 IV. 4. a; Lindacher in: MünchKomm-ZPO, Vor § 50 Rn. 50; ScholzK. Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 161; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 13 Rn. 54; a. A. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 16, 17. 85) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 13 Rn. 39; diff.: Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 19 – ein klageabweisendes Urteil im Prozess des Gesellschafters entfaltet keine Rechtskraft zum Nachteil der Gesellschaft. 86) Näher zum Meinungsstand: Merkt, in: MünchKomm-GmbHG, § 13 Rn. 321 ff. 87) BGH, NJW 1990, 2627, 2628 = GmbHR 1990, 343 = DB 1990, 1813, dazu EWiR 1990, 791 (Meyer-Landrut); Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 18 f. 88) BGHZ 111, 224, 227 = ZIP 1990, 784 = GmbHR 1990, 344, dazu EWiR 1990, 701 (Fleck); BGH, ZIP 2005, 320 = GmbHR 2005, 301 = DB 2005, 331.

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Vorbelastungshaftung oder die Rückzahlungspflicht aus § 31 in Betracht.89) Nicht erfasst werden demgegenüber Drittgeschäfte zwischen der Gesellschaft und einem anderen Gesellschafter, weil sie nicht im Gesellschaftsverhältnis wurzeln.90) 23

Da die Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft vorrangig den dafür zuständigen Organen (Geschäftsführung oder Gesellschafterversammlung, vgl. § 46 Nr. 2 und Nr. 8) obliegt, kann die actio pro socio nur Anwendung finden, sofern ein Tätigwerden der genannten Organe nicht erfolgt (sog. subsidiäre Notzuständigkeit). Letzteres ist (nur) anzunehmen, wenn eine Interessenkollision beim eigentlich zuständigen Organ vorliegt oder die interne Einwirkung aussichtslos und ein unnötiger Umweg91) bzw. zu zeitaufwändig wäre.92) Bei rechtswidrigen Gesellschafterbeschlüssen ist der Gesellschafter primär auf sein Anfechtungsrecht zu verweisen.93) Versäumt er, jenes geltend zu machen, bleibt ihm auch bei o. g. Fallgruppen die actio pro socio verwehrt. Fehlt allerdings ein Gesellschafterbeschluss, weil der Minderheitsgesellschafter wegen zu geringer Beteiligung keinen solchen herbeizuführen vermochte oder in den Fällen, in denen die Geschäftsführung mit dem Mehrheitsgesellschafter gemeinsame Sache macht und die Entscheidungen der Gesellschafterversammlung hintertreiben, kann die actio pro socio unmittelbar erhoben werden.94) Ansprüche gegen den Geschäftsführer können grundsätzlich nicht mithilfe der actio pro socio verfolgt werden, solange der Geschäftsführer nicht gleichzeitig Gesellschafter ist (str.).95) IV. Das Haftungskonzept der GmbH (Abs. 2) 1.

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Trennungsprinzip

Absatz 2 normiert den Grundsatz, wonach den Gläubigern einer GmbH ausschließlich das Gesellschaftsvermögen haftet und bringt damit die Trennung zwischen dem Vermögen der Gesellschaft einerseits und dem ihrer Gesellschafter andererseits zum Ausdruck (Trennungsprinzip). Es zielt auf die Förderung der unternehmerischen Freiheit und damit letztlich auf eine volkswirtschaftliche Effizienzsteigerung, _____________ 89) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 13 Rn. 38. 90) BGH, ZIP 1982, 1203 = WM 1982, 928; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 13 Rn. 38; Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rn. 53. 91) OLG Düsseldorf, ZIP 1994, 619 = DB 1993, 2474 = GmbHR 1994, 172, dazu EWiR 1994, 683 (Zimmermann). 92) BGH, NJW 1990, 2627 f = GmbHR 1990, 343 = DB 1990, 1813, dazu EWiR 1990, 791 (Meyer-Landrut); BGH, ZIP 1998, 780 = GmbHR 1998, 588 = NJW 1998, 1951, dazu EWiR 1999, 69 (Bayer); BGHZ 65, 15, 21 = GmbHR 1975, 269 = NJW 1976, 191; OLG Düsseldorf, ZIP 1994, 619 = DB 1993, 2474 = GmbHR 1994, 172, dazu EWiR 1994, 683 (Zimmermann); OLG Köln, NJW-RR 1994, 616, 617 = GmbHR 1993, 816, dazu EWiR 1993, 781 (Walther). 93) OLG Koblenz, GmbHR 2010, 1043 = NZG 2010, 1023; OLG Köln, GmbHR 1993, 816 = NJW-RR 1994, 616, dazu EWiR 1993, 781 (Walther); Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 20 ff. 94) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 25. 95) BGH, ZIP 1982, 1203 = WM 1982, 928; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 13 Rn. 38. Nach OLG Braunschweig, GmbHR 2009, 1276, ist hingegen die direkte Inanspruchnahme des Geschäftsführers durch einen Gesellschafter auf Unterlassung seiner Tätigkeit möglich, wenn sich die Gesellschaft in einer kritischen Situation als handlungsunfähig oder -unwillig darstellt.

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§ 13

indem es Gesellschaftern ermöglicht, mit einem begrenzten wirtschaftlichen Risiko und einem vergleichsweise niedrigen Kapitaleinsatz, (innovative, aber riskante) Geschäfte zu tätigen, die sie bei unbeschränkter Haftung nicht vorgenommen hätten.96) Die Gläubiger der GmbH können nicht auf das Privatvermögen der Gesellschafter, sondern allein auf das Gesellschaftsvermögen zugreifen. Letzteres wird durch Ausschüttungssperren, namentlich durch die Regelungen zur Kapitalerhaltung sowie dem Verbot existenzvernichtender Eingriffe, vor dem ungerechtfertigten Zugriff der Gesellschafter gesichert. Werden diese Ausschüttungssperren beachtet, haften die Gesellschafter nicht persönlich (Haftungsprivileg). Selbst wenn sie entgegen § 30 Abs. 1 Vermögenswerte entnehmen, haften sie nur im Innenverhältnis zur GmbH (vgl. §§ 19, 24, 26, 31), nicht jedoch im Außenverhältnis unmittelbar gegenüber ihren Gläubigern (sog. Innenhaftungskonzept). Die Gesellschaftsgläubiger können die Gesellschafter allerdings mittelbar in die Haftung nehmen, indem sie die Ansprüche der GmbH gegen deren Gesellschafter, etwa auf Einzahlung der übernommenen Stammeinlage oder aus der Ausfallhaftung (§ 24), pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen (§§ 829, 835 ZPO). Ein Gläubigerverfolgungsrecht, wie es das Aktiengesetz teilweise vorsieht (z. B. §§ 48, 62 Abs. 2, 93 Abs. 5, 117 Abs. 5 AktG) ist dem GmbHG dagegen fremd.97)

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Als Korrelat des Haftungsprivilegs misst das Gesetz der ordnungsgemäßen Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung eine überragende Bedeutung bei.98) Voreinzahlungen auf künftige Kapitalerhöhungen zeitigen daher nur in eng begrenzten Ausnahmefällen Tilgungswirkung.99)

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2.

Persönlicher selbständiger Verpflichtungsgrund

Eine unmittelbare persönliche Haftung eines Gesellschafters kommt hingegen dann in Betracht, wenn es in der Person des Gesellschafters einen selbständigen (rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen) Verpflichtungsgrund gibt.100) Dies ist z. B. der Fall, wenn sich der Gesellschafter persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft verbürgt (§ 765 BGB), deren Schuld übernommen hat, ihr beigetreten ist oder eine Garantie abgegeben hat. Im Fall der Abgabe einer sog. Patronatserklärung muss durch Auslegung ermittelt werden, ob eine rechtsverbindliche Mithaftung gewollt ist (harte Patronatserklärung101) oder nur eine unverbindliche, ohne Rechtsbindungswillen ausgesprochene Erklärung vorliegt (weiche Patronatserklärung).102) _____________ 96) Weiterführend zu ökonomischen Erwägungen zur Haftungsbeschränkung in der GmbH Scholz-Bitter GmbHG, § 13 Rn. 60 ff. 97) Wicke, GmbHG, § 13 Rn. 3; a. A. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 68. 98) OLG Celle, ZIP 2010, 2298 = DB 2010, 2215 = ZInsO 2010, 1843, dazu EWiR 2010, 743 (Wachter). 99) BGHZ 168, 201 ff = ZIP 2006, 2214 = NJW 2007, 515; BGHZ 158, 283 ff = ZIP 2004, 849 = NJW 2004, 2592, dazu EWiR 2004, 851 (Priester); OLG Celle, ZIP 2010, 2298 = DB 2010, 2215 = ZInsO 2010, 1843, dazu EWiR 2010, 743 (Wachter). 100) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 69 ff. 101) Näher hierzu BGHZ 117, 127 = ZIP 1992, 338 = NJW 1992, 2093, dazu EWiR 1992, 335 (Rümker). 102) Aus der weichen Patronatserklärung ergeben sich weder Erfüllungs- noch Schadensersatzansprüche OLG Karlsruhe, ZIP 1992, 1394 = GmbHR 1993, 171 = WM 1992, 2088, dazu EWiR 1992, 1155 (v. Gerkan).

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Des Weiteren kann der Gesellschafter nach Rechtsscheingrundsätzen haften.103) Dies ist zu erwägen, wenn der Gesellschafter beim Auftreten im Rechtsverkehr den Rechtsformzusatz „GmbH“ nicht verwendet und dadurch den Eindruck persönlicher Haftung erweckt.104)

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Der Gesellschafter kann ferner nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo105) als Sachwalter persönlich haften. Dies ist gemäß § 311 Abs. 3 BGB der Fall, wenn der Gesellschafter für sich in ganz besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.106) Hinzukommen muss nach neuerer Rechtsprechung, dass er gleichsam ein zusätzliches, von ihm ausgehendes Vertrauen auf die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Erklärungen hervorgerufen hat, während es nicht ausreicht, dass er lediglich vorvertragliche Aufklärungspflichten der Gesellschaft verletzt hat.107)

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Die im Zusammenhang mit der Haftung des Gesellschafters aus c. i. c. ferner diskutierte Fallgruppe des sog. wirtschaftlichen Eigeninteresses eines an einem Geschäft maßgeblich beteiligten Gesellschafters oder des Gesellschaftergeschäftsführers, der gleichsam in eigener Sache tätig wird,108) ist dagegen abzulehnen, selbst wenn man mit der jüngeren Rechtsprechung bloß mittelbare wirtschaftliche Interessen, z. B. an der Erzielung von Gewinnen durch die vertretene Gesellschaft, nicht genügen lässt.109) Das wirtschaftliche Eigeninteresse hat als Fallgruppe schon keinen Eingang im Text des im Zuge der Schuldrechtsreform 2002 statuierten § 311 Abs. 3 BGB gefunden. Selbst wenn man sie als ungeschriebene Fallgruppe ansieht, gilt sie jedenfalls nicht für GmbH-Gesellschafter. Denn mit der Anerkennung der Einpersonen-GmbH durch den Gesetzgeber im Zuge der GmbH-Novelle von 1980 (siehe § 1: „durch einen oder mehrere Gesellschafter“) ist dieser c. i. c.-Fallgruppe für das GmbH-Recht der Boden entzogen worden. Bei einem Alleingesellschafter wird nämlich regelmäßig ein gesteigertes wirtschaftliches Eigeninteresse an den Geschäften seiner GmbH vorliegen. Wollte man hier jeweils eine persönliche Haftung des Gesellschafters aus c. i. c. bejahen, konterkarierte man das auch dem Alleingesellschafter zustehende Haftungsprivileg des Absatzes 2.

_____________ 103) BGHZ 31, 258, 271 = GmbHR 1960, 43 = NJW 1960, 285; BGH, NJW 1957, 181, 182; BGHZ 45, 204 = NJW 1966, 1309, 1310, Scholz-Bitter, GmbHG, § 13 Rn. 94, eingehend Scholz-Cziupka, GmbHG, § 4 Rn. 79 ff. 104) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 72. 105) Scholz-Bitter, GmbHG, § 13 Rn. 95 f. 106) BGHZ 87, 27 = ZIP 1983, 428 = GmbHR 1983, 197; BGHZ 70, 337 = NJW 1978, 1374; BGH, NJW 1983, 676, 677 = ZIP 1982, 1435 = GmbHR 1983, 44; BGH, ZIP 1989, 1455 = GmbHR 1990, 31 = NJW 1990, 389, dazu EWiR 1990, 265 (Miller). 107) BGHZ 126, 181, 189 f = ZIP 1994, 1103 = GmbHR 1994, 539, dazu EWiR 1994, 791 (Wilhelm). 108) Krit. auch Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 71. 109) BGHZ 126, 181, 183 ff = ZIP 1994, 1103 = GmbHR 1994, 539, dazu EWiR 1994, 791 (Wilhelm); BGH, ZIP 1995, 31 = GmbHR 1995, 130 = DB 1995, 137, dazu EWiR 1995, 357 (Noak); OLG Köln, WM 1997, 1379, 1380 f = GmbHR 1996, 766 = BB 1997, 112, dazu EWiR 1996, 973 (Zimmermann).

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Aus unerlaubter Handlung kann sich eine persönliche Haftung des Gesellschafters ebenfalls ergeben, wenn der Gesellschafter selbst den Deliktstatbestand erfüllt hat. Insbesondere kommen hier § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 266, 263 StGB in Betracht, ferner die Existenzvernichtungshaftung (siehe Rn. 42 ff) und weitere Fallgruppen der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB (siehe Rn. 33).

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Schließlich haften Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft, die nach dem Recht eines Drittstaats gegründet wurde und ihren Verwaltungssitz in Deutschland hat, nach § 128 HGB analog. Dies ist Folge der modifizierten Sitztheorie/Wechselbalgtheorie,110) wonach eine ausländische Kapitalgesellschaft im Fall der Verwaltungssitzverlegung ins Inland in eine inländische rechtsfähige Personengesellschaft umqualifiziert wird.111)

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3.

§ 826 BGB – Schädigung im Liquidationsstadium

In seinem Urteil vom 9.2.2009 („Sanitary“)112) hat der Bundesgerichtshof eine neue Fallgruppe der Deliktshaftung aus § 826 BGB ins Leben gerufen, die an der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung der GmbH durch Missachtung der Liquidationsvorschriften anknüpft. Danach haftet ein Gesellschafter seiner Gesellschaft (Innenhaftung) aus § 826 BGB, wenn er im Liquidationsstadium unter Verstoß gegen § 73 Abs. 1 in sittenwidriger Weise das im Interesse der Gesellschaftsgläubiger zweckgebundene Gesellschaftsvermögen schädigt. Anders als bei der Existenzvernichtungshaftung kommt es dabei nicht auf eine Insolvenzverursachung oder vertiefung an. Der Anspruch kann also, im Gegensatz zur Existenzvernichtungshaftung, auch schon dann geltend gemacht werden, wenn die Gesellschaft eigentlich ausreichend vermögend ist, um alle ihre Gläubiger zu befriedigen. Im Unterschied zur Haftung aus § 73 Abs. 3 i. V. m. § 43 Abs. 4 wird der Verjährungsbeginn bei der Konstruktion über § 826 BGB subjektiv an die Kenntnis des Geschädigten von Schaden und Schädiger angeknüpft (§§ 195, 199 BGB), während sich der Verjährungsbeginn bei § 73 Abs. 3 i. V. m. § 43 Abs. 4 objektiv an der Entstehung des Anspruchs orientiert. 4.

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Durchgriffshaftung

Einer der Kernsätze der Rechtsprechung lautet: „Über die juristische Person darf nicht leichtfertig und schrankenlos hinweggegangen werden, dies ist aber in Ausnahmefällen möglich und auch erforderlich, wenn die Wirklichkeit des Lebens und die Macht der Tatsachen ein solches Hinweggehen gebietet.“113) Der Bundesgerichtshof bereitet hier den Boden für die das Trennungsprinzip durchbrechende Durchgriffshaftung, die als Institut im Ergebnis grundsätzlich anerkannt, in der _____________ 110) Näher, Weller in: FS Goette, S. 583 ff. 111) BGH, ZIP 2009, 2385 ff = GmbHR 2010, 211 = AG 2010, 79 – Singapur Ltd., dazu EWiR 2010, 117 (Lieder/Kliebisch); BGHZ 178, 192 = NJW 2009, 289 ff = ZIP 2008, 2411 – Trabrennbahn (im Hinblick auf eine Schweizer AG); hierzu Weller, IPRax 2009, 202 ff. 112) BGH, ZIP 2009, 802 = GmbHR 2009, 601 = NZG 2009, 545; hierzu Weller, LMK 2009, 284304. 113) BGHZ 20, 4, 11; BGHZ 26, 31, 37; BGHZ 61, 380, 383 = GmbHR 1974, 9 = NJW 1974, 134; BGHZ 78, 318, 333 = ZIP 1981, 31 = NJW 1981, 522.

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dogmatischen Begründung jedoch umstritten ist.114) Unter dem Begriff der Durchgriffshaftung werden insbesondere die Fallgruppen der Vermögensvermischung, der materiellen Unterkapitalisierung und der Existenzvernichtungshaftung diskutiert. 35

Angesichts der Tatsache, dass das Kapitalschutzsystem im Zuge des MoMiG zugunsten der Gesellschafter gelockert wurde (vgl. §§ 5a, 19 Abs. 4, 30 Satz 3) ist davon auszugehen, dass die Tatbestände der Durchgriffshaftung tendenziell eine Erweiterung durch die Rechtsprechung erfahren werden.115) a) Vermögensvermischung

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Allgemein anerkannt ist die persönliche Gesellschafterhaftung im Fall der Vermögensvermischung.116) Das Trennungsprinzip des Absatzes 2 kann dort nicht mehr zugunsten des Gesellschafters zum Tragen kommen, wo eine klare Trennung zwischen dem Vermögen der Gesellschaft und der Gesellschafter nicht möglich ist. Von einer Vermögensvermischung ist auszugehen, wenn das Gesellschafts- und das Privatvermögen eines Gesellschafters aufgrund mangelnder oder undurchsichtiger Buchführung vermischt und dadurch die Einhaltung der Kapitalerhaltungsvorschriften unkontrollierbar wird.117) Alleine das Fehlen einer doppelten Buchführung oder die Benutzung von Privatkonten für Geschäfte der Gesellschaft reichen jedoch nicht aus, solange sich die Vermögenszuflüsse und -abflüsse sowie die Trennung von Gesellschafts- und Privatvermögen des Gesellschafters noch aufgrund sonstiger Unterlagen (Kassenbücher, betriebswirtschaftliche Auswertungen) nachvollziehen lassen. Ebenfalls sind die bloße Unklarheit bei der Zuordnung einzelner Gegenstände und die buchmäßig erfasste Entnahme durch Gesellschafter keine Fälle der Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung, sondern fallen unter die §§ 30, 31. Eine Haftung wegen Vermögensvermischung setzt einen gewissen Einfluss des Gesellschafters auf die Herbeiführung oder Aufrechterhaltung einer Vermögensvermischung voraus. Daher kommt sie regelmäßig nur für Allein- oder Mehrheitsgesellschafter sowie den wirtschaftlichen Träger einer GmbH,118) aber nicht für

_____________ 114) Für die Herleitung aus dem Prinzip von Treu und Glauben und dem Rechtsformmissbrauch sowie dem Institutsmissbrauch BGHZ 22, 230; BGHZ 68, 315 f = GmbHR 1977, 198 = NJW 1977, 1449; BGH, NJW 1974, 1371, 1372 = GRUR 1974, 797 = VersR 1974, 1080; BSG, ZIP 1996, 1134, 1135 = GmbHR 1996, 604 = DB 1996, 1475, dazu EWiR 1996, 857 (Plagemann); im Schrifttum vorherrschend ist die „Normzwecklehre“ bzw. „Normanwendungstheorie“, Müller-Freienfels, AcP 156 (1957) 522 ff; Coing, NJW 1977, 1793; Lutter, ZGR 1982, 244, 249 ff; Raiser in: FS Lutter, S. 637 ff. 115) Weller, DStR 2007, 1166. 116) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 136. 117) Im Gegensatz zum „TBB”-Urteil des BGH, in dem er es für ausreichend erachtet, dass die Buchführung in Unordnung geraten ist (NJW 1993, 1200, 1203 = ZIP 1993, 589 = GmbHR 1993, 283, dazu EWiR 1993, 327 (Altmeppen)), nunmehr BGHZ 125, 366, 368 = NJW 1994, 1801, 1802 = ZIP 1994, 867, dazu EWiR 1994, 681 (v. Gerkan); BGH, NJW 2006, 1344, 1345 f = ZIP 2006, 467 = GmbHR 2006, 426; BGHZ 173, 246 = NJW 2007, 2689, 2691 f = ZIP 2007, 1552 – Trihotel, dazu EWiR 2007, 557 (Wilhelm); BGH, NZG 2008, 187 f = ZIP 2008, 308 = GmbHR 2008, 257, dazu EWiR 2008, 135 (H. P. Westermann). 118) KG Berlin, NZG 2008, 344, 345 = ZIP 2008, 1535 = GmbHR 2008, 703.

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Minderheitsgesellschafter in Frage,119) es sei denn er kann in der Gesellschafterversammlung regelmäßig mit der Unterstützung der anderen Gesellschafter rechnen.120) Die Haftung ist verschuldensunabhängig und ergibt sich aus einer analogen Anwendung von § 128 HGB.121) Von der Vermögensvermischung zu unterscheiden ist die sog. Sphärenvermischung. In dieser Fallkonstellation trennt der Gesellschafter bei seinem Auftreten im Rechtsverkehr nicht hinreichend zwischen der Gesellschaft, als vertretenem Rechtssubjekt, und seiner eigenen Sphäre. Der Gesellschafter muss sich dann die getätigten Geschäfte selbst zurechnen lassen. Hierin wird kein Fall der Durchgriffshaftung gesehen, sondern ein Fall der Rechtsscheinhaftung.122)

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b) Materielle Unterkapitalisierung Mit der Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung soll sanktioniert werden, dass das Eigenkapital der Gesellschaft nicht in angemessenem Verhältnis zu ihrer tatsächlichen Geschäftstätigkeit steht. Freilich werden hohe Anforderungen an den Tatbestand der materiellen Unterkapitalisierung gestellt, weshalb nur eine sog. „qualifizierte materielle Unterkapitalisierung“ den Durchgriff begründen soll.123) Diese wird umschrieben als eine „eindeutig und für Insider klar erkennbar unzureichende Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft, die einen Misserfolg der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft zulasten der Gläubiger bei normalem Geschäftsverlauf mit hoher, das gewöhnliche Geschäftsrisiko deutlich übersteigender Wahrscheinlichkeit erwarten lässt“ (Ulmer).

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Das Bundessozialgericht hat in der Tat einmal eine „Durchgriffshaftung“ in Betracht gezogen, wenn eine gewisse Relation zwischen dem nach Art und Umfang der beabsichtigten oder tatsächlichen Geschäftstätigkeit einer GmbH bestehenden Finanzbedarf und dem haftenden Eigenkapital nicht gewährleistet ist.124) In der Folgezeit hat es jedoch keine allgemeinen Grundsätze für eine Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung formuliert.125) Das Bundesarbeitsgericht hingegen lehnt eine solche Haftung ab.126) Aus dem bloßen Tatbestand der Unterkapitalisierung dürfe keine persönliche Haftung der Gesellschafter hergeleitet werden,

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_____________ 119) BGHZ 125, 366, 368 f = NJW 1994, 1801, 1802 = ZIP 1994, 867, dazu EWiR 1994, 681 (v. Gerkan). 120) BGHZ 125, 366, 369 = NJW 1994, 1801, 1802 = ZIP 1994, 867, dazu EWiR 1994, 681 (v. Gerkan). 121) BGHZ 173, 246, 257 = NJW 2007, 2689, 2691 = ZIP 2007, 1552 – Trihotel, dazu EWiR 2007, 557 (Wilhelm). 122) BGH, NJW-RR 1987, 335, 336 = DB 1987, 628 = WM 1987, 110, dazu EWiR 1987, 21 (Siegburg); BGH, NJW 2001, 2716, 2718 = DB 2001, 1665 = WM 2001, 1425; zur Rechtsscheinhaftung Rn. 28. 123) Grundlegend Hachenburg-Ulmer, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 55. 124) BSG, ZIP 1996, 1134, 1135 = GmbHR 1996, 604 = DB 1996, 1475, dazu EWiR 1996, 857 (Plagemann). 125) BSG, NZS 1998, 346, 347 f. 126) BAG, ZIP 1999, 878, 879 = DB 1999, 1222 ff = GmbHR 1999, 655, dazu EWiR 1999, 603 (Keil).

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sofern nicht im Einzelfall zusätzlich die besonderen Voraussetzungen des § 826 BGB vorliegen.127) 40

Der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich gegen eine Haftung der Gesellschafter aufgrund materieller Unterkapitalisierung ihrer GmbH ausgesprochen und damit einer Rechtsfortbildung in dieser Hinsicht eine klare Absage erteilt.128) Obwohl gewichtige Stimmen im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum schon lange eine Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung fordern,129) sieht der Bundesgerichtshof keine Gesetzeslücke, die im Wege der Rechtsfortbildung geschlossen werden müsste.130) Der GmbH-Gesellschafter ist hiernach grundsätzlich nicht verpflichtet, der GmbH ein – ggf. „mitwachsendes“ – Finanzpolster zur Verfügung zu stellen, falls sich herausstellt, dass die Gesellschaft, hinsichtlich ihres finanziellen Bedarfs, gemessen am Geschäftsumfang, zu niedrig ausgestattet ist.131)

41

In Betracht kommt aber eine Haftung des Gesellschafters aus § 826 BGB wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung der Gläubiger der GmbH,132) jedoch lässt der Bundesgerichtshof offen, ob der materiellen Unterkapitalisierung ebenso wie der Existenzvernichtungshaftung hierbei eine eigene Fallgruppe innerhalb des § 826 BGB zugedacht werden sollte.133) Eine solche Fallgestaltung ist etwa zu erwägen, wenn die Gesellschafter ihre GmbH so ausgestaltet haben, dass Nachteile aus der Geschäftstätigkeit notwendig die Gläubiger der Gesellschaft treffen mussten134) („Aschenputtel-Konstellationen“). c) Existenzvernichtung135)

42

Es herrscht weitgehende Einigkeit darüber, dass die Kapitalerhaltungsvorschriften des GmbHG (§§ 30, 31) keinen lückenlosen Gläubigerschutz gewährleisten.136) So schützen die genannten Vorschriften nicht vor einem Verlust des haftenden Kapitals _____________ 127) BAG, ZIP 2002, 2137 = NJW 2003, 1340 = NZG 2003, 120, dazu EWiR 2003, 175 (Moll/Langhoff). 128) BGHZ 176, 204, 214 ff = ZIP 2008, 1232, 1234 f = NZG 2008, 547, 549 f – GAMMA, dazu EWiR 2008, 493 (Bruns). 129) Z. B. Scholz-Bitter, GmbHG, § 13 Rn. 143 ff; begrenzt auf Fälle des § 826 BGB Roth/ Altmeppen-Altmeppen, § 13 Rn. 145 f. 130) BGHZ 176, 204, 215 = ZIP 2008, 1232, 1234 = NJW 2008, 2437, 2439, dazu EWiR 2008, 493 (Bruns). 131) BGHZ 176, 204 = ZIP 2008, 1232 = NJW 2008, 2437, dazu EWiR 2008, 493 (Bruns). 132) Altmeppen, ZIP 2008, 1201, 1205 f; Kleindiek, NZG 2008, 686, 688 f. 133) BGHZ 176, 204, 216 = ZIP 2008, 1232, 1235 f = NJW 2008, 2437, 2440, dazu EWiR 2008, 493 (Bruns); so auch schon Goette, Die GmbH, § 9 Rn. 45; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 13 Rn. 58; Ensthaler/Füller/Schmidt-Ensthaler, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 43. 134) BAG, ZIP 1999, 878, 880 = DB 1999, 1222 = GmbHR 1999, 655, dazu EWiR 1999, 603 (Keil). 135) Ausführlich zu Tatbestand und Rechtsfolgen Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 123 ff; Weller, ZIP 2007, 1681 ff. 136) BGHZ 173, 246, 252 ff = ZIP 2007, 1552 = NJW 2007, 2689 – Trihotel, dazu EWiR 2007, 557 (Wilhelm); Altmeppen, ZIP 2001, 1837, 1839 f; Ihrig, DStR 2007, 1170; Liebscher, GmbHKonzernrecht, Rn. 437 ff; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402; Priester, ZGR 1993, 512; K. Schmidt, NJW 2001, 3577; Ulmer, ZIP 2001, 2021, 2022 ff; Wiedemann, ZGR 2003, 283; Weller, DStR 2007, 1166.

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i. R. d. Geschäftsführung der Gesellschaft (z. B. durch „Verwirtschaften“ oder Fehlentwicklungen in der Geschäftspolitik), sondern verbieten lediglich in gewissem Umfang den Zugriff der Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen (Ausschüttungssperre). Hinzu kommt, dass den §§ 30, 31 eine bilanzielle Betrachtungsweise zugrunde liegt. Diese läuft naturgemäß für Vermögensgegenstände und Entnahmevorgänge leer, die nicht oder nur unzureichend bilanzierungsfähig sind, etwa den Abzug von Geschäftschancen, Leistungsträgern oder die Überleitung von Kundenbeziehungen auf andere Unternehmen.137) Dieser Problematik, die sich mit Einführung des MoMiG noch verschärft hat,138) versuchen Rechtsprechung und Lehre mit dem Institut des sog. Existenzvernichtenden Eingriffs zu begegnen. Ursprünglich hat der Bundesgerichtshof „existenzvernichtende Sachverhalte“ über die Haftungsfigur des sog. qualifiziert-faktischen Konzerns zu fassen gesucht.139) Das Problem der Vernichtung einer GmbH durch ihre eigenen Gesellschafter erachtete der Bundesgerichtshof zunächst als spezifisch für den Unternehmensverbund. In diesem besteht in der Tat die Gefahr, dass Unternehmer-Gesellschafter noch anderweitige unternehmerische Interessen verfolgen mit der Konsequenz, dass der Interessengleichlauf zwischen ihnen und der in Frage stehenden GmbH nicht mehr gegeben ist (Konzerngefahr). Begründet wurde die Haftung über eine Analogie zu den §§ 302, 303 AktG, da im qualifiziert-faktischen Konzern die gleiche Gefährdungslage wie bei einem Vertragskonzern gegeben sei. So heißt es in der letzten großen Entscheidung zu dieser Haftungskonstruktion („TBB“),140) der beherrschende Unternehmergesellschafter hafte analog §§ 302, 303 AktG, wenn er bei Ausübung seiner Konzernleitungsmacht keine angemessene Rücksicht auf die eigenen Belange der abhängigen Gesellschaft nehme und sich der ihr zugefügte Nachteil nicht durch Einzelausgleichsmaßnahmen kompensieren lasse. Der abhängigen GmbH muss es infolge der Beeinträchtigung ihrer Interessen durch das herrschende Unternehmen unmöglich geworden sein, ihren Verbindlichkeiten nachzukommen.

43

Mit der Entscheidung „Bremer Vulkan“141) hat sich der Bundesgerichtshof jedoch von der Haftung im qualifiziert-faktischen Konzern abgewandt. In der KBV-Entscheidung142) wurde sodann der existenzvernichtende Eingriff als selbständiges Rechtsinstitut mit eigener Anspruchsgrundlage ausgestaltet. Hiernach sollen Eingriffe in das Gesellschaftsvermögen, welche es „in einem ins Gewicht fallenden Maße“ an Rücksichtnahme auf den Erhalt der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft mangeln lassen, einen Rechtsformmissbrauch darstellen, der zum Verlust der Haftungsbeschränkung führt, wenn der Nachteil nicht durch die §§ 30, 31 ausgeglichen

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_____________ 137) Goette in: VGR 13 (2008), S. 1, 20. 138) Weller, DStR 2007, 1166. 139) BGH, NJW 1986, 188 ff = ZIP 1985, 1263 = GmbHR 1986, 78 – Autokran, dazu EWiR 1985, 885 (Hommelhoff). 140) BGH, ZIP 1993, 589 = GmbHR 1993, 283 = NJW 1993, 1200 – TBB, dazu EWiR 1993, 327 (Altmeppen). 141) BGHZ 149, 10 = ZIP 2001, 1874 = GmbHR 2001, 1036. 142) BGH, ZIP 2002, 1578 = GmbHR 2002, 902 = NJW 2002, 3024.

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werden kann.143) Die Haftung aus Existenzvernichtung war damit gegenüber den §§ 30, 31 subsidiär. Des Weiteren waren die Ansprüche aus Existenzvernichtung als sog. Außenhaftung ausgestaltet, d. h. die Gesellschaftsgläubiger selbst konnten sich unmittelbar an die Gesellschafter halten (analog § 128 HGB). 45

Mit der Entscheidung „Trihotel“ vom 16.7.2007144) hat der Bundesgerichtshof erneut eine Kehrtwende im Konzept der Existenzvernichtungshaftung vollzogen. Die Existenzvernichtungshaftung wurde darin auf eine deliktische Grundlage (§ 826 BGB) gestellt. Statt als Durchgriffsaußenhaftung analog § 128 HGB hat sie der Bundesgerichtshof nunmehr in einem Akt richterrechtlicher Rechtsfortbildung als Schadensersatzhaftung ausgestaltet, die von der Gesellschaft selbst bzw. deren Insolvenzverwalter gegenüber den Gesellschaftern geltend zu machen ist (Innenhaftungskonzept). Der Bundesgerichtshof hat ferner das Subsidiaritätskriterium aufgegeben: Die Ansprüche aus §§ 30, 31 sind nicht mehr vorrangig zur Existenzvernichtungshaftung zu prüfen, sondern stehen nunmehr in freier Anspruchsgrundlagenkonkurrenz zueinander.145)

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Nach der Trihotel-Entscheidung setzt die Existenzvernichtungshaftung aus § 826 BGB folgende Tatbestandsmerkmale voraus: aa) Entzug des Gesellschaftsvermögens

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Der oder die Gesellschafter müssen der GmbH Gesellschaftsvermögen entzogen haben. Unter den Begriff des geschützten Gesellschaftsvermögens fällt nicht nur das bilanzielle Vermögen der GmbH; vielmehr zählen dazu auch Geschäftschancen und -ressourcen. Es geht darum, alle Positionen zu erfassen, die es der Gesellschaft ermöglichen, ihre wirtschaftliche Tätigkeit planmäßig fortzusetzen und Umsatzerlöse zu generieren.146) Beispiele für den Entzug von Gesellschaftsvermögen sind der Abfluss liquider Mittel,147) die Verlagerung von Arbeitskräften (Know-how), Geschäftsverbindungen, betriebsnotwendigen Ressourcen (z. B. wesentliche Maschinen, Lizenzen etc.) oder des Kundenstamms auf den Gesellschafter selbst oder auf eine von ihm beherrschte andere Gesellschaft.148) Auch die Vernichtung einer der Gesellschaft gegen einen Geschäftsführer-Alleingesellschafter zustehenden Forderung durch Inkaufnahme eines Versäumnisurteils zulasten der GmbH begründet einen Vermögensentzug.149) Dasselbe gilt, wenn eine der Gesellschaft vertraglich als Entgelt _____________ 143) BGH, ZIP 2012, 1071 = NZG 2012, 667, dazu EWiR 2012, 415 (Paefgen/Dettke); BGH, ZIP 2012, 1804 = NZG 2012, 1069, dazu EWiR 2012, 757 (L. Beck); BGH, NJW 2002, 3024, 3025 = ZIP 2002, 1578 = GmbHR 2002, 902. 144) BGHZ 173, 246 = ZIP 2007, 1552 = NJW 2007, 2689 – Trihotel, dazu EWiR 2007, 557 (Wilhelm); hierzu Weller, ZIP 2007, 1681 ff. 145) BGH, ZIP 2012, 1804 = NZG 2012, 1069, dazu EWiR 2012, 757 (L. Beck); BGHZ 173, 246 Rn. 38, 40 = ZIP 2007, 1552 = NJW 2007, 2689 – Trihotel, dazu EWiR 2007, 557 (Wilhelm). 146) Strohn, ZInsO 2008, 706, 708. 147) BGHZ 149, 10 = ZIP 2001, 1874 = GmbHR 2001, 1036; BGHZ 150, 61 = ZIP 2002, 848 = GmbHR 2002, 549, dazu EWiR 2002, 679 (Blöse). 148) Weller, ZIP 2007, 1681, 1684; Dauner-Lieb, DStR 2006, 2034, 2038; BGHZ 149, 10 = ZIP 2001, 1874 = GmbHR 2001, 1036. 149) BGH, BB 2009, 1037, 1038 = ZIP 2009, 802 = GmbHR 2009, 601; OLG Celle, GmbHR 2010, 87 = NZG 2010, 181.

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eingeräumte Umsatzbeteiligung derart unvertretbar niedrig ausfällt, dass eine Insolvenz der Gesellschaft bereits im Zeitpunkt der Vereinbarung praktisch unausweichlich ist.150) Dagegen liegt kein Entzug von Gesellschaftsvermögen vor, wenn der, der GmbH zugefügte, vermögensrelevante Nachteil durch eine marktgerechte Gegenleistung kompensiert wird.151) Besteht die Kompensation darin, dass Forderungen des Gesellschafters gegen die Gesellschaft aufgerechnet werden sollen, ist entscheidend, ob die Forderung werthaltig ist.152) Nicht unter den Tatbestand des Vermögensentzuges lassen sich ferner die Fälle der materiellen Unterkapitalisierung und der Vermögensminderung durch Managementfehler153) subsumieren. Auch die sog. Aschenputtel-Konstellationen, in denen der Aschenputtel-Gesellschaft alle Risiken zugewiesen werden, während die Schwestergesellschaft das Betriebsvermögen hält und von den Geschäftschancen profitiert, begründen keine Existenzvernichtungshaftung (möglicherweise aber eine andere Fallgruppe des § 826 BGB). Entsprechendes gilt für den Ausschluss einer GmbH vom konzerninternen Cash-PoolSystem.154) In allen vorgenannten Konstellationen wird der Gesellschaft (noch nicht vorhandenes) betriebsnotwendiges Vermögen lediglich passiv vorenthalten, nicht jedoch bereits vorhandenes Vermögen der Gesellschaft wieder entzogen. Ein passives Vorenthalten könnte nur dann sanktioniert werden, wenn eine Pflicht der Gesellschafter bestünde, für eine unternehmensgegenstandsadäquate Kapitalausstattung der GmbH zu sorgen.155) Eine solche Pflicht besteht jedoch angesichts des Prinzips der Finanzierungsfreiheit im GmbH-Recht nicht. In dem bloßen Unterlassen einer geeigneten Kapitalausstattung hat der Bundesgerichtshof in der Gamma-Entscheidung daher zu Recht keinen Fall des existenzvernichtenden Eingriffs gesehen.156) Ebenfalls keine planmäßige Entziehung von Gesellschaftsvermögen liegt vor, wenn der Gesellschafter Forderungen der GmbH gegen Dritte auf sein eigenes Konto einzieht, sofern der Gesellschafter mit diesen Mitteln Verbindlichkeiten der Gesellschaft begleicht und zusätzlich in beträchtlichem Umfang aus eigenem Vermögen weitere Gesellschaftsschulden tilgt.157)

_____________ 150) BGHZ 173, 246, 266 = BB 2007, 1970, 1976 = ZIP 2007, 1552 – Trihotel, dazu EWiR 2007, 557 (Wilhelm). 151) BGH, ZIP 2012, 1071 = NZG 2012, 667, dazu EWiR 2012, 415 (Paefgen/Dettke); BGH, ZIP 2012, 1804 = NZG 2012, 1069, dazu EWiR 2012, 757 (L. Beck); BGHZ 173, 246, 266 = BB 2007, 1970, 1976 = ZIP 2007, 1552 – Trihotel, dazu EWiR 2007, 557 (Wilhelm). 152) BGH, ZIP 2012, 1804 = NZG 2012, 1069, dazu EWiR 2012, 757 (L. Beck). 153) BGH, ZIP 2005, 250 = NZG 2005, 214, 215 = GmbHR 2005, 299. 154) OLG Köln, DStR 2009, 1490 = BeckRS 2009, 10826, dazu EWiR 2009, 667 (Hangebrauck). 155) Weller, ZIP 2007, 1681, 1684. 156) Der BGH lässt die Haftung am fehlenden Eingriff bei einem Unterlassen scheitern, denn durch das Unterlassen sei das Stammkapitel nicht angetastet worden, BGHZ 176, 204 = ZIP 2008, 1232 = NJW 2008, 2437 – GAMMA, dazu EWiR 2008, 493 (Bruns). 157) BGH, ZIP 2008, 1329 = GmbHR 2008, 929 = DB 2008, 1557, dazu EWiR 2008, 681 (Blasche).

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bb) Insolvenzverursachung oder -vertiefung 49

Der Entzug des Gesellschaftsvermögens muss die Insolvenz der Gesellschaft kausal hervorgerufen oder vertieft haben.158) Für den Nachweis dieses Merkmals ist der Insolvenzverwalter darlegungs- und beweispflichtig.159) Eine bloße Insolvenzgefährdung begründet dagegen noch keine Haftung wegen Existenzvernichtung. Die Existenzvernichtungshaftung kommt auch noch im Stadium der Liquidation der GmbH in Betracht.160) cc) Sittenwidrigkeit des Gesellschafterverhaltens

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Die Sittenwidrigkeit kann mit dem Bundesgerichtshof bejaht werden, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft das Vermögen planmäßig entzogen und in seine (unmittelbare oder mittelbare) Vermögenssphäre überführt hat,161) mithin wenn sich die Zugriffsmasse der Gläubiger zum Vorteil des Gesellschafters verringert.162) Es genügt, wenn der Zweck des Gesellschafterhandelns primär egoistisch motiviert und die Verringerung der Schuldendeckungsfähigkeit der Gesellschaft zulasten der Gläubiger die bloße Folge der Selbstbedienung ist.163) Die Sittenwidrigkeit kann z. B. bejaht werden, wenn ein Gesellschaftergeschäftsführer in einem Prozess gegen sich selbst seine Organstellung zur Durchsetzung eigener Interessen missbraucht.164) Sie kann im Prozess mit Hilfe äußerer Umstände dargelegt werden.165) Indem der Insolvenzverwalter einen systematischen Vermögenstransfer von der Gesellschaftsin die Gesellschaftersphäre aufzeigt, wird der Selbstbedienungsaspekt indiziert und es ist dann am Gesellschafter, die Sittenwidrigkeit zu widerlegen.166) dd) Vorsatz des Gesellschafters

51

Dem Vorsatzerfordernis ist genügt, wenn dem handelnden Gesellschafter bewusst ist, dass durch von ihm selbst oder mit seiner Zustimmung veranlasste Maßnahmen das Gesellschaftsvermögen sittenwidrig geschädigt wird.167) Eventualvorsatz reicht aus.168) _____________ 158) Ein Eingriff in das Gesellschaftsvermögen, der die Insolvenz weder herbeiführt noch vertieft, führt nicht zur Haftung wegen Existenzvernichtung, BGH, ZIP 2012, 1804 = NZG 2012, 1069, dazu EWiR 2012, 757 (L. Beck); BGH, ZIP 2008, 308 = GmbHR 2008, 257 = NZG 2008, 187, dazu EWiR 2008, 135 (H. P. Westermann). 159) BGHZ 173, 246 Rn. 41, 54 = ZIP 2007, 1552 = NJW 2007, 2689 – Trihotel, dazu EWiR 2007, 557 (Wilhelm). 160) BGH, ZIP 2009, 802 = GmbHR 209, 601 = BB 2009, 1037. 161) Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 158 f. 162) BGHZ 173, 246 Rn. 22, 30 = ZIP 2007, 1552 = NJW 2007, 2689 – Trihotel, dazu EWiR 2007, 557 (Wilhelm). 163) BGH, ZIP 2012, 1071 = NZG 2012, 667, dazu EWiR 2012, 415 (Paefgen/Dettke); Weller, ZIP 2007, 1681, 1685. 164) BGH, BB 2009, 1037, 1039 = ZIP 2009, 802 = GmbHR 209, 601. 165) Palandt-Sprau, BGB, 68. Aufl. 2009, § 826 Rn. 9 f, 18. 166) Dauner/Lieb, DStR 2006, 2034, 2037; Weller, ZIP 2007, 1681, 1685. 167) BGHZ 173, 246 Rn. 30 = ZIP 2007, 1552 = NJW 2007, 2689 – Trihotel, dazu EWiR 2007, 557 (Wilhelm). 168) BGHZ 173, 246 Rn. 30 = ZIP 2007, 1552 = NJW 2007, 2689 – Trihotel, dazu EWiR 2007, 557 (Wilhelm).

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ee) Schaden der Gesellschaft Der Schaden wird anhand der Differenzhypothese ermittelt. Verglichen wird der tatsächliche Vermögenszustand der insolventen GmbH mit dem hypothetischen Vermögenszustand, der ohne den existenzvernichtenden Eingriff bestünde. Neben dem entgangenen Gewinn (§ 252 BGB) zählen zum Schaden auch die Kosten des vorläufigen und des eröffneten Insolvenzverfahrens, sofern die Gesellschaft ohne den Eingriff nicht insolvent geworden wäre. Der Schaden umfasst ferner sog. Kollateralschäden, die etwa durch insolvenzbedingte Zerschlagungsverluste entstehen.169) Die Kosten eines Prozessfinanzierers können u. U. ebenfalls geltend gemacht werden.170) Der Anspruch aus existenzvernichtendem Eingriff ist zu verzinsen. Dabei sind die Zinsen nicht erst ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern schon ab dem Zeitpunkt der konkreten Entziehung des Vermögens zu entrichten.171)

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ff) Haftungsbegrenzung Der Schadensersatzanspruch ist begrenzt auf den Betrag, der zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger oder für den Ausgleich der Kosten des Insolvenzverfahrens notwendig ist.172) Die Gesellschaft muss dagegen nicht als „werbendes Unternehmen“ wieder hergestellt werden. Es soll allein der Betrag ersetzt werden, um den die Schuldendeckungsfähigkeit der GmbH geschmälert wurde.

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gg) Schuldner (Adressaten) der Existenzvernichtungshaftung Schuldner (Adressaten) der Existenzvernichtungshaftung können neben den Gesellschaftern auch Nicht-Gesellschafter als Teilnehmer (§ 830 Abs. 2 BGB) des existenzvernichtenden Eingriffs sein, sofern sie durch ihren Beitrag die Existenzvernichtung durch den Gesellschafter bewusst fördern oder erleichtern. Gesellschafter und Teilnehmer haften dann als Gesamtschuldner, § 840 BGB. Als Teilnehmer kommen insbesondere Anwälte, Banken und sonstige Berater in Betracht. Die Teilnehmerhaftung setzt allerdings einen „doppelten Vorsatz“ (bezogen auf die eigene Förderungshandlung und auf die Haupttat des Gesellschafters) voraus.173)

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hh) Geltendmachung Zur Geltendmachung der Ansprüche aus Existenzvernichtungshaftung ist nunmehr ausschließlich die Gesellschaft bzw. der Insolvenzverwalter zuständig. Die Gesellschaftsgläubiger ihrerseits müssen den prozessualen Umweg gehen, zuerst einen Titel gegen die Gesellschaft zu erwirken, um sodann die Ansprüche der Gesellschaft gegen die Gesellschafter pfänden und sich überweisen lassen zu können _____________ 169) BGHZ 173, 246 Rn. 39 = ZIP 2007, 1552 = NJW 2007, 2689 – Trihotel, dazu EWiR 2007, 557 (Wilhelm); Goette, ZIP 2005, 1481, 1486 f; Röhricht, ZIP 2005, 505, 515. 170) BGHZ 173, 246 Rn. 50, 54 f = ZIP 2007, 1552 = NJW 2007, 2689 – Trihotel, dazu EWiR 2007, 557 (Wilhelm). 171) BGH, NJW-RR 2008, 918, 919 = ZIP 2008, 455 = GmbHR 2008, 322, dazu EWiR 2008, 433 (Wilhelmi). 172) BGHZ 173, 246 Rn. 55 = ZIP 2007, 1552 = NJW 2007, 2689 – Trihotel, dazu EWiR 2007, 557 (Wilhelm). 173) Weller, ZIP 2007, 1681, 1687.

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(§§ 829, 835 ZPO). Die regelmäßige Verjährung beginnt erst dann zu laufen, wenn dem Gläubiger die anspruchsbegründenden Umstände sowie die Tatsache, dass der Gesellschafter als Schuldner in Betracht kommt, bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt sind.174) ii) Anwendbarkeit auf Scheinauslandsgesellschaften 56

Umstritten ist, ob die Existenzvernichtungshaftung insolvenzrechtlich175) (Art. 4 EuInsVO), deliktisch176) (Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO) oder gesellschaftsrechtlich177) (Sitz-/Gründungstheorie) zu qualifizieren ist.178) Ordnet man sie aufgrund der Neukonzeption als Fallgruppe des § 826 BGB deliktisch ein, hat dies jedoch über Art. 4 Rom II-VO nicht ohne weiteres die Anwendbarkeit auf im Inland operierende Auslandsgesellschaften zur Folge. Vielmehr ist als sog. Vorfrage der Existenzvernichtungshaftung deren (implizite) Anwendungsvoraussetzung, die unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes defizitären Ausschüttungssperren (siehe Rn. 42), selbständig anzuknüpfen. Zu prüfen ist mithin, ob das Gesellschaftsstatut der Auslandsgesellschaft in Bezug auf die dort geltenden Ausschüttungssperren entsprechende Defizite wie die §§ 30, 31 aufweist. Anders gewendet: Erfasst das Heimatstatut der Auslandsgesellschaft bereits die Fälle des existenzvernichtenden Eingriffs, fehlt sachrechtlich die Legitimation für die Anwendung der inländischen Existenzvernichtungshaftung.179) 5.

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Gesellschafterfreundlicher Durchgriff, Reflexschaden, umgekehrter Durchgriff

Eine Durchbrechung des Trennungsprinzips resultiert auch aus dem sog. gesellschafterfreundlichen Durchgriff. Die Rechtsprechung bejaht einen solchen Durchgriff in Konstellationen, in denen der Gesellschaftergeschäftsführer geschädigt wird und diese Schädigung mittelbar auch die Gesellschaft trifft, z. B. durch Ausfall der Geschäftsführertätigkeit.180) Der Schaden der Gesellschaft kann etwa darin liegen, dass sie die Geschäftsführervergütung weiterbezahlen muss oder ihr Gewinne wegen verpasster, lukrativer Aufträge entgehen. Ein solcher Schaden ist durch den Gesellschafter für die Gesellschaft geltend zu machen (nach der h. M.181) im Rahmen einer Drittschadensliquidation). _____________ 174) 175) 176) 177) 178) 179) 180)

181)

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BGH, ZIP 2012, 1804 = NZG 2012, 1069, dazu EWiR 2012, 757 (L. Beck). Ulmer/Habersack/Löbbe-Casper, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 183, § 64 Rn. 33 f. Wicke, GmbHG, § 13 Rn. 13. Gehrlein, WM 2008, 761, 769; Goette, ZInsO 2007, 1177, 1183; Schanze, NZG 2007, 681, 685. Ausführlich zur Qualifikation Weller, ZIP 2007, 1681, 1688. Weller, ZIP 2007, 1681, 1689. BGHZ 61, 380, 383 = GmbHR 1974, 9 = NJW 1974, 134; BGH, ZIP 1995, 1595 = GmbHR 1995, 666 = WM 1996, 395, dazu EWiR 1995, 789 (v. Gerkan); BGH, NJW 1992, 368, 369 = ZIP 1991, 1584 = GmbHR 1992, 104, dazu EWiR 1992, 59 (Zimmermann). Wicke, GmbHG, § 13 Rn. 16; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 13 Rn. 16; Lutter/ Hommelhoff/Bayer, § 13 Rn. 48; Merkt, in: MünchKomm GmbHG, § 13 Rn. 367; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Raiser, GmbHG, § 13 Rn. 60; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, § 4 IV 2, S. 238 ff; a. A. Scholz-Bitter, GmbHG, § 13 Rn. 180 ff.

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Juristische Person; Handelsgesellschaft

§ 13

Entsprechendes gilt für den sog. „Doppelschaden“ oder „Reflexschaden“.182) Ein Doppelschaden liegt vor, wenn Gesellschaft und Gesellschafter nebeneinander geschädigt werden, z. B. durch die Verletzung der Treuepflicht durch einen Mitgesellschafter, die sich in einer Wertminderung des Geschäftsanteils niederschlägt. Auch diesen Schaden kann der Gesellschafter zugunsten der Gesellschaft geltend machen.183) Auch wenn die Gesellschaft durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst wird, kann der Gesellschafter nur Leistung an die Gesellschaft verlangen.184) Schadensersatzleistungen an den Gesellschafter selbst kommen nur insoweit in Betracht, als ihm ein zusätzlicher eigener Schaden entstanden ist.185)

58

Hingegen wird der sog. umgekehrte Durchgriff, d. h. der Zugriff von Privatgläubigern eines Gesellschafters auf das Vermögen der GmbH für private Gesellschafterschulden, allgemein abgelehnt.186) Ausnahmen kommen selbst bei Schulden eines Alleingesellschafters nicht in Betracht.187) Der Privatgläubiger kann allein den Geschäftsanteil, den der Gesellschafter an der GmbH hält, pfänden und verwerten.188)

59

6.

Zurechnung von Kenntnissen und Eigenschaften

Problematisch ist, inwieweit sich die Gesellschaft Kenntnisse, Verhaltensweisen und Eigenschaften ihrer Gesellschafter im Rechtsverkehr zurechnen lassen muss. Für die Zurechnung von Kenntnissen und Eigenschaften gibt es in der Rechtsprechung eine Vielzahl von Beispielen: Unter den Begriff des sog. Zurechnungsdurchgriffs fallen z. B. die Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB durch einen Geschäftspartner der GmbH wegen Irrtums über Person oder Eigenschaften ihres Gesellschaftergeschäftsführers.189) Ebenso wird der Alleingesellschafter gegenüber der GmbH nicht als Dritter i. S. d. § 123 Abs. 2 BGB angesehen, sodass eine Anfechtung nach den weniger strengen Bedingungen des § 123 Abs. 1 BGB möglich ist.190) Eine Zurechnung der Kenntnisse und auch des Kennenmüssens des Gesellschafters gegenüber seiner GmbH erfolgt gemäß § 166 Abs. 2 BGB. In der Insolvenz wird der Gesellschafter schließlich im Verhältnis zur GmbH als naher Angehöriger i. S. d. § 138 InsO behandelt; umgekehrt soll die GmbH in der Insolvenz _____________ 182) Vgl. auch Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 153 ff. 183) BGH, NJW 1988, 2794, 2796 = ZIP 1988, 1112 = DB 1988, 1890, dazu EWiR 1988, 951 (Schulze-Osterloh); BGH, NJW 1987, 1077, 1079 = ZIP 1987, 29 = DB 1987, 478, dazu EWiR 1987, 109 (Wiedemann); OLG Hamm, NJW-RR 2002, 1259, 1260 = ZIP 2002, 1486 = GmbHR 2002, 905. 184) BGH, ZIP 2013, 1376 = BB 2013, 2124, dazu EWiR 2013, 507 (Wackerbarth); BGH, ZIP 2005, 320 = GmbHR 2005, 301 = DB 2005, 331. 185) Etwa durch Entwertung seines Gesellschaftsanteils, hierzu Scholz-Bitter, GmbHG, § 13 Rn. 180 ff. 186) BGH, GmbHR 1990, 295 = BB 1990, 730 = DB 1990, 979, dazu EWiR 1990, 785 (Weipert); KG Berlin, GmbHR 2003, 775 = NZG 2003, 333 = NJW-RR 2003, 617; LG Düsseldorf, GmbHR 2000, 332 = DB 2000, 812. 187) BGH, NJW 2004, 217, 218 = ZIP 2003, 2247 = GmbHR 2004, 57; KG Berlin, GmbHR 2003, 775 = NZG 2003, 333 = NJW-RR 2003, 617; a. A. OLG Düsseldorf, GmbHR 2000, 283 = NJW-RR 2001, 542. 188) Ausführl. Reichert/Weller, Der GmbH-Geschäftsanteil, § 15 Rn. 516 ff. 189) RGZ 143, 429, 431 – konkret: Irrtum über die Zuverlässigkeit des Gesellschafters. 190) BGH, ZIP 1990, 371 = GmbHR 1990, 164 = NJW 1990, 1915, dazu EWiR 1991, 65 (Heinemann).

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Konzernrecht

des Gesellschafters ebenfalls als naher Angehöriger gelten.191) Der an einer GmbH maßgeblich beteiligte Makler kann sich bei einem Geschäft der GmbH mit einem Dritten keine Maklerprovision verdienen, weil dies der ratio des § 652 BGB widerspräche.192) Entsprechendes gilt für die Gesellschaft als Maklerin.193) Die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten sind auf Geschäfte zwischen der Gesellschaft und ihrem Gesellschafter mangels Verkehrsgeschäft nicht anwendbar.194) Umstritten ist schließlich, ob die GmbH eine Bauhandwerker-Sicherungshypothek am Grundstück ihres Gesellschafters verlangen kann, wenn sie die Bestellerin der Werkleistung ist.195) V. Handelsgesellschaft (Abs. 3) 61

Absatz 3 normiert, dass die GmbH als Handelsgesellschaft i. S. d. HGB gilt. Damit ist die GmbH Formkaufmann i. S. d. § 6 HGB mit der Konsequenz, dass die Vorschriften des 1., 3. und 4. Buchs des HGB auf sie Anwendung finden.196) Da die GmbH Kaufmann ist, unterliegt sie insbesondere den Vorschriften über Handelsgeschäfte §§ 343 ff HGB.197) Für die GmbH gelten ferner § 38 ZPO und § 95 Abs. 1 Nr. 1 GVG.198) Sie ist auch Unternehmerin i. S. d. § 14 BGB. Dagegen ist sie nur dann Gewerbetreibende i. S. d. Gewerbeordnung, wenn sie tatsächlich ein Gewerbe ausübt.199) Den Gesellschaftern und Geschäftsführern persönlich kommt aufgrund ihrer Stellung in der GmbH dagegen keine Kaufmannseigenschaft zu.200) _____________ 191) BGH, GmbHR 2007, 64 = NJW 1972, 495 = DB 1972, 278; BGH, ZIP 1986, 170 = NJW 1986, 1047 = DB 1986, 792, dazu EWiR 1986, 177 (Gerhardt). 192) BGH, NJW 1975, 1215, 1216. 193) BGH, NJW 1971, 1839, 1840; BGH, NJW 1973, 1649, 1650 f; BGH, NJW 1974, 1130, 1131 f = WM 1974, 482. 194) RGZ 126, 46, 48 ff. 195) Dagegen BGHZ 102, 95, 100 ff = ZIP 1988, 244 = DB 1988, 282, dazu EWiR 1988, 43 (Siegburg); dafür OLG München, NJW 1975, 220, 221. 196) Zu den Registerpflichten eines Geschäftsführers ggü. dem Handelsregister nach Eröffnung der Insolvenz OLG Hamm NZG 2017, 747. 197) VG Köln, DStR 2009, 819, 820. 198) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 12. 199) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 13 Rn. 73. 200) BGH, ZIP 1986, 1457 = WM 1986, 939, dazu EWiR 1986, 889 (Lepsien); LG Oldenburg, WiB 1996, 265.

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Literatur: Altmeppen, Zu Formfragen bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen der GmbH, DB 1994, 1273; Birk, Die multinationalen Korporationen im internationalen Arbeitsrecht, BerGesVR 18 (1978) 263; Däubler, Mitbestimmung und Betriebsverfassung im internationalen Privatrecht, RabelsZ 39 (1975) 444; Fleischer, Konzernrechtliche Vertrauenshaftung, ZHR 163 (1999) 461; Flume, Der Gewinn- und Verlustübernahmevertrag im GmbH-Recht, DB 1989, 665; Forum Europaeum Konzernrecht, Konzernrecht für Europa, ZGR 1998, 672; Gäbelein, Unternehmensverträge bei Einpersonen-GmbH, GmbHR 1992, 786; Meilicke, Korporative Versklavung deutscher Aktiengesellschaften

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durch Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge gegenüber in- und ausländischen Unternehmen, in: Festschrift für Ernst Hirsch, 1968, S. 99; Pache, Spätlese – Die Rechtsentwicklung nach dem Supermarktbeschluss des BGH, GmbHR 1995, 90; Rieckers, Konzernhaftung und Konzernvertrauen, 2004; Senat, Wirksamkeit eines nicht eingetragenen Organ- und Ergebnisabführungsvertrags, NJW 2002, 822; Stimpel, Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, ZGR 1991, 144; Vetter, Zur Aufhebung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages im GmbH-Recht, ZIP 1995, 345; Weller, Wettbewerbsverbote und ihre Drittwirkung in der Kapitalgesellschaft & Co. KG, ZHR 175 (2011) 110. Übersicht I. II. 1. 2.

Einführung ........................................... 1 Konzerntatbestand i. w. S. .................. 4 Gesetzliche Regelung ............................ 4 Der konzernrechtliche Unternehmensbegriff ............................................ 5 3. Abhängigkeit ......................................... 8 4. Arten der Unternehmensverbindung (§§ 16, 18 und 19 AktG) ............. 9 a) Mehrheitsbeteiligung nach § 16 AktG ............................................... 9 b) Konzern i. e. S. nach § 18 AktG ..................................... 10 c) Wechselseitig beteiligte Unternehmen nach § 19 AktG .............. 13 III. Vertragskonzern ................................ 14 1. Beherrschungsvertrag ......................... 15 2. Gewinnabführungsvertrag .................. 19 3. Andere Unternehmensverträge .......... 22 4. Formale Voraussetzungen für den Abschluss eines Unternehmensvertrags ...................................................... 23 a) Vertragsschluss ............................ 24 b) Zustimmungsbeschluss der beherrschten Gesellschaft ........... 26 c) Zustimmungsbeschluss der herrschenden Gesellschaft ........... 27

I.

d) Weitere Wirksamkeitsvoraussetzungen ...................................... 28 e) Anmeldung und Eintragung im Handelsregister ....................... 29 5. Auslegung unternehmensvertraglicher Regelungen ......................... 31 6. Beendigung von Unternehmensverträgen .............................................. 32 a) Zeitablauf ...................................... 33 b) Kündigung .................................... 34 c) Insolvenz ...................................... 38 d) Aufhebungsvertrag ...................... 39 e) Umwandlungsrecht ...................... 41 f) Eintragung der Beendigung ins Handelsregister ............................ 42 7. Änderung von Unternehmensverträgen ................................................... 43 8. Fehlerhafter Unternehmensvertrag ..... 44 IV. Faktischer Konzern ............................ 46 1. Konzerneingangskontrolle ................. 48 2. Gläubigerschutz .................................. 53 V. Qualifiziert-faktischer Konzern ...... 55 VI. Konzernbildung aus Sicht der herrschenden Gesellschaft ................ 56 VII. Internationales Konzernrecht .......... 57

Einführung1)

Als Konzernbaustein erfreut sich die Rechtsform der GmbH großer Beliebtheit. Dies liegt u. a. auch daran, dass die Geschäftsführer – im Gegensatz zum Vorstand der AG (§ 76 AktG) – von den Weisungen der Gesellschafter abhängig sind (§ 37 Abs. 1), was die Durchsetzung von Konzerninteressen erleichtert.2) Allerdings haben die Regelungen des GmbHG in erster Linie die unverbundene GmbH vor Augen, bei der die Gesellschafter ihre Mitgliedschaftsrechte zum wirtschaftlichen Nutzen der Gesellschaft ausüben. Hierdurch wird deren Ertragsfähigkeit gesteigert, was wiederum den Gesellschaftern ein Höchstmaß an Rendite beschert. Dieses Leitbild wird auf die Probe gestellt, wenn die Gesellschafter nicht mehr primär i. S. d. _____________ 1)

2)

Herzlich gedankt sei Frau Nina Benz, Mitarbeiterin am Institut für ausländisches und internationales Privat- und Wirtschaftsrecht der Universität Heidelberg, für ihre wertvolle Mitwirkung bei der Aktualisierung des Manuskriptes. Wicke, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 1.

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1

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Konzernrecht

Wirtschaftlichkeit der Gesellschaft agieren, sondern ihre Mitgliedschaft zur Verfolgung anderweitiger unternehmerischer Interessen nutzen, was typischerweise zulasten der GmbH geht. 2

Diese Gefahr besteht namentlich dann, wenn die GmbH Bestandteil eines Konzerns ist und die Gesellschafter ihr Handeln am Konzerninteresse ausrichten. Beispielhaft seien Geschäfte zwischen der GmbH und anderen Konzernunternehmen genannt; diese können bei Bestehen sog. Konzernverrechnungspreise für die GmbH nachteilig ausfallen, während sie zugleich den Profit der anderen Konzernunternehmen erhöhen. Von Nachteil für eine GmbH im Konzern können ferner Einflussnahmen auf vorhandene Geschäftsbeziehungen durch das konzernleitende Unternehmen sowie die konzernweite Vereinheitlichung des unternehmerischen Programms sein.

3

Die Ausrichtung der Geschäftspolitik der Gesellschaft am Konzerninteresse kann insbesondere für Minderheitsgesellschafter und Gesellschaftsgläubiger von Nachteil sein. In ihrem Interesse werden daher konzernspezifische Regelungen diskutiert, welche – mediatisiert über den Schutz der GmbH – den Schutz der Minderheit und der Gläubiger sicherstellen sollen. Das GmbHG enthält allerdings keine solchen konzernspezifischen Schutzbestimmungen.3) Auf europäischer Ebene wurden zwar vor einigen Jahren Versuche zur Harmonisierung des Konzernrechts unternommen.4) Diese blieben bislang jedoch erfolglos und wurden ausweislich des Aktionsplanes zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts vom 21.5.20035) wohl auch endgültig aufgegeben. Maßgeblich für GmbH-Konzerne sind daher neben gewissen konzernrechtlichen Vorschriften aus dem AktG insbesondere die Konzernrechtsgrundsätze, wie sie von Rechtsprechung und Wissenschaft herausgebildet wurden. II. Konzerntatbestand i. w. S. 1.

4

Gesetzliche Regelung

Die den Konzerntatbestand umschreibenden Normen finden sich – auch für die GmbH – im AktG. So definieren die §§ 15 – 19 AktG rechtsformübergreifend6) unterschiedliche Unternehmensverbindungen (sog. verbundene Unternehmen), ordnen selbst jedoch keine Rechtsfolgen an. Die Aufzählung in den §§ 15 – 19 AktG macht deutlich, dass der Begriff der verbundenen Unternehmen im AktG (§ 15) als Oberbegriff für alle gesetzlich geregelten Unternehmensverbindungen dient, und die Vorschriften zu den verbundenen Unternehmen für sämtliche Unternehmensverbindungen gleichermaßen gelten sollen.7)

_____________ 3)

4) 5) 6) 7)

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Ein RegE aus den 70er Jahren – RegE 1971 (BT-Drucks. VI/3088) – der in §§ 230 – 266 ein Recht der verbundenen Unternehmen vorsah, wurde zurückgestellt; eine Kodifizierung des GmbH-Konzernrechts ist auch für die Zukunft nicht in Planung. Vgl. Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672. NZG Sonderbeilage Heft 13/2003. Hüffer/Koch, AktG, § 15 Rn. 6. Emmerich/Habersack-Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 15 AktG Rn. 4.

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Konzernrecht

2.

Der konzernrechtliche Unternehmensbegriff

Der den §§ 15 ff AktG zugrunde liegende Unternehmensbegriff ist die Grundlage des Konzernrechts. Konkretisiert wird er im Lichte des Regelungszwecks des Konzernrechts, welches der Abwehr von Gefahren für Minderheitsgesellschafter und Gläubiger dient.8) Der Schutzfunktion des Konzernrechts bedarf es, wenn eine Person neben ihrer Beteiligung an der Gesellschaft noch über anderweitige unternehmerische Interessenbindungen verfügt, die nach Art und Intensität die ernsthafte Sorge begründen, die Person könne wegen dieser Bindungen den ihr über die Mitgliedschaft vermittelten Einfluss zum Nachteil der Gesellschaft ausüben.9) Dabei ist eine Wettbewerbssituation zwischen den Unternehmen nicht erforderlich.10) Das Maß der anderweitigen Interessenbindung bemisst sich danach, inwieweit die Person/Rechtsträger rechtlich und tatsächlich in der Lage ist das anderweitige Interesse auszuüben. Dies erfordert entweder eine Mehrheitsbeteiligung oder im Fall einer Minderheitsbeteiligung sonstige rechtliche oder tatsächliche Gegebenheiten, aufgrund derer dem Gesellschafter eine beständige und umfassende Einflussnahme möglich ist.11)

5

Unternehmen i. S. d. Konzernrechts kann jede in- oder ausländische, juristische oder natürliche Person, Personenhandelsgesellschaft, Stiftung oder Verein sein,12) nach h. M. selbst ein Staat13) oder eine Gemeinde.14) Ebenso können Freiberufler15) und gemeinnützige Rechtsträger16) Unternehmen i. S. d. Konzernrechts sein. Dies soll sogar für solche Personen gelten, die zwar nicht selbst Unternehmensträger sind, aber ihre wirtschaftlichen Interessen in mehreren Unternehmen maßgeblich verfolgen können.17)

6

Ob eine Holdinggesellschaft ein Unternehmen darstellen kann, wenn sie sich auf die Verwaltung der Beteiligung an nur einer einzigen Gesellschaft beschränkt, ist streitig.18) Umstritten ist ferner, ob ein Gesellschafter, der selbst kein Unternehmen

7

_____________ 8) 9) 10) 11) 12) 13)

14) 15) 16) 17) 18)

Hüffer/Koch, AktG, § 15 Rn. 6. BGHZ 69, 334, 336 f = DB 1977, 2367 = NJW 1978, 104. Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Servatius, GmbHG, KonzernR, Rn. 13. BGHZ 148, 123, 125 f = ZIP 2001, 1323 = NJW 2001, 2973, dazu EWiR 2001, 1079 (Kort). Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Servatius, GmbHG, KonzernR, Rn. 11. Für die Bundesrepublik Deutschland BGHZ 69, 334 = DB 1977, 2367 = NJW 1978, 104; für das Land Niedersachsen BGHZ 135, 107, 113 = ZIP 1997, 887 = DB 1997, 1121, dazu EWiR 1997, 681 (H. P. Westermann): Unternehmen i. S. d. Konzernrechts ist der Staat, weil er eigene, dem Interesse der Gesellschaft u. U. gegenläufige Interessen hat; a. A. Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt-Servatius, GmbHG, KonzernR, Rn. 13, der darauf abstellt, dass die betreffende Person/Rechtsträger auf irgendeine Weise anbietend am Markt tätig sein müsse. OLG Celle, ZIP 2000, 1981 = GmbHR 2000, 1265 = NZG 2000, 992. BGH, ZIP 1994, 1690 = GmbHR 1994, 881 = DB 1994, 2385, dazu EWiR 1995, 15 (H. P. Westermann). Baumbach/Hueck-Beurskens, GmbHG, SchlAnhKonzernR, Rn. 18. BGHZ 148, 123, 126 f = ZIP 2001, 1323 = NJW 2001, 2973, dazu EWiR 2001, 1079 (Kort); BGH, ZIP 2001, 2163 = GmbHR 2001, 1263 = NJW 2001, 370. Für die Unternehmensqualität, wenn die Holding über eine andere zwischengeschaltete Gesellschaft mehrere Enkelgesellschaften leitet: Emmerich/Habersack-Emmerich, Aktienund GmbH-Konzernrecht, § 15 Rn. 16; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 9; gegen die Unternehmensqualität: Bayer in: MünchKomm-AktG, § 15 Rn. 26; Hüffer/ Koch, AktG, § 15 Rn. 16.

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betreibt, vermittelt über eine Holding, die mehrere Beteiligungen verwaltet, selbst Unternehmen sein kann.19) Sog. Stimmrechtskonsortien erfüllen den konzernrechtlichen Unternehmensbegriff nicht, wenn sich ihr Zweck auf die Verwaltung der Beteiligungsrechte ihrer Gesellschafter an nur einer Gesellschaft beschränkt oder nur Stimmen in einem Stimmenpool zusammengefasst werden.20) 3. 8

Abhängigkeit

§ 17 AktG definiert das Merkmal der Abhängigkeit. Hiernach sind abhängige Unternehmen rechtlich selbständige Unternehmen, auf die ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Letzteres Unternehmen definiert das Gesetz als herrschendes Unternehmen. Der beherrschende Einfluss muss gesellschaftsrechtlich vermittelt sein.21) Im Falle einer Mehrheitsbeteiligung des herrschenden Unternehmens wird die Abhängigkeit vermutet, § 17 Abs. 2 AktG. Wichtige Indizien: Kapital- und/oder Stimmrechtsmehrheit, maßgeblicher Einfluss auf die personelle Besetzung der Verwaltungsorgane.22) Eine primär wirtschaftliche Abhängigkeit, wie sie bei Verträgen mit Zulieferern, Franchiseverträgen und bei langfristigen Finanzierungen bestehen kann, genügt nicht.23) 4.

Arten der Unternehmensverbindung (§§ 16, 18 und 19 AktG)

a) Mehrheitsbeteiligung nach § 16 AktG 9

Die Mehrheitsbeteiligung nach § 16 AktG kann sowohl in einer Anteils- als auch in einer Stimmenmehrheit bestehen. Besteht eine Mehrheitsbeteiligung, so wird das Vorliegen einer Abhängigkeit vermutet (§ 17 Abs. 2 AktG) und damit einhergehend auch der Konzerntatbestand (§ 18 Abs. 1 Satz 3 AktG). Zu den Mehrheitsbeteiligungen wird auch die Eingliederung i. S. d. §§ 319 ff AktG gezählt, die jedoch auf die GmbH keine Anwendung findet.24) b) Konzern i. e. S. nach § 18 AktG

10

§ 18 Abs. 1 Satz 1 AktG definiert den Konzern i. e. S. als Zusammenfassung mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen unter einheitlicher Leitung. Der Begriff der einheitlichen Leitung hat bislang keine eindeutige Definition erfahren.25) So ist unklar, welche Intensität eine einheitliche Leitung aufweisen muss. Zum Teil _____________ 19) Bejahend: Bayer in: MünchKomm-AktG, § 15 Rn. 33; Hüffer/Koch, AktG, § 15 Rn. 12; Emmerich/Habersack-Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 15 Rn. 17; verneinend: Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh § 13 Rn. 10; Stimpel, ZGR 1991, 144, 157, die darauf abstellen, ob die Privatperson – wenn auch mittelbar – an mehreren Unternehmensträgern maßgeblich beteiligt ist. 20) BGHZ 114, 203, 211 = ZIP 1991, 719 = DB 1991, 1443, dazu EWiR 1991, 745 (Krieger); anders, wenn das Stimmrechtskonsortium Beteiligungen an mehreren Unternehmen verwalten bzw. Stimmrechte in mehreren Unternehmen zusammenfassen soll, denn damit kann ein Konzernkonflikt auftreten, ausführl. und m. w. N. Hüffer/Koch, AktG, § 15 Rn. 13. 21) Hüffer/Koch, AktG, § 17 Rn. 8. 22) OLG Düsseldorf, AG 2003, 688. 23) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Servatius, GmbHG, KonzernR, Rn. 17; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 17 Rn. 29; Hüffer/Koch, AktG, § 17 Rn. 8. 24) Lutter/Hommelhoff-Lutter-Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 95. 25) Hüffer/Koch, AktG, § 18 Rn. 8.

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wird vertreten, dass sie nicht umfassend sein, sich also nicht auf das gesamte Unternehmensgeschehen erstrecken und auch in den Bereichen, die sie betreffe, nicht lückenlos erfolgen müsse.26) Jedenfalls hat aber ein Einfluss der Konzernleitung auf die zentralen unternehmerischen Bereiche der Untergesellschaft, insbesondere auf deren Finanzpolitik, vorzuliegen.27) Eine enge personelle Verflechtungen zwischen den fraglichen Unternehmen, ein zentrales Cash-Management, die offenkundige Koordinierung der Geschäftspolitik der verbundenen Unternehmen, z. B. durch Genehmigungsvorbehalte, die Erstellung eines Konzernabschlusses und ein intensiver Informationsaustausch zwischen den verbundenen Unternehmen auch hinsichtlich sensibler Daten legen eine einheitliche Leitung nahe.28) Eine einheitliche Leitung wird nach § 18 Abs. 1 Satz 2 AktG vermutet bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrags (§ 291 AktG) oder bei Eingliederung eines Unternehmens in das andere (§ 319 AktG). Der Regelfall in der Praxis ist der sog. faktische Unterordnungskonzern. Von einem solchen ist nach der Vermutungsregel in § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG auszugehen, wenn ein Unternehmen von einem oder mehreren anderen Unternehmen abhängig (i. S. d. § 17 AktG) ist (siehe Rn. 8).

11

Ein sog. Gleichordnungskonzern liegt nach § 18 Abs. 2 AktG vor, wenn mehrere Unternehmen ohne das Merkmal der Abhängigkeit unter einheitlicher Leitung stehen. Gleichordnungskonzerne werden in aller Regel durch vertragliche Absprachen zwischen den Partnern gebildet. Darin werden die verbundenen Unternehmen einer gemeinsamen Leitung unterworfen, an der die Partner gleichberechtigt mitwirken29), z. B. durch Abschluss einer BGB-Gesellschaft30) (in die aber nicht die Geschäftsanteile eingebracht werden, sonst würde wieder ein Unterordnungskonzern vorliegen), Abschluss eines Stimmbindungsvertrages, Etablierung eines gemeinsamen Leitungs- und Geschäftsführungsausschusses oder durch Bestellung der gleichen Person zum Geschäftsführer (sog. Personalunion).31) In der Praxis bilden sich Gleichordnungskonzerne oft beim Abschluss von grenzüberschreitenden Kooperationen oder bestehen in Familienunternehmen.32)

12

c) Wechselseitig beteiligte Unternehmen nach § 19 AktG Der Begriff der wechselseitig beteiligten Unternehmen beschreibt eine Situation, in der zwei oder mehrere Unternehmen jeweils Anteile aneinander halten, wobei die Beteiligung mindestens 25 % der Anteile umfassen muss. Hintergrund der Einbeziehung solcher Konstellationen in das Konzernrecht ist die Gefahr der Umgehung der Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsregeln, aufgrund der Tatsache, dass _____________ 26) Baumbach/Hueck-Beurskens, GmbHG, SchlAnhKonzernR, Rn. 27. 27) Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 18 Rn. 22 ff; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 18 Rn. 50 f. 28) OLG Düsseldorf, AG 2013, 720 = ZIP 214, 517. 29) Liebscher, GmbH-Konzernrecht, Rn. 126. 30) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Servatius, GmbHG, KonzernR, Rn. 466; Lutter/ Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 93; Baumbach/Hueck-Beurskens, GmbHG, SchlAnhKonzernR, Rn. 27. 31) Baumbach/Hueck-Beurskens, GmbHG, SchlAnhKonzernR, Rn. 27. 32) Emmerich/Habersack-Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 18 Rn. 26.

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die Unternehmen jeweils mittelbar auch an sich selbst beteiligt sind. Zudem wird durch die wechselseitige Kontrolle i. R. d. Ausübung des Stimmrechts in der Gesellschafterversammlung der jeweils anderen Gesellschaft, die Balance zwischen der Gruppe der Gesellschafter und der Verwaltung/Geschäftsführung empfindlich gestört.33) III. Vertragskonzern 14

Zu den verbundenen Unternehmen i. S. d. § 15 AktG, auf die das Konzernrecht Anwendung findet, zählen auch die Vertragspartner eines Unternehmensvertrages i. S. d. §§ 291, 292 AktG. Dabei ist anerkannt, dass die §§ 291, 292 AktG auch für Unternehmensverträge gelten, die unter Beteiligung einer GmbH geschlossen werden.34) Zu unterscheiden sind der Beherrschungs-, der Gewinnabführungs- und die sog. anderen Unternehmensverträge i. S. d. § 292 AktG (Gewinngemeinschaft, Teilgewinnabführungsvertrag und Betriebsführungsvertrag). 1.

Beherrschungsvertrag

15

Mit Abschluss eines Beherrschungsvertrages nach § 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AktG wird die Leitung einer GmbH einem anderen Unternehmen unterstellt; das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung gegenüber der Geschäftsführung geht auf das herrschende Unternehmen über, § 308 AktG analog. Der Beherrschungsvertrag erleichtert für das herrschende Unternehmen die Einflussnahme auf die Geschäftsleitung des beherrschten Unternehmens erheblich, da der im Normalfall notwendige Umweg über die Gesellschafterversammlung erspart bleibt. Zudem können auf diese Art und Weise auch für die Gesellschaft nachteilige Weisungen durchgesetzt werden (§ 308 Abs. 1 AktG analog); schließlich ist das Risiko eines Anfechtungsverfahrens entsprechend §§ 243 ff AktG ausgeschlossen.35)

16

Die Weisungsbefugnis der Gesellschafterversammlung wird ersetzt durch diejenige der herrschenden Gesellschaft.36) Von besonderem Interesse für die abhängige Gesellschaft ist dabei naturgemäß die Reichweite des Weisungsrechts. Lediglich begrenzt durch die Vorschrift des § 308 AktG und den Gegenstand des beherrschten Unternehmens37) kann die herrschende Gesellschaft der Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft jegliche Weisungen erteilen, die im Interesse der herrschenden Gesellschaft liegen. Die Zuständigkeiten der Gesellschafterversammlung bezogen auf die Geschäftsführung werden hierdurch obsolet. Nach h. M. dürfen nach-

_____________ 33) Bayer in: MünchKomm-AktG, § 19 Rn. 1 ff; Hüffer/Koch, AktG, § 19 Rn. 1. 34) Grundlegend BGHZ 105, 324, 332 = ZIP 1989, 29 = NJW 1989, 295, dazu EWiR 1989, 59 (Schulze-Osterloh); Emmerich/Habersack-Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Einl. Rn. 14. 35) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 46. 36) BGHZ 105, 324, 331 = ZIP 1989, 29 = NJW 1989, 295, dazu EWiR 1989, 59 (SchulzeOsterloh); OLG Stuttgart, AG 1998, 585 = NZG 1998, 601 = GmbHR 1998, 943 (LS). 37) OLG Stuttgart, AG 1998, 585 = NZG 1998, 601 = GmbHR 1998, 943 (LS); OLG Nürnberg, AG 2000, 229 = NZG 2000, 154.

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teilige Weisungen jedoch keinen existenzgefährdenden Charakter haben, selbst wenn sie im Konzerninteresse liegen sollten.38) Maßnahmen, die originär der Gesellschafterversammlung zugewiesen sind, wie z. B. Satzungsänderungen, Bestellung der Geschäftsführer und Kapitalerhöhungen, verbleiben weiterhin in der Kompetenz der Gesellschafter. Umstritten ist, ob geschäftliche Maßnahmen von ganz außergewöhnlicher Bedeutung, die grundlegende Strukturänderungen in der beherrschten Gesellschaft zur Folge hätten („Holzmüller/ Gelatine“), zwingend in die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung fallen39) oder ob auch hier das Weisungsrecht auf die herrschende Gesellschaft übergeht. Besteht in der abhängigen GmbH ein Aufsichtsrat, geht das Weisungsrecht der herrschenden Gesellschaft aus dem Beherrschungsvertrag den Kompetenzen des fakultativen Aufsichtsrats vor.40) Zweifelhaft ist indes, ob dies auch im Fall des obligatorischen Aufsichtsrats gilt oder ob er sich die Zustimmung zu bestimmten Geschäftsführungsmaßnahmen vorbehalten kann.41)

17

In der Einpersonen-GmbH kann der Abschluss eines Beherrschungsvertrages ebenfalls sinnvoll sein.42) Zwar sind bei der Einpersonen-GmbH keine Minderheitsgesellschafter vorhanden, welche die Durchsetzung von Weisungen in der Gesellschafterversammlung erschweren bzw. verhindern könnten. Allerdings führt ein Beherrschungsvertrag neben der Herstellung einer steuerlichen Organschaft aufgrund der Verlustausgleichspflicht insbesondere dazu, dass bis zur Grenze der §§ 30, 31 nachteilige Weisungen an die Geschäftsführung möglich sind, ohne dass etwa eine Haftung nach § 826 BGB wegen Existenzvernichtung droht. Freilich mag ein residualer Anwendungsbereich des § 826 BGB auch bei einem Beherrschungsvertrag verbleiben, etwa beim vollständigen Abzug der betriebsnotwendigen Liquidität oberhalb der Stammkapitalziffer, der – bevor er kompensiert wird – die Insolvenz der Gesellschaft verursacht (ebenso siehe Rn. 16 a. E.)

18

2.

Gewinnabführungsvertrag

Bei Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags verpflichtet sich ein Unternehmen gemäß § 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AktG, seinen Bilanzgewinn vollständig an ein anderes Unternehmen abzuführen. Der Gewinnabführungsvertrag begründet eine steuerrechtliche Organschaft i. S. d. §§ 17, 14 KStG. Sinn und Zweck der steuerrechtlichen Organschaft ist die Verrechnung von Gewinnen und Verlusten im Organkreis; _____________ 38) OLG Düsseldorf, AG 1990, 490, 492 = ZIP 1990, 1333 = DB 1990, 1394 dazu EWiR 1990, 951 (Schulze-Osterloh); Hüffer/Koch, AktG, § 308 Rn. 19; Koppensteiner in: KölnKommAktG, § 308 Rn. 32 ff; Emmerich/Habersack-Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 308 Rn. 60 ff. 39) Bejahend: OLG Stuttgart, AG 1998, 585, 586 = NZG 1998, 601 = GmbHR 1998, 943 (LS) unter Bezugnahme auf die Holzmüller-Rspr. (BGHZ 83, 122 = ZIP 1982, 568 = NJW 1982, 1703); abl.: Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 51. 40) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 53. 41) So Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 54 f; a. A. Ulmer/Habersack/ Löbbe-Casper, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 240; offenlassend Scholz-Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 173. 42) So auch Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 47; zweifelnd Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 27.

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Steuerschuldner hinsichtlich der saldierten Gewinne ist nur noch die Obergesellschaft. Im Unterschied zum Beherrschungsvertrag erwächst der Obergesellschaft kein Weisungsrecht an die Geschäftsführung der Untergesellschaft, auch nicht hinsichtlich der Rücklagenbildung. 20

Mit Abschluss des Gewinnabführungsvertrages wird die Geltung des Stammkapitalerhaltungsgebotes aufgehoben, § 30 Abs. 1 Satz 2. Ab diesem Zeitpunkt erfolgt die Gläubigersicherung mit Hilfe der Verlustdeckung durch die herrschende Gesellschaft. Dementsprechend statuiert § 302 AktG für das herrschende Unternehmen die Verpflichtung, jeden Jahresfehlbetrag der abhängigen GmbH auszugleichen.43) Handelt es sich bei der Obergesellschaft um eine GmbH, ist nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 KStG die ausdrückliche Verpflichtung zur Verlustübernahme zwingende Voraussetzung für die Anerkennung der steuerrechtlichen Organschaft.44) Laut Bundesgerichtshof45) ist eine Aufrechnung mit einem bereits entstandenen Anspruch auf Verlustausgleich zulässig, sofern die zur Aufrechnung gestellte Forderung werthaltig ist. Gleiches gilt für das zur Verfügung stellen von Geld und Sachmitteln von der herrschenden an die abhängige Gesellschaft unter Anrechnung auf den Verlustausgleichsanspruch aus § 302 AktG oder zur Vorfinanzierung des Verlustausgleichs für das laufende Geschäftsjahr.46)

21

In der Praxis wird der Beherrschungsvertrag meist zusammen mit einem Gewinnabführungsvertrag als sog. Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen. Der isolierte Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages erlangt aber vor allem dann Bedeutung, wenn die Parteien eine Rückwirkung erreichen wollen, was zumindest auf den Beginn des laufenden Geschäftsjahres47) möglich ist.48) 3.

22

Andere Unternehmensverträge

Die Regelungen betreffend die sog. „anderen Unternehmensverträge“ (so die Bezeichnung in § 292 AktG) finden ebenfalls im Recht der GmbH Anwendung.49) Bei der Gewinngemeinschaft verpflichtet sich eine GmbH, ihren Gewinn (oder den Gewinn einzelner ihrer Betriebe) ganz oder zum Teil mit dem Gewinn anderer Unternehmen (oder einzelner Betriebe anderer Unternehmen) zur Aufteilung eines gemeinschaftlichen Gewinns zusammenzulegen (§ 292 Abs. 1 Nr. 1 AktG). Durch _____________ 43) FG Köln, GmbHR 2005, 1202 = DStRE 2005, 1210 = EFG 2005, 1556. 44) BFH, DStR 2010, 858, 859 = GmbHR 2010, 661. 45) BGH, ZIP 2006, 1488 = GmbHR 2006, 928 = DStR 2006, 1564, dazu EWiR 2006, 577 (Lenz). 46) BGH, ZIP 2006, 1488 = GmbHR 2006, 928 = DStR 2006, 1564, dazu EWiR 2006, 577 (Lenz). 47) BGHZ 122, 211, 223 f = ZIP 1993, 751 = GmbHR 1993, 446, dazu EWiR 1993, 529 (Priester); ausführl. zum Streitstand hinsichtlich der Rückwirkung auf frühere Geschäftsjahre: Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 117 f. 48) Unzulässig beim Beherrschungsvertrag, Hüffer/Koch, AktG, § 291 Rn. 24; a. A. Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 34. 49) LG Berlin, ZIP 1991, 1180, 1182 = GmbHR 1992, 184 = WM 1992, 22, dazu EWiR 1991, 1047 (Timm/Schöne); Liebscher, GmbH-Konzernrecht, Rn. 600; Michalski/Heidinger/ Leible/J. Schmidt-Servatius, GmbHG, KonzernR, Rn. 335; Scholz-Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 207 f.

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den Teilgewinnabführungsvertrag verpflichtet sich eine GmbH abweichend vom Gewinnabführungsvertrag, nur einen Teil ihres Gewinns oder den Gewinn einzelner ihrer Betriebe ganz oder zum Teil an einen anderen abzuführen (§ 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG). Im Rahmen eines Betriebspachtvertrages i. S. d. § 292 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 AktG verpachtet die GmbH den Betrieb ihres Unternehmens an einen anderen. Besteht die vertragliche Verpflichtung nicht in einer Pacht, sondern in einer anderweitigen Überlassung des Betriebs, so liegt ein Betriebsüberlassungsvertrag i. S. d. § 292 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 2 AktG vor. 4.

Formale Voraussetzungen für den Abschluss eines Unternehmensvertrags

Aufgrund der einschneidenden Auswirkungen eines Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrages auf das korporationsrechtliche Gefüge der beherrschten Gesellschaft, müssen beim Abschluss der genannten Verträge die Voraussetzungen eingehalten werden, welche der Bundesgerichtshof in der „Supermarkt“-Entscheidung50) aufgestellt hat.51)

23

a) Vertragsschluss Erforderlich ist zunächst die Einhaltung der Schriftform (§§ 293 Abs. 3 AktG, 126 BGB). Darüber hinaus ist eine notarielle Beurkundung erforderlich, wenn der Beherrschungsvertrag ein Abfindungsangebot zugunsten der außenstehenden Gesellschafter (§ 305 AktG) enthält.52)

24

Der Abschluss des Vertrages ist formal ein Akt der Vertretung und damit dem Geschäftsführer zugewiesen, § 35. Allerdings umfasst die Vertretungsmacht des Geschäftsführers (§ 37) keine strukturändernden Maßnahmen, sodass der Unternehmensvertrag zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der Gesellschafter sowohl der abhängigen als auch der herrschenden Gesellschaft bedarf (siehe Rn. 25 f).53)

25

b) Zustimmungsbeschluss der beherrschten Gesellschaft Der Abschluss des Beherrschungsvertrags bedarf aufgrund seines satzungsändernden bzw. satzungsüberlagernden Charakters der Zustimmung der Gesellschafterversammlung der beherrschten GmbH. Der Gesellschafterbeschluss ist notariell zu beurkunden, § 53 Abs. 2 Satz 1.54) Ihm ist ferner der Beherrschungsvertrag als Anlage anzufügen55). Die wohl überwiegende Ansicht geht davon aus, dass der _____________ 50) BGHZ 105, 324 = ZIP 1989, 29 = NJW 1989, 295, dazu EWiR 1989, 59 (SchulzeOsterloh) und bestätigt durch BGH, ZIP 1992, 395 = GmbHR 1992, 253 = NJW 1992, 1452, dazu EWiR 1992, 423 (Kort). 51) S. ferner Flume, DB 1989, 665; Gäbelein, GmbHR 1992, 786; Altmeppen, DB 1994, 1273; Pache, GmbHR 1995, 90. 52) Notarielle Beurkundung gemäß § 15 Abs. 4 GmbHG, Lutter/Hommelhoff-Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 50; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 31; Baumbach/Hueck-Beurskens, GmbHG, SchlAnhKonzernR, Rn. 105. 53) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 30. 54) BGHZ 105, 324 = ZIP 1989, 29 = NJW 1989, 295, dazu EWiR 1989, 59 (SchulzeOsterloh); BGH, ZIP 1992, 395 = GmbHR 1992, 253 = NJW 1992, 1452, dazu EWiR 1992, 423 (Kort). 55) BGH, ZIP 1992, 395 = GmbHR 1992, 253 = NJW 1992, 1452, dazu EWiR 1992, 423 (Kort).

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Beschluss der Zustimmung aller Gesellschafter bedarf und damit dem sog. Einstimmigkeitsprinzip unterliegt.56) Nach h. M. kann der herrschende Gesellschafter sein Stimmrecht bei dem Zustimmungsbeschluss ausüben, da gesellschaftsrechtliche Organisationsverträge Angelegenheiten aller Gesellschafter sind.57) § 47 Abs. 4 Satz 2 findet keine Anwendung.58) c) Zustimmungsbeschluss der herrschenden Gesellschaft 27

Zwar hat der Abschluss des Unternehmensvertrages für die herrschende Gesellschaft keine satzungsändernden Auswirkungen, trotzdem wird auch hier in Analogie zu § 293 Abs. 2 AktG ein zustimmender Gesellschafterbeschluss gefordert.59) Erforderlich ist eine ¾-Mehrheit der bei der Beschlussfassung vertretenen Stimmen des Stammkapitals (§ 293 Abs. 1 AktG analog). Im Gegensatz zum Zustimmungsbeschluss des beherrschten Unternehmens bedarf der Zustimmungsbeschluss bei einer herrschenden GmbH indes keiner notariellen Beurkundung.60) Er wird auch nicht in das Handelsregister eingetragen.61) d) Weitere Wirksamkeitsvoraussetzungen

28

Zum Teil wird dafür plädiert, die Vorschriften der §§ 293a ff AktG, also die Berichterstellung, Prüfung und Anfertigung des Prüfberichts, auch im GmbH-Konzernrecht anzuwenden.62) Dies überzeugt nicht.63) Zum einen läuft der Zweck der §§ 293a ff AktG, der Schutz der ggf. überstimmten Minderheit, ins Leere, wenn der Unternehmensvertrag ohnehin nur einstimmig beschlossen werden kann (siehe Rn. 26). Zum anderen steht den Gesellschaftern das Fragerecht aus § 51a zur Seite, sodass es keines Berichtes bedarf.64) Schließlich sind die §§ 293a ff AktG abdingbar, wenn alle Gesellschafter einverstanden sind.65) _____________ 56) Scholz-Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 144 ff; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 33 m. w. N.; a. A. Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 65 f – satzungsändernde ¾-Mehrheit der Stimmen unter Hinweis auf das Ausreichen der satzungsändernden Mehrheit auch im Umwandlungsrecht und eines erforderlichen Gleichlaufs zwischen Umwandlungsrecht und den Unternehmensverträgen. 57) BGHZ 105, 324, 332 = ZIP 1989, 29 = NJW 1989, 295, dazu EWiR 1989, 59 (SchulzeOsterloh); Scholz-Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 148; Liebscher, GmbH-Konzernrecht, Rn. 649. 58) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 51. 59) BGHZ 105, 324, 333 = ZIP 1989, 29 = NJW 1989, 295, dazu EWiR 1989, 59 (SchulzeOsterloh); OLG Zweibrücken, GmbHR 1999, 665 = AG 1999, 328; Baumbach/HueckBeurskens, GmbHG, SchlAnhKonzernR, Rn. 110. 60) BGHZ 105, 324, 337 = ZIP 1989, 29 = NJW 1989, 295, dazu EWiR 1989, 59 (SchulzeOsterloh); Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 45; Scholz-Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 149. Ist das herrschende Unternehmen jedoch in der Rechtsform der AG strukturiert, bedarf es gemäß § 293 Abs. 2 i. V. m. § 130 Abs. 1 AktG der notariellen Beurkundung des Beschlusses. 61) BGHZ 105, 324, 336 = ZIP 1989, 29 = NJW 1989, 295, dazu EWiR 1989, 59 (SchulzeOsterloh). 62) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 56 ff. 63) Ebenso Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 48. 64) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 47. 65) §§ 293a Abs. 3, 293b Abs. 2, 293e Abs. 2 AktG.

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e) Anmeldung und Eintragung im Handelsregister Der Unternehmensvertrag bedarf zu seiner Wirksamkeit der (konstitutiven) Eintragung in das Handelsregister der abhängigen Gesellschaft.66) Das Registergericht kann die Eintragung ablehnen, wenn Bedenken gegen die materielle Wirksamkeit des Unternehmensvertrags bestehen, die sich auch durch eine von Amts wegen durchzuführende Sachverhaltsermittlung des Gerichts nicht ausräumen lassen.67) Die Anmeldung hat der Geschäftsführer der beherrschten Gesellschaft vorzunehmen. Der Anmeldung sind die Protokolle der Gesellschafterversammlungen der beteiligten Gesellschaften sowie der Unternehmensvertrag beizufügen. Eingetragen im Handelsregister werden sodann Abschluss und Art des Unternehmensvertrages, der Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung des beherrschten Unternehmens, der Name des Vertragspartners, sowie Beschluss- und Vertragsschlussdatum.68)

29

Im Falle der Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses einer der Gesellschafterversammlungen entscheidet das Registergericht nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß § 381 FamFG i. V. m. § 21 Abs. 1 FamFG über die Aussetzung des Eintragungsverfahrens.69) Eine Aussetzung kommt dann in Betracht, wenn die Erfolgsaussicht der Anfechtungsklage das Vollzugsinteresse der beteiligten Gesellschaften überwiegt. Ist die Klage unzulässig, unbegründet oder missbräuchlich, so erfolgt die Eintragung des Unternehmensvertrages. Hat die Anfechtungsklage später dennoch Erfolg, so ist die Eintragung von Amts wegen zu löschen (§ 398 FamFG); der Unternehmensvertrag ist dann unwirksam.

30

5.

Auslegung unternehmensvertraglicher Regelungen

Die in Unternehmensverträgen enthaltenen körperschaftlichen Regelungen, etwa solche des Vertragsbeginns, sind objektiv auszulegen, da sie sich wie Satzungen an einen unbestimmten Personenkreis wenden.70) Sie unterliegen der freien Nachprüfung durch das Revisionsgericht.71) 6.

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Beendigung von Unternehmensverträgen

Grundsätzlich gelten für die Beendigung von Unternehmensverträgen die §§ 296 – 299 AktG analog. Mehrere Beendigungstatbestände kommen in Betracht:

32

a) Zeitablauf Ist der Unternehmensvertrag befristet abgeschlossen, endet er mit Ablauf der Frist, ohne dass es weiterer Maßnahmen bedarf. _____________ 66) BGHZ 105, 324, 342 ff = ZIP 1989, 29 = NJW 1989, 295, dazu EWiR 1989, 59 (SchulzeOsterloh). 67) OLG München, ZIP 2009, 1520 = GmbHR 2009, 996 = NZG 2009, 1031 – Fehlen einer erforderlichen kommunalaufsichtlichen Genehmigung. 68) BGHZ 105, 324, 346 = ZIP 1989, 29 = NJW 1989, 295, dazu EWiR 1989, 59 (SchulzeOsterloh). 69) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 32. 70) OLG München, ZIP 2009, 2295 = GmbHR 2009, 148 = NZG 2009, 1315. 71) BFH, GmbHR 2009, 1341 = NZG 2010, 119 = DB 2009, 2524, dazu EWiR 2010, 435 (Tepfner).

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b) Kündigung 34

Ist im Unternehmensvertrag eine Kündigung vorgesehen, endet der Vertrag mit Erklärung der Kündigung gegenüber dem anderen Vertragsteil.72) Bei der Beschlussfassung über die ordentliche Kündigung eines Unternehmensvertrags durch die beherrschte Gesellschaft ist dem herrschenden Gesellschafter die Stimmberechtigung nicht gemäß § 47 Abs. 4 Satz 2 versagt.73) In Fällen körperschaftlicher Sozialakte, in denen es um die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten geht, tritt das Eigeninteresse des Gesellschafters typischerweise in den Hintergrund.74)

35

Stets möglich ist eine Kündigung aus wichtigem Grund (vgl. § 314 BGB). Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem zu kündigenden Vertragsteil die Fortsetzung des Vertrages bis zum Ablauf einer evtl. vereinbarten Befristung oder einer vereinbarten ordentlichen Kündigungsfrist nicht zuzumuten ist. Als wichtige Gründe kommen für die abhängige Gesellschaft etwa der Fall des § 297 Abs. 1 Satz 2 AktG in Betracht, so z. B. eine Gefährdung des Verlustübernahmeanspruches gemäß § 302 AktG durch Verschlechterung der Bonität der herrschenden Gesellschaft,75) die Verringerung der Beteiligung des herrschenden Unternehmens in der Weise, dass eine Beherrschung nicht mehr möglich ist (es sei denn, der Vertrag wäre auch ohne eine solche Beteiligung abgeschlossen worden)76) oder die wiederholte Erteilung von nach § 308 AktG unzulässigen Weisungen.77) Für das herrschende Unternehmen können die Nichtbefolgung von Weisungen oder die nicht gehörige Information durch das beherrschte Unternehmen einen wichtigen Grund zur Kündigung darstellen.78) Die Auflösung der beherrschten GmbH durch den Organträger, der zugleich Alleingesellschafter der GmbH ist und als solcher deren Auflösung beschlossen hat, berechtigt indes nicht zur außerordentlichen Kündigung.79) Andernfalls hätte es die herrschende Gesellschaft in der Hand, sich jederzeit ihrer vertraglichen Verpflichtungen zu entziehen.80)

36

Eine vorzeitige Beendigung eines Unternehmensvertrages darf ferner nicht auf Umstände gestützt werden, die der kündigende Vertragspartner alleine zu verantworten hat (tu quoque-Einwand)81). Insbesondere scheidet eine Kündigung der herrschenden Gesellschaft wegen finanzieller Verschlechterung der beherrschten Gesellschaft aus, denn die Steuerung der finanziellen Situation des Vertragspartners ist Aufgabe des herrschenden Unternehmens.82) Ausnahmsweise kann eine Kündi_____________ 72) Dazu BGHZ 122, 211 = ZIP 1993, 751 = GmbHR 1993, 446, dazu EWiR 1993, 529 (Priester). 73) BGH, DStR 2011, 1576, 1577 = ZIP 2011, 1465 = GmbHR 2011, 922, dazu EWiR 2011, 563 (Bungert/Meyer). 74) BGH, DStR 2011, 1576, 1577 f = ZIP 2011, 1465 = GmbHR 2011, 922, dazu EWiR 2011, 563 (Bungert/Meyer). 75) Liebscher, GmbH-Konzernrecht, Rn. 832. 76) Baumbach/Hueck-Beurskens, GmbHG, SchlAnhKonzernR, Rn. 131. 77) Hüffer/Koch, AktG, § 297 Rn. 6. 78) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Servatius, GmbHG, KonzernR, Rn. 239. 79) OLG München, NZG 2011, 867, 868 = ZIP 2011, 1912 = GmbHR 2011, 871. 80) OLG München, NZG 2011, 867, 868 = ZIP 2011, 1912 = GmbHR 2011, 871. 81) Näher zu diesem Einwand Weller, Die Vertragstreue, S. 52 ff. 82) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Servatius, GmbHG, KonzernR, Rn. 237.

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gung in Betracht kommen, wenn durch die schlechte wirtschaftliche Situation der beherrschten Gesellschaft die Existenz des herrschenden Unternehmens ernsthaft gefährdet ist.83) Zur Frage der Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung sowie der Mehrheitserfordernise kann auf die Ausführungen zum Aufhebungsvertrag verwiesen werden (siehe Rn. 39).

37

c) Insolvenz Der Unternehmensvertrag endet außerdem, wenn über das Vermögen eines Vertragspartners das Insolvenzverfahren eröffnet wird.84) Praktisch relevant ist namentlich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der herrschenden Gesellschaft; eine Insolvenz der beherrschten Gesellschaft dürfte dagegen aufgrund der Verlustausgleichspflicht der herrschenden Gesellschaft nicht eintreten, solange letztere solvent ist.85)

38

d) Aufhebungsvertrag Ein Aufhebungsvertrag ist jeweils nur zum Ende eines Geschäftsjahres oder sonst bestimmten Abrechnungszeitraumes, dagegen nicht rückwirkend gestattet, § 296 Abs. 1 AktG.86) Möglich ist hingegen eine Änderung des Geschäftsjahres.

39

Ob die Gesellschafterversammlung einer beherrschten GmbH dem Aufhebungsvertrag zustimmen muss, ist umstritten. Zum Teil wird vertreten, der Aufhebungsvertrag müsse als sog. actus contrarius denselben formalen Anforderungen genügen wie der Abschluss des Beherrschungsvertrages.87) Die Gegenansicht sieht den Aufhebungsvertrag dagegen als Geschäftsführungsangelegenheit an, der grundsätzlich nicht der Zustimmung der Gesellschafter, sondern nur der Einhaltung der Schriftform analog § 296 Abs. 1 Satz 2 AktG bedarf.88) Nach letzterer Ansicht sind nur im Sonderfall des § 297 Abs. 2 AktG außenstehende Gesellschafter, denen durch die Aufhebung der Ausgleichsanspruch entzogen würde, geschützt, indem sie der

40

_____________ 83) Vgl. BGHZ 122, 211 = ZIP 1993, 751 = GmbHR 1993, 446, dazu EWiR 1993, 529 (Priester). 84) BGHZ 103, 1, 6 = ZIP 1988, 229 = GmbHR 1988, 174, dazu EWiR 1988, 1149 (Koch); BayObLG, ZIP 1998, 1872 = DB 1998, 2315 = WM 1999, 1571, dazu EWiR 1998, 965 (Luttermann). 85) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 94; Altmeppen in: MünchKommAktG, § 297 Rn. 117 ff. 86) BGH, DB 2002, 87 = AG 2002, 240; BGHZ 206, 74 = BGH DNotZ 2015, 712. 87) OLG Oldenburg, NZG 2000, 1138, 1139; LG Konstanz, ZIP 1992, 1736 = GmbHR 1993, 169 = WM 1993, 953, dazu EWiR 1993, 263 (Petzholdt); Lutter/HommelhoffLutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 89; Scholz-Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 195. 88) OLG Karlsruhe, ZIP 1994, 1022 = GmbHR 1994, 807 = DB 1994, 1462, dazu EWiR 1995, 69 (Henze); OLG Frankfurt/M., ZIP 1993, 1790 = GmbHR 1994, 809 = NJW-RR 1994, 296, dazu EWiR 1994, 11 (Ebenroth-Wilken); Vetter, ZIP 1995, 345; differenzierend (im Zweifel nicht ohne Gesellschafterbeschluss) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 100; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Servatius, GmbHG, KonzernR, Rn. 206.

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Konzernrecht

Beendigung mittels Sonderbeschluss zustimmen müssen.89) Die Gläubiger der beherrschten GmbH sind dagegen nicht geschützt, da es keine berechtigte Hoffnung auf ein Fortdauern eines Unternehmensvertrages gibt. 41

Zu dieser umstrittenen Frage hat sich der BGH in einem Grundsatzurteil unlängst positioniert: Dem herrschenden Gesellschafter komme beim Aufhebungsvertrag kein Stimmrecht zu, da es sich um einen „innergesellschaftlichen Organisationsakt“ handele und der Vertrag damit nicht allein schuldrechtliche Wirkung habe.90) Hieraus kann geschlossen werden, dass in Übereinstimmung mit der zuerst genannten engsten Ansicht die §§ 53, 54 analog anzuwenden sind. Damit wäre eine Zustimmung der Gesellschafter mit qualifizierter Mehrheit sowie eine Beurkundung und Eintragung des Beschlusses erforderlich.91) Umstritten bleibt, ob der Eintragung analog § 53 konstitutive oder lediglich deklaratorische Wirkung zukommt.92) e) Umwandlungsrecht

42

Im Fall der Verschmelzung der herrschenden Gesellschaft auf eine andere Gesellschaft wird der Unternehmensvertrag nicht beendet, sondern geht auf den aufnehmenden Rechtsträger über, § 20 UmwG. Wird die beherrschte Gesellschaft verschmolzen, wird der Unternehmensvertrag mit Erlöschen der Gesellschaft beendet. Ein Formwechsel führt nicht zur Beendigung des Unternehmensvertrages. Er kann aber einen wichtigen Grund zur Kündigung des Vertrages bilden, § 297 Abs. 1 AktG analog.93) f)

43

Eintragung der Beendigung ins Handelsregister

Die Beendigung muss, gleich aus welchem Beendigungsgrund,94) im Handelsregister der abhängigen Gesellschaft eingetragen werden. Geht man davon aus, dass die Beendigung eine reine Geschäftsführungsmaßnahme ist (siehe Rn. 40), so hat die Eintragung rein deklaratorische Bedeutung.95) Sieht man in der Beendigung jedoch den actus contrarius zum Vertragsschluss, mit der Folge eines erforderlichen Zustimmungsbeschlusses der Gesellschafterversammlung (zum Meinungsstand siehe Rn. 40), so ist die Eintragung konstitutiv. Der Anmeldung zum Handelsregister sind der Aufhebungsvertrag und ggf. der Sonderbeschluss der außenstehenden Gesellschafter beizufügen.

_____________ 89) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 99. 90) BGHZ 190, 45 – 52 = ZIP 2011, 1465 – 1468; dazu EWiR 2011, 563-564 (Bungert/Meyer). 91) So etwa Scholz-Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 195a; Lutter/Hommelhoff-Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 89. 92) Für eine konstitutive Wirkung Ulmer/Habersack/Löbbe-Casper, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 212; a. A. OLG München ZIP 2015, 274 – 275 = GmbHR 2015, 368-369; dazu EWiR 2015, 307. 93) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 92; Liebscher, GmbHKonzernrecht, Rn. 849. 94) Außer bei Erlöschen der abhängigen Gesellschaft infolge einer Maßnahme nach dem UmwG; hier wird die Eintragung über §§ 16, 17 UmwG gewährleistet. 95) OLG München, NZG 2011, 867, 868 = ZIP 2011, 1912 = GmbHR 2011, 871; Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 99.

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Anhang zu § 13

Konzernrecht

7.

Änderung von Unternehmensverträgen

Für eine Änderung von Unternehmensverträgen sind die gleichen formalen Voraussetzungen einzuhalten wie für den Abschluss eines Unternehmensvertrages, inklusive der Eintragung im Handelsregister.96) Eine Satzungsermächtigung an die Geschäftsführung zur Änderung des Unternehmensvertrages reicht nicht aus. Falls die Änderung weitere Nachteile für die abhängige Gesellschaft enthält, wie z. B. die Verlängerung des Vertrages, müssen die Vorschriften über den Ausgleich und die Abfindung erneut angewandt werden.97) Eine Vertragsänderung liegt auch dann vor, wenn ein weiteres herrschendes Unternehmen dem Vertrag beitritt.98) 8.

44

Fehlerhafter Unternehmensvertrag

Wurde der Unternehmensvertrag von der Gesellschafterversammlung der abhängigen Gesellschaft nicht mit der erforderlichen Mehrheit beschlossen oder wurde er nicht im Handelsregister eingetragen,99) ist er unwirksam.100) Andere Mängel (fehlender Bericht und/oder Prüfung) berechtigen lediglich zur Anfechtung. Auf fehlerhafte Unternehmensverträge werden die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft entsprechend angewandt; der Unternehmensvertrag wird mithin für die Vergangenheit als wirksam behandelt.101) Eine Geltendmachung der Nichtigkeit kann nur für die Zukunft erfolgen.102) Voraussetzung für die Anwendung der Lehre über die fehlerhafte Gesellschaft ist aber, dass die Parteien einen wirksamen Vertragsschluss wollten, mithin eine derartige Willensbildung der Gesellschafter stattgefunden hat.103) Fand eine Willensbildung überhaupt nicht statt, liegt eine faktische Beherrschung vor (hierzu siehe Rn. 47 f), auf die die Lehre der fehlerhaften Gesellschaft keine Anwendung findet. Für die Anwendung der Lehre zur fehlerhaften Gesellschaft muss zudem der Vertrag in Vollzug gesetzt worden sein, was schon der Fall ist, wenn z. B. in der Vergangenheit mehrfach eine Verlustdeckung stattfand,104) das herrschende Unternehmen Weisungen an Geschäftsführer der abhängigen Gesellschaft erteilt hat oder das herrschende Unternehmen aufgrund des Vertrages _____________ 96) Vgl. BFH, ZIP 2009, 1122 = GmbHR 2009, 329 = NZG 2009, 277, dazu EWiR 2009, 487 (Henkel); BGHZ 105, 324 = ZIP 1989, 29 = NJW 1989, 295, dazu EWiR 1989, 59 (Schulze-Osterloh); Baumbach/Hueck-Beurskens, GmbHG, SchlAnhKonzernR, Rn. 124; Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 86; Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, Anh § 13 Rn. 111. 97) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 86. 98) BGHZ 119, 1 = ZIP 1992, 1227 = NJW 1992, 2760, dazu EWiR 1992, 953 (Windbichler); BGHZ 138, 136 = ZIP 1998, 690 = NJW 1998, 1866. 99) BGHZ 116, 37, 39 = ZIP 1992, 29 = NJW 1992, 505, dazu EWiR 1992, 425 (Geuting); BGH, ZIP 2002, 35 = GmbHR 2002, 62 = NJW 2002, 822, dazu EWiR 2002, 51 (Wilken). 100) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 81. 101) Allg. Auffassung, Baumbach/Hueck-Beurskens, SchlAnhKonzernR, Rn. 112. 102) BGH, NZG 2005, 261, 262 = ZIP 2005, 254 = DB 2005, 332, dazu EWiR 2005, 707 (Lürken); BGH, ZIP 2002, 35, 36 = GmbHR 2002, 62 = NJW 2002, 822, dazu EWiR 2002, 51 (Wilken); BGHZ 103, 1 = ZIP 1988, 229 = GmbHR 1988, 174, dazu EWiR 1988, 1149 (Koch); BGHZ 116, 37, 39 ff = ZIP 1992, 29 = NJW 1992, 505, dazu EWiR 1992, 425 (Geuting). 103) Vgl. LG München, ZIP 2008, 242, 243 = BB 2007, 2588 = WM 2008, 30 – HVB/Uni Credit. 104) Vgl. BGHZ 103, 1 = NJW 1988, 1326, 1327 = ZIP 1988, 229, dazu EWiR 1988, 1149 (Koch); BGHZ 116, 37 = ZIP 1992, 29 = NJW 1992, 505, dazu EWiR 1992, 425 (Geuting).

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Anhang zu § 13

Konzernrecht

Gewinne entgegengenommen hat. Von einem Vollzug des Vertrages ist bei stillen Beteiligungen dann auszugehen, wenn der stille Gesellschafter seine Einlageschuld erfüllt hat.105) Schließlich ist entgegen der Rechtsprechung erforderlich, dass der Vertrag ins Handelsregister eingetragen wurde. Denn nur dann durften die Beteiligten davon ausgehen, dass sie ihn wirksam in Vollzug gesetzt haben; ihr Vertrauensschutz ist insofern berechtigt.106) 46

Sind die Regeln der fehlerhaften Gesellschaft dem Grunde nach anwendbar, so ist der Unternehmensvertrag zu bestätigen oder zu kündigen. Ausreichend hierfür ist eine „Erklärung“ eines der beiden Vertragspartner.107) Die Erklärung kann in einer außerordentlichen Kündigung des Unternehmensvertrages gemäß § 297 Abs. 1 und 3 AktG analog liegen oder in einer Bestätigung des Vertrages durch Eintragung im Handelsregister. Vor der Erklärung ist jedoch die Gesellschafterversammlung einzuberufen und deren Entscheidung entgegenzunehmen. Bis zum Zeitpunkt der eventuellen Kündigung schuldet das herrschende Unternehmen den Verlustausgleich sowie die abhängige Gesellschaft die Gewinnabführung. IV. Faktischer Konzern

47

48

Im Gegensatz zum Vertragskonzern entsteht der faktische Konzern nicht aufgrund eines Willensentschlusses der beherrschten Gesellschaft und einem darauf basierenden Unternehmensvertrag, sondern kraft tatsächlicher Herrschaftsmacht. Diese kann auf verschiedene Art und Weise entstehen:108) –

der einfache Mehrheitsgesellschafter einer GmbH nimmt eine weitere wirtschaftliche Tätigkeit auf und wird damit zum Unternehmensgesellschafter;109)



ein Unternehmensgesellschafter, der bisher kein Mehrheitsgesellschafter war, erlangt die Mehrheit der Geschäftsanteile;110)



ein neuer Gesellschafter wird aufgenommen, der die Voraussetzungen eines herrschenden Unternehmens erfüllt.

Diesen Maßnahmen gehen regelmäßig Beschlüsse voran (Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss für die Minderheit, ggf. Zustimmung zur Abtretung der Geschäftsanteile nach § 15 Abs. 5), denen die Gesellschafter zustimmen müssen. Zum Schutz der Gesellschaft vor einer drohenden Konzernierung liegt es daher nahe, an Beschlüsse, die die Grundlage für eine Konzernierung sein können, besondere Anforderungen zu stellen. Hierbei können allerdings nicht wie im Konzernrecht der _____________ 105) BGH, ZIP 2005, 254 = DB 2005, 332 = NZG 2005, 261, dazu EWiR 2005, 707 (Lürken). 106) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Servatius, GmbHG, Konzernrecht, Rn. 259; Baumbach/Hueck-Beurskens, GmbHG, SchlAnhKonzernR, Rn. 114; Liebscher, GmbHKonzernrecht, Rn. 622; Scholz-Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 167; a. A. BGHZ 116, 37, 39 f = ZIP 1992, 29 = NJW 1992, 505, dazu EWiR 1992, 425 (Geuting); Senat, NJW 2002, 822, 823; BGH, ZIP 2005, 254 = DB 2005, 332 = NZG 2005, 261, dazu EWiR 2005, 707 (Lürken). 107) BGH, NJW 2002, 822, 823 = ZIP 2002, 35 = GmbHR 2002, 62, dazu EWiR 2002, 51 (Wilken). 108) Vgl. die Beispiele bei Lutter/Hommelhoff-Lutter, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 29 ff. 109) BGH, NJW 1981, 1512, 1513 = ZIP 1981, 399 = GmbHR 1981, 189. 110) BGH, ZIP 2008, 1872 = DB 2008, 2247 = NJW-RR 2008, 1722, dazu EWiR 2009, 37 (Pluskat).

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Konzernrecht

AG die §§ 311 ff AktG herangezogen werden,111) sondern es bedarf aufgrund der abweichenden Struktur der GmbH der Entwicklung autonomer Lösungen. 1.

Konzerneingangskontrolle

Der Begriff der Konzerneingangskontrolle umschreibt die Maßnahmen, die die Gesellschafter ergreifen können, um eine faktische Konzernierung ihrer GmbH zu verhindern. Schutz bieten können satzungsmäßige Regelungen, wie z. B. die Vinkulierung der Geschäftsanteile (§ 15 Abs. 5)112), Abtretungspflichten (im Erbfall), Höchst- oder Mehrfachstimmrechte, ein Ausschluss von Gesellschaftern für den Fall anderweitiger unternehmerischer Betätigung oder die Anordnung eines Wettbewerbsverbotes.113)

49

Darüber hinaus wird teilweise eine materielle Beschlusskontrolle durch das Gericht befürwortet, falls es zur Aufhebung von Satzungsinstrumenten kommt, die dem Schutz vor Konzernierung dienen.114) Es müsse eine Abwägung der Interessen beider Parteien, der abhängigen GmbH und des herrschenden Unternehmens, gemessen an der Verhältnismäßigkeit von Zweck und Mittel stattfinden.

50

Ferner kann § 47 Abs. 4 für den Konzerneingangsschutz fruchtbar gemacht werden.115) Diese Norm bringt den Gedanken zum Ausdruck, dass das Stimmrecht eines Gesellschafters bei einem Interessenwiderstreit ausgeschlossen sein soll. Hiermit soll gewährleistet werden, dass bei einem internen Interessenkonflikt die Interessen der Gesellschaft im Vordergrund stehen. Vertretbar scheint in diesem Zusammenhang, dem Mehrheitsgesellschafter die Stimmabgabe bei der Entscheidung über eine Konzernierung gemäß § 47 Abs. 4 zu verbieten, weil er sich aufgrund seiner anderweitigen unternehmerischen Betätigung in einem Interessenwiderstreit befindet.

51

Unter dem Gesichtspunkt der Treuepflicht der Gesellschafter gegenüber ihrer GmbH werden im Anschluss an die „ITT“-Entscheidung des Bundesgerichtshofes noch weitere Instrumente des Konzerneingangsschutzes diskutiert.116) Auf Basis der Treuepflicht soll etwa eine Informationspflicht aller Gesellschafter dahingehend bestehen, Veränderungen ihrer Situation, die eine Konzerngefahr begründen könnten, unaufgefordert den Mitgesellschaftern mitzuteilen.117) Weitergehend wird zum Teil vertreten, dass ein zu einem Unternehmen erwachsender Gesellschafter verpflichtet sein soll, positiv für Vorkehrungen gegen eine Konzernbildung zu stimmen, etwa für die Beschränkung seines Stimmrechts zu votieren.118)

52

_____________ 111) Liebscher, GmbH-Konzernrecht, Rn. 311; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Servatius, GmbHG, KonzernR, Rn. 431 ff. 112) Hinzukommen muss ein Stimmverbot des Veräußerers bei dem Beschluss über die Zustimmung zur Abtretung der Geschäftsanteile an ein Unternehmen, Baumbach/HueckBeurskens, GmbHG, SchlAnhKonzernR, Rn. 33. 113) Zu beachten ist hierbei jedoch die Grenze des § 1 GWB, BGH, NJW 1988, 2737, 2738 f = ZIP 1988, 1080 = GmbHR 1988, 334, dazu EWiR 1988, 901 (Leube). 114) Vgl. Scholz-Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 51 f; krit. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 130 ff. 115) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 145 ff. 116) BGHZ 65, 15 = GmbHR 1975, 269 = NJW 1976, 191 – ITT. 117) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 130; OLG Stuttgart, AG 2000, 229, 231 = NZG 2000, 159. 118) Baumbach/Hueck-Beurskens, GmbHG, SchlAnhKonzernR, Rn. 39; ähnlich Lutter/ Hommelhoff-Lutter-Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 33 ff.

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Anhang zu § 13 53

Konzernrecht

Das Wettbewerbsverbot des Gesellschafters gilt auch ohne vertragliche Vereinbarung zumindest bei Gesellschaften mit personalistischem Zuschnitt,119) bei anderweitigem unternehmerischen Engagement des Gesellschafters und dem Versuch der Einflussnahme auf die Geschäftsführung.120) Dem herrschenden Mehrheitsgesellschafter ist es demnach verboten, ohne die Zustimmung seiner Mitgesellschafter mit dem Unternehmen seiner GmbH in Wettbewerb zu treten.121) Dogmatisch wird das Wettbewerbsverbot auf die mitgliedschaftliche Treuepflicht gestützt, die in §§ 112 f HGB rechtsformübergreifend zum Ausdruck kommt.122) Näheres dazu siehe § 13 Rn. 15 [Weller/Discher]. 2.

Gläubigerschutz

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Die Gläubiger können das herrschende Unternehmen in der Regel nicht direkt in Anspruch nehmen. Prinzipiell kommen weder eine Durchgriffshaftung123) noch eine auf c. i. c. gestützte Haftung aus Konzernvertrauen124) in Frage.

55

Grundsätzlich wird der Gläubigerschutz indirekt über den Schutz der abhängigen GmbH gewährleistet. Die Gläubiger können dementsprechend nur die Innenhaftungsansprüche der abhängigen GmbH gegen das herrschende Unternehmen pfänden und sich überweisen lassen (§§ 829, 835 ZPO). Insbesondere die Existenzvernichtungshaftung wird seit der „Trihotel“-Entscheidung des Bundesgerichtshofes125) als Innenhaftungsanspruch der Gesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern aus § 826 BGB begriffen (siehe § 13 Rn. 42 ff [Weller/Discher]). Weitere Innenhaftungsansprüche sind: –

die Haftung aus Verletzung der Treuepflicht der herrschenden Gesellschaft gegenüber der abhängigen Gesellschaft durch Erteilung nachteiliger Weisungen,126)



die Haftung bei auszahlungsgleichen Maßnahmen gemäß §§ 30, 31127) und



die Haftung der herrschenden Gesellschaft aus einer Patronatserklärung128) gegenüber der abhängigen Gesellschaft.

_____________ 119) Z. T. wird noch nicht einmal die personalistische Struktur der Gesellschaft verlangt und darüber hinaus dem herrschenden Mehrheitsgesellschafter der Nachweis der Nichtausnutzung seines beherrschenden Einflusses verwehrt, Emmerich/Habersack-Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Anh. § 318 Rn. 17; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 134 f. 120) Zur Problematik BGH, GmbHR 1987, 302. 121) BGHZ 89, 162, 165 f = ZIP 1984, 446 = GmbHR 1984, 203; BGH, GmbHR 1987, 302. 122) Näher zum Wettbewerbsverbot und seiner konzerndimensionalen Reichweite Weller, ZHR 175 (2011) 110 ff. 123) Eine Ausnahme bildet der Fall der Vermögensvermischung, s. § 13 Rn. 36. 124) Vgl. Rieckers, Konzernvertrauen und Konzernrecht; Fleischer, ZHR 163 (1999) 461; OLG Hamm, GmbHR 1998, 890 = NJW-RR 1998, 1253. 125) BGHZ 173, 246 = ZIP 2007, 1552 = NJW 2007, 2689 – Trihotel, dazu EWiR 2007, 557 (Wilhelm). 126) BGHZ 65, 15, 17 = GmbHR 1975, 269 = NJW 1976, 191 – ITT. 127) BGH, ZIP 1987, 1050 = GmbHR 1986, 302 = WM 1987, 789, dazu EWiR 1987, 759 (Hensen). 128) BGH, DStR 1993, 1753.

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Anhang zu § 13

Konzernrecht

V. Qualifiziert-faktischer Konzern Von einem qualifiziert-faktischen Konzern spricht man in Abgrenzung zum bloß faktischen Konzern, wenn eine so umfassende Leitungsmacht/Leitungsdichte des herrschenden Unternehmens vorliegt, dass sich ausgleichspflichtige Nachteilszufügungen nicht mehr isolieren lassen. Aufbauend auf dem Tatbestand der qualifiziertfaktischen Konzernierung hatte die Rechtsprechung129) in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts eine Außenhaftung der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft entwickelt.130) Diese Haftungsfigur wurde vom Bundesgerichtshof jedoch in der Entscheidung „Bremer Vulkan“131) aufgegeben und durch das – konzernunabhängige – Konzept des existenzvernichtenden Eingriffs (§ 826 BGB) ersetzt (siehe § 13 Rn. 42 ff [Weller/Discher]). Damit hat der qualifiziertfaktische Konzern seine Bedeutung für die Praxis verloren.

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VI. Konzernbildung aus Sicht der herrschenden Gesellschaft Auch für die herrschende Gesellschaft kann die Konzernbildung aufgrund der gesteigerten Haftungsrisiken nach §§ 302 und 303 AktG sowie der drohenden Mediatisierung der Mitverwaltungsrechte auf Gesellschafterebene bei bloßer Beteiligungsverwaltung nachteilig sein.132) Zum Schutz der herrschenden Gesellschaft ist daher bei außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen die Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich.133) Bei Zweckänderung oder Ausgliederung wesentlicher Unternehmensteile können qualifizierte Zustimmungsanforderungen der Gesellschafterversammlung zu beachten sein.134) VII.

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Internationales Konzernrecht

Grenzüberschreitende Konzernverbindungen erfreuen sich in der Praxis zunehmender Bedeutung. Damit einher geht die Frage nach der anwendbaren Rechtsordnung. Bei faktischen grenzüberschreitenden Konzernbeziehungen ist an das Gesellschaftsstatut der beherrschten Gesellschaft anzuknüpfen, sofern die Interessen der beherrschten Gesellschaft selbst sowie ihrer Gesellschafter und Gläubiger betroffen sind.135) Denkbar ist damit die Haftung der ausländischen herrschenden Gesellschaft gegenüber der beherrschten deutschen GmbH wegen Treuepflichtverletzung.136)

_____________ 129) BGHZ 95, 330, 339 ff = ZIP 1985, 1263 = NJW 1986, 188, dazu EWiR 1985, 885 (Hommelhoff); BGHZ 107, 7, 15 f = ZIP 1989, 440 = NJW 1989, 1800, dazu EWiR 1989, 431 (Fleck); BGHZ 122, 123, 127 = ZIP 1993, 589 = GmbHR 1993, 283 – TBB, dazu EWiR 1993, 327 (Altmeppen). 130) Näher Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 123 ff. 131) BGHZ 149, 10 = ZIP 2001, 1874 = GmbHR 2001, 1036. 132) Wicke, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 13. 133) Wicke, GmbHG, § 37 Rn. 3. 134) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 53 Rn. 6 f. 135) Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, Anh. § 13 Rn. 1231. 136) Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, Anh. § 13 Rn. 1232.

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§ 14 59

Einlagepflicht

Grenzüberschreitende Unternehmensverträge sind aus Sicht des deutschen Sachrechts nach h. M. zulässig.137) Das auf Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge anwendbare Recht richtet sich nach dem Gesellschaftsstatut der abhängigen Gesellschaft.138) Als körperschaftliche Organisationsverträge sind internationale Unternehmensverträge einer Rechtswahl nicht zugänglich.139) _____________ 137) OLG Düsseldorf, ZIP 2006, 2375 = GmbHR 2007, 154 = NZG 2007, 77, 78; Kindler in: MünchKomm-BGB, IntGesR, Rn. 701 ff; Emmerich/Habersack-Emmerich, AktG, § 291 Rn. 37a; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, Vor § 291 Rn. 194; a. A. Meilicke in: FS Hirsch, S. 99, 118 ff; Birk, BerGesVR 18 (1978) 263, 356 f; Däubler, RabelsZ 39 (1975), 444, 466 ff. 138) LG München, ZIP 2008, 555, 560 = BB 2008, 341, dazu EWiR 2008, 161 (Verhoeven); Roth/Altmeppen-Altmeppen, Anh. § 13 Rn. 183. 139) Kindler in: MünchKomm-BGB, Int. GesR, Rn. 699.

§ 14 Einlagepflicht Marc-Philippe Weller/Kirsten Discher

1

Auf jeden Geschäftsanteil ist eine Einlage zu leisten. 2Die Höhe der zu leistenden Einlage richtet sich nach dem bei der Errichtung der Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag festgesetzten Nennbetrag des Geschäftsanteils. 3Im Fall der Kapitalerhöhung bestimmt sich die Höhe der zu leistenden Einlage nach dem in der Übernahmeerklärung festgesetzten Nennbetrag des Geschäftsanteils. Übersicht

1

I. II. 1. 2. 3. 4. 5.

Überblick .............................................. Geschäftsanteil ..................................... Entstehung und Erlöschen ................... Nennbetrag und Höhe der Einlage ...... Funktion ................................................ Bewertung .............................................. Anteilsschein .........................................

I.

Überblick1)

1 2 2 3 5 6 7

6. 7. III. 1. 2. 3. 4.

Genussrechte ......................................... 8 Unterbeteiligung ................................... 9 Mitgliedschaft ..................................... 10 Überblick ............................................. 10 Drittgeschäfte ...................................... 12 Sonderrechte ........................................ 13 Abspaltungsverbot .............................. 14

Die Mitgliedschaft in der GmbH wird durch den Geschäftsanteil vermittelt.2) Vor dem MoMiG noch zentrale Norm für die Verknüpfung der Stammeinlage mit dem Geschäftsanteil,3) hat § 14 diese Rolle etwas eingebüßt, da nunmehr auch die §§ 3 und 5 zentrale Fragen des Geschäftsanteils regeln. § 14 normiert in seinem Satz 1 die Pflicht der Gesellschafter zur Einlageleistung; aus Sicht der Gesellschaft enthält Satz 1 umgekehrt die Anspruchsgrundlage für die Leistung der Einlagen. Die Sätze 2 und 3 befassen sich mit der Höhe der Einlage. _____________ 1)

2) 3)

352

Herzlich gedankt sei Frau Nina Benz, Mitarbeiterin am Institut für ausländisches und internationales Privat- und Wirtschaftsrecht der Universität Heidelberg, für ihre wertvolle Mitwirkung bei der Aktualisierung des Manuskriptes. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 14 Rn. 2; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 14 Rn. 1. Ausführl. zur alten Rechtslage Reichert/Weller, GmbH-Geschäftsanteil, Rn. 1 ff.

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§ 14

Einlagepflicht

II. Geschäftsanteil 1.

Entstehung und Erlöschen

Der Geschäftsanteil ist die Summe der Rechte und Pflichten des einzelnen Gesellschafters4) und umschreibt damit den Begriff der Mitgliedschaft im GmbH-Recht. Er entsteht seit dem MoMiG bereits mit der Errichtung der Gesellschaft, d. h. mit der notariellen Beurkundung des Gesellschaftsvertrages, und nicht erst mit der Eintragung im Handelsregister.5) Weitere Entstehungstatbestände sind die Kapitalerhöhung gegen Einlagen gemäß §§ 55 ff oder aus Gesellschaftsmitteln gemäß §§ 57c ff – jeweils mit deren Eintragung im Handelsregister – oder die Teilung bereits vorhandener Geschäftsanteile. Ein Gesellschafter kann mehrere Geschäftsanteile innehaben, § 5 Abs. 2 Satz 2. Der Geschäftsanteil ist selbständig übertragbar, § 15 Abs. 1 (Veräußerung oder Vererbung), kann dinglich belastet und auch im Wege der Zwangsvollstreckung verwertet werden.6) Er geht unter mit dem Erlöschen der GmbH durch Löschung aus dem Handelsregister (§ 74 Abs. 1 Satz 2), gleichfalls durch Einziehung (§ 34), Kaduzierung (§ 27) oder i. R. einer sog. gezielten Kapitalherabsetzung nur eines Geschäftsanteils. 2.

2

Nennbetrag und Höhe der Einlage

Jeder Geschäftsanteil hat einen Nennwert (Nennbetrag, § 5 Abs. 2 Satz 1). Bei der Gründung der GmbH entspricht dieser noch der vom Gesellschafter übernommenen Einlage (§ 3 Abs. 1 Nr. 4), kann jedoch später durch Teilung (§ 46 Nr. 4), Zusammenlegung (§ 46 Nr. 4) oder Einziehung (§ 34) von Geschäftsanteilen eine Veränderung erfahren.7) Die Sätze 2 und 3 verknüpfen die Höhe der zu leistenden Einlage mit dem Nennbetrag des Geschäftsanteils, der nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 im Gesellschaftsvertrag bzw. im Fall einer Kapitalerhöhung nach § 55 Abs. 2 in der Übernahmeerklärung zu bestimmen ist.8) Die Höhe der übernommenen Einlage darf den Nennbetrag insbesondere nicht unterschreiten. Erlaubt ist allerdings eine den Nennbetrag übersteigende Einlagehöhe in Form eines Agio.

3

Die Einlage ist durch den Gesellschafter so zu erbringen, dass sie zur freien Verfügung der Geschäftsführung steht.9) Die Beweislast für die tatsächliche Erbringung der geschuldeten Einlage liegt bei dem sich darauf berufenden Gesellschafter, auch wenn diese schon länger zurückliegt und wenn der Gesellschafter den Geschäftsanteil erworben hat, somit die Einlage nicht selbst erbringen konnte.10)

4

_____________ 4) BGH, DB 1972, 132 = NJW 1972, 259. 5) Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 14 Rn. 11, gestützt auf den nach dem MoMiG nunmehr unzweideutigen Wortlaut des § 3 Abs. 1 Nr. 4; nach früherem Recht nahm die h. M. demgegenüber an, der Geschäftsanteil entstehe erst im Moment der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister, Reichert/Weller, GmbH-Geschäftsanteil, § 14 Rn. 11; so noch immer Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 14 Rn. 3. 6) RGZ 82, 167, 169. 7) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 14 Rn. 7. 8) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 14 Rn. 3. 9) Näheres hierzu unter § 19 [Bartels]. 10) BGH, ZIP 2014, 261 = GmbHR 2014, 319; OLG Schleswig, BeckRS 2014, 12322.

Marc-Philippe Weller/Kirsten Discher

353

§ 14 3. 5

Anteilsschein

Das Gesetz sieht die Erteilung von Anteilsscheinen für den Geschäftsanteil nicht vor. Gleichwohl sind diese zulässig, wenn die Erteilung in der Satzung vorgesehen ist oder ihr ein entsprechender Gesellschafterbeschluss zugrunde liegt. Anteilsscheine sind allerdings keine Wertpapiere (Inhaber- oder Orderpapiere) sondern schlichte Beweisurkunden.14) Die Übertragung des Geschäftsanteils erfolgt weiterhin nach § 15, der Erwerber des Geschäftsanteils wird dadurch eo ipso Eigentümer des Anteilsscheins (§ 952 BGB). Ist letzterer noch im Besitz des Veräußerers, kann der Erwerber Herausgabe gemäß § 985 BGB bzw. §§ 398, 413, 402 BGB verlangen.15) 6.

8

Bewertung

Der Wert des Geschäftsanteils richtet sich nicht nach dem Nennbetrag, sondern nach dem jeweiligen Wert des Gesellschaftsvermögens (Verkehrswert). Dieses kann auf verschiedene Art und Weise ermittelt werden. Als Bewertungsgrundlage kommen der sog. Buchwert, der Substanzwert, der Ertragswert und der Liquidationswert in Betracht.11) Der Bundesgerichtshof favorisiert keine bestimmte Bewertungsmethode, sondern zieht je nach situativer Gegebenheit die passende Bewertungsmethode heran.12) So kommt bei einem florierenden Unternehmen, welches zum Verkauf steht, grundsätzlich eine andere Methode zur Anwendung als bei einem in der Krise befindlichen Unternehmen, dem die Zerschlagung bevorsteht.13) 5.

7

Funktion

Die Summe der Nennbeträge der von einem Gesellschafter gehaltenen Geschäftsanteile fungiert als Maßstab für die Höhe der Beteiligung des Gesellschafters am Stammkapital der Gesellschaft. Die so ermittelte Quote ist maßgeblich für den anteiligen wirtschaftlichen Wert des Geschäftsanteils sowie für die Bemessung derjenigen Rechte und Pflichten, die sich nach dem Beteiligungsverhältnis richten, wie z. B. die Nachschusspflicht § 26 Abs. 2, das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung § 47 Abs. 2 und der Gewinnanspruch § 29 Abs. 3. 4.

6

Einlagepflicht

Genussrechte

Genussrechte haben im GmbHG keine Regelung erfahren, sind jedoch zulässig.16) Genussrechte vermitteln keine Mitgliedschaftsrechte sondern lediglich schuldrechtlich begründete Vermögensrechte gegenüber der Gesellschaft ohne gleichzeitig mitgliedschaftlichen Charakter zu haben.17) Sie können als Genussscheine verbrieft werden.

_____________ 11) Ausführl. hierzu Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 14 Rn. 26 ff. 12) BGH, NJW 1993, 2101, 2103 = ZIP 1993, 1160 = GmbHR 1993, 505, dazu EWiR 1993, 769 (H. P. Westermann). 13) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 14 Rn. 47. 14) OLG Köln, GmbHR 1995, 293 = DB 1994, 1078. 15) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 14 Rn. 13; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 14 Rn. 9; Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 14 Rn. 44. 16) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 14 Rn. 11. 17) BGHZ 119, 305 = ZIP 1992, 1542 = NJW 1993, 57, dazu EWiR 1993, 3 (Hammen).

354

Marc-Philippe Weller/Kirsten Discher

§ 14

Einlagepflicht

7.

Unterbeteiligung

Unterbeteiligung ist auch an GmbH-Geschäftsanteilen möglich.18) Im Verhältnis zur GmbH ist jedoch nur der Hauptgesellschafter als Gesellschafter anzusehen.19) Der Unterbeteiligte ist lediglich an der Innengesellschaft bürgerlichen Rechts zwischen ihm und dem Hauptbeteiligten beteiligt, die einer stillen Gesellschaft nach §§ 230 ff HGB gleicht.20) Nicht um eine Unterbeteiligung, sondern um ein Treuhandverhältnis handelt es sich dann, wenn dem „Unterbeteiligten“ (= Treugeber) über die bloße Gewinn-/Verlustbeteiligung hinausgehend Einflussrechte zustehen sollen.21)

9

III. Mitgliedschaft 1.

Überblick

Die Mitgliedschaft bezeichnet die Gesamtheit aller gesellschaftsrechtlich begründeten Rechte und Pflichten des Gesellschafters im Verhältnis zu seiner Gesellschaft.22) Mit der Mitgliedschaft in der GmbH gehen bestimmte mitgliedschaftliche Rechte und Pflichten einher, wobei sich die Rechte in Vermögensrechte, Verwaltungsrechte und sonstige Rechte aufspalten lassen. Zu den Vermögensrechten zählen das Gewinn- und das Liquidationsrecht sowie das Bezugsrecht. Die Verwaltungsrechte umfassen das Teilnahmerecht in der Gesellschafterversammlung, das Stimmrecht sowie das Anfechtungsrecht. Unter den Begriff der sonstigen Rechte werden Kontrollrechte wie das Einsichts- und Auskunftsrecht und Minderheitsrechte subsumiert, die sich aus §§ 50, 51a, 61 Abs. 2, 66 Abs. 2 ergeben.

10

Die genannten Mitgliedschaftsrechte können – mit Ausnahme des Teilnahmerechts,23) des Auskunfts- und Einsichtsrechts,24) des Anfechtungsrechts und des Austrittsrechts aus wichtigem Grund – durch Satzungsänderung eingeschränkt werden.25) Eine Beschränkung des Stimmrechts ist bis zum stimmrechtslosen Geschäftsanteil möglich, jedoch nicht in Kombination mit dem Ausschluss des Anteils am Gewinn und Liquidation.26) Die Pflichten, bestehend aus Einlagepflicht (§ 14), Haftung aus §§ 24, 31 und Differenz- und Vorbelastungshaftung sowie die Treuepflicht (hierzu siehe § 13 Rn. 7 ff [Weller/Discher]) sind dagegen nicht abdingbar.

11

_____________ 18) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 14 Rn. 12. 19) Wicke, GmbHG, § 14 Rn. 8. 20) BGHZ 50, 316 = NJW 1968, 2003 = DB 1968, 1529; OLG Frankfurt/M., GmbHR 1987, 57; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 14 Rn. 12. 21) BGH, ZIP 1994, 1180 = NJW 1994, 2886 = DB 1994, 1669, dazu EWiR 1994, 861 (Fleischer); Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 14 Rn. 12. 22) Reichert/Weller, GmbH-Geschäftsanteil, § 14 Rn. 62. 23) BGH, GmbHR 1989, 120, 121 = ZIP 1989, 634 = DB 1989, 272, dazu EWiR 1989, 271 (Roth). 24) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 14 Rn. 18; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 14 Rn. 16 f. 25) BGHZ 116, 359, 369 = ZIP 1992, 237 = GmbHR 1992, 257, dazu EWiR 1992, 321 (Wiedermann). 26) BGHZ 14, 264, 270, 273 = GmbHR 1954, 125 = NJW 1954, 1563.

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§ 14 2. 12

Sonderrechte

Eine besondere Erscheinungsform der Mitgliedschaftsrechte sind die sog. Sonderrechte oder Sonderpflichten. Zu den Sonderrechten/pflichten zählen: das Recht auf die Geschäftsführung, das Entsendungsrecht in einen Beirat, die Mitwirkung in einem Gremium wie dem Aufsichtsrat, ein Zustimmungsvorbehalt i. S. d. § 15 Abs. 5,28) das Recht auf Bestellung zum Prokuristen.29) Sonderrechte müssen sich aus der Satzung ergeben30) oder können durch nachträgliche Satzungsänderung begründet werden. Die erforderliche Zustimmung der benachteiligten Gesellschafter erfolgt durch Zustimmung zur Satzung bzw. deren Änderung. Die Aufhebung eines Sonderrechts setzt die Zustimmung des Begünstigten voraus, vgl. § 35 BGB. 4.

14

Drittgeschäfte

Von den Mitgliedschaftsrechten und -pflichten zu unterscheiden sind die lediglich schuldrechtlichen Verhältnisse zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern sowie zwischen den Gesellschaftern untereinander. Hierunter fallen zum einen die sog. Drittgeschäfte (z. B. Kauf, Darlehen, Dienstvertrag, Miete), bei denen die Gesellschaft mit dem Gesellschafter wie mit einem beliebigen Dritten kontrahiert, d. h. keine in der Gesellschafterstellung wurzelnde Verpflichtung dem Vertrag zugrunde liegt.27) Zum anderen zählen dazu Gesellschaftervereinbarungen (wie Stimmbindungsverträge und Ankaufs- und Vorkaufsrechte) oder Nebenverträge. 3.

13

Einlagepflicht

Abspaltungsverbot

Einzelne Mitgliedschaftsrechte und -pflichten können nicht losgelöst vom Geschäftsanteil übertragen werden (vgl. § 38 Satz 2 BGB sowie § 717 Satz 1 BGB), was als sog. Abspaltungsverbot bezeichnet wird.31) Bezogen auf das Stimmrecht ist zwar die Stimmrechtsvollmacht zulässig, jedoch darf diese nicht unwiderruflich ausgestaltet sein.32) Ausgenommen hiervon sind unwiderrufliche Stimmrechtsvollmachten, die im Zusammenhang mit einem dinglichen Recht (Pfandrecht, Treuhand, Nießbrauch) an der Mitgliedschaft stehen. Zwar wird hier die Mitgliedschaft gespalten, jedoch geschieht dies nur als Folge einer zulässigen Belastung von Geschäftsanteilen.33)

_____________ Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 14 Rn. 63. RGZ 170, 358, 368; RGZ 159, 272, 280. Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 14 Rn. 100. BGHZ 18, 207 = GmbHR 1969, 38 = NJW 1969, 131; BGH, GmbHR 1982, 129 = WM 1981, 438. 31) BGHZ 43, 262 = DB 1965, 624 = NJW 1965, 1378; BGH, ZIP 1987, 165 = NJW 1987, 780 = DB 1987, 424. 32) BGH, GmbHR 1977, 244 = DB 1976, 2295 = BB 1977, 10; BGH, ZIP 1987, 165 = DB 1987, 424 = WM 1987, 40; KG Berlin, NZG 1999, 446; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 14 Rn. 22. 33) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 14 Rn. 23. 27) 28) 29) 30)

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Marc-Philippe Weller/Kirsten Discher

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

§ 15 Übertragung von Geschäftsanteilen Stephan Brandes

(1) Die Geschäftsanteile sind veräußerlich und vererblich. (2) Erwirbt ein Gesellschafter zu seinem ursprünglichen Geschäftsanteil weitere Geschäftsanteile, so behalten dieselben ihre Selbständigkeit. (3) Zur Abtretung von Geschäftsanteilen durch Gesellschafter bedarf es eines in notarieller Form geschlossenen Vertrags. (4) 1Der notariellen Form bedarf auch eine Vereinbarung, durch welche die Verpflichtung eines Gesellschafters zur Abtretung eines Geschäftsanteils begründet wird. 2Eine ohne diese Form getroffene Vereinbarung wird jedoch durch den nach Maßgabe des vorigen Absatzes geschlossenen Abtretungsvertrag gültig. (5) Durch den Gesellschaftsvertrag kann die Abtretung der Geschäftsanteile an weitere Voraussetzungen geknüpft, insbesondere von der Genehmigung der Gesellschaft abhängig gemacht werden. Literatur: Bayer, Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen im Ausland nach der MoMiGReform, GmbHR 2013, 897; Bayer, Privatschriftliche Abtretungen deutscher GmbHAnteile in der Schweiz? – Anmerkungen zum Urteil des LG Frankfurt vom 7.10.2009 – 3-13 O 46/09, DNotZ 2009, 887; Böttcher/Blasche, Die Übertragung von Geschäftsanteilen deutscher GmbHs in der Schweiz vor dem Hintergrund der Revision des Schweizer Obligationenrechts, NZG 2006, 766; Fröhlich/Primaczenko, Veräußerung und Belastung künftiger GmbH-Geschäftsanteile, NZG 2016, 133; Goette, Auslandsbeurkundungen im Kapitalgesellschaftsrecht, DStR 1996, 709; Ising, Gesellschafterliste nach Umwandlungen: Probleme in der Praxis, NZG 2010, 812; Janßen/Robertz, Die Formwirksamkeit des internationalen GmbH-Unternehmenskaufs, GmbHR 2003, 433; Kindler, Keine Geltung des Ortsstatuts für Geschäftsanteilsabtretungen im Ausland, BB 2010, 74; Kindler, Geschäftsanteilsabtretungen im Ausland und notarielle Pflicht zur Einreichung der Gesellschafterliste, RIW 2011, 257; Kowalsky, Vinkulierte Geschäftsanteile – Übertragungen und Umgehungen, GmbHR 1992, 347; Lessmann, Vinkulierte Übertragung von GmbHGeschäftsanteilen, GmbHR 1985, 179; Liebscher, Umgehungsresistenz von Vinkulierungsklauseln, ZIP 2003, 825; Liebscher/Lübke, Die zwangsweise Verwertung vinkulierter Anteile – zur angeblich vinkulierungsfreien Pfand- und Insolvenzverwertung, ZIP 2004, 241; Lieder/Villegas, Treuhandverträge über GmbH-Geschäftsanteile – eine Frage der Form?, GmbHR 2018, 169; Lutter/Grunewald, Zur Umgehung von Vinkulierungsklauseln in Satzungen von Aktiengesellschaften und Gesellschaften mbH, AG 1989, 109; Peters, Ist die Beurkundung von GmbH-Geschäftsübertragungen in der Schweiz Rechtsgeschichte?, DB 2010, 97; Pilger, Zur Wirksamkeit eines Nottestaments vor Zeugen – Anmerkung zum Urteil des OLG München vom 14.7.2009 (Az: 31 Wx 141/08), NJW 2010, 684; Reichert, Vinkulierung von GmbH-Geschäftsanteilen – Möglichkeiten der Vertragsgestaltung, GmbHR 2012, 713; Reichert, Das Zustimmungserfordernis zur Abtretung von Geschäftsanteilen in der GmbH, 1984; Reichert/Schlitt, Nießbrauch an GmbH-Anteilen, in: Festschrift für Hans Flick, 1997, S. 217; Reichert/Weller, Geschäftsanteilsübertragung mit Auslandsberührung (Teil I), DStR 2005, 250 und (Teil II), DStR 2005, 292; Reichert/Winter, Vinkulierungsklauseln und gesellschafterliche Treuepflicht, in: Festschrift 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 209; Reuter, Keine Auslandsbeurkundung im Gesellschaftsrecht?, BB 1998, 116; Roth, Pfändung und Verpfändung von Gesellschaftsanteilen, ZGR 2000, 187; Saenger/Scheuch, Auslandsbeurkundung bei der GmbH – Konsequenzen aus MoMiG und Reform des Schweizer Obligationenrechts, BB 2008, 65; Schervier, Beurkundung GmbH-rechtlicher Vorgänge im Ausland, NJW 1992, 593; Schmitz, Vinkulierungs- und Ausschließungsklauseln – Überschneidungen und Gestal-

Stephan Brandes

357

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

tungsmöglichkeiten in der GmbH, in: Festschrift Herbert Wiedemann, 2002, S. 1223; Stoppel, Reichweite der Heilung bei fehlender Beurkundung von Anteilsverkäufen, GmbHR 2010, 225; Trendelenburg, Beurkundung von Anteilskaufverträgen und gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen nach der Reform des Schweizer Obligationenrechts, GmbHR 2008, 644; Weller, GmbH-Anteilsabtretung in Basel – zugleich Besprechung von BGHZ 199, 270, ZGR 2014, 865; Wiesner, Beurkundungspflicht und Heilungswirkung bei Gründung von Personengesellschaften und Unternehmensveräußerungen, NJW 1984, 95; Wolff, Die Verbindlichkeit der Gesellschafterliste für Stimmrecht und Beschlussverfahren, BB 2010, 454. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Der Grundsatz der freien Übertragbarkeit von GmbHGeschäftsanteilen und seine Schranken ............................................. 2 1. Gesetzliche Berufsausübungsschranken ............................................... 3 2. Familiengerichtliche Genehmigung ..... 4 3. Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen (Vinkulierung) .............. 5 a) Zustimmungsvorbehalte ................ 8 b) Umgehung der Vinkulierung ...... 17 c) Vorkaufs- und Vorerwerbsrechte ............................................ 21 III. Formerfordernis ................................. 22 1. Verpflichtungsgeschäft ....................... 23 a) Vereinbarung ................................ 24 b) Verpflichtung zur Abtretung ...... 29 c) Rechtswahl ................................... 33 d) Beurkundung im Ausland ............ 34 e) Heilung des Formmangels .......... 35 2. Die Abtretung ..................................... 39 a) Dinglicher Abtretungsvertrag ..... 40 b) Übergang der Mitgliedschaft ...... 45 c) Mängel der Abtretung ................. 46

I. 1

d) Auslandsbeurkundung ................. 48 IV. Sonstige Verfügungen über den GmbH-Geschäftsanteil ..................... 52 1. Verpfändung ........................................ 52 2. Nießbrauch .......................................... 58 3. Unterbeteiligung am GmbHGeschäftsanteil .................................... 60 4. Treuhand und Sicherungsabtretung von GmbH-Geschäftsanteilen ........... 61 V. Vererbung von GmbHGeschäftsanteilen ............................... 63 1. Satzungsregelungen ............................. 65 2. Haftung des Erben für mitgliedschaftliche Verbindlichkeiten ............. 68 3. Vermächtnis ......................................... 69 4. Anordnung von Vor- und Nacherbschaft .................................................... 70 5. Testamentsvollstreckung .................... 71 VI. Zwangsvollstreckung und Insolvenz ............................................. 72 1. Pfändung .............................................. 72 2. Verwertung des gepfändeten Anteils .................................................. 74 3. Insolvenz eines Gesellschafters .......... 77

Normzweck

Die Vorschrift betrifft die Übertragung von Geschäftsanteilen. Absatz 1 regelt den Grundsatz der freien Übertragbarkeit sowohl unter Lebenden (Veräußerlichkeit) als auch von Todes wegen (Vererblichkeit). Die Veräußerung ist formbedürftig (Abs. 3 und 4). Absatz 5 eröffnet den Gesellschaftern die Möglichkeit, die freie Übertragbarkeit der Geschäftsanteile durch Regelungen im Gesellschaftsvertrag einzuschränken (Vinkulierung). Absatz 2 hat nach der Änderung des § 5 Abs. 2 Satz 2 durch das MoMiG, wonach nunmehr jeder Gesellschafter bei Gründung der GmbH mehrere Geschäftsanteile übernehmen kann, nur noch klarstellende Bedeutung. II. Der Grundsatz der freien Übertragbarkeit von GmbH-Geschäftsanteilen und seine Schranken

2

Der Geschäftsanteil ist grundsätzlich frei veräußerlich. Das gilt auch für künftige Geschäftsanteile. Das GmbHG kennt keine dem § 41 Abs. 4 Satz 1 AktG entsprechende Vorschrift über ein Verbot der Anteilsübertragung vor Eintragung der Gesellschaft. Die Abtretung eines künftigen Geschäftsanteils wird mit Eintragung der 358

Stephan Brandes

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Gesellschaft oder einer Kapitalerhöhung in das Handelsregister wirksam.1) Der Grundsatz der freien Übertragbarkeit gilt grundsätzlich auch in der Liquidation der Gesellschaft.2) Nicht möglich ist die Abtretung von Anteilen einer Vorgesellschaft; hier vollzieht sich der Gesellschafterwechsel in Form einer Änderung des Gesellschaftsvertrages.3) 1.

Gesetzliche Berufsausübungsschranken

Ausnahmen vom Grundsatz der freien Übertragbarkeit sind in berufsrechtlichen Vorschriften für die Freiberufler GmbH enthalten. Hier können nur die Angehörigen der entsprechenden Berufsgruppe Gesellschafter sein. Entsprechende Beschränkungen ergeben sich für Rechtsanwälte aus § 59e Abs. 1 BRAO, für Steuerberater aus § 50a Abs. 1 Nr. 1, 3 StBerG, für Wirtschaftsprüfer aus § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 WPO, für Ärzte aus landesrechtlichen Vorschriften (z. B. § 16 Abs. 4 Satz 3 SächsHKaG). Diese einschränkenden Vorschriften werden sowohl im berufsrechtlichen4) als auch im gesellschaftsrechtlichen5) Schrifttum ganz überwiegend als Verbotsgesetze i. S. d. § 134 BGB qualifiziert, mit entsprechender Nichtigkeit der dagegen verstoßenden Anteilsübertragung. Die besseren Gründe sprechen allerdings dafür, dass die berufsrechtlichen Beteiligungsschranken nicht bereits den berufsrechtswidrigen Zusammenschluss als solchen, sondern eher die Berufsausübung durch diesen Zusammenschluss verhindern wollen.6) Entsprechend sind die Rechtsfolgen ausgestaltet: Die Zulassung der Gesellschaft zur Berufsausübung kann widerrufen werden, wenn nicht innerhalb angemessener Frist der ordnungsgemäße Zustand hergestellt wird (§ 59 h Abs. 3 BRAO, § 55 StBerG, § 34 Abs. 1 Nr. 2 WPO). 2.

Familiengerichtliche Genehmigung

Der entgeltliche Erwerb und die Veräußerung von Geschäftsanteilen durch Minderjährige bedürfen grundsätzlich nicht der familiengerichtlichen Genehmigung nach §§ 1643 Abs. 1, 1822 Nr. 3 BGB, auch dann nicht, wenn die GmbH ein Erwerbsgeschäft betreibt.7) Etwas anderes gilt gemäß § 1822 Nr. 10 BGB, wenn der Minderjährige gleichzeitig eine fremde Verbindlichkeit übernimmt, die im Verhältnis zum bisherigen _____________ 1)

2) 3)

4) 5) 6) 7)

3

BGHZ 21, 242, 245 = GmbHR 1956, 139; BGHZ 29, 300, 303 = GmbHR 1959, 149 = NJW 1959, 934; BGH, ZIP 1994, 1855 = GmbHR 1995, 119 = NJW 1995, 128, dazu EWiR 1994, 1165 (v. Gerkan). KG Berlin, GmbHR 1996, 921; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 2; Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 15 Rn. 1; Henssler/Strohn-Verse, GesR, § 15 GmbHG Rn. 3. BGHZ 29, 300, 303 = GmbHR 1959, 149 = NJW 1959, 934; BGH, ZIP 2005, 253 = GmbHR 2005, 354 = NZG 2005, 263; Scholz-Seibt, GmbHG, § 15 Rn. 11; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 6; a. A. Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rn. 49 f. Vgl. etwa Feuerich/Weyland-Brüggemann, BRAO, § 59e Rn. 2; Henssler/PrüttingHenssler, BRAO, § 59e Rn. 12. Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 8; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 5; Henssler/Strohn-Verse, GesR, § 15 GmbHG Rn. 10. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 15 Rn. 3. BGHZ 107, 23, 28 = ZIP 1989, 445 = NJW 1989, 1926, dazu EWiR 1989, 577 (Kellermann); Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 287; Reichert/Weller in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 501; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 8.

Stephan Brandes

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4

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Schuldner allein dieser zu tilgen hat, wie etwa im Falle einer Mithaftung aus §§ 24, 31 Abs. 38) oder wenn ein Minderjähriger neben anderen Veräußerern gesamtschuldnerisch für die Einhaltung der im Unternehmenskaufvertrag gegenüber dem Erwerber abgegebenen Garantien haftet.9) Eine Genehmigung ist ferner dann erforderlich, wenn der Erwerb der Geschäftsanteile einer Übernahme des Unternehmens gleichkommt. Dies ist der Fall bei Mehrheitsbeteiligung des Minderjährigen oder wenn nur Minderjährige an der GmbH beteiligt sind und alle Anteile veräußert werden.10) 3.

Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen (Vinkulierung)

5

Gemäß Absatz 5 kann der Grundsatz der freien Übertragbarkeit der Geschäftsanteile durch Regelungen im Gesellschaftsvertrag eingeschränkt oder abbedungen werden. Absatz 5 stellt eine gesetzliche Ausnahme von der Regel des § 137 Satz 1 BGB dar. Die Beschränkungen können sich auch auf die Abtretung von Teilgeschäftsanteilen und die Einräumung von Mitberechtigungen gemäß § 747 BGB beziehen. Ebenfalls der Vinkulierung unterworfen werden kann die Abtretung selbständig übertragbarer Rechte aus der Mitgliedschaft, wie z. B. des Gewinnanspruchs oder des Anspruchs auf den Liquidationserlös. Neben der Anteilsabtretung kann auch die Einräumung sonstiger dinglicher Rechte wie z. B. eines Pfandrechts oder eines Nießbrauchs am Geschäftsanteil, deren Bestellung sich nach den Regeln über die Anteilsübertragung richtet (§§ 1274 Abs. 1 Satz 1, 1069 Abs. 1 BGB), durch Satzung dem Vinkulierungserfordernis unterworfen werden. Wird die Übertragung des Geschäftsanteils vollständig ausgeschlossen, so steht dem Gesellschafter das Recht zum Austritt aus wichtigem Grund zu (siehe § 34 Rn. 72 [Thiessen]).

6

Werden die Beschränkungen nachträglich eingeführt, so ist die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich.11) Wird eine Vinkulierungsbestimmung erst nach Abgabe eines bindenden Abtretungsangebotes im Wege der Satzungsänderung eingeführt, kann diese die wirksame Annahme des Angebotes nicht mehr verhindern.12) Ist die Vinkulierung als Sonderrecht einzelner Gesellschafter ausgestaltet, kann diese auch nachträglich ohne deren Zustimmung nicht abgeschafft werden; anderenfalls ist die nachträgliche Aufhebung einer Vinkulierungsbestimmung wie eine gewöhnliche Satzungsänderung zu behandeln.13)

_____________ 8) BGHZ 107, 23, 26 ff = ZIP 1989, 445 = NJW 1989, 1926, dazu EWiR 1989, 577 (Kellermann); Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 15 Rn. 21; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 15 Rn. 8. 9) Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 503. 10) BGH, DNotZ 2004, 152, 153; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 15 Rn. 21; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 8. 11) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 15 Rn. 97; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 228. 12) OLG Brandenburg, NZG 1999, 828. 13) OLG Stuttgart, NJW 1974, 1566 f; OLG Hamm, ZIP 2001, 1915, 1917 = GmbHR 2001, 974 = WM 2001, 855; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 229 m. N.; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 15 Rn. 98.

360

Stephan Brandes

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

In der Einpersonen-GmbH sind Vinkulierungsbestimmungen von vornherein unbeachtlich.14) Das Gleiche gilt in der Zweipersonen-GmbH, wenn der eine Gesellschafter seine Anteile an den anderen veräußert.15)

7

a) Zustimmungsvorbehalte In der Praxis am meisten verbreitet ist das Zustimmungserfordernis, das die Wirksamkeit der Abtretung von der Zustimmung einer oder mehrerer Personen abhängig macht. Der noch aus der Zeit vor der Einführung des BGB stammende Begriff der „Genehmigung“ ist nicht mit dem des § 184 BGB identisch und beschränkt sich daher nicht auf eine nachträgliche Zustimmung. Vielmehr ist allgemein anerkannt, dass die Zustimmung der Gesellschaft bei vinkulierten Geschäftsanteilen vor, bei oder nach der Abtretung erteilt werden kann.16) Das gilt selbst dann, wenn die Satzung ausdrücklich eine vorherige Zustimmung verlangt, da der Vinkulierungszweck auch bei nachträglicher Zustimmung erreicht wird und ein vernünftiger Grund dafür, warum eine nachträgliche Genehmigung ausgeschlossen sein soll, nicht ersichtlich ist.17)

8

Sinn und Zweck der Vinkulierung besteht vor allem darin, die Gesellschaft und die Mitgesellschafter vor personellen Veränderungen im Gesellschafterkreis zu schützen. Darüber hinaus können Vinkulierungsklauseln dazu dienen, quantitative Veränderungen der Beteiligungsverhältnisse zu verhindern.18)

9

Wer für die Erteilung der Genehmigung im Außenverhältnis gegenüber dem Veräußerer bzw. dem Erwerber zuständig ist, kann durch die Vinkulierungsklausel geregelt werden. Enthält diese keine spezielle Regelung, sondern ist in der Satzung lediglich von der „Genehmigung der Gesellschaft“ die Rede, so ist sie entsprechend der gesetzlich vorgesehenen Kompetenzverteilung in der GmbH von den Geschäftsführern in vertretungsberechtigter Zahl zu erklären (§ 35).19) Wem die Kompetenz zur Entscheidung über die Zustimmung zukommt, kann und sollte ebenfalls in der Satzung geregelt werden.

10

Typischerweise sehen gesellschaftsvertragliche Regelungen die Zustimmung der Gesellschafterversammlung durch Gesellschafterbeschluss oder die Zustimmung sämtlicher oder einzelner Gesellschafter oder auch die Zustimmung eines anderen Gesellschaftsorgans (z. B. eines Beirats) vor.

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_____________ 14) BGH, DB 1991, 1218 f = ZIP 1991, 724 = GmbHR 1991, 311 m. w. N., dazu EWiR 1991, 679 (v. Gerkan). 15) OLG Hamm, NZG 1999, 600 ff. 16) BGHZ 13, 179 = GmbHR 1954, 106; BGH, NJW 1965, 1376, 1377 = GmbHR 1965, 155; BayObLG, GmbHR 1991, 572, 573 = DB 1991, 1270; OLG Celle, NZG 1999, 447, 448 = GmbHR 1999, 131; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 231; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 15 Rn. 41; Reichert/Weller in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 397. 17) BGH, NJW 1965, 1376, 1377 = GmbHR 1965, 155; OLG Celle, NZG 1999, 447, 448 = GmbHR 1999, 131; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 15 Rn. 41. 18) Zu den Möglichkeiten der Vertragsgestaltung Reichert, GmbHR 2012, 713 ff. 19) A. A. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 15 Rn. 100, demzufolge im Außenverhältnis die Erteilung der Zustimmung immer in die Zuständigkeit der Geschäftsführer fallen soll.

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Streitig ist, ob die Übertragbarkeit auch an die Zustimmung gesellschaftsfremder Dritter gebunden werden kann.20) Dagegen wird vorgebracht, dass gesellschaftsfremden Dritten in der Satzung keine eigenen Rechte eingeräumt werden könnten.21) Das überzeugt nicht. Bei der Zustimmung i. S. d. Absatz 5 handelt es sich nicht um ein spezifisches gesellschaftsrechtliches Recht, das nur von Mitgesellschaftern ausgeübt werden kann; insbesondere gehört die Zustimmungsbefugnis nicht zu den unabdingbaren Zuständigkeiten der Gesellschafterversammlung.22) Absatz 5 ermöglicht grundsätzlich jede beliebige Ausgestaltung der Vinkulierung, einschließlich des völligen Ausschlusses der Übertragbarkeit der Geschäftsanteile.23)

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Der Kautelarpraxis nicht zu empfehlen sind Klauseln, die lediglich eine Zustimmung „der Gesellschaft“ (wie in Absatz 5 ausdrücklich genannt) vorsehen, ohne ausdrücklich zu regeln, ob und mit welcher Mehrheit die Geschäftsführung, die in diesem Falle die Zustimmung zu erteilen hat, dazu durch einen Beschluss der Gesellschafterversammlung ermächtigt werden muss.24)

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Ferner unterscheiden sich Zustimmungserfordernisse darin, ob sie sämtliche Übertragungsvorgänge erfassen oder Verfügungen zugunsten bestimmter Personen (z. B. Mitgesellschafter, Gesellschaften, die von Mitgesellschaftern beherrscht werden, Familienmitglieder, Abkömmlinge, Ehegatten etc.) ausnehmen.

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Unterliegt eine Übertragung der Zustimmungsklausel, so bleibt die Wirksamkeit der Abtretung bis zur Erteilung der Zustimmung in der Schwebe. Wird die Zustimmung versagt, so ist die Abtretung wirkungslos; wird sie erteilt, wirkt sie auf den Zeitpunkt der Abtretung zurück (§§ 184 Abs. 1, 399, 413 BGB). Zustimmungsklauseln bieten mithin demjenigen, der die Erteilung mit seinen Stimmen verhindern kann, die Möglichkeit, rechtsgeschäftliche Übertragungen von Geschäftsanteilen zu blockieren. Diese Rechtsmacht kann im Gesellschaftsvertrag eingeschränkt werden. So kann bestimmt werden, dass die Zustimmung unter bestimmten Voraussetzungen erteilt werden muss oder nur unter bestimmten Voraussetzungen versagt werden darf. Enthält der Gesellschaftsvertrag darüber keine besonderen Bestimmungen, steht die Ausübung des Zustimmungserfordernisses im pflichtgemäßen25) Ermessen der Gesellschafterversammlung. Das Ermessen ist jedoch durch die gesellschafterliche Treuepflicht begrenzt, die unter bestimmten engen Voraus_____________ 20) Für die Zulässigkeit KG Berlin, DR 1942, 1059. 21) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 252; Scholz-Seibt, GmbHG, § 15 Rn. 122. 22) Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 429. 23) Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 429; Lessmann, GmbHR 1985, 179, 185; für Zulässigkeit eines Zustimmungsvorbehalts zugunsten von Dritten auch Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 15 Rn. 38; Henssler/Strohn-Verse, GesR, § 15 GmbHG Rn. 84. 24) Zur rechtsmissbräuchlichen Erteilung der Zustimmung ohne regelmäßig erforderliche Einholung eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses OLG Hamburg, ZIP 1992, 1085 = GmbHR 1992, 609 = DB 1992, 1628, dazu EWiR 1992, 1091 (Zimmermann). 25) OLG Hamm, NJW-RR 2001, 109, 111 = NZG 2001, 1185; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 82; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 253; Reichert/ Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 411; a. A. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 15 Rn. 46; Scholz-Seibt, GmbHG, § 15 Rn. 127.

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setzungen gebieten kann, die Zustimmung zu erteilen oder – in eng begrenzten Ausnahmesituationen – auch zu versagen.26) Der Veräußerer hat einen Anspruch darauf, dass die Zustimmungsberechtigten in angemessener Frist eine Entscheidung über die Zustimmung herbeiführen. Dem Erwerber steht ein solcher Anspruch nur zu, wenn er bereits Gesellschafter ist.27) Aus dem schuldrechtlichen Grundgeschäft kann sich eine Verpflichtung des Veräußerers gegenüber dem Erwerber ergeben, auf Erteilung der Zustimmung hinzuwirken. Wird die Zustimmung innerhalb angemessener Frist nicht erteilt, gilt sie im Zweifel als verweigert.28)

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b) Umgehung der Vinkulierung Ist mit der Erteilung der Zustimmung nicht zu rechnen, versuchen Veräußerer und Erwerber häufig, die Vinkulierungsklausel zu umgehen. In Betracht kommen dabei Treuhandkonstruktionen (siehe Rn. 61), Stimmbindungsverträge und Stimmrechtsvollmachten, die einem Dritten die Herrschaft über den vinkulierten Geschäftsanteil vermitteln.29) Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist nach dem mit den Vinkulierungsklauseln regelmäßig verfolgten Zweck, die Gesellschaft vor dem Einfluss unerwünschter Dritter zu bewahren, im Zweifel davon auszugehen, dass sich die Vinkulierungsklausel auf alle Fallkonstellationen erstrecken soll, die Dritten einen der Anteilsinhaberschaft vergleichbaren Einfluss auf die Beteiligung vermitteln, ohne dass es darauf ankommt, ob der vinkulierte Anteil übertragen wird.30) Im Zweifel werden die genannten Vereinbarungen daher von einer Vinkulierungsklausel auch dann erfasst, wenn dies nicht explizit angeordnet ist. Das gilt auch dann, wenn der Treugeber Mitgesellschafter ist.31) Rechtsfolge ist die schwebende Unwirksamkeit der Vereinbarung,32) nicht hingegen die Nichtigkeit.33) Kein Fall der Umgehung ist hingegen die Einräumung einer Unterbeteiligung, sofern es sich nicht

_____________ 26) Reichert, Das Zustimmungserfordernis zur Abtretung von Geschäftsanteilen in der GmbH, S. 224 ff; Reichert/Winter in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 209, 221; Reichert/ Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 414; Hachenburg-Zutt, GmbHG, § 15 Rn. 116; BGH, ZIP 2006, 1343 = DB 2006, 1672 = NZG 2006, 627, dazu EWiR 2006, 567 (A. Kleinschmidt/Hoos). 27) Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 407; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 83. 28) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 89; a. A. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 15 Rn. 105. 29) Vgl. Reichert, GmbHR 2012, 713, 718. 30) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 262; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 93; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 15 Rn. 115 ff; Lutter/ Grunewald, AG 1989, 109, 110 ff. 31) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 15 Rn. 115; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 264; a. A. OLG Hamm, GmbHR 1993, 656, 658. 32) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 94; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 265. 33) So aber RGZ 69, 134, 137.

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in Wahrheit um einen verdeckten Treuhandvertrag handelt.34) Liegt ein Verdacht auf eine verdeckte Treuhandschaft vor, können die Mitgesellschafter Auskunft über die Person des Treugebers verlangen.35) 18

Besonders groß ist die Gefahr einer Umgehung der Vinkulierungsklausel, wenn der Gesellschafter seine Anteile an der vinkulierten Gesellschaft über eine Tochtergesellschaft, insbesondere eine reine Zwischenholding, hält. In diesem Fall kann der mittelbare Gesellschafter einen Kontrollwechsel an dem vinkulierten Geschäftsanteil dadurch herbeiführen, dass er seine Anteile an der Holdinggesellschaft überträgt. Lässt die Vinkulierungsklausel konzerninterne Übertragungen zu, kann der Gesellschafter den vinkulierten Geschäftsanteil zunächst zustimmungsfrei auf eine Zwischenholding übertragen, um dann anschließend die Anteile an der Zwischenholding an einen Dritten zu veräußern.

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Um sich gegen solche Umgehungen zu schützen, können in der Satzung Regelungen zur Einziehung des Geschäftsanteils oder Ankaufsrechte der Mitgesellschafter vorgesehen werden, wenn eine Veränderung im Gesellschafterkreis der an der vinkulierten Gesellschaft beteiligten Gesellschaft ohne die Zustimmung der Gesellschafter der vinkulierten Gesellschaft erfolgt. Ein Zustimmungserfordernis hinsichtlich der Übertragung der Anteile an der Zwischenholding kann dagegen nicht in der Satzung verankert werden, da dies gegen § 137 Satz 1 BGB verstieße.36)

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Inwieweit die in der Satzung vorgesehene Vinkulierungsbestimmung auch eine mittelbare Anteilsübertragung verhindert, ist im Schrifttum umstritten. Einzelne Stimmen in der Literatur sehen bereits die Übertragung der Anteile an der vinkulierten Gesellschaft auf die Zwischenholding (nachträglich) als unwirksam an;37) andere halten die spätere Übertragung der Anteile an der beteiligten Gesellschaft für nichtig.38) Die wohl überwiegende Meinung sieht in der Umgehung der Vinkulierung zu Recht nur eine schuldrechtliche Pflichtverletzung des mittelbaren Gesellschafters, die die Wirksamkeit der dinglichen Übertragungsvorgänge grundsätzlich unberührt lässt.39) Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Anteilsübertragung sittenwidrig ist (§ 138 BGB).40) Der beabsichtigte Verstoß gegen die mittelbare Vinkulierung kann im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt werden.41) _____________ 34) OLG Frankfurt/M., GmbHR 1992, 668 = DB 1992, 2489; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 15 Rn. 118; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 94; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 263; Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 366. 35) OLG Hamburg, GmbHR 1993, 507 f = ZIP 1993, 829 = DB 1993, 1081. 36) Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 378; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 267; Lutter/Grunewald, AG 1989, 409, 412; Schmitz in: FS Wiedemann, S. 1223, 1239. 37) Kowalsky, GmbHR 1992, 347, 350 ff. 38) Liebscher, ZIP 2003, 825, 831 f. 39) Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 376, 378; Ulmer/Habersack/LöbbeLöbbe, GmbHG, § 15 Rn. 271, 272; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 95. 40) Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 381; Ulmer/Habersack/LöbbeLöbbe, GmbHG, § 15 Rn. 271; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 95. 41) LG München I, v. 12.9.2002 – 15 HKO 1576/02; Liebscher, ZIP 2003, 825, 828; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 272.

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c) Vorkaufs- und Vorerwerbsrechte Weit geringer sind die Beschränkungen der Anteilsfungibilität, wenn statt eines Zustimmungserfordernisses ein Vorkaufsrecht oder Vorerwerbsrecht in der Satzung vorgesehen wird. Solche Bestimmungen hindern den Gesellschafter nicht daran, über seinen Geschäftsanteil zu verfügen; allerdings ermöglichen sie es den Mitgesellschaftern, das Eindringen Dritter dadurch zu verhindern, dass sie – oder ggf. von ihnen benannte Dritte – die Anteile erwerben. Vorkaufsrechte sehen entsprechend den §§ 504 ff BGB vor, dass der Inhaber eines Vorkaufsrechts in den mit einem Erwerber abgeschlossenen Kaufvertrag eintritt. Vorerwerbsrechte erfordern dagegen stets, dass der Verpflichtete bereits vor Abschluss von Verträgen mit Dritten seine Anteile dem Vorerwerbsberechtigten anzubieten hat. In diesem Fall kann über den Anteil nur verfügt werden, wenn die Berechtigten das Angebot ausschlagen oder die im Vertrag vorgesehene Angebotsfrist verstreichen lassen.

21

III. Formerfordernis Nach Absätzen 3 und 4 bedürfen sowohl die Verfügung über den Geschäftsanteil als auch das Verpflichtungsgeschäft der notariellen Form. Es handelt sich um zwingendes Recht. Das Formerfordernis kann nicht abbedungen werden. 1.

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Verpflichtungsgeschäft

Der Normzweck des Absatzes 4 besteht darin, einen spekulativen Handel mit Geschäftsanteilen zu unterbinden.42)

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a) Vereinbarung Absatz 4 gilt für sämtliche „Vereinbarungen“, also Verträge i. S. d. §§ 145 ff BGB. Die Vereinbarung muss die Verpflichtung zur Abtretung eines Geschäftsanteils begründen. Absatz 4 gilt auch für obligatorische Schenkungsverträge. Die Beachtung des § 518 BGB reicht nicht aus, weil dieser nur die Beurkundung des Schenkungsversprechens, nicht aber die des gesamten Vertrages verlangt.43)

24

Der Formzwang gilt auch, wenn die Verpflichtung auf Abtretung an einen Dritten gerichtet ist.44) Formbedürftig ist auch die in einem Vertrag enthaltene einseitige Verpflichtung, einen Geschäftsanteil auf Verlangen des Vertragspartners abzutreten, der eine Verpflichtung zur Abnahme nicht gegenübersteht (Call Option). Entsprechendes gilt für den umgekehrten Fall einer sog. Put Option, die für einen

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_____________ 42) BGHZ 13, 51; BGHZ 127, 129, 135 = ZIP 1994, 1687 = GmbHR 1994, 869; BGH, ZIP 1996, 1901, 1902 = GmbHR 1996, 919 = NJW 1996, 3338; BGHZ 130, 71 = ZIP 1995, 1089 = NJW 1995, 2217, dazu EWiR 1995, 743 (Limmer); Teile des Schrifttums messen Absatz 4 – entgegen der gefestigten BGH-Rspr. – zusätzlich eine Warn- bzw. Anlegerschutzfunktion bei; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 15 Rn. 66 m. N.; dagegen Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 43; Reichert/Weller in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 78. 43) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 49; BGH, GmbHR 1963, 188 = DB 1963, 795. 44) RGZ 50, 165; RGZ 149, 385, 397; OLG Karlsruhe, GmbHR 1991, 19, 20; OLG München, WM 1995, 670, 671 = BB 1995, 427 = DB 1995, 316; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 50.

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Vertragsteil eine einseitige Erwerbsverpflichtung begründet, ohne dass dem eine Veräußerungspflicht des anderen Teils gegenübersteht. Die Ausübung der Call bzw. Put Option, das Abtretungs- bzw. Abnahmeverlangen, kann in diesem Fall formlos erfolgen. Denn die Verpflichtung zur Abtretung/zum Erwerb des Geschäftsanteils wird nicht durch jene Erklärung des Erwerbenden begründet, sondern durch den vorausgegangenen Vertrag. Anders verhält es sich, wenn die Call/Put Option so ausgestaltet ist, dass noch kein Vertrag, sondern nur eine bloße, in der Form des Absatzes 4 abgegebene Vertragsofferte vorliegt; diese muss unter Beachtung der §§ 147 f BGB und unter Wahrung der von Absatz 4 geforderten Form angenommen werden.45) 26

Absatz 4 gilt auch für Gesellschaftsverträge von Personengesellschaften, wenn durch diese eine Verpflichtung zur Einbringung eines Geschäftsanteils in die Gesellschaft begründet wird.46) Verträge, die eine Verpflichtung zur Übertragung künftiger Geschäftsanteile begründen, unterliegen ebenfalls dem Formerfordernis des Absatzes 4.47) Das Gleiche gilt für die Übertragung von Teilgeschäftsanteilen.48)

27

Formbedürftig ist ferner die Begründung von Vorkaufsrechten, Vorerwerbsrechten und sonstigen Übernahmerechten, die die Verpflichtung eines Gesellschafters beinhalten, einen Geschäftsanteil unter bestimmten Voraussetzungen auf den Berechtigten zu übertragen, soweit diese nicht im ohnehin formbedürftigen Gesellschaftsvertrag, sondern in sonstigen Vereinbarungen, wie z. B. Konsortialverträgen begründet werden. Dem Formzwang unterliegen ferner Geschäfte, bei denen die Gesellschaft selbst eine Verpflichtung zur Veräußerung oder zum Erwerb eines eigenen Anteils (§ 33) eingeht.49) Formbedürftig ist ferner auch ein Vertrag, der die Verpflichtung zur Abtretung eines Anspruches auf Abtretung eines GmbHGeschäftsanteils begründet.50)

28

Keine Anwendung findet die Formvorschrift dagegen auf Verträge, welche zur Abtretung der aus der Mitgliedschaft fließenden vermögensrechtlichen Ansprüche verpflichten (wie z. B. das Gewinnbezugsrecht). Formfrei ist auch eine Vereinbarung, durch welche ein obligatorischer Vertrag auf Abtretung eines Geschäftsanteils aufgehoben wird.51)

_____________ 45) BGH, GmbHR 1962, 188; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 52. 46) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 53 ff. 47) BGHZ 21, 242, 245 = GmbHR 1956, 139; BGHZ 21, 378, 383 = NJW 1957, 19, 20 = GmbHR 1957, 41; BGHZ 29, 300, 303 = GmbHR 1959, 149 = NJW 1959, 934; BGHZ 141, 207 = ZIP 1999, 925, 926 = GmbHR 1999, 707, dazu EWiR 1999, 703 (Wilken); BGH, GmbHR 1995, 119, 120 = ZIP 1994, 1855 = NJW 1995, 128, dazu EWiR 1994, 1165 (v. Gerkan); BGH, GmbHR 1997, 405, 406 = ZIP 1997, 679 = NJW 1997, 1507, dazu EWiR 1997, 463 (Fleischer); Henssler/Strohn-Verse, GesR, § 15 GmbHG Rn. 73. 48) RGZ 87, 246, 248; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 61. 49) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 64. 50) BGHZ 75, 352, 354 = GmbHR 1981, 55 = NJW 1980, 1100; ebenso die h. M.; vgl. Ulmer/ Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 70. 51) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 72; Reichert/Weller in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 104; Henssler/Strohn-Verse, GesR, § 15 GmbHG Rn. 70.

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b) Verpflichtung zur Abtretung Die Verpflichtung zur Abtretung muss den eigentlichen Vertragsgegenstand bilden. Ergibt sich die Verpflichtung zur Abtretung kraft Gesetzes, unterliegt der zugrundeliegende Vertrag grundsätzlich nicht dem Formerfordernis des Absatzes 4, da der Zweck der Formvorschrift in der Regel nicht tangiert ist. Ein Auftrag, einen Geschäftsanteil im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung zu übernehmen oder zu erwerben, kann formfrei erteilt werden. Die Verpflichtung des Beauftragten, den Geschäftsanteil nach Ausführung des Auftrags an den Auftraggeber zu übertragen, ergibt sich aus § 667 BGB. Zudem ist der Normzweck nicht berührt, da die Verpflichtung zur Abtretung des Geschäftsanteils vom Auftragnehmer an den Auftraggeber keinen Anteilshandel darstellt.52) Aus den gleichen Gründen sind Einkaufs- und Verkaufskommission formfrei möglich.53) Formbedürftig ist dagegen ein Vorvertrag, wenn der Hauptvertrag die Verpflichtung zur Abtretung eines Geschäftsanteils zum Gegenstand hat.54)

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Vom Formzwang erfasst ist die gesamte Vereinbarung einschließlich vertraglicher Nebenabreden.55) Ist in der notariellen Urkunde ein anderer (niedrigerer) als der tatsächlich vereinbarte Kaufpreis angegeben, so ist der notarielle Vertrag als Scheingeschäft nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig. Die Wirksamkeit der von den Parteien gewollten Vereinbarung nach § 117 Abs. 2 BGB scheitert wiederum an der Nichteinhaltung des Formerfordernisses. Allerdings kann dieser Formmangel durch eine formgerechte Abtretung des Geschäftsanteils geheilt werden.56) Formnichtige Nebenabreden können auch zur Auslegung des Vertrages herangezogen werden.57)

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Verträge nach Absatz 4 können auch durch Bevollmächtigte geschlossen werden. Die Vollmacht bedarf grundsätzlich nicht der notariellen Form.

31

Der Abschluss des Verpflichtungsvertrages, und entsprechend die Abtretung selbst, i. R. eines gerichtlichen Vergleichs durch Aufnahme der Erklärungen zu gerichtlichem Protokoll ersetzt die notarielle Form (§ 127a BGB). Dies gilt auch für den schiedsgerichtlichen Vergleich.58)

32

_____________ 52) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 73; a. A. Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 87; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 15 Rn. 34. 53) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 74; a. A. Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 87; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 15 Rn. 34. 54) Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 91; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 79. 55) BGH, ZIP 2001, 1580 = DB 2001, 2038 = NJW 2002, 62, dazu EWiR 2001, 837 (Tilp); BGH, WM 1969, 1257, 1259 = GmbHR 1969, 288; BGH, ZIP 1996, 1901, 1902 = NJW 1996, 3338, 3339 = GmbHR 1996, 919; BGHZ 63, 359, 361 = DB 1975, 442 = NJW 1975, 536; OLG München, BB 1995, 427, 428 = WM 1995, 670 = DB 1995, 316. 56) BGHZ 127, 129, 131 ff = GmbHR 1994, 869, 870 = ZIP 1994, 1687; RGZ 112, 236, 239 ff; RGZ 168, 292, 296 f; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 83. 57) BGH, ZIP 1987, 709 = DB 1987, 1135 = NJW 1987, 2437, dazu EWiR 1988, 221 (Groß); Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 83. 58) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 91.

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c) Rechtswahl 33

Während sich der Abtretungsvertrag nach dem Gesellschaftsstatut beurteilt (siehe Rn. 48), richtet sich das dem Abtretungsvertrag zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft nach dem Schuldvertragsstatut (Art. 27 EGBGB).59) Hier gilt anders als für die Anteilsabtretung der Grundsatz der freien Rechtswahl. Liegt ein Sachverhalt mit Auslandsberührung vor und unterstellen die Parteien das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft kraft ausdrücklicher oder konkludenter Vereinbarung ausländischem Recht, findet die Formvorschrift des Absatzes 4 daher keine Anwendung. d) Beurkundung im Ausland

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Unterliegt das im Ausland abgeschlossene Verpflichtungsgeschäft deutschem Recht, so stellt sich die Frage, ob dem Formerfordernis des Absatzes 4 auch durch notarielle Beurkundung im Ausland (siehe Rn. 49) oder durch Wahrung der Ortsform Rechnung getragen werden kann. Anders als bei der dinglichen Anteilsabtretung, wo die Frage der Zulässigkeit der Ortsform nach wie vor umstritten ist (siehe Rn. 50), steht seit Inkrafttreten der EG-VO Nr. 593/2008 (Rom I) am 17.12.2009 für das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft nach Art. 11 Abs. 1 Rom I-VO fest, dass die Einhaltung der am Ort des Abschlusses des schuldrechtlichen Vertrages geltenden Formvorschriften ausreichend ist.60) Entsprechendes gilt für Vereinbarungen, die zur Übertragung von Anteilen an ausländischen GmbHs in Deutschland verpflichten. e) Heilung des Formmangels

35

Die mangelnde Form des schuldrechtlichen, zur Abtretung verpflichtenden Vertrags oder einzelner seiner Teile wird nach Absatz 4 Satz 2 dadurch geheilt, dass die Abtretung selbst in notarieller Form vollzogen wird. Die Heilung tritt ex nunc ein, aber nur, wenn die dingliche Abtretung wirksam erfolgt. Wird der Abtretungsvertrag zwar in der gehörigen Form abgeschlossen, ist er aber aus anderen Gründen unwirksam, so kann auch das obligatorische Grundgeschäft nicht geheilt werden.61) Unerheblich ist, ob die Abtretung zeitlich früher oder später als das Verpflichtungsgeschäft vorgenommen wird.62) Bei aufschiebend bedingter Abtretung tritt die Heilungswirkung erst mit Bedingungseintritt ein.63) Verzichtet der Begünstigte _____________ 59) BGH, DB 2004, 2631, 2632 = ZIP 2004, 2324 = BB 2004, 2707, dazu EWiR 2005, 75 (Werner); BGH, IPRax 1988, 27, 28; Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 164; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 92. 60) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 93; Reichert/Weller, DStR 2005, 292; Goette, DStR 1996, 709, 711; Schervier, NJW 1992, 593, 598; Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 167; Reuter, BB 1998, 116, 117 ff. 61) BGHZ 127, 129, 135 = GmbHR 1994, 869, 870 = ZIP 1994, 1687; BGH, WM 1989, 256, 258 = ZIP 1989, 234 = GmbHR 1989, 194, dazu EWiR 1989, 265 (Meyer-Landrut); KG Berlin, GmbHR 1997, 603, 605 = NJW-RR 1997, 1259; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 98; Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 122. 62) BGHZ 127, 129, 132 = GmbHR 1994, 869, 870 = ZIP 1994, 1687; BGH, ZIP 1998, 908 = GmbHR 1998, 635, 638; BGH, GmbHR 1993, 106 = NJW-RR 1992, 991 = WM 1992, 670. 63) BGHZ 127, 129, 133 = GmbHR 1994, 869, 870 = ZIP 1994, 1687; BGHZ 138, 195, 203 = ZIP 1998, 908, 911 = GmbHR 1998, 635; BGH, WM 1989, 256, 258 = ZIP 1989, 234 = GmbHR 1989, 194, dazu EWiR 1989, 265 (Meyer-Landrut); Ulmer/Habersack/LöbbeLöbbe, GmbHG, § 15 Rn. 99; krit. Schnorbus, MDR 1995, 678, 681 (Urteilsanm.); Moll, MDR 1998, 1041, 1042 (Urteilsanm.).

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Stephan Brandes

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

einseitig und formlos auf die Bedingung, so tritt Heilung mit Verzicht ein.64) Voraussetzung der Heilung ist fortwährende Willensübereinstimmung im Zeitpunkt der Abtretung, bei aufschiebend bedingter Abtretung im Zeitpunkt der Vornahme der Verfügung, nicht erst mit deren Wirksamkeit.65) Das gilt auch für andere Vertragsparteien des schuldrechtlichen Geschäfts, die an der Abtretung selbst nicht beteiligt sind (z. B. Garantiegeber).66) Ist der Geschäftsanteil eines Dritten verkauft, so heilt die formgültige Übertragung durch diesen an den Erwerber den formlosen Verpflichtungsvertrag. Die Abtretung an eine andere Person als den Gläubiger heilt den formnichtigen schuldrechtlichen Vertrag dagegen nur, wenn der Schuldner etwa bei einer Weiterveräußerung des Geschäftsanteils mit Zustimmung des Gläubigers an den Dritten zwecks Erfüllung des obligatorischen Vertrags geleistet hat.67)

36

Werden Kaufvertrag und Abtretung gemeinsam beurkundet und ist das Verpflichtungsgeschäft als Verdeckungsgeschäft unwirksam, heilt die formgerechte Abtretung den tatsächlich gewollten, aber formunwirksamen schuldrechtlichen Vertrag.68) Die Formnichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts erfasst hier nicht nach § 139 BGB auch die Abtretung, da es trotz der Verankerung in einer Urkunde an der erforderlichen rechtlichen Verknüpfung zwischen schuldrechtlichem und dinglichem Geschäft fehlt, wenn die Parteien das beurkundete schuldrechtliche Geschäft in Wirklichkeit nicht gewollt haben und mit der Abtretung ein anderes, nicht beurkundetes Verpflichtungsgeschäft erfüllen wollten.69)

37

Die Heilung erfasst ausschließlich die Formmängel, nicht hingegen sonstige Mängel des Verpflichtungsgeschäfts.70) Sie erstreckt sich auf den obligatorischen Vertrag insgesamt.71) Das gilt auch für formlos getroffene Nebenabreden.72) Wird bei der Veräußerung von Anteilen einer GmbH & Co. KG nur die Abtretung von Geschäftsanteilen der Komplementär-GmbH notariell beurkundet, so wird dadurch

38

_____________ 64) BGHZ 138, 195 = GmbHR 1998, 635, 638 = ZIP 1998, 908. 65) BGHZ 127, 129, 133 = GmbHR 1994, 869, 870 = ZIP 1994, 1687; BGHZ 138, 195 = GmbHR 1998, 635, 638 = ZIP 1998, 908; OLG München, BB 1996, 1296, 1297 = GmbHR 1996, 607 = DB 1996, 975; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 64; Scholz-Seibt, GmbHG, § 15 Rn. 71; Henssler/Strohn-Verse, GesR, § 15 GmbHG Rn. 78. 66) Stoppel, GmbHR 2010, 225, 228 f; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 15 Rn. 83; Henssler/Strohn-Verse, GmbHG, GesR, § 15 GmbHG Rn. 78. 67) BGH, NZG 2001, 940, 941 = ZIP 2001, 1536 = GmbHR 2001, 815, dazu EWiR 2002, 483 (F. Wagner); Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 100. 68) BGHZ 127, 129, 132 = GmbHR 1994, 869, 870 = ZIP 1994, 1687; BGH, GmbHR 1993, 106 = NJW-RR 1992, 991 = WM 1992, 670; BGH, GmbHR 1983, 268 = NJW 1983, 1843 = DB 1983, 1141; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 102; Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 15 Rn. 36. 69) BGHZ 127, 129, 132 = GmbHR 1994, 869, 870 = ZIP 1994, 1687. 70) Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 125. 71) BGHZ 63, 359, 361 = DB 1975, 442 = NJW 1975, 536; BGH, GmbHR 1993, 106 = NJW-RR 1992, 991 = WM 1992, 670; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 106; Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 126. 72) BGH, NJW-RR 1987, 807; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 106; Reichert/ Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 126; Henssler/Strohn-Verse, GesR, § 15 GmbHG Rn. 80.

Stephan Brandes

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§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

auch die formlos vereinbarte Übertragung der Kommanditanteile geheilt.73) Die Heilung wirkt ex nunc.74) 2. 39

Die Abtretung

Absatz 3 schreibt notarielle Form auch für die Abtretung von Geschäftsanteilen vor. Die Bestimmung ist ebenso wie Absatz 4 (siehe Rn. 25) zwingendes Recht. Neben der Verhinderung des spekulativen Handels mit Geschäftsanteilen dient das Beurkundungserfordernis in Absatz 3 auch noch der Beweisfunktion.75) a) Dinglicher Abtretungsvertrag

40

Der dingliche Abtretungsvertrag unterliegt anders als das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft dem Bestimmtheitsgrundsatz. Daher muss sich aus ihm eindeutig ergeben, welcher Geschäftsanteil abgetreten wird und wer der Erwerber des Geschäftsanteils ist.76)

41

Ein formgültiger Abtretungsvertrag ist auch dort notwendig, wo die Verpflichtung zur Abtretung auf anderem Rechtsgrund als auf Vertrag beruht, wie bspw. beim Vermächtnis.77) Eine Abtretung durch Vertrag liegt auch in der Einbringung eines Geschäftsanteils in eine juristische Person oder Personengesellschaft. Ebenso ist eine formgerechte Abtretung erforderlich, wenn der Gesellschafter einer Personengesellschaft bei der Auseinandersetzung den bis dahin gesamthänderisch gehaltenen GmbH-Geschäftsanteil zu Alleineigentum erhält.

42

Ohne besonderen Abtretungsakt und mithin formfrei vollzieht sich die Rechtsänderung in Fällen des gesetzlichen Übergangs von Geschäftsanteilen. Das gilt etwa dann, wenn Rechte an einem Geschäftsanteil als Nebenrechte einer Forderung gemäß §§ 413, 412, 401 BGB übergehen. Keiner Abtretung bedarf es auch in den Fällen der Gesamtrechtsnachfolge, wie bei Erbschaft (§ 1922 Abs. 1 BGB) oder einer Verschmelzung von Gesellschaften (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG).

43

Der Formzwang gilt auch für Teile von Geschäftsanteilen sowie für die Abtretung einer Mitberechtigung an einem Geschäftsanteil nach Bruchteilen. Formbedürftig ist auch die Abtretung künftiger Geschäftsanteile.78) Zulässig ist die Abtretung _____________ 73) BGH, GmbHR 1993, 106 = NJW-RR 1992, 991 = WM 1992, 670; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 106; Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 118; Wiesner, NJW 1984, 95, 99. 74) BGHZ 138, 195, 203 = GmbHR 1998, 635, 638 = ZIP 1998, 908, 911; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 108. 75) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 115 m. N. 76) BGH, NJW-RR 1987, 807; BGH, ZIP 1999, 2058 = DB 1999, 1559 = NJW 2000, 276, dazu EWiR 2000, 213 (Lorenz); OLG Düsseldorf, MDR 1978, 668; KG Berlin, GmbHR 1997, 603 ff = NJW-RR 1997, 1259; OLG Brandenburg, NZG 1998, 951; Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 15 Rn. 17. 77) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 120. 78) BGHZ 21, 242, 245 = GmbHR 1956, 139; BGHZ 21, 378, 383 = GmbHR 1957, 41 = NJW 1957, 19; BGHZ 29, 300, 303 = GmbHR 1959, 149 = NJW 1959, 934; BGHZ 141, 207, 212 = ZIP 1999, 925, 926 = GmbHR 1999, 707, dazu EWiR 1999, 703 (Wilken); BGH, NJW 1995, 128, 129 = ZIP 1994, 1855 = GmbHR 1995, 119, dazu EWiR 1994, 1165 (v. Gerkan); Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 127; Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 42.

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Stephan Brandes

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

eines Geschäftsanteils unter einer Befristung oder einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung. Der Anteilsübergang vollzieht sich mit Eintritt der Bedingung. Zwischenverfügungen werden mit Eintritt der Bedingung unwirksam, soweit sie die von der Bedingung abhängige Wirkung beeinträchtigen würden (§ 161 BGB; zum Problem des gutgläubigen Erwerbs siehe § 16 Rn. 61 [Brandes]). Im Falle einer bedingten Abtretung entsteht ein Anwartschaftsrecht, das selbständig übertragbar und pfändbar ist.79) Formbedürftig ist auch die Abtretung eines Anspruchs auf Übertragung eines Geschäftsanteils.80) Die Abtretung vermögensrechtlicher Ansprüche, welche aus der Mitgliedschaft herrühren, wie das Recht auf Gewinn oder auf ein Auseinandersetzungsguthaben ist dagegen formfrei möglich. Die Aufhebung der Abtretung bedarf der notariellen Form, da sie auf Rückabtretung eines Geschäftsanteils gerichtet ist.81) Anderes gilt für die Aufhebung des auf Abtretung gerichteten obligatorischen Vertrages (siehe Rn. 28). Der Formzwang des Absatzes 3 gilt auch für die Abtretung eines eigenen Geschäftsanteils durch die GmbH.82)

44

b) Übergang der Mitgliedschaft Mit der Abtretung des Geschäftsanteils gehen grundsätzlich alle mit der Mitgliedschaft verbundenen Rechte und Pflichten über. Der Erwerber tritt in die Rechtsposition so ein, wie sie im Gesellschaftsvertrag geschaffen wurde. Das gilt auch für eine Schiedsvereinbarung, und zwar selbst dann, wenn eine solche erst später und außerhalb des Gesellschaftsvertrages abgeschlossen wurde. § 1031 Abs. 1 ZPO findet auf den Vertrag mit dem Erwerber keine Anwendung.83)

45

c) Mängel der Abtretung Bei Mängeln des Verfügungsgeschäftes fanden nach früher h. A. die Grundsätze über den fehlerhaften Gesellschafterwechsel bei der Personengesellschaft entsprechend Anwendung. Danach konnten Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründe nicht mehr rückwirkend geltend gemacht werden. Diese Ansicht kann heute als überholt gelten. Ein Schutzbedürfnis besteht nicht, da einer der beiden Beteiligten jeweils Gesellschafter ist und nach Eintragung des Scheingesellschafters in die Gesellschafterliste die Schutzwirkungen des § 16 (siehe Rn. 26 [Brandes]) eingreifen.84) _____________ 79) BGHZ 132, 218 = ZIP 1996, 835 = DStR 1996, 1903, dazu EWiR 1996, 653 (Gernhuber); Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 3. 80) BGHZ 75, 352, 353 ff = GmbHR 1981, 55 = NJW 1980, 1100; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 15 Rn. 38; Henssler/Strohn-Verse, GesR, § 15 GmbHG Rn. 52; a. A. Scholz-Seibt, GmbHG, § 15 Rn. 94. 81) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 133. 82) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 134. 83) BGHZ 71, 162, 165 = DB 1978, 2214 = NJW 1978, 1585; BGH, NJW 1979, 1166; BGH, ZIP 1997, 2082 = DB 1997, 2476 = NJW 1998, 371; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 15 Rn. 19. 84) BGH, ZIP 2007, 1271 = GmbHR 2007, 375 = NJW 2007, 1058; BGH, ZIP 2005, 253 = GmbHR 2005, 354 = NZG 2005, 263; BGH, ZIP 1990, 371 = GmbHR 1990, 164 = NJW 1990, 1915, dazu EWiR 1991, 65 (Heinemann); Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 15 Rn. 20; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 148 ff; ScholzSeibt, GmbHG, § 15 Rn. 103 ff.

Stephan Brandes

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§ 15 47

Übertragung von Geschäftsanteilen

Bevollmächtigung ist zulässig. Die Vollmacht bedarf – anders als bei der Übernahme eines Geschäftsanteils (§ 55 Abs. 1) – keiner Form. d) Auslandsbeurkundung

48

49

Für die dingliche Abtretung des Geschäftsanteils gilt das Gesellschaftsstatut.85) Werden Anteile an einer deutschen GmbH im Ausland abgetreten, findet daher auf den dinglichen Abtretungsvertrag zwingend deutsches Recht Anwendung. Eine freie Rechtswahl kommt hier anders als beim schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft (siehe Rn. 33) nicht in Betracht.86) Nach wie vor heftig umstritten ist, welche Formerfordernisse bei der Anteilsabtretung im Ausland zu beachten sind. Zu unterscheiden sind zwei Problemkreise: –

zum einen die Frage, ob das in Absatz 3 normierte Beurkundungserfordernis bei einer Anteilsübertrag im Ausland überhaupt gilt oder ob nicht die Wahrung der am Übertragungsort geltenden Ortsform ausreicht (Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB);



zum anderen die Voraussetzungen, unter denen die notarielle Form des Absatzes 3 auch bei einer Beurkundung durch einen ausländischen Notar gewahrt werden kann (Substitution).

Die Beurkundung durch ausländischen Notar genügt dem Formerfordernis des Absatzes 3, wenn sie einer inländischen Beurkundung gleichwertig ist.87) Dies wurde in der Rechtsprechung bejaht für die Notariate Basel-Stadt und ZürichAltstadt;88) für den kalifornischen Notary Public wurde die Gleichwertigkeit hingegen verneint.89) Eine allgemeine Aussage, dass Beurkundungen in der Schweiz und in allen Ländern mit sog. lateinischem Notariat das Gleichwertigkeitserfordernis erfüllen, lässt sich nach dem aktuellen Stand der Diskussion nicht treffen.90) Die dem deutschen Notar in § 40 Abs. 2 auferlegte Verpflichtung, eine Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen, steht einer Beurkundung im Ausland _____________ 85) OLG Stuttgart, GmbHR 2000, 721 = DStR 2000, 1704 = NZG 2001, 40, dazu EWiR 2000, 945 (Werner); Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 139; Reichert/ Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 134; Janßen/Robertz, GmbHR 2003, 433, 436. 86) Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 134; Reichert/Weller, DStR 2005, 250; Janßen/Robertz, GmbHR 2003, 433, 436. 87) BGHZ 80, 76, 78 = ZIP 1981, 402 = GmbHR 1981, 238; OLG München, DB 1998, 125, 126 = GmbHR 1998, 46 = NJW-RR 1998, 758, dazu EWiR 1998, 309 (Mankowski); Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 15 Rn. 92; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 140 ff; Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 144; Reichert/Weller, DStR 2005, 250, 252 f; Janßen/Robertz, GmbHR 2003, 433, 437 f. 88) BGHZ 80, 76, 78 = ZIP 1981, 402 = GmbHR 1981, 238, 239; BGH, GmbHR 1990, 25, 28 = ZIP 1989, 1052 = DB 1989, 440, dazu EWiR 1989, 875 (W. Müller); OLG München, DB 1998, 125, 126 = GmbHR 1998, 46 = NJW-RR 1998, 758, dazu EWiR 1998, 309 (Mankowski); OLG Frankfurt/M., GmbHR 2005, 764, 767 = ZIP 2005, 2069 (LS), dazu EWiR 2005, 727 (Klein/Theusinger). 89) OLG Stuttgart, GmbHR 2000, 721, 724 f = DStR 2000, 1704 = NZG 2001, 40, dazu EWiR 2000, 245 (Werner). 90) Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 147 ff; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 33; Scholz-Seibt, GmbHG, § 15 Rn. 86; Ulmer/Habersack/LöbbeLöbbe, GmbHG, § 15 Rn. 146 m. w. N.

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Stephan Brandes

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

nicht entgegen.91) Dies widerspräche dem Ziel des MoMiG, die Attraktivität der Rechtsform der GmbH zu stärken.92) Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ist im Fall einer gleichwertigen Beurkundung durch einen ausländischen Notar dieser zur Einreichung der Gesellschafterliste über eine Veränderung, an der er mitgewirkt hat, berechtigt. Es bedarf also nicht zwingend der Einreichung durch den Geschäftsführer.93) Im Übrigen ist im Schrifttum und in der Rechtsprechung eine deutliche Tendenz erkennbar, für die Anteilsabtretung anders als bei Beurkundungen, die die Verfassung der Gesellschaft betreffen, nach Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB auch die Ortsform ausreichen zu lassen.94) Danach ist ein Rechtsgeschäft auch dann formgültig, wenn es die Formerfordernisse des Rechtes des Staates erfüllt, in dem es vorgenommen wird. Dazu ist nicht erforderlich, dass die Anforderungen der Ortsform denjenigen der Inlandsform vergleichbar sind. Voraussetzung ist nur, dass das Ortsrecht eine der deutschen GmbH entsprechende Gesellschaftsform kennt. Mit Blick auf die gängige Praxis, GmbH-Anteile in der Schweiz zu übertragen, ist strittig, ob die schweizerische GmbH der deutschen noch als gleichwertig anzuerkennen ist, nachdem die Schweiz das Erfordernis der notariellen Beurkundung für die Anteilsübertragung abgeschafft hat. Die überwiegenden Gründe dürften für Gleichwertigkeit sprechen.95) Der Praxis ist hier freilich zu Zurückhaltung zu raten, bis die Frage höchstrichterlich geklärt ist. Es dürfte empfehlenswert sein, freiwillig die Einhaltung der Geschäftsform zu wahren.96) Jedenfalls dann ist die Anteilsübertragung formwirksam.97)

50

Die gleichen Grundsätze gelten spiegelbildlich für die Übertragung von Anteilen an ausländischen GmbHs in Deutschland. Das deutsche Formerfordernis gilt nicht ausschließlich.98) Die Form muss entweder dem Ortsrecht oder dem Personalstatut der Gesellschaft genügen.

51

_____________ 91) So aber LG Frankfurt/M., NZG 2009, 1353, 1354 = ZIP 2010, 88 = GmbHR 2010, 96, dazu EWiR 2010, 79 (Mauch); Bayer, DNotZ 2009, 887, 891 f; Pilger, NJW 2010, 684; Kindler, BB 2010, 74; Kindler, RIW 2011, 257; Kindler in: MünchKomm-BGB, IntGesR, Rn. 559. 92) BGHZ 199, 270, 276 = ZIP 2014, 317 = GmbHR 2014, 248, dazu EWiR 2014, 171 (Seibt). 93) BGHZ 199, 270, 274 f = ZIP 2014, 317 = GmbHR 2014, 248, dazu EWiR 2014, 171 (Seibt); dazu Weller, ZGR 2014, 865 ff; abw. die Vorinstanz OLG München, ZIP 2013, 458 ff = GmbHR 2013, 269, dazu EWiR 2013, 549 (Gerber); dazu Herrler, GmbHR 2013, 617 ff; vgl. auch Bayer, GmbHR 2013, 897 ff. 94) BayObLG, NJW 1978, 500, 501; OLG Stuttgart, NJW 1981, 1176; OLG Frankfurt/M., DB 1981, 1456 = WM 1981, 946, 947; OLG München, WM 1984, 260, 261; OLG München, DB 1998, 125 = GmbHR 1998, 46 = NJW-RR 1998, 758, dazu EWiR 1998, 309 (Mankowski); OLG Düsseldorf, GmbHR 1990, 169 = WM 1989, 643 = NJW 1989, 2200; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 15 Rn. 91; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 15 Rn. 22a; Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 158; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 141. 95) Böttcher/Blasche, NZG 2006, 766, 768 ff; Saenger/Scheuch, BB 2008, 65, 67 f. 96) Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 158 ff; Böttcher/Blasche, NZG 2006, 766; Trendelenburg, GmbHR 2008, 644 jeweils m. N. 97) OLG Düsseldorf, DB 2011, 808, 809 = ZIP 2011, 564 = GmbHR 2011, 417, dazu EWiR 2011, 255 (Gerber); zust. Peters, DB 2010, 97. 98) OLG München, NJW-RR 1993, 998 f = ZIP 1993, 508 = GmbHR 1993, 654, dazu EWiR 1993, 691 (Günther); Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 15 Rn. 95; Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 15 Rn. 22a; a. A. OLG Celle, NJW-RR 1992, 1126.

Stephan Brandes

373

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

IV. Sonstige Verfügungen über den GmbH-Geschäftsanteil 1.

Verpfändung

52

Die Verpfändung eines GmbH-Anteils ist zulässig, soweit dessen Abtretung zulässig ist. Das ergibt sich aus § 1274 BGB, wonach an jedem Recht ein Pfandrecht bestellt werden kann, soweit es übertragbar ist.99) Die Verpfändung erfolgt in derselben Form wie die Abtretung (§ 1274 Abs. 1 BGB), d. h. nach Absatz 3 durch notariell beurkundeten Vertrag zwischen dem Gesellschafter (Verpfänder) und dem Pfandnehmer. Der Formzwang erstreckt sich auf den gesamten Verpfändungsvertrag einschließlich Nebenabreden. Das zugrunde liegende obligatorische Geschäft, d. h. die vertragliche Verpflichtung zur Bestellung eines Pfandrechts, ist dagegen formfrei. Absatz 4 ist nicht anzuwenden.100) Gleiches gilt für die Aufhebung der Verpfändung.

53

Im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Abtretungsbeschränkungen (Abs. 5) gelten auch für die Pfandrechtsbestellung. Das ergibt sich aus § 1274 Abs. 1 i. V. m. §§ 413, 399 BGB. Der Gesellschaftsvertrag kann für die Verpfändung strengere oder weniger strenge Voraussetzungen als für die Anteilsabtretung vorsehen.101)

54

Die nach altem Recht vom Schrifttum geforderte Anzeige der Verpfändung gegenüber der Gesellschaft analog § 16 Abs. 1 a. F. ist durch die Gesetzesänderung durch das MoMiG entfallen.102) Belastungen des Geschäftsanteils können in die Gesellschafterliste nach § 40 nicht aufgenommen werden. Will der Pfandgläubiger Rechte gegenüber der Gesellschaft geltend machen, muss er seine Pfandgläubigerschaft gegenüber der Gesellschaft nachweisen.

55

Durch die Verpfändung erhält der Pfandgläubiger das Recht, sich aus dem Geschäftsanteil zu befriedigen (§§ 1272, 1204 BGB). Das Pfandrecht erstreckt sich automatisch auf einen neuen Anteil, der durch eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln entsteht, da sonst die Gefahr einer Aushöhlung der Rechtsstellung des Pfandgläubigers bestünde.103) Dagegen werden die neuen Anteile aus einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen vom bestehenden Pfandrecht grundsätzlich nicht erfasst.104)

56

Das Pfandrecht verschafft dem Pfandgläubiger grundsätzlich keinen Einfluss auf die Gesellschafterstellung des Verpfänders. Die Mitgliedschaftsrechte verbleiben

_____________ 99) RGZ 157, 52, 55; Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 277; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 162. 100) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 164 m. N.; Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 280. 101) Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 289; Ulmer/Habersack/LöbbeLöbbe, GmbHG, § 15 Rn. 165. 102) Wie hier Henssler/Strohn-Verse, GesR, § 15 GmbHG Rn. 102; a. A. Wicke, GmbHG, § 15 Rn. 28; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 111. 103) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 167; Reichert/Weller in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 307. 104) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 167; Reichert/Weller in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 308.

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§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

dem Gesellschafter.105) Das Pfandrecht erstreckt sich nicht automatisch analog § 1289 BGB auf den Gewinnanspruch; doch kann ein Nutzungspfandrecht vereinbart (§ 1273 Abs. 2 Satz 2, § 1213 Abs. 1 BGB) oder der Gewinnanspruch gesondert abgetreten bzw. verpfändet werden.106) Eine Ermächtigung des Pfandgläubigers zur Stimmrechtsausübung im eigenen Namen ist wegen des Abspaltungsverbots nicht möglich.107) Es kann jedoch eine Vollmacht zur Ausübung des Stimmrechts erteilt werden. Die Verwertung des Pfandrechts erfolgt nach § 1277 BGB oder nach §§ 1235, 1245 BGB. Soweit der Gesellschaftsvertrag Zustimmungserfordernisse vorsieht, ist die Zustimmung in der Verpfändung enthalten.108) Bei freihändiger Verwertung ist die notarielle Form (Abs. 3, 4) zu beachten.109) 2.

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Nießbrauch

Der Geschäftsanteil kann Gegenstand eines Nießbrauchs sein (§ 1068 Abs. 1 BGB). Die Bestellung des Nießbrauchs kann in der Satzung von besonderen Voraussetzungen abhängig gemacht oder sogar ganz ausgeschlossen werden.110) Die Bestellung erfolgt nach den für die Übertragung des Geschäftsanteils geltenden Vorschriften (§ 1069 Abs. 1 BGB). Ist die Übertragung des Geschäftsanteils kraft Gesellschaftsvertrages ausgeschlossen, so kann mangels gegenteiliger Anhaltspunkte im Gesellschaftsvertrag im Zweifel auch kein Nießbrauch daran bestellt werden. Bedarf die Übertragung der Zustimmung der Gesellschafter oder sonstiger Voraussetzungen (Abs. 5), so gilt dies grundsätzlich auch für die Begründung des Nießbrauchs (§ 1069 Abs. 2 BGB).111)

58

Die dingliche Belastung des Geschäftsanteils mit einem Nießbrauch bedarf der notariellen Beurkundung, nicht hingegen das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft.112) Der Nießbraucher erhält ein dingliches Nutzungsrecht am Geschäftsanteil, d. h. ihm stehen die Nutzungen des Geschäftsanteils zu (§§ 1068, 1030, 100 BGB), und _____________

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105) BGHZ 119, 191, 194 f = ZIP 1992, 1300 = GmbHR 1992, 656, dazu EWiR 1992, 999 (v. Gerkan); Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 168; Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 292. 106) Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 291; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 113. 107) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 171; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 15 Rn. 50; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 113. 108) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 176; Reichert/Weller in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 322; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 15 Rn. 51; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 114; Henssler/Strohn-Verse, GesR, § 15 GmbHG Rn. 111; a. A. Scholz-Seibt, GmbHG, § 15 Rn. 194; Liebscher/Lübke, ZIP 2004, 241, 247. 109) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 114; Reichert/Weller in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 321. 110) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 180; Reichert/Weller in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 327. 111) OLG Koblenz, NJW 1992, 2163, 2164 = ZIP 1992, 884 = GmbHR 1992, 464, dazu EWiR 1992, 259 (Petzoldt); Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 180; Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 15 Rn. 52; Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 327. 112) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 180; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 15 Rn. 52.

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Übertragung von Geschäftsanteilen

zwar zu einem der Dauer seiner Berechtigung entsprechenden Teil (§ 101 Nr. 2 BGB). Die Nutzungen bestehen in dem entnahmefähigen, d. h. von der Gesellschaft ausgeschütteten Gewinn. Der Nießbrauch erstreckt sich auch – ebenso wie das Pfandrecht (siehe Rn. 55) – auf die Surrogate des Geschäftsanteils, und zwar nach richtiger Ansicht im Wege der dinglichen Surrogation.113) Zu den Surrogaten gehören der Liquidationserlös, Abfindungsansprüche sowie ein Einziehungsentgelt, nicht aber das Bezugsrecht.114) Bei Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln erstreckt sich der Nießbrauch auch auf hinzuerworbene Anteile des Bestellers.115) Bei Kapitalerhöhung gegen Einlagen besteht dagegen nur ein Anspruch auf Bestellung eines zusätzlichen Nießbrauchs insoweit, als der belastete Geschäftsanteil einen Wertverlust erlitten hat.116) 3. 60

4. 61

Unterbeteiligung am GmbH-Geschäftsanteil

Der GmbH-Gesellschafter kann einen Dritten gesellschaftsvertraglich an der wirtschaftlichen Nutzung des Gesellschaftsanteils beteiligen, ohne dass der Dritte Rechte an dem Geschäftsanteil selbst erwirbt. Die Unterbeteiligung ist Innengesellschaft i. S. d. §§ 705 ff BGB. Die Vorschriften für die stille Gesellschaft sind im Allgemeinen analog anwendbar.117) Der Unterbeteiligte wird nicht GmbH-Gesellschafter.118) Darin unterscheidet sich die Unterbeteiligung von der Treuhand (siehe Rn. 61). Der Grund für die Einräumung einer Unterbeteiligung kann darin liegen, dass eine Abtretung von Anteilen oder Teilgeschäftsanteilen nach der Satzung ausgeschlossen oder erschwert ist. Absatz 5 gilt ebenso wenig wie die Formerfordernisse nach Absatz 3 und 4.119) Treuhand und Sicherungsabtretung von GmbH-Geschäftsanteilen

Die treuhänderische Beteiligung an einer GmbH ist grundsätzlich zulässig, es sei denn, dass sich aus gesellschaftsvertraglichen oder gesetzlichen Bestimmungen etwas anderes ableiten lässt (§ 59e Abs. 3 BRAO verbietet ausdrücklich die treuhänderische Beteiligung an einer Rechtsanwalts GmbH). Treuhandkonstruktionen i. R. einer _____________ 113) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 183; Reichert/Schlitt in: FS Flick, S. 217; Henssler/Strohn-Verse, GesR, § 15 GmbHG Rn. 113; zurückhaltend K. Schmidt in: MünchKomm-HGB, Vor § 230 Rn. 26. 114) BGHZ 50, 316, 319; Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 348; ScholzSeibt, GmbHG, § 15 Rn. 214; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 117. 115) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 185; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 118; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 15 Rn. 54; Scholz-Seibt, GmbHG, § 15 Rn. 216. 116) Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 350; Scholz-Seibt, GmbHG, § 15 Rn. 216; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 185. 117) BGHZ 50, 316, 321, 323 f = DB 1968, 1529 = NJW 1968, 2003; OLG Frankfurt/M., GmbHR 1987, 57; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 216; Reichert/ Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 247. 118) BGHZ 50, 316, 324 = DB 1968, 1529 = NJW 1968, 2003; Reichert/Weller in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 247; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 216. 119) OLG Frankfurt/M., GmbHR 1987, 57; OLG Schleswig, GmbHR 2002, 652, 654 = NZG 2002, 427; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 110; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 15 Rn. 65; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 15 Rn. 59.

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§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Strohmann-Gründung sind grundsätzlich zulässig und ohne das Hinzutreten weiterer Umstände auch nicht als Scheingeschäft i. S. v. § 117 BGB einzustufen.120) Erhebliche rechtliche Unsicherheiten bestehen nach wie vor bei der Frage nach der Formbedürftigkeit von Treuhandverträgen. Die h. M. differenziert nach der Art der Erlangung der Gesellschafterstellung. Bei der Erwerbstreuhand, bei dem der Treuhänder das Treugut im eigenen Namen für einen Dritten erwirbt, geht sie von Formfreiheit aus.121) Bei der Vereinbarungstreuhand, bei der der Treuhänder mit einem Dritten vereinbart, seinen Geschäftsanteil künftig für diesen Dritten treuhänderisch zu halten, und der Übertragungstreuhand, bei der der Treugeber einen bestehenden Geschäftsanteil auf den Treuhänder überträgt und dieser ihn treuhänderisch hält, ist dagegen notarielle Beurkundung erforderlich.122)

62

V. Vererbung von GmbH-Geschäftsanteilen Der Geschäftsanteil ist nach Absatz 1 Alt. 2 vererblich. Die Vererblichkeit kann anders als die Veräußerlichkeit durch den Gesellschaftsvertrag nicht ausgeschlossen werden. Eine letztwillige Verfügung unterliegt nicht allein deshalb der notariellen Form, weil sich in der künftigen Erbmasse ein Geschäftsanteil befindet.

63

Der Erbe wird mit dem Erbfall ohne weiteres kraft Gesetzes im Wege der Gesamtrechtsnachfolge Inhaber des Geschäftsanteils und Gesellschafter (§ 1922 BGB). Eine Anteilsübertragung ist nicht erforderlich. Anders als nach alter Rechtslage, nach der auch eine Anmeldung bei der Gesellschaft nicht erforderlich war,123) ist nach § 16 Abs. 1 n. F. eine Eintragung des Erben in die Gesellschafterliste vorzunehmen (siehe § 16 Rn. 4 [Brandes]). Zweifelhaft ist, ob und in welchem Umfang die mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten bereits mit dem Erbfall, d. h. vor Eintragung des Erben in die Gesellschafterliste, auf diesen übergehen. Ein Teil des Schrifttums124) nimmt – ebenso wie die h. M. im Parallelfall des § 67 Abs. 2 AktG125) – an, der Erbe könne die Legitimation, die der Erblasser hatte, allein deshalb auf sich beziehen, weil dieser im Aktienregister bzw. in der Gesellschafterliste als Gesell-

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_____________ 120) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 198. 121) BGHZ 141, 207, 213 = ZIP 1999, 925 = GmbHR 1999, 707, dazu EWiR 1999, 703 (Wilken); BGHZ 19, 69, 70 = GmbHR 1956, 44; BGH, WM 1971, 306; OLG Frankfurt/M., GmbHR 1992, 368, 369; OLG Schleswig, GmbHR 2002, 652, 654; OLG Hamm, GmbHR 1994, 880 (LS); OLG Bamberg, NZG 2001, 509, 511; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 203; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 104; a. A. Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 15 Rn. 56; Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 87. 122) BGHZ 141, 207, 212 = ZIP 1999, 925 = GmbHR 1999, 707, dazu EWiR 1999, 703 (Wilken); OLG Bamberg, NZG 2001, 509, 510; BayObLG, GmbHR 1991, 572, 574 = DB 1991, 1270; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 203; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 15 Rn. 105, 106; Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 215, 211. Bestätigt durch BGH, MittBayNot 2017, 520, Rn. 14. 123) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 6. 124) Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 6; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 22; Ising, NZG 2010, 812, 815 f. 125) Bayer in: MünchKomm-AktG, § 67 Rn. 61 ff.

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§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

schafter eingetragen war. Dem ist aufgrund des eindeutig abweichenden Wortlautes von § 16 Abs. 1 n. F. nicht zu folgen.126) 1.

Satzungsregelungen

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Die Vererblichkeit des Anteils kann nicht durch eine in der Satzung vorgenommene automatische Einziehung auf den Todesfall beseitigt werden.127) Die Satzung kann jedoch Bestimmungen darüber treffen, wem der Anteil nach dem Tod des Gesellschafters übertragen werden soll, z. B. eine Verpflichtung der Erben zur Abtretung an bestimmte Personen vorsehen. Hierbei handelt es sich um eine Nebenleistungspflicht i. S. v. § 3 Abs. 2.128)

66

Die Satzung kann auch anordnen, dass die Gesellschaft zur Einziehung des Geschäftsanteils nach § 34 befugt ist, sobald die in der Satzung dafür vorgesehenen Voraussetzungen vorliegen, die Einlage erbracht ist und bei entgeltlicher Einziehung die Abfindung aus Überschüssen der Aktiva über Stammkapital und sonstige Passiva gezahlt werden kann.129) In gleicher Weise ist die Kaduzierung des Geschäftsanteils möglich.130) – Zur Zulässigkeit der Abfindungsbeschränkung siehe § 34 Rn. 82 [Thiessen].

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Sieht die Satzung für den Todesfall eines Gesellschafters einen bestimmten Nachfolger vor, so hindert eine solche Klausel den Übergang des Anteils auf die Erben des verstorbenen Gesellschafters nicht. Der Begünstigte erhält jedoch einen obligatorischen Anspruch gegen die Erben auf Übertragung des Anteils.131) Der Begünstigte kann dieses Übernahmerecht durch formlose Erklärung gegenüber den Erben geltend machen. Durch die Ausübung wird der Erbe verpflichtet, den Anteil gemäß Absatz 3 an den Begünstigten abzutreten. Eine etwaige Zustimmung gemäß Absatz 5 ist für den dinglichen Vollzug solcher Nachfolgeklauseln nicht erforderlich, da die übrigen Gesellschafter ihre Zustimmung zu der Anteilsübertragung bereits mit der Vereinbarung der betreffenden Satzungsklausel gegeben haben und sich daran festhalten lassen müssen.132) 2.

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Haftung des Erben für mitgliedschaftliche Verbindlichkeiten

Mit dem Geschäftsanteil gehen die aus der Mitgliedschaft folgenden Verpflichtungen des Erblassers auf den Erben über. Dieser kann seine Haftung für solche Verbindlichkeiten durch erbrechtliche Maßnahmen – z. B. durch Anordnung von Nach_____________ 126) Ebenso Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 16 Rn. 43; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 16 Rn. 17; Scholz-Seibt, GmbHG, § 16 Rn. 41; Wolff, BB 2010, 454, 455. 127) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 12 m. N. 128) Henssler/Strohn-Verse, GesR, § 15 GmbHG Rn. 27. 129) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 13; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 15 Rn. 29; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 20; Henssler/StrohnVerse, GesR, § 15 GmbHG Rn. 27. 130) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 17. 131) Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 457; BGH, DB 1977, 2318; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 15; Henssler/Strohn-Verse, GesR, § 15 GmbHG Rn. 28. 132) OLG Koblenz, GmbHR 1995, 586, 587, dazu EWiR 1995, 783 (Kirberger); Ulmer/ Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 15.

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§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

lassverwaltung oder Eröffnung der Nachlassinsolvenz (§§ 1975 ff BGB) – auf den Nachlass beschränken.133) Etwas anderes gilt, wenn der Erbe den Entstehungsgrund der Verbindlichkeit selbst gesetzt hat, indem er bei der Kapitalerhöhung die Übernahme einer Stammeinlage erklärt oder Zahlungen entgegen § 30 in Empfang genommen hat. Soweit der Erbe bei Begründung solcher Verbindlichkeiten für den Nachlass handelt, wird der Nachlass neben dem Erben verpflichtet (sog. Nachlasserbenschuld).134) In den Fällen der Ausfallhaftung (§§ 24, 31 Abs. 3) bleibt dem Erben dagegen die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung, wenn der eigentliche Haftungsgrund, die Einlageschuld des säumigen anderen Gesellschafters bzw. die gegen § 30 verstoßende Zahlung, vor dem Erbfall entstanden ist. Die Gesellschaft kann aber ungeachtet der beschränkten Erbenhaftung den im Nachlass befindlichen Geschäftsanteil gemäß § 21 kaduzieren oder gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2, § 28 öffentlich versteigern lassen.135) 3.

Vermächtnis

Ist ein Geschäftsanteil jemandem durch ein Vermächtnis zugewendet, so erwirbt der Vermächtnisnehmer gegen den Erben einen Anspruch auf Abtretung des Geschäftsanteils. Die Verpflichtung zur Abtretung entsteht durch die letztwillige Verfügung (§ 2174 BGB). Sie bedarf nicht der notariellen Form des Absatzes 4. Dagegen erfordert die Erfüllung des Vermächtnisses, die dingliche Abtretung des Anteils an den Vermächtnisnehmer, die Einhaltung der Form des Absatzes 3. Die Zustimmung der Gesellschaft, wenn eine solche im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist, sowie die sonstigen statutarisch vorgesehenen Voraussetzungen für eine Übertragung müssen ebenfalls vorliegen.136) Scheitert die Erfüllung des Vermächtnisses an gesetzlichen oder satzungsmäßigen Hindernissen, ohne dass der beschwerte Erbe dies zu vertreten hat, ist wie folgt zu unterscheiden: Das Vermächtnis ist gemäß § 2171 Abs. 1 BGB unwirksam, wenn die Abtretung des Geschäftsanteils zur Zeit des Erbfalls objektiv unmöglich ist und kein Fall des § 2171 Abs. 2 oder 3 BGB vorliegt. Das ist etwa der Fall, wenn die Veräußerung des Anteils vollständig ausgeschlossen ist und die Gesellschafter nicht zu einer Satzungsänderung bereit sind. Verweigert die Gesellschaft die Zustimmung gemäß Absatz 5 nur im Hinblick auf die Person des Vermächtnisnehmers, liegt hingegen kein Fall des § 2171 Abs. 1 BGB vor. In diesem Fall ist zu prüfen, ob eine dem Erblasserwillen entsprechende Auslegung des Vermächtnisses dazu führt, dass der Erbe dem Vermächtnisnehmer Wertersatz schuldet oder verpflichtet ist, ihm die vermögensrechtlichen Ansprüche aus der Beteiligung abzutreten. 4.

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Anordnung von Vor- und Nacherbschaft

Der Vorerbe ist bis zum Eintritt der Nacherbfolge Erbe. Er tritt grundsätzlich in alle aus der Mitgliedschaft fließenden Rechte und Pflichten ein. Unentgeltliche _____________ 133) H. M.; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 21; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 18 Rn. 8; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 12. 134) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 22. 135) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 22. 136) Scholz-Seibt, GmbHG, § 15 Rn. 36; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 19; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 23.

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§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Verfügungen des Vorerben über den Anteil werden im Zeitpunkt des Nacherbfalles unwirksam (§ 2113 Abs. 2 BGB.137) Die Ausübung von Verwaltungsrechten (z. B. des Stimmrechts) ist im Allgemeinen jedoch keine unentgeltliche Verfügung, auch nicht die Mitwirkung an rechtsändernden Beschlüssen. Anderes gilt bei Ungleichbehandlung (z. B. Schmälerung des Gewinnanteils des Vorerben), bei Aufgabe von Sonderrechten oder bei der Zustimmung zur Einziehung ohne angemessenes Entgelt.138) Im Falle der Einziehung oder Liquidation findet Surrogation statt, d. h. das Einziehungsentgelt oder der Anspruch auf die Liquidationsquote steht dem Nacherben zu. Das Gleiche gilt für die Anteilsrechte aus einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 57k, 57o) und für solche aus einer regulären Kapitalerhöhung, die mit Mitteln des Nachlasses bezahlt (§ 2111 Abs. 1 Satz 1 BGB)139) oder aufgrund eines Bezugsrechts bezogen werden. Der Vorerbe hat ggf. Anspruch auf Ersatz seiner aus dem persönlichen Vermögen getragenen Aufwendungen.140) 5. 71

Testamentsvollstreckung

Der Geschäftsanteil kann auch der Verwaltung eines Testamentsvollstreckers unterliegen. Die Testamentsvollstreckung kann entweder für den gesamten Nachlass angeordnet sein oder speziell für den Geschäftsanteil (§ 2208). Die Höchstdauer ist gemäß § 2210 BGB auf maximal 30 Jahre begrenzt. Die Anordnung ist auch dann zulässig, wenn die Gesellschaft personalistisch strukturiert ist oder die Anteile vinkuliert sind.141) Der Gesellschaftsvertrag kann allerdings die Verwaltung durch Außenstehende und damit auch durch einen Testamentsvollstrecker einschränken oder sogar völlig ausschließen.142) Der Testamentsvollstrecker ist zu allen Rechtshandlungen und Rechtsgeschäften berechtigt, welche die Gesellschafterstellung mit sich bringt, mit Ausnahme höchstpersönlicher Rechte des Erben. Einschränkungen ergeben sich aus dem Verbot unentgeltlicher Verfügungen (§ 2205 Satz 3 BGB)143) sowie dann, wenn Verpflichtungen (z. B. Leistungsmehrungen, Übernahme neuer Geschäftsanteile aus Kapitalerhöhung) nicht aus Mitteln der Gesellschaft aufgebracht werden können.144)

_____________ 137) BGHZ 52, 269, 270 = DB 1969, 1644; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 15 Rn. 16; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 21. 138) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 21; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 28. 139) Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 483; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 21. 140) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 21; Reichert/Weller in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 483; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 30. 141) Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 486; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 31. 142) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 31; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 22; Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 486. 143) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 32; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 21. 144) Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 492; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 22.

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§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

VI. Zwangsvollstreckung und Insolvenz 1.

Pfändung

Die Zwangsvollstreckung in den Geschäftsanteil erfolgt durch dessen Pfändung. Diese setzt gemäß § 857 Abs. 1, § 829 Abs. 3 ZPO einen Pfändungsbeschluss des Vollstreckungsgerichts und dessen Zustellung an die Gesellschaft voraus. Die GmbH ist Drittschuldner i. S. v. § 829 Abs. 3 ZPO.145) Die Pfändung des Geschäftsanteils erfasst auch die Surrogate. Bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln erstreckt sich das Pfandrecht sowohl auf im Nennbetrag erhöhte Anteile als auch auf neu gebildete Geschäftsanteile.146) Bringen die Gesellschafter dagegen neues Kapital in die Gesellschaft ein, umfasst das auf einem Geschäftsanteil lastende Pfändungspfandrecht weder neue Geschäftsanteile noch den erhöhten Teil des betroffenen Anteils.147) Nach h. M. erstreckt sich das Pfändungspfandrecht dagegen nicht auf Gewinnansprüche, und zwar unabhängig davon, ob sie vor oder nach Pfändung entstanden sind.148) Diese h. M. wird zunehmend in Frage gestellt.149) Der Praxis ist daher eine selbständige Pfändung der Gewinnansprüche zu empfehlen.150)

72

Die Pfändung des Geschäftsanteils bewirkt, dass der Gesellschafter über seinen Anteil nicht mehr zum Nachteil des Pfandgläubigers verfügen kann (§§ 135, 136 BGB). Die Veräußerung ist möglich.151) Der Gesellschafter bleibt weiter zur Ausübung der Mitgliedschaftsrechte befugt.152) Hingegen sind die Zustimmung des Gesellschafters zu einer freiwilligen Einziehung des Geschäftsanteils (§ 34) und eine statutarisch zugelassene Kündigung ohne Zustimmung des Pfandgläubigers unwirksam.153)

73

2.

Verwertung des gepfändeten Anteils

Die Zwangsvollstreckung in den Geschäftsanteil erfolgt ausschließlich durch Veräußerung, d. h. Verwertung auf Anordnung des Gerichts gemäß § 844 ZPO. Eine Überweisung zur Einziehung (§ 835 Abs. 1 Alt. 1 ZPO) ist lediglich hinsichtlich der aus der Mitgliedschaft fließenden Rechte auf Gewinn-, Abfindungs- oder Aus-

_____________ 145) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 312; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 97; Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 516. 146) Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 520; Ulmer/Habersack/LöbbeLöbbe, GmbHG, § 15 Rn. 314. 147) Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 520; Ulmer/Habersack/LöbbeLöbbe, GmbHG, § 15 Rn. 314 m. N. 148) Scholz-Seibt, GmbHG, § 15 Rn. 181, 211; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 15 Rn. 62 m. N. 149) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 315 m. N. 150) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 98; Reichert/Weller in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 522. 151) Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 531; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 318; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 97. 152) Scholz-Seibt, GmbHG, § 15 Rn. 197; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 318 m. w. N. 153) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 15 Rn. 59, 61; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 318; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 97.

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74

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

einandersetzungsguthaben, nicht aber hinsichtlich der Mitgliedschaft selbst, zulässig.154) 75

Übertragungsbeschränkungen nach Absatz 5 gelten bei der Verwertung im Wege der Zwangsvollstreckung nicht.155) Die Wertung der §§ 851 Abs. 2, 857 Abs. 1 und 3 ZPO zeigt, dass der Gesetzgeber verhindern wollte, dass der Vollstreckungsschuldner Rechte durch vertragsmäßige Aufhebung der Übertragbarkeit dem Zugriff seiner Gläubiger entzieht. Das Gesetz stellt damit das Befriedigungsinteresse des Gläubigers vor das berechtigte Interesse der Gesellschaft, Veränderungen im Gesellschafterkreis zu kontrollieren.156) Die Gegenauffassung im Schrifttum,157) die ebenso wie große Teile der aktienrechtlichen Literatur158) für die Verwertungsresistenz von Vinkulierungsbestimmungen eintritt und dies damit begründet, dass es sich bei der Vinkulierung nicht um eine rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkung, sondern um eine inhaltliche Beschränkung des Mitgliedschaftsrechts handele, überzeugt nicht.159) Den Interessen der Gesellschaft und der Mitgesellschafter, den Eintritt unerwünschter Personen in den Gesellschafterkreis zu verhindern, kann mit Hilfe statutarischer Einziehungs- und Erwerbsrechte Rechnung getragen werden.160)

76

Bei freihändiger Veräußerung ist Absatz 3 zu beachten;161) bei der öffentlichen Versteigerung ersetzt der Zuschlag des Gerichtsvollziehers die notarielle Beurkundung (§ 817 ZPO, § 156 BGB). 3.

77

Insolvenz eines Gesellschafters

Bei Insolvenz eines Gesellschafters geht die Verwaltungsbefugnis über den Geschäftsanteil auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO). Einer Abtretung bedarf es nicht. Nicht in die Insolvenzmasse fallen die Rechte des Gesellschafters, die höchstpersönlich ausgestaltet sind, wie z. B. ein Sonderrecht auf Bestellung eines Geschäftsführers, das konkret an die Person des betroffenen Gesellschafters anknüpft.162) Eine Satzungsbestimmung, durch die das Ruhen des Stimmrechts für

_____________ 154) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 320; Reichert/Weller in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 537. 155) BGHZ 32, 151, 155 = GmbHR 1960, 125 = NJW 1960, 1053; BGHZ 65, 22, 24 f = NJW 1975, 1835, 1836 = GmbHR 1975, 227; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 328 ff; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 15 Rn. 63; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 15 Rn. 62; Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 542. 156) BGHZ 65, 22, 25 = NJW 1975, 1835, 1836 = GmbHR 1975, 227; Roth, ZGR 2000, 187, 213; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 329. 157) Liebscher/Lübke, ZIP 2004, 241, 246 f; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 100. 158) Hüffer/Koch, AktG, § 68 Rn. 11; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 68 Rn. 112 f m. N.; Lutter/Drygala in: KölnKomm-AktG, § 68 Rn. 55. 159) So zutreffend Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 328 ff. 160) Dazu ausführlich Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 548 m. w. N. 161) RGZ 164, 162, 170; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 15 Rn. 63; Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 539; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 15 Rn. 101. 162) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 337; Reichert/Weller in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 554.

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§ 16

Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter

den Zeitraum der Insolvenz angeordnet wird, ist zulässig.163) Erwerbsrechte der Gesellschaft oder der Mitgesellschafter für den Insolvenzfall muss der Insolvenzverwalter gegen sich gelten lassen.164) Die Insolvenz eines Gesellschafters löst die Gesellschaft nicht auf, es sei denn, der Gesellschaftsvertrag schreibt dies vor (§ 60 Abs. 2). Grundsätzlich stellt die Gesellschafterinsolvenz auch keinen wichtigen Grund i. S. d. § 61 Abs. 1 dar, der eine Auflösungsklage rechtfertigt. Es kommt aber eine Ausschließung des Gesellschafters aus wichtigem Grund in Betracht.165) Eine Satzungsbestimmung, die für den Fall der Insolvenz die Einziehung des Geschäftsanteils vorsieht, ist zulässig.166) Abfindungsbeschränkungen sind zulässig, soweit sie nicht nur für den Fall der Insolvenz (und Pfändung), sondern auch für andere Fälle des zwangsweisen Ausscheidens eines Gesellschafters vorgesehen sind.167) Liegt dagegen das Abfindungsguthaben im Falle der Insolvenz (und der Zwangsvollstreckung) niedriger als bei sonstigen wichtigen Gründen für die Anteilseinziehung, so liegt ein Fall der Gläubigerdiskriminierung vor.

78

Bei freihändiger Veräußerung des Geschäftsanteils durch den Insolvenzverwalter sind die Formvorschriften der Absätze 3 und 4 zu beachten. Mit der rechtskräftigen Bestätigung eines Insolvenzplans gelten gemäß § 254 Abs. 1 Satz 2 InsO eventuell erforderliche Formerfordernisse als erfüllt. Beschränkungen nach Absatz 5 gelten bei Veräußerung durch den Insolvenzverwalter nicht. Insofern gilt dasselbe wie bei der Verwertung im Wege der Zwangsvollstreckung (siehe Rn. 75).

79

_____________ 163) Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 560; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 338 m. N. 164) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 336; Reichert/Weller in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 560. 165) Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 15 Rn. 560; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 336. 166) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 336; Reichert/Weller in: MünchKommGmbHG, § 15 Rn. 560. 167) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 333 m. N. zu Lit. und Rspr.

§ 16 Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter oder Veränderung des Umfangs ihrer Beteiligung; Erwerb vom Nichtberechtigten Stephan Brandes

(1) 1Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung als Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste (§ 40) eingetragen ist. 2Eine vom Erwerber in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommene Rechtshandlung gilt als von Anfang an wirksam, wenn die Liste unverzüglich nach Vornahme der Rechtshandlung in das Handelsregister aufgenommen wird. (2) Für Einlageverpflichtungen, die in dem Zeitpunkt rückständig sind, ab dem der Erwerber gemäß Absatz 1 Satz 1 im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber des Geschäftsanteils gilt, haftet der Erwerber neben dem Veräußerer. Stephan Brandes

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§ 16

Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter

(3) 1Der Erwerber kann einen Geschäftsanteil oder ein Recht daran durch Rechtsgeschäft wirksam vom Nichtberechtigten erwerben, wenn der Veräußerer als Inhaber des Geschäftsanteils in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. 2Dies gilt nicht, wenn die Liste zum Zeitpunkt des Erwerbs hinsichtlich des Geschäftsanteils weniger als drei Jahre unrichtig und die Unrichtigkeit dem Berechtigten nicht zuzurechnen ist. 3Ein gutgläubiger Erwerb ist ferner nicht möglich, wenn dem Erwerber die mangelnde Berechtigung bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist oder der Liste ein Widerspruch zugeordnet ist. 4Die Zuordnung eines Widerspruchs erfolgt aufgrund einer einstweiligen Verfügung oder aufgrund einer Bewilligung desjenigen, gegen dessen Berechtigung sich der Widerspruch richtet. 5Eine Gefährdung des Rechts des Widersprechenden muss nicht glaubhaft gemacht werden. Literatur: Altmeppen, Der gutgläubige Zwischenerwerb am Beispiel des § 16 Abs. 3 GmbHG, in: Liber Amicorum für Klaus Schurig, 2012, S. 1; Altmeppen, Abschied von der „unwiderlegbar vermuteten“ Mitgliedschaft des Scheingesellschafters in der Kapitalgesellschaft, ZIP 2009, 345; Bayer, Kein gutgläubiger Erwerb bei aufschiebend bedingter Abtretung eines GmbH-Geschäftsanteils?, GmbHR 2011, 1254; Bednarz, Die Gesellschafterliste als Rechtsscheinträger für einen gutgläubigen Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen – eine kritische Betrachtung von §§ 16 Abs. 3, 40 GmbHG i. d. F. des MoMiG, BB 2008, 1854; Bohrer, Fehlerquellen und gutgläubiger Erwerb im Geschäftsanteilsverkehr – das Vertrauensschutzkonzept im Regierungsentwurf des MoMiG, DStR 2007, 995; Boujong, Das GmbH-Recht in den Jahren 2000 bis 2002, NZG 2003, 497; Brandes, Gutgläubiger Erwerb bei bedingter Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen, GmbHR 2012, 545; Eidenmüller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, ZGR 2007, 168; Flesner, Die GmbH-Reform (MoMiG) aus Sicht der Akquisitions- und Restrukturierungspraxis, NZG 2006, 641; Gehrlein, Der aktuelle Stand des neuen GmbH-Rechts, Der Konzern 2007, 771; Götze/Bressler, Praxisfragen der Gesellschafterliste und des gutgläubigen Erwerbs von Geschäftsanteilen nach dem MoMiG, NZG 2007, 894; Grunewald, Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei der Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen, ZGR 1991, 452; Harbarth, Gutgläubiger Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen nach dem MoMiG-RegE, ZIP 2008, 57; Heidinger, Zusätzliche Angaben in der Gesellschafterliste und ihre Wirkung nach § 16 Abs. 1 GmbHG, in: Festschrift für Eberhard Stilz, 2014, S. 253; Kort, Offene Fragen zu Gesellschafterliste, Gesellschafterstellung und gutgläubigem Anteilserwerb (§§ 40 und 16 GmbHG n. F.), GmbHR 2009, 169; Lieder, Teilung und Listenkorrektur im GmbH-Recht, NZG 2014, 329; Limmer, Haftung beim Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen, ZIP 1993, 412; Löbbe, Die GmbH-Gesellschafterliste. Eine Bestandsaufnahme sieben Jahre nach dem MoMiG, GmbHR 2016, 141; Mayer, Probleme rund um die Gesellschafterliste, MittBayNot 2014, 24; Mayer, Der Erwerb einer GmbH nach den Änderungen durch das MoMiG, DNotZ 2008, 403; Mayer/Färber, Gutgläubiger Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen bei aufschiebend bedingter Anteilsabtretung?, GmbHR 2011, 785; Noack, Der Regierungsentwurf des MoMiG – Die Reform des GmbH-Rechts geht in die Endrunde, DB 2007, 1395; Preuss, Gesellschafterliste, Legitimation gegenüber der Gesellschaft und gutgläubiger Erwerb von GmbH-Anteilen, ZGR 2008, 676; Nolting, Mitwirkung des Anteilserwerbers bei Gesellschafterbeschlüssen der GmbH vor Aufnahme in die Gesellschafterliste, GmbHR 2010, 584; Paefgen/Wallisch, Die Schutzfunktion der Gesellschafterliste beim GmbHAnteilserwerb, NZG 2016, 801; Reichert, Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen und gutgläubiger Erwerb, in: Bayer/Koch, Das neue GmbH-Recht, 2008, S. 29; Reymann, Zurechnungssystem und Regelungsebenen der GmbH-Gesellschafterliste, BB 2009, 506; Reymann, Gutgläubiger Erwerb und Rechte an GmbH-Geschäftsanteilen, WM 2008, 2095; Schnorbus, Die Teilnahme des Scheingesellschafters an Strukturmaßnahmen in der GmbH, ZGR 2004, 126; Schockenhoff/Höder, Gutgläubiger Erwerb von GmbH-Anteilen

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§ 16

Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter

nach dem MoMiG: Nachbesserungsbedarf aus Sicht der M&A-Praxis, ZIP 2006, 1841; Schothöfer, Die Folgewirkungen des fehlerhaften Ausscheidens eines GmbH-Gesellschafters, GmbHR 2003, 1321; Stein, Zweifelsfragen der nominellen Kapitalerhöhung durch den GmbH-Scheingesellschafter, in: Festschrift für Peter Ulmer, 2003, S. 642; Thomale/Gutfried, Geschäftsanteilsverkehr als Regulierungsproblem, ZGR 2017, 61; Vossius, Gutgläubiger Erwerb von GmbH-Anteilen nach MoMiG, DB 2007, 2299; Wachter, GmbH-Reform: Auswirkungen auf die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen, ZNotP 2008, 378; Wiersch, Korrektur unrichtiger Gesellschafterliste, GWR 2014, 117; ders., Die Vermutungswirkung von Gesellschafterliste und Aktienregister, ZGR 2015, 591; Wolff, Die Verbindlichkeit der Gesellschafterliste für Stimmrecht und Beschlussverfahren, BB 2010, 454; Zutt, Rechtsfragen der Anmeldung gemäß § 16 GmbHG, in: Festschrift für Walter Oppenhoff, 1985, S. 555. Übersicht I. II. 1. 2. 3.

Normzweck ........................................... 1 Gesellschafterliste ................................ 3 Eintragung und Einreichung ................ 4 Aufnahme .............................................. 5 Korrektur einer unrichtigen Gesellschafterliste ................................. 6 4. Widerspruch gegen eine unrichtige Gesellschafterliste ................................. 7 III. Stellung des Gesellschafters im Verhältnis zur GmbH ......................... 8 1. Stellung des Rechtsvorgängers ............. 9 a) Legitimation ................................... 9 b) Haftung für rückständige Einlageverpflichtungen (Abs. 2) ....... 11 2. Rechtsstellung des Erwerbers ............. 14 a) Rechtsstellung vor Aufnahme ..... 14 b) Rückbeziehung der Legitimationswirkung (Abs. 1 Satz 2) ......... 17 c) Rechtsstellung nach Aufnahme .... 20 d) Insbesondere: Haftung für rückständige Einlageverpflichtungen (Abs. 2) ............................ 22

I.

3.

Rechtsstellung des Scheingesellschafters ............................................... 27 a) Zurechenbarkeit des Rechtsscheins ........................................... 28 b) Legitimation ................................. 32 c) Haftung für rückständige Einlageverpflichtungen (Abs. 2) ....... 35 IV. Gutgläubiger Erwerb (Abs. 3) .......... 36 1. Voraussetzungen (Abs. 3 Satz 1) ....... 37 a) Erwerb eines Geschäftsanteils ..... 37 b) Erwerb eines Rechts an einem Geschäftsanteil .................. 41 c) Listeneintrag ................................. 42 2. Ausschlussgründe (Abs. 3 Sätze 2 – 5) .............................. 49 a) Dreijährige Unrichtigkeit ............ 49 b) Fehlende Zurechenbarkeit ........... 53 c) Bösgläubigkeit .............................. 58 d) Zuordnung eines Widerspruchs .......................................... 65 V. Übergangsregelung ............................ 79

Normzweck

Die Vorschrift ist durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.20081) mit Wirkung zum 1.11.2008 grundlegend reformiert worden.

1

Sinn und Zweck der Norm besteht darin, Unklarheiten über den Gesellschafterbestand und daraus resultierende Nachteile für die Gesellschaft und den Rechtsverkehr im Interesse der Rechtssicherheit zu verhindern. Da sich die Veräußerung eines Geschäftsanteils im Regelfall ohne Mitwirkung und Kenntnis der Gesellschaft vollzieht, müssen die Gesellschafter sich durch Eintragung in die in das Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste gegenüber der Gesellschaft legitimieren lassen. Die Gesellschafterliste begründet gegenüber der Gesellschaft und gegenüber Dritten den Rechtsschein, dass derjenige, der in die Liste eingetragen ist, Gesellschafter ist. Daneben wird sichergestellt, dass ein Gesellschafter sich seiner Haftung

2

_____________ 1)

BGBl. 2008 I S. 2026.

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§ 16

Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter

für die fälligen, der Gesellschaft geschuldeten Leistungen nicht durch Veräußerung seines Anteils entziehen kann. II. Gesellschafterliste 3

4

Absatz 1 Satz 1, Absatz 3 verweisen ausdrücklich auf die gesetzlichen Regelungen zur Gesellschafterliste in § 40, der die Abläufe, Inhalte und Pflichten konkretisiert. Zu unterscheiden sind drei Vorgänge: –

Die Eintragung einer Veränderung in die Gesellschafterliste,



das Einreichen der Liste und



ihre Aufnahme in das Handelsregister.

1.

Eintragung und Einreichung

Als Mindestinhalt der Gesellschafterliste nennt § 40 Abs. 1 Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort der Gesellschafter sowie die Nennbeträge und laufenden Nummern der Geschäftsanteile.2) Mit Wirkung zum 26.6.2017 hat der Gesetzgeber die Anforderungen an Inhalt und Gestaltung der Gesellschafterliste verschärft.3) Sie muss jetzt auch die durch den jeweiligen Nennbetrag eines Geschäftsanteils vermittelte jeweilige prozentuale Beteiligung am Stammkapital ausweisen. Ist ein Gesellschafter selbst eine Gesellschaft, so sind bei eingetragenen Gesellschaften in die Liste deren Firma, Satzungssitz, zuständiges Register und Registernummer aufzunehmen, bei nicht eingetragenen Gesellschaften deren jeweilige Gesellschafter unter einer zusammenfassenden Bezeichnung mit Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Wohnort (§ 40 Abs. 1 Satz 2). Hält ein Gesellschafter mehr als einen Geschäftsanteil, ist in der Gesellschafterliste zudem der Gesamtumfang der Beteiligung am Stammkapital als Prozentsatz gesondert anzugeben (§ 40 Abs. 1 Satz 3). Die Gesellschafterlistenverordnung vom 20.6.2018 – zum 1.7.2018 in Kraft getreten – macht weitere Angaben zur Ausgestaltung der Gesellschafterliste.4) Einzutragen ist jede Veränderung in der Person der Gesellschafter.5) In Abweichung zur alten Rechtslage gilt § 16 Abs. 1 bei allen Formen des Anteilsübergangs, sei es durch Rechtsgeschäfte (Abtretung) oder Gesamtrechtsnachfolge.6) Zuständig zur Eintragung in die Liste sind die Geschäftsführer (§ 40 Abs. 1). Hat an den Veränderungen ein Notar mitgewirkt, so ist dieser anstelle der Geschäftsführer verpflichtet, die aktualisierte Liste zum Handelsregister einzureichen (§ 40 Abs. 2). Ein Irrtum über die Zuständigkeit des Notars einerseits und des Geschäftsführers andererseits lässt die Wirksamkeit der Anmeldung unberührt.7) Nach § 40 Abs. 3 _____________ 2)

3)

4) 5) 6) 7)

386

Nicht eintragungsfähig ist z. B. der Testamentsvollstreckervermerk: BGH, GmbHR 2015, 526; dazu Bayer, GmbHR 2015, 529; insoweit keine Änderung der Rechtslage durch die GesLV von 2018: Szalai, GWR 2018, 250, 255. Geldwäscherichtlinien-Umsetzungsgesetz v. 23.6.2017, BGBl. 2017 I S. 1822; dazu Birkefeld/Schäfer, BB 2017, 2755; Szalai, GWR 2018, 250; Heidinger in: MünchKommGmbHG, § 16 Rn. 3. BGBl. 2018 I S. 870; dazu Szalai, GWR 2018, 250. Scholz-Seibt, GmbHG, § 16 Rn. 18. RegE v. 23.5.2007, BT-Drucks. 16/6140, S. 38. Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 50; Heidinger in: MünchKommGmbHG, § 16 Rn. 69 ff.

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Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter

§ 16

haften die Geschäftsführer, welche ihre Eintragungs- und Einreichungspflicht verletzen, denjenigen, deren Beteiligung sich geändert hat, und den Gesellschaftsgläubigern für den daraus entstandenen Schaden als Gesamtschuldner. Außerdem haben die eintretenden Gesellschafter einen einklagbaren Anspruch auf unverzügliche Einreichung der Gesellschafterliste zum Handelsregister. Dieser Anspruch kann auch i. R. d. einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemacht werden.8) 2.

Aufnahme

Für die Legitimationswirkung (siehe Rn. 9, 19) ist allein der Zeitpunkt der „Aufnahme“ der aktualisierten Liste in das Handelsregister maßgeblich. Auf die Anmeldung bei der Gesellschaft (wie nach § 16 Abs. 1 a. F.), eine sonstige Kenntnisnahme oder die Einreichung beim Register kommt es nicht an.9) Unter „Aufnahme“ ist registerrechtlich die Aufnahme der Liste in den für das entsprechende Registerblatt bestimmten Registerordner zu verstehen (§ 9 Abs. 1 HRV). Der Registerordner wird grundsätzlich elektronisch geführt und kann über das Internet eingesehen werden. Auch eine Gesellschafterliste im Sonderband der Papierregister (§ 8 Abs. 2 HRV) gilt als aufgenommen i. S. d. § 16 Abs. 1.10) Eine Prüfung auf inhaltliche Richtigkeit durch das Registergericht erfolgt grundsätzlich nicht.11) Dessen ungeachtet kann das Registergericht die Aufnahme einer Gesellschafterliste aus formalen Gründen ablehnen, etwa deshalb, weil die nach der Novellierung des § 40 erforderlichen Prozentangaben fehlen.12) 3.

5

Korrektur einer unrichtigen Gesellschafterliste

Ist die Gesellschafterliste unrichtig, so haben jeweils der Scheingesellschafter gegen den wahren Gesellschafter und vice versa sowie die Gesellschaft gegen beide und vice versa einen Anspruch auf Mitwirkung bzw. Duldung einer Korrektur der unrichtigen Gesellschafterliste.13) Zuständig für die Korrektur sind die Geschäftsführer. Die Korrektur erfolgt durch Einreichung einer berichtigten Liste zum Handelsregister. Die Geschäftsführer dürfen die Gesellschafterliste nur dann korrigieren, wenn die Betroffenen, Scheingesellschafter und wahrer Gesellschafter, zugestimmt haben oder ihre Zustimmung durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung (§ 894 ZPO) ersetzt wurde. Die Gesellschaft kann selbst Klage auf Zustimmung erheben,14) die Betroffenen aber auch auf einen Rechtsstreit untereinander verweisen. Solange nicht rechtskräftig festgestellt ist, dass eine Person aus der Gesellschafterliste gelöscht werden muss, kann sich die Gesellschaft auf die Legitimationswirkung der Eintragung berufen und einen Streit darüber den Betei_____________ 8) 9) 10) 11) 12)

RegE v. 23.5.2007, BT-Drucks. 16/6140, S. 38. Noack, DB 2007, 1395, 1399. RegE v. 23.5.2007, BT-Drucks. 16/6140, S. 37. BGHZ 199, 270, 272 = ZIP 2015, 732, dazu EWiR 2015, 303 (Keckschen/Strnad). OLG München NZG 2018, 63; OLG Nürnberg, NZG 2018, 61 und 312; dazu Lieder/ Cziupka, GmbHR 2018, 231; Cramer NZG 2018, 721. 13) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 16 Rn. 26; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 51. 14) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 52.

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6

§ 16

Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter

ligten überlassen.15) Mit Blick auf eine unrichtige, vom Notar nach § 40 Abs. 2 Satz 1 eingereichte Gesellschafterliste hat der Bundesgerichtshof nunmehr entschieden, dass der Geschäftsführer zu einer Korrektur berechtigt sei. Er müsse dem Betroffenen zwar vor Einreichung einer korrigierten Liste die Gelegenheit zur Stellungnahme geben, verliere aber auch bei einem Widerspruch des Betroffenen gegen die Korrektur nicht die Berechtigung, die Liste zu berichtigen, solange der Betroffene nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine Untersagung erreiche.16) 4. 7

Widerspruch gegen eine unrichtige Gesellschafterliste

Nach alter Rechtslage konnten die Betroffenen den durch die Anmeldung begründeten Rechtsschein durch eine analoge, auch als „Abmeldung“ oder „Widerruf“17) bezeichnete Erklärung wieder beseitigen. Nach der Gesetzesreform durch das MoMiG bedarf es zur Beseitigung des Rechtsscheins grundsätzlich der Änderung der Gesellschafterliste und der Aufnahme der geänderten Liste in das Handelsregister. Damit ist ein größerer zeitlicher Vorlauf verbunden, der zudem noch bis zu einem gewissen Grad von der Zuverlässigkeit des Registergerichts abhängt. Um den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, sich gleichwohl zügig vor den Rechtsfolgen eines fehlerhaften Rechtsscheins zu schützen, hat der Gesetzgeber durch Absatz 3 die Möglichkeit geschaffen, im Wege der einstweiligen Verfügung oder aufgrund einer Bewilligung des (Schein-)Berechtigten einen Widerspruch gegen die Richtigkeit der Liste zu erwirken. Die Regelung lehnt sich an § 892 BGB an. Der Widerspruch ist über das elektronische Handelsregister für jedermann online einsehbar und wird besonders hervorgehoben (§ 9 Abs. 1 Satz 3 HRV). Ein Widerspruch zerstört die Gutglaubenswirkung nach Absatz 3, nicht jedoch die Legitimierung gegenüber der Gesellschaft nach Absatz 1.18) III. Stellung des Gesellschafters im Verhältnis zur GmbH

8

Die Gesellschafterliste begründet ebenso wie das Aktienregister bei der Namensaktie19) eine „unwiderlegliche Vermutung“ der materiellen Berechtigung des Eingetragenen gegenüber der GmbH.20) Dagegen bewirkt die Aufnahme der aktuellen Liste in das Handelsregister nicht den Austritt des alten und den Eintritt des neuen Gesellschafters. Sie ist kein Teil der Veräußerung. Der Übergang des Geschäftsanteils auf den Erwerber vollzieht sich allein durch die Abtretung gemäß § 15 Abs. 3 _____________ 15) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 52. 16) BGH, NZG 2014, 184 ff = ZIP 2014, 216, dazu EWiR 2014, 205 (Paefgen/Franke); zust. (de lege lata) Wiersch, GWR 2014, 117; Lieder, NZG 2014, 329, 331; vgl. auch BGH, GmbHR 2017, 519 (dazu Lieder, GmbHR 2017, 520); OLG Rostock, MittBayNot 2018, 59 Rn. 20 ff. 17) Baumbach/Hueck-Hueck/Fastrich, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 16 Rn. 4; Reichert/Weller, GmbH-Geschäftsanteil, § 16 Rn. 59 m. N. 18) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 16 Rn. 93. 19) RegE v. 23.5.2007, BT-Drucks. 17/6140, S. 37. 20) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 16 Rn. 35; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 5; vgl. auch OLG Frankfurt, ZIP 2017, 1273, 1275 (Bindung gilt auch für die Registergerichte).

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§ 16

oder durch Gesamtrechtsnachfolge.21) Daher lässt die Insolvenz des Veräußerers nach Abtretung aber vor Aufnahme den Anteilsübergang unberührt.22) Die Aufnahme kann weder eine wirksame Abtretung ersetzen noch eine fehlerhafte Abtretung heilen. 1.

Stellung des Rechtsvorgängers

a) Legitimation Vor Aufnahme der geänderten Liste in das Handelsregister ist der Erwerber im Verhältnis zur Gesellschaft nicht als Gesellschafter anzusehen. Vielmehr gilt gegenüber der Gesellschaft weiterhin der Veräußerer bzw. der letzte ihr gegenüber legitimierte Gesellschafter als Inhaber der Mitgliedschaftsrechte.23) Dieser ist bis zur Aufnahme der Liste in das Handelsregister zu den Gesellschafterversammlungen zu laden. Er allein ist berechtigt, das Stimmrecht auszuüben,24) Informationen nach § 51a einzufordern und Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage zu erheben.25) An ihn sind etwaige Dividenden auszuzahlen;26) er schuldet fällige Einlagen und Nachschüsse. Er kann sogar noch aus wichtigem Grund aus der Gesellschaft ausgeschlossen und sein Geschäftsanteil nach § 34 eingezogen werden, wenn die dafür erforderlichen Voraussetzungen in seiner Person vorliegen.27) Die Ladung des noch nicht eingetragenen Neugesellschafters zur Gesellschafterversammlung ist zulässig, aber nicht zwingend.28)

9

Mit Aufnahme der aktualisierten Liste in das Handelsregister endet die Legitimation des Rechtsvorgängers gegenüber der GmbH. Die Gesellschaft darf ihn von diesem Zeitpunkt an weder zu seinen Gunsten noch zu seinen Lasten als Gesellschafter behandeln.29) Von seinen Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft wird er befreit.

10

b) Haftung für rückständige Einlageverpflichtungen (Abs. 2) Für rückständige Einlageverpflichtungen bleibt der frühere Listengesellschafter allerdings neben dem Erwerber verhaftet, wenn diese vor Aufnahme der geänderten Liste in das Handelsregister fällig waren30) (Abs. 2). Für diese rückständigen Leistungen haftet er neben dem Erwerber. Rückständig ist eine Leistung, die fällig _____________ 21) 22) 23) 24)

25) 26) 27) 28) 29) 30)

Scholz-Seibt, GmbHG, § 16 Rn. 12. Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 73. Scholz-Seibt, GmbHG, § 16 Rn. 8, 36. BGHZ 15, 324, 331 = GmbHR 1956, 28; BayObLG, BB 1990, 85, 86 = DB 1990, 167 = NJW-RR 1990, 616; OLG Düsseldorf, DB 1996, 568, 569; Ulmer/Habersack/LöbbeLöbbe, GmbHG, § 16 Rn. 66. BGH, LM Nr. 3 zu § 16 = NJW 1969, 133; OLG Düsseldorf, DB 1996, 568 ff. OLG Düsseldorf, DB 1996, 568, 569. OLG Hamm, GmbHR 1993, 660, 661. Wolff, BB 2010, 454, 460; a. A. Nolting, GmbHR 2010, 584, 585 f – Ladung unzulässig. Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 20; Heidinger in: MünchKommGmbHG, § 16 Rn. 210. Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 111; Reichert/Weller, GmbH-Geschäftsanteil, § 16 Rn. 76; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 16 Rn. 22; Scholz-Seibt, GmbHG, § 16 Rn. 53.

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und noch nicht bewirkt ist.31) Ein Verzug ist nicht notwendig. Es genügt, dass die Leistung verlangt werden kann. Unter die Haftung fallen auch Leistungen, die zwischen Anteilsübergang und Aufnahme fällig geworden sind. 12

Erfasst sind neben Einlageverpflichtungen im engeren Sinne auch Einstandspflichten für Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung (§§ 24, 31) sowie die Haftung für Nachschüsse und Nebenleistungsverpflichtungen.32) Für später fällig werdende Leistungen haftet der Rechtsvorgänger nach § 16 Abs. 2 nicht mehr. Unberührt bleibt allerdings seine (subsidiäre) Haftung nach anderen Bestimmungen des Gesetzes, insbesondere nach § 22 Abs. 2 und 3 und § 28 (vgl. die dortigen Erläuterungen).

13

Rechtsvorgänger und Erwerber haften als Gesamtschuldner (§ 421 BGB). Die Ausgleichspflicht zwischen beiden richtet sich nach § 426 BGB.33) Mangels anderweitiger Bestimmungen haften somit Rechtsvorgänger und Erwerber je zur Hälfte. Ein dem Anteilsübergang zugrundeliegendes Vertragsverhältnis sollte daher aus Sicht der vertragsgestaltenden Praxis Angaben zu Höhe und Bestand der noch offenen rückständigen Verbindlichkeiten aus dem Geschäftsanteil enthalten und regeln, wer diese im Innenverhältnis zu tragen hat. Eine anderweitige Bestimmung setzt jedoch nicht notwendig eine vertragliche Vereinbarung voraus, sondern kann sich auch aus „der Natur der Sache“ ergeben. Eine generelle Auslegungsregel, wonach der Veräußerer im Zweifel in vollem Umfang für die auf den Geschäftsanteil rückständigen Verbindlichkeiten hafte, lässt sich jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht aufstellen. Von einer Haftungsübernahme durch den Veräußerer im Innenverhältnis wird man vielmehr nur dann sicher ausgehen können, wenn der Veräußerer – wie dies bei Unternehmenskaufverträgen Standard ist – zugesichert hat, dass alle auf den Geschäftsanteil entfallenden Einlageverpflichtungen erbracht wurden und auch sonst keine rückständigen Leistungen mehr bestehen.34) Wo eine solche Regelung fehlt, richtet sich die Risikoverteilung im Innenverhältnis nach den Umständen des Einzelfalls. 2.

Rechtsstellung des Erwerbers

a) Rechtsstellung vor Aufnahme 14

Der Erwerber kann selbst weder seine Gesellschafterstellung in die Gesellschafterliste eintragen noch eine geänderte Liste zum Handelsregister einreichen.35) Er kann aber von der Gesellschaft verlangen, dass diese durch ihren Geschäftsführer eine aktualisierte Liste erstellt und einreicht.36) Der Erwerber muss Rechtshandlungen gegen sich gelten lassen, die vor der Aufnahme der geänderten Liste der _____________ 31) BGH, GmbHR 1961, 144, 145 = DB 1961, 1062; BGHZ 132, 133, 137 = ZIP 1996, 595 = GmbHR 1996, 283, dazu EWiR 1996, 457 (Trölitzsch); Reichert/Weller, GmbH-Geschäftsanteil, § 16 Rn. 82; Scholz-Seibt, GmbHG, § 16 Rn. 53. 32) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 31; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 12; Götze/ Bressler, NZG 2007, 894; Mayer, DNotZ 2008, 403, 406. 33) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 113; Scholz-Seibt, GmbHG, § 16 Rn. 54; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 16 Rn. 59. 34) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 115; Reichert/Weller, GmbH-Geschäftsanteil, § 16 Rn. 92. 35) RegE v. 23.5.2007, BT-Drucks. 16/6140, S. 38. 36) Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 16 Rn. 139; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 60; Henssler/Strohn-Verse, GesR, § 16 GmbHG Rn. 36.

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Veräußerer gegenüber der Gesellschaft oder die Gesellschaft gegenüber dem Veräußerer in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommen hat.37) Das gilt auch für die Zustimmungserklärung nach § 53 Abs. 3. Es besteht also die Gefahr, dass unter Beteiligung des Rechtsvorgängers noch in dem Zeitraum zwischen Übertragung des Geschäftsanteils und Aufnahme der geänderten Liste in das Handelsregister eine zusätzliche Leistungspflicht der Gesellschafter begründet wird, die den Erwerber bindet. Ihm steht in dem Fall auch kein Widerspruchsrecht zu.38)

15

Gerät der Rechtsvorgänger nach Abtretung des Geschäftsanteils aber vor der Registrierung in Insolvenz und sieht die Satzung für den Fall einer Insolvenz des Gesellschafters die Zwangseinziehung des Anteils vor, so vernichtet eine solche Einziehung den Anteil, obwohl dieser zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr dem Rechtsvorgänger gehört.39)

16

b) Rückbeziehung der Legitimationswirkung (Abs. 1 Satz 2) In der Praxis wird häufig unmittelbar nach Wirksamwerden einer Anteilsabtretung eine Gesellschafterversammlung durchgeführt, um eilige Entscheidungen zu treffen. Damit auch der Erwerber sich daran beteiligen kann, müsste an sich die Aufnahme der Liste in das Handelsregister abgewartet werden, was zu unerwünschten zeitlichen Verzögerungen führt. Mit der Regelung in Absatz 1 Satz 2 trägt der Gesetzgeber diesem Bedürfnis Rechnung. Danach sind Rechtshandlungen wie die Mitwirkung an einem satzungsändernden Gesellschafterbeschluss oder an der Bestellung neuer Geschäftsführer vor Aufnahme der Liste in das Handelsregister zunächst schwebend unwirksam. Sie werden wirksam, wenn die Liste unverzüglich nach Vornahme der Rechtshandlung in das Handelsregister aufgenommen wird. Erfolgt die Aufnahme nicht unverzüglich, sind die Rechtshandlungen endgültig unwirksam.40) Verzögerungen, die auf einem Verschulden des Registergerichts beruhen, sind aber unbeachtlich,41) nicht aber solche, die dem Notar oder Geschäftsführer zuzurechnen sind.42) Für die Praxis empfiehlt es sich, dass im Zuge eines Gesellschafterwechsels vorzunehmende Rechtshandlungen entweder noch durch den alten Gesellschafter vorgenommen werden oder dass der Veräußerer dem Erwerber eine Vollmacht zur Ausübung der ihm zustehenden Gesellschafterrechte erteilt.43)

17

Wurde der Gesellschaft die Rechtsänderung mitgeteilt, so sind die Altgesellschafter während des Schwebezustands bis zur Aufnahme des Erwerbers in die Liste diesem

18

_____________ 37) 38) 39) 40) 41)

Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 70. Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 16 Rn. 142. Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 16 Rn. 143. RegE v. 23.5.2007, BT-Drucks. 16/6140, S. 37 f. Scholz-Seibt, GmbHG, § 16 Rn. 47; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 16 Rn. 49; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 16 Rn. 20; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 10. 42) Scholz-Seibt, GmbHG, § 16 Rn. 47; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 16 Rn. 49; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 16 Rn. 20; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 10. 43) Wachter, ZNotP 2008, 378, 382; Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 16 Rn. 165; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 16 Rn. 53; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 90.

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gegenüber und an die mitgliedschaftliche Treupflicht gebunden. Gesellschafterbeschlüsse, die während des Schwebezustands ohne Mitwirkung des Erwerbers zustande kamen, können von diesem ggf. angefochten werden.44) 19

Soll der Wechsel in der Anteilsinhaberschaft mit einem Austausch der Geschäftsführung einhergehen, sollte in der Praxis darauf gedrungen werden, dass die alte Geschäftsführung ihre Ämter aufschiebend bedingt durch die Wirksamkeit des Anteilsübergangs niederlegt. Eine Abberufung der alten Geschäftsführung durch den Neugesellschafter ist mit Blick auf die schwebende Unwirksamkeit problematisch, da man die von dem Altgeschäftsführer während des Schwebezustandes vorgenommenen Rechtshandlungen wohl ungeachtet des Verkehrsschutzes, der sich aus § 15 Abs. 1 HGB ergäbe, als wirksam ansehen muss.45) c) Rechtsstellung nach Aufnahme

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Mit der Aufnahme der aktualisierten Liste kann nur der Erwerber die aus der Mitgliedschaft fließenden Rechte (wie z. B. das Gewinnbezugsrecht) gegen die Gesellschaft geltend machen.46) Der Rechtsvorgänger kann es nicht mehr. Soweit allerdings Ansprüche bereits vor diesem Zeitpunkt in der Person des Rechtsvorgängers entstanden sind (z. B. der Anspruch auf Gewinnauszahlung durch einen vor der Aufnahme gefassten Gewinnverwendungsbeschluss), werden sie von dem Übergang der Mitgliedsrechte nicht erfasst, sondern verbleiben dem Rechtsvorgänger als von der Mitgliedschaft losgelöste schuldrechtliche Ansprüche auch nach der Aufnahme.47)

21

Mit der Aufnahme stehen dem Erwerber sämtliche Mitgliedschaftsrechte zu. Er allein ist zu Gesellschafterversammlungen zu laden; er allein kann das Stimmrecht ausüben, Gesellschafterbeschlüsse anfechten etc. Ebenso schuldet der Erwerber von der Aufnahme der revidierten Liste an die gesellschaftsrechtlichen, durch Gesetz oder Satzung begründeten Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft. d) Insbesondere: Haftung für rückständige Einlageverpflichtungen (Abs. 2)

22

Das gilt gemäß Absatz 2 auch für die zur Zeit der Aufnahme auf den Geschäftsanteil rückständigen „Einlageverpflichtungen“, und zwar ohne Rücksicht auf seine Kenntnis oder Unkenntnis von ihrem Bestehen.48) Die Verpflichtungen gehen so über, wie sie zur Zeit der Aufnahme der geänderten Liste bestehen. Dabei ist unerheblich, ob die Verpflichtung durch die Gründung oder durch spätere Ereignisse (Nachschüsse, Umlage etc.) entstanden ist; ebenso ist es ohne Bedeutung, ob sie in der Person des gelisteten Veräußerers oder in der Person eines seiner Rechtsvorgänger erwachsen und auf den Veräußerer übergegangen waren. _____________ 44) Scholz-Seibt, GmbHG, § 16 Rn. 40; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 16 Rn. 41; a. A. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 11; Heidinger in: MünchKommGmbHG, § 16 Rn. 164. 45) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 8. 46) Zur (Un-)Zulässigkeit einer Klage auf Feststellung einer GmbH-Gesellschafterstellung OLG Hamm, NZG 2014, 783, 784 = DStR 2014, 12. 47) Reichert/Weller, GmbH-Geschäftsanteil, § 16 GmbHG Rn. 88; Ulmer/Habersack/LöbbeLöbbe, GmbHG, § 16 Rn. 74. 48) Reichert/Weller, GmbH-Geschäftsanteil, § 16 GmbHG Rn. 89; Ulmer/Habersack/LöbbeLöbbe, GmbHG, § 16 Rn. 94.

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§ 16

Absatz 2 gilt nicht nur im Falle der Anteilsabtretung, sondern ebenso bei Gesamtrechtsnachfolge, auch wenn die Verwendung der Begriffe „Veräußerer“ und „Erwerber“ anderes nahelegen. Aus der Gesellschafterliste geht nicht hervor, auf welche Art und Weise die Gesellschafterstellung erlangt wurde. Es fehlt an einleuchtenden Gründen, warum die in Absatz 1 vorgenommene Ausweitung des Anwendungsbereiches auf jede Form des Gesellschafterwechsels in Absatz 2 wieder zurückgenommen werden sollte. Absatz 2 ist demgemäß so zu verstehen, dass auch alle von Absatz 1 eingeschlossenen Sachverhalte erfasst sind.49)

23

Die Haftung des Erwerbers für rückständige Verbindlichkeiten betrifft nur die in der Mitgliedschaft verkörperten Pflichten, wie die Verpflichtung zur Einzahlung der Stammeinlage (§ 19), die Haftung für verdeckte Sacheinlagen,50) für Ansprüche aus Überbewertung der Sacheinlage (§ 9)51) und Unterbilanzhaftung.52) Den Erwerber trifft auch die Ausfallhaftung für von den anderen Gesellschaftern nicht einziehbare Einlagen (§ 24), die Verpflichtung zur Leistung von Nachschüssen (§ 26), die Ausfallhaftung nach § 31 Abs. 3 sowie Nebenleistungspflichten des Veräußerers gemäß § 3 Abs. 2, dagegen nicht für die Rückzahlung einer verbotenen Auszahlung an den Veräußerer (§ 31 Abs. 1).53)

24

Die Haftung des Erwerbers nach Absatz 2 kann nicht abbedungen werden, soweit Verpflichtungen nach §§ 19 ff, 31 in Frage stehen. Das folgt aus §§ 19 Abs. 2, 25, 31 Abs. 4. Auch eine Garantie der Gesellschaft, dass keine Verpflichtungen aus dem veräußerten Geschäftsanteil vorhanden sind, hilft dem Erwerber insoweit nicht. Denn die Haftung aus einer solchen Garantieerklärung käme einem nach §§ 19 Abs. 2, 25 nichtigen Verzicht auf die Einlage gleich.54)

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Dem Bedürfnis, einen nur vorübergehend beteiligten Gesellschafter (etwa im Falle der Sicherungsabtretung) von der Haftung auszunehmen, lässt sich nicht dadurch Rechnung tragen, dass die Aufnahme in die Gesellschafterliste unterbleibt, insbesondere dann nicht, wenn – wie im Regelfall – ein Notar mitwirkt. Denn dieser ist nach § 40 Abs. 2 Satz 1 verpflichtet, unmittelbar nach dem Wirksamwerden der Veränderung in den Personen der Gesellschafter eine aktualisierte Liste beim Handelsregister einzureichen. Diese Verpflichtung steht nicht zur Disposition der Parteien.55) Aber auch in den Fällen des § 40 Abs. 1 können die alten und neuen Gesellschafter nicht beliebig über den Zeitpunkt einer Mitteilung an die Geschäftsführer bestimmen, sondern sie sind dazu verpflichtet, unverzüglich die Ver-

26

_____________ Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 16 Rn. 225. OLG Karlsruhe, DStR 1991, 1635; Geck, GmbHR 1996, 718, 719 (Buchbespr.). Geck, GmbHR 1996, 718, 719; Limmer, ZIP 1993, 412, 414. Geck, DStR 1996, 627, 629; Limmer, ZIP 1993, 412, 414. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 9; Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 10; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 32, 33; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 101; Henssler/Strohn-Verse, GesR, § 16 GmbHG Rn. 16; anders noch die Vorauflage. 54) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 104. 55) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 105; anders als nach alter Rechtslage: dazu Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 16 Rn. 41.

49) 50) 51) 52) 53)

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änderung zu melden.56) Denn die Gesellschafterliste soll die Beteiligungsverhältnisse im Interesse des Rechtsverkehrs zeitnah und lückenlos offenlegen. Unbenommen bleibt es den Parteien jedoch, die Haftung im Innenverhältnis vertraglich zu regeln. So ist eine Versicherung des Veräußerers gegenüber dem Erwerber möglich und meist auch empfehlenswert, dass keine rückständigen Einlageverpflichtungen und Leistungen bestehen. Erweist sich die Versicherung als falsch, ist der Veräußerer gegenüber dem Erwerber zum Ausgleich verpflichtet.57) Zusätzlich kann der Erwerber sich die Richtigkeit der Angaben des Veräußerers durch die Gesellschaft bestätigen lassen.58) 3. 27

Rechtsstellung des Scheingesellschafters

Ist der Geschäftsanteil nicht wirksam übergegangen, der Erwerber aber dennoch als solcher in der Gesellschafterliste als neuer Gesellschafter eingetragen, so entspricht die Stellung dieses sog. Scheingesellschafters gegenüber der Gesellschaft derjenigen eines jeden anderen legitimierten Gesellschafters.59) Auf Kenntnis der GmbH von dem Mangel kommt es nicht an.60) a) Zurechenbarkeit des Rechtsscheins

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Etwas anderes gilt dann, wenn der durch die Aufnahme in die Gesellschafterliste erzeugte Rechtsschein dem Scheingesellschafter nicht zugerechnet werden kann.61) An einem zurechenbaren Rechtsschein fehlt es etwa dann, wenn die Anteilsübertragung wegen Geschäftsunfähigkeit des Veräußerers oder Erwerbers nichtig ist. Der Schutz des Geschäftsunfähigen hat insoweit Vorrang vor der Rechtssicherheitsfunktion des § 16.62) Das Gleiche gilt, wenn die Anteilsübertragung ohne Mitwirkung eines Teils durch Fälschung oder falsus procurator oder durch vis absoluta zustande gekommen ist. Schließlich muss eine Berufung auf § 16 auch dann versagen, wenn ein Anteilserwerb durch die Gesellschaft wegen Verstoßes gegen § 33 nichtig ist.63) Der Grundsatz der Kapitalerhaltung kann durch die Aufnahme einer geänderten Liste ins Register nicht unterlaufen werden. Dagegen rechtfertigt der bloße Verstoß der Abtretung gegen ein gesetzliches Verbot wie etwa § 1 GWB

_____________ 56) 57) 58) 59) 60) 61) 62) 63)

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Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 12; Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 16 Rn. 198. Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 16 Rn. 199. Limmer, ZIP 1993, 412, 419; Geck, DStR 1996, 627, 632. Reichert/Weller, GmbH-Geschäftsanteil, § 16 Rn. 95; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 17. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 16 Rn. 27. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 21; Henssler/Strohn-Verse, GesR, § 16 GmbHG Rn. 30. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 21; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 57; Scholz-Seibt, GmbHG, § 16 Rn. 24. Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 16 Rn. 56; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 4; Scholz-Seibt, GmbHG, § 16 Rn. 24.

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noch keine Abweichung von § 16.64) Insofern setzt sich der durch die Gesellschafterliste gesetzte Rechtsschein durch.65) An einem zurechenbar veranlassten Rechtsschein fehlt es ferner dann, wenn die Gesellschafterliste durch eine hierzu nicht befugte Person erstellt worden ist. Es müssen die nach § 40 zuständigen Personen gehandelt haben und die in der gleichen Vorschrift geregelten Verfahrensabläufe eingehalten worden sein, damit die Rechtswirkungen des § 16 eintreten können.66) Die Ordnungsmäßigkeit der Eintragung, insbesondere die Erstellung der Gesellschafterliste durch einen hierzu Befugten, ist das Korrelat zu der gesetzlich sanktionierten Ausblendung der materiellen Rechtslage. Denn eine Prüfung und Überwachung der Liste durch das Registergericht findet nicht statt.

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Die Legitimations- und Rechtsscheinwirkung entfällt aber nicht schon deshalb, weil Angaben – z. B. Geburtsdatum oder Wohnort – fehlen oder falsch sind, vorausgesetzt der in der Eintragung Ausgewiesene lässt sich als der in der Mitteilung Genannte identifizieren.67)

30

An der Zurechnung fehlt es ferner dann, wenn die Eintragung auf einem Versehen des Notars oder Geschäftsführers beruht.68) Das Gleiche gilt, wenn der Veräußerer oder Erwerber dem angeblichen Erwerb vor Eintragung in die Gesellschafterliste widersprochen hat.

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b) Legitimation Die Beseitigung der sachlich unrichtigen Eintragung mit Wirkung für die Zukunft vollzieht sich im Wege einer erneuten Änderung der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste. Die sachlich unrichtige Eintragung gilt für die Zukunft als nicht erfolgt. Den Scheingesellschafter trifft keine Haftung für mitgliedschaftliche Verbindlichkeiten, die erst nach der Richtigstellung der Liste fällig werden. Ebenso wenig haftet er nach der Änderung noch als „Rechtsvorgänger“ des echten Gesellschafters gemäß § 22.69) Was jedoch in der Vergangenheit aufgrund des Rechtsscheins der ordnungsgemäßen Eintragung und Aufnahme der Liste in das Register geschehen ist, wird von der späteren Änderung der Liste nicht berührt. Die unter Beteiligung des Scheingesellschafters zustande gekommenen Gesellschafterbeschlüsse bleiben wirksam. Dasselbe gilt für eine Einziehung des Anteils (§ 34) oder eine Ausschließung (§ 21). Leistungen des Scheingesellschafters an die Gesellschaft und Leistungen der Gesellschaft an den Scheingesellschafter (z. B. Zahlung _____________ 64) Vgl. zu § 16 Abs. 1 a. F. BGH, NJW-RR, 2015, 659; dem zustimmend K. Schmidt, GmbHR 2015, 505, 510. 65) Reichert/Weller, GmbH-Geschäftsanteil, § 16 Rn. 56; a. A. OLG Frankfurt/M., ZIP 1992, 1345 = GmbHR 1992, 666 = DB 1992, 1878, dazu EWiR 1992, 885 (U. Schmidt). 66) Henssler/Strohn-Verse, GesR, § 16 GmbHG Rn. 31. 67) Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 16 Rn. 59. 68) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 12; a. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 23. 69) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 84; Reichert/Weller, GmbH-Geschäftsanteil, § 16 Rn. 63; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 16 Rn. 23; Grunewald, ZGR 1991, 452, 462; Zutt in: FS Oppenhoff, S. 555, 567.

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rückständiger Einlagen, Zahlung von Dividenden) bleiben ebenfalls wirksam und verlieren nicht etwa ihren Rechtsgrund im Verhältnis zur Gesellschaft. 33

Die Legitimationswirkung greift demnach auch bei sog. Strukturbeschlüssen (Satzungsänderungen, Kapitalerhöhungen, Kapitalherabsetzungen, Verschmelzung, Formwechsel) ein, d. h. auch Strukturmaßnahmen können mit den Stimmen des Listengesellschafters ohne Beteiligung des tatsächlichen Anteilsinhabers beschlossen werden.70) Die Geschäftsführer sind gehalten, die betreffende Strukturmaßnahme auch dann auszuführen, wenn sie nach der Aufnahme der geänderten Liste Zweifel an der materiellen Berechtigung des Gesellschafters haben. Auch das Registergericht ist an die Wirkung des § 16 Abs. 1 gebunden und hat die Strukturmaßnahme einzutragen.71) Bei Strukturmaßnahmen unter Mitwirkung eines Scheingesellschafters stellt sich die Frage, welche Auswirkungen sie auf die Rechtsposition des materiell berechtigten Gesellschafters haben. Dabei ist danach zu unterscheiden, ob der Vollzug der Strukturmaßnahme rechtsgeschäftlich oder kraft Gesetzes eintritt.

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Übernimmt der Scheingesellschafter i. R. einer effektiven Kapitalerhöhung durch Zeichnung einen Geschäftsanteil, so wird nur er und nicht der materiell Berechtigte mit Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister Inhaber des neu entstandenen Geschäftsanteils.72) Dem wahren Gesellschafter, dessen Beteiligung an der Gesellschaft dadurch verwässert werden kann, können insoweit allenfalls Schadensersatzansprüche gegenüber dem Scheingesellschafter zustehen. Treten die Rechtsfolgen dagegen wie etwa bei der nominellen Kapitalerhöhung (Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln) kraft Gesetzes ein, so vollzieht sich die Strukturmaßnahme nach Maßgabe der wahren Rechtslage, ohne dass es auf die aktive Teilnahme oder Kenntnis des materiell berechtigten Gesellschafters ankäme. Inhaber des neuen Geschäftsanteils wird in diesem Fall daher der tatsächliche Anteilsinhaber und nicht der Scheingesellschafter.73) Gleiches gilt im Falle des Formwechsels bzw. der Verschmelzung.74) Auch in diesem Fall setzt sich jedoch die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 nach Vollzug der Strukturmaßnahme unter Beteiligung des Scheingesellschafters fort. Zwar wird i. R. einer nominellen Kapitalerhöhung, einer Verschmelzung, einer Spaltung oder eines Rechtsformwechsels der Geschäftsanteil dem wahren Anteilsinhaber zugewiesen, im Verhältnis zur Gesellschaft gilt jedoch weiterhin der bislang ausgewiesene Scheingesellschafter auch als Inhaber des neuen Geschäftsanteils.75) _____________ 70) Dazu Schnorbus, ZGR 2004, 126, 133 ff; Scholz-Seibt, GmbHG, § 16 Rn. 36. 71) OLG Hamm, ZIP 2001, 1918, 1920 = GmbHR 2001, 920 = DB 2001, 2396; Stein in: FS Ulmer, S. 642, 646; Boujong, NZG 2003, 497, 501; Schnorbus, ZGR 2004, 126, 133; a. A. wohl OLG Köln, GmbHR 1990, 82, 83. 72) Schnorbus, ZGR 2004, 126, 136; zur Kapitalerhöhung durch Aufstockung der Nennbeträge Schothöfer, GmbHR 2003, 1321, 1324; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 78; Henssler/Strohn-Verse, GesR, § 16 GmbHG Rn. 14. 73) Stein in: FS Ulmer, S. 643, 647; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 78; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 17; Henssler/Strohn-Verse, GesR, § 16 GmbHG Rn. 14; diff.: Schnorbus, ZGR 2004, 126, 136 ff. 74) Schnorbus, ZGR 2004, 126, 144 ff; a. A. Schothöfer, GmbHR 2003, 1321, 1326 f. 75) Schnorbus, ZGR 2004, 126, 153 f; Stein in: FS Ulmer, S. 643, 650 f.

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Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter

§ 16

c) Haftung für rückständige Einlageverpflichtungen (Abs. 2) Umstritten war schon vor der GmbH-Reform das rechtliche Schicksal der noch offenen mitgliedschaftlichen Verpflichtungen, z. B. noch nicht geleisteter Einlagen, die zum Zeitpunkt der Berichtigung der Gesellschafterliste bereits fällig waren. Der Bundesgerichtshof hat zu § 16 a. F. entschieden, die Anfechtung des Anteilserwerbs könne die im Zeitpunkt der Anfechtung bereits fällig gewordene Einlageschuld nicht mehr betreffen, da die Einlagepflicht des Scheingesellschafters nicht davon abhängen könne, ob er seine Leistung pünktlich erbracht oder bis zum wirksamen Widerruf hinausgezögert habe.76) An dieser Rechtsprechung ist im Schrifttum berechtigte Kritik geübt worden.77) Im Hinblick auf Sinn und Zweck des § 16 ist es entgegen der Auffassung des Bundesgerichtshofes sehr wohl sachgerecht, zwischen bereits erbrachten Einlageleistungen des Scheingesellschafters und noch offenstehenden Scheinansprüchen zu differenzieren.78) Nach § 16 soll sich die Gesellschaft, so lange die Eintragung besteht, darauf verlassen können, dass der durch sie erzeugte Rechtsschein der Wirklichkeit entspricht. Daher können bis zur Änderung der Liste bereits erbrachte Leistungen des Scheingesellschafters nicht mehr zurückgefordert werden. Ist der Rechtsschein jedoch erst einmal durch Aufnahme einer korrigierten Liste beseitigt und besteht damit Klarheit darüber, dass der Erwerber materiell-rechtlich nie Gesellschafter geworden ist, so ist kein Grund ersichtlich, warum die Ansprüche aus der Mitgliedschaft von der Gesellschaft gegenüber einem Nichtgesellschafter geltend gemacht werden können. Auch unter dem Gesichtspunkt der Kapitalaufbringung ist eine Weiterhaftung des Scheingesellschafters für rückständige Verbindlichkeiten nach der Richtigstellung der Liste nicht mehr geboten, da die Gesellschaft sich wegen der noch offenen Einlagen an den Veräußerer halten kann.79)

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IV. Gutgläubiger Erwerb (Abs. 3) Vor der GmbH-Reform durch das MoMiG fehlte es an der Möglichkeit, GmbHGeschäftsanteile gutgläubig zu erwerben. Denn die Übertragung von (nicht-verbrieften) Geschäftsanteilen (§ 15) richtet sich nach den Regeln der Abtretung von Rechten, die einen Gutglaubensschutz nicht vorsehen (§§ 398 ff, 413 BGB). Nur im Falle des Erwerbs vom „Scheinerben“ kam wegen des öffentlichen Glaubens des Erbscheins (§ 2366 BGB) ein wirksamer Erwerb vom Nichtberechtigten in Betracht.80)

_____________ 76) BGHZ 84, 47, 49 ff = ZIP 1982, 837 = NJW 1982, 2822. 77) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 44 f; Altmeppen, ZIP 2009, 345, 352; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 118; ebenso OLG Hamm, ZIP 2006, 233 = GmbHR 2006, 252 = NZG 2006, 268; a. A. Scholz-Seibt, GmbHG, § 16 Rn. 56; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 16 Rn. 61; Limmer, ZIP 1993, 412, 418; Geck, DStR 1996, 627, 632. 78) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 118; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 16 Rn. 24; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 44 f. 79) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 118; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 49. 80) Mayer, DNotZ 2008, 403, 415; vgl. auch Schockenhoff/Höder, ZIP 2006, 1841, 1845; Vossius, DB 2007, 2299, 2300.

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§ 16 1.

Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter

Voraussetzungen (Abs. 3 Satz 1)

a) Erwerb eines Geschäftsanteils 37

Gutgläubig erworben werden kann nur ein existenter Geschäftsanteil.81) Umstritten ist, ob und unter welchen Voraussetzungen eine unrichtige Stückelung der Geschäftsanteile dem gutgläubigen Erwerb entgegensteht. Relevant ist dies insbesondere bei der fehlerhaften Teilung oder Zusammenlegung von Geschäftsanteilen. Ein Teil der Literatur lehnt einen gutgläubigen Erwerb nach Maßgabe einer in der Gesellschafterliste aufgeführten unrichtigen Stückelung ab82) und verweist zur Begründung auf die bisherige Rechtsprechung, wonach eine fehlerhafte Stückelung die Nichtexistenz der ausgewiesenen Geschäftsanteile zur Folge hat.83) Die Gegenauffassung erstreckt den Gutglaubensschutz der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste auch auf die Stückelung der Anteile,84) was aber nur gelte, wenn die Summe der in der Gesellschafterliste mit einer falschen Stückelung ausgewiesenen Geschäftsanteile die Summe der tatsächlich existierenden Anteile nicht überschreite.85) Dem ist mit Blick auf das Ziel des Gesetzgebers, durch Einführung eines gutgläubigen Anteilserwerbs die Rechtssicherheit zu erhöhen und die Transaktionskosten zu senken, zuzustimmen.

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§ 16 Abs. 3 setzt einen Erwerb durch Rechtsgeschäft voraus. In Fällen der Gesamtrechtsnachfolge findet kein gutgläubiger Erwerb statt.86) Es muss sich ferner um ein Verkehrsgeschäft handeln, d. h. auf Erwerberseite muss mindestens eine Person beteiligt sein, die nicht zugleich auf Veräußererseite steht.87)

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Ausgeschlossen ist nach h. M. de lege lata ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb88) von Geschäftsanteilen, obgleich er de lege ferenda wünschenswert erscheint, um teure und zeitaufwendige Due-Diligence-Prüfungen zu vermeiden.89) Namentlich _____________ 81) RegE v. 23.5.2007, BT-Drucks. 16/6140, S. 39; Kort, GmbHR 2009, 169, 174; Vossius, DB 2007, 2299, 2300; Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 897; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 15; Mayer, DNotZ 2008, 403, 418; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 16 Rn. 74. 82) Mayer, DNotZ 2008, 403, 418; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 66; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 16 Rn. 73; Flesner, NZG 2006, 641, 643. 83) BGH, NZG 2005, 927, 928 = ZIP 2005, 1824 = GmbHR 2005, 1494. 84) Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 15; Böttcher/Blasche, NZG 2007, 565 ff; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 129; Scholz-Seibt, GmbHG, § 16 Rn. 72; Henssler/ Strohn-Verse, GesR, § 16 GmbHG Rn. 57. 85) Löbbe, GmbHR 2016, 141, 143. 86) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 16 Rn. 86; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 77; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 145; Scholz-Seibt, GmbHG, § 16 Rn. 66; Henssler/Strohn-Verse, GesR, § 16 GmbHG Rn. 60. 87) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 16 Rn. 87; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 78. 88) Ganz h. M. vgl. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 16 Rn. 74; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 132 m. N.; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 69; Scholz-Seibt, GmbHG, § 16 Rn. 73 Henssler/Strohn-Verse, GesR, § 16 GmbHG Rn. 93; a. A. Reymann, WM 2008, 2095, 2101 ff; Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 16 Rn. 314 ff. 89) Vgl. Bayer/Koch-Reichert, Das neue GmbH-Recht, S. 29, 44; Harbarth, ZIP 2008, 57, 64; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 16 Rn. 74; Scholz-Seibt, GmbHG, § 16 Rn. 74; bilanzierend Paefgen/Wallisch, NZG 2016, 801.

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§ 16

Pfand- und Nießbrauchsrechte gehen daher an den Erwerber über, unabhängig davon, ob er von solchen Belastungen Kenntnis hatte oder nicht.90) Ebenso wenig geschützt ist der gute Glaube an die freie Übertragbarkeit von Geschäftsanteilen, d. h. eine Vinkulierung nach § 15 Abs. 5 lässt sich – trotz Gutgläubigkeit des Erwerbers – nicht überwinden.91) Dafür, dass sich die Regelung allein auf die Rechtsinhaberschaft bezieht, spricht schon die Formulierung „vom Nichtberechtigten“.92) Denn die Berechtigung zur Veräußerung eines Anteils und die Belastung desselben sind gedanklich und begrifflich voneinander zu trennen. § 81 Abs. 1 Satz 2 InsO ermöglicht bei Eintragung des Insolvenzschuldners in ein bestimmtes Register einen gutgläubigen Erwerb, wenn der Insolvenzschuldner nach Eintritt der Insolvenz noch über seinen Geschäftsanteil verfügt. Eine analoge Anwendung des § 81 Abs. 1 Satz 2 InsO auf den Fall des in der Gesellschafterliste eingetragenen Insolvenzschuldners wird von Teilen des Schrifttums93) befürwortet. Dagegen spricht jedoch, dass der redliche Erwerb i. S. d. § 81 Abs. 1 Satz 2 InsO gerade auf der besonderen Richtigkeitsgewähr beruht, die daraus folgt, dass die dort bezeichneten Register – im Gegensatz zur Gesellschafterliste – die Eintragung einer Inhaltskontrolle unterziehen.94)

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b) Erwerb eines Rechts an einem Geschäftsanteil Absatz 3 erfasst nach dem eindeutigen Wortlaut auch den Erwerb eines Rechts an einem Geschäftsanteil. Der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass in jedem Fall das nach § 1274 Abs. 1 Satz 1 BGB zu bestellende Pfandrecht als ein solches Recht gelten solle und die Vorschrift sich „teilweise“ an § 892 BGB anlehne.95) Weitere konkrete Hinweise geben die Materialien nicht. Der Verweis auf § 892 BGB legt nahe, dass auch der Nießbrauch an einem Geschäftsanteil (§ 1068 Abs. 1 BGB) unter die Regelung fallen soll, nicht aber die Unterbeteiligung, die nur eine BGB-Innengesellschaft begründet.96) Verpflichtungen des Gesellschafters ohne Drittwirkung oder Wechsel der dinglichen Zuordnung wie bei der Vereinbarungstreuhand oder Absprachen hinsichtlich abspaltbarer Gläubigerrechte scheiden ebenfalls aus.97)

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c) Listeneintrag Ein gutgläubiger Erwerb setzt das Vorhandensein einer Gesellschafterliste als Rechtsscheinträger voraus, die den Veräußerer als Inhaber des Gesellschaftsanteils _____________ 90) Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 898; Mayer, DNotZ 2008, 403, 418; Bohrer, DStR 2007, 995 ff; Vossius, DB 2007, 2299, 2303. 91) Mayer, DNotZ 2008, 403, 418; Rischbieter/Gröning-Rischbieter, 5. Kap. Rn. 100; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 16 Rn. 76; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 134; Scholz-Seibt, GmbHG, § 16 Rn. 76. 92) Mayer, DNotZ 2008, 403, 417 f. 93) Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 20; Vossius, DB 2007, 2299, 2302. 94) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 79. 95) RegE v. 23.5.2007, BT-Drucks. 16/6140, S. 38. 96) Mayer, DNotZ 2008, 403, 419; Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 16 Rn. 309 f; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 142. 97) Mayer, DNotZ 2008, 403, 419; Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 16 Rn. 311 f.

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§ 16

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ausweist. Welchen formellen Anforderungen die Gesellschafterliste genügen muss, siehe § 40 Rn. 4 ff [Wachter]. 43

Unstreitig reichen kleinere Unstimmigkeiten und Fehler noch nicht aus, um der Gesellschafterliste die Qualität als Rechtsscheinträger abzusprechen. Wenn lediglich einzelne Angaben, z. B. das Geburtsdatum oder die laufende Nummer des Anteils, fehlen, kann ein Gutgläubiger dennoch den Geschäftsanteil erwerben, vorausgesetzt, der aufgeführte „Inhaber“ des Anteils lässt sich zweifelsfrei – ohne außerhalb der Liste verfügbare Informationen – identifizieren.98)

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Fraglich ist aber, wie der Fall zu behandeln ist, dass nicht ein vertretungsberechtigter Geschäftsführer die Liste erstellt und eingereicht hat, sondern ein unbefugter Dritter. Ein Teil der Literatur erkennt eine gefälschte Liste nicht als tauglichen Rechtsscheinträger an.99)

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Für diese Ansicht sprechen rechtspolitisch gute Gründe, die vor Verabschiedung des MoMiG eingehend dargelegt und diskutiert wurden.100) Denn die Annahme eines gutgläubigen Erwerbs in solchen Konstellationen lässt sich mit den überkommenen Gutglaubenstatbeständen im deutschen Recht nur schwer vereinbaren, wenn sie nicht gar einen „Systembruch“ bedeutet. Bisher eröffnete die Rechtsordnung die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs dann, wenn entweder die Angaben, auf die sich der gute Glaube bezieht, i. R. einer registerrechtlichen oder sonstigen öffentlichen Prüfung verifiziert wurden („reines Rechtsscheinprinzip“)101) oder der Berechtigte selbst den Verlust seiner Rechtsposition in irgendeiner Weise veranlasst hatte („Veranlassungsprinzip“).102) In keine dieser beiden Kategorien lässt sich eine Regelung einordnen, die es erlaubt, dass ein Geschäftsanteil vom Nichtberechtigten aufgrund eines manipulierten Listeneintrags erworben wird. An einem registerrechtlichen Schutzmechanismus fehlt es. Ebenso wenig wird dem Veranlassungsprinzip in einer mit §§ 932 ff BGB vergleichbaren Weise Rechnung getragen.103)

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Hinzu kommt, dass – wenn man eine Rechtsscheinwirkung nach Absatz 3 trotz Listenfälschung bejaht – man sich nicht nur in Widerspruch setzt zu den Gutglaubenstatbeständen in anderen Rechtsgebieten, sondern auch zu Absatz 1; denn ein Rechtsschein kann nach dieser Vorschrift im Falle einer Fälschung nicht entstehen (siehe Rn. 27 f).104) Diese Differenzierung mag in der Sache weniger schwer wiegen, beeinträchtigt aber die Übersichtlichkeit der Gesamtregelung.

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So berechtigt die Einwände auch sind, sie haben keinen unmittelbaren Niederschlag im Gesetzestext gefunden, der die Notwendigkeit einer „Zurechnung“ nur i. R. d. Ausschlussgrundes des Absatzes 3 Satz 2 normiert und gerade nicht beim _____________ 98) Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 792; Vossius, DB 2007, 2299, 2300 f; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 14; Mayer, DNotZ 2008, 403, 418 f; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 148. 99) Wicke, GmbH, § 16 Rn. 14; Bohrer, DStR 2007, 995, 998. 100) Vgl. insbesondere die Kritik von Harbarth, ZIP 2008, 57 ff; Bednarz, BB 2008, 1854 ff. 101) Eidenmüller, ZGR 2007, 168, 203. 102) Bednarz, BB 2008, 1854, 1855; Bohrer, DStR 2007, 995, 998. 103) Harbarth, ZIP 2008, 57, 60; Bednarz, BB 2008, 1854, 1856. 104) Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 16 Rn. 248.

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§ 16

Grundtatbestand des Absatzes 3 Satz 1.105) Das bedeutet, dass es auf eine Zurechnung nicht ankommt, wenn mehr als drei Jahre verstrichen sind. Gewiss ist damit logisch nicht ausgeschlossen, neben der Zurechnung noch eine zweite elementare Kategorie anzunehmen, die Extremfälle wie Fälschung, vis absoluta usw. erfasst.106) Dieser Annahme steht indes die Gesetzgebungsgeschichte entgegen.107) Der Bundesrat hatte nämlich das Problem erkannt und ausdrücklich auf die Gefahr einer Fälschung hingewiesen, die durch den Umstand erleichtert werde, dass Registerdokumente, auf denen sich häufig auch Unterschriftszüge befinden, nunmehr online abgerufen werden können. Damit lasse sich im einfachsten Fall die Unterschrift vom abgerufenen Dokument per Grafikprogramm in eine manipulierte Gesellschafterliste hineinkopieren.108) Diese Bedenken hat die Bundesregierung jedoch ausdrücklich zurückgewiesen und die Implementierung eines Beglaubigungserfordernis i. R. d. § 40 Abs. 1 Satz 1 mit der Begründung abgelehnt, der wahre Rechtsinhaber sei auch ohne ein solches Erfordernis hinreichend geschützt. Denn habe jemand unberechtigt eine Liste eingereicht, so habe derjenige, dessen Rechtsstellung in dieser Liste falsch wiedergegeben werde, drei Jahre Zeit (Abs. 3 Satz 2), um eine Korrektur der Liste zu veranlassen. Dadurch werde die möglicherweise geringere vorbeugende Kontrolle der Richtigkeit der Liste ausgeglichen.109) Dahinter steht offenbar die Vorstellung, dass das Unterlassen einer Kontrolle der Liste innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren ein Äquivalent zur (aktiven) Veranlassung bei anderen Gutglaubenstatbeständen bildet.110) Ob diese Gleichsetzung dogmatisch überzeugen kann, sei dahingestellt, jedenfalls bietet Absatz 3 Satz 2 dem Berechtigten unbestreitbar einen gewissen Schutz, und die Überprüfung einer online abrufbaren Gesellschafterliste alle drei Jahre bürdet dem Berechtigten wohl auch keine unzumutbaren Lasten auf,111) sodass ein Verstoß des Absatzes 3 gegen Art. 14 GG nicht in Betracht kommt.112) In den im Schrifttum diskutierten Fällen der Fälschung der Liste durch den späteren Erwerber oder einen mit diesem kollusiv zusammenwirkenden Dritten ist der wahre Gesellschafter ohnehin durch das Erfordernis der Gutgläubigkeit (Abs. 3 Satz 3) geschützt.113) De lege lata führt daher kein Weg daran vorbei, bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs auf der Grundlage einer gefälschten Gesellschafterliste anzuerkennen.114) _____________ 105) Vgl. Reymann, BB 2009, 506, 510. 106) In diesem Sinne wohl Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 62. 107) Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 16 Rn. 256; Vossius, DB 2007, 2299, 2301; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 16 Rn. 68; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 151. 108) Stellungnahme BRat v. 6.7.2007, BT-Drucks. 16/6140, S. 159. 109) Stellungnahme BReg, BT-Drucks. 16/6140, Anlage 3, S. 9 f. 110) Vgl. Harbarth, ZIP 2008, 57, 60; Bednarz, BB 2008, 1854, 1856. 111) Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 793. 112) Offengelassen von Harbarth, ZIP 2008, 57, 62. 113) Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 16 Rn. 259. 114) Vgl. Vossius, DB 2007, 2299, 2301; Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 793; Bednarz, BB 2008, 1854, 1856; Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 16 Rn. 255; Reymann, BB 2009, 506, 510; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 152.

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§ 16 2.

Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter

Ausschlussgründe (Abs. 3 Sätze 2 – 5)

a) Dreijährige Unrichtigkeit 49

Von den Fällen der Zurechenbarkeit abgesehen (siehe Rn. 53 f) kann ein gutgläubiger Erwerb erst eintreten, wenn die im Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste hinsichtlich des Geschäftsanteils drei Jahre lang unrichtig ist. Dabei kommt es nach der Gesetzesbegründung entscheidend darauf an, „dass der- oder diejenigen, die im Laufe der vorangegangenen drei Jahre als Inhaber in der Gesellschafterliste eingetragen waren, durchgehend nicht die wahren Berechtigten waren.“115) Es ist also weder erforderlich noch ausreichend, dass der Nichtberechtigte, der den Geschäftsanteil veräußert, selbst drei Jahre als Inhaber des betreffenden Anteils eingetragen war. Nicht die Dauer der Voreintragung, sondern die Dauer der Unrichtigkeit ist maßgeblich.116)

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Verhältnismäßig leicht lässt sich der Zeitpunkt der Unrichtigkeit feststellen, wenn die Gesellschafterliste bereits mit ihrer Einreichung unrichtig ist. Dann beginnt die Frist mit der Aufnahme der Liste in das Handelsregister, die erstmalig einen Nichtberechtigten als Inhaber des Geschäftsanteils ausweist.117) Wird anschließend eine bezüglich dieses Geschäftsanteils richtige Liste eingereicht, so beginnt hinsichtlich dieses Anteils die Drei-Jahres-Frist erneut, wenn eine neue unrichtige Liste in das Handelsregister aufgenommen wird.118)

51

So einfach liegen die Dinge aber nicht immer. Eine ursprünglich richtige Gesellschafterliste kann auch später noch unrichtig werden. Zu denken ist etwa an eine zweite Veräußerung eines Geschäftsanteils durch den ursprünglich Berechtigten, nachdem der erste Erwerber, der „Berechtigte“ i. S. d. Absatzes 3, versehentlich nicht in die Gesellschafterliste aufgenommen wurde.119) Ein solches Versehen liegt nahe insbesondere, wenn die erste Veräußerung aufschiebend bedingt erfolgte und der Notar von dem Bedingungseintritt keine Kenntnis erlangte.120) In diesen Fällen beginnt der Lauf der Drei-Jahres-Frist erst in dem Moment, in dem die Liste unrichtig wird.121)

52

Ein Sonderproblem stellt sich, wenn die Unrichtigkeit einer Gesellschafterliste darauf beruht, dass die Erstübertragung eines Gesellschafteranteils wirksam nach § 123 BGB angefochten wurde.122) Da eine solche Anfechtung ex tunc wirkt _____________ 115) RegE v. 23.5.2007, BT-Drucks. 16/6140, S. 39. 116) Rischbieter/Gröning-Rischbieter, 5. Kap. Rn. 119, 121; Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 16 Rn. 264; Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 897; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 156. 117) Vossius, DB 2007, 2299, 2301; Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 792; Bohrer, DStR 2007, 995, 1001 f; Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 16 Rn. 265; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 21; Kort, GmbHR 2009, 169, 175. 118) RegE v. 23.5.2007, BT-Drucks. 16/6140, S. 39. 119) Schockenhoff/Höder, ZIP 2006, 1841, 1842; Rischbieter/Gröning-Rischbieter, 5. Kap. Rn. 121. 120) Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, 1. Aufl. 2010, § 16 Rn. 235. 121) Kort, GmbHR 2009, 169, 175; Mayer, DNotZ 2008, 403, 420; Heidinger in: MünchKommGmbHG, § 16 Rn. 265; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 21; Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 897. 122) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 158.

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(§ 142 Abs. 1 BGB), erwarb der (gutgläubige) Zweiterwerber vom Nichtberechtigten. Das wirft die Frage auf, ob die Drei-Jahres-Frist rückwirkend mit Aufnahme der Liste beginnt, die den Nichtberechtigten als Inhaber des Geschäftsanteils ausweist, oder mit Zugang der Anfechtungserklärung beim Nichtberechtigten. Der erste Ansatz ist besser mit § 142 Abs. 1 BGB zu vereinbaren,123) bedeutet aber auch, dass dann, wenn im Zeitpunkt der Anfechtung bereits drei Jahre verstrichen waren, ein gutgläubiger Erwerb eintritt, obwohl der Berechtigte keine Chance hatte, auf eine rechtzeitige Korrektur der Liste hinzuwirken, ihm also keine Obliegenheitsverletzung anzulasten ist, die den Verlust der durch Art. 14 GG geschützten Rechtsposition rechtfertigt. b) Fehlende Zurechenbarkeit Dass die Drei-Jahres-Frist nicht abgelaufen ist, reicht für sich genommen noch nicht aus, um einen gutgläubigen Erwerb auszuschließen, vielmehr darf die Unrichtigkeit des Listeneintrags dem Berechtigten zudem nicht zurechenbar sein. Das Merkmal der Zurechenbarkeit dient als Korrektiv, weil die Frist vergleichsweise lang bemessen ist.

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Eine Zurechnung scheidet nach der Gesetzesbegründung aus, wenn der Geschäftsführer ohne Wissen des Gesellschafters eine falsche Liste einreicht, in der seine Rechtsstellung nicht mehr vollständig aufgeführt ist.124) Eine Zurechnung ist auch dann nicht vertretbar, wenn der wahre Erbe nichts von dem Erbfall weiß oder ihm seine Erbeinsetzung unbekannt ist und er aus diesen Gründen nicht gegen die Eintragung des Scheinerben vorgeht.125) Ferner dürfen Verzögerungen im registerrechtlichen Verfahren oder eine verzögerte Einreichung der Liste durch den Geschäftsführer bzw. den Notar dem Berechtigten nicht zum Nachteil gereichen.126)

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Dagegen ist eine Zurechnung zu bejahen, wenn der Berechtigte die Unrichtigkeit (mit-) zu verantworten hat, also vor allem wenn er an der tatsächlichen oder vermeintlichen Veränderung der Gesellschafterstellung selbst mitgewirkt hat und sich anschließend nicht darum kümmert, dass die Liste seine Rechtsstellung richtig abbildet.127) Die Gesetzesbegründung verweist auf den Fall, dass zunächst der Scheinerbe des früheren Gesellschafters in der Gesellschafterliste eingetragen wird und der wahre Erbe es (im Bewusstsein seiner Erbenstellung) unterlässt, die Geschäftsführer zur Einreichung einer korrigierten Liste zu veranlassen.128)

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Zu beachten ist in Erbfällen außerdem stets die Möglichkeit, dass ein Scheinerbe aufgrund Erbscheins in die Gesellschafterliste eingetragen wird. Dann kann wegen § 2366 BGB schon vor Ablauf der drei Jahre ein gutgläubiger Erwerb in

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_____________ 123) Vossius, DB 2007, 2299, 2302. 124) RegE v. 23.5.2007, BT-Drucks. 16/6140, S. 39. 125) Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 792; Vossius, DB 2007, 2299, 2302; Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 16 Rn. 273. 126) Mayer, DNotZ 2008, 403, 421; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 22; Heidinger in: MünchKommGmbHG, § 16 Rn. 275; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 162. 127) Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 897; Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 792; Mayer, DNotZ 2008, 403, 421; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 22. 128) RegE v. 23.5.2007, BT-Drucks. 16/6140, S. 39.

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Betracht kommen, auch wenn der Berechtigte die Unrichtigkeit der Liste nicht zu verantworten hat.129) 57

Die Beweislast für die fehlende Zurechnung trägt der wahre Berechtigte.130) c) Bösgläubigkeit

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Nach Absatz 3 Satz 3 ist ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen, wenn dem Erwerber die mangelnde Berechtigung bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist. Die Bös- bzw. Gutgläubigkeit muss sich auf die Rechtsinhaberschaft beziehen.131) Die Beweislast für die Bösgläubigkeit trägt der wahre Rechtsinhaber.

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Dass der gutgläubige Erwerb auch in Fällen grob fahrlässiger Unkenntnis ausgeschlossen ist, versteht sich nicht von selbst. § 892 Abs. 1 sieht einen Ausschluss allein bei positiver Kenntnis vor. Das Gleiche gilt für den öffentlichen Glauben des Erbscheins nach § 2366 BGB.132) Zudem besteht die Gefahr, dass bei einer weiten Auslegung des Merkmals „grob fahrlässige Unkenntnis“ der gesetzgeberische Anspruch konterkariert werden könnte, durch die Ermöglichung eines gutgläubigen Erwerbs von Geschäftsanteilen „unnötig hohe Transaktionskosten und Rechtsunsicherheiten“133) zu vermeiden. Es wird sich zeigen, wie die höchstrichterliche Rechtsprechung die Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 3 konkretisiert. Bis dahin muss die zu § 932 Abs. 2 BGB entwickelte Formel des Bundesgerichtshofes als Anhaltspunkt genügen, grob fahrlässige Unkenntnis liege dann vor „wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt wurde, wenn ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseite geschoben wurden und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall sich jedem aufgedrängt hätte“.134)

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Man könnte erwägen, ob nicht bereits das Unterlassen einer Due-DiligencePrüfung durch den Erwerber ausreicht, diesem eine grob fahrlässige Unkenntnis der wahren Rechtslage zu attestieren. Dagegen spricht die Absicht des Gesetzgebers, durch die Einführung des Absatzes 3 gerade aufwendige Prüfungen dieser Art überflüssig zu machen.135) Außerdem ist i. R. d. § 442 Abs. 1 BGB anerkannt, dass der Verzicht auf die Durchführung einer Due Diligence bei einem Unternehmenskauf nicht ohne weiteres zu einer grob fahrlässigen Unkenntnis des Käufers führt. Denn nach der gesetzlichen Risikoverteilung obliegt es dem Käufer nicht, ohne Anhaltspunkte Nachforschungen über den Zustand der Kaufsache anzustellen.

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Im Rahmen des § 16 Abs. 3 Satz 3 wird man ähnliche Maßstäbe anlegen müssen. Es kommt also darauf an, ob ohne nähere Untersuchung dem Erwerber Hinweise

_____________ 129) 130) 131) 132) 133) 134) 135)

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Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 22; Vossius, DB 2007, 2299, 2302. Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 792. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 16 Rn. 70. Harbarth, ZIP 2008, 57, 60. RegE v. 23.5.2007, BT-Drucks. 16/6140, S. 38. BGH, ZIP 2000, 146 = DB 2000, 516 = NJW-RR 2000, 576. Kort, GmbHR 2009, 169, 176; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 169; Henssler/Strohn-Verse, GesR, § 16 GmbHG Rn. 79.

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auf eine fehlende Inhaberschaft des Veräußerers vorliegen.136) Gibt es solche Hinweise und geht der Erwerber ihnen nicht nach, kommt die Annahme grob fahrlässiger Unkenntnis in Betracht. Sofern der Erwerber eine Due Diligence durchführt und trotzdem die fehlende Berechtigung nicht erkennt, sind die Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Schwierigkeiten kann ferner die Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunktes für die Gutgläubigkeit des Erwerbers aufwerfen. Grundsätzlich kommt es auf die Einigung über die Abtretung an. In bestimmten Fällen bedarf es jedoch einer differenzierten Betrachtung. So mag bspw. bei einem Unternehmenskauf die Abtretung von Geschäftsanteilen unter der „aufschiebenden Bedingung“ der Kaufpreiszahlung und der Freigabe durch eine bestimmte Behörde stehen. Dann stellt sich die Frage, ob die Gutgläubigkeit auch noch zum Zeitpunkt des „Bedingungseintritts“ bestehen muss.

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Es ist zu unterscheiden zwischen Bedingungen i. S. d. § 158 BGB und Rechtsbedingungen. Letztere sind die gesetzlichen Voraussetzungen für das Zustandekommen und die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts. Hierzu zählen auch Genehmigungen i. S. d. § 184 Abs. 1 BGB. Für Rechtsbedingungen gilt: Die Unkenntnis muss bis zur Vollendung des Rechtserwerbs (also auch: bis zur Erteilung der Genehmigung) andauern.137) Ausnahmsweise ist nach § 892 Abs. 2 BGB für die Kenntnis des Erwerbers die Zeit der Stellung des Antrags auf Eintragung in das Grundbuch maßgebend. Eine analoge Anwendung des § 892 Abs. 2 BGB erscheint nicht ausgeschlossen, vorausgesetzt, es handelt sich tatsächlich um genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäfte i. S. d. § 184 Abs. 1 BGB, deren Wirksamkeit mit der Genehmigung steht und fällt, was nicht immer der Fall sein wird.138)

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Ganz anders ist die Rechtslage, sofern die Parteien eine aufschiebende Bedingung vereinbart haben. Aufschiebend bedingte oder befristete Rechte entstehen als solche bereits mit ihrer Bestellung, nicht erst mit dem Eintritt der Bedingung oder des Termins.139) Die Vereinbarung besagt lediglich, dass die Rechtsfolgen nicht sofort, sondern nur im Falle eines jetzt noch ungewissen, künftigen Ereignisses gelten sollen. Die Bedingung ist nicht Teil eines zum Erwerbe erforderlichen Rechtsaktes. Die Kenntnis, die der Erwerber vor dem Bedingungseintritt erlangt, kann ihm daher nicht mehr schaden.140) Sogar die Bösgläubigkeit vor Stellung eines Antrags bei einer Behörde, deren „Genehmigung“ keine Rechtsbedingung, sondern eine aufschiebende Bedingung bildet, ist unschädlich.

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d) Zuordnung eines Widerspruchs Nach § 16 Abs. 3 Satz 3 ist ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen, wenn der Gesellschafterliste ein Widerspruch zugeordnet ist (siehe Rn. 7 f). Die Bestimmung lehnt _____________ 136) Mayer, DNotZ 2008, 403, 422; Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 16 Rn. 277; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 23; Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 898. 137) Staudinger-Gursky, BGB, § 892 Rn. 211; Scholz-Seibt, GmbHG, § 16 Rn. 87. 138) Palandt-Grüneberg, BGB, § 275 Rn. 35 ff; Palandt-Ellenberger, BGB, Einf. vor § 182 Rn. 3 ff. 139) Staudinger-Gursky, BGB, § 892 Rn. 212. 140) Scholz-Seibt, GmbHG, § 16 Rn. 87.

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sich an § 892 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 899 Abs. 2 BGB an. Der Widerspruch zerstört die Gutglaubenswirkung des Absatzes 3. 66

Nach der Gesetzesbegründung soll der Widerspruch wie die Gesellschafterliste über das elektronische Handelsregister für Jedermann online einsehbar sein.141) § 9 Abs. 1 Satz 3 HRV bestimmt, dass ein Widerspruch gegen eine Eintragung der Gesellschafterliste zuzuordnen und zudem besonders hervorzuheben ist. Die Einzelheiten sind allerdings weder dem Gesetz noch der Gesetzesbegründung zu entnehmen. Allgemein wird unter Zuordnung verstanden, dass der elektronisch eingereichte Widerspruch mit dem entsprechenden Tiff-Dokument der Gesellschafterliste im dafür vorgesehenen Registerordner verbunden ist.142) Den Widerspruch voranzustellen, erscheint empfehlenswert.143)

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Die Zuordnung erfolgt in technischer Hinsicht zur ganzen Liste (Abs. 3 Satz 3: „der Liste“), inhaltlich bezieht sich der Widerspruch hingegen nur auf die Listenposition eines bestimmten Gesellschafters (§ 9 Abs. 1 Satz 3 HRV: „Eintragung in der Gesellschafterliste“), sodass der Widerspruch einem gutgläubigen Erwerb nur in Bezug auf diese Listenposition entgegensteht.144)

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Fraglich ist, was geschieht, wenn später im Zuge von Veränderungen, die aber den Listeneintrag, auf den sich der Widerspruch bezieht, nicht berühren, die mit dem Widerspruch versehene Liste durch eine neue ersetzt wird. Da es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung fehlt, könnte man annehmen, dass der Widerspruch verschwindet und ein gutgläubiger Erwerb wieder möglich ist. Damit wäre allerdings das Instrument des Widerspruchs in seiner Wirksamkeit stark beeinträchtigt, wenn nicht entwertet. Vorzugswürdig erscheint daher die Auffassung, dass ein einmal zugeordneter Widerspruch auch jeder weiteren neuen Liste zugeordnet wird, bis eine Löschung des Widerspruchs erfolgt.145)

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Die Zuordnung eines Widerspruchs erfolgt aufgrund einer einstweiligen Verfügung oder einer Bewilligung desjenigen, gegen dessen Berechtigung sich der Widerspruch richtet (Abs. 3 Satz 4). Im Vordergrund wird meist die einstweilige Verfügung stehen. Das Gesetz bestimmt ausdrücklich, dass eine Gefährdung des Rechts des Widersprechenden nicht glaubhaft gemacht werden muss (Abs. 3 Satz 5). Glaubhaft zu machen ist lediglich der Anspruch auf Einreichung einer korrigierten Liste.146)

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Widerspruchsberechtigt ist derjenige, der vorgibt, tatsächlich Anteilsinhaber und zu Unrecht als solcher nicht in der Liste eingetragen zu sein (vgl. § 894 BGB).147) _____________ 141) 142) 143) 144) 145)

RegE v. 23.5.2007, BT-Drucks. 16/6140, S. 39. Vossius, DB 2007, 2299, 2303; Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 16 Rn. 282. Vossius, DB 2007, 2299, 2303; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 24. Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 16 Rn. 286; Scholz-Seibt, GmbHG, § 16 Rn. 91. Vgl. Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 16 Rn. 292, der eine Nachbesserung hinsichtlich der Formerfordernisse durch den Gesetzgeber anmahnt. Zur Möglichkeit der gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehenen Löschung des Widerspruchs KG Berlin, ZIP 2013, 1176, 1177 = GmbHR 2013, 762, dazu EWiR 2013, 615 (Melchior). 146) OLG Nürnberg, NZG 2014, 1347 Rn. 23 ff; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 25; Rischbieter/ Gröning-Rischbieter, 5. Kap. Rn. 137. 147) Mayer, DNotZ 2008, 403, 422; Kort, GmbHR 2009, 169, 175; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 25; Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 16 Rn. 290; Harbarth, ZIP 2008, 57, 61.

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Weniger eindeutig ist die Rechtslage in Hinsicht auf die Berechtigung der Mitgesellschafter und der Geschäftsführer. Letztere sind nach § 40 Abs. 1 für die Richtigkeit der Gesellschafterliste zuständig und haben unverzüglich nach Wirksamwerden einer Veränderung eine korrigierte Liste zum Handelsregister einzureichen. Außerdem haften sie nach § 40 Abs. 3 denjenigen, deren Beteiligung sich geändert hat, und den Gesellschaftsgläubigern für die Verletzung ihrer Aufsichtspflichten. Die Geschäftsführer könnten sich zwar damit behelfen, dass sie einfach eine neue Gesellschafterliste einreichen, die nunmehr das Recht des nicht eingetragenen Anteilsinhabers zutreffend ausweist. Indes ist nicht zu erwarten, dass sich die wahre Rechtslage immer schnell klären lässt. Der in der Gesellschafterliste Eingetragene wird möglicherweise ebenfalls vortragen, er sei der wahre Berechtigte, und die entsprechenden Dokumente vorlegen. In diesem Fall sollte es den Geschäftsführern gestattet sein, den gutgläubigen Erwerb eines Anteils von einer eingetragenen Person nicht dadurch verhindern zu müssen, dass sie eine andere Person in die Liste eintragen, deren Berechtigung ebenso zweifelhaft ist.148) Die besseren Gründe sprechen daher dafür, auch eine Widerspruchsbefugnis der Geschäftsführer anzuerkennen.149) Anders verhält es sich mit der Rechtsstellung der (Mit-)Gesellschafter. Ihnen hat der Gesetzgeber keine Verantwortung für die Gesellschafterliste zugewiesen. Die Gesellschafter haben zwar ohne Zweifel ein Interesse daran, auf die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises Einfluss zu nehmen. Doch können sie diesem Interesse über eine Vinkulierungsbestimmung in der Satzung Rechnung tragen, ein Vorgehen, das nicht durch einen Rückgriff auf die Vorschriften zum Gutglaubenserwerb überspielt werden sollte.150) Den (Mit-) Gesellschaftern steht folglich keine Widerspruchsbefugnis zu.151)

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Antragsgegner im Verfügungsverfahren ist der in der Gesellschafterliste als Anteilsinhaber Ausgewiesene, gegen den sich der Widerspruch richtet.152) Die Anordnung einer einstweiligen Verfügung ist für denjenigen, der sie erwirkt hat, durchaus mit Risiken verbunden, wenn sich die Anordnung als von Anfang an ungerechtfertigt erweist. Für diesen Fall sieht § 945 ZPO eine Schadensersatzpflicht vor.153) Die Löschung des Widerspruchs hat durch Bewilligung des Widersprechenden zu erfolgen.154) Gegebenenfalls ist Klage zu erheben.

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_____________ 148) Harbarth, ZIP 2008, 57, 61. 149) Kort, GmbHR 2009, 169, 175; Mayer, DNotZ 2008, 403, 422 f; Heidinger in: MünchKommGmbHG, § 16 Rn. 290; Harbarth, ZIP 2008, 57, 61; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 184; a. A.: Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 16 Rn. 99; ScholzSeibt, GmbHG, § 16 Rn. 94. 150) Harbarth, ZIP 2008, 57, 61. 151) Harbarth, ZIP 2008, 57, 61; Rischbieter/Gröning-Rischbieter, 5. Kap. Rn. 136; ähnlich (Befugnis „zweifelhaft“): Mayer, DNotZ 2008, 403, 422; Kort, GmbHR 2009, 169, 175; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 25; Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 16 Rn. 290; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 185. 152) Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 25. 153) Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 25. 154) KG Berlin, ZIP 2013, 1176, 1177 = GmbHR 2013, 762, dazu EWiR 2013, 615 (Melchior); Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 16 Rn. 292.

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Nicht einfach zu beantworten ist die Frage, ob bei einer aufschiebend bedingten Geschäftsanteilsabtretung der (Erst-) Erwerber die aus der bedingten Übertragung resultierende Einschränkung der Verfügungsbefugnis des Veräußerers in der Form eines Widerspruchs öffentlich machen kann. Das Problem ist dogmatisch bei § 161 BGB zu verorten. Vor Inkrafttreten des MoMiG war allein § 161 Abs. 1 BGB maßgeblich. Danach galt: Hat jemand über seinen Geschäftsanteil aufschiebend bedingt verfügt, so ist jede Zwischenverfügung, die der Veräußerer anschließend (aber noch vor Bedingungseintritt) vornimmt, zunächst wirksam, weil der Veräußerer ja immer noch als Berechtigter verfügt. Infolge des Bedingungseintritts indes wird die Zwischenverfügung nach § 161 Abs. 1 BGB unwirksam. Derjenige, der aufgrund einer aufschiebend bedingten Veräußerung erwarb, der Ersterwerber, befand sich also nach alter Rechtslage in einer vergleichsweise komfortablen Situation.155)

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Nunmehr existieren allerdings auch für die Abtretung von Geschäftsanteilen „Vorschriften zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten“ (§ 161 Abs. 3 BGB). Diese finden – nach § 161 Abs. 3 BGB – „entsprechende Anwendung“. Die Situation des Ersterwerbers wäre nicht mehr so günstig, wenn der Zweit- oder Zwischenerwerber, der von der vorangegangenen aufschiebend bedingten Übertragung nichts weiß, auch dann Inhaber des Geschäftsanteils bliebe, wenn die Bedingung eintritt.

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Nach bislang h. A. in der Literatur156) schützt der gutgläubige Erwerb auch vor unentdeckt gebliebenen Zwischenabtretungen an einen Dritten. Dem ist der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 20.9.2011157) entgegengetreten. Der gute Glaube daran, dass der in der Gesellschafterliste eingetragene Berechtigte den Anteil nicht zuvor aufschiebend bedingt an einen Dritten übereignet hatte, sei durch die Gesellschafterliste nicht geschützt. Damit hat sich der Bundesgerichtshof eine im Schrifttum vertretene Mindermeinung158) zu eigen gemacht, der sich zuvor auch einzelne Obergerichte angeschlossen hatten.159)

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Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20.9.2011 führt zu Wertungswidersprüchen.160) Ein Erwerb vom Nichtberechtigten wird stärker geschützt als der Erwerb von einem Noch-Berechtigten, dessen Verfügungsbefugnis aufgrund einer bedingten Abtretung beschränkt ist. Auch dogmatisch vermag der Beschluss des Bundesgerichtshofs nicht zu überzeugen. Mit seiner Forderung, der Rechtsschein_____________ 155) Reymann, WM 2008, 2095, 2097. 156) Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 16 Rn. 327 ff; Heidinger, GmbHR 2011, 428, 429 (Urteilsanm.); Vossius, DB 2007, 2299, 2301; Wicke, GmbHG, 2. Aufl., 2011, § 16 Rn. 20a; Scholz-Seibt, GmbHG, § 16 Rn. 79; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 16 Rn. 79 ff; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 187 ff; Westermann in: MünchKommBGB, 6. Aufl., 2012, § 161 Rn. 21. 157) ZIP 2011, 2141 = GmbHR 2011, 1269 = BB 2011, 2832, dazu EWiR 2011, 811 (Stamer). 158) Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 897; Bohrer, DStR 2007, 995, 998, Mayer, DNotZ 2008, 403, 417 f; Kort, GmbHR 2009, 169, 174; Mayer/Färber, GmbHR 2011, 785, 790; Preuß, ZGR 2008, 676, 688. 159) OLG Hamburg (Vorinstanz), NZG 2010, 1157, 1158 = ZIP 2010, 2097 = GmbHR 2011, 32; OLG München, ZIP 2011, 612, 614 mit Anm. Herrler = GmbHR 2011, 425 = NZG 2011, 473. 160) Bayer, GmbHR 2011, 1254, 1257.

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tatbestand müsse gerade auch den guten Glauben an das Nichtvorhandensein vorangegangener Verfügungen schützen, überspannt der Bundesgerichtshof die Anforderungen an eine durch § 161 Abs. 3 BGB angeordnete entsprechende Anwendung der Gutglaubensvorschriften.161) Die durch § 161 Abs. 3 BGB angeordnete Analogie bedeutet nicht mehr, als dass der Erwerb vom Noch-Berechtigten nicht schlechter gestellt sein soll als der vom Nichtberechtigten. Für einen gutgläubig anwartschaftsfreien Erwerb ist eine notwendige, aber auch hinreichende Voraussetzung, dass die Möglichkeit gutgläubigen Vollrechtserwerbs vom Nichtberechtigten besteht. Diese Voraussetzung hat der Gesetzgeber für den gutgläubig anwartschaftsfreien Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen mit der Regelung in § 16 Abs. 3 geschaffen. Der Ersterwerber kann sich gegen Zwischenverfügungen während der Schwebezeit durch Bewilligung eines Widerspruchs schützen.162)

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Noch nicht abschließend geklärt ist, wie verhindert werden kann, dass der bewilligende Veräußerer später eigenmächtig – ohne Rücksprache mit dem Ersterwerber – eine Löschung veranlasst. Denkbar erscheint, in Anlehnung an das Grundbuch einen Widerspruch zugunsten eines bestimmten Berechtigten zuzulassen, über dessen Löschung dann allein der Berechtigte entscheidet.163)

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V. Übergangsregelung § 3 Abs. 3 EGGmbHG enthält eine Übergangsregelung (nur) für § 16 Abs. 3. Danach findet Absatz 3 frühestens auf Rechtsgeschäfte nach dem 1.5.2009 Anwendung, wenn die Gesellschaft, deren Geschäftsanteil betroffen ist, vor dem 1.11.2008 gegründet wurde, ihre Gesellschafterliste unrichtig ist und diese Unrichtigkeit dem Berechtigten zugerechnet werden kann (§ 3 Abs. 3 Satz 1 EGGmbHG). Sofern die Unrichtigkeit dem Berechtigten nicht zuzurechnen ist, verlängert sich die Frist. Absatz 3 gilt in dem Fall ab dem 1.11.2011 (§ 3 Abs. 3 Satz 2 EGGmbHG). Nach Auffassung des OLG Dresden erstreckt sich die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 nicht auf Veränderungen, die vor dem 1.1.2008 ordnungsgemäß angemeldet wurden, aber nicht zur Aufnahme einer aktualisierten Gesellschafterliste im Handelsregister geführt haben.164) Hinsichtlich der durch das Gesetz zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie (2017) eingeführten erhöhten Anforderungen an die Gesellschafterliste (siehe Rn. 4) gilt die Übergangsregelung § 8 EGGmbHG: neue Anforderungen sind erst bei Pflicht zur Einreichung einer neuen Gesellschafterliste zu beachten.

_____________ 161) 162) 163) 164)

Altmeppen in: FS Schurig, S. 1, 7 ff; Brandes, GmbHR 2012, 545, 549. Vgl. die in Fn. 156 Genannten. Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 16 Rn. 304. OLG Dresden, RNotZ 2017, 322; ablehnend Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 16 Rn. 123b; ders. GmbHR 2017, 273; Scholz-Seibt, GmbHG, § 16 Rn. 108.

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§ 17

(aufgehoben)

§ 17 (aufgehoben) Stephan Brandes

1

§ 17 a. F. betraf die Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils. Das MoMiG hat das Verbot der Übernahme mehrerer Stammeinlagen (§ 5 Abs. 2 a. F.) aufgehoben1) und i. R. d. Mindeststückelung nach § 5 Abs. 2 n. F. die Teilung und Zusammenlegung wesentlich erleichtert und zusammenfassend in § 46 geregelt. § 17 konnte mithin aufgehoben werden. Damit ist zugleich das Verbot, mehrere Teile von Geschäftsanteilen gleichzeitig an denselben Erwerber zu übertragen, aufgehoben.2) _____________ 1) 2)

Art. 1 des Gesetzes v. 23.10.2008, BGBl. I, 2026. RegE v. 25.7.2007, BT-Drucks. 16/6140, S. 39.

§ 18 Mitberechtigung am Geschäftsanteil Stephan Brandes

(1) Steht ein Geschäftsanteil mehreren Mitberechtigten ungeteilt zu, so können sie die Rechte aus demselben nur gemeinschaftlich ausüben. (2) Für die auf den Geschäftsanteil zu bewirkenden Leistungen haften sie der Gesellschaft solidarisch. (3) 1Rechtshandlungen, welche die Gesellschaft gegenüber dem Inhaber des Anteils vorzunehmen hat, sind, sofern nicht ein gemeinsamer Vertreter der Mitberechtigten vorhanden ist, wirksam, wenn sie auch nur gegenüber einem Mitberechtigten vorgenommen werden. 2Gegenüber mehreren Erben eines Gesellschafters findet diese Bestimmung nur in Bezug auf Rechtshandlungen Anwendung, welche nach Ablauf eines Monats seit dem Anfall der Erbschaft vorgenommen werden. Literatur: J. Schmidt, Die gemeinschaftliche Ausübung von Rechten aus einem GmbHAnteil, NZG 2015, 1049; K. Schmidt, Die obligatorische Gruppenvertretung im Recht der Personengesellschaft und der GmbH, ZHR 146 (1982), 525; Schürnbrand, Die Ausübung von Gesellschafterrechten in der GmbH durch Erbengemeinschaften, NZG 2016, 241. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Die Mitberechtigung ........................... 2 III. Gemeinschaftliche Rechtsausübung (Abs. 1) ...................................... 4

I. 1

IV. Haftung der Mitberechtigten (Abs. 2) .................................................. 8 V. Rechtshandlungen der Gesellschaft (Abs. 3) ..................................... 12

Normzweck

Der Zweck der Norm besteht darin, der Gesellschaft den Rechtsverkehr mit mehreren an einem Geschäftsanteil Berechtigten zu erleichtern. Sie können ihre Mitgliedschaftsrechte, vor allem das Stimmrecht, nur „gemeinschaftlich“ ausüben (Abs. 1). Andererseits ist jeder von ihnen für Rechtshandlungen der Gesellschaft mit Wirkung gegen alle Mitberechtigten passivlegitimiert (Abs. 3). Für Verbindlichkeiten, die aus der Mitgliedschaft fließen, haben die Mitberechtigten gesamtschuldnerisch einzustehen (Abs. 2). 410

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§ 18

Mitberechtigung am Geschäftsanteil

II. Die Mitberechtigung Mitberechtigungen i. S. v. § 18 können Bruchteils- oder Gesamthandsgemeinschaften sein. Unter § 18 fallen die Erbengemeinschaft1) und die eheliche Gütergemeinschaft, nicht dagegen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, soweit es sich um eine Außengesellschaft handelt. Der Bundesgerichtshof hat in einer Grundsatzentscheidung2) klargestellt, dass die Außen-GbR eigenständiges Zuordnungsobjekt des Gesellschaftsvermögens und der Gesellschaftsschulden ist. Daraus folgt, dass der von der GbR gehaltene Geschäftsanteil nicht mehreren Mitberechtigten i. S. v. § 18 zusteht.3) Anders liegen die Dinge im Falle der reinen Innengesellschaft.4)

2

Jeder der Mitberechtigten ist als Gesellschafter anzusehen.5) Die Mitgliedschaftsrechte können jedoch nur gemeinschaftlich, d. h. einheitlich ausgeübt werden. Das Teilnahmerecht bei Gesellschafterversammlungen steht jedem einzelnen Mitberechtigten zu, wenn ein gemeinsamer Vertreter nicht bestellt ist, da nur so eine gemeinsame Rechtsausübung möglich ist.6) Ob Vinkulierungsbestimmungen, die Übertragungen von Gesellschaftsanteilen an Mitgesellschafter privilegieren, auch Mitberechtigte i. S. d. § 18 erfassen, ist dagegen eine Frage der Auslegung. Bei Gesamthandsverbänden wird man dem einzelnen Gesamthänder insofern mangels zusätzlicher Anhaltspunkte eine selbständige Gesellschaftereigenschaft nicht ohne weiteres zubilligen können.7) In der Gesellschafterliste (§ 40) sind Mitberechtigte in jedem Fall aufzuführen.8) Ansonsten gelten sie der Gesellschaft gegenüber nicht als legitimiert (§ 16 Abs. 1)

3

III. Gemeinschaftliche Rechtsausübung (Abs. 1) Absatz 1 will verhindern, dass die Mitberechtigten ihre Gesellschafterrechte in unterschiedlicher Weise ausüben. Er schützt die Gesellschaft vor Streitigkeiten unter den Mitberechtigten.9) Für die Rechtsbeziehungen der Mitberechtigten untereinander sowie gegenüber anderen Gesellschaftern gilt § 18 nicht. _____________ 1) 2) 3)

4) 5)

6) 7)

8) 9)

OLG Jena, NJW-RR 2012, 999, 1000 = ZIP 2012, 2108, dazu EWiR 2012, 699 (Wachter); eingehend Schürnbrand, NZG 2016, 241; J. Schmidt, NZG 2015, 1049, 1052 ff. BGHZ 146, 341 = ZIP 2001, 330 = NZG 2001, 311, dazu EWiR 2001, 341 (Prütting). Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 18 Rn. 6; Reichert/Weller in: MünchKommGmbHG, § 18 Rn. 24 ff; Henssler/Strohn-Verse, GesR, § 18 GmbHG Rn. 2; anders noch die frühere Rspr., vgl. BGHZ 78, 311, 313 ff = ZIP 1981, 183 = GmbHR 1981, 188. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 18 Rn. 3; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 18 Rn. 6. BGHZ 78, 311 = ZIP 1981, 183 = GmbHR 1981, 188; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 18 Rn. 9; Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 18 Rn. 7, 42; Henssler/ Strohn-Verse, GesR, § 18 GmbHG Rn. 4. Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 18 Rn. 42; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 18 Rn. 9, 18. Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 18 Rn. 10; vgl. auch BGHZ 32, 35, 39 = GmbHR 1960, 88 = NJW 1960, 864; a. A. Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 18 Rn. 44. OLG Hamm, BB 1975, 292, 293 – für eine Erbengemeinschaft. BGHZ 49, 183, 191 = GmbHR 1968, 51 = NJW 1968, 743; BGHZ 108, 21 = ZIP 1989, 913 = DB 1989, 1715, 1717, dazu EWiR 1989, 1103 (Roth); Ulmer/Habersack/LöbbeLöbbe, GmbHG, § 18 Rn. 19.

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4

§ 18

Mitberechtigung am Geschäftsanteil

5

Abweichende Satzungsbestimmungen sind zulässig. Der Gesellschaftsvertrag kann die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters zwingend vorschreiben und bis dahin das Stimmrecht aus dem betroffenen Geschäftsanteil ruhen lassen.10) Er kann auch Restriktionen hinsichtlich der Person des gemeinsamen Vertreters enthalten.11)

6

Fehlen derartige Regelungen und wird ein gemeinsamer Vertreter nicht bestellt, so setzt die gemeinschaftliche Rechtsausübung nach Absatz 1 die Mitwirkung aller Mitberechtigten voraus. Können diese sich nicht auf eine einheitliche Rechtsausübung einigen, kann das gemeinschaftliche Recht aus dem Geschäftsanteil grundsätzlich nicht ausgeübt werden. Soweit das Gesetz Mehrheits- oder Alleinentscheidungsbefugnisse der Mitberechtigten vorsieht, wie z. B. in § 744 Abs. 2, § 745 Abs. 1, § 2038 BGB, besteht entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung12) kein Anlass, ein solches Handeln der Mehrheit bzw. einzelner Mitberechtigter i. R. v. § 18 nicht anzuerkennen.13) Handelt einer der Mitberechtigten ohne Vollmacht oder gesetzliche Befugnis, so kann seine Erklärung i. R. v. §§ 177, 180 BGB genehmigt werden.14)

7

Bestellen die Mitberechtigten einen gemeinsamen Vertreter, so übt dieser die Mitgliedschaftsrechte statt ihrer aus. Der gemeinsame Vertreter muss selbst nicht Mitberechtigter sein, es sei denn, die Satzung schreibt dies ausdrücklich vor. Einen Anspruch auf die Bestellung eines Vertreters hat die Gesellschaft mangels abweichender Satzungsbestimmung nicht. Die Legitimation des besonderen Vertreters kann sich entweder aus dem Gesetz (wie beim Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter) oder aufgrund Bevollmächtigung durch sämtliche Mitberechtigten ergeben. Stellt die Satzung besondere Voraussetzungen an die Person eines gemeinsamen Vertreters, die der Testamentsvollstrecker nicht erfüllt, so kann der Testamentsvollstrecker (nicht die Erbengemeinschaft) einen solchen Vertreter bestellen.15) Bei rechtsgeschäftlicher Bevollmächtigung gelten die allgemeinen Vorschriften. Bei Stimmrechtsvollmacht ist § 47 Abs. 3 zu beachten. Eine Vollmacht zur Übernahme von Geschäftsanteilen (§ 55 Abs. 1) bedarf notarieller Beurkundung. IV. Haftung der Mitberechtigten (Abs. 2)

8

Für die auf den Geschäftsanteil zu bewirkenden Leistungen haften die Mitberechtigten „solidarisch“, d. h. gesamtschuldnerisch i. S. v. § 421 BGB. Damit ist den _____________ 10) BGH, GmbHR 1989, 120, 121 f = ZIP 1989, 634 = DB 1989, 272; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 18 Rn. 20 m. w. N. 11) Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 18 Rn. 68; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 18 Rn. 20; Henssler/Strohn-Verse, GesR, § 18 GmbHG Rn. 9. 12) Scholz-Seibt, GmbHG, § 18 Rn. 20 m. N. 13) BGHZ 49, 183, 191 = GmbHR 1968, 51; BGHZ 56, 47, 49 ff = GmbHR 1971, 254; BGHZ 108, 21, 30 ff = DB 1989, 1715, 1717 = ZIP 1989, 913, dazu EWiR 1989, 1103 (Roth); BGH, DStR 1995, 1395, 1397; OLG Karlsruhe, GmbHR 1995, 824, 825 f; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 18 Rn. 23; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 18 Rn. 14; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 18 Rn. 4; Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 18 Rn. 60. 14) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 18 Rn. 6; Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 18 Rn. 56. 15) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 18 Rn. 25; Reichert/Weller in: MünchKommGmbHG, § 18 Rn. 72.

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§ 18

Mitberechtigung am Geschäftsanteil

Mitberechtigten im Verhältnis zur GmbH der Einwand einer Haftung lediglich nach Raten aus dem Innenverhältnis der Gemeinschaft abgeschnitten. Zu den von Absatz 2 erfassten Verbindlichkeiten gehören alle Verpflichtungen, die ein Gesellschafter als solcher schuldet. Dabei gelten die gleichen Grundsätze wie bei § 16 Abs. 2 (siehe § 16 Rn. 11 f, 21 f [Brandes]). Es zählen hierzu die Verpflichtung zur Leistung der Einlage (§§ 19 ff), Gewährleistungsverpflichtungen aus mangelhafter oder verspäteter Einlage, die Haftung für den Ausfall bei anderen Gesellschaftern (§ 24), die Verpflichtung zur Zahlung von Nachschüssen (§§ 26 ff) sowie zur Rückzahlung empfangener Leistungen (§§ 30, 31). Absatz 2 ist zwingend, soweit er die Interessen der Gläubiger der Gesellschaft schützt. Die gesamtschuldnerische Haftung der Mitberechtigten für die Verpflichtung zur Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals kann daher gesellschaftsvertraglich nicht wirksam abbedungen werden.16) Für andere Verpflichtungen, die nur die Interessen der Gesellschaft schützen, ist eine abweichende Regelung dagegen zulässig.

9

Absatz 2 schließt bei einer Erbengemeinschaft die Anwendung des § 2059 BGB über die Beschränkung der Erbenhaftung nicht aus,17) wohl aber die §§ 2060, 2061 BGB über die Pro-rata-Haftung. Nach Teilung des Nachlasses haftet der Erwerber des Geschäftsanteils für später fällig werdende Leistungen allein, für rückständige Leistungen gesamtschuldnerisch mit den Miterben.

10

Scheidet ein Mitberechtigter aus der Rechtsgemeinschaft aus, so bleibt seine Haftung i. R. d. § 16 Abs. 2 für Verbindlichkeiten gegenüber der Gesellschaft neben den anderen Mitberechtigten bestehen.18)

11

V. Rechtshandlungen der Gesellschaft (Abs. 3) Rechtshandlungen, die die Gesellschaft gegenüber dem Inhaber eines Geschäftsanteils vorzunehmen hat, sind gegenüber einer Rechtsgemeinschaft auch dann wirksam, wenn sie nur gegenüber einem Mitberechtigten vorgenommen werden. Diese Bestimmung soll der Gesellschaft den Rechtsverkehr mit den Mitgliedern der Rechtsgemeinschaft erleichtern. Ist ein gemeinsamer Vertreter bestellt, sind die Rechtshandlungen gegenüber diesem vorzunehmen.

12

Bei Gesamtvertretung gilt Absatz 3 nicht unmittelbar. Auch hier kann sich die Gesellschaft aber auf den allgemeinen Rechtsgedanken berufen, wonach jeder gemeinschaftlich zur Rechtsausübung Befugte für die Entgegennahme von Rechtshandlungen allein legitimiert ist.19)

13

_____________ 16) BGHZ 78, 311, 316 f = ZIP 1981, 183 = GmbHR 1981, 188; OLG Hamm, GmbHR 1996, 363, 365 = DB 1996, 321 = NJW-RR 1996, 482; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 18 Rn. 30; Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 18 Rn. 80; Henssler/ Strohn-Verse, GesR, § 18 GmbHG Rn. 18. 17) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 18 Rn. 30; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 18 Rn. 8; Scholz-Seibt, GmbHG, § 18 Rn. 27; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 18 Rn. 7; Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 18 Rn. 89. 18) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 18 Rn. 31; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 18 Rn. 7; Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 18 Rn. 94. 19) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 18 Rn. 32; Reichert/Weller in: MünchKommGmbHG, § 18 Rn. 113.

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§ 19

Leistung der Einlagen

14

„Rechtshandlungen“ i. S. v. Absatz 3 sind einseitige Rechtsgeschäfte wie die Einladung zu einer Gesellschafterversammlung, Mahnungen, Kündigungen, Kaduzierung des Anteils etc. Nach zutreffender, freilich bestrittener, Auffassung gilt Absatz 3 auch für Willenserklärungen, die auf den Abschluss von Verträgen gerichtet sind.20)

15

Kenntnis oder Bösgläubigkeit eines Mitberechtigten (z. B. bei § 16 Abs. 3, § 32) wirkt gegen alle Mitberechtigten.21) Ob die Voraussetzungen für eine in der Satzung vorgesehene Zwangseinziehung (§ 34 Abs. 2) schon dann gegeben sind, wenn sie in der Person (nur) eines Mitberechtigten vorliegen, ist letztlich eine Frage der Auslegung. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist dies im Zweifel zu bejahen.22)

16

Hinterlässt ein Gesellschafter mehrere Erben, so gilt Absatz 3 Satz 1 nur für solche Rechtshandlungen der Gesellschaft, die „nach Ablauf eines Monats seit dem Anfall der Erbschaft“ vorgenommen werden. Die Frist beginnt mit dem Tod des Gesellschafters.23) Vor Ablauf der Monatsfrist ist eine Rechtshandlung der Gesellschaft, die nicht allen Miterben gegenüber erfolgt, unwirksam. Haben die Erben schon vor Ablauf der Monatsfrist einen gemeinsamen Vertreter bestellt, so können bzw. müssen die Rechtshandlungen ihm gegenüber abgegeben werden.24) Mit Eintritt eines Nacherbfalles gilt die gleiche Frist nochmals (§ 2139 BGB).25) _____________ 20) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 18 Rn. 34; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 18 Rn. 19; Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 18 Rn. 111; a. A. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 18 Rn. 9; Scholz-Seibt, GmbHG, § 18 Rn. 34. 21) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 18 Rn. 37; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 18 Rn. 4; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 18 Rn. 4. 22) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 18 Rn. 38; K. Schmidt, ZHR 146 (1982) 525, 542 ff. 23) Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 18 Rn. 117; Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 18 Rn. 39 m. N. 24) Ulmer/Habersack/Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 18 Rn. 39; Reichert/Weller in: MünchKommGmbHG, § 18 Rn. 119. 25) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 18 Rn. 9; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 18 Rn. 21; Scholz-Seibt, GmbHG, § 18 Rn. 37; Reichert/Weller in: MünchKomm-GmbHG, § 18 Rn. 118.

§ 19 Leistung der Einlagen Klaus Bartels (1) Die Einzahlungen auf die Geschäftsanteile sind nach dem Verhältnis der Geldeinlagen zu leisten. (2) 1Von der Verpflichtung zur Leistung der Einlagen können die Gesellschafter nicht befreit werden. 2Gegen den Anspruch der Gesellschaft ist die Aufrechnung nur zulässig mit einer Forderung aus der Überlassung von Vermögensgegenständen, deren Anrechnung auf die Einlageverpflichtung nach § 5 Abs. 4 Satz 1 vereinbart worden ist. 3An dem Gegenstand einer Sacheinlage kann wegen Forderungen, welche sich nicht auf den Gegenstand beziehen, kein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden.

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§ 19

Leistung der Einlagen

(3) Durch eine Kapitalherabsetzung können die Gesellschafter von der Verpflichtung zur Leistung von Einlagen höchstens in Höhe des Betrags befreit werden, um den das Stammkapital herabgesetzt worden ist. (4) 1Ist eine Geldeinlage eines Gesellschafters bei wirtschaftlicher Betrachtung und aufgrund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Geldeinlage getroffenen Abrede vollständig oder teilweise als Sacheinlage zu bewerten (verdeckte Sacheinlage), so befreit dies den Gesellschafter nicht von seiner Einlageverpflichtung. 2Jedoch sind die Verträge über die Sacheinlage und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung nicht unwirksam. 3Auf die fortbestehende Geldeinlagepflicht des Gesellschafters wird der Wert des Vermögensgegenstandes im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister oder im Zeitpunkt seiner Überlassung an die Gesellschaft, falls diese später erfolgt, angerechnet. 4Die Anrechnung erfolgt nicht vor Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister. 5Die Beweislast für die Werthaltigkeit des Vermögensgegenstandes trägt der Gesellschafter. (5) 1Ist vor der Einlage eine Leistung an den Gesellschafter vereinbart worden, die wirtschaftlich einer Rückzahlung der Einlage entspricht und die nicht als verdeckte Sacheinlage im Sinne von Absatz 4 zu beurteilen ist, so befreit dies den Gesellschafter von seiner Einlageverpflichtung nur dann, wenn die Leistung durch einen vollwertigen Rückgewähranspruch gedeckt ist, der jederzeit fällig ist oder durch fristlose Kündigung durch die Gesellschaft fällig werden kann. 2 Eine solche Leistung oder die Vereinbarung einer solchen Leistung ist in der Anmeldung nach § 8 anzugeben. (6) 1Der Anspruch der Gesellschaft auf Leistung der Einlagen verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an. 2Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet, so tritt die Verjährung nicht vor Ablauf von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Eröffnung ein. Literatur: Altmeppen, Cash-Pool, Kapitalaufbringungshaftung und Strafbarkeit der Geschäftsleiter wegen falscher Versicherung, ZIP 2009, 1545; Altmeppen, Die Grenzen der Zulässigkeit des Cash Pooling, ZIP 2006, 1025; Bäuml, Gesellschafterdarlehen nach MoMiG: (Steuer-)Rechtliche Beratungsschwerpunkte in der Krise, GmbHR 2009, 632; Bayer, Neue und neueste Entwicklungen zur verdeckten Sacheinlage, ZIP 1998, 1985; Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung im reformierten GmbH-Recht (MoMiG), 2010; Bormann, Die Kapitalaufbringung nach dem Regierungsentwurf des MoMiG, GmbHR 2007, 897; Bormann/Urlichs, Der Entwurf des MoMiG zur Regelung des Hin- und Herzahlens – ein Fremdkörper im GmbH-Gesetz, GmbHR 2008, 119; Bormann/Urlichs, Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, GmbHR Sonderheft 10/2008, S. 37; Cavin, Kapitalaufbringung in GmbH und AG – Abgrenzung zur Kapitalerhaltung – Haftung in der Vorgesellschaft, 2012; Crezelius, Zu den Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen im GmbH-Recht, DB 1990, 2458; Dauner-Lieb, Die Auswirkungen des MoMiG auf die Behandlung verdeckter Sacheinlagen im Aktienrecht, AG 2009, 217; DAV Handelsrechtsausschuss, Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), NZG 2007, 211; Decker, Der Cashpool als Gesellschaft bürgerlichen Rechts, ZGR 2013, 392; Drygala/Kremer, Zur Neuregelung der Kapitalerhaltungsvorschriften im RegE zum MoMiG, ZIP 2007, 1289; Eidenmüller/Engert, Rechtsökonomik des Mindestkapitals im GmbH-Recht, GmbHR 2005, 433; Fuchs, Die Neuregelung zur verdeckten Sacheinlage durch das MoMiG und ihre Rückwirkung, BB 2009, 170; Fuchs,

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§ 19

Leistung der Einlagen

Kapitalaufbringung nach dem MoMiG, DB 2008, 2347; Gehrlein, Der aktuelle Stand des neuen GmbH-Rechts, Der Konzern 2007, 771; Giedinghagen/Lakenberg, Kapitalaufbringung durch Dienstleistung?, NZG 2009, 201; Goette, Zur Voreinzahlung auf künftige Kapitalerhöhung bei der GmbH, in: Festschrift für Hans-Joachim Priester, 2007, S. 95; Habersack, Verdeckte (gemischte) Sacheinlage, Sachübernahme und Nachgründung im Aktienrecht, ZGR 2008, 48; Habersack/Weber, Die Einlageforderung als Gegenstand von Aufrechnung, Abtretung, Verpfändung und Pfändung, ZGR 2014, 509; Heckschen, Gründungserleichterungen nach dem MoMiG – Zweifelsfragen in der Praxis, DStR 2009, 166; Heinemann, Verdeckte Sacheinlagen im Recht der Kapitalgesellschaften: Analyse und Kritik, 2014; Heinze, Verdeckte Sacheinlagen und verdeckte Finanzierungen nach dem MoMiG, GmbHR 2008, 1065; Kersting, Verdeckte Sacheinlage, in: VGR 14 (2009), S. 101; Kleindiek, Verdeckte (gemischte) Sacheinlage nach MoMiG: Rückwirkende Neuregelung und Wertanrechnung, ZGR 2011, 334; Knobbe-Keuk, „Umwandlung“ eines Personenunternehmens in eine GmbH und verschleierte Sachgründung, ZIP 1986, 885; Koch, Die verdeckte gemischte Sacheinlage zwischen Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung, ZHR 175 (2011) 55; Körber, Neuausrichtung der Kapitalaufbringung in der GmbH, 2015; Krieger, Zur Heilung verdeckter Sacheinlagen in der GmbH, ZGR 1996, 674; Langenbucher, Zur Rechtsfolge der verdeckten Sacheinlage bei der GmbH, DStR 2003, 1838; Maier-Reimer/Wenzel, Nochmals: Die Anrechnung der verdeckten Sacheinlage nach dem MoMiG, ZIP 2009, 1185; Maier-Reimer/Wenzel, Kapitalaufbringung in der GmbH nach dem MoMiG, ZIP 2008, 1449; H.-F. Müller, Rechtsfolgen verdeckter Sacheinagen, NZG 2011, 761; Mülbert, Das „Magische Dreieck der Barkapitalaufbringung“, ZHR 154 (1990) 145; Pentz, Die Bedeutung der Sacheinlagefähigkeit für die verdeckte Sacheinlage und den Kapitalersatz, GmbHR 2009, 505; Pentz, Verdeckte Sacheinlagen nach dem MoMiG und prozessuale Folgen des Übergangsrechts, GmbHR 2009, 126; Pentz, Die verdeckte Sacheinlage im GmbH-Recht nach dem MoMiG, in: Festschrift für Karsten Schmidt, 2009, S. 1265; Pentz, Neues zur verdeckten Sacheinlage, ZIP 2003, 2093; Priester, Zur Wirksamkeit des Verkehrsgeschäfts bei verdeckter Sacheinlage im Recht der GmbH, in: Festschrift für Gerold Bezzenberger, 2000, S. 309; Priester, Die Heilung verdeckter Sacheinlagen im Recht der GmbH, DB 1990, 1753; Rawert, Heilung verdeckter Sacheinlagen durch nachträgliche Änderung der Einlagedeckung, GmbHR 1995, 87; Schall, Kapitalaufbringung nach dem MoMiG, ZGR 2009, 126; K. Schmidt, Reform der Kapitalsicherung und Haftung in der Krise nach dem Regierungsentwurf des MoMiG, GmbHR 2007, 1072; Sernetz, Anrechnung und Bereicherung bei der verdeckten Sacheinlage, ZIP 2010, 2173; Tebben, Die Reform der GmbH – das MoMiG in der notariellen Praxis, RNotZ 2008, 441; Thiessen, Zur Neuregelung der Verjährung im Handels- und Gesellschaft, ZHR 168 (2004) 503; Ulmer, Die „Anrechnung“ (MoMiG) des Wertes verdeckter Sacheinlagen auf die Bareinlageforderung der GmbH – ein neues Erfüllungssurrogat?, ZIP 2009, 293; Ulmer, Der „Federstrich“ des Gesetzgebers und die Anforderungen der Rechtsdogmatik, ZIP 2008, 45; Veil, Die Reform des Rechts der Kapitalaufbringung durch den RegE MoMiG, ZIP 2007, 1241; Veil/Werner, Die Regelung der verdeckten Sacheinlage – eine gelungene Rechtsfortbildung des GmbH-Rechts und bürgerlich-rechtlichen Erfüllungsregimes?, GmbHR 2009, 729; Wachter, Die Ablösung von Fremd- durch Eigenkapital ist auch im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung eine rechtlich zulässige unternehmerische Entscheidung, BB 2011, 1806; Wälzholz, Das MoMiG kommt – Ein Überblick über die neuen Regeln, GmbHR 2008, 841; F. Wolf, Die verdeckte Sacheinlage in GmbH und AG, 2013. Übersicht I. Zweck der Norm .................................. 1 II. Einzahlung der Anteile (Abs. 1) ........ 2 III. Befreiung, Aufrechnung, Zurückbehaltungsrecht (Abs. 2) ........ 6 IV. Kapitalherabsetzung (Abs. 3) ........... 13 V. Verdeckte Sacheinlage (Abs. 4) ........ 14

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1. 2. 3.

Fallgruppen .......................................... 15 Alte Rechtslage .................................... 17 Neue Rechtslage .................................. 18 a) Tatbestand .................................... 19 b) Rechtsfolgen der Anrechnung ...... 20

Klaus Bartels

§ 19

Leistung der Einlagen aa) Sachwert [= Preis des Verkehrsgeschäfts] = Höhe der Einlage .......................................... bb) Sachwert [< Preis des Verkehrsgeschäfts] < Höhe der Einlage .......................................... cc) Sachwert [> Preis des Verkehrsgeschäfts] = Höhe der Einlage .......................................... dd) Sachwert [< Preis des Verkehrsgeschäfts] • Höhe der Einlage .......................................... c) Die dogmatische Einordnung der Anrechnung ........................... d) Heilung ......................................... e) Anwendbarkeit auf die Unternehmergesellschaft (UG) ............ 4. Altfälle ................................................. VI. Hin- und Herzahlen (Abs. 5) ........... 1. Fallgruppen .......................................... 2. Alte Rechtslage ....................................

I.

3. 21 25 29 30 31 33 34 35 36 36 37

Neue Rechtslage .................................. 38 a) Tatbestand .................................... 40 aa) Vorrang der verdeckten Sacheinlage – Cash Pool ...................... 40 bb) Vereinbarung einer Leistung an den Gesellschafter ........................ 42 (1) Zeitpunkt ...................................... 43 (2) Rückzahlungsentsprechung ........ 44 cc) Wechselseitige Zahlungen ........... 45 dd) Qualifizierter Rückgewähranspruch ........................................... 46 (1) Vollwertigkeit ............................... 46 (2) Beliebiger Zugriff ......................... 47 (3) Anwendbarkeit der §§ 21 – 25 ..... 48 ee) Anmeldung ................................... 49 b) Rechtsfolge (Befreiungswirkung) ............................................. 50 c) Rechtsfolge für tatbestandsferne Fälle ..................................... 51 4. Altfälle § 3 Abs. 4 EGGmbHG .......... 52 VII. Verjährung (Abs. 6) .......................... 53

Zweck der Norm

Der Vorschrift geht es um die Sicherung der realen Kapitalaufbringung („sofortige freie Verfügbarkeit der Einlage“),1) gleichviel, ob zu Zwecken der Gläubigersicherung2) oder – neuerdings – als Seriositätsindiz bzw. -signal für den Rechtsverkehr.3)

1

II. Einzahlung der Anteile (Abs. 1) Absatz 1 spricht (wie im alten Recht auch) von den Einzahlungen der Gesellschafter. Hier wie dort setzt die Norm einen Zahlungsanspruch der GmbH voraus. Während es vor Inkrafttreten des MoMiG hieß, der Anspruch werde weder hier noch an anderer Stelle im GmbH-Gesetz konstituiert,4) hat sich die Rechtslage mit Einführung des § 14 geändert. Der RegE spricht zwar nur von einer Klarstellung.5) Richtigerweise dürfte § 14 jedoch, sofern der Gesellschaftsvertrag keine entsprechenden Regelungen enthält, rechtsbegründender Natur sein.

2

Über die Fälligkeit der Einlageforderung bestimmt grundsätzlich der Gesellschaftsvertrag. Gegebenenfalls tritt die Fälligkeit jedoch erst mit Einforderung ein, und zwar durch Beschluss der Gesellschafter nach § 46 Nr. 2. Hinzukommen muss die ausführende Anforderung durch den Geschäftsführer.6) Die Anforderung allein ist

3

_____________ 1)

2) 3)

4) 5) 6)

BGHZ 117, 323, 331 = ZIP 1992, 689 = NJW 1992, 1824, dazu EWiR 1992, 673 (Kraft); Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 1; Schall, ZGR 2009, 126, 131 ff; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 5.42. So die ursprüngliche Sicht. S. hierzu Schall, ZGR 2009, 126, 131 ff; Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 103 ff; Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433, 437 f; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 5.24. Ulmer/Habersack/Winter-Ulmer, GmbHG, 1. Aufl. 2005, § 19 Rn. 8. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 37. S. OLG München, GmbHR 1985, 56, 57; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 9.

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417

§ 19

Leistung der Einlagen

nur dann ausreichend, wenn die Satzung ihn dazu ermächtigt.7) Ein Einforderungsbeschluss, der in Widerspruch zu § 19 Abs. 1 gerät, ist anfechtbar. 4

Mit dem eingeführten Begriff der Stammeinlage ist in der Praxis schon bisher der Begriff des Geschäftsanteils synonym verwendet worden. Durch Gesetz vom 28.10.1994 hat letzterer in § 57h bereits Eingang in die Gesetzessprache gefunden. Der MoMiGGesetzgeber wollte an dem überkommenen Begriff der Stammeinlage nicht länger festhalten.8) Der Austausch gegen den Begriff des Geschäftsanteils trägt konsequent zu einer Straffung der Terminologie bei.9)

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Die Heranziehung der Gesellschafter „nach dem Verhältnis der Geldeinlagen“ entspricht dem Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung.10) Das Gesetz will verhindern, dass etwa einer der Gesellschafter sogleich auf Zahlung der vollständigen Einlage, die übrigen dagegen sehr moderat in Raten in Anspruch genommen werden. Der Grundsatz gilt freilich nur, wenn Gesellschaftsvertrag oder Einforderungsbeschluss (§ 46 Nr. 2) nichts anderes vorsehen. Die Vorschrift ist dispositiver Natur,11) sofern und soweit § 7 Abs. 2 und 3 und § 56a nicht entgegenstehen.12) III. Befreiung, Aufrechnung, Zurückbehaltungsrecht (Abs. 2)

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1. Nach Absatz 2 Satz 1 können die Gesellschafter von ihrer Einlagenverpflichtung nicht befreit werden. Die GmbH kann also die Einlageschuld nicht vertragsweise erlassen oder gar einseitig auf ihre Zahlungsansprüche verzichten.13) Jede andere Regelung würde die Kapitalaufbringungsgrundsätze (reale Kapitalaufbringung, siehe Rn. 1) konterkarieren. Aus diesem Grund kann auch von solchen Darlehensrückgewährverpflichtungen des Gesellschafters nicht befreit werden, die im Zuge eines Hin- und Herzahlens entstanden sind (§ 19 Abs. 5 Satz 1).14) Die Darlehensbeträge sind zwar nicht sogleich (zurück)zuzahlen wie die Einlagen. Der jeweilige Darlehensvertrag regelt die Fälligkeit. Es würde jedoch zu schweren Wertungswidersprüchen führen, wenn man die originäre Kapitalaufbringung mit Absatz 2 Satz 1 fördern, die Rückzahlung von („hergezahlten“) Darlehen dagegen nach den einfachen

_____________ 7) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 46 Rn. 37; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 52; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 19 Rn. 6. 8) RegE, BR-Drucks. 354/07, S. 63 f, 84; RA, BT-Drucks. 16/9737, S. 9, 55; Goette/HabersackWachter, MoMiG, Rn. 1.27. 9) S. a. RA, BT-Drucks. 16/9737, S. 55. 10) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 19 Rn. 21. 11) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 19 Rn. 21, 41; Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 19 Rn. 1; Scholz-Veil, GmbHG, § 19 Rn. 1. 12) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 19 Rn. 22. 13) Tatbestandlich nimmt hieran „als Minderform“ auch die Stundung teil, s. Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 19. Bloßes Unterlassen des Einforderungsbeschlusses oder der Anforderung durch den Geschäftsführer wird auch bei satzungsgemäßer Fälligkeit noch nicht als verbotene Stundung begriffen. Unzulässig und daher unwirksam ist aber die verbindliche Zusage solchen Verhaltens, Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 19; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 19 Rn. 21. 14) Mit der Liberalisierung durch das MoMiG hat diese Frage (nochmals) an Bedeutung gewonnen.

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bürgerlich-rechtlichen Regeln betreiben würde.15) Daran ändert auch der Umstand nichts, dass es sich bei Rückgewähransprüchen nach § 19 Abs. 5 (qualifiziert) um „vollwertige“ handeln muss. 2. a) Das Aufrechnungsverbot für den Gesellschafter (§ 19 Abs. 2 Satz 2 n. F.) ist durch das MoMiG nicht gelockert, sondern nur redaktionell umgestellt worden. Die ursprünglich in Absatz 5 a. F. geführte Regelung, nach der die Leistung der Einlage ausnahmsweise durch Aufrechnung mit einer Vergütungsforderung aus einer Sachübernahme, also zumeist mit einer Kaufpreisforderung,16) erbracht werden konnte, ist nun Gegenstand des Absatzes 2 Satz 2.17) Die Sachübernahme ist (mit Recht) dem gleichen Argwohn ausgesetzt wie die Sacheinlage.18) Eine aufrechenbare Forderung gegen die GmbH erzeugt sie mithin nur, wenn Festsetzungen gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 (oder § 56) vorliegen.19) Eine analoge Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 19 Abs. 4 scheidet aus.20) Mit der Regelung wird sichergestellt, dass die gesetzlich vorgesehene (reale) Kapitalaufbringung nicht durch kollusives Zusammenwirken der Gesellschafter umgangen wird.21) Die Rechtsprechung hat die Einschränkungen der Norm schon bisher auf Gesellschafter(alt)forderungen ausgedehnt, die nicht aus einer Sachübernahme stammen, also etwa auf Darlehensrückgewährforderungen22) oder Gewinnauszahlungsansprüche.23) Daran ist festzuhalten.24)

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Wird über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet, so schreibt § 94 InsO das Aufrechnungsverbot gewissermaßen fort. Die Aufrechnungserleichterungen des § 95 InsO setzen sich gegen die oben beschriebene Ausprägung des

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_____________ 15) Ebenso Ulmer/Habersack/Löbbe-Casper, GmbHG, § 19 Rn. 196; Märtens in: MünchKommGmbHG, 1. Aufl., § 19 Rn. 319; Scholz-Veil, GmbHG, § 19 Rn. 193 [§ 19 Abs. 2 analog]; Wicke, GmbHG, § 19 Rn. 37; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 19 Rn. 133; Bormann, GmbHR 2007, 897, 903; zurückhaltender Körber, Neuausrichtung der Kapitalaufbringung, S. 371 ff, 377: analoge Anwendung des § 19 Abs. 2 Satz 1 auf den Rückgewähranspruch aus „Herzahlen“ nur soweit, wie zur Sicherung der realen Wertzuführung erforderlich; a. A. Schwandtner in: MünchKomm-GmbHG, § 19 Rn. 358; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 121; Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 782. 16) Ulmer/Habersack/Winter-Ulmer, GmbHG, 1. Aufl. 2005, § 5 Rn. 110. 17) S. RegE, BT-Drucks. 16/6040, S. 39. 18) S. Scholz-Veil, GmbHG, § 5 Rn. 80. 19) S. BGHZ 132, 141, 143 f = ZIP 1996, 668 = NJW 1996, 1473, dazu EWiR 1996, 509 (Weipert); Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 25. 20) Ebenso Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 24; aufgeschlossener Veil, ZIP 2007, 1241, 1246. 21) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 19 Rn. 73; Scholz-Veil, GmbHG, § 19 Rn. 44 f. 22) S. BGHZ 110, 47, 49 = ZIP 1990, 156 = NJW 1990, 982, dazu EWiR 1990, 223 (Lutter); BGHZ 132, 141, 143 f = ZIP 1996, 668 = NJW 1996, 1473, dazu EWiR 1996, 509 (Weipert). 23) S. BGHZ 113, 335, 342 = ZIP 1991, 511 = NJW 1991, 1754, dazu EWiR 1991, 1213 (Frey); BGHZ 132, 141, 143 f = ZIP 1996, 668 = NJW 1996, 1473, dazu EWiR 1996, 509 (Weipert). 24) Ebenso Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 24; a. A. Habersack/Weber, ZGR 2014, 509, 524 ff, 527: § 19 Abs. 4 analog.

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§ 19 Abs. 2 Satz 2 nicht durch.25) Der Kapitalschutz26) ist, so könnte man sagen, vielmehr ungeschriebene Ziffer 5 des § 96 Abs. 1 InsO. Dies gilt selbst dann, wenn die Aktivforderung des Gesellschafters Masseforderung i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 InsO ist.27) 9

b) Geht es – entgegen dem Wortlaut des Absatzes 2 Satz 2 – um die Aufrechnungserklärung der Gesellschaft, so gelten i. S. einer realen Kapitalaufbringung ungeschriebene Einschränkungen. Nach ganz h. A. kann der Geschäftsführer mit der Einlageforderung aufrechnen, sofern und sobald die Gegenforderung des Gesellschafters (Passivforderung) vollwertig, fällig und liquide ist.28) Ob die GmbH die Aufrechnung erklären darf, hängt also (auch) davon ab, ob sie selbst hinreichend solvent ist. Denn andernfalls gäbe sie ggf. (kapitalschädlich) eine valide Einlageforderung preis, während (umgekehrt) ein Einzug, also ein vollständiges Vermögensopfer bei ihr, gar nicht gesichert wäre.29) Erforderlich ist zur Meidung von Wertungswidersprüchen (§ 5 Abs. 4), dass die durch Aufrechnung zu tilgende Gesellschafterforderung eine Neuforderung ist, also nicht vor Begründung der Einlageforderung zur Entstehung gelangt ist, und zudem (als künftige Passivforderung) nicht bereits Gegenstand einer sog. Vorabrede i. S. d. Absatzes 4 Satz 1 war.30) Denn ist letzteres der Fall, so ist der Tatbestand der verdeckten Sacheinlage erfüllt und daher anders zu entscheiden. Auch wenn die Aufrechnung der Gesellschaft so zwar (endgültig) keine Wirksamkeit entfaltet,31) kommt es doch zur wertlimitierten Anrechnung nach Absatz 4 Satz 3, sofern die GmbH im Register eingetragen wird (Abs. 4 Satz 4).32) Für die Aufrechnungsvereinbarung wird entsprechend ent-

_____________ 25) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 19 Rn. 75; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 19 Rn. 52; Schwandtner in: MünchKomm-GmbHG, § 19 Rn. 84; ScholzVeil, GmbHG, § 19 Rn. 90. 26) Der Satz, das Verbot entfalle, wenn alle Insolvenz- und Massegläubiger befriedigt sind (etwa BGH, NJW 1979, 216; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 19 Rn. 75), unter Kapitalschutzgesichtspunkten von größter Selbstverständlichkeit. 27) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 19 Rn. 75; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 19 Rn. 52; Schwandtner in: MünchKomm-GmbHG, § 19 Rn. 84; ScholzVeil, GmbHG, § 19 Rn. 90; ferner Uhlenbruck-Stinz, InsO, § 94 Rn. 40; wohl auch Kübler/ Prütting/Bork-Lüke, InsO, 61. Lfg., § 94 Rn. 62. 28) S. nur BGHZ 125, 141, 143 = ZIP 1994, 701 = NJW 1994, 1477, dazu EWiR 1994, 467 (v. Gerkan); Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 19 Rn. 81 ff; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 27 ff; Schall, ZGR 2009, 126, 141, 148 f. 29) Auch an dieser Regelung sollte sich nichts ändern, s. a. Schall, ZGR 2009, 126, 141, 148 f. 30) S. BGHZ 180, 38 Rn. 8 = ZIP 2009, 713 = GmbHR 2009, 540, dazu EWiR 2009, 443 (Schodder); Scholz-Veil, GmbHG, § 19 Rn. 80; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 28; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 19 Rn. 34. – Habersack/Weber, ZGR 2014, 509, 522, wollen auch hier zumindest anteilige (wertorientierte) Tilgung, wenn es an vollwertiger Einlageforderung fehlt. 31) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 19 Rn. 80; Schwandtner in: MünchKomm-GmbHG, § 19 Rn. 95, 268; a. A. Habersack/Weber, ZGR 2014, 509, 522. 32) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 19 Rn. 80; Schwandtner in: MünchKomm-GmbHG, § 19 Rn. 96; Habersack/Weber, ZGR 2014, 509, 517 f; noch großzügiger Scholz-Veil, GmbHG, § 19 Rn. 81; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 28.

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schieden,33) obgleich die Mitwirkung des Gesellschafters bedenkliche Nähe zu Absatz 2 Satz 2 schafft. Ist die Passivforderung eine Altforderung, so ist sie geeigneter Gegenstand einer Sacheinlage. Es kann mithin allein nach den Regeln des Absatzes 4 Sätze 3 und 4 (analog) im Umfang des Wertes Anrechnung eintreten.34)

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Im Umfang der Mindesteinlage schließlich kann die GmbH nach richtiger Ansicht nicht aufrechnen.35) Ein (präventiv) uneingeschränktes Verbot gilt zulasten der Gesellschaft dann, wenn mit der Aufrechnung eine Entgeltforderung des Gesellschafters aus einer Sachübernahme ohne wirksame Vereinbarung getilgt werden soll.36)

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3. § 19 Abs. 2 Satz 3 ergibt, dass der Gesellschafter und Schuldner einer Sacheinlage diese ggfs. zurückbehalten kann, wenn er (umgekehrt) über eine Forderung gegen die Gesellschaft verfügt, die sich unmittelbar auf die Sacheinlage bezieht.37) Das Schrifttum macht hier zu Recht allein Verwendungsersatzansprüche als tatbestandlich geeignet aus (§ 273 Abs. 2, § 1000 Satz 1 BGB).38)

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IV. Kapitalherabsetzung (Abs. 3) Absatz 3 ist unglücklich formuliert. Zunächst: Eine Kapitalherabsetzung berührt offene Einlageforderungen der GmbH überhaupt nicht. Ist aber eine solche Einlageforderung dem Betrage nach – also anteilig – von einer förmlichen (Stamm-)Kapitalherabsetzung (§ 58) „gedeckt“,39) so bietet dies ausnahmsweise die Rechtfertigung für eine (gesondert herbeizuführende) Befreiung des Gesellschafters. Alles andere wäre eine Übersteigerung des Kapitalschutzgedankens. Der Mindestbetrag des § 5 Abs. 1 darf freilich nicht unterschritten werden (§ 58 Abs. 2).

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V. Verdeckte Sacheinlage (Abs. 4) Die Vorschrift des § 19 Abs. 4 regelt die Kapitalaufbringung in der Gründungsphase. Nach § 56 Abs. 2 gilt die Norm zugleich für die Durchführung der Kapitalerhöhung und entfaltet dort die rechtstatsächlich größere Bedeutung. _____________ 33) S. BGHZ 191, 364 Rn. 36 = ZIP 2012, 73 = NZG 2012, 69 – für die AG, dazu EWiR 2012, 129 (Vosberg/Klawa); Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 19 Rn. 78 a. E.; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 27; diff. K. P. Berger, Der Aufrechnungsvertrag, S. 320 ff. 34) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 19 Rn. 89; Scholz-Veil, GmbHG, § 19 Rn. 81; Habersack/Weber, ZGR 2014, 509, 520 f. 35) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 19 Rn. 90; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 19 Rn. 33a; a. A. Schwandtner in: MünchKomm-GmbHG, § 19 Rn. 115; Habersack/Weber, ZGR 2014, 509, 523. 36) S. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 36; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 19 Rn. 30. 37) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 19 Rn. 95. 38) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 19 Rn. 95; Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 19 Rn. 41; Scholz-Veil, GmbHG, § 19 Rn. 98 Fn. 4; Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 19 Rn. 53; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 37: ebenso Schadensersatzansprüche. 39) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 19 Rn. 67: „Der Einlagenverzicht darf den Herabsetzungsbetrag nicht überschreiten“; ferner Scholz-Veil, GmbHG, § 19 Rn. 58.

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Fallgruppen

Absatz 4 Satz 1 enthält erstmals eine Legaldefinition der verdeckten Sacheinlage.40) Der Begriff ist fester Bestandteil des Kapitalgesellschaftsrechts seit den 1950er Jahren.41) Dem Institut geht es um die Sicherung der gesetzlichen Bareinlageanforderungen. Die schwierigen Ausnahmeregeln für Sacheinlagen genießen Umgehungsschutz.42) Die Erscheinungsformen sind vielfältig.43) Geläufig sind im Wesentlichen folgende Fallgruppen.44) –

Zum einen bringt der Gesellschafter zunächst die geschuldeten Barmittel auf, um sodann i. R. eines Kaufvertrages mit der Vor-GmbH an diese einen Sachgegenstand zu übertragen, der ihm von der Gesellschaft bezahlt wird. Wirtschaftlich opfert der Gesellschafter so allein seinen Sachgegenstand. Die aufgebrachten Barmittel fließen an ihn zurück.



In der geläufigeren Konstellation wird das Verkehrsgeschäft zuerst abgewickelt, um mit dem so erzielten Kaufpreis anschließend die Bareinlageverpflichtung zu tilgen.45)



Beide Varianten sind häufig ferner dadurch belastet, dass der Gegenstand des Verkehrsgeschäfts dort zu wohlwollend bewertet worden ist, die GmbH also mehr preisgibt, als sie vereinnahmen kann bzw. zuvor konnte. Der so entstehende Nachteil der Gesellschaft aus „dem schlechten Geschäft“ ist bei der Anrechnung zu berücksichtigen („Abzug“).46)



Der Bundesgerichtshof hat den Tatbestand der verdeckten Sacheinlage weiter dort bejaht, wo der Ehegatte des Inferenten der GmbH ein Darlehen gewährt, der Inferent das Darlehen dann mit seiner Bareinlage (durch Zahlung an den Ehrgatten) getilgt hatte und das Darlehen bei wirtschaftlicher Betrachtung vom Inferenten selbst stammte.47) Der Senat sieht darin die barleistungsfremde Einbringung eines (Gesellschafter-)Darlehens durch Befreiung der GmbH von einer Verbindlichkeit.



Schließlich hat der Bundesgerichtshof auch den Fall unter Absatz 4 subsumiert, in dem der Inferent (i. R. einer Kapitalerhöhung) durch fehlgegangenen ersten Einzahlungsversuch einen Kondiktionsanspruch gegen die GmbH erworben hatte

_____________ 40) Da die Norm jedoch gehäuft mit unbestimmten Rechtsbegriffen arbeitet, empfiehlt die Lit. mit Recht den Rückgriff auf die detaillierteren Regeln der Rspr., so Tebben, RNotZ 2008, 441, 459; Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, 1449, 1450. 41) S. BGHZ 28, 314, 318 ff = NJW 1959, 383 = GmbHR 1959, 70. 42) S. etwa K. Schmidt, GesR, § 29 II 1 c, S. 886. 43) S. zum Cash Pool unten Rn. 39 f. 44) S. etwa BGHZ 113, 335, 345 = ZIP 1991, 511 = NJW 1991, 1754, dazu EWiR 1991, 1213 (Frey). 45) Die Aufrechnung verbietet sich jeweils nach Absatz 5 a. F. = Absatz 2 Satz 2 n. F. 46) S. BGHZ 185, 44 Rn. 57 = ZIP 2010, 978 = GmbHR 2010, 700, dazu EWiR 2010, 421 (Wenzel) und unten Rn. 25 ff. 47) S. BGH, ZIP 2011, 1101 Rn. 15 = GmbHR 2011, 705 = DB 2011, 1389, dazu EWiR 2011, 669 (Cramer); Wachter, BB 2011, 1806 f. – Die Zahlung der GmbH ist so Leistung auf den Rückgewähranspruch des Gesellschafters.

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und nun die zweite Einzahlung (zur Tilgung seines Kondiktionsanspruchs)48) sogleich an sich zurückgeben ließ. Eingeliefert sei damit der (durchaus sacheinlagefähige) Bereicherungsanspruch gegen die GmbH, nicht etwa ein Geldbetrag.49) Es geht also in allen Fällen um eine nicht zufällige, sondern verabredete Koppelung von Verkehrsgeschäft und Bareinlage. Die Rechtsprechung spricht vom Unterlaufen der gesetzlichen Regeln für Sacheinlagen50). Aufgrund wirtschaftlicher Betrachtung des angehängten Verkehrsgeschäfts lässt man die (isoliert betrachtet: ganz einwandfreie) Barleistung nicht bzw. nur unter ganz restriktiven Bedingungen als vertragsgemäße Aufbringung gelten. Die Wertdeckungskontrolle des Registergerichts soll gewährleistet werden.51) 2.

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Alte Rechtslage

Die Figur der verdeckten Sacheinlage war (praeter legem) bereits fester Bestandteil des alten GmbH-Rechts (siehe oben). In der lebhaften Reformdebatte ging es nicht um eine begriffliche Neufassung, sondern vielmehr um die Fehlerfolgen,52) also die Rechtsfolgen einer solchen Abweichung vom gesetzlichen und gesellschaftsvertraglichen Soll. Bis zum Schluss war umstritten, ob das der Umgehung dienende (verdeckte) Verkehrsgeschäft wirksam sein sollte. Während die h. A. teils nur den schuldrechtlichen Teil,53) teils das verdeckte Geschäft insgesamt für unwirksam hielt,54) ging eine namhafte Ansicht55) (umgekehrt) von einer Wirksamkeit sowohl des Kausalwie auch des Erfüllungsgeschäfts aus. Die Deutung einer zivilrechtlich wirksamen Sachleistung stattete die unverdeckte Geldleistung nach einhelliger Meinung nicht

_____________ 48) S. auch Goette in: FS Priester, S. 95, 98. 49) S. BGH, GmbHR 2012, 1066 Rn. 16 ff = ZIP 2012, 1857, dazu EWiR 2013, 147 (Wenzel); BGH, DRtR 2016, 923 Tz. 27 ff; BGH, BeckRS 2016, 05643 Tz. 19 ff; OLG Naumburg, BeckRS 2016, 07571 bei II. 50) S. BGHZ 166, 8 Rn. 11 = ZIP 2006, 665 = GmbHR 2006, 477, dazu EWiR 2006, 523 (Kleinschmidt); BGHZ 185, 44 Rn. 11 = ZIP 2010, 978 = GmbHR 2010, 700, dazu EWiR 2010, 421 (Wenzel); BGH, BeckRS 2016, 05643 Tz. 20; OLG Köln, ZIP 2011, 863, 864 = GmbHR 2011, 648 = NZI 2011, 376, dazu EWiR 2011, 667 (Schodder). 51) S. etwa BGHZ 180, 38 Rn. 8 = ZIP 2009, 713 = NJW 2009, 2375, dazu EWiR 2009, 443 (Schodder). 52) S. a. Kersting, Verdeckte Sacheinlage, in: VGR 14 (2009), S. 101, 106 f; Maier-Reimer/ Wenzel, ZIP 2008, 1449, 1455. 53) BGH, ZIP 1998, 780, 782 = GmbHR 1998, 588 = NJW 1998, 1951, dazu EWiR 1999, 69 (Bayer); Ulmer/Habersack/Winter-Ulmer, GmbHG, 1. Aufl. 2005, § 19 Rn. 133 f; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, 18. Aufl., § 19 Rn. 42; Lutter/Hommelhoff-Lutter/ Bayer, GmbHG, 16. Aufl., § 5 Rn. 51; Bayer, ZIP 1998, 1985, 1990; Krieger, ZGR 1996, 674, 681; diff. Scholz-H. Winter/H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2010, § 5 Rn. 80b ff. 54) Zunächst Mülbert, ZHR 154 (1990) 145, 178, 195; sodann BGHZ 155, 329, 338 f = ZIP 2003, 1540 = NJW 2003, 3127, dazu EWiR 2003, 1243 (Priester); zust. Pentz, ZIP 2003, 2093, 2099 f; Langenbucher, DStR 2003, 1838, 1840 und nach wie vor Mülbert/Tauber, WuB II C. § 19 GmbHG 1.04. 55) So Knobbe-Keuk, ZIP 1986, 885, 889; Crezelius, DB 1990, 2458, 2459; Priester, DB 1990, 1753, 1755; Priester in: FS Bezzenberger, S. 309, 313 ff; Rawert, GmbHR 1995, 87, 90; K. Schmidt, GesR, § 37 II. 4. b, S. 1124 f.

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mit einer Erfüllungswirkung aus („Tilgungsversagung“).56) Rückabwicklungsfragen dagegen waren wiederum außerordentlich kontrovers. Blieb bei dem geschnürten Paket die Geldleistung ohne Tilgungseffekt, so musste erneut gezahlt, die (Verkehrsgeschäfts-)Lieferung aber kondiziert57) werden. Umgekehrt stand auf GmbH-Seite die Kondiktion der (Verkehrsgeschäfts-)Vergütung sowie (nach wie vor) die Einziehung der Einlageforderung an. Der Gesellschafter, dem es um Erleichterungen gegangen war, stand in der Insolvenz der GmbH vor einem Scherbenhaufen: Während er unvermindert in die Masse einzahlen musste, konnte er die (Verkehrsgeschäfts-)Lieferung (nach Meinung des Bundesgerichtshofs) zwar aussondern; hinsichtlich der angreifbar erbrachten Einlage stand ihm dagegen nur eine einfache Insolvenzforderung zu.58) Dies stieß auf erhebliche Kritik.59) 3. 18

Neue Rechtslage

Der Gesetzgeber hat an der Tilgungsversagung der alten Lösung nicht festgehalten, sondern im Gegenteil mit Absatz 4 Satz 2 Kausalabrede und Erfüllungsgeschäft ausdrücklich als wirksam behandelt und überdies mit Satz 3 eine Anrechnungslösung geschaffen. Um Verstöße gegen das Bareinlagegebot jedoch nicht ohne Sanktion zu lassen, stellt das MoMiG den Anrechnungseffekt bis zur Registereintragung der Gesellschaft zurück (Konvaleszenzlösung). Will also der Geschäftsführer i. R. d. Anmeldung seine Versicherung nach § 8 Abs. 3 i. V. m. § 7 Abs. 2 abgeben, ist aber (auch) eine verdeckte Sacheinlage erbracht, die mangels Registereintragung noch keine Anrechnung auslösen konnte, so kann er redlicherweise keine geeignete Erklärung abgegeben. Tut er es dennoch, so ist sein Verhalten strafbar nach § 82 Abs. 1 Nr. 1. Zugleich drohen ihm Schadenersatzpflichten nach § 43 Abs. 2. Damit sind Verletzungen der Bareinlagepflicht trotz der Anrechnungsmöglichkeit keineswegs ohne Folgen. a) Tatbestand

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Absatz 4 Satz 1 lässt das Nebeneinander von (durchgeführtem) Verkehrsgeschäft und Bareinlage tatbestandlich nicht genügen. Erforderlich ist außerdem eine Vorabrede zwischen GmbH und Gesellschafter, die die spätere Geldeinlage (u. a. aufgrund des Zusammenhangs) wertend als Sacheinlage erscheinen lässt. Wer sich _____________ 56) S. BGHZ 28, 314, 319 f = NJW 1959, 383 = GmbHR 1959, 70; BGHZ 113, 335, 345 = ZIP 1991, 511 = NJW 1991, 1754, dazu EWiR 1991, 1213 (Frey); BGHZ 153, 107, 109 = ZIP 2003, 211 = NJW 2003, 825, dazu EWiR 2003, 223 (Blöse); BGH, ZIP 1998, 780, 783 = GmbHR 1998, 588 = NJW 1998, 1951, dazu EWiR 1999, 69 (Bayer); Ulmer/ Habersack/Winter-Ulmer, GmbHG, 1. Aufl. 2005, § 19 Rn. 132; Scholz-H. Winter, GmbHG, 9. Aufl. 2000, § 5 Rn. 80c – a. A. dann Scholz-H. Winter/H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2010, § 5 Rn. 80d in Rücksicht auf BGHZ 155, 329, 338 = ZIP 2003, 1540 = NJW 2003, 3127, dazu EWiR 2003, 1243 (Priester); Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, 18. Aufl., § 19 Rn. 41; Lutter/Hommelhoff-Lutter/Bayer, GmbHG, 16. Aufl., § 5 Rn. 48; K. Schmidt, GesR, § 37 II. 4. b, S. 1124; Bayer, ZIP 1998, 1985, 1989 f. 57) Nach BGHZ 155, 329, 339 = ZIP 2003, 1540 = NJW 2003, 3127 galten aufgrund dort unterstellter Unwirksamkeit des Erfüllungsgeschäfts freilich die Vindikationsregeln, dazu EWiR 2003, 1243 (Priester). 58) Krit. zu den Aussichten etwa Schall, ZGR 2009, 126, 136. 59) S. die Übersicht bei Seibert, MoMiG, RWS-Dok. 23, S. 23 ff; Goette/Habersack-M. Winter, MoMiG, Rn. 2.7.

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auf die Qualität der Geldeinlage als (verdeckte) Sacheinlage stützt, wird eine durchaus vorhandene Vorabrede oftmals nicht beweisen können. Es empfiehlt sich, mit der alten Rechtsprechung,60) einem engen zeitlichen Zusammenhang von Einlagenübernahme und Sacherwerb der GmbH (aus Verkehrsgeschäft) Vermutungswirkung zuzuschreiben.61) – Für das Verkehrsgeschäft hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass die Erbringung von Dienstleistungen als (verdeckte) Sacheinlage nicht tauge.62) b) Rechtsfolgen der Anrechnung Ist das Verkehrsgeschäft vollständig abgewickelt und hat der Gesellschafter ferner durch Zahlung die Tilgung seiner Einlageverpflichtung unternommen, so geht der Vorgang rechtlich auf, wenn die Barleistung in der Tat Befreiungswirkung hat. Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr bringt die Sachleistung neben der Lieferverpflichtung des Gesellschafters (mit Registereintragung) zugleich auch dessen Einlageverpflichtung zum Erlöschen, während die Barleistung ohne Tilgungseffekt bleibt (Abs. 4 Satz 1!) und also mangels Zweckerreichung prinzipiell zu erstatten ist.63)

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aa) Sachwert [= Preis des Verkehrsgeschäfts] = Höhe der Einlage Dieses Ergebnis wird allgemein als ungerechtfertigt empfunden. Die Barleistung der GmbH zu belassen, fällt rechtlich jedoch nicht leicht.64) Die Gesellschaft hat den Betrag vereinnahmt, ohne dass dies (zusammen mit der Registereintragung) Erfüllungswirkung gehabt hätte. Die (naheliegende) Konvaleszenz des Bar-Erfüllungsversuchs (durch Registereintragung) wird gerade nicht angeordnet!

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Während Kersting65) darauf abhebt, dass aufgrund der Anrechnungsregel (hinsichtlich der Barleistung) letztlich Zweckerreichung eingetreten sei, arbeitet Pentz66) mit der Einwendung des § 818 Abs. 3 BGB und weist auf das anrechnungsbedingte Opfer (Entreicherung) von Einlageforderung und Kaufpreis für nur eine Sachleis-

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_____________ 60) S. BGHZ 125, 141, 143 f = ZIP 1994, 701 f = NJW 1994, 1477, dazu EWiR 1994, 467 (v. Gerkan); BGHZ 132, 133 = ZIP 1996, 595, 597 = GmbHR 1996, 283, dazu EWiR 1996, 457 (Trölitzsch); BGHZ 152, 37, 45 = ZIP 2002, 2045, 2048 = NJW 2002, 3774, dazu EWiR 2003, 63 (Saenger/Scharf). 61) BGHZ 185, 44 Rn. 14 = ZIP 2010, 978 = GmbHR 2010, 700, dazu EWiR 2010, 421 (Wenzel); BGH, GmbHR 2012, 1066 Rn. 16 = ZIP 2012, 1857, dazu EWiR 2013, 147 (Wenzel); Bormann/Urlichs, GmbHR Sonderheft 10/2008, S. 37, 39; allg. auch Kersting, Verdeckte Sacheinlage, in: VGR 14 (2009), S. 101, 102 f. 62) BGHZ 180, 38 Rn. 9 ff = ZIP 2009, 713 = NJW 2009, 2375, dazu EWiR 2009, 443 (Schodder); s. a. BGH, ZIP 2010, 423 Rn. 10 ff = GmbHR 2010, 421 = DB 2010, 550, dazu EWiR 2010, 169 (Lieder); zust. Giedinghagen/Lakenberg, NZG 2009, 201, 205 f; zweifelnd Pentz, GmbHR 2009, 505, 508 f. 63) Der BGH, ZIP 1998, 780, 783 = GmbHR 1998, 588 = NJW 1998, 1951, geht von der condictio ob rem aus (§ 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB), dazu EWiR 1999, 69 (Bayer). 64) Ebenso Dauner-Lieb, AG 2009, 217, 225. 65) Kersting, Verdeckte Sacheinlage, in: VGR 14 (2009), S. 101, 112 ff; i. Erg. ähnlich Ulmer/Habersack/Löbbe-Casper, GmbHG, § 19 Rn. 134. 66) Pentz in: FS K. Schmidt, S. 1265, 1278; Pentz, GmbHR 2009, 126, 128 f; Cavin, Kapitalaufbringung in GmbH und AG, S. 591 ff, 647.

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tung hin. Sernetz67) betrachtet den Kondiktionsanspruch als Anrechnungsgegenstand. Maier-Reimer und Wenzel68) dagegen wollen etwas kühn eine Zweckverknüpfung zwischen Kaufpreiszahlung der Gesellschaft und Bereicherungsanspruch des Gesellschafters herstellen und Heinze69) geht von einer schwebenden Erfüllungssperre aus, die mit der Registereintragung wegfällt. Bormann/Urlichs stellen schließlich auf den „Sinn und Zweck“ des § 19 Abs. 4 ab.70) Allein Ulmer71) stellt eine einredefreie Kondiktion (ohne „Umbuchung“ der Kaufpreiszahlung) fest, räumt diese jedoch schlicht als mit der Anrechnungslösung unverträglich beiseite. 23

Die bisherigen Ansätze überzeugen nicht. Kerstings Hinweis auf die letztlich doch eingetretene Tilgung der Einlageforderung geht fehl, da die Barleistung im Tatbestand des Erlöschensvorgangs keine finale Rolle spielt und so den angestrebten Zweck nicht (allein) erreicht.72) Der Gesetzgeber hat ausdrücklich die Sachleistung zur Anrechnungsposition erklärt. Auch Heinzes Auffassung, die Barleistung habe im Zusammenwirken mit der Registereintragung dann doch Erfüllungswirkung, steht in klarem Widerspruch zum Gesetz. Nochmals: Nicht die Geldleistung befreit, sondern die Sachleistung führt eine Anrechnung herbei.73) Der Entreicherungseinwand von Pentz74) schließlich stützt sich zu Recht auf den Umstand, dass mit dem gesetzlichen Mechanismus des § 19 Abs. 4 Satz 3 und 4 die zunächst entstandene Bereicherung (als Saldo) keinen (ungeschmälerten) Fortbestand hat. Denn die Gesellschaft büßt ihre Einlagenforderung ein.75) Dabei ist es unschädlich, dass der bereicherungsmindernde Vermögensnachteil nicht vom Empfänger verursacht worden ist.76) Dies zeigen auch die Besteuerungsfälle.77) Die Lösung gerät jedoch in ein schwieriges Verhältnis zum Vertrauensschutzgedanken. Zwar kann die Gesellschaft die Dinge nach Erlangung der Geldeinlagezahlung nicht mehr bereicherungsfreundlich steuern, sodass eine Berücksichtigung der Vermögensminderung möglich erscheint.78) Die begriffsnotwendige Abrede nach Absatz 4 Satz 1 da_____________ 67) Sernetz, ZIP 2010, 2173, 2178; zust. Schwandtner in: MünchKomm-GmbHG, § 19 Rn. 276. 68) Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, 1449, 1452; Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2009, 1185, 1191; dem folgend Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, 8. Aufl., § 19 Rn. 77 a. E.; anders jetzt Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, 9. Aufl., § 19 Rn. 92 ff; Veil/Werner, GmbHR 2009, 729, 733; offenlassend Schall, ZGR 2009, 126, 140 Fn. 52. 69) Heinze, GmbHR 2008, 1065, 1066. 70) Bormann/Urlichs, GmbHR Sonderheft 10/2008, S. 37, 39. 71) Ulmer, ZIP 2009, 293, 298. 72) Vgl. Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung im Schuldverhältnis, S. 44 f. 73) S. BGHZ 182, 103 Rn. 13 = ZIP 2009, 1561 = GmbHR 2009, 926, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer); Schwandtner in: MünchKomm-GmbHG, § 19 Rn. 263. 74) Pentz in: FS K. Schmidt, S. 1265, 1278; Pentz, GmbHR 2009, 126, 128 f. 75) Dass das vom Gesellschafter Erlangte durchaus noch im Vermögen der Gesellschaft enthalten sein wird, schadet dem Ansatz nicht, s. Soergel-Hadding, BGB, § 818 Rn. 36 ff; M. Schwab in: MünchKomm-BGB, § 818 Rn. 116, 135 ff. 76) S. Soergel-Hadding, BGB, § 818 Rn. 39. 77) S. nur RGZ 170, 65, 67 ff; Flessner, Wegfall der Bereicherung, S. 20; M. Schwab in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl., § 818 Rn. 143. 78) S. Larenz/Canaris, Schuldrecht Bd. II/2, § 73 I. 1/2, S. 295 ff: Schutz des Vertrauens auf die Rechtsbeständigkeit; sowie Soergel-Hadding, BGB, § 818 Rn. 48; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 17 III. 2. b, S. 594; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 14 II. 1. pr, S. 132.

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gegen rückt den Empfang der Geldleistung in gefährliche Nähe zu § 819 Abs. 1 BGB. Denn die schon nach altem Recht erforderliche (oder doch typische) Umgehungsabsicht der Parteien79) bedeutet regelmäßig eine Kenntnis der rechtsgrundfeindlichen Tatbestandselemente des Absatzes 4, oftmals aber auch der Rechtsgrundlosigkeit als Rechtsfolge an sich.80) Ist Letzteres der Fall, so kann die Gesellschaft keine Entreicherung geltend machen und das Dilemma der Kondiktion bleibt81), sofern entsprechende Kenntnis des Inferenten nicht den Tatbestand des § 814 Alt. 1 BGB erfüllt (ebenso siehe Rn. 27). Eigene Stellungnahme: Dadurch, dass die im Verkehrsgeschäft zweckhaft schon erschöpfend zugeordnete Sachlieferung mit einem weiteren Zweck aufgeladen wird,82) die Barleistung dagegen ohne (erfolgreiche) Zuordnung bleibt, gehen die Dinge nicht widerspruchsfrei auf. Es ist auch falsch, einzelne Leistungsvorgänge und causae („überkreuz“) einander zuordnen zu wollen. Vielmehr ist es so, dass zur Tilgung der Einlageforderung (anrechnungsweise) nicht allein die Sachleistung herangezogen wird. In Wahrheit ist es das Paket, das i. S. d. Absatzes 4 Satz 1 die verdeckte Sacheinlage ausmacht und (verbunden mit der Registereintragung) eine Anrechnung herbeiführt.83) Die Sachleistung bietet tatbestandlich so nur vordergründig die Basis der Befreiungswirkung. Der Effekt der Anrechnung beruht mithin auf einem mehrgliedrigen Tatbestand, an dem sowohl Sach- wie auch Barleistung teilnehmen. Trifft dies aber zu, so ist die Barleistung im Gefüge der gesetzlichen Regelung durchaus Teil einer erfolgreichen Zweckverfolgung, also zugleich einer (kondiktionsfesten) Zweckerreichung84). Insofern kommt Kersting dem mit seinem subjektiven Rechtsgrundansatz einer Zweckerreichung recht nahe. Nur die Barleistung allein taugt hierzu eben nicht.85) – Ulmers Reduktion schließlich zieht sich allzu sehr auf das Deskriptive zurück.

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bb) Sachwert [< Preis des Verkehrsgeschäfts] < Höhe der Einlage Reicht der Wert der gelieferten Sache zur Tilgung der Einlageforderung nicht aus, ist das Verkehrsgeschäft aber preislich auf den Einlagebetrag abgestimmt, das Entgelt also überhöht,86) so bleibt zunächst der Gesellschafter – Paket hin oder her – _____________ 79) Pentz, GmbHR 2009, 126, 127. 80) Hier wird der Gesellschaft die Kenntnis ihres Geschäftsführers zugerechnet (§ 166 Abs. 1 BGB analog). Für die Anwendbarkeit des § 166 Abs. 1 BGB analog auf Fälle des § 819 Abs. 1 BGB s. OLG Karlsruhe, ZIP 1995, 1748, 1750 = WM 1996, 198, dazu EWiR 1995, 1173 (Martinek); Soergel-Leptien, BGB, § 166 Rn. 4, 15. 81) Abl. auch Veil/Werner, GmbHR 2009, 729, 733; ferner Habersack, ZGR 2008, 48, 63. 82) Pentz, GmbHR 2009, 126, 129. 83) Offenbar zust. Scholz-Veil, GmbHG, § 19 Rn. 140; a. A. Wolf, Die verdeckte Sacheinlage, S. 167 f, 173. 84) Zust. Cavin, Kapitalaufbringung in GmbH und AG, S. 576; vgl. auch Heinemann, Verdeckte Sacheinlagen, S. 138 f. Ist eine Anrechnung noch nicht eingetreten, aber auch noch nicht endgültig gescheitert, so ist – fehlende Zweckerreichung hin oder her – ein Kondiktionsanspruch (noch) nicht vorhanden (a. A. Wolf, Die verdeckte Sacheinlage, S. 160). 85) Jetzt auch Heinemann, Verdeckte Sacheinlagen, S. 138 ff, 141; wohl auch Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 123; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 83; ähnlich Wolf, Die verdeckte Sacheinlage, S. 160. 86) Der Vorgang ist von dem des § 9 zu unterscheiden.

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im Umfang der Differenz der GmbH gegenüber einlageverpflichtet (sog. Differenzhaftung).87) Zugleich aber schuldet die Gesellschaft offenbar Erstattung des Geldleistungsanteils, der von der Tilgungswirkung mangels Sachwert nicht erfasst wurde, den mit der Zahlung verfolgten Tilgungszweck also nicht erreichen konnte (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB).88) Hat also der Gesellschafter eine Einlage von 25.000 ¼ versprochen und hat er sodann eine Sache (im Wert von 20.000 ¼) der GmbH zu 25.000 ¼ verkauft und schließlich diese Summe inferiert, so verweigert ihm § 19 Abs. 4 trotz dieses Opfers eine Anrechnung (Tilgung), die den Betrag von 20.000 ¼ übersteigt.89) 26

Beachtet werden muss jedoch, dass die Gesellschaft mit dem Verkehrsgeschäft ein „schlechtes Geschäft“ gemacht hat, indem sie die Sache um 5.000 ¼ zu teuer gekauft/bezahlt hat. Kersting hat hier den Einsatz von § 818 Abs. 3 BGB vorgeschlagen, da zwar der Mehrbetrag (hier von 5.000 ¼) im Vermögen der GmbH noch vorhanden sein mag, diese aber mit dem Verkehrsgeschäft – wie angeführt – ein „schlechtes Geschäft getätigt“ habe und so zwar das Erlangte, nicht mehr aber die Bereicherung herausgabefähig sei.90) Die condictio (ob rem)91) des Gesellschafters i. H. v. 5.000 ¼ sei danach der rechtsvernichtenden Einwendung des § 818 Abs. 3 BGB ausgesetzt. Kersting führt aus, dass eine Entreicherung dadurch entstehe, dass die GmbH einen Verlust i. H. d. Differenz zwischen Einlage und Sachwert erlitten habe.92) Richtigerweise jedoch dürfte die Differenz zwischen Preis des Verkehrsgeschäfts und Sachwert entscheidend sein.93) Zugleich ist die Verknüpfung von Zuund Abfluss gewagt, i. R. d. mehraktigen verdeckten Sacheinlage aber durchaus nahe liegend. Auch Dauner-Lieb verwirft eine originär bereicherungsrechtliche Lösung und mahnt (mit Kersting) eine Ableitung der zweifellos gebotenen Korrekturen aus dem Gesellschaftsrecht an.94) _____________ 87) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-Casper, GmbHG, § 19 Rn. 160; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 19 Rn. 108; Bormann/Urlichs, GmbHR Sonderheft 10/2008, S. 37, 39 f; Goette/ Habersack-M. Winter, MoMiG, Rn. 2.17; Heinze, GmbHR 2008, 1065, 1067; Cavin, Kapitalaufbringung in GmbH und AG, S. 576; krit. zum Begriff Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2009, 1185, 1188; a. A. Ulmer, ZIP 2009, 293, 298. 88) So zutr. Kersting, Verdeckte Sacheinlage, in: VGR 14 (2009), S. 101, 111, wenngleich mit der condictio ob rem (§ 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2); ihm folgend Dauner-Lieb, AG 2009, 217, 223 Fn. 66. Zur Differenzierung von condictio indebiti und condictio ob rem im vorliegenden Zusammenhang Heinemann, Verdeckte Sacheinlagen, S. 139 ff. 89) Diesen Geldleistungsanteil von 5.000 ¼ hat Kersting, Verdeckte Sacheinlage, in: VGR 14 (2009), S. 101, 111, im Blick. 90) Kersting, Verdeckte Sacheinlage, in: VGR 14 (2009), S. 101, 112 ff; ihm folgend DaunerLieb, AG 2009, 217, 223 f. 91) Kersting, Verdeckte Sacheinlage, in: VGR 14 (2009), S. 101, 112 ff verwirft die condictio indebiti zu Unrecht unter Bezug auf BGH, ZIP 1998, 780, 783. 92) Kersting, Verdeckte Sacheinlage, in: VGR 14 (2009), S. 101, 113. 93) Entsprechend dann Kersting, Verdeckte Sacheinlage, in: VGR 14 (2009), S. 101, 114 f; Ulmer, ZIP 2009, 293, 298; wohl auch Dauner-Lieb, AG 2009, 217, 223 f. – Die hier entfaltete Ansicht ist unrichtig wiedergegeben bei Wolf, Die verdeckte Sacheinlage, S. 155. 94) Dauner-Lieb, AG 2009, 217, 223; Schwandtner in: MünchKomm-GmbHG, § 19 Rn. 276, 290. Heinemann, Verdeckte Sacheinlagen, S. 144 ff, spricht von einer Sperre des Kondiktionsanspruchs nach Sinn und Zweck des Kapitalschutzes. – Wolf, Die verdeckte Sacheinlage, S. 176 ff, will mit den Regeln der §§ 30, 31 GmbHG helfen.

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Wie bereits oben (siehe Rn. 23) angeführt, verdrängt § 819 Abs. 1 BGB jedoch die Einwendung des § 818 Abs. 3 BGB für die Fälle, in denen die Gesellschaft – eher selten – von der (partiellen) Rechtsgrundlosigkeit der Geldeinlageleistung positive Kenntnis hatte. Dann aber bliebe es bei einem Kondiktionsanspruch des Gesellschafters, ganz zum Nachteil der Gesellschaft und also der Kapitalsicherung.95) Dies ist gesellschaftsrechtlich nicht gerechtfertigt. Die Lösung überzeugt insgesamt so nicht.

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Eigene Stellungnahme: Würde man dem Inferenten die Kondiktion geben, so würde er seinen ungerechtfertigten Vorteil aus dem Verkehrsgeschäft zulasten der GmbH durchretten. Das will die Anrechnungslösung des Absatzes 4 Satz 3 freilich gerade nicht.96) In Anlehnung an Fallgruppe „(aa) Sachwert [= Preis des Verkehrsgeschäfts] = Höhe der Einlage“ wird man sagen müssen, dass wiederum nicht allein die Sachleistung, sondern ebenso die Geldeinlageleistung für Zweckerreichung sorgen. Da der Differenzbetrag aus dem für die GmbH „schlechten Geschäft“ resultiert, ist dies durchaus gerechtfertigt. So wie man die Geldeinlageleistung auch in Fallgruppe (a) trotz Tilgungsneutralität nicht kondizieren kann, ist dies hier gleichermaßen ausgeschlossen. Dem besonderen Gedanken der verdeckten Sacheinlage folgend wird man sagen müssen, die GmbH erlangt den Differenzbetrag mir Rechtsgrund. Wenn Heinemann97) von einer „Sperre des Kondiktionsanspruchs nach Sinn und Zweck des Kapitalschutzes“ spricht, geht das in eine ähnliche Richtung.

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cc) Sachwert [> Preis des Verkehrsgeschäfts] = Höhe der Einlage Inferiert der Gesellschafter eine Sache, die im Verkehrsgeschäft preislich zu zurückhaltend angesetzt ist, so kommt als Tilgungseffekt dennoch nur der vordergründige Preis, nicht etwa der wahre (höhere) Wert der Sache in Betracht.98) Denn ein anderes Ergebnis wäre (bei Unterbewertung) auch mit einer förmlichen Sacheinlage nach § 5 Abs. 4 nicht zu erzielen.99) Dem sollten die Regeln der verdeckten Sacheinlage nicht vorauseilen.100) Ein Ausgleich zugunsten des Inferenten scheidet aus, da die GmbH den Wertüberschuss angesichts des Verkehrsgeschäfts mit Rechtsgrund erlangt hat.101)

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dd) Sachwert [< Preis des Verkehrsgeschäfts] • Höhe der Einlage Schließlich sind Fälle zu behandeln, in denen die Lieferung des Gesellschafters wiederum zu günstig vergütet wird, der Sachwert aber dem Betrag der Einlage entspricht _____________ Anders wohl Cavin, Kapitalaufbringung in GmbH und AG, S. 588 f. S. Henssler/Strohn-Verse, GesR, § 19 GmbHG Rn. 64. Heinemann, Verdeckte Sacheinlagen, S. 144 ff. S. Ulmer/Habersack/Löbbe-Casper, GmbHG, § 19 Rn. 150; Scholz-Veil, GmbHG, § 19 Rn. 157; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 82; Heinze, GmbHR 2008, 1065, 1067; H.-F. Müller, NZG 2011, 761, 764; i. Ergebnis ähnlich Bormann/Urlichs, GmbHR Sonderheft 10/2008, S. 37, 40. 99) S. etwa Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 5 Rn. 33. 100) Ebenso Heinze, GmbHR 2008, 1065, 1067. 101) So zutr. ewa Ulmer/Habersack/Löbbe-Casper, GmbHG, § 19 Rn. 150. 95) 96) 97) 98)

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oder diesen übersteigt. Mit Rücksicht auf das Prinzip der realen Kapitalaufbringung rechnet der Bundesgerichtshof nicht den vollen Wert der verdeckt eingebrachten Sache an, sondern drückt den Anrechnungseffekt um den Betrag der Überzahlung.102) Damit korrigiert der Senat die Überzahlung, verlässt aber freilich den Wortlaut des Absatzes 4 Satz 3, der tatbestandlich eine umfassende Tilgung der Einlageforderung durch Anrechnung eröffnet. Koch schlägt hier überzeugend eine teleologische Reduktion des Absatzes 4 Satz 3 vor.103) c) Die dogmatische Einordnung der Anrechnung 31

Die Anrechnung des Absatzes 4 Satz 3 geht zurück auf einen Vorschlag des DAV104) und war im Regierungsentwurf zunächst nicht enthalten.105) Die rechtspolitische Debatte um Inhalt und Begründung der Reform war lebhaft. Nach Maßgabe des Gesetzes wird der Wert der Sache im Zeitpunkt der Anmeldung auf die fortbestehende Geldeinlagepflicht des Gesellschafters angerechnet. Von da an hat die Einlageforderung nicht mehr dieselbe Gestalt. Wie der Verwandlungsprozess dogmatisch zu deuten ist, wird bislang nicht einheitlich beantwortet. Sicher ist nur, dass es ohne das Erfordernis einer Gestaltungserklärung106) und ohne Rückwirkung nicht um eine Aufrechnung gehen kann.107) Es stehen so vor allem erfüllungsrechtliche Erklärungsansätze108) gegen die Vorstellung von der Anrechnung als eigenständiger Rechtsfigur mit Zügen einer Vorteilsausgleichung.109) Heidingers110) Ansicht vom Verkehrsgeschäft als rechtswirksame Sachübernahme ist bislang ohne Gefolgschaft geblieben.

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Nach hier vertretener Ansicht stellt sich die Anrechnung als ex lege verfügendes Institut dar, das (ähnlich einer Verrechnung) ohne gestaltende oder zwecksetzende _____________ 102) BGHZ 185, 44 Rn. 57 = ZIP 2010, 978 = GmbHR 2010, 700, dazu EWiR 2010, 421 (Wenzel); i. Erg. zust. Kleindiek, ZGR 2011, 334, 344 f; Koch, ZHR 175 (2011) 55, 61 ff; H.-F. Müller, NZG 2011, 761, 763; Scholz-Veil, GmbHG, § 19 Rn. 146 ff; Henssler/ Strohn-Verse, GesR, § 19 GmbHG Rn. 61; offenbar ebenso Schwandtner in: MünchKommGmbHG, § 19 Rn. 285 f; Körber, Neuausrichtung der Kapitalaufbringung in der GmbH, S. 263 ff. 103) Koch, ZHR 175 (2011) 55, 66 ff; zust. etwa Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 91. 104) DAV, NZG 2007, 211, 221 f. 105) RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 7, 40. Die DAV-Lösung ist vom RA des BT, BT-Drucks. 16/ 9737, S. 9, 56, aufgegriffen worden. 106) S. RA, BT-Drucks. 16/9737, S. 56; Schwandtner in: MünchKomm-GmbHG, § 19 Rn. 273; Wälzholz, GmbHR 2008, 841, 845. 107) S. Ulmer, ZIP 2009, 293, 295 f; Goette/Habersack-M. Winter, MoMiG, Rn. 2.28. 108) So Kersting, Verdeckte Sacheinlage, in: VGR 14 (2009), S. 101, 111 f; Pentz, GmbHR 2009, 126, 127; Pentz in: FS K. Schmidt, S. 1265, 1275: verrechnungsähnliches Erfüllungssurrogat eigener Art; Heinze, GmbHR 2008, 1065, 1066; Schall, ZGR 2009, 126, 140 Fn. 52 a. E.; Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, 1449, 1452; Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2009, 1185, 1191: Übertragung des Kaufobjekts als gesetzlich angeordnete Leistung an Erfüllungs statt; beiden folgend Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, 8. Aufl., § 19 Rn. 77; wohl auch Dauner-Lieb, AG 2009, 217, 224 f. 109) So Ulmer, ZIP 2009, 293, 296 f: Kürzung der Einlageforderung ipso iure (ähnlich § 326 Abs. 2 Satz 2 BGB); Veil/Werner, GmbHR 2009, 729, 730; Goette/Habersack-M. Winter, MoMiG, Rn. 2.29 ff; Henssler/Strohn-Verse, GesR, § 19 GmbHG Rn. 58. 110) Heckschen/Heidinger-Heidinger, Die GmbH, § 11 Rn. 247.

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§ 19

Leistung der Einlagen

Tätigkeit der beteiligten Akteure auf bestehende Forderungen einwirkt. Obwohl also die Sachleistung emptionis causa erfolgt, wird sie resp. ihr Wert vom Gesetz auf die Einlageschuld bezogen. Der Vorgang ähnelt somit strukturell dem der §§ 366, 367 und § 396 Abs. 2 BGB.111) Mit dieser Sichtweise trägt man dem finalen Charakter der Vorgänge Rechnung. Die Anrechnung erweist sich so als Erfüllungssurrogat:112) Der Erfüllungserfolg ist vorhanden; die eigentliche Erfüllungshandlung aber fehlt und wird vom Gesetz überspielt. Ulmers113) Anknüpfung an § 326 Abs. 2 Satz 2 BGB dagegen scheint nicht das Richtige zu treffen.114) – Bis zur Registereintragung ist die Anrechnung lediglich aufschiebend bedingt (§§ 158 ff BGB).115) d) Heilung Die unter altem Recht sehr viel drängendere Frage nach einer Heilung verdeckter Sacheinlagen (durch Umwandlung in eine Bareinlage)116) hat mit dem MoMiG planmäßig an Bedeutung verloren. Der Gesetzgeber hat aber die tradierten Heilungsmöglichkeiten nicht einschränken wollen.117)

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e) Anwendbarkeit auf die Unternehmergesellschaft (UG) Siehe § 5a Rn. 23 [Schäfer]. 4.

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Altfälle

Die Kollisionsnorm des § 3 Abs. 4 EGGmbHG bringt § 19 Abs. 4 auch für solche Einlageleistungen zur Anwendung, die vor dem 1.11.2008 erbracht worden sind, und bietet so für das intertemporale Privatrecht eine ungewöhnliche Lösung.118) Gleichwohl begegnet die Rückwirkung nach Ansicht des Bundesgerichtshofs keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.119) Die mit § 3 Abs. 4 EGGmbHG verbundene Inhalts- und Schrankenbestimmung wird als gerechtfertigt erachtet.120) _____________ 111) Abl. Körber, Neuausrichtung der Kapitalaufbringung, S. 281 f, 287 f: Institut sui generis zur Vermeidung zivilrechtlicher Nachteile. 112) Ebenso Schall, ZGR 2009, 126, 140 Fn. 52; ähnlich H.-F. Müller, NZG 2011, 761, 762; ausdrückl. a. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-Casper, GmbHG, § 19 Rn. 140 mit Hinweis auf die auch nach MoMiG fehlende Zulässigkeit der verdeckten Sacheinlage: „Die Anrechnung führt nur im wirtschaftlichen Ergebnis zu einem der Erfüllung vergleichbaren Ergebnis.“ 113) Ulmer, ZIP 2009, 293, 296 f. 114) S. die überzeugende Typisierung bei Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, § 12 I. 2., S. 226 f. 115) So auch Pentz in: FS K. Schmidt, S. 1265, 1277. 116) S. in BGHZ 155, 329, 333 ff = ZIP 2003, 1540 = NJW 2003, 3127, dazu EWiR 2003, 1243 (Priester). 117) S. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 40. 118) S. allg. Heß, Intertemporales Privatrecht, S. 523 ff; hier billigend Fuchs, BB 2009, 170, 173 ff; zu Einzelheiten s. Ulmer/Habersack/Löbbe-Casper, GmbHG, § 19 Rn. 209 ff; Pentz in: FS K. Schmidt, S. 1265, 1281 ff; Heinze, GmbHR 2008, 1065, 1073 f; Bormann/Urlichs, GmbHR Sonderheft 10/2008, S. 37, 41 f. 119) BGHZ 185, 44 Rn. 20 ff = ZIP 2010, 978 = GmbHR 2010, 700, dazu EWiR 2010, 421 (Wenzel); zust. Kleindiek, ZGR 2011, 334, 339 ff; ebenso schon Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 19 Rn. 110. 120) BGHZ 185, 44 Rn. 24 ff, 30 ff = ZIP 2010, 978 = GmbHR 2010, 700, dazu EWiR 2010, 421 (Wenzel).

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§ 19

Leistung der Einlagen

VI. Hin- und Herzahlen (Abs. 5) 1. 36

2. 37

Alte Rechtslage

Unterschritt die darlehensgebende Gesellschaft mit der Ausreichung des Kredits bilanziell ihr Stammkapital oder erreichte sie in der Gründungsphase dasselbe erst gar nicht, so behandelte die Rechtsprechung dies über lange Zeit auch unter Kapitalerhaltungsgesichtspunkten als unproblematisch. Erst die sog. NovemberEntscheidung des Bundesgerichtshofs126) hat Darlehen dieser Art beanstandet und der Barleistung des Gesellschafters auch dann die Befreiungswirkung abgesprochen, wenn der Darlehensrückgewähranspruch der Gesellschaft als vollwertig gelten musste.127) Damit verließ der II. Senat die sog. bilanzielle Betrachtungsweise.128) Diese Rechtsprechung ist seinerzeit auf Kritik gestoßen.129) 3.

38

Fallgruppen

Das Hin- und Herzahlen hat seinen rechtstatsächlichen Standort vor allem im Konzern121) bei Führung eines sog. Zentralkontos durch die Muttergesellschaft (sog. Cash Pooling122)), ist darauf richtigerweise aber nicht beschränkt.123) Geläufig sind ebenso Darlehen, die die (Tochter-)GmbH an die Konzernmutter (Gesellschafterin) sogleich nach Erlangung der Einlage ausreicht. Auf diese Weise wird (faktisch) die Einlageforderung der Tochter gegen einen Darlehensrückgewähranspruch ausgewechselt. Die Tochtergesellschaft verliert ihr zunächst frei verfügbares Vermögen sogleich wieder an die Konzernmutter. Es handelt sich um einen Fall verdeckter Finanzierung der Einlagemittel durch die Tochter zugunsten der Mutter124) Diese Fallgruppe ist streng von der Stammkapitalunterschreitung durch Gesellschafterdarlehen zu unterscheiden (sog. Cash Pooling gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2).125)

Neue Rechtslage

Auch der MoMiG-Gesetzgeber ist der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht gefolgt, sondern hat die Befreiungswirkung einer Einlageleistung nebst Rückholung lediglich daran geknüpft, dass der GmbH ein vollwertiger Rückgewähranspruch gegen _____________ 121) S. dazu näher Altmeppen, ZIP 2009, 1545 ff; Altmeppen, ZIP 2006, 1025 f. 122) S. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 41; BGHZ 182, 103 Rn. 7 ff = ZIP 2009, 1561 = GmbHR 2009, 926, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer). Zum praktischen Hintergrund näher Decker, ZGR 2013, 392, 394 ff. 123) S. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 19 Rn. 24, 70; Goette/Habersack-M. Winter, MoMiG, Rn. 2.48. 124) S. BGHZ 180, 38 Rn. 16 = ZIP 2009, 713 = NJW 2009, 2375, dazu EWiR 2009, 443 (Schodder). 125) Für die Kapitalerhaltung siehe § 30 Rn. 53 ff [Thiessen]. 126) BGHZ 157, 72 ff = ZIP 2004, 263 = NJW 2004, 1111, dazu EWiR 2004, 911 (Schöne/ Stolze). 127) S. BGHZ 165, 113, 116 = ZIP 2005, 2203 = NJW 2006, 509, dazu EWiR 2006, 33 (Tillmann). Eine Heranziehung von § 31 Abs. 1 fand nicht statt (s. aber BGHZ 180, 38 Rn. 25 = ZIP 2009, 713 = NJW 2009, 2375, dazu EWiR 2009, 443 [Schodder]). 128) So zutr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 41. 129) S. etwa Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289, 1290 ff; Bormann/Urlichs, GmbHR 2008, 119 f; zust. dagegen Barnert, WuB II C. § 30 GmbHG 1.05.

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Leistung der Einlagen

den Gesellschafter zusteht (§ 19 Abs. 5 Satz 1).130) Entsprechend besteht für diese Fälle auch kein Auszahlungsverbot (in § 30 Abs. 1 Satz 2). Damit wird die bislang nur für die Kapitalerhaltung gültige bilanzielle Betrachtungsweise auch für die Kapitalaufbringung verbindlich.131) Das Gebot der sofortigen freien Verfügbarkeit der Einlage wird hier – stärker als bei den Regeln zur verdeckten Sacheinlage – verlassen.132) Absatz 5 Satz 1 denkt an folgende zeitliche Abfolge:

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Zuerst kommt es zum Abschluss des Gesellschaftsvertrages, durch den der Gesellschafter sich zu einer bestimmten Bareinlage verpflichtet.



Zeitgleich oder im Anschluss daran vereinbaren Gesellschaft und Gesellschafter eine Leistung der GmbH, die wirtschaftlich einer Rückzahlung gleichkommt.



Dann erbringt der Gesellschafter seine Bareinlage („Ist vor der Einlage …“)133)



und die GmbH zahlt einen wirtschaftlich entsprechenden Betrag an ihn.



Befreiende Wirkung soll „dies“ (die Einlage) vor diesem Hintergrund nur haben, wenn die Parteien zugleich eine qualifizierte („Rück-“)Rückgewähr vereinbart haben und der Anspruch mit Blick auf den Gesellschafter also als vollwertig gelten darf.

a) Tatbestand aa) Vorrang der verdeckten Sacheinlage – Cash Pool Die Systematik ergibt, dass das Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage i. S. d. Absatzes 4 vorweg ausgeschlossen werden muss. Nur so lassen sich die Rechtsfolgen des (mithin subsidiären) Absatzes 5 erschließen.134) Der Bundesgerichtshof nimmt eine verdeckte Sacheinlage an, „wenn die gesetzlichen Regeln für Sacheinlagen dadurch unterlaufen werden, dass zwar eine Bareinlage vereinbart wird, die Gesellschaft aber bei wirtschaftlicher Betrachtung von dem Einleger aufgrund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Einlage getroffenen Absprache einen Sachwert erhalten soll.“135) Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich vor allem beim konzerneigenen Cash-Pooling136), dort also, wo die Einlagegläubigerin (= GmbHTochter) mittelbar an dem von der Muttergesellschaft geführten Zentralkonto _____________ 130) Auch der BGH, ZIP 2009, 70 (LS 1) = GmbHR 2009, 199 = NJW 2009, 850 hält nun an der alten Linie nicht mehr fest. Die Neuregelung geht vollständig auf die Initiative des RA zurück (BT-Drucks. 16/9737, S. 9 f, 56), dazu EWiR 2009, 129 (Blasche); s. a. bereits K. Schmidt, GmbHR 2007, 1072, 1073. 131) S. Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 5.35c; Bormann/Urlichs, GmbHR Sonderheft 10/2008, S. 37, 43. 132) S. dazu Schall, ZGR 2009, 126, 146 ff mit Hinweis auf das „freiwillige Seriositätssignal der Gründer“; a. A. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 89. 133) Zur zeitlichen Abfolge Bormann/Urlichs, GmbHR Sonderheft 10/2008, S. 37, 43. 134) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-Casper, GmbHG, § 19 Rn. 181; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 105; Bäuml, GmbHR 2009, 632, 633; Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, 1449, 1454. 135) BGHZ 182, 103 Rn. 10 = ZIP 2009, 1561 = DB 2009, 1755, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer) und BGHZ 166, 8 Rn. 11 = ZIP 2006, 665 = GmbHR 2006, 477, dazu EWiR 2006, 523 (Hoos/A. Kleinschmidt). 136) S. i. Ergebnis Schwandtner in: MünchKomm-GmbHG, § 19 Rn. 333 ff.

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Leistung der Einlagen

teilhat.137) Leistet die Muttergesellschaft als Einlageschuldnerin durch Überweisung an die Tochter auf deren (in den Pool eingebundenes) Konto und wird dieser Betrag (den Pool-Regeln folgend) auf das zentrale Verrechnungskonto weitergeleitet, so fehlt es an einer regelgerechten Barleistung der Mutter dann, wenn das Verrechnungskonto zulasten der Einlagenempfängerin (= Tochter) im Zeitpunkt der Weiterleitung (intern) negativ war. Denn der Vorgang vermittelt der Tochter keine Liquidität, sondern lediglich die Befreiung von einer cash-internen (Alt-)Verbindlichkeit.138) 41

Diese Befreiung ist Anwendungsschranke für § 19 Abs. 5, wenn sie sacheinlagefähig ist; denn anders läge kein Umgehungsversuch vor.139) Der Umweg über den Pool steht wirtschaftlich dem (fraglos sacheinlagefähigen) Verzicht der Inferentin (= Mutter) auf den poolgestützten Darlehensrückgewähranspruch gegen die Tochter gleich,140) sodass die großzügigen Regeln des § 19 Abs. 5 in diesen Fällen außer Ansatz bleiben. Bei ausgeglichenem oder positivem Konto liegt dagegen tatbestandsmäßiges Hin- und Herzahlen vor,141) da die Tochter so Liquidität erlangt. bb) Vereinbarung einer Leistung an den Gesellschafter

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Das Gesetz sieht eine „echte“ rechtsgeschäftliche Vereinbarung vor, die die „Rückzahlung“ der Bareinlage verbindlich macht142) (regelmäßig Darlehen, ggf. Treuhand), nennt aber die Parteien der Abrede nicht. Neben der GmbH selbst werden auch die übrigen Gesellschafter wirksam mit dem Inferenten abschließen dürfen.143) MaierReimer und Wenzel weisen mit Recht darauf hin, dass die Rechtsfolgen des Absatzes 5 ohne valide Abrede erst recht gelten.144) Etwas anderes gilt dann, wenn durchaus verabredet wurde, jedoch zu einem späteren Zeitpunkt (siehe Rn. 43). (1) Zeitpunkt

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Nach dem Wortlaut der Norm hat die Vereinbarung von Einlageschuldner und Gesellschaft (in Abgrenzung zu den Kapitalerhaltungsregeln des § 30 Abs. 1) der Erbringung der Einlage vorauszugehen.145) Damit folgt das Gesetz der alten Recht_____________ 137) S. Maier-Reimer, EWiR 2009, 537 bei 1.2. 138) S. BGHZ 182, 103 Rn. 10 = ZIP 2009, 1561 = DB 2009, 1755, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer); Schwandtner in: MünchKomm-GmbHG, § 19 Rn. 336; Henssler/StrohnVerse, GesR, § 19 GmbHG Rn. 50; a. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-Casper, GmbHG, Rn. 200 f. 139) S. BGHZ 180, 38 Rn. 12 = ZIP 2009, 713 = GmbHR 2009, 540, dazu EWiR 2009, 443 (Schodder); Schwandtner in: MünchKomm-GmbHG, § 19 Rn. 334. 140) S. Schwandtner in: MünchKomm-GmbHG, § 5 Rn. 124, 126, § 19 Rn. 336 und wohl auch BGHZ 182, 103 Rn. 10 = ZIP 2009, 1561 = DB 2009, 1755, dazu EWiR 2009, 537 (MaierReimer). 141) S. BGHZ 182, 103 Rn. 11; Schwandtner in: MünchKomm-GmbHG, § 19 Rn. 337; Henssler/ Strohn-Verse, GesR, § 19 GmbHG Rn. 51. 142) S. BGHZ 182, 103 Rn. 14 = ZIP 2009, 1561 = GmbHR 2009, 926, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer). 143) Ebenso Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 91; Bormann/Urlichs, GmbHR Sonderheft 10/2008, S. 37, 43. 144) Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, 1449, 1453. 145) S. MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, § 19 Rn. 332; Michalski/Heidinger/Leible/ J. Schmidt-Ebbing, GmbHG, § 19 Rn. 169; Fastrich in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 19 Rn. 73; auch Bormann/Urlichs, GmbHR Sonderheft 10/2008, S. 37, 43.

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Leistung der Einlagen

sprechung des Bundesgerichtshofs.146) Aufgrund des vorvereinbarten Rückflusses stand die erbrachte Bareinlage nach altem Recht nicht zur freien Verfügung des Geschäftsführers.147) Da § 19 Abs. 5 Satz 1 jetzt unter bestimmten Voraussetzungen von dieser Konsequenz absieht und vielmehr Erfüllung der Einlageschuld anordnet, ist die Abfolge wohl nicht mehr zwingend und der Tatbestand mithin unnötig eng.148) (2) Rückzahlungsentsprechung Die inkriminierte Zahlung der Gesellschaft an den Gesellschafter muss wirtschaftlich einer Rückzahlung der Einlage entsprechen. Das Tatbestandsmerkmal wird in den Gesetzgebungsmaterialien nicht näher behandelt. Auf jeden Fall wird man einen engen zeitlichen Zusammenhang fordern müssen.149) Eine subjektive Tatbestandsseite besteht nicht.

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cc) Wechselseitige Zahlungen Nach Absatz 5 ist ferner erforderlich, dass sowohl der Inferent Zahlung leistet als auch die GmbH – etwa als Darlehen – diesen Betrag zurückgewährt. Letzteres gibt der Wortlaut nicht eindeutig her; die Norm wird aber (nicht ganz zweifelsfrei) so gelesen.150) Für ein (umgekehrtes) Her- und Hinzahlen gilt die Vorschrift ebenso.151) Die (zumindest vorläufige) Aufbringung der Einlage bleibt dem Gesellschafter nicht erspart.152)

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dd) Qualifizierter Rückgewähranspruch (1) Vollwertigkeit Deutlich stärkere Beachtung findet das Merkmal des vollwertigen Rückgewähranspruchs. Abweichend von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs153) hat sich der Reformgesetzgeber entschieden, eine Erfüllung dann zu akzeptieren, wenn der Rückgewähranspruch vollwertig ist, also (objektiv) als einbringlich betrachtet _____________ 146) S. BGHZ 125, 141, 150 f = ZIP 1994, 701 f = NJW 1994, 1477, dazu EWiR 1994, 467 (v. Gerkan). 147) S. Goette, DStR 2007, 773, 774 f in erläuternder Wiedergabe von BGH [Anerkenntnisurteil], DStR 2007, 773 (LS); krit. Seibert-Seibert, MoMiG, RWS-Dok. 23, S. 37. 148) Bäuml, GmbHR 2009, 632, 633 verweist solche Fälle in die Kapitalerhaltungsregeln. Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, 1449, 1454 wollen darüber hinaus auch den Fall eines vorweg gewährten GmbH-Darlehens, aus dem der Gesellschafter die Bareinlage bestreitet, hier ansiedeln. 149) Anders Ulmer/Habersack/Löbbe-Casper, GmbHG, § 19 Rn. 185; Theiselmann, Der Konzern 2009, 460, 462. 150) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-Casper, GmbHG, § 19 Rn. 184 f; Schwandtner in: MünchKommGmbHG, § 19 Rn. 326; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 128; Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 19 Rn. 129 ff; nicht ganz eindeutig Scholz-Veil, GmbHG, § 19 Rn. 177. – Ausreichend wäre dem Wortlaut nach auch die bloße Vereinbarung der Rückzahlung. 151) S. Scholz-Veil, GmbHG, § 19 Rn. 178; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 128; zust. Körber, Neuausrichtung der Kapitalaufbringung, S. 432. 152) S. Bormann/Urlichs, GmbHR Sonderheft 10/2008, S. 37, 43; u. U. großzügiger Körber, Neuausrichtung der Kapitalaufbringung, S. 70 ff, 472. 153) BGHZ 157, 72 ff = ZIP 2004, 263 = NJW 2004, 1111, dazu EWiR 2004, 911 (Schöne/ Stolze).

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werden kann. Entscheidend für die Bewertung der Forderung ist nach übereinstimmender Ansicht der Zeitpunkt der Mittelaus- bzw. -rückreichung.154) An einer Vollwertigkeit fehlt es etwa, wenn Zweifel an der Solvenz des Gesellschafters bestehen.155) Diese dürfen freilich nicht bereits auf dessen Darlehenswunsch, also Fremdkapitalbedarf, gestützt werden. Eine Besicherung des Anspruchs durch den Inferenten ist grundsätzlich nicht erforderlich.156) (2) Beliebiger Zugriff 47

Auf Anregung von Ulmer157) hat der Reformgesetzgeber zur Voraussetzung gemacht, dass der Rückgewähranspruch der GmbH jederzeit fällig ist oder doch durch Kündigung fällig gestellt werden kann.158) Denn erheblicher Aufschub erschwert die Vollwertigkeitsprognose zweifellos. Und: Nur ein jederzeit fälliger Anspruch ist einem Anspruch aus Giroguthaben derart gleichwertig, dass eine Erfüllungswirkung gerechtfertigt ist.159) (3) Anwendbarkeit der §§ 21 – 25

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Bereits oben (siehe Rn. 6) ist die Rückgewährforderung aus Hin- und Herzahlen wegen ihrer Nähe zur Einlageforderung dem Befreiungsverbot des Absatzes 2 unterstellt worden. Gleiches muss für die Kapitalschutzregeln der §§ 21 – 25 gelten.160) Misslingt also die planmäßige Forderungseinziehung durch den Geschäftsführer, so hat dieser i. R. pflichtgemäßen Ermessens mit der Androhung und ggfs. Durchführung der Kaduzierung fortzufahren. Diesem effektiven Kapitalschutz ist mit dem Modus des § 19 Abs. 5 nicht zu entkommen, auch wenn Liquiditäts- und Vollwertigkeitserfordernis für eine Aufwertung sorgen. ee) Anmeldung

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Soll das Hin- und Herzahlen einer Erfüllung der Einlageverpflichtung nicht im Wege stehen, so bedarf es der (konstitutiven) Offenlegung (§ 19 Abs. 5 Satz 2 i. V. m. _____________ 154) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-Casper, GmbHG, § 19 Rn. 188; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 5.35c; Goette/Habersack-M. Winter, MoMiG, Rn. 2.51; Fuchs, DB 2008, 2347, 2349; Bormann/Urlichs, GmbHR Sonderheft 10/2008, S. 37, 43; Heinze, GmbHR 2008, 1065, 1070. 155) S. Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, 1449, 1453 f; einschränkend Schall, ZGR 2009, 126, 142 f: „formelle Vollwertigkeit“. Nach Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 115 ist erforderlich, dass das Vermögen zum Zeitpunkt der Ausreichung für die Begleichung aller Verbindlichkeiten hinreicht und auch für die geschuldete Rückgewährfälligkeit eine entsprechende Prognose gerechtfertigt ist. 156) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-Casper, GmbHG, § 19 Rn. 187; Goette/Habersack-M. Winter, MoMiG, Rn. 2.49; offenlassend Bormann/Urlichs, GmbHR Sonderheft 10/2008, S. 37, 44. 157) Ulmer, ZIP 2008, 45, 54 f. 158) S. RA, BT-Drucks. 16/9737, S. 56. 159) So zutr. Goette/Habersack-M. Winter, MoMiG, Rn. 2.52. 160) Ebenso Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ebbing, GmbHG, § 19 Rn. 178; Wicke, GmbHG, § 19 Rn. 37; Heinze, GmbHR 2008, 1065, 1071; a. A. aber Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 19 Rn. 70, 83; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 19 Rn. 133; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 121; Jaeger in: BeckOK-GmbHG, Stand: 35. Ed. 8/2017, § 19 Rn. 251; Cavin, Die Kapitalaufbringung in GmbH und AG, S. 625 ff; Schall, ZGR 2009, 126, 140 Fn. 54; Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 782; Bormann, GmbHR 2007, 897, 902 f; ohne Rekurs auf § 21 Ulmer/Habersack/Löbbe-Casper, GmbHG, § 19 Rn. 196; Schwandtner in: MünchKomm-GmbHG, § 19 Rn. 357 f.

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Klaus Bartels

§ 19

Leistung der Einlagen

§ 8).161) Dass § 8 Abs. 1 dies tatbestandlich nicht zusätzlich aufgreift, erschwert die Anwendung unnötig. b) Rechtsfolge (Befreiungswirkung) Die Norm formuliert (wenngleich negativ), dass die Einlage (nebst Vereinbarung) den Inferenten befreie, sofern die (Rück-)Zahlung der Gesellschaft durch einen vollwertigen Rückgewähranspruch gedeckt sei. Man kann also sagen, der ganz als Erfüllungsakt aufgemachte Zahlungsvorgang erreicht seinen Zweck, obwohl er von der heiklen Rückleitung begleitet wird. Anders als in Absatz 4, der begrifflich mit der Anrechnung zu kämpfen hat, handelt es sich hier um einen reinen Erfüllungsvorgang.162)

50

c) Rechtsfolge für tatbestandsferne Fälle Erfüllt das Hin- und Herzahlen die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 nicht, so entfaltet die Darlehensvereinbarung (mangels einer Absatz 4 Satz 2 vergleichbaren Regelung in Absatz 5)163) keine Wirksamkeit.164) Dies heißt zunächst, dass der Gesellschafter die „Herzahlung“ ohne rechtlichen Grund erlangt hat,165) also überdies Herausgabe nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB schuldet. Da freilich keine (kumulative) Verpflichtung auf das Doppelte gewollt war und auch vom Gesetzgeber (sanktionierend) nicht vorgesehen ist, tilgt eine Zahlung des Gesellschafters an die GmbH (ex nunc) sowohl die Einlageverpflichtung166) als auch die aus ungerechtfertigter Bereicherung167), gleichviel, ob der Gesellschafter auf die Einlageschuld oder auf mutmaßliche Darlehensrückgewährverpflichtung leistet.168) Voraussetzung ist

_____________ 161) S. BGHZ 180, 38 Rn. 16 = ZIP 2009, 713 = NJW 2009, 2375, dazu EWiR 2009, 443 (Schodder); BGHZ 182, 103 Rn. 25 = ZIP 2009, 1561 = GmbHR 2009, 926 = NJW 2009, 3091, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer); Ulmer/Habersack/Löbbe-Casper, GmbHG, § 19 Rn. 191; Pentz, GmbHR 2009, 505, 511; Bormann/Urlichs, GmbHR Sonderheft 10/2008, S. 37, 44; Heckschen, DStR 2009, 166, 173; wohl jetzt auch Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 122 f; wägend Tebben, RNotZ 2008, 441, 460 f; a. A. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 19 Rn. 80; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 19 Rn. 143 ff, 147; Goette/Habersack-M. Winter, MoMiG, Rn. 2.53. 162) Ebenso Ulmer/Habersack/Löbbe-Casper, GmbHG, § 19 Rn. 195; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 19 Rn. 121. 163) Dies ist hier systematisch überzeugend, ansonsten aber angreifbar. 164) Ulmer/Habersack/Löbbe-Casper, GmbHG, § 19 Rn. 182, 197; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 19 Rn. 84; Henssler/Strohn-Verse, GesR, § 19 GmbHG Rn. 92; Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 365. 165) Vgl. auch BGHZ 165, 113, 117 f = ZIP 2005, 2203 = NJW 2006, 509, dazu EWiR 2006, 33 (Tillmann). 166) BGHZ 182, 103 Rn. 22; BGHZ 185, 44 Rn. 16; BGH BeckRS 2016, 114504; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Casper, GmbHG, § 19 Rn. 198; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 19 Rn. 84; Henssler/Strohn-Verse, GesR, § 19 GmbHG Rn. 93; Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 365. 167) Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 365. 168) S. BGHZ 165, 113, 117 f = ZIP 2005, 2203 = NJW 2006, 509, dazu EWiR 2006, 33 (Tillmann); Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 126; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 19 Rn. 140.

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§ 20

Verzugszinsen

aber, dass sich die (Rück-)Zahlung „zweifelsfrei der fortbestehenden Einlageverpflichtung zuordnen lässt“.169) 4. 52

Altfälle § 3 Abs. 4 EGGmbHG

Auch für das Hin- und Herzahlen ordnet § 3 Abs. 4 EGGmbHG die Anwendung des neuen § 19 Abs. 5 auf Einlagenleistungen aus der Zeit vor Inkrafttreten des MoMiG an und durchbricht damit Grundsätze des intertemporalen Rechts.170) Der Bundesgerichtshof weist indessen verfassungsrechtliche Bedenken zurück.171) VII. Verjährung (Abs. 6)

53

Schon durch Gesetz vom 9.12.2004172) ist dem GmbHG mit § 19 Abs. 6 a. F. eine Verjährungsregelung eingefügt worden, die durch die Schuldrechtsmodernisierung erforderlich geworden war. Von ehedem dreißig Jahren (§§ 195, 198 BGB a. F.) war die Frist so auf zehn (§ 19 Abs. 6 Satz 1 a. F.), nicht aber auf drei Jahre (§§ 195, 199 BGB n. F.) abgesenkt worden. Daran hat das MoMiG unverändert festgehalten. Die Verjährung beginnt entgegen dem Gesetzeswortlaut mit Eintritt der Fälligkeit,173) nicht bereits mit Entstehung des Einlageanspruchs. Entscheidend sind also die Angaben des Gesellschaftsvertrages. _____________ 169) S. BGHZ 185, 44 Rn. 16; BGH BeckRS 2016, 114504; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 19 Rn. 84. 170) S. dazu i. Einzelnen Heinze, GmbHR 2008, 1065, 1073 f; vgl. auch Hess, Intertemporales Privatrecht, S. 134 (Vereinsrecht – Innenverhältnis). 171) BGHZ 185, 44 Rn. 20 ff = ZIP 2010, 978 = GmbHR 2010, 700, dazu EWiR 2010, 421 (Wenzel); ebenso Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 137. 172) BGBl. I 2004, 3214. 173) Allg. Meinung, s. RegE, BT-Drucks. 15/3653, S. 20; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 19 Rn. 12; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 19 Rn. 119; Wicke, GmbHG, § 19 Rn. 39; Thiessen, ZHR 168 (2004) 503, 519 f.

§ 20 Verzugszinsen Klaus Bartels Ein Gesellschafter, welcher den auf die Stammeinlage eingeforderten Betrag nicht zur rechten Zeit einzahlt, ist zur Entrichtung von Verzugszinsen von Rechts wegen verpflichtet. Literatur: Veil/Werner, Die Regelung der verdeckten Sacheinlage, GmbHR 2009, 729. Übersicht I. Zweck der Norm .................................. 1 II. Tatbestand der Norm .......................... 2 1. Grundsätze ............................................ 2

I. 1

2. Fälligkeit ................................................ 3 3. Verspätung/Mahnung ........................... 4 III. Rechtsfolgen der Norm ....................... 5

Zweck der Norm

§ 20 will die Kapitalaufbringung präventiv fördern und (sofern das nicht gelingt) den Nachteilsausgleich für verspätete Einlageleistungen vereinfachen.

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§ 20

Verzugszinsen

II. Tatbestand der Norm 1.

Grundsätze

Der Gesellschafter schuldet die Zahlung von Zinsen, wenn die bereits entstandene Bareinlageschuld1) trotz Fälligkeit noch unbeglichen ist. Zudem darf sich die Gesellschaft nicht in Annahmeverzug befinden. Neben die Bareinlage als primäre Grundlage einer Verzinsung treten Surrogate wie Ansprüche aus Differenzhaftung, Unterbilanzhaftung sowie solche Bareinlagepflichten, die anstelle einer fehlgeschlagenen Sacheinlage treten.2) Die Regelung des § 19 Abs. 4 Sätze 3 und 4 sorgt dafür, dass der Inferent grundsätzlich bis zur Anrechnung durch Registereintragung säumig ist.3) Nicht tatbestandsmäßig sind vor allem Nachschüsse sowie Darlehensrückgewährverpflichtungen aus Hin- und Herzahlungsvorgängen i. S. d. § 19 Abs. 5 Satz 1. Bei Letzteren regelt exklusiv die vertragliche Zins- und Leistungsstörungsabrede die Dinge. – Obgleich § 20 nicht in § 25 genannt wird, muss man die Vorschrift als zwingend behandeln.4) Ausweislich der Motive handelt es sich bei der Aufzählung des § 25 insoweit um ein Redaktionsversehen.5) 2.

Fälligkeit

Das Gesetz spricht vom eingeforderten Betrag. Die eigentliche Einforderung vollzieht sich intern durch Gesellschafterbeschluss nach § 46 Nr. 2. Erst mit einer Anforderung durch den Geschäftsführer wird der Vorgang jedoch ein an den Gesellschafter gerichteter Akt der Geltendmachung.6) Die Anforderung ist einseitiges Rechtsgeschäft und grundsätzlich formfrei gültig.7) Grundsätzlich löst sie unmittelbar die Fälligkeit der Einlageforderung aus.8) Etwas anderes gilt nur, wenn bei Beschlussfassung alle Gesellschafter und also auch der Einlageschuldner anwesend waren.9) Weder einen

_____________ 1) 2) 3) 4)

5) 6)

7)

8) 9)

2

S. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 20 Rn. 7 f; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 20 Rn. 2. S. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 20 Rn. 1. Zutr. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 20 Rn. 9 ff. Ebenso Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 20 Rn. 5; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 20 Rn. 11; a. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 20 Rn. 6; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 20 Rn. 1; offenlassend Jaeger in: BeckOK-GmbHG, Stand: 35. Ed. 2/2018, § 20 Rn. 24. S. RegE, Reichstags-Drucks. 1890/92, Anlage Nr. 600, S. 3715, 3742. S. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 20 Rn. 17 f; Scholz-Veil, GmbHG, § 20 Rn. 12; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 20 Rn. 3; a. A. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 20 Rn. 3. S. OLG München, GmbHR 1985, 56 f; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 20 Rn. 18; Scholz-Veil, GmbHG, § 20 Rn. 12; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 20 Rn. 4; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 20 Rn. 3. S. Scholz-Veil, GmbHG, § 20 Rn. 6; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 20 Rn. 3; wohl auch Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 20 Rn. 17 f. S. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 20 Rn. 17; großzügiger Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 20 Rn. 5: Fälligkeitswirkung gegenüber allen anwesenden Gesellschaftern.

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3

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Verzugszinsen

Einforderungsbeschluss noch eine Anforderung braucht es schließlich dann, wenn der Eintritt der Fälligkeit im Gesellschaftsvertrag geregelt ist.10) 3. 4

Verspätung/Mahnung

Die Einlage ist „nicht zur rechten Zeit“, mithin verspätet eingezahlt, wenn sie nicht zum Zahlungstermin bzw. sofort nach Anforderung eingeht. Sofort zahlt der Gesellschafter dann, wenn er so schnell wie nach den Umständen möglich leistet.11) Der Zahlung der Geldeinlage entspricht die durch Eintragung ausgelöste Anrechnung i. S. d. § 19 Abs. 5 Satz 1.12) – Ein Verschulden des Gesellschafters ist – anders als nach § 280 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, § 286 Abs. 1 BGB – nicht erforderlich. Da es sich bei § 20 um keinen Verzugszins handelt (siehe Rn. 5), bedarf es durchweg keiner Mahnung. III. Rechtsfolgen der Norm

5

Der Fälligkeitszins beträgt 4 % (§ 246 BGB). Teile der Rechtsprechung13) und das Schrifttum14) rekurrieren trotz tatbestandlich eindeutiger Bezeichnung als Verzugszins (seit der Schuldrechtsmodernisierung) nicht (mehr) auf §§ 247, 288 BGB und begründen dies zu Recht mit einer strukturellen Verwandtschaft zwischen § 20 und der aktienrechtlichen Regelung des § 63 Abs. 2 AktG. Auch dort geht es nicht um einen Verzugszins i. S. d. BGB.15)

6

Der Gesellschaftsvertrag kann den Zinsumfang erhöhen,16) aufgrund des zwingenden Charakters des § 20 aber nicht vermindern. Weiterer Schadenersatz wie etwa aufgrund echten Verzugs ist durch § 20 nicht ausgeschlossen.17)

_____________ 10) S. OLG Oldenburg, NZG 2008, 32, 35 = ZIP 2008, 267 = GmbHR 2007, 1043; OLG Dresden, GmbHR 1997, 947; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 20 Rn. 35; Scholz-Veil, GmbHG, § 20 Rn. 6; Jaeger in: BeckOK-GmbHG, Stand: 35. Ed. 2/2018, § 20 Rn. 11; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 20 Rn. 3; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 20 Rn. 4. 11) S. OLG Brandenburg, NZG 2001, 366, 367 = MDR 2001, 588; OLG Köln, WM 1995, 490; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 20 Rn. 20; Scholz-Veil, GmbHG, § 20 Rn. 15; Jaeger in: BeckOK-GmbHG, Stand: 35. Ed. 2/2018, § 20 Rn. 13; Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 20 Rn. 5. 12) Offenlassend Veil/Werner, GmbHR 2009, 729, 737. 13) S. OLG Oldenburg, NZG 2008, 32, 35 = ZIP 2008, 267 = GmbHR 2007, 1043; OLG Brandenburg, NZG 2001, 366, 368 = MDR 2001, 588; anders offenbar BGHZ 182, 103 Rn. 41 = ZIP 2009, 1561 – wenngleich mit dem Begriff der „Fälligkeitszinsen“. 14) S. ausführl. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 20 Rn. 6; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 20 Rn. 10; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 20 Rn. 42 f; Wilhelm, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 356; auch Jaeger in: BeckOK-GmbHG, Stand: 22. Ed. 3/2015, § 20 Rn. 23; Wicke, GmbHG, § 20 Rn. 5. 15) S. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 63 Rn. 48; Hüffer-J. Koch, AktG, § 63 Rn. 8. 16) S. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 20 Rn. 5; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 20 Rn. 6; Wicke, GmbHG, § 20 Rn. 5. 17) S. Jaeger in: BeckOK-GmbHG, Stand: 22. Ed. 2/2018, § 20 Rn. 29; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 20 Rn. 6; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 20 Rn. 13.

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Vor §§ 21–25

Vorbemerkung

Vor §§ 21 – 25 Vorbemerkung

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Literatur: Bartels, Der Verzicht auf den gesetzlichen Vollstreckungsschutz, Rpfleger 2008, 397; Bayer/P. Scholz, Ausfallhaftung gemäß § 24 GmbHG nach Anteilsabtretung an später kaduzierten Mitgesellschafter, NZG 2015, 1089; J. Schmidt, Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen, GmbHR 2013, 953; Schockenhoff, Rechtsfragen der Zwangseinziehung von GmbH-Geschäftsanteilen, NZG 2012, 449; Stehmann, Die Einziehung von Geschäftsanteilen, GmbHR 2013, 574.

Das GmbH-Gesetz sichert die (Bar-)Kapitalaufbringung aufwendig gegen Störungen ab. Vereinfacht lässt sich sagen: Bleibt die Einlageschuld trotz Fälligkeit und geeigneter Nachfristsetzung offen und verliert der Gesellschafter den Geschäftsanteil durch Beschluss nach § 21 Abs. 2, so „haften“ nach § 22 seine Vorgänger in der Mitgliedschaft. Gelingt die Realisierung auch über die Rechtsvorgänger nicht, so kann die Gesellschaft den Anteil durch öffentliche Versteigerung verwerten (§ 23). Sofern und soweit auch dies ohne Erfolg bleibt, „haftet“ der ausgeschlossene Gesellschafter trotz Kaduzierung zusätzlich der Gesellschaft (§ 21 Abs. 3). Gänzlich subsidiär sind schließlich die übrigen (aktuellen) Gesellschafter-Regressschuldner nach § 24.1) Hirte apostrophiert die Kaduzierung (angreifbar) als „besonderes Vollstreckungsverfahren“.2)

1

Neben die reine Bareinlageverpflichtung treten nach allg. M. Sacheinlagen, die sich zur Bareinlage gewandelt haben, sowie Verpflichtungen aus § 9 und schließlich der Bareinlageteil aus gemischter Einlage.3) Will das Sicherungssystem effektiv sein, so muss es neben Einlageforderungen der Gesellschaft richtigerweise auch deren Darlehensrückgewährforderungen aus wirksamem Hin- und Herzahlen erfassen (siehe § 19 Rn. 48 [Bartels]). Deren Zulässigkeit ist durch das MoMiG (je nach Stand des Betrachters) erheblich gefestigt bzw. überhaupt erst durchgesetzt worden (siehe § 19 Rn. 38 ff [Bartels]). Die h. M. lehnt die Anwendung bislang ab (siehe § 19 Rn. 48 [Bartels]).

2

Obgleich das Gesetz, abgesehen von der Position des Gesellschafters vor Kaduzierung, regelmäßig von Haftung spricht, scheint es sich doch richtigerweise um Schuld zu handeln. Denn wenn die Rechtsordnung nicht zwischen Schuld und Haftung trennt, sondern bloße Haftung anordnet, so handelt es sich dabei um pfandrechtliche Realhaftung, die dem Haftenden die Duldung der Verwertung (des haftenden Vermögens) abverlangt. Darum geht es hier indessen nicht. Die Rechtsvorgänger sowie schließlich der kaduzierte Gesellschafter selbst schulden Zahlung4) und haften

3

_____________ 1)

2) 3) 4)

Zur Reihenfolge der Staffelung (zunächst § 21 Abs. 3, dann § 24) Ulmer/Habersack/ Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 24 Rn. 23; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 24 Rn. 2; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 24 Rn. 9; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 24 Rn. 3; Jaeger in: BeckOK-GmbHG, Stand: 25. Ed. 2/2018, § 24 Rn. 5. Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 5.45. S. nur Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 21 Rn. 11; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 21 Rn. 3. Der mehrdeutige Begriff der Haftung wird also i. S. eines Leistensollens, ggf. eines Einstehenmüssens gebraucht, vgl. allg. Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 64 f. Die Formulierung bei K. Schmidt, GesR, § 37 II. 5. a, S. 1126 (für § 21 Abs. 3): „Die Einlageverpflichtung des Ausgeschlossenen bleibt … als Ausfallhaftung bestehen“ ist somit zumindest unglücklich.

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Kaduzierung

dabei – wie üblich – mit ihrem gesamten Vermögen.5) Und so spricht § 24 Satz 1 richtigerweise vom Einzug beim Zahlungspflichtigen und meint damit die Personen, die in §§ 21 Abs. 3 und 22 Abs. 1 – 3 als Haftende geführt werden. – Die Rechtsvorgänger werden mithin für Verbindlichkeiten in Regress genommen, die bereits erloschen sind. Mit der Vorstellung einer akzessorischen Sicherung wäre dieses Ergebnis nicht zu erzielen. _____________ 5)

S. dazu auch Bartels, Rpfleger 2008, 397.

§ 21 Kaduzierung Klaus Bartels

(1) 1Im Fall verzögerter Einzahlung kann an den säumigen Gesellschafter eine erneute Aufforderung zur Zahlung binnen einer zu bestimmenden Nachfrist unter Androhung seines Ausschlusses mit dem Geschäftsanteil, auf welchen die Zahlung zu erfolgen hat, erlassen werden. 2Die Aufforderung erfolgt mittels eingeschriebenen Briefes. Die Nachfrist muss mindestens einen Monat betragen. (2) 1Nach fruchtlosem Ablauf der Frist ist der säumige Gesellschafter seines Geschäftsanteils und der geleisteten Teilzahlungen zugunsten der Gesellschaft verlustig zu erklären. 2Die Erklärung erfolgt mittels eingeschriebenen Briefes. (3) Wegen des Ausfalls, welchen die Gesellschaft an dem rückständigen Betrag oder den später auf den Geschäftsanteil eingeforderten Beträgen der Stammeinlage erleidet, bleibt ihr der ausgeschlossene Gesellschafter verhaftet. Literatur: Schuler, Die Kaduzierung von GmbH-Anteilen, GmbHR 1961, 98; Spindler, Die Verwertung des kaduzierten Geschäftsanteils, GmbHR 1950, 177. Übersicht I. Zweck der Norm .................................. II. Aktivlegitimation ................................ III. Die versäumte Einlageneinzahlung .................................................. IV. Gleichbehandlungsgrundsatz .............

I. 1

1 2 3 4

V. Nachfrist unter Ausschlussandrohung (Abs. 1) .................................. 5 VI. Verlustigerklärung (Abs. 2) .............. 10 VII. Ausfallhaftung des ausgeschlossenen Gesellschafters (Abs. 3) ... 16

Zweck der Norm

Ist ein Gesellschafter mit der Aufbringung der Einlage säumig, so verletzt er damit eine zentrale Mitgliedschaftspflicht.1) Mit dem Institut der Kaduzierung2) will das Gesetz die Gesellschaft befähigen, sich gegen derartige Störungen bei der Kapitalaufbringung zur Wehr zu setzen und die Aussichten einer intakten Einlage zu erhöhen. Auch wenn der Ausschluss eher selten vorkommt: Bereits die rechtliche Möglichkeit der Kaduzierung hat (generalpräventive) Auswirkungen auf das Gesellschafterverhalten.3) Aufgrund seiner nachteiligen Folgen – Verlust des Anteils ohne Gegenwert bei fortgesetzter Einlage-„haftung“– hat die Kaduzierung zudem (spezialpräventiven) Strafcharakter.4) _____________ 1) 2) 3) 4)

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S. K. Schmidt, GesR, § 35 I. 2. a, S. 1034. Lat. cadere: fallen, verfallen. Zutr. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 21 Rn. 2. S. BGHZ 9, 157, 167 = GmbHR 1953, 72 = NJW 1953, 780.

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Kaduzierung

II. Aktivlegitimation Das Instrument der Kaduzierung steht der Gesellschaft nur dann offen, wenn sie die Einlageforderung noch innehat. Ist diese bereits abgetreten oder auch nur verpfändet, so kommt eine Kaduzierung des Geschäftsanteils nicht mehr in Betracht. Die Kapitalaufbringung gilt bereits durch die (pflichtgemäß) wertangemessene Veräußerung als gesichert bzw. bewirkt.

2

III. Die versäumte Einlageneinzahlung Die Kaduzierung setzt prinzipiell voraus, dass der Gesellschafter5) mit seiner Bareinlageverpflichtung6) säumig ist. Erforderlich sind also Fälligkeit der Einlage durch Beschluss nach § 46 Nr. 2 sowie Anforderung durch den Geschäftsführer und Nichtzahlung.7) Entbehrlich ist wiederum eine Mahnung (siehe § 20 Rn. 4 [Bartels]). Säumnis hat nicht die Qualität eines Verzuges i. S. d. §§ 286 ff BGB.8) Nicht hierher gehören dagegen gestörte Darlehensrückgewährverpflichtungen des Gesellschafters, es sei denn, diese sind im Zuge eines Hin- und Herzahlens gemäß § 19 Abs. 5 Satz 1 entstanden. Es würde zu Wertungswidersprüchen führen, wenn man die originäre Kapitalaufbringung mit dem Instrument der Kaduzierung effektuieren, die Rückzahlung von („hergezahlten“) Darlehen dagegen nach den einfachen bürgerlich-rechtlichen Regeln betreiben würde (siehe § 19 Rn. 48 [Bartels] und Rn. 2 vor §§ 21 – 25 [Bartels]). Hierhin gehören ferner nicht verspätete Sacheinlagen sowie Ansprüche aus §§ 20, 22, 24.

3

IV. Gleichbehandlungsgrundsatz Die Gesellschaft hat bei der Kaduzierung den Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten.9) Wo nötig, sind freilich sachlich gerechtfertigte Differenzierungen vorzunehmen. Die Haltung des Oberlandesgerichts Hamm, sachlich gerechtfertigte Differenzierungen seien „zulässig“,10) greift zu kurz.11) Willkürliche Ungleichbehandlung ist demnach pflichtwidrig.12) Aus Verstößen erwachsen dem säumigen Gesellschafter Rechte aus § 273 BGB.

4

V. Nachfrist unter Ausschlussandrohung (Abs. 1) Tatbestandlich setzt Absatz 1 in der Phase nach Fälligkeit der Bareinlage und vor Erbringung derselben ein. In den meisten Fällen wird die Gesellschaft damit rechnen (müssen), dass eine Einlageleistung dauerhaft unterbleibt. Die Formulierung des Absatzes 1 „im Fall verzögerter Einzahlung kann …“ ist daher schief. Sie _____________ 5) Den Gesellschafterstatus hat nur inne, wer in die Gesellschafterliste eingetragen ist (§ 16 Abs. 1). 6) In den Anwendungsbereich wird ebenso die (gestörte) Differenz- und Vorbelastungshaftung gerechnet, s. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 21 Rn. 3. 7) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 21 Rn. 25. 8) Unrichtig insofern OLG Hamm, GmbHR 2011, 588, 590. 9) S. OLG Hamm, GmbHR 2010, 707, 708; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 21 Rn. 6; allg. K. Schmidt, GesR, § 16 II. 4. b. 10) S. OLG Hamm, GmbHR 2010, 707, 708. 11) Ebenso wohl Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 21 Rn. 7. 12) S. OLG Hamm, GmbHR 2010, 707, 708.

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Kaduzierung

deutet an, dass bei verspätetem Zahlungseingang ein Ausschluss möglich bleibt. Das ist gerade nicht der Fall (siehe Rn. 10). 6

Ähnlich dem modernen Leistungsstörungsrecht hat die Gesellschaft dem säumigen Gesellschafter vor Durchführung des Ausschlusses eine Nachfrist zur Erfüllung zu setzen. Anders aber als in § 323 Abs. 1 BGB13) muss der Geschäftsführer dem säumigen Gesellschafter die (angestrebte) Rechtsgestaltung androhen. Die Regelung ähnelt insofern § 326 Abs. 1 BGB a. F. Seit Inkrafttreten der Schuldrechtsmodernisierung stößt dieser Unterschied freilich auf. Der vom GmbHG verfolgte Zweck, den säumigen Gesellschafter nachhaltig auf die drohenden Konsequenzen aufmerksam zu machen, wird aber nur so erreicht. Das Schrifttum besteht daher nach wie vor auf einer zwar nicht wörtlichen, wohl aber besonders deutlichen Formulierung.14)

7

Die Fristsetzung nebst Ausschlussandrohung hat mit Einschreibebrief durch den Geschäftsführer zu erfolgen. Ein bloßes Einwurf-Einschreiben genügt nicht.15) Der BGH hat jetzt unter ausführlicher Begründung anders entschieden und dabei angenommen, die Möglichkeit der Zugangskontrolle für die Gesellschaft sei bei beiden Einschreibeformen gleich.16) Dies überzeugt nicht. Es ist doch ein beträchtlicher Unterschied, ob der GmbH eine vom säumigen Gesellschafter unterzeichnete Karte vorliegt oder aber die Post per Auslieferungsbeleg (lediglich) angibt, abgeliefert zu haben. Auch mit Blick etwa auf die Praxis der DHL sind Zweifel daran angebracht, dass jede von der Post „dokumentierte“ Zustellung auch tatsächlich durchgeführt worden ist. Das Übergabe-Einschreiben bleibt hier überlegen. Holt der Empfänger das niedergelegte Schreiben nicht ab17), erfährt die GmbH davon und kann entsprechende Anstrengungen unternehmen – bis hin zur Zustellung mit Hilfe des Gerichtsvollziehers.

8

Die Satzung darf dieses Formerfordernis (wegen der Belange des Gesellschafters) nicht abschwächen, aber (im Interesse eines effektiven Kapitalschutzes) auch nicht _____________ 13) S. zu den Motiven RegE, BT-Drucks. 14/6040, S. 185. 14) S. Schütz in: MünchKomm-GmbHG, § 21 Rn. 61; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 21 Rn. 13; Jaeger in: BeckOK-GmbHG, Stand: 22. Ed. 3/2015, § 21 Rn. 19; Wicke, GmbHG, § 21 Rn. 8. – Indessen: Dort, wo der Leistungsgläubiger nach § 323 Abs. 1 BGB ohne Androhung vorgeht und der Schuldner (daher) nicht mit der Vertragsauflösung zu rechnen braucht, halten manche das Rücktrittsrecht nach § 242 BGB für ausgeschlossen, s. Ernst in: MünchKomm-BGB, § 323 Rn. 66a; ferner RA, BT-Drucks. 14/7052, S. 185. Auch das bürgerliche Recht verspürt hier das Bedürfnis nach Rücksichtnahme. 15) Ebenso Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 21 Rn. 37 – Der Gesetzgeber schuf die Formanforderung „zur Vermeidung späterer Zweifel und Streitigkeiten“ (RegE, Reichstags-Drucks. 1890/92, Anlage Nr. 660, S. 3715, 3741). Insofern bleibt das EinwurfEinschreiben deutlich hinter dem klassischen Einschreibe-Brief zurück; vgl. auch Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 21 Rn. 8; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 64 Rn. 47: Rückschein oder amtswegige Zustellung. 16) BGHZ 212, 104 Tz. 26. Der Senat verweist zusätzlich auf Zugangshemmnisse beim Übergabe-Einschreiben (Tz. 22 ff.); zustimmend jetzt Scholz-Emmerich, GmbHG, § 21 Rn. 19; Schütz in: MünchKomm-GmbHG, § 21 Rn. 63; Bayer, GmbHR 2017, 33 (34 f); Lieder/ Bialluch, NZG 2017, 9 (11); Lubberich, DNotZ 2017, 418 (420 ff); nach wie vor zurückhaltend Jaeger in: BeckOK-GmbHG, Stand: 35. Ed. 2/2018, § 21 Rn. 20.2. 17) Hier sieht der BGH besondere Schwächen des Übergabe-Einschreibens, s. BGHZ 212, 104 Tz. 23 ff.

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Kaduzierung

verschärfen (§ 25).18) Erfüllt die vom Geschäftsführer gewählte Form jedoch höhere Anforderungen wie etwa bei der Zustellung durch den Gerichtsvollzieher, so ist damit dem Absatz 1 Satz 2 freilich Genüge getan.19) Eine Verknüpfung der Androhung sogleich mit der Fälligstellung kommt nicht in Betracht.20) Für die in der Erklärung anzugebende und im Weiteren zu beachtende Frist setzt das Gesetz eine Untergrenze von einem Monat fest (Abs. 1 Satz 2). Diese beginnt mit Zugang der Erklärung. Eine unzureichende Frist setzt keine zureichende (Monats-)Frist in Gang.21) Der Zeitraum zwischen Fälligkeit und Fristsetzung dagegen kann beliebig kurz sein.

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VI. Verlustigerklärung (Abs. 2) Der Ausschluss des säumigen Gesellschafters geschieht durch Ausübung eines materiellen Gestaltungsrechts.22) Dieses Recht wächst der GmbH nur zu, wenn der Gesellschafter bei Fälligkeit nicht gezahlt hat und auch eine sodann gesetzte Nachfrist fruchtlos hat verstreichen lassen. Noch bis zum Zugang der Kaduzierungserklärung kann der säumige Gesellschafter den Ausschluss durch Zahlung abwenden.23) Der Fristablauf allein wirkt auf die Mitgliedschaft noch nicht ein.24)

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Für die Abgabe der Verlustigerklärung ist der Geschäftsführer zuständig. Anders als für die Aufforderung nach Absatz 1 („kann“) spricht das Gesetz in Absatz 2 Satz 1 davon, dass der säumige Gesellschafter seines Anteils für verlustig zu erklären ist. Dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Ausübung des Gestaltungsrechts Gegenstand pflichtgemäßen Geschäftsführerermessens ist (§ 43 Abs. 1).25), 26) So kann er ggf. ebenso die Einlageforderung beharrlich weiterverfolgen. Leitend sind

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_____________ 18) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 21 Rn. 37; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 21 Rn. 8; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ebbing, GmbHG, § 21 Rn. 77; Jaeger in: BeckOK-GmbHG, Stand: 35. Ed. 2/2018, § 21 Rn. 21; a. A. Scholz-Emmerich, GmbHG, § 21 Rn. 19b. 19) S. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 21 Rn. 14; Jaeger in: BeckOK-GmbHG, Stand: 35. Ed. 2/2018, § 21 Rn. 20. 20) S. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 21 Rn. 4; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 21 Rn. 9. 21) S. OLG Jena, ZIP 2007, 1571 = GmbHR 2007, 982, 985, dazu EWiR 2008, 15 (Höpfner); OLG Hamm, GmbHR 2011, 588, 590; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 21 Rn. 32; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 21 Rn. 5a. 22) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 21 Rn. 41; Scholz-Emmerich, GmbHG, § 21 Rn. 21; Jaeger in: BeckOK-GmbHG, Stand: 35. Ed. 2/2018, § 21 Rn. 32. M. Schwab, Das Prozeßrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, S. 184 spricht dagegen zu Unrecht von einem Ausschlussanspruch. 23) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 21 Rn. 51; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 21 Rn. 15. Die Gestaltungserklärung wäre sonst entbehrlich. Dies entspricht der Rechtslage bei § 323 Abs. 1 BGB, s. Ernst in: MünchKomm-BGB, § 323 Rn. 154; auch Soergel-Gsell, BGB, § 323 Rn. 87. 24) S. RGZ 51, 416, 417. 25) S. RGZ 51, 416, 417; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 21 Rn. 43; Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 21 Rn. 10; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 21 Rn. 6. 26) Ein Beschluss der Gesellschafterversammlung ist nicht erforderlich; s. Ulmer/Habersack/ Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 21 Rn. 44; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 21 Rn. 10.

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Kaduzierung

die Interessen der Gesellschafter sowie der Gesellschaftsgläubiger. Zu beachten sind die Gleichbehandlungsanforderungen des § 19 Abs. 1. 12

Der isolierten Pfändung ist das Kaduzierungsrecht (als Gestaltungsrecht) nicht zugänglich;27) wohl aber kann der Vollstreckungsgläubiger nach vorheriger Pfändung (und Überweisung) der Einlageforderung sodann auch die Kaduzierung aussprechen.28) In der Insolvenz der Gesellschaft sind Kaduzierungsentscheidung und -ausübung Sache des Insolvenzverwalters.29)

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Wie bei der Nachfristsetzung ist aber die Form des eingeschriebenen Briefs zu beachten. Der Text der Verlustigerklärung hat die Rechtsfolge des Gestaltungsakts ausdrücklich (möglichst unter Zuhilfenahme des Gesetzestextes) zu nennen. Die Gesellschaft verwirkt das Kaduzierungsrecht auch bei mehrmonatigem Abwarten nicht, wenn dem säumigen Gesellschafter weiter deutlich ist, dass die Gesellschaft den Ausschluss anstrebt.30) – Die Kaduzierung ist unwiderruflich.31)

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Ist die Kaduzierung wirksam ausgesprochen, so entfaltet sie ihre Wirkung ex nunc32) und gleicht (auch) insofern der Entziehung nach § 34.33) Der säumige Gesellschafter verliert seine Mitgliedschaft.34) Es erlöschen mithin alle mit dem Geschäftsanteil verbundenen Rechte und Pflichten. Auf bereits entstandene Gesellschafterrechte und -pflichten hat die Kaduzierung dagegen keinen Einfluss.35) Der Anteil verfällt zugunsten der Gesellschaft, wird dadurch aber nicht rechtsträgerlos36) noch geht er (wie bei § 34) unter.37) § 22, vor allem aber § 23 zeigen, dass der Geschäftsanteil fortbesteht und von der Gesellschaft treuhänderisch gehalten wird.38) Die Auffas_____________ 27) S. nur Stein/Jonas-Würdinger, ZPO, § 857 Rn. 3 (S. 801); Wieczorek/Schütze-W. Lüke, ZPO, § 857 Rn. 21. 28) S. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 21 Rn. 4. 29) S. OLG Köln, ZIP 1993, 1389, 1391 = NJW-RR 1994, 1192; OLG Zweibrücken, ZIP 2007, 335, 336 = ZInsO 2006, 887; Jaeger-H.-F. Müller, InsO, § 35 Rn. 155; ScholzBitter, GmbHG, vor § 64 Rn. 131; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 21 Rn. 46; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 21 Rn. 6, 10. 30) OLG Hamburg, ZIP 1993, 1386, 1388 = GmbHR 1994, 249 = WM 1993, 1751, dazu EWiR 1993, 891 (Kortüm); Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 21 Rn. 12. 31) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 21 Rn. 54. 32) S. nur K. Schmidt, GesR, § 37 II 5 a, S. 1126. 33) S. BGHZ 192, 236 Rn. 13 ff = ZIP 2012, 422, dazu EWiR 2012, 177 (Lutter). 34) S. Scholz-Emmerich, GmbHG, § 21 Rn. 25; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 21 Rn. 14. 35) S. etwa Scholz-Emmerich, GmbHG, § 21 Rn. 27; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 21 Rn. 11. 36) So noch RGZ 98, 276, 278; BGHZ 42, 89, 92 = NJW 1964, 1954; Schuler, GmbHR 1961, 98, 101; Spindler, GmbHR 1950, 177, 178. 37) S. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 21 Rn. 12; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 21 Rn. 14. 38) Ebenso die h. M. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 21 Rn. 61; Jaeger in: BeckOK-GmbHG, Stand: 35. Ed. 2/2018, § 21 Rn. 46; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 21 Rn. 12; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 21 Rn. 15; Scholz-Emmerich, GmbHG, § 21 Rn. 29: gebundenes Sondervermögen der GmbH; a. A. RGZ 98, 276, 278; BGHZ 42, 89, 92 = NJW 1964, 1954 = WM 1964, 944; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 21 Rn. 19.

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Kaduzierung

sung, die GmbH werde damit dennoch nicht zum Rechtsnachfolger,39) ist mit dem Treuhandgedanken schwer vereinbar.40) Das Bestreben, die Gesellschaft in diesen Fällen aus der Veräußerungskette schon aus Gewährleistungsgründen herauszuhalten, ist nachvollziehbar, aber dogmatisch doch uneben. Dies gelingt auch dann nicht, wenn man (mit Altmeppen)41) die Erwerbsvorgänge als originäre Vorgänge deutet.42) Lag ein Kaduzierungsgrund nicht vor, ist die Verlustigerklärung aber dennoch abgegeben worden, so entfaltet sie keine Wirkung.43) Die Mitgliedschaft des säumigen Gesellschafters besteht fort. Will dieser Klarheit schaffen, so muss er die Fortdauer seiner Mitgliedschaft gerichtlich feststellen lassen (§ 256 Abs. 1 ZPO).44) Eine Anfechtungsklage sieht das Gesetz (konsequenterweise) nicht vor. VII.

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Ausfallhaftung des ausgeschlossenen Gesellschafters (Abs. 3)

Mit Blick auf die Haftungsregeln und Maßnahmen der §§ 22 bis 24 sichert § 21 Abs. 3 die Haftung des ausgeschlossenen Gesellschafters. Von einer verbliebenen Einlageverpflichtung des Ausgeschlossenen spricht das Gesetz trotz bloßer ex-nunc-Wirkung der Kaduzierung nicht.45) Dies wäre mit der Rechtsfigur des Ausschlusses auch nicht vereinbar: Der kaduzierte Gesellschafter ist aus seiner mitgliedschaftlichen Pflichtenstellung ausgeschieden.46) Dennoch ist der kaduzierte Gesellschafter (subsidiärer)47) Adressat einer Zahlungsverpflichtung. Die Formulierung: „Die Einlageverpflichtung des Ausgeschlossenen bleibt … als Ausfallhaftung bestehen.“,48) ist demnach irreführend. Für die eine wie die andere Deutung gilt jedoch: Für eine Inanspruchnahme des kaduzierten Gesellschafters muss eine Deckung der offenen Beträge nach §§ 22 – 23 zunächst ergebnislos unternommen worden sein. Der vergebliche Regress gegenüber den übrigen Gesellschaftern (§ 24) ist nicht erforderlich.49) Hat(te) der _____________ 39) So Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 21 Rn. 12 unter Hinweis auf BGHZ 42, 89, 92 = NJW 1964, 1954 = WM 1964, 944; Jaeger in: BeckOK-GmbHG, Stand: 35. Ed. 2/2018, § 21 Rn. 47. 40) Zur Vollrechtsinhaberschaft des Treuhänders s. Coing, Die Treuhand kraft privaten Rechtsgeschäfts, S. 94 f; Bitter, Rechtsträgerschaft für fremde Rechnung, S. 8 ff und passim. 41) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 23 Rn. 13. 42) S. dazu Bartels, Dogmatik und Effizienz im Recht der Zwangsversteigerung, S. 378 f. 43) S. nur Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 21 Rn. 67 ff; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 21 Rn. 18. 44) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 21 Rn. 71; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 21 Rn. 18; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 21 Rn. 18. 45) S. nur Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 21 Rn. 73; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 21 Rn. 17. 46) Da der Anteil nicht untergeht, hat ihn zunächst die Gesellschaft inne, ist aber aufgrund der Treuhand nicht Adressat der Einlageverpflichtung, zumal dies wegen drohender Konfusion ohnehin nicht hilfreich wäre. Geht der Anteil nach § 22 Abs. 4 über oder wird er nach § 23 verwertet, so erwerben Rechtsvorgänger oder Ersteher den Anteil prinzipiell frei von Einlageverpflichtungen. 47) Die Subsidiarität der Zahlungsverpflichtung ergibt sich aus dem Merkmal des Ausfalls. 48) K. Schmidt, GesR, § 37 II. 5. a, S. 1126. 49) Ebenso Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 21 Rn. 15; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 21 Rn. 17; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 21 Rn. 23; a. A. jetzt Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 21 Rn. 76.

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Haftung der Rechtsvorgänger

kaduzierte Gesellschafter mehrere Anteile inne und sind nicht alle kaduziert, so trifft ihn als Gesellschafter auch die Zahlungsverpflichtung nach § 24.50) 17

Von der Haftung umfasst sind neben der offenen Einlage(-rest-)forderung Fälligkeitszinsen nach § 20, echte Verzugsschäden nach §§ 280, 286 ff BGB sowie ggf. satzungsmäßige Vertragsstrafen.51) _____________ 50) S. BGH, NZG 2015, 1002 Tz. 13; zust. Bayer/Scholz, NZG 2015, 1089. 51) S. i. E. Scholz-Emmerich, GmbHG, § 21 Rn. 36.

§ 22 Haftung der Rechtsvorgänger Klaus Bartels

(1) Für eine von dem ausgeschlossenen Gesellschafter nicht erfüllte Einlageverpflichtung haftet der Gesellschaft auch der letzte und jeder frühere Rechtsvorgänger des Ausgeschlossenen, der im Verhältnis zu ihr als Inhaber des Geschäftsanteils gilt. (2) Ein früherer Rechtsvorgänger haftet nur, soweit die Zahlung von dessen Rechtsnachfolger nicht zu erlangen ist; dies ist bis zum Beweis des Gegenteils anzunehmen, wenn der letztere die Zahlung nicht bis zum Ablauf eines Monats geleistet hat, nachdem an ihn die Zahlungsaufforderung und an den Rechtsvorgänger die Benachrichtigung von derselben erfolgt ist. (3) 1Die Haftung des Rechtsvorgängers ist auf die innerhalb der Frist von fünf Jahren auf die Einlageverpflichtung eingeforderten Leistungen beschränkt. 2Die Frist beginnt mit dem Tag, ab welchem der Rechtsnachfolger im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber des Geschäftsanteils gilt. (4) Der Rechtsvorgänger erwirbt gegen Zahlung des rückständigen Betrags den Geschäftsanteil des ausgeschlossenen Gesellschafters. Literatur: Preuß, Gesellschafterliste, Legitimation gegenüber der Gesellschaft und gutgläubiger Erwerb von GmbH-Anteilen, ZGR 2008, 676. Übersicht I. Zweck der Norm .................................. 1 II. Der Umfang der Haftung – Regressschuld (Abs. 1) ........................ 2 III. Der unmittelbare Rechtsvorgänger des kaduzierten Gesellschafters ...................................... 3

I. 1

IV. Fernere Rechtsvorgänger des kaduzierten Gesellschafters (Abs. 2) ............. 4 V. Zeitliche Beschränkung der Subsidiärverpflichtung (Abs. 3) ......... 5 VI. Die Haftung nach § 16 Abs. 2 ............. 7 VII. Der Übergang des Geschäftsanteils – Mitgliedschaft (Abs. 4) ........ 8

Zweck der Norm

§ 22 regelt den sog. Staffelregress. Die hier behandelten Rechtsvorgänger waren notwendigerweise bereits Inhaber des nicht (voll) eingezahlten Geschäftsanteils. Dass schon i. R. d. Kapitalaufbringung (und im Vorfeld einer Kaduzierung) Anteilsübertragungen stattfinden, hat Ausnahmecharakter. Als Rechtsfolge der Kaduzierung mobilisiert § 22 somit alle (auch entfernten) Möglichkeiten einer anfänglichen 448

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Haftung der Rechtsvorgänger

Kapitalsicherung. Das MoMiG hat die Absätze 1 und 3 redaktionell an die Änderungen in § 16 angepasst,1) den eigentlichen Regelungsgehalt aber unverändert gelassen. II. Der Umfang der Haftung – Regressschuld (Abs. 1) Die Norm spricht neuerlich die Haftungsfrage und zugleich die nicht erfüllte Einlageverpflichtung des kaduzierten Gesellschafters an. Letztere trifft wegen der Beendigung der Mitgliedschaft nicht mehr den kaduzierten Gesellschafter (siehe § 21 Rn. 16 [Bartels]). (Gegebenenfalls) stehen die Rechtsvorgänger also für Verbindlichkeiten ein, die bereits erloschen sind, sich jedenfalls nicht mehr gegen den Primärschuldner richten. Der Umfang der Regressschuld ergibt sich präzis aus der Höhe der offen gebliebenen Einlageverpflichtung. Etwaige Teilleistungen des kaduzierten Gesellschafters kommen dem Rechtsvorgänger somit zugute.2) Für Leistungen auf die Regressschuld gelten zur Effektuierung der Kapitalaufbringung ebenso die Regeln des § 19 Abs. 2 und 5.3)

2

III. Der unmittelbare Rechtsvorgänger des kaduzierten Gesellschafters Die Rechtsvorgänger haften nicht kumulativ, etwa i. S. einer Gesamtschuld, sondern sie stehen in einem Rangverhältnis. Die Gesellschaft kann aus der Reihe der Rechtsvorgänger somit nicht beliebig auswählen. Es handelt sich um subsidiär geschaltete („gestaffelte“) Regressverhältnisse,4) mit Blick auf die Mehrheit der Regressschuldner zugleich sukzessiv.5) Erster Rechtsvorgänger ist, wer sich vor Kaduzierung als solcher aus der Gesellschafterliste ergibt (§ 16 Abs. 1 i. V. m. § 40)6), nach der gesetzlichen Legitimationswirkung7) des Eintrags also intern (berechtigt wie verpflichtet) als solcher „gilt“ (§ 16 Abs. 1, § 22 Abs. 1).8) Haben Berichtigungen in der Liste stattgefunden, ist deren Ex-nunc-Wirkung zu beachten.9)

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IV. Fernere Rechtsvorgänger des kaduzierten Gesellschafters (Abs. 2) Voraussetzung für die Haftung fernerer Rechtsvorgänger ist, dass der Betrag (auch) vom haftungsnäheren Rechtsnachfolger (= Rechtsvorgänger des ausgeschlossenen Gesellschafters) nach Zahlungsaufforderung (und gleichzeitiger Benachrichtigung des nächstfrüheren Rechtsvorgängers) nicht zu erlangen war (Abs. 2 Halbs. 3). Nach Absatz 2 Halbs. 2 wird dies (widerleglich) vermutet, sobald ein einmonatiges Leistungsversäumnis, gerechnet ab Zugang der Zahlungsaufforderung und entsprechender Benachrichtigung an den ferneren Rechtsvorgänger, vorliegt. Um der Re_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9)

RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 7, 41. S. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 22 Rn. 2. S. OLG Köln, WM 1987, 537, 538 = GmbHR 1987, 478, dazu EWiR 1987, 689 (Roth); Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 22 Rn. 3. Der Begriff der sukzessiven (Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 22 Rn. 5) oder gestaffelten Haftung will dasselbe ausdrücken. S. RegE, Reichstags-Drucks. 1890/92, Anlage Nr. 660, S. 3715, 3741. S. BGH, NZG 2015, 1002 Tz. 7. S. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 16 Rn. 26, 36; Preuß, ZGR 2008, 676, 682 ff. S. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 22 Rn. 4; Wicke, GmbHG, § 22 Rn. 2. S. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 22 Rn. 4 a. E.

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Haftung der Rechtsvorgänger

gresserleichterung willen verlangt das Gesetz keinen Beweis „echter“ Zahlungsunfähigkeit.10) Zur Absicherung gegen Widerlegungsversuche des vermutet Zahlungsunfähigen kann die Gesellschaft in ihren Behauptungen jedoch über die Vermutungstatsachen präventiv hinausgehen.11) Mit Blick auf die (weitere) Subsidiärlösung des § 23 erhebt sich die Frage nach der Vermutung zulasten auch des jüngsten Rechtsvorgängers (Gründungsgesellschafters), für den es zwar eine Aufforderung geben kann, die aber ohne begleitende Benachrichtigung bleiben muss. Die ganz h. M. lässt mit Recht die bloße Aufforderung genügen.12) V. Zeitliche Beschränkung der Subsidiärverpflichtung (Abs. 3) 5

Das Gesetz begrenzt die „Haftung“ des Rechtsvorgängers auf den Betrag, der von dessen (kaduziertem oder früherem) Nachfolger binnen fünf Jahren angefordert worden ist (§ 22 Abs. 3 Satz 1). Die fristgerechte Anforderung ist mithin Tatbestandsvoraussetzung für die Regressverpflichtung (haftungsbegründend). Auslöser des Fristlaufs ist die Eintragung des Anteilsübergangs in die Gesellschafterliste (§ 22 Abs. 3 Satz 2, § 16 Abs. 1 Satz 1).13) Trotz der irreführenden Formulierung des Einforderns ist der Beschluss nach § 46 Nr. 2 auch hier nicht hinreichend. Entscheidend ist das Anfordern des Geschäftsführers.14) Eine Regressschuld kommt somit a limine nicht zur Entstehung, sofern das Anfordern nicht binnen fünf Jahren seit „Umschreibung“ stattgefunden hat (Ausschließungsfrist). Dieser Vorgang ist von der dreijährigen Verjährung der Regressforderung zu trennen (§ 195 BGB).15)

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Die Regressschuld überdauert den Wechsel zu Verwertungsversuchen nach § 23. Erst mit einer Veräußerung des Anteils i. S. d. § 23 endet die Regressverpflichtung, da der Ausgleichsmechanismus des § 22 Abs. 4 damit undurchführbar wird.16) VI. Die Haftung nach § 16 Abs. 2

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§ 16 Abs. 2 begründet eine ergänzende Veräußererhaftung für Einlageverpflichtungen, die im Zeitpunkt der Eintragung des Anteilsübergangs (in die Gesellschafterliste) rückständig waren. Auch hier bestimmt das Gesetz also eine Rechtsvorgängerhaftung. Kommt es zur Kaduzierung, kann die Gesellschaft zwischen den Ansprüchen aus § 22 Abs. 1, 2 und § 16 Abs. 2 wählen.17) _____________ 10) S. OLG Dresden, GmbHR 1998, 884, 886; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 22 Rn. 6; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 22 Rn. 6. 11) S. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 22 Rn. 6. 12) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 22 Rn. 54; Scholz-Emmerich, GmbHG, § 22 Rn. 11; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 22 Rn. 6; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 22 Rn. 14. 13) S. Wicke, GmbHG, § 22 Rn. 2. 14) S. OLG Hamm, GmbHR 1988, 266 = DB 1988, 1311; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 22 Rn. 17; Jaeger in: BeckOK-GmbHG, Stand: 35. Ed. 2/2018, § 22 Rn. 19; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 22 Rn. 9. 15) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 22 Rn. 22; Jaeger in: BeckOK-GmbHG, Stand: 35. Ed. 2/2018, § 22 Rn. 23; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 22 Rn. 9. 16) S. RGZ 85, 237, 241; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 22 Rn. 10. 17) S. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 22 Rn. 19; Wicke, GmbHG, § 22 Rn. 1; Jaeger in: BeckOK-GmbHG, Stand: 35. Ed. 2/2018, § 22 Rn. 2; s. i. E. Ulmer/Habersack/LöbbeW. Müller, GmbHG, § 22 Rn. 6.

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§ 23

Versteigerung des Geschäftsanteils

VII. Der Übergang des Geschäftsanteils – Mitgliedschaft (Abs. 4) Nach Absatz 4 erwirbt der Rechtsvorgänger, der den rückständigen Betrag (zuständigkeitshalber)18) tilgt, ipso iure (und ohne Eintragungserfordernis)19) den Geschäftsanteil. Aus der Vollrechtstreuhand der Gesellschaft gelangt der Anteil so an den zahlenden Rechtsvorgänger. Haben sich für die Mitgliedschaft seit Kaduzierung (etwa durch Satzungsänderungen oder andere Gesellschafterbeschlüsse) Veränderungen ergeben, gelten diese nun auch für den Erwerber.20) Eine nur teilweise Tilgung der Einlageschuld löst keine Folgen zugunsten des zahlenden Rechtsvorgängers aus. Die Rechtsfolge des § 22 Abs. 4 kann nur der Regressschuldner herbeiführen, es sei denn, es zahlt ein Dritter für den Regressschuldner (§ 267 BGB).21)

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_____________ 18) Kommt ein älterer (mithin nachrangiger) Rechtsvorgänger dem zuständigen Rechtsvorgänger mit seiner Zahlung zuvor, so löst dies nicht die Rechtsfolgen des § 22 Abs. 4 aus, s. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 22 Rn. 60. 19) Zutr. Jaeger in: BeckOK-GmbHG, Stand: 35. Ed. 2/2018, § 22 Rn. 28; Wicke, GmbHG, § 22 Rn. 2 – zur Legitimation Aufnahme in die Gesellschafterliste. 20) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 22 Rn. 63; Schütz in: MünchKommGmbHG, § 22 Rn. 71; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 22 Rn. 12. 21) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 22 Rn. 58; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 22 Rn. 13.

§ 23 Versteigerung des Geschäftsanteils Klaus Bartels

1

Ist die Zahlung des rückständigen Betrags von Rechtsvorgängern nicht zu erlangen, so kann die Gesellschaft den Geschäftsanteil im Wege öffentlicher Versteigerung verkaufen lassen. 2Eine andere Art des Verkaufs ist nur mit Zustimmung des ausgeschlossenen Gesellschafters zulässig. Übersicht I. Zweck der Norm .................................. 1 II. Verwertung des Anteils ....................... 2

I.

III. Gestörte Verwertung ........................... 7 IV. Gescheiterte Verwertung .................... 8

Zweck der Norm

Wird der Einlagebetrag weder vom (kaduzierten) Gesellschafter noch von seinen Rechtsvorgängern erbracht, so setzt das GmbHG auf die Verwertung des Anteils durch öffentliche Versteigerung. Während nach § 22 Abs. 4 zwangsweise neue Gesellschafter gefunden werden, kommt hier der Meistbietende freiwillig zu seinem Gesellschaftsanteil. Der Markt für Gesellschaftsanteile dürfte mangels Börsennotierung etc. eher dürftig sein. Die Situation erinnert an die schwierige Zwangs- oder Teilungsversteigerung von Miteigentumsanteilen. Die Gesellschaft tut zweifellos gut daran, im Vorfeld mögliche Interessenten auf die Verwertung aufmerksam zu machen.

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§ 23

Versteigerung des Geschäftsanteils

II. Verwertung des Anteils 2

Voraussetzung der Verwertung sind die wirksam durchgeführte Kaduzierung sowie die vergebliche Inanspruchnahme jedes Regressschuldners.1) Die Entscheidung darüber, ob und ggf. wann die Versteigerung stattfinden soll, trifft der Geschäftsführer nach pflichtgemäßem Ermessen.2) Hier droht Haftung nach § 43 Abs. 2. Ein Beschluss der Gesellschafterversammlung ist nicht erforderlich,3) aber selbstverständlich möglich.

3

Die Verwertung selbst findet grundsätzlich durch öffentliche Versteigerung (Satz 1),4) ausnahmsweise durch freihändigen Verkauf statt (Satz 2). Dieser ist nur zulässig bei Zustimmung des ausgeschlossenen Gesellschafters. Der Ort der Versteigerung ist im Zweifel der Sitz der Gesellschaft. Die Veräußerung kann aber auch dort durchgeführt werden, wo vermutlich die besten Verwertungsaussichten bestehen.5)

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Die Versteigerung ist, anders als die Zwangsversteigerungen nach §§ 814 ff ZPO oder nach §§ 15 ff ZVG, allein dem bürgerlich-rechtlichen Kaufvertragsgedanken verhaftet, funktioniert also nach materiellem Recht. Einander verdrängende Übergebote (§ 156 Satz 2) führen letztlich zu der Bieterofferte, die verbindlich durch Zuschlag vom Gerichtsvollzieher oder einer anderen geeigneten Person (§ 383 Abs. 3 Satz 1) angenommen wird (§ 156 Satz 1 BGB), und zwar im Namen der Gesellschaft. Der Kaufpreis ist nach dem Zuschlag sofort bar zu zahlen (§ 1238 Abs. 1 BGB analog).

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Die Verschaffung des Anteils bedarf (wie nach § 817 Abs. 2 ZPO und anders als nach § 90 ZVG) eines separaten Übertragungsaktes (§ 15 GmbHG, §§ 398, 413 BGB),6) der richtigerweise Zug um Zug gegen Berichtigung des Meistgebots durchzuführen ist. Auch der Käufer erwirbt durch Abtretungsvertrag mit der Gesellschaft.7) Die ganz überwiegend befürwortete Anwendung der Formanforderungen des § 15 Abs. 3 – 4 ist aufgrund der an zügiger Abwicklung interessierten Verwertung nicht überzeugend.8) Der Erwerber ist künftig Mitglied im Kreis der übrigen _____________ 1) 2)

3) 4) 5) 6)

7) 8)

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S. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 23 Rn. 7; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 23 Rn. 2; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 23 Rn. 2. S. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 23 Rn. 5; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 23 Rn. 3; a. A. Schütz in: MünchKomm-GmbHG, § 23 Rn. 16; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 23 Rn. 3 – Pflicht zu unverzüglicher Beitreibung, sofern Verwertung nicht aussichtslos. S. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 23 Rn. 15; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 23 Rn. 3; wohl auch Scholz-Emmerich, GmbHG, § 23 Rn. 4 f. S. den Überblick bei Bartels, Dogmatik und Effizienz im Recht der Zwangsversteigerung, S. 5 f. S. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 23 Rn. 4. Zutr. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 23 Rn. 22; Henssler/Strohn-Verse, GesR, § 23 GmbHG Rn. 6; wohl auch Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ebbing, GmbHG, § 23 Rn. 50; für zuschlagsgestützten Kaufvertragsschluss und Übertragung uno actu aber Jaeger in: BeckOK-GmbHG, Stand: 35. Ed. 2/2018, § 23 Rn. 27; Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 23 Rn. 4; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 23 Rn. 8; wohl auch Schütz in: MünchKomm-GmbHG, § 23 Rn. 56; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 23 Rn. 6; letztlich offenlassend Scholz-Emmerich, GmbHG, § 23 Rn. 10. S. grds. Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 104 ff; krit. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 23 Rn. 11. Zutr. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 23 Rn. 11 (h. A. „zweifelhaft“).

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§ 23

Versteigerung des Geschäftsanteils

Gesellschafter, frei von Rechten Dritter sowie (nach Berichtigung des Meistgebots) selbstverständlich frei von jeder Haftung für rückständige Einlagen.9) Übersteigt der Erlös den Fehlbetrag, so steht der Mehrbetrag nach allg. M. der Gesellschaft zu.10) Das GmbH-Recht verfolgt also nicht den Gedanken der Surrogation. Es heißt, der kaduzierte Gesellschafter büße seinen Anteil, anders als bei § 34, entschädigungslos ein.

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III. Gestörte Verwertung Ist der Verwertung keine wirksame Kaduzierung vorausgegangen, so erwirbt der Ersteher den Geschäftsanteil nicht. Ist die Inanspruchnahme nach § 22 unterblieben, misslingt der Anteilserwerb ebenfalls. Die Gesellschaft ist in diesem Fall weder (treuhänderisch) Inhaberin des Geschäftsanteils noch hat sie entsprechende Verfügungsbefugnis.11) Die GmbH kann jedoch eine Konvaleszenz nach § 185 Abs. 2 Alt. 2 BGB herbeiführen, indem sie die wirksame Kaduzierung nachholt.12) Einen redlichen Erwerb des Anteils erkannte das Gesetz bislang mangels geeigneter Rechtsscheinsgrundlage nicht an.13) Auch nach neuem Recht kommt ein Vertrauensschutz des Erstehers nicht in Betracht, da eine (unzutreffende und als Rechtsscheinsgrundlage taugliche) Eintragung der Kaduzierung in der Gesellschafterliste nicht vorgesehen ist (§ 16 Abs. 3).14) Erst wenn der Scheinerwerber (gegenüber Dritten rein deklaratorisch) Eingang in die Gesellschafterliste gefunden hat und (gestützt auf diesen Rechtsschein) weiterveräußert, kann ein Gutgläubiger erwerben (§ 16 Abs. 3 Satz 1).15) Der zu Unrecht Kaduzierte ist daher gehalten, die Zuordnung eines Widerspruchs herbeizuführen (§ 16 Abs. 3 Satz 3 und 4). – Die GmbH hat dem Ersteher für Nachteile nach §§ 280 ff, 323 ff BGB einzustehen.16)

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IV. Gescheiterte Verwertung Gelingt eine Verwertung mangels Geboten etc. nicht, so gelangt der Geschäftsanteil (vergleichbar der Situation bei § 33) endgültig in das Vermögen der GmbH.17) _____________ 9) S. BGHZ 42, 89, 93 = NJW 1964, 1954 = WM 1964, 944; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 23 Rn. 15. 10) S. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 23 Rn. 16; Jaeger in: BeckOK-GmbHG, Stand: 35. Ed. 2/2018, § 23 Rn. 32. 11) S. OLG Rostock, GmbHR 1997, 449; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 23 Rn. 7, 41; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 23 Rn. 10. 12) S. RGZ 85, 237, 239 f; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 23 Rn. 7; Schütz in: MünchKomm-GmbHG, § 23 Rn. 10; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 23 Rn. 10; a. A. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 23 Rn. 10. 13) S. OLG München, OLGZ 22 (1911), 15; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 23 Rn. 41. 14) I. Ergebnis ebenso Jaeger in: BeckOK-GmbHG, Stand: 35. Ed. 2/2018, § 23 Rn. 22; Wicke, GmbHG, § 23 Rn. 6. 15) Zutr. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 23 Rn. 2. 16) S. Schütz in: MünchKomm-GmbHG, § 23 Rn. 92; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 23 Rn. 12; seit der 9. Aufl. auch Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 23 Rn. 13, der von einem originären Anteilserwerb ausgeht und so Ansprüche aus c. i. c. bevorzugt (§ 311 Abs. 2 BGB). 17) S. RGZ 86, 419, 421; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 23 Rn. 6.

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§ 24

Aufbringung von Fehlbeträgen

Eine Konfusion bleibt indessen aus.18) Einem Regress nach § 21 Abs. 3 bzw. § 24 steht dies nicht entgegen. _____________ 18) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 23 Rn. 47; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 23 Rn. 20; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 23 Rn. 6.

§ 24 Aufbringung von Fehlbeträgen Klaus Bartels

1

Soweit eine Stammeinlage weder von den Zahlungspflichtigen eingezogen, noch durch Verkauf des Geschäftsanteils gedeckt werden kann, haben die übrigen Gesellschafter den Fehlbetrag nach Verhältnis ihrer Geschäftsanteile aufzubringen. 2Beiträge, welche von einzelnen Gesellschaftern nicht zu erlangen sind, werden nach dem bezeichneten Verhältnis auf die übrigen verteilt.

Literatur: Bayer/P. Scholz, Ausfallhaftung gemäß § 24 GmbHG nach Anteilsabtretung an später kaduzierten Mitgesellschafter, NZG 2015, 1089. Übersicht I. Zweck der Norm .................................. II. Stellung der Norm in der Finanzverfassung ................................. III. Erschöpfung des Regresses (Subsidiarität) ....................................... IV. Kreis der „übrigen Gesellschafter“ ....

I. 1

1 2 3 4

V. Kapitalerhöhung .................................. 5 VI. Durchsetzung der Regressforderung .............................................. 6 VII. Rechtsfolge der Zahlung .................... 7 VIII. Ausgleichsansprüche der Gesellschafter ....................................... 8

Zweck der Norm

Wie in der Vorbemerkung erwähnt, bezeichnet § 24 die mutmaßlich haftenden Rechtsvorgänger sowie den kaduzierten Gesellschafter selbst mit Recht als Zahlungspflichtige. Hilft deren subsidiäre Zahlungspflicht nicht und scheitert auch eine angemessene Verwertung nach § 23, so kann die Gesellschaft die übrigen (aktuellen) Gesellschafter zur Zahlung heranziehen. Die Regel des § 24 ist ultima ratio der Kapitalaufbringung. II. Stellung der Norm in der Finanzverfassung

2

Das Gesetz führt den (auch) in § 53 Abs. 3 niedergelegten Grundsatz, dass der Gesellschafter ohne sein Einverständnis nicht über die ursprüngliche Einlage hinaus in Anspruch genommen werden kann.1) Mit § 24 wird dieser Grundsatz durchbrochen.2) Denn nach § 24 haftet der Gesellschafter weiterhin mit seiner Einlage, schuldet aber ggf. darüber hinaus den Ausgleich des nach wie vor nicht korrigierten Fehlbetrages. Die Regelung will den Gläubigerschutz erhöhen3) und passt somit _____________ 1)

2) 3)

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S. Ulmer/Habersack/Winter-Ulmer, GmbHG, § 53 Rn. 85; Scholz-Priester, GmbHG, § 53 Rn. 50; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 7 IV. 1., S. 393 ff; K. Schmidt, GesR, § 37 V. 1. a, dd, S. 1173. Zutr. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 24 Rn. 1. RegE, Reichstags-Drucks. 1890/92, Anlage Nr. 660, S. 3715, 3730. Der Gesetzgeber wollte Abstände zum Aktienrecht ausgleichen (Vorschriften über den Gründungshergang).

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§ 24

Aufbringung von Fehlbeträgen

seit Inkrafttreten des MoMiG nicht mehr bruchlos in das System (siehe § 19 Rn. 1 [Bartels]). Fallen alle Mitgesellschafter aus, so tritt für den verbleibenden Gesellschafter der „worst case“ ein: Er muss das gesamte Stammkapital allein aufbringen.4) Zusätzlich heikel wird die Rechtslage dann, wenn die GmbH lediglich mit der Stimmenmehrheit nach § 53 Abs. 2 Satz 1 das Kapital erhöht und damit widerstrebende Mitgesellschafter (mittelbar) der Inanspruchnahme nach § 24 aussetzt. Richtigerweise wird man hier mit einem außerordentlichen Austrittsrecht der dissentierenden Gesellschafter helfen müssen.5) III. Erschöpfung des Regresses (Subsidiarität) Rechtsfolgen aus § 24 sind darauf angewiesen, dass vorrangige Regressmöglichkeiten ohne Erfolg geblieben, also ausgeschöpft worden sind. Während für das Scheitern der Einzugsbemühungen gegenüber dem kaduzierten Gesellschafter (§ 21 Abs. 3)6) und seinen Rechtsvorgängern (§ 22 Abs. 2) klare Tatbestände formuliert sind, auf die für § 24 zurückgegriffen werden kann, fehlt Vergleichbares für die Verwertungsanstrengungen hinsichtlich des Geschäftsanteils (§ 23). Ein Scheitern i. S. d. § 24 („… noch durch Verkauf gedeckt“) wird man nicht allein bei unterlassener, weil aussichtloser Verwertung bejahen müssen.7) Tatbestandsmäßig ist auch die nur partiell hinreichende Erlöserzielung, die nach wie vor einen Fehlbetrag offen lässt.8)

3

IV. Kreis der „übrigen Gesellschafter“ Zwischen Kaduzierung und Geltendmachung des Anspruchs aus § 24 kann sich der Gesellschafterkreis ändern. Passivlegitimiert sind nach richtiger Ansicht die Gesellschafter, die bereits bei Fälligkeit der notleidenden Einlageschuld ihre Anteile hielten.9) Begründet wurde (und wird) dies (etwas angestrengt) mit einer aufschiebend bedingten Entstehung des Regressanspruchs bereits zu diesem frühen Zeitpunkt, vor allem aber mit dem Ziel, Manipulationen abzuwehren.10) Eine zusätzliche Vor_____________ 4) So pointiert K. Schmidt, GesR, § 37 II. 5. d, S. 1128. 5) So Ulmer/Habersack/Winter-Ulmer, GmbHG, § 53 Rn. 86 und Fn. 221; K. Schmidt, GesR, § 37 V. 1. a, dd, S. 1174. – Zum Austritt aus wichtigem Grund s. BGHZ 116, 359, 369 = ZIP 1992, 237 = NJW 1992, 892, dazu EWiR 1992, 321 (Wiedemann); Ulmer/ Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, Anh § 34 Rn. 46 f; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 7 IV. 2. b, S. 400 f; Flume, Die juristische Person, § 8 III., S. 280 f. 6) Das Gesetz spricht vom Ausfall. Die Vermutung des § 22 Abs. 2 gilt hier nicht (Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 24 Rn. 9; Jaeger in: BeckOK-GmbHG, Stand: 35. Ed. 2/2018, § 24 Rn. 7). Vielmehr müssen Erfolglosigkeit bzw. Aussichtslosigkeit der Zwangsmittel nachgewiesen werden (OLG Celle, GmbHR 1994, 801). 7) S. hierzu Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 23 Rn. 7. 8) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 24 Rn. 6 bei (4); Schütz in: MünchKommGmbHG, § 24 Rn. 19; Scholz-Emmerich, GmbHG, § 24 Rn. 5; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 24 Rn. 2. 9) S. BGHZ 132, 390, 393 f; BGH, NZG 2015, 1002 Tz. 9 f. 10) S. BGHZ 132, 390, 393 f = ZIP 1996, 1248 = NJW 1996, 2306, dazu EWiR 1996, 743 (v. Gerkan); OLG Köln, ZIP 1993, 1389, 1392 = NJW-RR 1994, 1192; Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 24 Rn. 6; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 24 Rn. 9; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 5.45; a. A. etwa Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 24 Rn. 30: bedingungsfreie Entstehung des Anspruchs (Feststellen der Uneinbringlichkeit); krit. auch Schütz in: MünchKomm-GmbHG, § 24 Rn. 29 ff.

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§ 24

Aufbringung von Fehlbeträgen

verlegung hielt der BGH mit Recht auch dann nicht für erforderlich, wenn der „rechtzeitig“ ausscheidende Gesellschafter an einen später kaduzierten Mitgesellschafter überträgt.11) Der II. Senat hat jetzt indessen darauf hingewiesen, seine bisherige Rechtsprechung habe stets nur einer zusätzlichen Erschwerung der Fehlbetragshaftung entgegenwirken wollen. Gegen eine (umgekehrt) zusätzliche Haftung auch solcher Gesellschafter, die erst nach Fälligkeit hinzuträten, sei nichts einzuwenden.12) Dies mag mit den vorangegangenen Entscheidungen vereinbar sein, überzeugt aber nicht. Als Gesellschafter „gilt“ nur, wer bereits zu entsprechender Zeit in der Gesellschafterliste eingetragen war (§ 16 Abs. 1).13) Hat(te) der kaduzierte Gesellschafter mehrere Anteile inne und sind nicht alle kaduziert, so trifft ihn neben der Zahlungsverpflichtung aus § 21 Abs. 3 auch die nach § 24.14) V. Kapitalerhöhung 5

Wurde das Kapital durch Hinzutreten neuer Gesellschafter erhöht, und sind aus diesem Kreis Rückstände geschuldet, so können sich Altgesellschafter im Zuge der Kapitalaufbringungsmaßnahmen nach §§ 21 – 24 nicht vom Regress hinsichtlich der Fehlbeträge ausnehmen. Sie gehören auch hier zu den „übrigen Gesellschaftern“.15) Für Altgesellschafter wird man jedoch in Fällen dieser Art ein (außerordentliches) Austrittsrecht annehmen müssen, das sie wirksam jedoch nur unverzüglich nach Kapitalerhöhung ausüben können.16) VI. Durchsetzung der Regressforderung

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Den Regress nach § 24 betreibt der Geschäftsführer für die Gesellschaft. Ein Gesellschafterbeschluss ist auch hier nicht erforderlich.17) Da es sich um ius cogens handelt (§ 25), kommt ein (einzelne Gesellschafter) entlastender Gesellschafterbeschluss nicht in Betracht.18) Darunter dürfte i. S. einer effektiven Kapitalaufbringung auch bereits jeder Aufschub fallen.19) Das Aufrechnungsverbot des § 19 Abs. 2 Satz 2

_____________ 11) S. BGH, NZG 2015, 1002 Tz. 15; krit. für Fälle des Rechtsmissbrauchs Bayer/Scholz, NZG 2015, 1089 (1095 f.). 12) BGH, GmbHR 2018, 1303 Tz. 12 ff. 13) S. BGH, NZG 2015, 1002 Tz. 8 ff; OLG Hamburg, BeckRS 2015, 13065 bei II; Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 24 Rn. 19; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 24 Rn. 14; Wicke, GmbHG, § 24 Rn. 4. 14) S. BGH, NZG 2015, 1002 Tz. 13. 15) So RGZ 93, 251, 252 f; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 24 Rn. 19 ff; Baumbach/Hueck-Fastrich, § 24 Rn. 5. 16) S. LG Mönchengladbach, ZIP 1986, 306 = GmbHR 1986, 312 = NJW-RR 1986, 837, dazu EWiR 1986, 161 (Müller-Wüsten); Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 24 Rn. 11; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 24 Rn. 17; Baumbach/Hueck-Fastrich, § 24 Rn. 5; enger Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 24 Rn. 21 – Unzumutbarkeit der Regressschuld; a. A. Scholz-Emmerich, GmbHG, § 24 Rn. 17. 17) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 24 Rn. 50; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 24 Rn. 9. 18) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 24 Rn. 9;. Scholz-Emmerich, GmbHG, § 24 Rn. 2; Jaeger in: BeckOK-GmbHG, Stand: 35. Ed. 2/2018, § 24 Rn. 1. 19) Vgl. auch Scholz-Emmerich, GmbHG, § 24 Rn. 25.

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§ 24

Aufbringung von Fehlbeträgen

gilt konsequent auch zum Nachteil des Regressschuldners.20) – Die Regressforderung der Gesellschaft verjährt wie die Einlageforderung in zehn Jahren (§ 19 Abs. 6 analog).21) Wenn der BGH22) jetzt auch mit Blick auf die weithin anerkannte dreijährige Verjährung der Regressforderung (gegen den Rechtsvorgänger nach § 22 GmbHG) eine gleiche Frist für § 24 GmbHG annimmt, wird eine Ähnlichkeit suggeriert, die so nicht besteht. Es macht einen Unterschied, ob man die verbliebenen Gesellschafter solidarisch für die offene Einlage einstehen lässt oder ob ein Rechtsvorgänger herangezogen wird. Letzterer wie auch der Ausgeschlossene haben eine andere Rechtsstellung als sie bei fortgesetzter Mitgliedschaft hätten23). VII. Rechtsfolge der Zahlung Die übrigen Gesellschafter erwerben die Geschäftsanteile nicht hinzu.24) Der kaduzierte Anteil besteht vielmehr in Händen der Gesellschaft fort, sodass die übrigen Gesellschafter nun an einer vermögensmäßig aufgewerteten GmbH teilhaben. Durch den Wegfall des kaduzierten Gesellschafters bei der Vermögensund Gewinnteilhabe ist automatisch für einen Ausgleich gesorgt. Der Gewinn, der auf den verlustigen Anteil entfällt, wird von der Gesellschaft nicht „für sich“ behalten; er kommt den übrigen Gesellschaftern zugute.25) Von allen personalgesellschaftsrechtlichen Vorstellungen einer Anwachsung ist dies streng zu trennen, wenngleich die neue Gesamthand-Doktrin die Verselbständigung der Organisation gegenüber ihren Mitgliedern vorangetrieben hat.

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VIII. Ausgleichsansprüche der Gesellschafter Ist auch unter den „übrigen Gesellschaftern“ ein Mitglied, bei dem der entsprechende Fehlbetragsanteil nicht zu erlangen ist, so verlagert sich der Regress anteilig (pro rata) auf die solventen Mitglieder (§ 24 Satz 2). Dieser Tatbestand ist, wie bei § 22 Abs. 2 Halbs. 2, bereits dann erfüllt, wenn einer der „übrigen Gesellschafter“ trotz Zahlungsaufforderung über einen Monat untätig geblieben ist.

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Schließlich wird ein Ausgleichsanspruch der zahlenden Gesellschafter gegen den Ausgeschlossenen allgemein bejaht.26) Dies ist angesichts der Privilegierung, die diese durch einen solchen Regress erfahren (siehe Rn. 7 und Fn. 19), nicht selbst-

9

_____________ 20) S. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 19 Rn. 21; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 24. 21) S. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 24 Rn. 14; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 24 Rn. 19; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 24 Rn. 9; Wicke, GmbHG, § 24 Rn. 6. 22) BGH, GmbHR 2018, 1303 Tz. 56 ff. 23) Vgl. insofern auch Thiessen, ZHR 168 (2004), 503, 522. 24) S. RGZ 86, 419, 421; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 24 Rn. 61. 25) S. RGZ 86, 419, 421: „… so fällt der Anteil der Gesellschaft anheim, wodurch sich der den Mitgesellschaftern zufließende Anteil an Gewinn und Vermögen der Gesellschaft entsprechend vergrößert. Die Zahlungen der Mitgesellschafter kommen also dem Werte ihrer Anteile zugute.“ 26) S. nur Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 24 Rn. 62; Schütz in: MünchKommGmbHG, § 24 Rn. 90; Scholz-Emmerich, GmbHG, § 24 Rn. 24; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 24 Rn. 10.

Klaus Bartels

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§ 25

Zwingende Vorschriften

verständlich.27) Altmeppen weist auf den andernfalls (bzw. zuvor) drohenden Regress aus § 21 Abs. 3 hin. Dort geht es freilich um Zahlungen an die Gesellschaft, nicht an einzelne Gesellschafter, die im Zuge des § 24 ein Sonderopfer gebracht haben. Die Auffassung ist fragwürdig. _____________ 27) Bedenken auch bei Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 24 Rn. 26.

§ 25 Zwingende Vorschriften Klaus Bartels

Von den in den §§ 21 bis 24 bezeichneten Rechtsfolgen können die Gesellschafter nicht befreit werden. Literatur: Schall, Kapitalaufbringung nach dem MoMiG, ZGR 2009, 126.

1

Die §§ 21 – 24 wollen die Kapitalaufbringung sicherstellen und verfolgen damit ein zentrales Anliegen des Kapitalgesellschaftsrechts. Schon aus diesem Grund drängt sich der zwingende Charakter der Normen auf.1) Während die Kapitalaufbringung vor Inkrafttreten des MoMiG vor allem gläubigerschützende Intention hatte, geht es jetzt vermehrt um das Seriositätssignal der Gründer.2) Auch dieser Ansatz ist auf effektive Sicherungen angewiesen, zumal es in großer Zahl Gesellschaften mit namhaftem Stammkapital gibt.

2

Der zwingende Charakter der Vorschriften darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Kaduzierung und Haftungsrealisierung im pflichtgemäßen Ermessen des Geschäftsführers stehen und also nicht ausnahmslos durchgeführt werden. Von den zwingenden Kapitalsicherungsinstrumenten des § 19 weichen die §§ 21 – 24 somit ab.

3

Eine Erleichterung für die GmbH (und somit eine Erschwernis für die betroffenen Gesellschafter) ist möglich.3) _____________ 1) 2) 3)

Zwingenden Charakter hat auch § 20, siehe § 20 Rn. 2 a. E. [Bartels]. S. Schall, ZGR 2009, 126, 146; Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 103 ff. S. Jaeger in: BeckOK-GmbHG, Stand: 35. Ed. 2/2018, § 25 Rn. 5; Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 25 Rn. 1; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 25 Rn. 1.

§ 26 Nachschusspflicht Klaus Bartels

(1) Im Gesellschaftsvertrag kann bestimmt werden, dass die Gesellschafter über die Nennbeträge der Geschäftsanteile hinaus die Einforderung von weiteren Einzahlungen (Nachschüssen) beschließen können. (2) Die Einzahlung der Nachschüsse hat nach Verhältnis der Geschäftsanteile zu erfolgen. (3) Die Nachschusspflicht kann im Gesellschaftsvertrag auf einen bestimmten, nach Verhältnis der Geschäftsanteile festzusetzenden Betrag beschränkt werden. 458

Klaus Bartels

§ 26

Nachschusspflicht

Literatur: Hommelhoff/Kleindiek, Flexible Finanzierungsinstrumente im GmbH-Recht. Das eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen zwischen Nachschusskapital und Finanzplankredit, in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 421; Kornblum/Kleinle/Baumann/ Steffan, Neue Rechtstatsachen zum Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (II), GmbHR 1985, 42. Übersicht I. Zweck der Norm .................................. 1 II. Abgrenzungen ...................................... 3 III. Gesellschaftsvertragliche Implementierung der Ermächtigung ............. 4

I.

1. 2. IV. V.

Gründungsstatut ................................... 4 Satzungsänderung ................................. 5 Einforderungsbeschluss ....................... 6 Inhalt der Nachschusspflicht .............. 9

Zweck der Norm

Grundsätzlich kann der Gesellschafter ohne seine Zustimmung nicht über die ursprüngliche Einlage hinaus in Anspruch genommen werden (§ 53 Abs. 3).1) Die Erhöhung des Stammkapitals aber ist förmlich wie sachlich mit erheblichem Aufwand verbunden. Dieser muss geleistet werden, wenn sich der Kapitalbedarf ankündigt, und erschwert so die zügige Antwort der Gesellschaft auf aktuelle Erfordernisse. Das Institut des Nachschusses sieht demgegenüber ein gestuftes Verfahren vor, mit dem Reaktionszeiten verkürzt werden können: –

Erstens: Bei Gründung oder im Zuge späterer Statutenänderung sehen die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag vorratsartig die Möglichkeit künftiger Nachschüsse zur Eigenkapitalanhebung vor.



Zweitens: Bei Eintreten des Bedarfs kann sodann (grundsätzlich) mit einfacher Mehrheit über die Einforderung von Nachschüssen entschieden werden (§ 47 Abs. 1).

§ 26 bietet mithin eine flexible Vorsorgeanordnung. Die Installierung einer Nachschussregelung gilt dennoch als selten.2)

1

2

II. Abgrenzungen Vom Nachschuss zu sondern sind –

3

freiwillige Zuzahlung (etwa zur Sanierung),



die eigentliche Kapitalerhöhung nach §§ 55 ff,



andere Leistungen i. S. d. § 3 Abs. 2 sowie schließlich



die Darlehen der Gesellschafter und ggf.



eine konzernrechtliche Verlustdeckungshaftung.

_____________ 1)

2)

S. Ulmer/Habersack/Winter-Ulmer, GmbHG, § 53 Rn. 85; Scholz-Priester, GmbHG, § 53 Rn. 50; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 53 Rn. 19; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 7 IV. 1., S. 393 ff; K. Schmidt, GesR, § 37 V. 1. a, dd, S. 1173. S. Hommelhoff/Kleindiek in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 421, 423 f; Kornblum/Kleinle/ Baumann/Steffan, GmbHR 1985, 42, 47; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 26 Rn. 1. Ein wenngleich atypisches Beispiel aus neuerer Zeit bietet OLG Brandenburg, ZIP 2006, 1675, 1676 = NZG 2006, 756 = ZInsO 2006, 654, dazu EWiR 2006, 619 (Grunewald).

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459

§ 26

Nachschusspflicht

III. Gesellschaftsvertragliche Implementierung der Ermächtigung 1. 4

2. 5

Gründungsstatut

In der Gründungsphase wirken naturgemäß alle Gesellschafter (Gründer) einverständlich an der Konstituierung der GmbH mit (§ 2 Abs. 1 Satz 2). Fragen eines Quorums für die Nachschussermächtigung nach § 26 ergeben sich so nicht. Konstituierung und Zustimmung nach § 53 Abs. 3 „verschmelzen“ hier. Der aktivierende Einforderungsbeschluss ist freilich von der Zustimmung zu trennen. Satzungsänderung

Soll die Möglichkeit, die Gesellschafter zu Nachschüssen zu verpflichten, erst nachträglich im Gesellschaftsvertrag verankert werden, so bedarf der satzungsändernde Beschluss einer ¾-Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 53 Abs. 2 Satz 1). Hiervon zu trennen ist die Frage, ob die satzungsmäßige Ermöglichung von Nachschusspflichten (vermittels späteren Einforderungsbeschlusses) bereits eine Vermehrung der Gesellschafterpflichten i. S. d. § 53 Abs. 3 ist und so das qualifizierte Zustimmungserfordernis auslöst.3) In den Materialien4) sowie in Rechtsprechung5) und Schrifttum6) wird dies ohne nähere Begründung bejaht. Die Implementierung schafft zwar nur potentiell Betroffene; dies aber lässt man genügen. Es ist somit ergänzend eine Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich. Dem Erfordernis wird durch positives Abstimmungsvotum i. R. d. Beschlussfassung genügt.7) Nur für Gesellschafter, die an der Abstimmung nicht oder nicht wirksam teilgenommen oder sich zum TOP mit Enthaltung oder negativem Votum verhalten haben,8) gilt das ergänzende Zustimmungserfordernis. Diese Zustimmung ist nicht Bestandteil der Beschlussfassung,9) sondern formlos gültige, an die GmbH zu richtende Willenserklärung, die während, vor oder nach der Beschlussfassung abgegeben werden kann.10) Für die Eintragung fordert das Registergericht sowohl den Änderungsbeschluss („drei Vierteile“ der abgegebenen Stimmen) sowie ggf. auch die Zustimmungserklärungen.11)

_____________ 3) Grundsätzlich zur Trennung Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 26 Rn. 29; Scholz-Emmerich, GmbHG, § 26 Rn. 9a; allg. Ulmer/Habersack/Winter-Ulmer, GmbHG, § 53 Rn. 89; Scholz-Priester, GmbHG, § 53 Rn. 93; anders noch RGZ 139, 224, 229. 4) RegE, Reichstags-Drucks. 1890/92, Anlage Nr. 660, S. 3715, 3753. 5) RGZ 81, 368, 370; KG Berlin, NZG 2000, 688, 689 = GmbHR 2000, 981; OLG München, GmbHR 2000, 981, dazu EWiR 2000, 631 (Bork). 6) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 26 Rn. 29 ff; Scholz-Priester, GmbHG, § 53 Rn. 52, 149; Harbarth in: MünchKomm-GmbHG, § 53 Rn. 200; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 26 Rn. 7; Baumbach/Hueck-ZöllnerNoack, GmbHG, § 53 Rn. 31; Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 26 Rn. 8; Wicke, GmbHG, § 53 Rn. 14. 7) S. Ulmer/Habersack/Winter-Ulmer, GmbHG, § 53 Rn. 47, 89. 8) S. Scholz-Priester, GmbHG, § 53 Rn. 93. 9) S. Scholz-Priester, GmbHG, § 53 Rn. 93; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 53 Rn. 83. 10) S. Ulmer/Habersack/Winter-Ulmer, GmbHG, § 53 Rn. 90; Scholz-Priester, GmbHG, § 53 Rn. 94; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 53 Rn. 83; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 53 Rn. 45; Wicke, GmbHG, § 53 Rn. 14. 11) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 26 Rn. 29.

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§ 26

Nachschusspflicht

Wird eine erforderliche Zustimmung verweigert, so ist der Beschluss nach Absatz 1 endgültig12) unwirksam. IV. Einforderungsbeschluss Absatz 1 sieht als zweiten Schritt den (satzungsgestützten) Gesellschafterbeschluss einer Einforderung weiterer Einzahlungen (Nachschüsse) vor. Nur so wird eine echte Zahlungsverpflichtung der Gesellschafter erzeugt,13) die auch für Gesellschaftsgläubiger einen Vollstreckungszugriff erlaubt (o Gesellschafter = Drittschuldner).14) Gläubiger der GmbH können die Einforderung indessen nicht durch Pfändung von Rechtspositionen der Gesellschaft erzwingen.15) Auch der Insolvenzverwalter kann die Einforderung nicht an sich reißen. Die Gesellschafterversammlung bleibt auch nach Verfahrenseröffnung exklusiv zuständig.16)

6

Während die nachträgliche Installation der Ermächtigung, wie gezeigt, ¾ der Stimmen erfordert (siehe Rn. 5), genügt für den späteren Einforderungsbeschluss die einfache Mehrheit (§ 47 Abs. 1), sofern der Gesellschaftsvertrag nichts anderes vorsieht.17) Grundsätzlich kommt die Einforderung eines beschränkten Nachschusses erst in Betracht, wenn die Stammeinlagen bereits sämtlich eingefordert worden sind.18) Davon kann die Satzung Ausnahmen vorsehen (§ 28 Abs. 2).

7

Wie die Stammeinlagen auch, bedarf der Nachschuss (Einforderungsbeschluss) der Vollziehung durch die Anforderung des Geschäftsführers (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 1).19) Erst so tritt Fälligkeit ein.

8

V. Inhalt der Nachschusspflicht Dem § 19 Abs. 2, 4 und 5 vergleichbare Sicherungen der Nachschusskapitalaufbringung enthält § 26 nicht. Und obgleich diese Regeln (wie für Absatz 5 jetzt in § 56a ausdrücklich festgestellt) auch für die Kapitalerhöhung Geltung beanspruchen,20) spricht sich die ganz herrschende (überwiegend schon unter altem Recht gebildete) _____________ 12) S. Ulmer/Habersack/Winter-Ulmer, GmbHG, § 53 Rn. 92; Baumbach/Hueck-Zöllner/ Noack, GmbHG, § 53 Rn. 83; a. A. Scholz-Priester, GmbHG, § 53 Rn. 96 – je nach Auslegung des Beschlusses. 13) S. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 26 Rn. 8; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 26 Rn. 9; wohl auch OLG Frankfurt/M., NJW-RR 1992, 1512, 1513 = GmbHR 1992, 665. 14) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 26 Rn. 46; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 26 Rn. 8. 15) S. BGH, DStR 1994, 1129 m. Anm. Goette = GmbHR 1994, 710 (LS); Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 26 Rn. 7; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 26 Rn. 9. 16) S. Jaeger-H.-F. Müller, InsO, § 35 Rn. 171; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 26 Rn. 8. 17) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 26 Rn. 42; Scholz-Emmerich, GmbHG, § 26 Rn. 15; Baumbach/Hueck-Hueck/Fastrich, GmbHG, § 26 Rn. 7. 18) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 26 Rn. 45; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 26 Rn. 9. 19) S. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 26 Rn. 11; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 26 Rn. 9. 20) S. uneingeschränkt Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 56a Rn. 15 ff; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 5.72; nur hinsichtlich Befreiung und Aufrechnung BGHZ, 29, 300, 304 f = NJW 1959, 934; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 19 Rn. 47; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 19 Rn. 3.

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§ 27

Unbeschränkte Nachschusspflicht

Ansicht hier gegen eine Anwendbarkeit aus.21) Dies ist angesichts der Kapitalaufbringungsfunktion der Nachschussregeln nicht voll überzeugend, zumal § 28 die §§ 21 – 23 heranzieht. Aufgrund der schwächeren Kapitalerhaltung (§ 30 Abs. 2) und angesichts fehlender Publizität ist die Unterscheidung aber begründbar. – Das MoMiG selbst hat lediglich in Absatz 1 den Passus „über den Betrag der Stammeinlagen hinaus …“ redaktionell angepasst in „über die Nennbeträge der Geschäftsanteile hinaus …“ und folgt damit § 3 Abs. 1 Nr. 4 n. F.22) 10

§ 26 Abs. 2 sieht wie § 19 Abs. 1 eine Gleichbehandlung der Gesellschafter nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile vor. Verstöße eröffnen die Anfechtung des Einforderungsbeschlusses.23) Nach § 30 Abs. 2 ist eine Rückzahlung des Nachschusses durch die Gesellschaft möglich. Einen Anspruch hat der Gesellschafter darauf nicht. _____________ 21) S. RGZ 133, 297, 298; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 26 Rn. 9; Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 26 Rn. 2; Wicke, GmbHG, § 26 Rn. 2; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 26 Rn. 12; Jaeger in: BeckOK-GmbHG, Stand: 35. Ed. 2/2018, § 26 Rn. 3; ferner Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 26 Rn. 18, 60; Abweichungen bei Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 26 Rn. 20 (Erlass). 22) S. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 41. 23) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 26 Rn. 57; Scholz-Emmerich, GmbHG, § 26 Rn. 15.

§ 27 Unbeschränkte Nachschusspflicht Klaus Bartels

(1) 1Ist die Nachschusspflicht nicht auf einen bestimmten Betrag beschränkt, so hat jeder Gesellschafter, falls er die Stammeinlage vollständig eingezahlt hat, das Recht, sich von der Zahlung des auf den Geschäftsanteil eingeforderten Nachschusses dadurch zu befreien, dass er innerhalb eines Monats nach der Aufforderung zur Einzahlung den Geschäftsanteil der Gesellschaft zur Befriedigung aus demselben zur Verfügung stellt. 2Ebenso kann die Gesellschaft, wenn der Gesellschafter binnen der angegebenen Frist weder von der bezeichneten Befugnis Gebrauch macht, noch die Einzahlung leistet, demselben mittels eingeschriebenen Briefes erklären, dass sie den Geschäftsanteil als zur Verfügung gestellt betrachte. (2) 1Die Gesellschaft hat den Geschäftsanteil innerhalb eines Monats nach der Erklärung des Gesellschafters oder der Gesellschaft im Wege öffentlicher Versteigerung verkaufen zu lassen. 2Eine andere Art des Verkaufs ist nur mit Zustimmung des Gesellschafters zulässig. 3Ein nach Deckung der Verkaufskosten und des rückständigen Nachschusses verbleibender Überschuss gebührt dem Gesellschafter. (3) 1Ist die Befriedigung der Gesellschaft durch den Verkauf nicht zu erlangen, so fällt der Geschäftsanteil der Gesellschaft zu. 2Dieselbe ist befugt, den Anteil für eigene Rechnung zu veräußern. (4) Im Gesellschaftsvertrag kann die Anwendung der vorstehenden Bestimmungen auf den Fall beschränkt werden, dass die auf den Geschäftsanteil eingeforderten Nachschüsse einen bestimmten Betrag überschreiten. 462

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§ 27

Unbeschränkte Nachschusspflicht Übersicht I. Zweck der Norm .................................. 1 II. Tatbestand der Preisgabe ..................... 2 1. Rechtsgeschäftliche Preisgabe (Abs. 1 Satz 1) ....................................... 2 2. Fingierte Preisgabe (Abs. 1 Satz 2) ...... 3 III. Rechtsfolgen der Preisgabe ................. 4 1. Unmittelbare Folgen für die Mitgliedschaft ........................................ 4

I.

2.

Mittelbare Folgen für die Mitgliedschaft (Verwertung) .............................. 6 IV. Abwendung der Rechtsfolgen durch den Gesellschafter ..................... 7 V. Preisgabe erst bei Überschreitung eines Nachschussrahmens ................... 8

Zweck der Norm

Eine Ermächtigung nach § 26, die ohne betragsmäßige Obergrenze vereinbart worden ist, bedeutet für die Gesellschafter erhebliche Unsicherheiten. Ein „worst case“ ist so kaum greifbar. § 27 sieht für die Gesellschafter daher eine Ausstiegsmöglichkeit vor, ein sog. Preisgaberecht („Abandon“). Danach kann der Gesellschafter, der dem nunmehr ergangenen Einforderungsbeschluss nicht (mehr) entsprechen kann oder will, seinen Geschäftsanteil der GmbH verwertungshalber zur Verfügung stellen, bleibt aber weiter Adressat der Sozialverbindlichkeiten bei (insofern) unbeschränkter Vermögenshaftung. Für die Nachschussverpflichtung dagegen haftet der Gesellschafter nur noch mit seinem Geschäftsanteil, ist der Verpflichtung selbst aber nicht mehr ausgesetzt. Ein ernüchterndes Ergebnis, auch wenn ihm der Überschuss aus der Verwertung gebührt.1) Auf diese Weise können Gesellschafter durch „Hochreizen“ herausgedrängt werden. Im Rahmen der Verwertung können die „squeezer“ den preisgegebenen Anteil selbst erstehen.

1

II. Tatbestand der Preisgabe 1.

Rechtsgeschäftliche Preisgabe (Abs. 1 Satz 1)

Um die Rechtsfolge der Haftungsbeschränkung auszulösen, muss der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft, vertreten durch den Geschäftsführer, die (formfrei gültige) Preisgabeerklärung abgeben.2) Die gesetzlichen Voraussetzungen dafür sind –

die betragsoffene Satzungsbestimmung nach § 26 Abs. 1,



die vollständige Einzahlung der Stammeinlage des Gesellschafters,



der wirksam beschlossene und eingeforderte Nachschuss und



das Andauern der Monatsfrist nach Zugang der Einforderung.



Erforderlich ist schließlich, dass der Nachschuss gegen oder zumindest ohne das Votum des preisgabewilligen Gesellschafters ergangenen ist.3)

Schützenswerte Ausnahmefälle dürften selten sein.

_____________ 1) 2) 3)

RegE, Reichstags-Drucks. 1890/92, Anlage Nr. 660, S. 3715, 3743. S. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 27 Rn. 31 f; Scholz-Emmerich, GmbHG, § 27 Rn. 15; Jaeger in: BeckOK-GmbHG, Stand: 35. Ed. 2/2018, § 27 Rn. 11. Einschränkend Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 27 Rn. 20 a. E.: schädlich nur rechtsmissbräuchliche Preisgabe.

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2

§ 27 2. 3

Unbeschränkte Nachschusspflicht

Fingierte Preisgabe (Abs. 1 Satz 2)

Bleibt ein Gesellschafter nach Nachschussbeschluss und Anforderung über einen Monat hinweg untätig, so kann die Gesellschaft (nach ihrem Ermessen) erklären, dass sie den Geschäftsanteil als preisgegeben betrachte (Abs. 1 Satz 2). Hierfür gelten dieselben Voraussetzungen wie oben (Spiegelstriche 1 – 3). Eine zeitliche Beschränkung existiert hier (unterhalb des Verwirkungstatbestandes) nicht.4) Die fingierte Preisgabe ist unwiderruflich.5) III. Rechtsfolgen der Preisgabe 1.

Unmittelbare Folgen für die Mitgliedschaft

4

Die Preisgabe hat auf die Mitgliedschaft des Gesellschafters keinen unmittelbaren Einfluss. Sämtliche Rechte und Pflichten bleiben unangetastet.6) Dies gilt auch für die Nachschusspflicht.7) Fest steht: Die Preisgabeerklärung allein beeinträchtigt die Pflichtenstellung des Abandonierten nicht. Will aber die Gesellschaft den Nachschussanspruch realisieren, so haftet ihr der Gesellschafter nun nicht mehr persönlich. Seine Haftung beschränkt sich allein auf den Geschäftsanteil. Insofern ist die Formulierung des Absatzes 1 „… hat das Recht, sich von der Zahlung … dadurch zu befreien, dass er … zur Verfügung stellt“ unscharf, aber im Ergebnis zutreffend.

5

Mit Abgabe der Erklärung verliert der Gesellschafter jedoch die Verfügungsbefugnis über seinen Geschäftsanteil i. S. einer absoluten Verfügungsbeschränkung.8) Dies ergibt sich aus dem Vorgang des zur Verfügung Stellens. 2.

6

Mittelbare Folgen für die Mitgliedschaft (Verwertung)

Ist die Preisgabe erfolgt, so ist die Gesellschaft befugt, den Geschäftsanteil durch öffentliche Versteigerung zu verwerten. Ergibt sich dabei ein Erlös, der die offene Nachschussforderung übersteigt, so gebührt die Differenz (Übererlös) dem Gesellschafter (Abs. 2 Satz 3: Surrogation9)), der seine Mitgliedschaft mit dem Zuschlag eingebüßt hat. Bleibt der Verwertungsversuch ohne Erfolg, so erwirbt die Gesellschaft den Geschäftsanteil (Abs. 3 Satz 1).

_____________ 4) 5) 6) 7)

8)

9)

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S. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 27 Rn. 11. S. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 27 Rn. 41. S. RegE, Reichstags-Drucks. 1890/92, Anlage Nr. 660, S. 3715, 3743; Ulmer/Habersack/ Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 27 Rn. 45. So Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 27 Rn. 46; Scholz-Emmerich, GmbHG, § 27 Rn. 20; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 27 Rn. 2; Wicke, GmbHG, § 27 Rn. 3; auch RegE, Reichstags-Drucks. 1890/92, Anlage Nr. 660, S. 3715, 3744; a. A. Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 27 Rn. 7. Teils werden Haftungsbeschränkung und Schuld in eher ökonomischer Betrachtung vermengt, so bei Jaeger in: BeckOK-GmbHG, Stand: 35. Ed. 2/2018, § 27 Rn. 21; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 27 Rn. 13. S. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 27 Rn. 45; Scholz-Emmerich, GmbHG, § 27 Rn. 21; Jaeger in: BeckOK-GmbHG, Stand: 35. Ed. 2/2018, § 27 Rn. 23; Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 27 Rn. 12. Die Andeutungen einer nur relativen Verfügungsbeschränkung bei W. Müller und vor allem bei Emmerich, jew. a. a. O., überzeugen nicht. S. Henssler/Strohn-Verse, GesR, § 27 GmbHG Rn. 14.

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§ 28

Beschränkte Nachschusspflicht

IV. Abwendung der Rechtsfolgen durch den Gesellschafter Auch in der Phase zwischen (ggf. fingierter) Preisgabeerklärung und Verwertung ist der Gesellschafter noch in der Lage, den Verlust der Mitgliedschaft durch nachträgliche Zahlung des Nachschusses abzuwenden.10)

7

V. Preisgabe erst bei Überschreitung eines Nachschussrahmens Gewissermaßen zwischen den Instituten der Preisgabe und der Kaduzierung räumt das Gesetz den Gesellschaftern die Möglichkeit der Kombination ein. Die Satzung kann i. R. d. unbeschränkten Nachschussermächtigung bestimmen, dass in einem genau bezeichneten Betragsrahmen unbedingte Nachschussverbindlichkeit nebst Kaduzierungsmöglichkeit besteht (§ 28 Abs. 1 Satz 2) und erst bei Überschreitung dieses Rahmens eine Preisgabemöglichkeit des Gesellschafters vorhanden ist (§ 27 Abs. 4).

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_____________ 10) S. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 27 Rn. 46; Scholz-Emmerich, GmbHG, § 27 Rn. 20; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 27 Rn. 7; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 27 Rn. 13; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 27 Rn. 2.

§ 28 Beschränkte Nachschusspflicht Klaus Bartels

(1) 1Ist die Nachschusspflicht auf einen bestimmten Betrag beschränkt, so finden, wenn im Gesellschaftsvertrag nicht ein anderes festgesetzt ist, im Fall verzögerter Einzahlung von Nachschüssen die auf die Einzahlung der Stammeinlagen bezüglichen Vorschriften der §§ 21 bis 23 entsprechende Anwendung. 2Das gleiche gilt im Fall des § 27 Abs. 4 auch bei unbeschränkter Nachschusspflicht, soweit die Nachschüsse den im Gesellschaftsvertrag festgesetzten Betrag nicht überschreiten. (2) Im Gesellschaftsvertrag kann bestimmt werden, dass die Einforderung von Nachschüssen, auf deren Zahlung die Vorschriften der §§ 21 bis 23 Anwendung finden, schon vor vollständiger Einforderung der Stammeinlagen zulässig ist. Übersicht I. Zweck der Norm .................................. 1 II. §§ 21 – 23 analog für beschränkte Nachschusspflichten (Abs. 1 Satz 1) ....................................... 2 III. §§ 21 – 23 analog für gemischte Nachschusspflichten (Abs. 1 Satz 2) ....................................... 4

I.

IV. Abweichende Vereinbarungen ........... 5 1. Nachschusseinforderung vor vollständiger Einforderung des Geschäftsanteils (Abs. 2) ...................... 5 2. Weitere Vereinbarungen ....................... 6

Zweck der Norm

Während bei der potentiell unbegrenzten Verpflichtung zu Nachschüssen die (eher) gesellschafterfreundliche Regelung des § 27 gilt, haben es die Gesellschafter im Falle lediglich beschränkter Nachschusspflichten schwerer. Es fehlt ihnen die Möglichkeit der Preisgabe. Absatz 1 rüstet vielmehr umgekehrt die Gesellschaft auf. Die

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§ 28

Beschränkte Nachschusspflicht

(einfache) Möglichkeit der gerichtlichen Geltendmachung des Nachschusses sowie ggf. der Vollstreckung bleibt der Gesellschaft freilich erhalten.1) II. §§ 21 – 23 analog für beschränkte Nachschusspflichten (Abs. 1 Satz 1) 2

Während also die GmbH die regelmäßige Kapitalaufbringung (Stammeinlage) mit Kaduzierung und Regress effektuieren kann, bietet § 27 Abs. 1 Satz 2 grundsätzlich nur den Druck der fingierten Preisgabe. Für beschränkte Nachschusspflichten erweitert § 28 Abs. 1 Satz 1 die Möglichkeiten der Gesellschaft. Das Gesetz behandelt den säumigen Nachschussschuldner (weitgehend) dem säumigen Stammeinlageschuldner gleich, ohne offenbar ansonsten den vermeintlich bestehenden Abstand zwischen Einlage und Nachschuss qualitativ verkürzen zu wollen.

3

Der ausgeschlossene Gesellschafter haftet mit seinem Geschäftsanteil nicht nur für fällige Sozialverbindlichkeiten bei Zugang der Kaduzierungserklärung. Die Haftung erstreckt sich nach ganz h. A. auch auf bereits eingeforderte, jedoch erst künftig fällig werdende Nachschüsse, sofern und soweit sich diese im satzungsmäßigen Rahmen halten.2) Für Nachschüsse, die erst später durch Einforderungsbeschluss zur Entstehung kommen, haftet der kaduzierte Geschäftsanteil indessen nicht mehr. III. §§ 21 – 23 analog für gemischte Nachschusspflichten (Abs. 1 Satz 2)

4

Für die kombinierte Regelung des § 27 Abs. 4 (siehe § 27 Rn. 8 [Bartels]) ergänzt § 28 Abs. 1 Satz 2 die Möglichkeiten der Gesellschaft um die §§ 21 – 23. Sieht also die gesellschaftsvertragliche Nachschussregelung keine Beschränkung vor, will aber die Satzung eine Preisgabemöglichkeit (§ 27 Abs. 1) z. B. erst bei Nachschussbeträgen ab 30.000 ¼, so hat die Gesellschaft bei einer säumigen Nachschusseinforderung von 20.000 ¼ die Möglichkeit der Kaduzierung sowie des Regresses nach §§ 22 f. Umfasst die säumige Einforderung 40.000 ¼, so gelten die Regeln der Preisgabe (§ 27 Abs. 1). Eine Kaduzierung scheidet aus. IV. Abweichende Vereinbarungen 1.

5

Nachschusseinforderung vor vollständiger Einforderung des Geschäftsanteils (Abs. 2)

Wie oben (siehe § 26 Rn. 7 [Bartels]) angeführt kann die Satzung vom Erfordernis der zunächst erschöpfenden Einforderung der Nennbeträge der Geschäftsanteile dispensieren. Die erschöpfende Einzahlung muss ohnehin nicht abgewartet werden.3) In Betracht kommt die Auflockerung nur für solche Nachschüsse, auf die (nach Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2) die §§ 21 – 23 Anwendung finden. Für unbeschränkte

_____________ 1) 2)

3)

466

S. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 28 Rn. 3; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 28 Rn. 2. S. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 28 Rn. 5; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 28 Rn. 2; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 28 Rn. 4; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 28 Rn. 2. S. RGZ 87, 179, 180 ff; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 26 Rn. 45; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Mock, GmbHG, § 28 Rn. 15; Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 26 Rn. 9; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 28 Rn. 6.

Klaus Bartels

§ 29

Ergebnisverwendung

Nachschusspflichten sah der Gesetzgeber die Gefahr, dass mit der Preisgabe auch gesicherte Stammeinlagen in Wegfall gerieten.4) Dies ist vielleicht nicht zwingend. 2.

Weitere Vereinbarungen

Die Satzung kann, anders als unter dem Diktat des § 25, weitere Variationen anordnen. So kann die Kaduzierung für Fälle säumiger Nachschusspflichten gänzlich ausgeschlossen werden.5) Bleibt es dabei, können Veränderungen im Detail angebracht werden. Umgekehrt können die Gesellschafter (verschärfend) etwa § 24 in Geltung setzen.6) _____________ 4) 5) 6)

RegE in: Reichstags-Drucks. 1890/92, Anlage Nr. 660, S. 3715, 3731. S. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 28 Rn. 2; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 28 Rn. 9. S. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 28 Rn. 3; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 28 Rn. 9.

§ 29 Ergebnisverwendung Carl-Heinz Witt (1) 1Die Gesellschafter haben Anspruch auf den Jahresüberschuss zuzüglich eines Gewinnvortrags und abzüglich eines Verlustvortrags, soweit der sich ergebende Betrag nicht nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag, durch Beschluss nach Absatz 2 oder als zusätzlicher Aufwand aufgrund des Beschlusses über die Verwendung des Ergebnisses von der Verteilung unter die Gesellschafter ausgeschlossen ist. 2 Wird die Bilanz unter Berücksichtigung der teilweisen Ergebnisverwendung aufgestellt oder werden Rücklagen aufgelöst, so haben die Gesellschafter abweichend von Satz 1 Anspruch auf den Bilanzgewinn. (2) Im Beschluss über die Verwendung des Ergebnisses können die Gesellschafter, wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, Beträge in Gewinnrücklagen einstellen oder als Gewinn vortragen. (3) 1Die Verteilung erfolgt nach Verhältnis der Geschäftsanteile. 2Im Gesellschaftsvertrag kann ein anderer Maßstab der Verteilung festgesetzt werden. (4) 1Unbeschadet der Absätze 1 und 2 und abweichender Gewinnverteilungsabreden nach Absatz 3 Satz 2 können die Geschäftsführer mit Zustimmung des Aufsichtsrats oder der Gesellschafter den Eigenkapitalanteil von Wertaufholungen bei Vermögensgegenständen des Anlage- und Umlaufvermögens in andere Gewinnrücklagen einstellen. 2Der Betrag dieser Rücklagen ist in der Bilanz gesondert auszuweisen; er kann auch im Anhang angegeben werden. Literatur: Bork/Oepen, Schutz des GmbH-Minderheitsgesellschafters vor der Mehrheit bei der Gewinnverteilung, ZGR 2002, 241; Crezelius, Gewinnermittlung versus Gewinnverwendung, in: Festschrift 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 315; Ehlke, Ergebnisverwendungsregeln in der GmbH nach dem BiRiLiG, DB 1987, 671; Erhart/Riedel, Disquotale Gewinnausschüttungen bei Kapitalgesellschaften – gesellschafts- und steuerrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten, BB 2008, 2266; Fleischer/Trinks, Minderheitenschutz bei der Gewinnthesaurierung in der GmbH – Ein deutsch-spanischer Rechtsvergleich, NZG 2015, 289; Gehrlein, Zum Gewinnbezugsrecht eines GmbH-Gesellschafters nach Einziehung seines Geschäftsanteils, DB 1998, 2355; Gelhausen/Heinz, Vermögensentnahmen aus

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6

§ 29

Ergebnisverwendung

GmbH und AG – Eine Bestandsaufnahme aus gesellschaftsrechtlicher und handelsbilanzieller Sicht, Festschrift für Michael Hoffmann-Becking, 2013, S. 357; Gutbrod, Vom Gewinnbezugsrecht zum Gewinnanspruch des GmbH-Gesellschafters, GmbHR 1995, 551; Henssler, Minderheitenschutz im GmbH-Konzern, in: Festschrift für Wolfgang Zöllner, Bd. I, 1998, S. 203; Heusel/M. Goette, Zum Gewinnausschüttungsanspruch bei Pattsituationen in der GmbH, GmbHR 2017, 385; Holzapfel, Gewinnverwendung bei der GmbH – Übergangsregelung für Altgesellschaften, GmbHR 1986, 293; Hommelhoff, Anmerkungen zum Ergebnisverwendungs-Entscheid der GmbH-Gesellschafter, GmbHR 2010, 1328; Hommelhoff, Auszahlungsanspruch und Ergebnisverwendungsbeschluss in der GmbH, in: Festschrift für Heinz Rowedder, 1994, S. 171; Hommelhoff, Die Ergebnisverwendung in der GmbH nach dem Bilanzrichtliniengesetz, ZGR 1986, 418; G. Hueck, Minderheitenschutz bei der Ergebnisverwendung in der GmbH, in: Festschrift für Ernst Steindorff, 1990, S. 45; G. Hueck, Gewinnvorschuss bei der GmbH, ZGR 1975, 133; Joost, Beständigkeit und Wandel im Recht der Gewinnverwendung, in: Festschrift 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 289; Kallmeyer, Recht der Gewinnverwendung in der GmbH, GmbHR 1992, 788; Leuschner, Satzungsdurchbrechende Beschlüsse bei AG und GmbH, ZHR 180 (2016), 422; Liebs, Die Anpassung des Gesellschaftsvertrages der GmbH an das Bilanzrichtlinien-Gesetz, DB 1986, 2421; Liebs, Zur Neuregelung der Ergebnisverwendung in der GmbH durch das Bilanzrichtlinien-Gesetz, GmbHR 1986, 145; Mylich, Gegenstandsbezogene Ausschüttungssperren und gesellschaftsrechtliche Kapitalschutzmechanismen, ZHR 181 (2017), 87; Pörschke, Disquotale Gewinnausschüttungen bei der GmbH, DB 2017, 1165; Priester, Änderung von Gewinnverwendungsbeschlüssen, ZIP 2000, 261; Priester, Öffnungsklauseln zur Gewinnverteilung in der GmbHSatzung, in Festschrift für Welf Müller, 2001, S. 113; Priester, UnternehmenssteuerReform und Gesellschaftsvertrag – Kautelarpraktische Überlegungen, DStR 2001, 795; Renkl, Gewinnverwendungsverfassung und Abschlussprüfung in der GmbH, GmbHR 1989, 66; Renkl, Der Gewinnanspruch der Gesellschafter einer GmbH nach der Neuregelung des § 29 GmbHG, DB 1986, 1108; G. Roth, Einziehung des Geschäftsanteils und Dauer der Gewinnbeteiligung, ZGR 1999, 715; Schneider, Die Vertretung der GmbH bei Rechtsgeschäften mit ihren Konzernunternehmen – Zugleich ein Beitrag zu den Folgen verdeckter Gewinnausschüttungen bei der GmbH, BB 1986, 201; Schulze-Osterloh, Die verdeckte Gewinnausschüttung bei der GmbH als kompetenzrechtliches Problem, in: Festschrift für Walter Stimpel, 1985, S. 487; Sieker, Die Verzinsung eigenkapitalersetzender Darlehen, ZGR 1995, 250; Vonnemann, Ausschüttungen an die Gesellschafter einer GmbH, GmbHR 1992, 637; M. Winter, Verdeckte Gewinnausschüttungen im GmbHRecht, ZHR 148 (1984) 579; Witt, Vorabausschüttungen in der GmbH, in: Festschrift für Peter Hommelhoff, 2012, S. 1363; Wünschmann, Eigenkapitalausschüttungen zwischen Gesellschafts- und Insolvenzrecht, NZG 2017, 51; Zöllner, Die so genannten Gesellschafterklagen im Kapitalgesellschaftsrecht, ZGR 1988, 392. Übersicht I.

Gegenstand und Zweck der Regelung ............................................... 1 II. Gewinnbezugsrecht der Gesellschafter (Abs. 1) ................................... 5 1. Rechtliche Einordnung ......................... 5 2. Ausgangsgrößen für den periodischen Gewinnbezug .............................. 7 3. Vorrangige Regelungen in Gesetz, Gesellschaftsvertrag und Ergebnisverwendungsbeschluss .......................... 9 III. Ergebnisverwendungsbeschluss (Abs. 2) ................................................ 11 1. Allgemeines ......................................... 11 2. Erzwingbarkeit des Beschlusses ......... 15

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3. 4.

Inhalt des Beschlusses ......................... 18 Ergebnisverwendung, Minderheitenschutz und Pattsituationen ...... 24 IV. Gewinnverteilung (Abs. 3) und Gewinnanspruch ................................ 29 1. Verteilungsschlüssel ............................ 29 2. Gewinnanspruch .................................. 31 3. Vorweggenommene Gewinnausschüttung und Entnahmerechte ......... 33 V. Rücklagenbildung bei Wertaufholungen (Abs. 4) .............................. 35 VI. Verdeckte Vermögenszuwendungen an Gesellschafter ......................... 40

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§ 29

Ergebnisverwendung

I.

Gegenstand und Zweck der Regelung

Die Vorschrift regelt die Ergebnisverwendung, d. h. die Verwendung des von der GmbH erzielten Ergebnisses, und weist die diesbezügliche Entscheidungszuständigkeit grundsätzlich den Gesellschaftern zu. Sie ist im Zuge des BilanzrichtlinienGesetzes (BiRiLiG) vom 19.12.19851) bis auf Absatz 3 grundlegend neu gestaltet worden. Das frühere Vollausschüttungsgebot (§ 29 Abs. 1 a. F.) gilt seitdem nicht mehr; stattdessen haben die Gesellschafter nunmehr die Möglichkeit, mit einfacher Mehrheit die Thesaurierung von Gewinnen zu beschließen und diese damit zur Selbstfinanzierung der Gesellschaft zu verwenden. Zu einem konkreten, auf Zahlung des jeweiligen Gewinnanteils gerichteten Anspruch verdichtet sich das in Absatz 1 festgeschriebene Gewinnbezugsrecht der Gesellschafter folglich erst dann, wenn der Ergebnisverwendungsbeschluss gefasst worden ist. Hintergrund der Neuausrichtung im Jahr 1985, die letztlich in der Umkehrung des Verhältnisses von gesetzlicher Grundsatz- und gesellschaftsvertraglicher Ausnahmeregelung bestand,2) war der gesetzgeberische Wille, als Ausgleich für die weitgehende Beschränkung der Bildung stiller Reserven, zu der es im Zuge des BiRiLiG kam, eine angemessene Innenfinanzierung der GmbH zu ermöglichen. Indes ist § 29 zur Gänze dispositiv, eine Anpassung an die praktischen Bedürfnisse der einzelnen Gesellschaft also weiterhin möglich.3)

1

Absatz 1 statuiert das Gewinnbezugsrecht der Gesellschafter und gibt zugleich das Jahresergebnis bzw. den Bilanzgewinn der Gesellschaft als Ausgangsgrößen für den periodischen Gewinnbezug der Gesellschafter vor. Der an die Gesellschafter auszuschüttende Gewinn wird durch den Vorbehalt anderweitiger Verwendung des Gewinns nach Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder dem in Absatz 2 geregelten Ergebnisverwendungsbeschluss begrenzt, der eine zusätzliche Reservebildung durch Einstellung in Gewinnrücklagen oder durch Gewinnvortrag ermöglicht. Absatz 3 statuiert den Grundsatz der gleichmäßigen Gewinnverteilung im Verhältnis der Geschäftsanteile. In Absatz 4 schließlich ist die Rücklagenbildung in – unter Geltung des BilRUG4) nur noch – einem Sonderfall geregelt.

2

Ergebnisverwendung im Sinne der Vorschrift ist der Sache nach stets Gewinnverwendung. Verluste der Gesellschaft bleiben, wie es der Rechtsnatur der GmbH entspricht, ohne unmittelbare Auswirkung auf die Gesellschafter. Weil die Gesellschafter an Verlusten nicht beteiligt sind, gibt es keinen Ergebnisverwendungsbeschluss; der im Jahresabschluss ermittelte und festgestellte Verlust wird vielmehr stets in das nächste Geschäftsjahr vorgetragen. Er mindert damit künftige Gewinnausschüttungen und das für den Liquidationsfall verteilbare Gesellschaftsvermö-

3

_____________ 1) 2) 3)

4)

BGBl. I 1985, 2335. In diesem Sinne zutreffend Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 29 Rn. 2. Ausführlich zum Hintergrund der Norm Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 1 f; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 1; Ekkenga in: MünchKommGmbHG, § 29 Rn. 10. Vom 17.7.2015, BGBl. I 2015, 1245; zur Geltung des im Zuge des BilRUG neu gefassten Absatzes 4 vgl. die Übergangsvorschrift des § 6 EGGmbHG: Danach muss die neue Fassung erstmals auf Jahres- und Konzernabschlüsse für ein nach dem 31.12.2015 beginnendes Geschäftsjahr angewendet werden.

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§ 29

Ergebnisverwendung

gen.5) – Zum Verlustausgleich kann der Gesellschaftsvertrag Nachschuss- oder Nebenleistungspflichten (§§ 26 ff, § 3 Abs. 2) vorsehen.6) 4

Die Vorschrift gilt in vollem Umfang7) nur für Gesellschaften, die nach dem 31.12.1985 (also seit Inkrafttreten des BiRiLiG zum 1.1.1986) durch Eintragung im Handelsregister als GmbH entstanden sind. Für Gesellschaften, die bereits zuvor eingetragen waren (sog. Altgesellschaften), galt lange Zeit hindurch das alte Recht, namentlich das grundsätzliche Vollausschüttungsgebot, wie es in § 29 Abs. 1 a. F. verankert war, unverändert fort. Dies ergab sich aus dem (im Zuge des BiRiLiG eingefügten) Art. 12 § 7 des GmbHG-Änderungsgesetzes von 1980:8) Nach dessen Absatz 1 Satz 1 hatten bei Altgesellschaften die Gesellschafter Anspruch auf den Jahresüberschuss zuzüglich eines Gewinnvortrags und abzüglich eines Verlustvortrags, soweit dieser Betrag nicht nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag von der Verteilung unter die Gesellschafter ausgeschlossen war.9) Absatz 2 der Vorschrift beförderte indes den Übergang in das neue Recht: Entsprechende Änderungen des Gesellschaftsvertrages wollte man dadurch erzwingen, dass für die Eintragung jedweder sonstiger Änderungen eine vorläufige Handelsregistersperre verhängt wurde; außerdem war für Änderungen der gesellschaftsvertraglichen Gewinnverteilungsregelung (einmalig) das Erfordernis einer bloß einfachen Beschlussmehrheit festgeschrieben. Konsequent bestimmte Art. 12 § 7 Abs. 3 GmbHG-Änderungsgesetz, dass eine entsprechende Neuentscheidung der Gesellschafter, sobald die betreffende Änderung im Handelsregister eingetragen war, zur Anwendung der aktuellen Absätze 1 und 2 führte. – Die Überleitungsvorschrift wird hier, zumal sie mit Wirkung zum 15.12.2010 ersatzlos gestrichen worden ist, nicht kommentiert.10)

_____________ 5) Vgl. Wicke, GmbHG, § 29 Rn. 3, der auch darauf hinweist, dass ein Verlust die Gesellschaft ggf. an die Grenze des § 49 Abs. 3 sowie in die Insolvenz (§ 19 Abs. 2 InsO) führen kann; außerdem Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 6; Saenger/InhesterKlingsch, GmbHG, § 29 Rn. 10. 6) Zu den Möglichkeiten, Gesellschafter zur Verlustübernahme zu verpflichten, Ulmer/ Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 16. 7) Absatz 4 gilt uneingeschränkt für alle GmbH (Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 174); Absatz 3 fand sich wortgleich in § 29 Abs. 2 a. F. 8) Vorschrift abgedruckt bei Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, 7. Aufl. 2012, § 29 Rn. 3; Baumbach/Hueck-Hueck/Fastrich, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 29 Rn. 97; Ulmer/Habersack/ Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 182; Michalski-Salje, GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 29 Rn. 140. 9) In Satz 2 der Vorschrift heißt es dann wortgleich zum heutigen § 29 Abs. 1 Satz 2 GmbHG, dass die Gesellschafter, falls die Bilanz unter Berücksichtigung der teilweisen Ergebnisverwendung aufgestellt wird oder Rücklagen aufgelöst werden, abweichend von Satz 1 Anspruch auf den Bilanzgewinn haben. 10) Streichung durch Art. 43 des Gesetzes v. 8.12.2010 (BGBl. I 2010, 1864); gegenüber dieser Streichung kritisch Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 29 Rn. 277. – Zur vormaligen Übergangsregelung für Altgesellschaften Hommelhoff, ZGR 1986, 418, 437 ff; Liebs, GmbHR 1986, 145; Holzapfel, GmbHR 1986, 293; Ehlke, DB 1987, 671 ff; ausführlich Baumbach/Hueck-Hueck/Fastrich, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 29 Rn. 97 ff; Ulmer/ Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 182 ff; knapper Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 8; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 29 Rn. 10 ff; Siemers/Birnbaum in: Beck’sches Hdb. GmbH, § 10 Rn. 130 ff.

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§ 29

Ergebnisverwendung

II. Gewinnbezugsrecht der Gesellschafter (Abs. 1) 1.

Rechtliche Einordnung

Der in Absatz 1 statuierte Anspruch der Gesellschafter ist kein solcher i. S. d. § 194 Abs. 1 BGB, vermittelt also nicht das Recht, von der Gesellschaft irgendeine Zahlung zu verlangen. Es handelt sich vielmehr um das Gewinnbezugsrecht, also das zentrale Vermögensrecht auf Gewinnausschüttung nach Maßgabe des jeweiligen Jahresabschlusses, das als Teil des Stammrechts aus der Mitgliedschaft fließt und mit dieser untrennbar verbunden ist, also nur zusammen mit ihr, nicht getrennt übertragen werden kann.11) Dieses Gewinnbezugsrecht muss vom konkreten Gewinnanspruch des einzelnen Gesellschafters, d. h. dem Anspruch auf Auszahlung des jeweiligen Gewinnanteils, unterschieden werden, der sich erst aus dem Ergebnisverwendungsbeschluss ergibt.12)

5

Vor dem Ergebnisverwendungsbeschluss als Grundlage des konkreten Gewinnanspruchs muss der Jahresabschluss von den Geschäftsführern aufgestellt und sodann von den Gesellschaftern festgestellt werden.13) Vor diesem Hintergrund wird im Schrifttum die Ansicht vertreten, mit dem Feststellungsbeschluss seien die Individualansprüche der Gesellschafter auf Auszahlung ihrer Gewinnanteile entstanden, stünden dann allerdings noch unter Vorbehalt des Ergebnisverwendungsbeschlusses und seien folglich noch nicht durchsetzbar; beim Anspruch nach Absatz 1 handele es sich also um einen vorläufig gehemmten Auszahlungsanspruch als einer rechtsqualitativen Fortentwicklung gegenüber dem allgemeinen Gewinnbezugsrecht der Gesellschafter.14) Dem ist, obwohl Absatz 1 mit der Festlegung von Ausgangsgrößen und Beschränkungen (darunter auch die Einstellung in Gewinnrücklagen sowie der Gewinnvortrag durch Ergebnisverwendungsbeschluss nach Absatz 2) tatsächlich bereits auf den periodischen Gewinnbezug abzielt, doch mit der h. M. zu widersprechen.15) Insbesondere besteht, was den ins Feld geführten Individualschutz der _____________

6

11) Wicke, GmbHG, § 29 Rn. 8; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 48; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 29 Rn. 38 f; Ring/Grziwotz-Lichtenwimmer, GmbHG, § 29 Rn. 6; vgl. auch Gehrlein/Born/Simon-Beckmann/Hofmann, GmbHG, § 29 Rn. 2. 12) OLG Brandenburg, ZIP 2009, 1955, 1957; Henssler/Strohn-Strohn, GesR, § 29 GmbHG Rn. 32 und 51; Siemers/Birnbaum in: Beck’sches Hdb. GmbH, § 10 Rn. 136. 13) Zur Aufstellung des Jahresabschlusses und zu dessen Erweiterung um einen Anhang sind die Geschäftsführer nach Maßgabe der §§ 242 Abs. 1 bis 3, 264 HGB verpflichtet. Die Feststellung des Jahresabschlusses obliegt den Gesellschaftern (§§ 42a Abs. 2, 46 Nr. 1), wobei der Gesellschaftsvertrag eine abweichende Zuständigkeit festlegen kann (§ 45 Abs. 2). 14) Hommelhoff in: FS Rowedder, S. 171, 176 ff; Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 29 Rn. 4; zustimmend Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 29 Rn. 78 ff; ähnlich Gutbrod, GmbHR 1995, 551, 557; sogar für Gewinnanspruch, der bereits mit Ablauf des Geschäftsjahres dem Grunde nach entsteht, OLG Hamm, GmbHR 1989, 126 = DB 1989, 167; dazu EWiR 1989, 267 (Ebenroth). 15) BGHZ 139, 299, 303 f = ZIP 1998, 1836, 1837 f; BGH, ZIP 2004, 1551 f; dazu EWiR 2005, 705 (Tepfer); OLG Koblenz, GmbHR 2018, 1016 Tz. 33 f; zu Sonderkonstellation (herrschender Gesellschafter) BGH, ZIP 1998, 467, 468 f; aus dem Schrifttum M. Arnold, Der Gewinnauszahlungsanspruch des GmbH-Minderheitsgesellschafters, S. 87 ff; Rowedder/ Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 29 Rn. 22; Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 10; Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 29 Rn. 99; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 49; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 6, 71 und 114; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 46 Rn. 19; Wicke, GmbHG, § 29 Rn. 8; Saenger/Inhester-Klingsch, GmbHG, § 29 Rn. 7; G. Hueck in: FS Steindorff, S. 45, 52.

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§ 29

Ergebnisverwendung

Gesellschafter betrifft, keine Lücke, weil der einzelne Gesellschafter gegen die Gesellschaft einen Anspruch auf Beschlussfassung über die Ergebnisverwendung und damit auf Herbeiführung des den Gewinn(auszahlungs)anspruch begründenden Tatbestandes hat (siehe Rn. 15 ff). 2.

Ausgangsgrößen für den periodischen Gewinnbezug

7

Absatz 1 gibt als Ausgangsgrößen für den periodischen Gewinnbezug der Gesellschafter zweierlei vor. Zum einen ist dies der sich aus der Rechenoperation in Satz 1 ergebende Betrag, das „Ergebnis“, das verbreitet als Jahresergebnis bezeichnet wird. Zum Jahresüberschuss, d. h. dem Überschuss der Aktiv- über die Passivposten der Bilanz (§ 266 Abs. 3 Buchst. A Ziff. V. HGB),16) ist ein Gewinnvortrag hinzuzurechnen, ein Verlustvortrag ist abzuziehen. Gewinnvortrag ist derjenige Teil des Jahresüberschusses des vorangegangenen Geschäftsjahres, der im damaligen Ergebnisverwendungsbeschluss weder in Rücklagen eingestellt noch unter den Gesellschaftern verteilt worden ist (vgl. Absatz 2, außerdem § 266 Abs. 3 Buchst. A Ziff. IV. HGB) und der damit am Ende des nachfolgenden Geschäftsjahres wieder zur Disposition der Gesellschafter steht.17) Der Verlustvortrag (ebenfalls § 266 Abs. 3 Buchst. A Ziff. IV. HGB) ergibt sich aus dem vorangegangenen Jahresabschluss, und zwar als Jahresfehlbetrag unter Berücksichtigung wiederum des vorjährigen Gewinn- oder Verlustvortrages oder als Bilanzverlust.18)

8

Die andere Ausgangsgröße ist nach Absatz 1 Satz 2 der Bilanzgewinn. Er ist maßgeblich, wenn die Bilanz der Gesellschaft unter Berücksichtigung der teilweisen Ergebnisverwendung aufgestellt wird oder Rücklagen aufgelöst werden.19) Ersteres erfasst den Fall, dass eine Rücklagenbildung bereits bei der Aufstellung der Bilanz in Ansatz gebracht wird; der Gewinn- oder Verlustvortrag ist dann rechnerisch bereits einbezogen.20) – Ebenso wie der Jahresüberschuss ist der Bilanzgewinn Ausgangsgröße auch für den Ergebnisverwendungsbeschluss nach Absatz 2.21) 3.

9

Vorrangige Regelungen in Gesetz, Gesellschaftsvertrag und Ergebnisverwendungsbeschluss

Der periodische Gewinnbezug der Gesellschafter bezieht sich nur dann auf das Jahresergebnis bzw. den Bilanzgewinn, wenn keine vorrangigen gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglichen Regelungen entgegenstehen. Was den gesetzlichen Ausschluss der Verteilung unter die Gesellschafter angeht, ist an die Ausschüttungssperre nach § 268 Abs. 8 HGB (Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermö_____________ 16) Der Jahresüberschuss ist zugleich der Saldo der Gewinn- und Verlustrechnung (§ 275 Abs. 2 Nr. 17, Abs. 3 Nr. 16 HGB). 17) Wicke, GmbHG, § 29 Rn. 7; Baumbach/Hueck-Fastrich, § 29 Rn. 25; Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 46. 18) Baumbach/Hueck-Schulze-Osterloh, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 42 Rn. 221; vgl. auch Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Mock, GmbHG, § 29 Rn. 39. 19) Dazu ausführlich Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 29 Rn. 18. 20) Vgl. §§ 268 Abs. 1, 270 Abs. 2 HGB. 21) Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 56; ausführlich zum Bilanzgewinn Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 31 ff; Henssler/Strohn-Strohn, GesR, § 29 GmbHG Rn. 24 ff.

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§ 29

Ergebnisverwendung

gensgegenstände des Anlagevermögens oder überschießende aktive latente Steuern)22) zu denken.23) Praktisch wichtiger sind gesellschaftsvertragliche Ausschüttungsbeschränkungen, für die ein weiter Spielraum besteht. So kann etwa eine feste Relation zwischen Ausschüttung und Reservenbildung im Gesellschaftsvertrag verankert werden. Aber es ist auch möglich, die Verwendung von Teilen des Ergebnisses für karitative Zwecke, zur Förderung von Kunst und Wissenschaft o. Ä. festzuschreiben.24) Und schließlich kann die Ausschüttung von Gewinnen auch zeitweise oder dauernd in toto ausgeschlossen werden.25) Eine solche Regelung findet sich vor allem bei Gesellschaften, die steuerbegünstigte, d. h. gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen (§§ 51 ff AO), sowie bei sog. gewinnlosen Gesellschaften.26) Davon zu unterscheiden ist der Ausschluss einzelner Gesellschafter vom Gewinnbezug, der eine abweichende Verteilungsregelung i. S. d. Absatzes 3 Satz 2 darstellt (dazu siehe Rn. 30). Nicht hierher gehört zudem die gesetzlich (etwa in § 272 Abs. 2, 4 und 5 HGB oder auch in § 5a Abs. 3 Satz 1 GmbHG) oder gesellschaftsvertraglich angeordnete Bildung von Rücklagen, weil solche Rücklagen bereits bei Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses berücksichtigt werden und damit in den Jahresüberschuss bzw. den Bilanzgewinn einfließen. Neben dem, was durch (Ergebnisverwendungs-)Beschluss nach Absatz 2 in Gewinnrücklagen eingestellt oder als Gewinn vorgetragen wird (siehe Rn. 18 ff), steht für die Gewinnverteilung unter die Gesellschafter auch der zusätzliche Aufwand nicht zur Verfügung, der aufgrund dieses Beschlusses entsteht. Hier ist an zweierlei zu denken: Zum einen kann sich aus dem Beschluss eine höhere Körperschaftsteuerbelastung ergeben, als sie bei der Aufstellung des Jahresabschlusses angesetzt worden war.27) Dies ist, obwohl es seit VZ 2001 keinen gespaltenen Steuersatz für Körperschaften mehr gibt, der Steuersatz (§ 23 Abs. 1 KStG; z. Zt. 15 %) vielmehr für ausgeschüttete wie für thesaurierte Gewinne derselbe ist, doch wegen der langen Übergangsregelungen weiter von Bedeutung. So können bei der GmbH Altrücklagen vorhanden sein, die nach dem alten System keiner Körperschaftsteuerbelastung unterlegen waren (§ 20 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1999; sog. EK 02); werden sie für Ausschüttungen verwendet, so kommt es im Übergangszeitraum zu einer _____________ 22) Dazu Lutter/Hommelhof-Hommelhoff, GmbHG, § 29 Rn. 9, der auch darauf hinweist, dass die Ausschüttungssperre den betreffenden Teil des Jahresüberschusses nur insoweit erfasst, als dieser Teil nicht durch freie Rücklagen abgebildet werden kann; außerdem Mylich, ZHR 181 (2017), 87 ff. 23) Zum in 2016 neu eingefügten § 253 Abs. 6 Satz 2 HGB, der eine § 268 Abs. 8 HGB regelungstechnisch nachenpfundene Ausschüttungssperre vorsieht, Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 49a. 24) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 28. 25) BGHZ 14, 264, 271; der nachträgliche Ausschluss von Gewinnausschüttungen, d. h. die betreffende Änderung des Gesellschaftsvertrages, bedarf der Zustimmung aller Gesellschafter (Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 78 a. E.; Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 29 Rn. 37 a. E.; Achilles/Ensthaler/Schmidt-Ensthaler, GmbHG, § 29 Rn. 8). 26) Dazu Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 36; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 78; Henssler/Strohn-Strohn, GesR, § 29 GmbHG Rn. 41. 27) Baumbach/Hueck-Schulze-Osterloh, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 42 Rn. 564.

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§ 29

Ergebnisverwendung

Körperschaftsteuererhöhung.28) Zum anderen kann sich aus dem Ergebnisverwendungsbeschluss, der eine höhere Ausschüttung vorsieht als von den Geschäftsführern unterstellt, ein zusätzlicher Aufwand auch bei anderen Vorgängen ergeben, die von der Höhe der Gewinnausschüttung abhängen; dies gilt namentlich bei Gewinnansprüchen Dritter, etwa Geschäftsführern oder Aufsichtsratsmitgliedern.29) III. Ergebnisverwendungsbeschluss (Abs. 2) 1.

Allgemeines

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Der Ergebnisverwendungsbeschluss ist unverzichtbare Voraussetzung für die Wirksamkeit der Ergebnisverwendung, vor allem für die Entstehung des konkreten Gewinn(-auszahlungs-)anspruchs der Gesellschafter30) und, was die Höhe angeht, auch ausschüttungsabhängiger Ansprüche Dritter.31) Er muss selbst dann gefasst werden, wenn die Ergebnisverwendung vollständig durch Gesetz und Gesellschaftsvertrag vorgegeben ist,32) nicht aber dann, wenn sich die GmbH wirksam zur Abführung ihres ganzen erwirtschafteten Jahresergebnisses an einen anderen verpflichtet hat; denn solchenfalls ist diese Verpflichtung schon bei der Aufstellung des Jahresabschlusses zu passivieren, und es gibt zur Gewinnverwendung nichts zu beschließen.33)

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Die Entscheidung über die Ergebnisverwendung fällt grundsätzlich in die Zuständigkeit der Gesellschafter (Abs. 2; außerdem § 46 Nr. 1, § 42a Abs. 2 Satz 1). Für deren Beschluss gelten die §§ 47 ff. Die einfache Mehrheit der Kapitalanteile reicht also grundsätzlich aus (§ 47 Abs. 1 und 2), und nach Maßgabe des § 48 Abs. 2 ist Beschlussfassung außerhalb einer Versammlung im sog. Umlaufverfahren möglich. Der Gesellschaftsvertrag kann insofern abweichende Regelungen enthalten, etwa das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit festschreiben, aber auch eine begrenzte _____________ 28) Eingehend Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 60 f. 29) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 27; Baumbach/Hueck-Schulze-Osterloh, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 42 Rn. 564, jeweils mit Hinweis darauf, dass sich umgekehrt auch ein zusätzlicher Ertrag aufgrund des Ergebnisverwendungsbeschlusses ergeben kann. – Zu Gewinnbeteiligungen Dritter und, weil es sich für die GmbH grundsätzlich um Aufwendungen handelt, ihren Auswirkungen (schon) auf den Jahresabschluss ausführlich Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 29 Rn. 196 ff; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 101 ff; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 79 ff; ScholzVerse, GmbHG, § 29 Rn. 134 ff; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 29 Rn. 130 ff; Henssler/Strohn-Strohn, GesR, § 29 GmbHG Rn. 72 ff; Siemers/Birnbaum in: Beck’sches Hdb. GmbH, § 10 Rn. 147 ff. 30) BGHZ 137, 378, 381 = ZIP 1998, 467, 468; BGH, ZIP 2004, 1551, 1552; Henssler/ Strohn-Strohn, GesR, § 29 GmbHG Rn. 32; zur Entstehung sog. stehengelassener Gewinne als Voraussetzung eines Gesellschafterdarlehens i. S. d. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO (ggf. mit der Rechtsfolge des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO) wie auch i. S. d. früheren Eigenkapitalersatzrechts erst durch Fassen eines entsprechenden Ergebnisverwendungsbeschlusses Wünschmann, NZG 2017, 51, 52 f. 31) Letzteres mit Recht herausstreichend Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 47. 32) Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 29 Rn. 16; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 38. 33) So mit Recht Wicke, GmbHG, § 29 Rn. 21 a. E.; Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 29 Rn. 10; Ring/Grziwotz-Lichtenwimmer, GmbHG, § 29 Rn. 15 und 52; Ensthaler/Füller/Schmidt-Ensthaler/Hannewald, GmbHG, § 29 Rn. 22; Gehrlein/Born/ Simon-Beckmann/Hofmann, GmbHG, § 29 Rn. 9.

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§ 29

Ergebnisverwendung

Reservenbildung schon bei einem bestimmten Minderheitsvotum vorsehen.34) Außerdem gibt § 45 Abs. 2 die Möglichkeit, die Ergebnisverwendung im Gesellschaftsvertrag auf eine andere Stelle innerhalb der Gesellschaft, etwa den oder die Geschäftsführer, einen Gesellschafterausschuss, Aufsichtsrat oder Beirat, zu übertragen.35) Die Zuständigkeit muss nicht mit derjenigen zur Feststellung des Jahresabschlusses übereinstimmen. – Mit Rücksicht auf die große Bedeutung der Ergebnisverwendung für die Gesellschafter sind an die Klarheit und Verständlichkeit aller entsprechenden gesellschaftsvertraglichen Regelungen hohe Anforderungen zu stellen.36) Jedenfalls muss aber über die Ergebnisverwendung, ebenso wie über die Feststellung des Jahresabschlusses, zwingend innerhalb von acht Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres Beschluss gefasst werden; bei kleinen GmbH i. S. d. § 267 Abs. 1 HGB, aber auch bei Kleinst-GmbH i. S. d. § 267a Abs. 1 und 3 HGB (zu diesen beiden Begriffen siehe § 41 Rn. 6 Fn. 19 und 20 [Witt])37) beträgt die Frist elf Monate (§ 42a Abs. 2 Satz 1).38) Ohne vorherige (wirksame) Feststellung des Jahresabschlusses, in der die Grundlagen der Ergebnisverwendung, vor allem die nach Absatz 2 disponible Masse, bindend festgelegt werden, kann der Verwendungsbeschluss nicht gefasst werden; ein dennoch gefasster Beschluss ist unwirksam.39) Die grundsätzlich einzuhaltende Beschlussreihenfolge kann im Gesellschaftsvertrag umgekehrt werden; dies ermöglicht § 268 Abs. 1 Satz 1 HGB, nach dem die Bilanz unter Berücksichtigung der vollständigen oder teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses aufgestellt werden darf.40) In jedem Fall können beide Beschlüsse, wie es in der Praxis (vor dem Hintergrund, dass bei der GmbH – anders als bei der AG – grundsätzlich dasselbe Organ zuständig ist) nicht selten geschieht, gemeinsam gefasst werden.41) _____________ 34) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 46; Wicke, GmbHG, § 29 Rn. 13. 35) Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 40; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 68; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 46; Wicke, GmbHG, § 29 Rn. 13; Siemers/Birnbaum in: Beck’sches Hdb. GmbH, § 10 Rn. 122; einschränkend Lutter/ Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 29 Rn. 20, der stets die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts aller Gesellschafter verlangt. 36) Wicke, GmbHG, § 29 Rn. 13 m. w. N. 37) Während die für kleine GmbH vorgesehenen besonderen Regelungen des HGB für KleinstGmbH nur insoweit entsprechend gelten, als nichts anderes geregelt ist (§ 267a Abs. 2 HGB), müssen die außerhalb des HGB zu findenden Sonderregelungen für KleinstGmbH uneingeschränkt Geltung finden. 38) Die Frist kann im Gesellschaftsvertrag nicht verlängert (§ 42a Abs. 2 Satz 2), wohl aber verkürzt werden; so mit Recht Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 69; Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 39; Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 42a Rn. 19 und 38 (mit Hinweis auf Grenze der Verkürzung); Rowedder/Schmidt-Leithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42a Rn. 69; Wicke, GmbHG, § 42a Rn. 11. 39) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 29 Rn. 11; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 28; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 8 f; Baumbach/HueckHaas, GmbHG, § 42a Rn. 37; Wicke, GmbHG, § 29 Rn. 15. 40) So mit Recht Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 67. 41) Wicke, GmbHG, § 29 Rn. 15; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 28; Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 42a Rn. 36.

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§ 29 14

Ergebnisverwendung

Eine Überschreitung der für den Ergebnisverwendungsbeschluss geltenden Frist führt, wenn dieser schließlich gefasst wird, weder zu seiner Anfechtbarkeit noch zu seiner Nichtigkeit.42) Im Übrigen gelten, was Verstöße des Beschlusses gegen Gesetz und Gesellschaftsvertrag angeht, die allgemeinen Regeln über nichtige und anfechtbare Gesellschafterbeschlüsse.43) In jedem Fall hat die Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses analog § 253 Abs. 1 Satz 1 AktG die Nichtigkeit des Ergebnisverwendungsbeschlusses zur Folge.44) Eine mangels wirksamen Verwendungsbeschlusses rechtsgrundlos erfolgte Ausschüttung ist nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB an die Gesellschaft zurückzuerstatten.45) 2.

Erzwingbarkeit des Beschlusses

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Nach verbreiteter Ansicht hat jeder Gesellschafter einen Anspruch auf Beschlussfassung der Gesellschafter über die Ergebnisverwendung und damit auf Herbeiführung des den konkreten Gewinn(auszahlungs)anspruch begründenden Tatbestandes. Dies steht vor dem Hintergrund, dass die Pflicht der Gesellschafter, über die Ergebnisverwendung zu beschließen, nicht nur eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung im Rahmen der Rechnungslegung, sondern eine Verpflichtung der Gesellschafter untereinander zur Mitwirkung an einer Beschlussfassung ist.46) Bedeutung kann der Anspruch des Gesellschafters auf – neuerliche – Beschlussfassung auch und insbesondere im Zusammenhang mit der anfechtungsbedingten Kassation eines den Minderheitenschutz (dazu siehe Rn. 24 ff) nicht hinreichend berücksichtigenden Ergebnisverwendungsbeschlusses haben. Was das Instrumentarium eines solchen Anspruchs angeht, ist im Einzelnen manches ungeklärt; höchstrichterliche Rechtsprechung fehlt bis heute.

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Das Instrument des § 50 erweist sich in diesem Zusammenhang als wenig effektiv. Denn das dort statuierte Recht, die Einberufung einer Gesellschafterversammlung und die Aufnahme eines bestimmten Tagesordnungspunktes verlangen zu können, steht nur Gesellschaftern zu, die zusammen zu mindestens 10 % am Stammkapital der GmbH beteiligt sind, und es steht keineswegs fest, dass in einem solchen Fall _____________ 42) Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 70; Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 66; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 29 Rn. 158; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 43. 43) Wicke, GmbHG, § 29 Rn. 16; Einzelheiten bei Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 43 ff; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42a Rn.77 ff und 94 f. 44) BGH, ZIP 2008, 1818 Tz. 23; OLG Stuttgart, ZIP 2004, 909, 910; dazu EWiR 2004, 661 (Merkt); BFH, DStR 2007, 193, 194; Baumbach/Hueck-Fastrich, § 29 Rn. 43; Wicke, GmbHG, § 29 Rn. 16; Lutter/Hommelhoff-W. Bayer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 24; Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 29 Rn. 11 und § 42a Rn. 37; Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 65. 45) OLG Stuttgart, ZIP 2004, 909, 910; dazu EWiR 2004, 661 (Merkt); Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 29 Rn. 43 f; Wicke, GmbHG, § 29 Rn. 16. 46) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 40 m. w. N.; Michalski/Heidinger/Leible/ J. Schmidt-Mock, GmbHG, § 29 Rn. 85 ff; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 71; Saenger/Inhester-Klingsch, GmbHG, § 29 Rn. 28; Ensthaler/Füller/SchmidtEnsthaler/Hannewald, GmbHG, § 29 Rn. 18; einen mitgliedschaftlichen Anspruch der Gesellschafter auf Beschlussfassung über die Ergebnisverwendung bejahend auch BGHZ 139, 299, 303 = ZIP 1998, 1836, 1837; ablehnend hingegen Ekkenga in: MünchKommGmbHG, § 29 Rn. 52.

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§ 29

Ergebnisverwendung

über die Ergebnisverwendung tatsächlich beschlossen wird.47) Wirkungsvoll kann nur ein auf dem Klageweg zu verfolgendes Verlangen des Gesellschafters sein. Dies darf sich dann indes nicht in einem Einberufungsbegehren erschöpfen, sondern muss zu einer gerichtlichen Entscheidung führen, in der ein bestimmter Beschlussinhalt ausgesprochen wird.48) Richtigerweise hat der Gesellschafter seinen Anspruch im Wege der Leistungsklage zu verfolgen, die gegen die Gesellschaft zu richten ist; das stattgebende Urteil hat dann Vollstreckungswirkung nach § 894 ZPO, ersetzt also den Beschluss.49) Der einklagbare Beschlussinhalt muss, weil eine Thesaurierung (d. h. eine zusätzliche Reservenbildung nach Absatz 2) gerade nicht beschlossen worden ist, auf Vollausschüttung gehen.50) Die Ansicht, einen feststehenden Mehrheitswillen für Thesaurierung müsse das Gericht nach billigem Ermessen analog § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB berücksichtigen,51) überzeugt nicht, weil sie die richterliche Urteilsfindung mit unternehmenspolitischen Entscheidungen überfordert.52) Zu beachten ist allerdings, dass angesichts der Sanktionslosigkeit der Nichtbeachtung der Frist des § 42a Abs. 2 (siehe § 42a Rn. 16 [Witt]) die Gesellschafter auch während eines rechtshängigen Verfahrens einen Beschluss über die Ergebnisverwendung fassen können; dies gilt _____________ 47) So mit Recht Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 72; Rowedder/ Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 29 Rn. 66; G. Hueck in: FS Steindorff, S. 45, 52; zur ungeklärten Frage, ob aus § 50 ein Anspruch der Minderheit auf materielle Beschlussfassung folgt, Lutter/Hommelhoff-W. Bayer, GmbHG, § 50 Rn. 2; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 50 Rn. 35 f, jeweils m. w. N. 48) A. A. OLG Düsseldorf, NZG 2001, 1085, 1086; Gehrlein/Born/Simon/Teichmann, GmbHG, § 46 Rn. 12: Zwar klagbarer und ggf. nach § 888 ZPO vollstreckbarer Anspruch gegen die Gesellschaft, der aber nur auf die Herbeiführung eines Ergebnisverwendungsbeschlusses gerichtet sein kann, ohne dessen Inhalt festzulegen; offen OLG Nürnberg, DB 2008, 2415, 2419 f. – Angesichts seines besonderen Verständnisses des Gewinnanspruchs als eines vorläufig gehemmten Auszahlungsanspruchs a. A. Hommelhoff in: FS Rowedder, S. 171, 177 ff; Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 29 Rn. 32 f: Leistungsklage des Gesellschafters auf Gewinnauszahlung, so dass der auf Fassung des Verwendungsbeschlusses gerichteten Klage das Rechtsschutzbedürfnis fehlen könne. 49) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 41; Bork/Oepen, ZGR 2002, 241, 266 ff; Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 46 Rn. 24; vergleichbar Michalksi/ Heidinger/Leible/J. Schmidt-Mock, GmbHG, § 29 Rn. 91 ff; hier den Begriff Beschlussfeststellungsklage zu verwenden (so Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 76), ist ungeschickt, weil eine solche Klage, wie sie im anderen Zusammenhang die Anerkennung des BGH gefunden hat (BGHZ 76, 191, 197 ff; BGHZ 88, 320, 329 ff = ZIP 1983, 1444, 1447 f; BGHZ 97, 28, 30 ff = ZIP 1986, 429, 430; dazu EWiR 1986 371 (Hommelhoff): Feststellung eines positiven Beschlusses im Falle eines mangelhaften und deshalb wirksam angefochtenen negativen Beschlusses), eben keine Leistungs-, sondern eine Feststellungsklage ist. 50) Gleichsinnig Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 76; Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 62; vgl. auch Gehrlein/Born/Simon-Beckmann/Hofmann, GmbHG, § 29 Rn. 23; wie hier (allerdings für Gestaltungsklage) Arnold, Der Gewinnauszahlungsanspruch des GmbH-Minderheitsgesellschafters, S. 143 ff. 51) G. Hueck in: FS Steindorff, S. 45, 54 ff; sogar umfassend für Entscheidung des Gerichts nach billigem Ermessen gemäß §§ 315 ff BGB Zöllner, ZGR 1988, 392, 417 ff; auch Rowedder/ Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 29 Rn. 68; dagegen mit Recht Bork/Oepen, ZGR 2002, 241, 256. 52) Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 76; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 41; Saenger/Inhester-Klingsch, GmbHG, § 29 Rn. 28.

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§ 29

Ergebnisverwendung

bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz.53) In einem solchen „überholenden“ Verwendungsbeschluss können die Gesellschafter – innerhalb der nachfolgend (siehe Rn. 24 ff) dargelegten Grenzen – für eine Thesaurierung entscheiden und damit die Entstehung von Zahlungsansprüchen aller Gesellschafter vermeiden.54) 3.

Inhalt des Beschlusses

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Ergebnisverwendung heißt verbindliche Festlegung dahingehend, wie der festgestellte Gewinn verwendet wird. Den Gesellschaftern (oder der sonst für die Entscheidung zuständigen Stelle) steht es grundsätzlich frei, die zur Verteilung unter die Gesellschafter zur Verfügung stehende Verwendungsmasse (siehe Rn. 7 f und 9 f) tatsächlich auszuschütten. Nach Absatz 2 können, wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, vom Jahresergebnis bzw. Bilanzgewinn Beträge in Gewinnrücklagen eingestellt oder als Gewinn vorgetragen werden. Was die Darstellung der Verwendungsentscheidung angeht, in die auch die durch Gesetz oder Gesellschaftsvertrag vorgeschriebene Verwendung einzubeziehen ist, fehlt es für die GmbH an einer Parallele zu § 174 Abs. 2 AktG. Jedoch empfiehlt sich, schon mit Blick auf die entsprechende Pflichtangabe im Anhang (§ 285 Nr. 34 HGB), die an die Stelle der Offenlegungspflichten nach § 325 Abs. 1 Sätze 3 und 4 HGB a. F. getreten ist,55) eine vergleichbare Gestaltung.56)

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Die Einstellung in Gewinnrücklagen kann, soweit diese nicht auf Gesetz oder Gesellschaftsvertrag beruhen und daher bereits in der Bilanz berücksichtigt sind, im Ergebnisverwendungsbeschluss zur (freiwilligen) Bildung zusätzlicher Reserven erfolgen; hierzu kann der Gesellschaftsvertrag Vorgaben enthalten, kann die Reservenbildung aber auch ausschließen; ist beides nicht der Fall, so kann – innerhalb der nachfolgend (Rn. 24 ff) dargelegten Grenzen – über die Rücklagenbildung frei entschieden werden. – Auch die Auflösung von Gewinnrücklagen ist, weil spiegelbildlicher Vorgang zur Einstellung, Gegenstand des Ergebnisverwendungs-, nicht etwa des Feststellungsbeschlusses.57) _____________ 53) Bork/Oepen, ZGR 2002, 241, 269; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 76, jeweils m. w. N. 54) Mit zutreffenden Hinweis auf die Möglichkeit des klagenden Gesellschafters, in diesem Fall jedenfalls Schadensersatz wegen verspäteter Beschlussfassung zu verlangen (§§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB), Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 76; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 29 Rn. 63. 55) Und zwar im Zuge des BilRUG v. 17.7.2015 (o. Fn. 4). Anzugeben ist im Anhang der Verwendungsbeschluss oder, falls dieser zur Zeit der Aufstellung des Jahresabschlusses noch nicht vorliegt, der diesbezügliche Vorschlag; im letztgenannten Fall muss der Verwendungsbeschluss unverzüglich nach seinem Vorliegen offengelegt werden (§ 325 Abs. 1b Satz 2 HGB). Diesbezügliche Erleichterungen für kleine GmbH und für KleinstGmbH finden sich in § 288 Abs. 1 Nr. 1 und § 267a Abs. 2 HGB, während sie früher § 326 Abs. 1 und § 267a Abs. 2 sowie § 326 Abs. 2 HGB zu entnehmen waren. 56) Im selben Sinne Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 22. 57) Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 29 Rn. 27; Vonnemann, GmbHR 1992, 637, 639; Crezelius in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 315, 329 f; a. A. Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 34; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 23a a. E.; Renkl, GmbHR 1989, 66, 68.

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§ 29

Ergebnisverwendung

Mit einem Gewinnvortrag wird wie bei der Gewinnrücklage eine zusätzliche Reserve gebildet, freilich mit dem Vorteil, dass vorgetragener Gewinn am Ende des nachfolgenden Geschäftsjahres wieder zur Disposition der Gesellschafter (oder der sonst zuständigen Stelle) steht (siehe Rn. 7).58) Auch diesbezüglich kann der Gesellschaftsvertrag Vorgaben enthalten oder den Ausschluss vorsehen.

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Als Ergebnisverwendung nach Absatz 2 kann auch – ggf. wiederum nach Maßgabe gesellschaftsvertraglicher Regelungen – die Verrechnung mit einem Anspruch der Gesellschaft aus der Vorbelastungshaftung beschlossen werden. Weil die Verrechnung zu einer Haftungsbefreiung der Gesellschafter führt, müssen diese wie bei der Gewinnverteilung nach Absatz 3 gleich behandelt werden, was im Falle gleichmäßiger Verrechnung regelmäßig der Fall ist.59)

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Dass alles, was nicht in der vorbezeichneten Weise verwendet wird, an die Gesellschafter auszuschütten ist,60) entspricht deren in Absatz 1 festgeschriebenen mitgliedschaftlichen Gewinnbezugsrecht. Gesetzliche und gesellschaftsvertragliche Ausschüttungsbeschränkungen sind freilich zu beachten, und Gleiches gilt für den zusätzlichen Aufwand, der aufgrund des Ergebnisverwendungsbeschlusses entsteht (siehe Rn. 9 f). Spiegelbildlich zu Letzterem kann freilich auch ein zusätzlicher Ertrag entstehen, der zur Erhöhung des für die Verwendung im Übrigen verfügbaren Betrags führt.61) Jedenfalls unterliegt die Frage, auf welche Geschäftsanteile Dividenden ausgeschüttet werden und auf welche nicht, nicht der Disposition der Gesellschaftermehrheit; die Gesellschafter entscheiden nur über den Gesamtbetrag der Ausschüttung, während sich der auf den einzelnen Geschäftsanteil entfallende Betrag aus dem Gesetz oder dem Gesellschaftsvertrag, d. h. nach dem dort festgelegten Verteilungsschlüssel (siehe Fn. 29 f) ergibt.62)

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Der einmal gefasste Gewinnverwendungsbeschluss kann nachträglich geändert werden, wobei mit Blick auf den Inhalt zu differenzieren ist: Ausschüttungsbeschlüsse lassen sich nur mit Zustimmung aller betroffenen (ausschüttungsberechtigten) Gesellschafter beseitigen, während über die Aufhebung und Änderung von Thesaurierungsbeschlüssen mit einfacher Mehrheit beschlossen werden kann.63)

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_____________ 58) Weil ein alter (d. h. aus dem Vorjahr stammender) Gewinnvortrag Teil des Ergebnisses sein kann, ist es möglich, einen Gewinn mehrere Jahre vorzutragen; so mit Recht Ulmer/ Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 63. 59) Zu alledem Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 24; Henssler/Strohn-Strohn, GesR, § 29 GmbHG Rn. 40; außerdem BGHZ 165, 391 = ZIP 2006, 668 Tz. 25. 60) Soweit es dabei nicht zu einem Mittelabfluss an die Gesellschafter kommt, entstehen ihnen gegenüber Verbindlichkeiten der Gesellschaft, die dann § 42 Abs. 3 unterfallen (Ulmer/ Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 64). – Steuerlich maßgeblich ist der Zeitpunkt des Ausschüttung, d. h. des Mittelzuflusses an den Gesellschafter (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG); hingegen ist, wenn es sich um den beherrschenden Gesellschafter einer zahlungsfähigen GmbH handelt, als Zeitpunkt des Zuflusses von Gewinnanteilen regelmäßig der Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Gewinnverwendung anzusehen (st. Rspr.; zuletzt BFH DStR 2015, 402 Tz. 14). 61) Dazu Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 17 und 27. 62) BGH, ZIP 2014, 1677 Tz. 10 (zur AG). 63) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Mock, GmbHG, § 29 Rn. 198 f m. w. N.; Raiser/Veil, KapG, § 46 Rn. 19; ausführlich Priester, ZIP 2000, 261 ff.

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§ 29 4.

Ergebnisverwendung

Ergebnisverwendung, Minderheitenschutz und Pattsituationen

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Vor dem Hintergrund, dass über die Bildung von Reserven nach Absatz 2 (seit dem BiRiLiG) die Gesellschafter entscheiden (d. h. deren Mehrheit), besteht die Gefahr, dass die Gewinnverteilung zulasten der Minderheit eingeschränkt oder ganz ausgeschlossen, letztere also „ausgehungert“ wird. Zwar ist im Zuge der Abschaffung des Vollausschüttungsgebots (siehe Rn. 1) das früher vorrangig berücksichtigte Ausschüttungsinteresse der Gesellschafter gegenüber dem Bedürfnis der Gesellschaft nach Selbstfinanzierung und Zukunftssicherung zurückgetreten. Zudem fehlt es im GmbH-Recht an einer Vorschrift in der Art des § 254 Abs. 1 AktG, nach dem der Ergebnisverwendungsbeschluss angefochten werden kann, wenn wegen nicht erforderlicher Rücklagenbildung nicht eine Mindestdividende von 4 % des Grundkapitals ausgeschüttet werden kann. Gleichwohl ist allgemein anerkannt, dass die Minderheitsgesellschafter dennoch nicht schutzlos stehen, sondern das (legitime) Ziel der Mehrheit an der Aufstockung des Eigenkapitals unter dem Gesichtspunkt der Treuepflicht nur begrenzt verfolgt werden darf.64) Welche Maßstäbe dabei anzuwenden, wo also die Grenzen der Herrschaftsmacht der Mehrheit zu ziehen sind,65) ist freilich nicht abschließend geklärt; Rechtsprechung des BGH liegt bis heute nicht vor.

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Der im Schrifttum unternommene Versuch, in Anlehnung an § 58 AktG zumindest Richtwerte für Thesaurierungsentscheidungen zu entwickeln,66) begegnet, obwohl derartige Quantifizierungen zu einer einfachen Handhabung beitragen, doch Bedenken. Denn eine solche Grenzziehung wäre Aufgabe des Gesetzgebers.67) Außerdem ließe sich dann die vor dem Hintergrund der Treuepflicht gebotene individuelle Beurteilung denkbar unterschiedlichster Fälle nicht gewährleisten.68) Dies gilt _____________ 64) Zu alledem Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 29 Rn. 31; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 29 ff; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 82 ff; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 29 Rn. 167 ff; Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 29 Rn. 21 ff; Hommelhoff, GmbHR 2010, 1328, 1329; Rowedder/SchmidtLeithoff-Pentz, GmbHG, § 29 Rn. 85 ff; Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 53 ff; Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt-Mock, GmbHG, § 29 Rn. 180 ff; Raiser/Veil, KapG, § 46 Rn. 23 ff. 65) Vor diesem Hintergrund für Dotierung der Gewinnrücklagen letztlich nur aufgrund einstimmigen Gesellschafterbeschlusses, falls es an einer gesellschaftsvertraglichen Regelung fehlt, Joost in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 289, 298 ff; dagegen mit Recht Kallmeyer, GmbHR 1992, 788, 789. 66) So namentlich Hommelhoff, ZGR 1986, 418, 427 ff; Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 29 Rn. 25: Thesaurierung von 60 % des Jahresergebnisses auch gegen den Willen der Gesellschafterminderheit so lange unproblematisch, bis die Gewinnrücklagen die Höhe des statutarischen Stammkapitals erreichen; grundsätzlich Ausschüttung der restlichen 40 %. 67) Liebs, DB 1986, 2421; Ehlke, DB 1987, 671, 678; Joost in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 289, 302; gleichsinnig Ensthaler/Füller/Schmidt-Ensthaler/Hannewald, GmbHG, § 29 Rn. 20; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, § 29 Rn. 84; unter Hinweis auf die Materialien zum BiRiLiG, die zeigen, dass der Gesetzgeber im GmbH-Recht keinen bestimmten (Mindest-)Gewinnanspruch der Gesellschafter hat festschreiben wollen, auch Rowedder/ Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 29 Rn. 86. 68) Mit Recht Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 31; Ulmer/Habersack/LöbbeW. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 84.

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Ergebnisverwendung

im Übrigen in beiderlei Richtung: Nicht nur das Interesse der Gesellschafterminderheit an Gewinnausschüttung, sondern auch das Interesse der Gesellschaft (und dann potentiell auch der Gesellschaftermehrheit) an Reservebildung könnte im Einzelfall keine ausreichende Beachtung finden. Aus denselben Gründen vermag auch der Rückgriff auf § 254 Abs. 1 AktG, wie er jedenfalls für kapitalistisch strukturierte GmbH befürwortet wird,69) nicht zu überzeugen.70) Eine Beurteilung im Einzelfall ist mithin unerlässlich, wobei die gegeneinander stehenden Interessen grundsätzlich gleichrangig sind.71) Welche Umstände dabei potentiell relevant sein können, lässt sich nicht abschließend auflisten. Sicher gehören dazu der mit der GmbH verfolgte Zweck, die allgemeine wirtschaftliche Lage und speziell diejenige der Gesellschaft, d. h. deren wirtschaftlicher Erfolg, aber auch ihre schon vorhandene Ausstattung mit Rücklagen, außerdem ihre Bonität und die Struktur ihrer Verbindlichkeiten sowie das Zinsniveau am Kreditund am Kapitalmarkt.72) Die kurz- und mittelfristige Investitions- und Finanzplanung der Gesellschaft mag eine verstärkte Rücklagenbildung erforderlich machen; sie muss aber verständiger kaufmännischer Beurteilung folgen, so dass entsprechende Erläuterungen seitens der Geschäftsführer vor der Beschlussfassung der _____________ 69) OLG Koblenz, GmbHR 2018, 1016 Tz. 29; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 31 (wegen Ausrichtung der GmbH auf Anlegerinteressen der Gesellschafter); Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 29 Rn. 33; Gehrlein/Born/Simon-Beckmann/Hofmann, GmbHG, § 29 Rn. 38; für § 254 Abs. 1 AktG jedenfalls als einen Maßstab zur Beurteilung der Treuepflicht, insbesondere durch ein Gericht, Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 86 f. 70) Ensthaler/Füller/Schmidt-Ensthaler/Hannewald, GmbHG, § 29 Rn. 20. 71) OLG Nürnberg, DB 2008, 2415, 2417; zur KG BGHZ 132, 263, 276 f = ZIP 1996, 750, 755; dazu EWiR 1996, 513 (W. Müller); für Abwägung zwischen dem Thesaurierungsinteresse der Gesellschaft und dem Ausschüttungsinteresse der einzelnen Gesellschafter im Einzelfall auch OLG Brandenburg, ZIP 2009, 1955 LS 2; Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 54; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 29 Rn. 86; Saenger/InhesterKlingsch, GmbHG, § 29 Rn. 33 ff; Ensthaler/Füller/Schmidt-Ensthaler/Hannewald, GmbHG, § 29 Rn. 21; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Mock, GmbHG, § 29 Rn. 188 ff; Römermann-Kanitz/Hamminger, Münch-Anwaltshdb. GmbH-Recht, § 16 Rn. 513; MüllerThuns, Gewinnbezugsrecht und bilanzpolitische Gestaltungsmöglichkeiten in der GmbH, S. 64 ff; Hommelhoff, GmbHR 2010, 1328; Fleischer/Trinks, NZG 2015, 289, 292; für Schutz der Minderheit nur vor einer unzulässigen Ausnutzung der Mehrheitsposition zur Verfolgung eigensüchtiger Interessen Liebs, DB 1986, 2421, 2422; hingegen für Zulässigkeit der Rücklagenbildung stets nur in engen Grenzen sowie aus besonderen Anlässen Ehlke, DB 1987, 671, 678; ähnlich Renkl, DB 1986, 1108, 1109. 72) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 32; zu den zu berücksichtigenden Kriterien im Einzelnen OLG Brandenburg, ZIP 2009, 1955, 1958; außerdem Fleischer/Trinks, NZG 2015, 289, 292; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 29 Rn. 169 ff; Gehrlein/Born/ Simon-Beckmann/Hofmann, GmbHG, § 29 Rn. 33 ff; außerdem Hommelhoff, GmbHR 2010, 1328, 1329 f, der (unter Bezugnahme auf OLG Nürnberg, DB 2008, 2415) im Ergebnsiverwendungs-Entscheid eine Ausprägung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit der Gesellschafter sieht und deshalb die rechtsstrukturellen Leitlinien der business judgement rule für einschlägig hält, nämlich die Sammlung der notwendigen Informationen, die Ausrichtung der Entscheidung auf das Gesellschaftsinteresse und die sorgfältige Abwägung aller relevanten Gesichtspunkte und ggf. widerstreitender Interessen einschließlich desjenigen der Gesellschafterminderheit. – Zu den Besonderheiten, die sich für Minderheitsgesellschafter einer Konzernobergesellschaft ergeben können, ausführlich Henssler in: FS Zöllner, S. 203, 207 ff; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 88 ff; außerdem Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 60a m. w. N.

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Gesellschafter über die Ergebnisverwendung unverzichtbar sind.73) – Jedenfalls nicht berücksichtigungsfähig sind persönliche Interessen der einzelnen Gesellschafter.74) 27

Ergibt die Abwägung eine Verletzung der Interessen der Gesellschafterminderheit, so ist der Ergebnisverwendungsbeschluss wegen Treuepflichtverletzung anfechtbar.75) Weil sich die Darlegungs- und Beweislast für die klagenden Gesellschafter nicht selten als schwierig erweisen dürfte, angesichts der unvermeidlichen freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) und allgemein vor dem Hintergrund der erheblichen Rechtsunsicherheit in diesem Bereich, sollte die Ergebnisverwendung (wie es in der Praxis bis heute viel zu selten geschieht) unbedingt im Gesellschaftsvertrag vorstrukturiert werden, etwa unter Festschreibung einer Mindestdividende.76)

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Eine statutarische Gestaltung der Ergebnisverwendung empfiehlt sich auch in paritätisch besetzten GmbH (vor allem Zweipersonen-GmbH), da in ihnen im Zusammenhang mit Gewinnausschüttungsansprüchen leicht Pattsituationen entstehen können. Entsprechende Konflikte sind, wenn eine einvernehmliche Lösung, etwa unter Einschaltung des Beirats oder des Gesellschafterausschusses oder auch im Wege der Mediation, nicht erreicht werden kann, in einer gerichtlichen Auseinandersetzung auf Basis der gesellschaftsrechtlichen Treupflichten zu klären.77) IV. Gewinnverteilung (Abs. 3) und Gewinnanspruch 1.

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Verteilungsschlüssel

Nach Absatz 3 Satz 1 wird der zur Ausschüttung bestimmte Gewinn grundsätzlich nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile bestimmt. Maßgeblich ist deren Nennbetrag (§ 3 Abs. 1 Nr. 4). Außer Betracht bleibt ein etwaiges Agio, und zwischen Bar- und Sacheinlagen wird nicht differenziert; ob letztere korrekt bewertet und ob die einzelnen Einlagen (sei es auch ein Differenzbetrag nach § 9) geleistet worden sind, ist unbeachtlich.78) Eigene Anteile der Gesellschaft bleiben bei der Gewinn_____________ 73) Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 86; speziell für den Fall des Transfers eines Gewinnvortrags in die Gewinnrücklage unter Bezugnahme auf OLG Nürnberg, DB 2008, 2415, ausführlich Hommelhoff, GmbHR 2010, 1328, 1330 f. 74) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 33; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 85. 75) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 34; Fleischer/Trinks, NZG 2015, 289, 291 m. w. N.; außerdem Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 91; Renkl, DB 1986, 1108, 1109; Renkl, GmbHR 1989, 66, 69, jeweils auch mit Hinweis darauf, dass die Ausschöpfung der Anfechtungsmöglichkeit jedenfalls Voraussetzung für ein Austrittsrecht des eine unzureichende Ausschüttung behauptenden Gesellschafters ist; zu den Folgen einer Kassation des Verwendungsbeschlusses für den zugehörigen und den nachfolgenden Jahresabschluss Hommelhoff, GmbHR 2010, 1328, 1332. 76) Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 29 Rn. 26; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 34; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 91; Raiser/ Veil, KapG, § 46 Rn. 29; vgl. auch Fleischer/Trinks, NZG 2015, 289, 290 f; Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 29 Rn. 34. 77) Ausführlich zum Gewinnausschüttungsanspruch bei Pattsituationen Heusel/M. Goette, GmbHR 2017, 385; zur selben Thematik mit Blick auf die AG Schüppen, in: FS Röhricht (2002), S. 571. 78) Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 93; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 29 Rn. 46; Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 29 Rn. 37; Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 72; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 51; Saenger/InhesterKlingsch, GmbHG, § 29 Rn. 48.

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Ergebnisverwendung

verteilung unberücksichtigt, ebenso eingezogene und kaduzierte Anteile (§§ 33, 34).79) Während des Geschäftsjahrs im Zuge einer Kapitalerhöhung neu gebildete Anteile sind grundsätzlich voll gewinnberechtigt (§ 57n Abs. 1).80) Der Gesellschaftsvertrag kann einen anderen Verteilungsschlüssel vorsehen (Abs. 3 Satz 2).81) So ist etwa die Anknüpfung an die erbrachten Leistungen ebenso möglich wie die Zuweisung von Gewinn erst von einem bestimmten Zeitpunkt an; es kann für die Gewinnbeteiligung aber auch auf die Volleinzahlung abgestellt werden oder eine Verteilung nach Köpfen erfolgen.82) Zulässig ist zudem eine ungleiche (inkongruente) Ausgestaltung der Gewinnbeteiligung:83) Einzelne Gesellschafter können bevorzugt werden (Vorzugsdividende),84) andere ganz unberücksichtigt bleiben. Soll eine solche Ungleichbehandlung nachträglich in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden, so ist die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich, die gegenüber der bisherigen Regelung benachteiligt werden (Rechtsgedanke des § 53

_____________ 79) Für eigene bzw. für eingezogene Anteile wie hier BGH, ZIP 1995, 374, 375; dazu EWiR 1995, 369 (W. Müller); BGHZ 139, 299, 302 f = ZIP 1998, 1836, 1837; Lutter/HommelhoffHommelhoff, GmbHG, § 29 Rn. 38; Wicke, GmbHG, § 29 Rn. 17; Ulmer/Habersack/ Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 93; Bartl u. a.-H. Bartl, GmbHG, § 29 Rn. 9; Ring/ Grziwotz-Lichtenwimmer, GmbHG, § 29 Rn. 34; Ensthaler/Füller/Schmidt-Ensthaler/ Hannewald, GmbHG, § 29 Rn. 28 f; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 54 (auch zu den umstrittenen Auswirkungen auf die Gewinnverteilung); G. Roth, ZGR 1999, 715, 717 ff; Gehrlein, DB 1998, 2355; die Gewinnbeteiligung kaduzierter Anteile ist umstritten: dafür Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 21 Rn. 12; dagegen Lutter/HommelhoffW. Bayer, GmbHG, § 21 Rn. 15; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 21 Rn. 62; Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 73. 80) Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 29 Rn. 37; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 29 Rn. 47. 81) Zu abweichenden Regelungen in einer Gesellschaftervereinbarung außerhalb des Gesellschaftsvertrages, bei denen mit Blick auf ihre Wirkung zu differenzieren ist, Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 77a m. w. N. 82) BGHZ 14, 264, 273; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 94; Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 52; Saenger/Inhester-Klingsch, GmbHG, § 29 Rn. 49; Ensthaler/Füller/Schmidt-Ensthaler/Hannewald, GmbHG, § 29 Rn. 27; Bartl u. a.-H. Bartl, GmbHG, § 29 Rn. 9; Gehrlein/Born/Simon-Beckmann/Hofmann, GmbHG, § 29 Rn. 42; Römermann-Kanitz/Hamminger, Münch-Anwaltshdb. GmbH-Recht, § 16 Rn. 516. – Zur Ausgestaltung der Gewinnbeteiligung in der Art von spartenbezogenen Anteilen (Tracking Stocks) Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 95; Ring/GrziwotzLichtenwimmer, GmbHG, § 29 Rn. 35. 83) Zur steuerlichen Anerkennung einer inkongruenten Gewinnverteilungsabrede bei der GmbH BMF-Schreiben v. 17.12.2013 – IV C 2 – S 2750-a/11/10001, BStBl. I 2014, 63 = DStR 2014, 36; dazu Bender/Bracksiek, DStR 2014, 121; Dunkmamn/Schönhaar, GWR 2014, 361; Birnbaum/Escher, DStR 2014, 1413; außerdem FG Köln, EFG 2016, 1875 (nicht rkr.); Erhart/Riedel, BB 2008, 2266, 2271 ff; Pörschke, DB 2017, 1165, 1166 ff. 84) Soweit sie als Zusage einer Vorzugsdividende aufrechterhalten werden können (und namentlich nicht gegen § 30 Abs. 1 verstoßen), sind auch Gewinngarantien zulässig, gesellschaftsvertragliche Bestimmungen also, die einen Gewinnbezug (vor allem eine feste Verzinsung der Stammeinlage) unabhängig vom ansonsten geltenden Verteilungsschlüssel garantieren; dazu ausführlich und m. w. N. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 151; außerdem Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 113; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 62.

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Abs. 3).85) Der Gesellschaftsvertrag kann indes auch eine Öffnungsklausel zugunsten eines die Gewinnverteilung regelnden Gesellschafterbeschlusses enthalten, vorausgesetzt, es werden ausfüllungsbedürftige und ausfüllungsfähige Kriterien angegeben; hingegen ist kein „Maßstab der Verteilung“ gegeben, wenn der Gesellschaftsvertrag die Gewinnverteilung unter den Gesellschaftern schlechthin (d. h. ohne Angabe solcher Kriterien) in deren Ermessen stellt.86) Schließlich kann, auch wenn es an einer Öffnungsklausel fehlt, jedenfalls ein einstimmig gefasster (satzungsdurchbrechender) Beschluss der Gesellschafter die Grundlage für eine inkongruente Gewinnausschüttung bilden.87) – Der Zustimmung aller Gesellschafter bedarf eine sog. gespaltene Ausschüttung, d. h. eine für die einzelnen Gesellschafter unterschiedliche Aufteilung zwischen ausgeschütteten und thesaurierten Gewinnen.88) 2. 31

Gewinnanspruch

Der konkrete Gewinnanspruch des einzelnen Gesellschafters, d. h. dessen Anspruch auf Auszahlung des jeweiligen Gewinnanteils, und zwar grundsätzlich in bar,89) entsteht mit dem Ergebnisverwendungsbeschluss (siehe Rn. 5 f) als selbständiges – d. h. vom Gewinnstammrecht losgelöstes –, klagbares, in den Grenzen des § 399 BGB (formfrei) abtretbares, pfändbares und verpfändbares Gläubigerrecht.90) Der Gewinnanspruch kann durch Dividendenscheine, auch als echte Wertpapiere, verbrieft werden.91) Den einmal entstandenen Anspruch, welcher der regelmäßigen Verjährung nach §§ 195, 199 BGB (drei Jahre) unterliegt,92) kann auch ein nachträglicher _____________ 85) Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 29 Rn. 39; ebenso Wicke, GmbHG, § 29 Rn. 17; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 53; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 29 Rn. 49; Saenger/Inhester-Klingsch, GmbHG, § 29 Rn. 50; Gehrlein/Born/ Simon-Beckmann/Hofmann, GmbHG, § 29 Rn. 42. 86) So mit Recht Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 29 Rn. 50; Wicke, GmbHG, § 29 Rn. 17; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 29 Rn. 192; lediglich eine klare und eindeutige Formulierung der Öffnungsklausel verlangend Michalski/Heidinger/Leible/ J. Schmidt-Mock, GmbHG, § 29 Rn. 217; Erhart/Riedel, BB 2008, 2266, 2268; zu Öffnungsklauseln betreffend die Gewinnverteilung im Gesellschaftsvertrag einer GmbH ausführlich Priester in: FS W. Müller, S. 113, 116 ff. 87) FG Köln, EFG 2016, 1875 (unter 2. c.); (nicht rkr.); Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtMock, GmbHG, § 29 Rn. 216; Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 29 Rn. 39; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 53; Pörschke, DB 2017, 1165 f; zu satzungsdurchbrechenden Beschlüssen bei AG und GmbH und ihrer Unbedenklichkeit gerade im hier interessierenden Fall Leuschner, ZHR 180 (2016), 422 ff, insbes. 439 ff. 88) Saenger/Inhester-Klingsch, GmbHG, § 29 Rn. 52; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 29 Rn. 48, jeweils mit dem Hinweis, dass die höhere Thesaurierung dann regelmäßig auf personenbezogenen Rücklagenkonten gutzuschreiben ist; Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 29 Rn. 39; außerdem Priester, DStR 2001, 795, 797. 89) Der Gesellschaftsvertrag kann eine Sachdividende vorsehen; ist dies nicht der Fall, so können die Gesellschafter Sachleistungen an Erfüllungs statt (§ 364 Abs. 1 BGB) annehmen (Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 55); zur Sachdividende und ihrer Bewertung Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 122 f; Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 80. 90) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 49 und 58; Saenger/Inhester-Klingsch, GmbHG, § 29 Rn. 55. 91) Dazu ausführlich Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 196 ff. 92) Bei Dividendenscheinen ist die Vier-Jahres-Frist des § 801 Abs. 2 BGB maßgeblich (Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 29 Rn. 51; Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 95; Ulmer/ Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 129; Wicke, GmbHG, § 29 Rn. 17).

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Gesellschafterbeschluss nicht mehr beeinträchtigen.93) Er steht aber immer unter der Beschränkung des § 30 Abs. 1, kann also nicht geltend gemacht und darf nicht erfüllt werden, wenn sich (etwa infolge zwischenzeitlich entstandener Verluste) zeigt, dass keine ausschüttungsfähige Vermögensmasse vorhanden ist und die Auszahlung zulasten des Stammkapitals ginge.94) Anspruchsberechtigt ist grundsätzlich derjenige, der im Zeitpunkt des Ergebnisverwendungsbeschlusses die Gesellschafterstellung innehat.95) Indes kann, wenn der Gesellschaftsvertrag nichts Gegenteiliges bestimmt, der künftige Gewinnanspruch bereits übertragen oder verpfändet werden. Ansonsten bleibt er bis zu seiner Entstehung stets mit dem Geschäftsanteil verbunden. Dessen Übertragung umfasst das volle Gewinnbezugsrecht; eine zeitanteilige Gewinnberechtigung, d. h. eine Art Stückdividende, existiert nicht.96) 3.

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Vorweggenommene Gewinnausschüttung und Entnahmerechte

Mit Blick auf die Gewinnverteilung sind besondere Gestaltungen möglich. So sind Gewinnvorschüsse, d. h. Vorabausschüttungen auf das zu erwartende Jahresergebnis, vor dem Hintergrund der GmbH-spezifischen Gestaltungsfreiheit als grundsätzlich zulässig anerkannt, da nicht nur der festgestellte Bilanzgewinn ausschüttungsfähig ist; die begrenzende Regelung des Aktienrechts (vgl. § 59 Abs. 1 AktG) ist auf die GmbH nicht übertragbar.97) Die Grenze bildet wiederum § 30 Abs. 1, und der zur Vorabausschüttung vorgesehene Gesamtbetrag muss nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz bzw. entsprechend dem für die Gesellschaft geltenden Gewinnverteilungsmaßstab verteilt werden.98) Voraussetzung ist nicht etwa eine Ermächtigung im Gesellschaftsvertrag, aber – vorbehaltlich einer abweichenden Regelung im Gesellschaftsvertrag – ein Gesellschafterbeschluss (§ 46 Nr. 1),99) der bis zur Feststellung _____________ 93) So mit Recht Saenger/Inhester-Klingsch, GmbHG, § 29 Rn. 58; Gutbrod, GmbHR 1995, 551. 94) Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 124 f; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 56; Saenger/Inhester-Klingsch, GmbHG, § 29 Rn. 58; Renkl, DB 1986, 1108, 1109 f; a. A. Wilhelm in: FS Flume, Bd. II, S. 337, 360 f; Sieker, ZGR 1995, 250, 267; Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 91 f; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 29 Rn. 37. 95) Mit Einzelheiten Saenger/Inhester/Klingsch, GmbHG, § 29 Rn. 56; zum Gewinnanspruch bei einem mit einem Nießbrauch belasteten Geschäftsanteil Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 86; Henssler/Strohn-Strohn, GesR, § 29 GmbHG Rn. 52. 96) Zu alledem näher Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 116 ff; Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 58 f; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 29 Rn. 29 ff. 97) RGZ 85, 43, 44; OLG Hamm DStR 1992, 827; BFHE 122, 43, 44 f; ausführlich G. Hueck, ZGR 1975, 133, 139 ff; aus dem Schrifttum außerdem statt vieler Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 29 Rn. 60; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 135; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 29 Rn. 95; Römermann-Hamminger, MünchAnwaltshdb. GmbH-Recht, § 16 Rn. 521, allesamt m. w. N. 98) Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 29 Rn. 45; Ekkenga in: MünchKommGmbHG, § 29 Rn. 98; Saenger/Inhester-Klingsch, GmbHG, § 29 Rn. 62 a. E. 99) Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 107; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 60; Priester in: Münch-Hdb. GesR, § 57 Rn. 63 m. w. N.; a. A. Ekkenga in: MünchKommGmbHG, § 29 Rn. 97, der eine Mitwirkung der Gesellschafter an der Vorabausschüttung als nicht erforderlich ansieht.

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des Jahresabschlusses gefasst werden kann. Eine positive Ergebnisprognose ist hingegen nicht zu verlangen,100) die Erstellung einer Zwischenbilanz mit Blick auf § 30 Abs. 1 und zur Vermeidung eines existenzvernichtenden Eingriffs allerdings regelmäßig dringend zu empfehlen,101) und die Zwischenbilanz muss mit Blick auf § 64 Satz 3 mit einer Liquiditätsprognose verbunden sein.102) – Sollte im betreffenden Geschäftsjahr wider Erwarten kein Gewinn erwirtschaftet werden, so müssen vorrangig freie Rücklagen aufgelöst werden,103) es sei denn, die Vorabausschüttungen sind auf den erwarteten Jahresüberschuss erfolgt; in diesem Fall ist eine Rücklagenauflösung möglich, ohne dass die Gesellschafter aber dazu verpflichtet wären.104) Soweit eine ausschüttungsbedingte Unterdeckung besteht, hat die Gesellschaft jedenfalls einen Rückzahlungsanspruch gegen die Gesellschafter, und zwar grundsätzlich mit Feststellung des Jahresabschlusses.105) Ob man diesen Anspruch angesichts der gemeinsamen Zweckbestimmung der Vorabausschüttung bzw. des entsprechenden Vorbehalts auf § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB stützt106) oder aufgrund einer _____________ 100) Wie hier Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 29 Rn. 98; Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 108; Priester in: Münch-Hdb. GesR, § 57 Rn. 61; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 140; für Unwirksamkeit des Beschlusses immer dann, wenn klar ist, dass das Geschäftsjahr mit einem Verlust endet, Siemers/Birnbaum in: Beck’sches Hdb. GmbH, § 10 Rn. 103. 101) Ähnlich (für bilanzähnliche Vorausberechnung) Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 29 Rn. 45; für formlose Vorausberechnung Gehrlein/Born/Simon-Beckmann/Hofmann, GmbHG, § 29 Rn. 39; Saenger/Inhester-Klingsch, GmbHG, § 29 Rn. 62; für entsprechende aussagekräftige Unterlagen Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 61; Bartl u. a.H. Bartl, GmbHG, § 29 Rn. 10; Ring/Grziwotz-Lichtenwimmer, GmbHG, § 29 Rn. 40. 102) So mit Recht Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 29 Rn. 45; für Liquiditätsprognose außerdem Gehrlein/Born/Simon-Beckmann/Hofmann, GmbHG, § 29 Rn. 39; Saenger/Inhester-Klingsch, GmbHG, § 29 Rn. 62; jedenfalls auch auf § 64 Satz 3 hinweisend Wicke, GmbHG, § 29 Rn. 18. – Zu alledem neben den in dieser und den vorigen Fußnoten Genannten Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Mock, GmbHG, § 29 Rn. 224 ff; Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 29 Rn. 70; ausführlich Witt in: FS Hommelhoff, S. 1363, 1365 ff. 103) Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 29 Rn. 46; Binnewies, GmbH-StB 2002, 266, 268. 104) Zutreffend Priester in: Münch-Hdb. GesR, § 57 Rn. 64; im selben Sinne Ulmer/Habersack/ Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 147. 105) Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 29 Rn. 98 und 248; Ulmer/Habersack/LöbbeW. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 146, jeweils unter Hinweis auf eine ausnahmsweise frühere Anspruchsentstehung. 106) BGH, ZIP 2003, 2068, 2070; dazu EWiR 2004, 383 (F. Wagner); RGZ 85, 43, 45; BFHE 122, 43, 45; BFH, BStBl. II 1994, 561, 563; aus dem Schrifttum für § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB (condictio ob causam finitam) angesichts der angenommenen auflösenden Bedingung Priester in: Münch-Hdb. GesR, § 57 Rn. 65; Saenger/Inhester-Klingsch, GmbHG, § 29 Rn. 63; Raiser/ Veil, KapG, § 46 Rn. 33; für § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB (condictio ob rem) RGZ 85, 43, 45; Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 29 Rn. 46; Siemers/Birnbaum in: Beck’sches Hdb. GmbH, § 10 Rn. 104; ohne präzise Zuordnung Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 61; Wicke, GmbHG, § 29 Rn. 18; für Rückzahlungspflicht bloß „wegen ungerechtfertigter Bereicherung“ Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 29 Rn. 98 (Hervorhebung durch Verf.); ebenso Ensthaler/Füller/Schmidt-Ensthaler/Hannewald, GmbHG, § 29 Rn. 23; Römermann-Hamminger, Münch-Anwaltshdb. GmbH-Recht, § 16 Rn. 500; Ring/ Grziwotz-Lichtenwimmer, GmbHG, § 29 Rn. 40; offen Henssler/Strohn-Strohn, GesR, § 29 GmbHG Rn. 58; Heybrock-Haag, GmbHG, § 29 Rn. 26.

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entsprechenden stillschweigenden Abrede als vertraglichen Rückzahlungsanspruch ansieht,107) kann dahinstehen. Denn § 32 GmbHG steht dem Rückzahlungsverlangen der Gesellschaft ebenso wenig entgegen wie § 818 Abs. 3 oder § 815 BGB.108) Der Gesellschaftsvertrag kann auch das Recht der Gesellschafter vorsehen, Vorabausschüttungen verlangen zu können, d. h. einen Anspruch auf diesbezügliche Beschlussfassung.109) Ebenso ist es möglich, erfolgsunabhängige Ausschüttungen an die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag zu vereinbaren; dass das GmbH-Recht anders als §§ 122, 161 Abs. 2 HGB kein solches Entnahmerecht vorsieht, steht dem nicht entgegen.110) Indes darf das in § 30 Abs. 1 geschützte Stammkapital im Auszahlungszeitpunkt nicht verletzt, § 29 Abs. 1 also nicht so abbedungen werden, dass der Gewinnauszahlungsanspruch zu einem allgemeinen Vermögenszugriffsanspruch erweitert wird.111) Daneben bedürfen Entnahmerechte einzelner Gesellschafter, wenn sie nachträglich in den Gesellschaftsvertrag eingefügt werden sollen, analog § 53 Abs. 3 der Zustimmung aller anderen Gesellschafter.112) Für eine einmalige Entnahme genügt ein einfacher Beschluss der Gesellschafter.113) Dabei ist zum einen der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten: Soweit nicht alle Gesellschafter gleich behandelt werden, ist jedenfalls die Zustimmung der benachteiligten Gesellschafter erforderlich.114) Zum andern darf nicht gegen § 30 Abs. 1 verstoßen werden. Ob vor diesem Hintergrund überhaupt Raum für Entnahmen ist, kann am besten mit Hilfe einer Zwischenbilanz festgestellt werden. Eine solche ist daher auch hier dringend zu empfehlen (auch zur Vermeidung eines existenzvernichten_____________ 107) BGH, ZIP 2009, 1111 Tz. 21; dazu EWiR 2009, 539 (Schult/Wahl); Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 109; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 29 Rn. 73; Gehrlein/Born/SimonBeckmann/Hofmann, GmbHG, § 29 Rn. 39; ebenso für den Fall, dass sich die Gesellschafter über die auflösende Bedingung im Klaren waren, Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 145. 108) Allg. M.; vgl. nur Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 145; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 29 Rn. 248; Priester in: Münch-Hdb. GesR, § 57 Rn. 66; Siemers/Birnbaum in: Beck’sches Hdb. GmbH, § 10 Rn. 104, jeweils m. w. N.; ausführlich Witt, in: FS Hommelhoff, S. 1363, 1368 f. 109) Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 29 Rn. 47. 110) Allg. M.; statt vieler Binnewies, GmbH-StB 2002, 266, 267; außerdem Priester in: Münch-Hdb. GesR, § 57 Rn. 67; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 155; Gelhausen/ Heinz, in: FS Hoffmann-Becking, S. 357, 358 ff, jeweils m. w. N.; ebenso Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 29 Rn. 92 mit dem Hinweis, dass der Vorgang insoweit gewinnabhängig bleibt, als freiwerdende Mittel aus (aufgelösten) Rücklagen – wie sie im Entnahmefall ausgeschüttet werden – stets den Bilanzgewinn erhöhen. 111) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Mock, GmbHG, § 29 Rn. 233 ff; Lutter/HommelhoffHommelhoff, GmbHG, § 29 Rn. 47; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 64; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 155; Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 112; Priester in: Münch-Hdb. GesR, § 57 Rn. 67; außerdem Ekkenga in: MünchKommGmbHG, § 29 Rn. 92, der auch auf die Verstoßfolge hinweist: Nichtigkeit einer solchen Klausel wegen Gläubigergefährdung analog § 241 Nr. 3 AktG; im selben Sinne Wicke, GmbHG, § 29 Rn. 19. 112) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 64; Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 112; Ensthaler/Füller/Schmidt-Ensthaler/Hannewald, GmbHG, § 29 Rn. 24. 113) BGH, ZIP 1983, 1448; Gehrlein/Born/Simon-Beckmann/Hofmann, GmbHG, § 29 Rn. 40. 114) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 64.

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den Eingriffs), und den Geschäftsführern im Hinblick auf § 64 Satz 3 zudem eine Liquiditätsprognose. V. Rücklagenbildung bei Wertaufholungen (Abs. 4) 35

Für einen Sonderfall sieht Absatz 4 einen besonderen Akt der Gewinnverwendung, namentlich der Zuführung zu den anderen Gewinnrücklagen (§ 272 Abs. 3 Satz 2 HGB) vor. Die dispositive115) Vorschrift ist auch auf Altgesellschaften anwendbar und gerade bei diesen wegen des fortgeltenden Vollausschüttungsgebots (siehe Rn. 4) von besonderer Bedeutung.116) Der Sache nach geht es um Wertaufholungen bei Vermögensgegenständen des Anlage- und des Umlaufvermögens. Diesbezüglich wird es Gesellschaften mbH im Ergebnis ermöglicht, bewertungsrechtlich zwingend aufzulösende stille Reserven durch Rücklagenbildung im Unternehmen zu thesaurieren, und dies außerhalb der normalen (gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglichen) Gewinnverwendungsregelungen und -kompetenzen.117) In Verlustjahren ist eine Rücklagenbildung nach Absatz 4 nicht möglich; ob sie in späteren Jahren nachgeholt werden kann, ist umstritten.118)

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Bis zum Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) vom 25.5.2009119) nahm Absatz 4 auf das speziell für Kapitalgesellschaften geltende Wertaufholungsgebot nach § 280 Abs. 1 HGB a. F. Bezug. Diese Vorschrift hat man indes abgeschafft, so dass nunmehr für alle bilanzierungspflichtigen Kaufleute der (seinerseits geänderte) § 253 Abs. 5 Satz 1 HGB gilt. Danach darf in bestimmten Fällen ein infolge von Abschreibungen entstandener niedriger Wertansatz bei Vermögensgegenständen des Anlage- bzw. des Umlaufvermögens nicht beibehalten werden. Im Falle einer solchen Pflicht der Gesellschaft zur Wertaufholung können (nur) in Höhe des entsprechenden Eigenkapitalanteils, nicht also für den Anteil zusätzlicher Steuerbelastung,120) andere Gewinnrücklagen gebildet werden.

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Die Möglichkeit, auch Passivposten, die im Rahmen der steuerrechtlichen Gewinnermittlung gebildet werden, mit ihrem Eigenkapitalanteil in die anderen Gewinnrücklagen einzustellen, besteht unter Geltung des BilRUG121) nicht mehr. Dies ist konsequent vor dem Hintergrund, dass die Einschränkung, die diesbezüglich bestand, dass nämlich nur solche Passivposten erfasst wurden, die nicht in Sonderposten mit _____________ 115) Allg. M.; vgl. nur Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 18; Ulmer/Habersack/ Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 174 a. E.; Saenger/Inhester-Klingsch, GmbHG, § 29 Rn. 46 a. E. 116) Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 29 Rn. 35; Ulmer/Habersack/LöbbeW. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 174. 117) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 29 Rn. 42, unter Hinweis auf die Materialien zum Bilanzrichtlinien-Gesetz (BT-Drucks. 10/4268, S. 124). 118) Gegen Nachholung, aber für Rücklagenbildung auch in Verlustjahren Henssler/StrohnStrohn, GesR, § 29 GmbHG Rn. 31; Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 102; Ulmer/Habersack/ Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 178; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 29 Rn. 92 f, jeweils m. w. N., auch zur Gegenansicht. 119) BGBl. I 2009, 1102. 120) Für diesen Anteil war nach altem Recht eine Rückstellung zu bilden (§ 274 Abs. 1 HGB a. F.), während nunmehr passive latente Steuern anzusetzen sind (§ 274 Abs. 1 HGB). 121) Vom 17.7.2015 (o. Fn. 4); zur Geltung des im Zuge des BilRUG neu gefassten Absatzes 4 o. Fn. 4.

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Rücklageanteil ausgewiesen werden dürfen, seit Inkrafttreten des BilMoG leerlief. Im Zuge der Aufgabe der sog. umgekehrten Maßgeblichkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 2 EStG a. F.), nach der steuerrechtliche Wahlrechte bei der Gewinnermittlung in Übereinstimmung mit der handelsrechtlichen Jahresbilanz auszuüben waren,122) sind nämlich die einschlägigen Vorschriften im HGB, die sog. Öffnungsklauseln (§ 247 Abs. 3, § 270 Abs. 1 Satz 2, § 273 HGB a. F.), aufgehoben worden. So muss z. B. die sog. Reinvestitionsrücklage nach § 6b Abs. 3 EStG in der Handelsbilanz nicht mehr nachvollzogen werden. Der Anwendungsbereich dessen, was Absatz 4 als zweiten Fall erfasste, hatte sich also erheblich vergrößert: Wann immer ein steuerlicher Passivposten gebildet wird, durfte dieser – wiederum nur mit seinem Eigenkapitalanteil – in andere Rücklagen eingestellt werden.123) Zusätzlich mussten dann, weil das handelsbilanzielle Ergebnis höher ist als das steuerliche, passive latente Steuern gebildet werden.124) Über die Zuführung zu den Gewinnrücklagen nach Absatz 4 entscheiden – trotz des entgegenstehenden Wortlauts der Vorschrift – nicht etwa die Geschäftsführer mit Zustimmung des Aufsichtsrats oder der Gesellschafter; vielmehr bleibt es, weil eine solche atypische Kompetenzregelung in diesem weniger wichtigen Bereich nicht gewollt ist, bei der Zuständigkeit der Gesellschafter.125) Im Einzelnen gilt: Wenn der Gesellschaftsvertrag nicht anderes vorsieht, so entscheiden die Gesellschafter, und zwar mit einfacher Mehrheit, im Beschluss zur Feststellung des Jahresabschlusses (§ 46 Nr. 1), sonst die für die Feststellung zuständige andere Stelle. Die Geschäftsführer haben indes eine Art Initiativrecht insofern, als sie bereits bei der Bilanzaufstellung die Gewinnrücklagen bilden können; darin liegt eine teilweise Gewinnverwendung i. S. d. § 268 Abs. 1 HGB. Sie sind freilich auch hier an Weisungen der Gesellschafter gebunden. Verfügt die Gesellschaft über einen Aufsichtsrat, so bezieht sich dessen Kompetenz zur Prüfung des Jahresabschlusses und zum Bericht an die Gesellschafter auch auf die Rücklagenbildung nach Absatz 4.126)

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Der Betrag der nach Absatz 4 gebildeten Rücklagen musste vor Geltung des BilRUG entweder in der Bilanz als Teil der Gewinnrücklage – dann mit gesondertem „davon“-

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_____________ 122) Zum Abschied von der umgekehrten Maßgeblichkeit vgl. nur Förster/Schmidtmann, BB 2009, 1342; Grützner, StuB 2009, 481; Werth, DStZ 2009, 508; Künkele/Zwirner, DStR 2009, 1277, 1278 f; Herzig/Briesemeister, DB 2009, 926, 929 f; zum geänderten § 5 Abs. 1 EStG außerdem BMF-Schreiben v. 12.3.2010 – IV C 6 – S 2133/09/10001, DB 2010, 642. 123) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, 5. Aufl. 2013, § 29 Rn. 93; ebenso nun Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 29 Rn. 242; hingegen seit Geltung des BillMoG keinen Anwendungsbereich der Vorschrift mehr sehend Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 18. – Zur Situation vor dem BilMoG Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 176. 124) Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 179; Rowedder/Schmidt-LeithoffPentz, GmbHG, 5. Aufl. 2013, § 29 Rn. 93. 125) Grundlegend Hommelhoff, ZGR 1986, 418, 434 ff; zustimmend Wicke, GmbHG, § 29 Rn. 23; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 180; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 20; Gehrlein/Born/Simon-Beckmann/Hofmann, GmbHG, § 29 Rn. 13; Saenger/Inhester-Klingsch, GmbHG, § 29 Rn. 47; Liebs, DB 1986, 2421, 2423. 126) Zu alledem Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 20 f; Ulmer/Habersack/LöbbeW. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 180.

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Vermerk – ausgewiesen oder im Anhang angegeben werden. Nunmehr ist er in der Bilanz gesondert auszuweisen und kann auch im Anhang angegeben werden (Abs. 4 Satz 2). Diese Änderung nimmt Rücksicht auf Art. 16 Abs. 3 der (im Zuge des BilRUG umgesetzten) sog. neuen Bilanzrichtlinie 2013/34/EU,127) nach dem von kleinen Unternehmen keine Angaben im Anhang verlangt werden können, die über die in diesem Artikel verlangten oder gestatteten Angaben hinausgehen (Maximalharmonisierung der Anhangangaben bei kleinen GmbH).128) VI. Verdeckte Vermögenszuwendungen an Gesellschafter 40

Wird einem Gesellschafter oder einer ihm nahestehenden Person in Vertragsform oder auf andere Weise aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses (causa societatis)129) zulasten des Gesellschaftsvermögens ein Vorteil verschafft, so liegt eine verdeckte Vermögenszuwendung vor. Die häufig anzutreffende Bezeichnung „verdeckte Gewinnausschüttung“ ist deshalb ungeschickt, weil sie suggeriert, es gehe um Leistungen, die nur als offene Gewinnausschüttungen möglich wären.130) Zudem versteht man unter der verdeckten Gewinnausschüttung im Steuerrecht ein Rechtsinstitut mit anderer Funktion: Es handelt sich um ein Mittel der Gewinnkorrektur bei der Körperschaft (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG), das die volle Besteuerung des Gewinns sicherstellen soll. Was das Gesellschaftsrecht angeht, geht es aber um die Frage, wie Vermögenszuwendungen an die Gesellschafter außerhalb der in § 29 geregelten ordentlichen Ergebnisverwendung zu behandeln sind.131)

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Eine verdeckte Vermögenszuwendung, wie sie namentlich im Falle einseitiger Leistungen oder überhöhter Gegenleistungen der Gesellschaft an einen Gesellschafter gegeben sein kann,132) ist weder mit Blick auf § 29 noch aus irgendeinem anderen Grund schlechthin verboten, solange kein Verstoß gegen § 30 Abs. 1 vorliegt.133) Sie kann sich aber, insbesondere wenn auf Seiten der Gesellschaft allein die Geschäftsführer tätig werden, als Verletzung der Kompetenzordnung der GmbH (§ 46 Nr. 1, § 29 Abs. 1 und 2, § 42a Abs. 2), außerdem als Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz erweisen, soweit nicht alle Gesellschafter gleichermaßen profitieren oder

_____________ 127) Vom 26.6.2013, ABl.EU Nr. L 182 v. 29.6.2013, S. 19. 128) Vgl. Begr. des RegE zum BilRUG v. 7.1.2015, BR-Drucks. 23/15, S. 111. 129) Zu diesem Merkmal, das der Abgrenzung zu Drittgeschäften oder normalen Umsatzgeschäften dient, an denen (auch) ein Gesellschafter beteiligt ist, Ulmer/Habersack/LöbbeW. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 167; außerdem Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 70; Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 116. 130) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 29 Rn. 160; Ulmer/Habersack/LöbbeW. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 162; vgl. auch Ring/Grziwotz-Lichtenwimmer, GmbHG, § 29 Rn. 42; Porzelt, GmbHR 2017, 960. 131) Vgl. Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 115. 132) Andere Fälle bei Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 69; Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 115; Saenger/Inhester-Klingsch, GmbHG, § 29 Rn. 67 f; Bartl u. a.-H. Bartl, GmbHG, § 29 Rn. 12; Henssler/Strohn-Strohn, GesR, § 29 GmbHG Rn. 62 f. 133) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 29 Rn. 53; Henssler/Strohn-Strohn, GesR, § 29 GmbHG Rn. 64; Siemers/Birnbaum in: Beck’sches Hdb. GmbH, § 10 Rn. 185.

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der Ungleichbehandlung zustimmen.134) Dass sich die Unzulässigkeit aus einem dieser beiden Gründe ergibt, ist bei Einpersonen-GmbH indes nicht denkbar.135) Als Rechtsfolge einer unzulässigen verdeckten Vermögenszuwendung ist die Unwirksamkeit des betreffenden Rechtsgeschäfts mit der Konsequenz der Pflicht zur Rückerstattung ins Gesellschaftsvermögen allgemein anerkannt.136) Dabei wird teilweise auf eine analoge Anwendung des § 31 rekurriert,137) teilweise wird die Erstattungspflicht unmittelbar aus der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und der Treuepflicht abgeleitet.138) Zutreffend ist aber wohl eine Rückabwicklung nach dem Recht der ungerechtfertigten Bereicherung, wobei grundsätzlich das ganze Geschäft erfasst wird.139) – Im Falle einer verdeckten Vermögenszuwendung an gesellschafternahe Dritte, wie sie insbesondere in Konzern- und in Verwandtschaftsverhältnissen denkbar ist,140) kommt als Rückgewährschuldner grundsätzlich nur der Gesellschafter selbst, der Dritte hingegen lediglich in Ausnahmefällen in Betracht.141) _____________ 134) Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 163; Saenger/Inhester-Klingsch, GmbHG, § 29 Rn. 72; Ring/Grziwotz-Lichtenwimmer, GmbHG, § 29 Rn. 45; Crezelius in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 315, 332 f; ausführlich Porzelt, GmbHR 2017, 960, 962 f; außerdem Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 71 ff, der auch auf die ergänzende Bedeutung hinweist, die in diesem Zusammenhang die Treuepflicht der Gesellschafter haben kann; ebenso Gehrlein/Born/Simon-Beckmann/Hofmann, GmbHG, § 29 Rn. 57 m. w. N. 135) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 29 Rn. 62a m. w. N.; Ring/GrziwotzLichtenwimmer, GmbHG, § 29 Rn. 46. 136) Falls ein Kompetenzverstoß vorliegt, ist freilich auch eine Genehmigung durch entsprechenden Gesellschafterbeschluss möglich, mit dem der Zuständigkeitsmangel geheilt wird (Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 75 a. E). – Ein Anspruch der nicht begünstigten Gesellschafter auf Ersatz ihres Schadens besteht weder gegen die Mitgesellschafter noch gegen den Geschäftsführer noch gegen die Gesellschaft selbst (Lutter/ Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 29 Rn. 56; vgl. auch BGH ZIP 1987, 29, 32 f [zur AG]); mit Blick auf den Vorteilsempfänger a. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 171. 137) Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 29 Rn. 54; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG § 29 Rn. 67; M. Winter, ZHR 148 (1984), 579, 588 ff; Schneider, BB 1986, 201, 204; wohl auch Porzelt, GmbHR 2017, 960, 963. 138) Tries, Verdeckte Gewinnausschüttungen im GmbH-Recht, S. 223 ff; Rowedder/SchmidtLeithoff-Pentz, GmbHG, § 29 Rn. 168 ff; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 169; offenlassend und auf den Einzelfall abstellend Bartl u. a.-H. Bartl, GmbHG, § 29 Rn. 13. 139) So mit Recht OLG Brandenburg, GmbHR 1997, 750 = NJW 1997, 1325; OLG Frankfurt/M., GmbHR 2005, 550 m. Anm. Fritsche; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 76; Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 125; Saenger/Inhester-Klingsch, GmbHG, § 29 Rn. 75; Gehrlein/Born/Simon-Beckmann/Hofmann, GmbHG, § 29 Rn. 58; Schulze-Osterloh in: FS Stimpel, S. 487, 494 ff; wohl auch Henssler/Strohn-Strohn, GesR, § 29 GmbHG Rn. 68; Ring/Grziwotz-Lichtenwimmer, GmbHG, § 29 Rn. 47; Siemers/Birnbaum in: Beck’sches Hdb. GmbH, § 10 Rn. 199. 140) Dazu Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 117; Ulmer/Habersack/Löbbe-W. Müller, GmbHG, § 29 Rn. 165; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 29 Rn. 63; Henssler/StrohnStrohn, GesR, § 29 GmbHG Rn. 62. 141) Näher dazu Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 29 Rn. 63 f; Lutter/ Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 29 Rn. 55.

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Kapitalerhaltung

§ 30 Kapitalerhaltung Jan Thiessen

(1) 1Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft darf an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden. 2Satz 1 gilt nicht bei Leistungen, die bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291 des Aktiengesetzes) erfolgen oder durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt sind. 3 Satz 1 ist zudem nicht anzuwenden auf die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens und Leistungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen. (2) 1Eingezahlte Nachschüsse können, soweit sie nicht zur Deckung eines Verlustes am Stammkapital erforderlich sind, an die Gesellschafter zurückgezahlt werden. 2Die Zurückzahlung darf nicht vor Ablauf von drei Monaten erfolgen, nachdem der Rückzahlungsbeschluß nach § 12 bekanntgemacht ist. 3Im Fall des § 28 Abs. 2 ist die Zurückzahlung von Nachschüssen vor der Volleinzahlung des Stammkapitals unzulässig. 4Zurückgezahlte Nachschüsse gelten als nicht eingezogen. Literatur: Altmeppen, Aufsteigende Sicherheiten im Konzern, ZIP 2017, 1977; Altmeppen, Wie lange noch gilt das alte Kapitalersatzrecht? Untragbare Verwirrung um das Übergangsrecht, ZIP 2011, 641; Altmeppen, Cash Pooling und Kapitalerhaltung im faktischen Konzern, NZG 2010, 401; Altmeppen, „Upstream-loans“, Cash Pooling und Kapitalerhaltung nach neuem Recht, ZIP 2009, 49; Altmeppen, Die zentralen Änderungen des GmbH-Rechts nach dem Referentenentwurf des MoMiG, in: VGR – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2006, Bd. 12, 2007, S. 93; Beck, Regelungsgehalt und Behandlung von Abschluss sowie (unterjähriger) Beendigung von Unternehmensverträgen im GmbHKonzern, GmbHR 2014, 1075; Bork, Grundtendenzen des Insolvenzanfechtungsrechts, ZIP 2008, 1041; Cahn, Kredite an Gesellschafter – zugleich Anmerkung zur MPSEntscheidung des BGH, Der Konzern 2009, 67; Decker, Der Cashpool als Gesellschaft bürgerlichen Rechts, ZGR 2013, 392; Drygala, Stammkapital heute – Zum veränderten Verständnis vom System des festen Kapitals und seinen Konsequenzen, ZGR 2006, 587; Engert, Die ökonomische Begründung der Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensfinanzierung, ZGR 2004, 813; Erne, Akquisitionsfinanzierung: Haftungsfalle „Financial Assistance“, GWR 2012, 503; J. W. Flume, Kapitalerhaltung und Konzernfinanzierung – Eine Annäherung im deutsch-österreichischen Rechtsvergleich, GmbHR 2011, 1258; Gehrlein, Anfechtungsrecht in der Insolvenz – Praxiserfahrung und Reformbedarf, NZI 2014, 481; Geißler, Die Anspruchsverfolgung der Gesellschaftsgläubiger bei Existenzvernichtung der GmbH, DZWIR 2013, 395; Goette, Die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zum Gesellschaftsrecht in: VGR – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, Bd. 13, 2008, S. 1; Goette, Die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zum Gesellschaftsrecht in: VGR – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2006, Bd. 12, 2007, S. 1; Goette, Krisenvermeidung und Krisenbewältigung in der GmbH – Überblick, ZGR 2006, 261; Habersack, Aufsteigende Kredite im Lichte des MoMiG und des „Dezember“Urteils des BGH – Zugleich Besprechung der Entscheidung BGH, ZIP 2009, 70 (MPS), ZGR 2009, 347; Hirte, Neuregelungen mit Bezug zum gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutz und im Insolvenzrecht durch das MoMiG, ZInsO 2008, 689; Hirte/Knof/Mock, Ein Abschied auf Raten? – Zum zeitlichen Anwendungsbereich des alten und neuen Rechts der Gesellschafterdarlehen, NZG 2009, 48; Joost, Kapitalbegriff und Reichweite der Bindung des aufgebrachten Vermögens in der GmbH, GmbHR 1983, 285; Kuntz, Sicherheiten für Gesellschafterverbindlichkeiten und die Kapitalerhaltung in GmbH und AG – Zugleich eine Besprechung von BGH ZIP 2017, 971 und Teilbesprechung von

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BGH ZIP 2017, 472, ZGR 2017, 917; Mylich, Harmonisierung der Anfechtungsfristen und -voraussetzungen nach Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen, ZIP 2013, 1650; Nodoushani, Verbotene Einlagenrückgewähr und bilanzielle Betrachtungsweise. Zugleich Besprechung BGH v. 31.5.2011 – II ZR 141/09, ZIP 2011, 1306 – Telekom, ZIP 2012, 97; Peetz, Gewinnthesaurierung wider Gewinnabsaugung – ein Praxisproblem der Unternehmergesellschaft, GmbHR 2012, 1160; Röck/Hucke, Die Weitergeltung des Eigenkapitalersatzrechts nach Inkrafttreten des MoMiG, GmbHR 2013, 791; Schäfer, Nachschusspflichten bei Personengesellschaften, in: VGR – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, Bd. 13, 2008, S. 137; K. Schmidt, Gesetzgebung und Rechtsfortbildung im Recht der GmbH und der Personengesellschaften – Zur Aufgabenteilung zwischen Gesetzgebung, Justiz und Wissenschaft, JZ 2009, 10; K. Schmidt, GmbH-Reform auf Kosten der Geschäftsführer? Zum (Un-)Gleichgewicht zwischen Gesellschafterrisiko und Geschäftsführerrisiko im Entwurf eines MoMiG und in der BGH-Rechtsprechung, GmbHR 2008, 449; K. Schmidt, Mittelaufbringung und Mittelverwendung bei der GmbH & Co KG – Funktionelles oder formelles Denken im Recht der Unternehmensfinanzierung?, ZIP 2008, 481; Schön, Die Zukunft der Kapitalaufbringung/-erhaltung, Der Konzern 2004, 162; Spliedt, MoMiG in der Insolvenz – ein Sanierungsversuch, ZIP 2009, 149; Stöber, Die Haftung für existenzvernichtende Eingriffe, ZIP 2013, 2295; Thiessen, Johann Buddenbrook und die Reform des GmbH-Rechts (Teil I), DStR 2007, 202; Thole, Konzernfinanzierung zwischen Gesellschafts- und Insolvenzrecht, ZInsO 2011, 1425; Ulmer, Der „Federstrich des Gesetzgebers“ und die Anforderungen der Rechtsdogmatik, ZIP 2008, 45; Verse, Aufsteigende Sicherheiten und Kapitalerhaltung, GmbHR 2018, 113. Übersicht I. 1.

Zweck der Norm .................................. 1 Erhaltung des Stammkapitals (Abs. 1) .................................................. 1 2. Grenzen der Rückzahlung von Nachschüssen (Abs. 2) ......................... 5 II. Auszahlungsverbot (Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Alt. 2) ......................................... 6 1. Geschütztes Vermögen ......................... 6 a) Stammkapital .................................. 6 b) Dauer der Bindung – Kapitalherabsetzung – Liquidation – Insolvenz ........................................ 7 c) GmbH – Vergleich mit UG/AG .......................................... 9 d) Kein vollkommener Gläubigerschutz ............................................ 11 2. Bilanzielle Ermittlung ......................... 13 a) Freies Vermögen – Unterbilanz .................................. 14 b) Maßgeblicher Berechnungszeitpunkt – Zwischenbilanz ........ 15 c) Stammkapital als Rechengröße ... 17 d) Ausstehende und (nicht) eingeforderte Einlagen ......................... 19 e) Buchwertfortschreibung .............. 22 f) Rechnungslegungsstandards ....... 26 3. Abgrenzung Unterbilanz – Überschuldung – Zahlungsunfähigkeit ............................................... 27 a) Überschuldung ............................. 28 b) Zahlungsunfähigkeit .................... 31 4. Auszahlung .......................................... 34

5.

6.

a) Funktionales Verständnis ............ 34 b) Vermögensminderung ................. 36 c) Zeitpunkt der Auszahlung .......... 40 d) GmbH & Co. KG ........................ 46 e) Veranlasser der Auszahlung ........ 48 Gebot vollwertiger Deckung (Abs. 1 Satz 2 Alt. 2) ........................... 49 a) Keine Auszahlung durch Aktiventausch .............................. 50 b) Korrektur der Rechtsprechung ..................................... 51 c) Kein Cash-Pool-Privileg – Kapitalschutz ohne Liquiditätsschutz? ........................ 53 d) Vertraglicher, nicht gesetzlicher Gegenanspruch .................. 56 e) Keine klaren Vollwertigkeitskriterien im Gesetz .............. 57 f) Durchsetzbarkeit – Vergleich mit § 19 Abs. 5 Satz 1 – Sicherheiten .................................. 60 g) Marktkonformität ........................ 64 h) Vollwertigkeitsprognose nach BilMoG ................................ 69 i) „Teilweise Vollwertigkeit“? ......... 77 j) Besicherung von externen Gesellschafterverbindlichkeiten ............................................ 80 k) Geschäftsführerhaftung ............... 88 l) Abgrenzung zu § 43a ................... 90 Einbezogene Gesellschafter und Dritte .................................................... 93

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a) Formaler Gesellschafterstatus ..... 94 b) Umgehungsschutz ....................... 95 c) GmbH & Co. KG ........................ 99 III. Ausnahme für Vertragskonzerne (Abs. 1 Satz 2 Alt. 1) ........................ 103 1. Zweck der Privilegierung .................. 103 2. Umfang der Privilegierung ............... 105 3. Verlustübernahme und sonstige Sanktionen ......................................... 110 4. Grenzen der Privilegierung .............. 114 IV. Ausnahme für Gesellschafterdarlehen (Abs. 1 Satz 3) ........................ 118 1. Neuerung durch MoMiG – Hintergrund ...................................... 119 a) Kapitalerhaltungsrechtliche Neutralität von Darlehen an die Gesellschaft ................................ 120 b) Informations- und Quotenvorteil der Gesellschafter in der Insolvenz .................................... 121 c) Ablehnung des Nachschusskonzepts ..................................... 123 d) Rechtsprechungs- und Novellenregeln ..................................... 125 e) Rechtspolitische Kritik .............. 126 f) Reaktion des Reformgesetzgebers ................................... 129 2. Privilegierung im GmbH-Recht ....... 130 3. Erweiterte Regelung im Insolvenzund Anfechtungsrecht ...................... 132 4. Lücken der insolvenzrechtlichen Lösung ............................................... 134

1

I.

Zweck der Norm

1.

Erhaltung des Stammkapitals (Abs. 1)

a) Außerhalb der Insolvenz ........... 136 b) Keine Ausfallhaftung der Gesellschafter ............................. 139 c) Kurze Anfechtungsfrist ............. 141 5. Lückenschließung durch andere Tatbestände? ...................................... 144 a) Finanzplankredit ........................ 145 b) Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung (§ 133 InsO, § 3 AnfG) ............. 149 c) Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung (§ 826 BGB) – Existenzvernichtung .................. 156 V. Nachschüsse (Abs. 2) ....................... 162 1. Zweck ................................................. 162 2. Auszahlungsverbot – geschütztes Vermögen (Abs. 2 Satz 1) ................. 165 3. Rückzahlungsfrist – Bekanntmachung des Rückzahlungsbeschlusses (Abs. 2 Satz 2) ............... 168 4. Rückzahlungsverbot vor Volleinzahlung des Stammkapitals (Abs. 2 Satz 3) ................................................ 171 5. Nichteinziehungsfiktion bei Rückzahlung (Abs. 2 Satz 4) ............ 174 VI. Rechtsfolgen (§ 31) .......................... 176 VII. Abgrenzung zu anderen Tatbeständen ........................................... 177 VIII. Beweislast ........................................ 182 IX. Übergangsrecht ................................ 186

§ 30 Abs. 1 formuliert ein „Grundgesetz“ des GmbH-Rechts: Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Gesellschaftsvermögen ist für Gesellschafter unantastbar.1) Ähnlich wie bei der AG (§ 57 AktG) ist strikte Kapitalerhaltung der Preis für die beschränkte Haftung.2) Wollen die Gesellschafter nicht mit ihrem Privatvermögen haften, dürfen sie der Gesellschaft nicht entziehen, was sie selbst als Sondervermögen der Gesellschaft anerkannt haben.3) Die Gesellschafter übernehmen bei Gründung (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 und 4), Kapitalerhöhung (§§ 55 ff) oder nachträglichem Beitritt (§ 16 Abs. 2) eine kollektive Haftungszusage, von der sie sich nicht einseitig lossagen können.4) Das Auszahlungsverbot des Absatzes 1 ist _____________ 1) 2) 3)

4)

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Vgl. Brodmann, GmbHG, § 30 Anm. 1: „Der § 30 ist einer der Grundpfeiler der Haftungsbeschränkung im System des Gesetzes.“ Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1891, S. 40. So die traditionelle Begründung des Stammkapitals und seiner Erhaltung, hierzu und zu neueren Ansichten Drygala, ZGR 2006, 587, 589; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 34 ff. Schön, Der Konzern 2004, 162, 166 ff, zust. Goette, ZGR 2006, 261, 277 f; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 15; Gehrlein/Born/Simon-Kuntz, GmbHG, § 30 Rn. 1.

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daher zwingend.5) Ohne Kapitalherabsetzung (§ 58 Abs. 2 Satz 1) oder Liquidation (§§ 72 f; § 199 Satz 2 InsO) haben die Gesellschafter bis zur Höhe der Stammkapitalziffer keinen Zugriff auf Gesellschaftsvermögen (siehe Rn. 6 ff). Die GmbH-Reform 2008 hat diesen Grundsatz je nach Sichtweise entweder nachhaltig erschüttert6) oder aber auf seinen Kerngehalt zurückgeführt.7) Die beiden unscheinbar angefügten Sätze des Absatzes 1 relativieren den Kapitalerhaltungsgrundsatz im Interesse flexibler Gesellschaftsfinanzierung, das bereits den Erlass des GmbH-Gesetzes motiviert hatte.8) Die Rechtsprechung hatte freilich § 30 Abs. 1 (heute: Satz 1) als Auftrag zur strengen Auslegung oder Rechtsfortbildung verstanden oder war so verstanden worden;9) mit der Begründung, dass erfindungsreiche Gesellschafter und Geschäftsführer die Norm als Anleitung zur Gesetzesumgehung missverstanden hätten.10)

2

Der Reformgesetzgeber hat verbreitete Kritik an der als wirtschaftsfremd und ausufernd empfundenen11) Rechtsprechung aufgegriffen, um mehrere Fallgruppen von der direkten oder analogen Anwendung des Absatzes 1 auszunehmen12) und so die Handlungsfreiheit der Gesellschafter zu erweitern.13) Rechtstechnische Privilegien gelten für die Gesellschaftsfinanzierung im Vertragskonzern (Abs. 1 Satz 2 Alt. 1, siehe Rn. 103 ff) und durch Gesellschafterdarlehen (Abs. 1 Satz 3, siehe Rn. 118 ff). Das Deckungsgebot (Abs. 1 Satz 2 Alt. 2, siehe Rn. 49 ff) ist zwar wesentlich durch eine Form der Binnenfinanzierung im Konzern (Cash Pool) veranlasst, gilt aber allgemein und enthält kein Cash-Pool-Privileg.

3

Die Reform fügt sich hier „auf vermeintlich systemimmanente Art und Weise“14) in das bereits an anderer Stelle befolgte Konzept, bisher verbotene Verhaltensweisen in gewissen Grenzen für erlaubt zu erklären.15) Dies gilt für verdeckte Sacheinlagen (§ 19 Abs. 4)16) ebenso wie für das Hin- und Herzahlen von Geldein-

4

_____________ 5) BGHZ 148, 167, 169 = ZIP 2001, 1458, 1459 = GmbHR 2001, 771, dazu EWiR 2001, 917 (Keil); Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 9. 6) Goette/Habersack-Goette, MoMiG, Rn. 9.2: „Erosion“. 7) Seibert, MoMiG, S. 11 f: „System … durch Zurückschneiden … erhalten“. 8) Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1891, S. 29 f, 38 ff; hierzu Duss/Linder-Thiessen, Rechtstransfer in der Geschichte, S. 446, 449. 9) Prägend etwa (inzwischen überholt) BGHZ 90, 370, 378 f = ZIP 1984, 698, 700 = GmbHR 1984, 313; BGHZ 157, 72 = ZIP 2004, 263 = NJW 2004, 1111, dazu EWiR 2004, 911 (Schöne/Stolze) und Wessels, ZIP 2004, 793. 10) Goette in: R. Schröder, GmbH im europäischen Vergleich, S. 149, 153 f = DStR 2005, 197, 198 f; ähnlich Spliedt, ZIP 2009, 149, 161. 11) Etwa Claussen, GmbHR 1996, 316, 317; Reiner/Brakemeier, BB 2005, 1458: „Höchstrichterliche Rechtsfortbildung im Gesellschaftsrecht ist nicht immer ein Gewinn.“ 12) Seibert, MoMiG, S. 30 ff, 39 ff; zur Abgrenzung der Tatbestände des § 30 Abs. 1 Sätze 2 und 3 Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 5 f. 13) Saenger/Inhester-Diers, GmbHG, § 30 Rn. 3 f. 14) Habersack, ZGR 2009, 347, 350. 15) Vgl. Thiessen in: R. Schröder, Reform des GmbH-Rechts, S. 87, 107. 16) Zum umstrittenen ergänzenden Schutz durch §§ 30, 31 bei nicht vollwertiger verdeckter Sacheinlage BGHZ 185, 44, 61 ff = ZIP 2010, 978, 983 f = NJW 2010, 1948, dazu EWiR 2010, 421 (Wenzel); Kleindiek, ZGR 2011, 334, 347 ff; Koch, ZHR 175 (2011) 55, 68 ff; Müller, NZG 2011, 761, 763 f; Praxisbeispiele bei Pentz, GWR 2010, 285.

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lagen (§ 19 Abs. 5).17) Die Kapitalerhaltung bleibt somit – wenn auch nicht uneingeschränkt (siehe Rn. 62) – ein Spiegelbild der Kapitalaufbringung.18) Gemeinsamer Nenner dieser Änderungen ist die „Rückkehr zum bilanziellen Denken“.19) Verkürzt ausgedrückt: Was sich „rechnet“, ist erlaubt. Wer sich „verrechnet“, haftet. Gegenüber dem bisherigen Recht erhöht dies die Verantwortung des Geschäftsführers für die stichtagsbezogene Bewertung (siehe Rn. 15) und Prognose (siehe Rn. 69 ff) und damit dessen Haftungsrisiken.20) 2. 5

Grenzen der Rückzahlung von Nachschüssen (Abs. 2)

Während stammkapitalrelevantes Gesellschaftsvermögen nach Absatz 1 grundsätzlich nicht ausgeschüttet werden darf, kehrt Absatz 2 dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis für das Nachschusskapital (§§ 26 ff) in gewissen Grenzen um. Eingezahlte Nachschüsse können an die Gesellschafter zurückgezahlt werden, allerdings nur, soweit sie nicht als Kapitalrücklage (§ 42 Abs. 2 Satz 3)21) erforderlich sind, um einen Stammkapitalverlust auszugleichen. Das gesetzgeberische Konzept einer flexiblen Gesellschaftsfinanzierung durch Nachschüsse wird in der Praxis aber traditionell nicht angenommen (siehe Rn. 162 ff), da flexiblere, vom MoMiG weiter flexibilisierte Formen der Gesellschaftsfinanzierung innerhalb und außerhalb von Konzernverbindungen zur Verfügung stehen (siehe Rn. 103 ff und 118 ff). Entsprechend gering ist die praktische Bedeutung des Absatzes 2. Die Bekanntmachungsvorschrift in Satz 2 wurde 2005 wegen der vorherigen Einführung des elektronischen Bundesanzeigers geändert. II. Auszahlungsverbot (Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Alt. 2) 1.

Geschütztes Vermögen

a) Stammkapital 6

Absatz 1 schützt das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft. „Das Stammkapital bedeutet … das im Gesellschaftsvertrage festgesetzte Sollvermögen, welchem das Aktivvermögen der Gesellschaft als Deckung gegenübersteht.“22) Geschützt wird also nicht etwa „das“ Stammkapital als solches in seinem ursprünglichen oder gegenwärtigen Bestand. Aus welchen speziellen Vermögensgegenständen sich das zur Kapitalerhaltung erforderliche Vermögen zusammensetzt, ist unerheblich. Geschützt werden in einem dinglichen Sinn weder eingebrachte Sacheinlagen noch gar einzelne Geldscheine. Obwohl dies für eine zumeist unternehmenstragende,23) am wirtschaftlichen Güteraustausch teilnehmende _____________ 17) Hierzu eingehend Goette/Habersack-Winter, MoMiG, Rn. 2.1 ff; Schall, ZGR 2009, 126. 18) So bereits BGHZ 28, 77, 78 = GmbHR 1958, 149 = DB 1958, 835; ähnlich OLG Köln, ZIP 2011, 863, 865 = GmbHR 2011, 648 = NZI 2011, 376, dazu EWiR 2011, 667 (Schodder) – „Kehrseite der Kapitalerhaltung“. 19) Seibert, MoMiG, S. V, 21 ff, 25, 27 (Kapitalaufbringung), 28 ff (Kapitalerhaltung); krit. zur Missverständlichkeit dieser Formel Scholz-Verse, GmbHG, § 30 Rn. 78. 20) K. Schmidt, GmbHR 2008, 449; Goette/Habersack-Goette, MoMiG, Rn. 9.3. 21) Dazu Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 8, 47 f, 68, 100. 22) Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1891, S. 80; vgl. aber auch S. 30, 39 f. 23) Auch wenn eine GmbH „jedem gesetzlich zulässigen Zweck“ dienen kann (§ 1).

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Gesellschaft eigentlich selbstverständlich ist, hat sich die bilanzielle, nicht gegenständliche Betrachtungsweise (siehe Rn. 13 ff) – möglicherweise aus unterschwelliger Sorge vor unvermeidlichen Bewertungsunsicherheiten – erst nach und nach durchgesetzt.24) Sie ist heute jedoch im Grundsatz unumstritten und wurde durch die GmbH-Reform 2008 noch einmal bekräftigt (siehe Rn. 50), desgleichen durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG).25) b) Dauer der Bindung – Kapitalherabsetzung – Liquidation – Insolvenz Die Bindung dauert an, soweit und solange die Stammkapitalziffer nicht registerwirksam (§ 54 Abs. 3) herabgesetzt (§ 58 Abs. 2 Satz 1) ist26) bzw. bis die Gesellschaft liquidiert wird (§§ 72 f).27) Freilich wird namentlich bei der Liquidation nach einer Insolvenz (§ 199 Satz 2 InsO) kaum verteilbares Vermögen vorhanden sein, falls nicht ohnehin zuvor mangels Masse bereits die Verfahrenseröffnung abgewiesen (§ 26 InsO) oder das Verfahren eingestellt (§ 207 InsO) worden ist.

7

Die Verteilung gemäß § 199 Satz 2 InsO dient der Vermeidung einer gesellschaftsrechtlichen Liquidation, folgt aber denselben Grundsätzen (§ 72).28) Aus § 199 Satz 2 InsO folgt im Umkehrschluss, dass während des Insolvenzverfahrens im Verhältnis zu den Gesellschaftern eine totale Ausschüttungssperre besteht.29)

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c) GmbH – Vergleich mit UG/AG Das Schutzniveau der Kapitalerhaltung ist in der GmbH geringer als in der AG.30) Anders als nach der verwandten Norm des § 57 Abs. 3 AktG darf an GmbH-Gesellschafter nicht allein der Bilanzgewinn ausgeschüttet werden, der sich bei der AG noch durch die gesetzliche Rücklage reduziert (§§ 150, 300 AktG). Eine solche ist im GmbH-Recht nur für die UG vorgeschrieben, bis diese durch Kapitalerhöhung das reguläre Mindeststammkapital von 25.000 ¼ erreicht oder überschreitet (§ 5a Abs. 3 und 5).31) Für das Auszahlungsverbot des Absatzes 1 Satz 1 hat diese gesetzliche Rücklage jedoch keine Auswirkung.32) _____________ 24) Vgl. BGH, ZIP 1990, 451, 453 = GmbHR 1990, 249 = DB 1990, 926, dazu EWiR 1990, 481 (Joost), gegenüber BGHZ 60, 324, 331 = NJW 1973, 1036, 1038 = GmbHR 1973, 163; grundlegend Joost, GmbHR 1983, 285, 286 ff. 25) BGBl. I 2009, 1102, in Kraft getreten zum 29.5.2009; hierzu RegE Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 32, 34. 26) Vgl. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 58 Rn. 4 ff; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 59 ff. 27) Zur Verteilung Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 73 Rn. 2 ff. 28) Füchsl/Weishäupl/Kebekus/Schwarzer in: MünchKomm-InsO, § 199 Rn. 2; zu den praktischen Besonderheiten für Insolvenzverwalter Braun-Pehl, InsO, § 199 Rn. 9 f. 29) Gottwald-Haas, InsR-Hdb., § 91 Rn. 36; OLG Köln, Beschl. v. 3.12.2015 – 19 Sch 11/14, juris, Rn. 34; insoweit offengelassen in BGH, ZIP 2017, 1181, 1183 = ZInsO 2017, 1272 = NZI 2017, 774. 30) Eingehend Bayer in: MünchKomm-AktG, § 57 Rn. 2. 31) Näher Goette/Habersack-Wachter, MoMiG, Rn. 1.97 ff. 32) Noack, DB 2007, 1395, 1396; a. A. Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 63 m. w. N.; Gehrlein/Born/Simon-Kuntz, GmbHG, § 30 Rn. 15 – jeweils differenzierend nach Rücklagen gemäß § 5a Abs. 3 einerseits und § 272 Abs. 4 und 5 HGB andererseits; Scholz-Verse, GmbHG, § 30 Rn. 11 – ohne die vorgenannte Differenzierung; Neideck, GmbHR 2010, 624; Peetz, GmbHR 2012, 1160, 1161 f – §§ 30, 31 analog; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 30 Rn. 8a – unmittelbare Anwendung.

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GmbH-Gesellschafter sind bei Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen nicht auf einen Gewinnverwendungsbeschluss (§§ 29, 46 Nr. 1) angewiesen. Der Geschäftsführer muss lediglich feststellen, ob im Entnahmezeitpunkt genügend freies Vermögen vorhanden ist, das zur Deckung der Stammkapitalziffer nicht erforderlich ist (siehe Rn. 14 f). Tastet der UG-Geschäftsführer die zweckgebundene (§ 5a Abs. 3 Satz 2) Rücklage an, haftet er aus § 43 Abs. 2.33) Dass die Auszahlung nicht zur Zahlungsunfähigkeit führen geschweige denn nach Eintritt von Zahlungsfähigkeit und Überschuldung erfolgen darf, ergibt sich nicht aus Absatz 1, jedoch für den Geschäftsführer haftungsbewehrt aus § 64 (siehe Rn. 16 und § 64 Rn. 4 ff, 46 ff [Bork]). d) Kein vollkommener Gläubigerschutz

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Zwar war Gläubigerschutz das primäre Ziel, welches der Gesetzgeber von 1891 mit dem Auszahlungsverbot verfolgte.34) Jedoch hindert Absatz 1 weder die Gesellschafter noch die von ihnen zumeist abhängigen (§ 37 Abs. 1 a. E.) Geschäftsführer, das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen zu verwirtschaften.35) Die Einlagen der Gesellschafter sind nicht zu thesaurieren, sondern können in den Wirtschafts- und Zahlungskreislauf der Gesellschaft einbezogen werden.36)

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Gegen existenzielle Verluste im regulären Geschäftsbetrieb sind die Gläubiger nur mittelbar geschützt: zum einen dadurch, dass die Geschäftsführer unverzüglich die Gesellschafter versammeln müssen, wenn die Hälfte des Stammkapitals verloren ist (§ 49 Abs. 3) bzw. wenn bei der UG die Zahlungsunfähigkeit droht (§ 5a Abs. 4); zum anderen dadurch, dass die Geschäftsführer bereits bei unausweichlich drohender Zahlungsunfähigkeit keine Zahlungen mehr aus dem Gesellschaftsvermögen tätigen dürfen (§ 64 Satz 3; siehe § 64 Rn. 16 und § 64 Rn. 46 ff [Bork]) und innerhalb von drei Wochen nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenzantrag stellen müssen (§ 15a Abs. 1 InsO). 2.

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Bilanzielle Ermittlung

Der Betrag des geschützten Vermögens wird ermittelt durch eine bilanzielle Gegenüberstellung der Aktiva und Passiva (siehe Rn. 17 ff). Maßgeblich ist die Handelsbilanz der Einzelgesellschaft nach §§ 242 ff HGB, die den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen muss (§§ 243 Abs. 1, 264 Abs. 2 HGB). Auf der Passivseite der Bilanz erscheint das registrierte (§ 10 Abs. 1) Stammkapital unter dem „Eigenkapital“ als „gezeichnetes Kapital“ (§ 42 Abs. 1), d. h. als reiner Nennbetrag (§ 266 Abs. 3 Buchst. a Ziff. I., § 272 Abs. 1 Satz 1 und 2 HGB). Um das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen zu ermitteln, wird den „echten“ Passiva, d. h. den Verbindlichkeiten und den Rückstellungen für ungewisse Verbind-

_____________ 33) Heckschen, Das MoMiG in der notariellen Praxis, Rn. 201. 34) Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1891, S. 39 f mit Abgrenzung zur AG. 35) Hierzu nachdrücklich Drygala, ZGR 2006, 587, 593 f. 36) Sinngemäß BGHZ 119, 177, 187 f = ZIP 1992, 1387, 1390 = GmbHR 1993, 225 zur Unbeachtlichkeit der „Vorbelastung“ einer AG bei Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen.

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lichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften,37) entweder die im Gesellschaftsvertrag festgelegte Stammkapitalziffer hinzugerechnet oder aber die Differenz aus Aktiva und „echten“ Passiva gebildet. a) Freies Vermögen – Unterbilanz Freies Vermögen ist demnach nur vorhanden, soweit die Aktiva die Passiva samt statutarischem Stammkapital übersteigen bzw. soweit die Differenz von Aktiva und „echten“ Passiva mindestens so hoch ist wie die Stammkapitalziffer.38) Diese Differenz muss sich auf der Passivseite als Rücklage, Gewinnvortrag oder Jahresüberschuss niederschlagen.39) Ist dies nicht der Fall oder würden die Aktiva bzw. die AktivaPassiva-Differenz durch die gewünschte Auszahlung unter die genannte Schwelle sinken, ist die Auszahlung entweder bei völliger Aufzehrung des Stammkapitals ganz, zumindest aber im Umfang der be- oder entstehenden Unterbilanz unzulässig.40)

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b) Maßgeblicher Berechnungszeitpunkt – Zwischenbilanz Da es bei Absatz 1 darum geht, ob im Zeitpunkt der Auszahlung (siehe Rn. 40 ff) freies Vermögen vorhanden ist,41) genügt nicht der letzte Jahresabschluss. Vielmehr muss42) der Geschäftsführer nach den gleichen Grundsätzen wie beim Jahresabschluss43) als Momentaufnahme eine auf den Auszahlungszeitpunkt44) bezogene Zwischenbilanz – wenn auch nicht „im Kopf“45) – aufstellen, auch um sich im Streitfall entlasten zu können.46) _____________ 37) BGH, ZIP 2003, 2068, 2070 = GmbHR 2003, 1420 = NJW 2003, 3629, dazu EWiR 2004, 383 (Wagner); Schubert in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 247 Rn. 201; zur Abgrenzung Ballwieser in: MünchKomm-HGB, § 246 Rn. 69 – 72; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 109 ff. 38) Zur Berechnung Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 30 Rn. 33 ff; ScholzH. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, § 30 Rn. 19 ff; Scholz-Verse, GmbHG, § 30 Rn. 58 ff; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 30 Rn. 8. 39) Näher Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 64, 82, 90. 40) St. Rspr., etwa BGH, ZIP 1990, 451, 453 = GmbHR 1990, 249 = DB 1990, 926, dazu EWiR 1990, 481 (Joost); BGHZ 185, 44, 62 f = ZIP 2010, 978, 984 = NJW 2010, 1948, dazu EWiR 2010, 421 (Wenzel). Zum unterschiedlich verwendeten Begriff „Unterdeckung“ BGHZ 136, 125, 127 f = ZIP 1997, 1450, 1451 = NJW 1997, 2599, dazu EWiR 1997, 1089 (H. P. Westermann); Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 30 Rn. 9, 77, 79. 41) BGH, ZIP 2003, 2068, 2070 = GmbHR 2003, 1420 = NJW 2003, 3629, dazu EWiR 2004, 383 (Wagner). 42) BGH, ZIP 1987, 1113 m. Anm. H. P. Westermann = GmbHR 1987, 390 = NJW 1988, 139, dazu EWiR 1987, 1099 (Müller); BGHZ 106, 7 = ZIP 1989, 95 = NJW 1989, 982, dazu EWiR 1989, 587 (Koch); BGHZ 109, 334, 337 f = ZIP 1990, 307 = NJW 1990, 1109, dazu EWiR 1990, 169 (Crezelius); Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, § 30 Rn. 19, 59; Scholz-Verse, GmbHG, § 30 Rn. 61; Lutter/HommelhoffHommelhoff, GmbHG § 30 Rn. 17; Goette, DStR 1997, 1495, 1496; diff. Rowedder/ Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 30 Rn. 9; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtHeidinger, GmbHG, § 30 Rn. 50. 43) BGH, ZIP 2008, 2217, 2219 = GmbHR 2008, 1319 = NJW 2009, 68, dazu EWiR 2009, 23 (Kort); OLG Koblenz, ZIP 2011, 1913, 1914 f = GmbHR 2011, 1153 = WM 2011, 1819. 44) BGH, ZIP 2003, 2068, 2070 = GmbHR 2003, 1420 = NJW 2003, 3629, dazu EWiR 2004, 383 (Wagner). 45) So abl. für das Cash-Pooling Seibert, MoMiG, S. 29 unter Hinweis auf Mülbert, WM 2006, 1977, 1983. 46) Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 84.

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Dies gilt für den Geschäftsführer umso mehr wegen des neuen § 64 Satz 3. Auch wenn diese Norm keinen regelmäßigen, formalisierten und institutionalisierten Solvenztest vorschreibt,47) relativiert sich bereits durch die Zwischenbilanz der Unterschied zwischen der bilanziellen Ausschüttungssperre des Absatzes 1 und einer situativen Ausschüttungssperre, die ein – vom MoMiG verworfener48) – Solvenztest bieten würde.49) Auch bei Absatz 1 geht es um eine situative Beurteilung der Finanzlage, allerdings aufgrund der vergangenen Geschäftsentwicklung und nicht in Gestalt einer Solvenzprognose.50) c) Stammkapital als Rechengröße

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Die Stammkapitalziffer, eine reine Rechengröße, wirkt als „bilanztechnischer Sparstrumpf“,51) als das „korporative Sparschwein“,52) als Risikopuffer53) und Betriebsvermögensreserve54) i. H. d. geleisteten bzw. geschuldeten Einlagen (siehe Rn. 18), nicht in deren dinglicher Gestalt (siehe Rn. 6).

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Der als gezeichnetes Kapital einzusetzende Betrag ist unabhängig davon, ob und inwieweit das Stammkapital durch Leistung der Einlagen (§ 19) bereits aufgebracht55) oder von den Gesellschaftern (§ 46 Abs. 2) zumindest eingefordert worden ist,56) auch wenn ausstehende Einlagen nach eingeforderten und nicht eingeforderten Beträgen differenziert zu kennzeichnen sind (§ 272 Abs. 1 Satz 3 HGB).57) Ist das Stammkapital schon ganz oder teilweise verwirtschaftet (siehe Rn. 11), reduziert dies den für Zahlungen nach Absatz 1 maßgeblichen Rechenbetrag des gezeichneten Kapitals gleichfalls nicht. d) Ausstehende und (nicht) eingeforderte Einlagen

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Auf der Aktivseite schlagen der Stand der geleisteten Einlagen und deren „Verbrauch“ selbstverständlich zu Buche, im äußersten Fall als „nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag“ (§ 268 Abs. 3 HGB).58) _____________ 47) 48) 49) 50) 51) 52) 53) 54) 55)

Goette/Habersack-Vetter, MoMiG, Rn. 4.10. Seibert, MoMiG, S. 17. Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 267. Zur rechtsökonomischen Abgrenzung Schmolke, Kapitalerhaltung, S. 10. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 10 IV. 1., S. 557. Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 23 Rn. 18, S. 255. Hierzu Lutter, Kapital, S. 35 ff. Stimpel in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 335, 349. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 30 Rn. 14; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, § 30 Rn. 18; Scholz-Verse, GmbHG, § 30 Rn. 55; Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 30 Rn. 16; Ulmer/Habersack/Winter-Habersack, GmbHG, § 30 Rn. 25. 56) Zur „‚ganzheitlichen’ Sperrfunktion des Stammkapitals“ Ekkenga in: MünchKommGmbHG, § 30 Rn. 3, 59. 57) Das Wahlrecht des § 272 Abs. 1 Satz 2 HGB a. F. ist durch das BilMoG zugunsten des Nettoausweises abgeschafft worden, § 272 Abs. 1 Satz 3 HGB n. F., hierzu RegE Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 65; Ekkenga in: MünchKommGmbHG, § 30 Rn. 99. Zur Unterscheidung zwischen Brutto- und Nettoausweis Reiner in: MünchKomm-HGB, § 272 Rn. 7. 58) Das aufgehobene Wahlrecht des § 272 Abs. 1 Satz 2 HGB a. F. führte i. R. d. § 268 Abs. 3 HGB zu Verzerrungen, hierzu Reiner/Haußer in: MünchKomm-HGB, 2. Aufl. 2008, § 268 Rn. 27 mit Fn. 113.

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Ausstehende Einlagen dürfen (und müssen) nur aktiviert werden, soweit sie bereits eingefordert wurden (§ 272 Abs. 1 Satz 3 HGB). Dabei ist jedoch zu prüfen, inwieweit die eingeforderten ausstehenden Einlagen werthaltig sind. Maßgeblich ist hier die Zahlungsfähigkeit des Gesellschafters bzw. der Rechtsvorgänger und Mitgesellschafter (§§ 22, 24), wobei das Kaduzierungsrecht zum Ausschluss säumiger Gesellschafter (§ 21) zu berücksichtigen ist.59)

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Nicht eingeforderte ausstehende Einlagen bilden einen Korrekturposten zum Eigenkapital, die sich als reine Rechengröße weder abwerten noch abzinsen lassen, jedoch bei hoher Ausfallwahrscheinlichkeit im Anhang durch zusätzliche Angaben zu erläutern (§ 264 Abs. 2 Satz 2 HGB) und jedenfalls im Umfang einer etwaigen Kaduzierung herabzusetzen sind.60)

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e) Buchwertfortschreibung Den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen entsprechend ist auch das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen nach stetig fortzuschreibenden (§§ 252 Abs. 1 Nr. 1, 6 HGB)61) und ggf. abzuschreibenden (§ 253 Abs. 3 und 4 HGB; siehe Rn. 69 ff) Buchwerten zu ermitteln.62)

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Dabei ist zu beachten, dass nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens grundsätzlich aktiviert werden können (§ 248 Abs. 2 HGB, vgl. auch § 255 Abs. 2a HGB mit Art. 66 Abs. 7 EGHGB).63) Jedoch dürfen Erträge aus der Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens nur ausgeschüttet werden, wenn die nach der Ausschüttung verbleibenden frei verfügbaren Rücklagen abzüglich eines Verlustvortrags oder zuzüglich eines Gewinnvortrags dem aus der Aktivierung resultierenden Ertrag mindestens entsprechen (§ 268 Abs. 8 HGB).64) Der Gläubigerschutz des § 30 Abs. 1 wird hierdurch also nicht gemindert.

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_____________ 59) Winkeljohann/Hoffmann in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 272 Rn. 36. 60) Reiner in: MünchKomm-HGB, § 272 Rn. 11 f. Die Gegenansicht, etwa Kropff in: MünchKomm-AktG, 2. Aufl. 2004, § 272 Rn. 21 f, beruht auf dem vom BilMoG abgeschafften Bruttoausweis. Die Gesetzesänderung für unbeachtlich halten etwa ScholzVerse, GmbHG, § 30 Rn. 63; Gehrlein/Born/Simon-Kuntz, GmbHG, § 30 Rn. 20. 61) Die Beibehaltung der Bewertungsmethoden gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB ist nach dem BilMoG nun ausdrücklich zwingend, RegE Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 52; zur gleichlautenden Auslegung der bisherigen „Soll“- als „Muss“-Vorschrift Ballwieser in: MünchKomm-HGB, 2. Aufl. 2008, § 252 Rn. 101. 62) BGH, ZIP 1987, 1113 m. Anm. H. P. Westermann = GmbHR 1987, 390 = NJW 1988, 139, dazu EWiR 1987, 1099 (Müller); BGHZ 106, 7, 12 = ZIP 1989, 95 = NJW 1989, 982, dazu EWiR 1989, 587 (Koch); BGHZ 109, 334, 337 f = ZIP 1990, 307 = NJW 1990, 1109, dazu EWiR 1990, 169 (Crezelius); BGH, ZIP 2008, 2217 = GmbHR 2008, 1319 = NJW 2009, 68, dazu EWiR 2009, 23 (Kort). Näher Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 85 ff, 89 ff. 63) RegE Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 49 f, 60 f; näher Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 96, 201. 64) RegE Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 64, vgl. auch S. 35; dazu Hennrichs, NZG 2009, 921, 923; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 43, 96; Gehrlein/Born/Simon-Kuntz, GmbHG, § 30 Rn. 12.

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Unrealisierte Gewinne sind weiterhin nicht zu berücksichtigen (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Auf diese Weise wird im Interesse der Gläubiger vermieden, dass aufgrund unsicher zu bewertender stiller Reserven Beträge an Gesellschafter ausgeschüttet werden, die tatsächlich zur Erhaltung des gezeichneten Kapitals erforderlich sind.65) Ein entgeltlich erworbener Geschäfts- oder Firmenwert gilt als zeitlich begrenzt nutzbarer Vermögensgegenstand und ist dementsprechend zu aktivieren (§§ 246 Abs. 1 Satz 4, 285 Nr. 13 HGB). In dieser Fiktion liegt jedoch nur eine gesetzestechnische Aufwertung, die am Aktivierungsverbot für selbst geschaffene Geschäfts- oder Firmenwerte66) nichts ändert.67)

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Marktwerte anstelle von Buchwerten können i. R. d. Deckungsgebots relevant werden (siehe Rn. 64 ff). f)

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3. 27

Rechnungslegungsstandards

Bilanziert die Gesellschaft freiwillig nach internationalen Rechnungslegungsstandards (IAS/IFRS, hierzu siehe § 42a Rn. 24 f [Witt]), ist für die Ausschüttungsschwelle des Absatzes 1 gleichwohl eine Bilanz nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (§ 243 Abs. 1 HGB) zu erstellen. Ein befreiender Abschluss nach internationalen Rechnungslegungsstandards ist auch nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) je nach Kapitalmarktorientierung nur für Konzernmutterunternehmen vorgeschrieben bzw. zugelassen (§ 315a HGB), für die Offenlegung jedoch allen Kapitalgesellschaften gestattet (§ 325 Abs. 2a, 2b und 3a HGB). Ein plastischer Unterschied besteht stark verkürzt darin, dass anders als die IFRS die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zwar auch nach dem BilMoG noch vereinzelt stille Reserven zulassen, aber stille Lasten zumindest in der Theorie weitgehend ausgeschlossen sind.68) Vor diesem Hintergrund begrüßenswert hat der Rechtsausschuss unter dem Eindruck der Finanzkrise manche der vom BilMoGEntwurf vorgesehenen Deregulierungen zugunsten des traditionellen Vorsichtsprinzips (siehe Rn. 71, 73 f) verworfen.69) Abgrenzung Unterbilanz – Überschuldung – Zahlungsunfähigkeit

Absatz 1 verbietet Auszahlungen, welche eine Unterbilanz herbeiführen oder verstärken (siehe Rn. 14). Davon zu unterscheiden70) sind gemäß §§ 17 – 19 InsO die Insolvenzgründe der Überschuldung und der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit (siehe § 64 Rn. 6 ff [Bork]).

_____________ BGHZ 109, 334, 339 = ZIP 1990, 307 = NJW 1990, 1109, dazu EWiR 1990, 169 (Crezelius). Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 95. RegE Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 35, 47 f. Vgl. Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sigloch/Keller/Meffert, GmbHG, Anh. §§ 41 – 42a Rn. 828; Saenger/Inhester-Kolmann, GmbHG, Vor § 64 Rn. 48, 55. 69) Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht RA z. RegE Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG, BT-Drucks. 16/12407, S. 79 ff; zu Auswirkungen einer etwaigen weiteren Annäherung des deutschen Bilanzrechts an die IFRS vor dem BilMoG Hennrichs, ZGR 2008, 361; Pellens/Kemper/Schmidt, ZGR 2008, 380, 418 ff; Scholz-Verse, GmbHG, § 30 Rn. 15. 70) Vgl. OLG Koblenz, ZIP 2011, 1913, 1914 f = GmbHR 2011, 1153 = WM 2011, 1819. 65) 66) 67) 68)

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a) Überschuldung Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO ist die Gesellschaft überschuldet, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt (siehe § 64 Rn. 11 ff [Bork]). Bei der Bewertung des Vermögens ist für den Überschuldungsstatus nicht von den Buchwerten der Handelsbilanz auszugehen, sondern auf Marktwerte abzustellen und dabei zwischen Fortführung und Liquidation zu differenzieren, wobei die Finanzkrise zu einer Akzentverschiebung geführt hat (siehe Anhang zu § 30 Rn. 60 [Thiessen] und § 64 Rn. 11 – 13 f [Bork]).

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Anders als die Unterbilanz i. S. d. Absatzes 1 nimmt der insolvenzrechtliche Überschuldungsbegriff nur einen Teil der Passivseite in den Blick, nämlich die fälligen oder in einem bestimmten Prognosezeitraum71) fällig werdenden Verbindlichkeiten und die für diesen Zeitraum gebildeten oder zu bildenden72) Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften.73) Dies hängt mit dem Ziel des Insolvenzverfahrens zusammen, die konkurrierenden Gläubiger gemeinschaftlich aus dem endgültig zu verteilenden Vermögen des Schuldners zu befriedigen, soweit nicht in einem Insolvenzplan die Sanierung des Unternehmens versucht wird.74) So gelten nicht fällige Verbindlichkeiten als fällig (§ 41 Abs. 1 InsO, vgl. aber §§ 95 Abs. 1, 109 Abs. 1 InsO).75) Auflösend bedingte Forderungen werden als unbedingt berücksichtigt (§ 42 InsO).76) Auch nicht fällige oder auflösend bedingte Forderungen können somit zur Tabelle angemeldet werden können (§§ 174 f InsO) und, soweit sie festgestellt werden (§§ 178 ff InsO), an der Verteilung der verfügbaren Masse teilnehmen (§§ 187 ff InsO). Selbst aufschiebend bedingte Forderungen sind bei der Verteilung zu berücksichtigen, je nach Verfahrensstadium und Wahrscheinlichkeit des Bedingungseintritts.77)

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Das Eigenkapital, darunter auch das Stammkapital als gezeichnetes Kapital, wird in den Überschuldungsstatus nicht einbezogen. Da die verwertbaren78) Gegenstände des Aktivvermögens die Stammkapitalziffer nicht abdecken müssen, tritt die insolvenzauslösende Überschuldung zumindest nach Fortführungswerten (siehe Anhang zu § 30 Rn. 6 [Thiessen]) später ein als die auszahlungshindernde Unterbilanz.79) Das Zahlungsverbot des Absatzes 1 gilt somit bereits dann, wenn der bilanzielle Puffer des gezeichneten Kapitals nicht durch Aktivvermögen gedeckt ist; unabhängig davon, ob die Gesellschaft insolvenzreif ist oder durch die Zahlung insolvenzreif würde.80)

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_____________ 71) Nach h. M. maximal zwei Jahre, Drukarczyk/Schüler in: MünchKomm-InsO, § 19 Rn. 62. 72) Abhängig von der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme bzw. von konkreter Verlusterwartung, Schubert in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 247 Rn. 207, § 249 Rn. 42 ff, 60 ff. 73) BGH, ZIP 2003, 2068, 2070 = GmbHR 2003, 1420 = NJW 2003, 3629, dazu EWiR 2004, 383 (Wagner); Graf-Schlicker-Bremen, InsO, § 19 Rn. 32. 74) Hierzu Ganter/Lohmann in: MünchKomm-InsO, § 1 Rn. 51 ff, 85 ff. 75) Zu den weiteren Auswirkungen Bitter in: MünchKomm-InsO, § 41 Rn. 1 f, 26 ff. 76) Zur Berücksichtigung im Insolvenzverfahren Bitter in: MünchKomm-InsO, § 42 Rn. 7. 77) Graf-Schlicker-Castrup, InsO, § 191 Rn. 2 ff; zu Praxisfällen Braun-Pehl, InsO, § 191 Rn. 9 f. 78) Graf-Schlicker-Bremen, InsO, § 19 Rn. 24 f. 79) Zum Problem der Überbewertung im Überschuldungsstatus BGH, ZIP 1990, 1593 = GmbHR 1991, 99 = NJW 1991, 1057, dazu EWiR 1991, 67 (v. Gerkan). 80) Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, § 30 Rn. 18.

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b) Zahlungsunfähigkeit 31

Das Zahlungsverbot des Absatzes 1 ist auch unabhängig von der Zahlungsunfähigkeit. Diese tritt in der Praxis häufig später ein als die Überschuldung, wird aber eher – wenn auch immer noch zu spät81) – bemerkt, nämlich auch ohne Berechnungen82) schlicht dadurch, dass eine fällige Zahlungspflicht nicht erfüllt werden kann bzw. erfüllt wird (§ 17 Abs. 2 Satz 1 und 2 InsO, hierzu siehe § 64 Rn. 7 ff [Bork]). Umgekehrt kann – je nach Zusammensetzung des Aktivvermögens – rechnerisch eine Auszahlung gemessen an Absatz 1 noch zulässig sein, obwohl sie zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führt.83) Dies ist denkbar, wenn etwa zum Aktivvermögen wertvolle Immobilien gehören, die nicht kurzfristig zu Zahlungsmitteln „versilbert“ werden können, aber die Waage gegenüber der Passivseite noch im Gleichgewicht halten, selbst wenn der Geschäftsführer Gesellschaftsvermögen an Gesellschafter auszahlt. Wird aber gleichzeitig durch die Auszahlung der Kassenbestand der Gesellschaft aufgezehrt oder deren Kreditlinie ausgeschöpft, droht Zahlungsunfähigkeit.

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Die drohende Zahlungsunfähigkeit begründet zunächst einen fakultativen Insolvenzgrund, da die Gesellschaft voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, ihren Zahlungspflichten bei Fälligkeit nachzukommen (§ 18 Abs. 1 und 2 InsO). Besteht aber auch keine Möglichkeit mehr, anderweitig Liquidität zu beschaffen, ist die Zahlungsunfähigkeit i. S. d. § 17 InsO unausweichlich.

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Der gemäß § 30 Abs. 1 eigentlich zulässige Vorgang wird so zu einer Zahlung, die i. S. d. neuen § 64 Satz 3 „zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen musste“ (siehe § 64 Rn. 53 ff [Bork]). Da der Geschäftsführer eine solche Zahlung der Gesellschaft zu ersetzen hat, muss er die Zahlung an Gesellschafter bereits vorab verweigern dürfen, auch wenn die Zahlung das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen nicht berührt.84) Dementsprechend können die Geschäftsführer sich gemäß § 64 Satz 4, der u. a. auf § 43 Abs. 3 Satz 3 verweist, nicht auf einen sie entlastenden Gesellschafterbeschluss berufen.85) Erst recht besteht (seit

_____________ 81) Bork in: R. Schröder, Notarielle Gestaltungspraxis, S. 65, 74. 82) Zur im Übrigen gebotenen objektiven Feststellung bzw. Vermutung der Zahlungsunfähigkeit Eilenberger in: MünchKomm-InsO, § 17 Rn. 10 ff, 26 ff; zur Überschneidung von Überschuldung und drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) Drukarczyk/Schüler in: MünchKomm-InsO, § 19 Rn. 148 ff; Einzelheiten zur Rspr. bei Goette/HabersackCasper, MoMiG, Rn. 6.3 ff; zur „autonomen“ Festlegung der Fälligkeit entgegen § 271 BGB krit. Bork, ZIP 2008, 1041, 1046 f. 83) RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 46 = Seibert, MoMiG, S. 195. 84) BGHZ 195, 42, 48 f Rn. 18 = ZIP 2012, 2391 = GmbHR 2013, 31, dazu EWiR 2013, 75 (Bork); offen noch BGH, ZIP 2012, 86, 88 = GmbHR 2012, 206 = DB 2012, 47, dazu EWiR 2012, 91 (Rendels); wie hier bereits LG Berlin, GmbHR 2010, 201, 202; K. Schmidt, ZIP 2010, Beilage Heft 39, S. 15, 17; Gehrlein, BB 2011, 3, 6; dagegen zuvor OLG München, ZIP 2010, 1236, 1237 f = GmbHR 2010, 815 = BB 2010, 1880; OLG Koblenz, ZInsO 2012, 842, 846, jeweils zu Gesellschafterdarlehen und wirtschaftlich gleichgestellten Leistungen; zum Meinungsstand vor der Klärung durch den BGH Haas, DStR 2010, 1991; zur Wirkung des § 64 Satz 3 als Auszahlungsverbot Goette/Habersack-Casper, MoMiG, Rn. 6.41. 85) RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 46 = Seibert, MoMiG, S. 195.

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jeher) ein Verweigerungsrecht, wenn bereits die Zahlungsunfähigkeit eingetreten oder die Überschuldung festgestellt worden ist (§ 64 Satz 1).86) 4.

Auszahlung

a) Funktionales Verständnis Der Auszahlungsbegriff des Absatzes 1 hängt eng mit dem Umfang der Vermögensbindung zusammen (siehe Rn. 9 f). Die Vermögensbindung bei der GmbH reicht weniger weit als bei der AG. Darf an Aktionäre vor Auflösung der Gesellschaft nur der Bilanzgewinn verteilt werden (§ 57 Abs. 3 AktG), gilt jede darüber hinaus gehende Zahlung als unzulässige (verdeckte Gewinn-)Ausschüttung.87) Von Absatz 1 erfasst sind hingegen nur solche Ausschüttungen, die nicht aus freiem, zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichem Vermögen erfolgen. Der Auszahlungsbegriff ist also funktional zu bestimmen. Dabei ist allerdings zu unterscheiden, ob lediglich eine Auszahlung vorliegt oder ob sie auch verboten ist.88) Letzteres ist nur der Fall, wenn die Auszahlung eine Unterbilanz herbeiführt oder vertieft (siehe Rn. 14).

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Nach dem Willen des historischen Gesetzgebers ist „das Verbot des Absatzes 1 nur auf solche Zahlungen zu beziehen, welche sich rechtlich als eine Minderung des Gesellschaftsvermögens darstellen; die Tilgung einer rechtsgültig begründeten Verbindlichkeit fällt daher niemals unter die Bestimmung“.89) Da das von Absatz 1 geschützte Vermögen bilanziell, d. h. rein rechnerisch, und nicht gegenständlich ermittelt wird (siehe Rn. 6, 14 ff), ist der Begriff „ausgezahlt“ – ebenso wie „Zahlungen“ in § 31 (siehe § 31Rn. 6) und § 64 (siehe § 64 Rn. 13 ff, 49 ff [Bork]) – weit zu verstehen.90) Maßgeblich ist, ob die Vermögensminderung bilanzwirksam ist.91) Deshalb sind grundsätzlich Buchwerte anzusetzen (siehe Rn. 22 ff), jedoch ist i. S. d. Deckungsgebots (siehe Rn. 65 ff) unter Umständen auf Marktwerte abzustellen, wenn es darum geht, ob eine Unterbilanz herbeigeführt oder vertieft wird.

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b) Vermögensminderung Das Gesellschaftsvermögen kann gemindert werden durch Abfluss von Aktiva, durch Begründung einer Verbindlichkeit oder durch Bestellung einer Sicherheit. Vermögensrelevante Transaktionen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern lösen jedoch häufig gegenläufige Effekte auf beiden Seiten der Bilanz aus. Daher wird das Gesellschaftsvermögen nicht gemindert, wenn die genannten Vorgänge _____________ 86) Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1891, S. 110. Zur Auslegung des Verweises auf § 43 Abs. 3: BGH, NJW 1974, 1088, 1089 = GmbHR 1974, 131 = DB 1974, 910. 87) BGHZ 190, 7, 12 = ZIP 2011, 1306, 1308 = AG 2011, 548, dazu EWiR 2011, 517 (HoffmannTheinert/Dembski); Nodoushani, ZIP 2012, 97. 88) Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 9. 89) Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1891, S. 80. 90) Einzelheiten bei Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 127 ff, 207 ff. 91) Zu § 57 AktG BGHZ 190, 7, 17 f Rn. 25 f = ZIP 2011, 1306 = AG 2011, 548, dazu EWiR 2011, 517 (Hoffmann-Theinert/Dembski); Nodoushani, ZIP 2012, 97; a. A. etwa Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 30 Rn. 30; Scholz-Verse, GmbHG, § 30 Rn. 20; Gehrlein/Born/Simon-Kuntz, GmbHG, § 30 Rn. 31.

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durch eine vollwertige Gegenleistung92) oder einen vollwertigen Anspruch darauf kompensiert werden (Abs. 1 Satz 2 Alt. 2; siehe Rn. 49 ff). 37

Beim Abfluss von Aktiva ist gleichgültig, in welcher Form das Vermögen abfließt – zulasten von Barmitteln, Bankguthaben, Kreditlinie oder in Gestalt eines sonstigen Vermögensgegenstands. Gleichgültig ist insbesondere, ob es sich um die Veräußerung einer Sache93) oder um die Abtretung, Aufrechnung oder Aufgabe einer Forderung94) handelt. In Betracht kommen auch Dienstleistungen und Nutzungsüberlassungen seitens der Gesellschaft.95)

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Die „Tilgung einer rechtsgültig begründeten Verbindlichkeit“96) begründet keine Auszahlung (siehe Rn. 35), soweit die Gesellschaft mit einem Dritten zu den gleichen Konditionen abgeschlossen hätte (siehe Rn. 65).97) Die Leistung der Gesellschaft ist demnach kapitalerhaltungsrechtlich unbedenklich, „wenn der Gesellschafter Gläubiger der Gesellschaft aus einem selbständigen Rechtsgrunde geworden ist“,98) die Leistung also nicht ausschließlich causa societatis erfolgt.99) Dies gilt auch für eine angemessene Vergütung zugunsten des Gesellschaftergeschäftsführers.100) Erfüllt die Gesellschaft gesetzliche Ansprüche, so zahlt sie Vermögen aus, das von vornherein nur belastet in das Gesellschaftsvermögen gelangt ist und deshalb für die Unterbilanz neutral ist. Praxisrelevant ist dies für den Anfechtungsanspruch des Insolvenzverwalters oder Gläubigers eines insolventen Gesellschafters (§ 143 InsO, § 11 AnfG), weil das vom Gesellschafter eingebrachte Vermögen nicht ihr, sondern dem/den Gesellschaftergläubiger/-n zusteht,101) sowie für die Rückzahlung europarechtswidriger Beihilfen, weil andernfalls dem Europarecht die praktische Wirksamkeit (effet utile) genommen wäre, soweit nicht die Rückzahlung ihrerseits anfechtbar ist.102) _____________ 92) So bereits RGZ 133, 393, 395; RGZ 168, 292, 295; BGHZ 31, 258, 276 insoweit in NJW 1960, 285, 288 nicht abgedr.; BGH, ZIP 1987, 575 = GmbHR 1987, 187 = NJW 1987, 1194, dazu EWiR 1987, 255 (H. P. Westermann). 93) Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 8. 94) BGH, ZIP 1984, 170, 171 = DB 1984, 340 = WM 1984, 136; BGHZ 122, 333 = ZIP 1993, 917 = NJW 1993, 1922, dazu EWiR 1993, 693 (Maier-Reimer); OLG Düsseldorf, GmbHR 2012, 793, 794. 95) Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 129, 202, 216. 96) Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1891, S. 80. 97) Vgl. Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 131, dort Rn. 218 auch zum Einfluss der Unterbilanz auf die Wirksamkeit der Verbindlichkeit. 98) Staub, GmbHG, 1903, § 30 Anm. 1. 99) Zum ungeschriebenen Merkmal der Leistung causa societatis OLG Hamburg, ZIP 2013, 74, 76 = GmbHR 2012, 1242 = NZG 2013, 137; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 146 f, 234 ff. 100) OLG Düsseldorf, DStR 2012, 309, 311 f m. w. N. = ZIP 2012, 430 (LS) = NZG 2012, 103 (LS); Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 250. 101) Jeweils zur Vorsatzanfechtung RGZ 74, 16, 18 im Anschluss an RGZ 24, 14, 24 – Aktienrecht; RG, LZ 1915, Sp. 300, 301; BGHZ 128, 184, 194 = ZIP 1995, 134, 137 f = GmbHR 1995, 221, dazu EWiR 1995, 109 (Gerhardt); eingehend zum Meinungsstand Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 271 f. 102) BGHZ 173, 129, 132 ff = ZIP 2007, 1816, 1817 ff = GmbHR 2007, 1146, dazu EWiR 2008, 149 (Flitsch).

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Eine Auszahlung liegt in der Bestellung einer Sicherheit zugunsten eines Gesellschafters,103) die nicht durch einen vollwertigen Freistellungs- oder Rückgriffsanspruch gedeckt ist (siehe Rn. 80 ff). Von Belang ist dies vor allem bei den sog. Upstream Securities, wobei insbesondere der kapitalerhaltungsrechtliche Zeitpunkt fraglich ist (siehe Rn. 42).

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c) Zeitpunkt der Auszahlung Indem Leistung und Gegenleistung gleichermaßen berücksichtigt werden (siehe Rn. 36), gestattet der Gesetzgeber der Gesellschaft und den Gesellschaftern, gewissermaßen eine „Bewertungseinheit“ zu bilden. Differenziert zu beantworten ist die Frage, wann Leistung und Gegenleistung einander gegenüberzustellen sind. Hiervon hängt ab, ob eine Auszahlung vorliegt, ob sie verboten ist und ob die Gesellschaft demgemäß den Erstattungsanspruch aus § 31 geltend machen kann. Eindeutig ist dies nur bei realer Minderung des Aktivvermögens, insbesondere bei einem „Griff in die Kasse“. Bei der Begründung von Verbindlichkeiten oder der Bestellung von Sicherheiten kommen jedoch mehrere Zeitpunkte in Betracht.

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Relevant ist dies insbesondere dann, wenn die Erfüllung einer Verbindlichkeit – geplant oder ungeplant – erhebliche Zeit nach Abschluss des Vertrags erfolgt. Die Rechtsprechung stellt grundsätzlich auf den Moment der Erfüllung ab.104) Erweist sich die Leistung nach der Vermögenslage der Gesellschaft im vorgesehenen Erfüllungszeitpunkt als verboten, hat die Gesellschaft (zur Lage nach verbotswidriger Auszahlung siehe § 31 Rn. 28 f [Thiessen])105) bis zur Wiederauffüllung des Stammkapitals106) ein Leistungsverweigerungsrecht.107) Der Bundesgerichtshof hat aber auch bereits die Begründung einer Verbindlichkeit oder die Bildung einer entsprechenden Rückstellung als Unterbilanz begründende Auszahlung genügen lassen, da die Gesellschaft andernfalls den Erstattungsanspruch gemäß § 31 erst realisieren könnte, wenn der Streit über die Verbindlichkeit rechtskräftig entschieden oder außergerichtlich zugunsten der Gesellschaft beigelegt ist.108)

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Zu ähnlichen Problemen kommt es bei der Bestellung von Sicherheiten. In Betracht kommen hier drei nicht immer scharf zu trennende Zeitpunkte, die nament-

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_____________ 103) RGZ 136, 260, 264; näher Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 130, 133, 137 ff; Gehrlein/Born/Simon-Kuntz, GmbHG, § 30 Rn. 32 f. 104) RGZ 133, 393, 395. 105) In der Regel jedoch trotz §§ 768, 1137, 1211 BGB nicht deren Sicherungsgeber, weil die Sicherheit typischerweise für den Krisenfall gestellt wird, zur Bürgschaft BGH, ZIP 2008, 1376, 1378 = GmbHR 2008, 877 = DB 2008, 1559, dazu EWiR 2008, 717 (Schodder), erweiternd für § 64 Satz 3 Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 287. 106) Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 290. 107) RGZ 113, 241, 244 unter Hinweis auf § 308 BGB a. F.; ähnlich BGH, BB 1953, 245; Einzelheiten bei Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 282 ff. 108) BGH, ZIP 2003, 2068 = GmbHR 2003, 1420 = NJW 2003, 3629, dazu EWiR 2004, 383 (Wagner); krit. Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 131, 213, dort Rn. 117 f auch zur Berücksichtigung von Rückstellungen.

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lich für die sog. Upstream Securities (siehe Rn. 80 ff) heftig umstritten sind.109) Mit der Bestellung ist – ebenso mit der Verpflichtung zur Bestellung – bereits die grundsätzliche Entscheidung getroffen, dass die Gesellschaft bei Eintritt des Sicherungsfalls haftet.110) Bilanzwirksam wird dies jedoch erst dadurch, dass eine Rückstellung zu bilden ist, wenn sich die Inanspruchnahme als hinreichend wahrscheinlich abzeichnet.111) Einen realen Verlust erleidet die Gesellschaft erst durch tatsächliche Inanspruchnahme, die je nach Art der Sicherheit variieren kann. Die Rechtsprechung sieht eine Auszahlung spätestens im letzteren Zeitpunkt, differenziert dabei nach Verwertung bzw. Auskehrung des Verwertungserlöses, da die Sicherheit spätestens bei ihrer Verwertung bilanzwirksam wird.112) Auch die Abtretung eines Sicherungsrechts spielte in der Rechtsprechung eine Rolle.113) Zunächst hat der Bundesgerichtshof offengelassen, ob bereits die Bestellung der Sicherheit genügt.114) Inzwischen nimmt der Bundesgerichtshof eine verbotene Auszahlung bereits für den Zeitpunkt der Bestellung einer dinglichen Sicherheit an, wenn der Gesellschafter „nicht voraussichtlich“ zur Rückzahlung in der Lage ist und zudem eine Unterbilanz entsteht oder vertieft wird.115) Eine Reichsgerichtsentscheidung aus dem Jahre 1932 verknüpfte noch alle möglichen Zeitpunkte, wenn es heißt, der Gesellschaft „wurden Werte entzogen, wenn durch die Bestellung und Abtretung von Hypotheken an andere die Zwangsversteigerung der belasteten Grundstücke herbeigeführt wurde“, wobei es im Fall aber auf die Zahlung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung ankam.116) 43

Wegen der bilanziellen Ermittlung des gebundenen Vermögens (siehe Rn. 13 ff) sollte stets auf den Zeitpunkt abgestellt werden, in welchem ein wegzugebendes Aktivum auszubuchen bzw. eine Verbindlichkeit oder Rückstellung zu passivieren ist.117) Ist in diesem Zeitpunkt die Gegenleistung oder der Anspruch darauf voll_____________ 109) Für die Verwertung als Auszahlung vor dem MoMiG Dampf, Der Konzern 2007, 157, 165, 167; Tillmann, NZG 2008, 401, 404; Winter, DStR 2007, 1484, 1488; nach dem MoMiG: Goette/Habersack-Vetter, MoMiG, Rn. 4.78 ff; für eine Vermögensminderung bereits im Zeitpunkt der Sicherheitsbestellung vor dem MoMiG etwa Bayer/Lieder, ZGR 2005, 133, 145 f; Weitnauer, ZIP 2005, 790, 792; nach dem MoMiG Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 8 a. E., 34 ff; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 30 Rn. 110. 110) Den Bestellungszeitpunkt für maßgeblich halten deshalb bei dinglichen Sicherheiten Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 140; Gehrlein/Born/Simon-Kuntz, GmbHG, § 30 Rn. 44, 44a, 44b - nicht aber bereits bei Verpflichtung zur Bestellung; Altmeppen, ZIP 2017, 1977, 1979 ff; Kuntz, ZGR 2017, 917, 924 ff. 111) Schubert in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 247 Rn. 207, § 249 Rn. 42 ff, 60 ff. 112) BGHZ 173, 1, 11 f = ZIP 2007, 1705, 1708 = WM 2007, 1700, bestätigt durch BGHZ 190, 7, 13 = ZIP 2011, 1306, 1308 = AG 2011, 548, dazu EWiR 2011, 517 (HoffmannTheinert/Dembski); Nodoushani, ZIP 2012, 97. 113) BGH, NJW 1976, 751 f = WM 1976, 130 – Abtretung einer Eigentümergrundschuld an den Kommanditisten einer GmbH & Co. KG als Rückzahlung der Einlage. 114) BGHZ 173, 1, 11 = ZIP 2007, 1705, 1708 = WM 2007, 1700; ähnlich bereits RGZ 168, 292, 298 – für die unwirksame Bestellung einer Hypothek. 115) BGHZ 214, 258, 262 Rn. 13 = ZIP 2017, 971 m. Anm. Becker, S. 1599; Heerma/ Bergmann S. 1261 = GmbHR 2017, 643, 644 ff, dazu EWiR 2017, 585 (K. Schmidt); offen OLG Köln, ZInsO 2017, 1491, 1496 = GWR 2017, 18, dazu EWiR 2017, 365 (Längsfeld). 116) RGZ 136, 260, 265. 117) Verse, GmbHR 2018, 113, 120; Saenger/Inhester-Diers, GmbHG, § 30 Rn. 114; Gehrlein/ Born/Simon-Kuntz, GmbHG, § 30 Rn. 33, vgl. Rn. 48 aber für schuldrechtliche Sicherheiten – Inanspruchnahme; zweifelnd Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 140, 198 m. w. N.

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wertig, liegt bereits keine Auszahlung vor. Be- oder entsteht zum Buchungszeitpunkt auch nach Marktwerten (siehe Rn. 64 ff) keine Unterbilanz, obwohl der Leistung der Gesellschaft keine vollwertige Leistung und kein vollwertiger Anspruch gegenübersteht, ist die dann vorliegende Auszahlung dennoch nicht verboten. Die scheinbar gegenteilige Ansicht des Bundesgerichtshofs stimmt mit der hier vertretenen Auffassung überein. Kommt es für den Bundesgerichtshof darauf an, dass der Gesellschafter „nicht voraussichtlich“ zur Rückzahlung in der Lage ist und zudem eine Unterbilanz entsteht oder vertieft wird,118) so wird in einem solchen Fall die Gesellschaft mit erhöhter Wahrscheinlichkeit in Anspruch genommen, weshalb eine Rückstellung zu bilden ist (siehe Rn. 42). Dann ist bereits die Bestellung der Sicherheit bilanzwirksam und führt zu einer verbotenen Auszahlung. Eine danach zulässige Auszahlung wird auch nicht dadurch unzulässig, dass sich bis zur Verfügung bzw. Erfüllung die Vermögenslage der Gesellschaft anderweitig verschlechtert. Eine starre Jahresfrist in direkter oder analoger Anwendung des § 135 Abs. 1 Satz 2 InsO gilt hierfür aber nur, wenn der Gesellschafter sein Abfindungsguthaben gestundet hat und die Abfindungsforderung auf diese Weise darlehensäquivalent geworden ist.119) Ohnedies kann (und muss) aber der Geschäftsführer die Auszahlung unter den Voraussetzungen des § 64 Satz 3 verweigern (siehe Rn. 33). Verschlechtert sich die Vermögenslage des Gesellschafters, muss der Geschäftsführer eine Vorleistung der Gesellschaft gemäß § 321 BGB verweigern, einen Darlehensvertrag gemäß § 490 Abs. 1 BGB fristlos kündigen120) oder Befreiung von einer Bürgschaft oder – soweit möglich – einer ähnlichen Sicherheitsleistung gemäß oder analog § 775 BGB verlangen.121) Nutzt der Geschäftsführer derartige Ansprüche oder Gestaltungsrechte entgegen § 43 Abs. 3 nicht, lässt er also etwa ein Darlehen oder eine Sicherheit zugunsten des Gesellschafters „stehen“, liegt darin ein selbständiger Auszahlungsvorgang.122) Denn auch in diesem Fall kreditiert die Gesellschaft freiwillig zulasten ihres – möglicherweise gebundenen – Vermögens, ohne dass die fortbestehende Verbindlichkeit oder Belastung ausgeglichen wird.

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Insolvenzrechtlich ist allerdings zu beachten, dass die Rückzahlung aufgrund einer Kündigung des Darlehensgebers gemäß § 490 Abs. 1 BGB zum Teil als inkongruente Deckung (§ 131 InsO) interpretiert wird und demgemäß anfechtbar sein kann.123) Jedoch nimmt der Darlehensgeber ein gesetzliches Recht wahr, das typi-

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_____________ 118) BGHZ 214, 258, 262 Rn. 13 = ZIP 2017, 971 m. Anm. Becker, S. 1599; Heerma/ Bergmann S. 1261 = GmbHR 2017, 643, 644 ff, dazu EWiR 2017, 585 (K. Schmidt). 119) Weitergehend aber KG Berlin, ZIP 2015, 937, 938 f = GmbHR 2015, 657. 120) Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 243. 121) Zum umstrittenen Anwendungsbereich Habersack in: MünchKomm-BGB, § 775 Rn. 3; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 255. 122) Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289, 1293; Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 8, gegen die Einbeziehung des bloßen „Stehenlassens“ aber Goette/Habersack-Vetter, MoMiG, Rn. 4.57 unter Hinweis auf den RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 41 = Seibert, MoMiG, S. 171. 123) In diesem Sinne wohl zahlungsverkehrspezifisch Bork in: FS Kirchhof, S. 57, 69; offen BGHZ 181, 132, 137 = ZIP 2009, 1235, 1236 = WM 2009, 1202, dazu EWiR 2009, 579 (Keller), krit. insoweit Paulus, NJW 2009, 2603 f (Urteilsanm.).

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siert, was die Parteien üblicherweise selbst vereinbaren124); er erhält also, was ihm zusteht.125) Vom GmbH-Geschäftsführer kann nicht verlangt werden, dass er als gesetzlicher Vertreter seiner Gesellschaft deren gesetzliche und vertragliche Rechte wahrnimmt, um ihm hinterher vorzuwerfen, er habe der Gesellschaft einen ungerechtfertigten Vorteil verschafft. „Inkongruent“ wäre hier allein die „Deckung“ von Schuldrecht und Insolvenzrecht bzw. von Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht. Zumindest muss die Interpretation des Tatbestands (im doppelten Sinn des Sachverhalts und der Norm) „kongruent“ bleiben.126) Für die rein formale Unterscheidung zwischen kongruent und inkongruent127) spricht die höhere Rechtssicherheit. Ohnehin droht dem Kreditgeber, der wegen wesentlicher Verschlechterung der Vermögenslage des Schuldners kündigt, die kenntnisabhängige Anfechtung wegen kongruenter Deckung (§ 130 InsO).128) Ob im Einzelfall § 490 Abs. 1 BGB konkludent abbedungen und die Zahlung deswegen inkongruent ist, muss wie beim Finanzplankredit (siehe Rn. 145 ff) durch Auslegung ermittelt werden. d) GmbH & Co. KG 46

Bei einer GmbH & Co. KG ist zu unterscheiden, ob eine Auszahlung unmittelbar aus dem GmbH- oder dem KG-Vermögen erfolgt, da es sich grundsätzlich um selbständig (teil-)rechtsfähige Gesellschaften handelt (§ 13 Abs. 1 GmbHG; §§ 124 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB). Für unmittelbare Auszahlungen aus dem GmbH-Vermögen gilt § 30 Abs. 1 ohne weitere Besonderheiten. Jedoch kann eine Auszahlung zulasten der Komplementär-GmbH mittelbar auch darin liegen, dass die Auszahlung unmittelbar aus dem KG-Vermögen erfolgt.129)

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Wird das Vermögen der KG reduziert, wird hierdurch der Freistellungsanspruch der GmbH gegenüber der KG (§§ 110, 161 Abs. 2 HGB) entwertet, sodass die entsprechende Forderung auf der Aktivseite des GmbH-Vermögens abzuschreiben ist.130) Umgekehrt erhöht sich bei Auszehrung des KG-Vermögens für die Komplementär-GmbH die Gefahr, von den KG-Gläubigern in Anspruch genommen zu werden (§§ 128, 161 Abs. 2 HGB). Je nach Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme131) sind bei der GmbH Rückstellungen zu bilden, die das für § 30 Abs. 1 _____________ 124) Bei vertraglichen Lösungsklauseln droht nach der umstrittenen BreitbandverteilanlageEntscheidung des IX. Zivilsenats aber sogar die Vorsatzanfechtung, BGHZ 124, 76 = ZIP 1994, 40 = NJW 1994, 449, dazu EWiR 1994, 169 (Haas). 125) Kübler/Prütting/Bork-Schoppmeyer, InsO, § 131 Rn. 69 f; Kayser in: MünchKomm-InsO, § 131 Rn. 41a m. w. N. 126) So auch für das Verhältnis Zivilrecht/Insolvenzrecht Bork, ZIP 2008, 1041, 1046 ff; ähnlich Paulus in: FS Fischer, S. 445. 127) Zu den Kriterien Graf-Schlicker-Huber, § 130 Rn. 8, § 131 Rn. 3. 128) Vgl. Kayser in: MünchKomm-InsO, § 130 Rn. 39; Bork in: R. Schröder, Notarielle Gestaltungspraxis, S. 65, 74. 129) Näher Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 189 ff. 130) Zu diesen beiden Wirkungen BGHZ 60, 324, 328 f = NJW 1973, 1036, 1038 = GmbHR 1973, 163; bestätigt durch BGHZ 69, 274, 279 = NJW 1978, 160, 161 = GmbHR 1978, 64; BGHZ 110, 342, 355 ff = ZIP 1990, 578 = NJW 1990, 1725, dazu EWiR 1990, 479 (Bergmann). 131) Schubert in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 247 Rn. 207, § 249 Rn. 42 ff, 60 ff.

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maßgebliche Vermögen reduzieren.132) Eine davon zu unterscheidende Frage ist, an wen die Zahlung erfolgt, wer also Adressat des Auszahlungsverbots (Abs. 1) und wer Inhaber und Gegner des Erstattungsanspruchs (§ 31 Abs. 1) ist (siehe Rn. 93 ff und § 31 Rn. 7 ff, 17 ff [Thiessen]). e) Veranlasser der Auszahlung Wer die Auszahlung veranlasst, ist für den passiv formulierten Tatbestand des Absatzes 1 Satz 1 grundsätzlich gleichgültig. In der Regel wird dies der Geschäftsführer sein, da die meisten Auszahlungsvorgänge (siehe Rn. 35 f) abgesehen vom „Griff in die Kasse“ durch Gesellschafter133) rechtsgeschäftlich wirksames Handeln voraussetzen. Sofern die Gesellschafter und Geschäftsführer wirksames Handeln durch andere Personen zulassen, ist neben Ansprüchen aus §§ 30, 31 gegen den Empfänger eine Haftung des Zahlungsveranlassers zu prüfen.134) Dass die Auszahlung verboten ist und der (faktische) Geschäftsführer deshalb seine Kompetenzen überschreitet, gehört zum Tatbestand des Absatzes 1, der unabhängig davon erfüllt ist, ob das Geschäft schuldrechtlich und dinglich wirksam ist oder ob der Zahlungsempfänger die be- oder entstehende Unterbilanz kannte (siehe Rn. 177).135) Dies ist selbst dann möglich, wenn dem Geschäftsführer strafbare Untreue zur Last fällt.136) Hierdurch überschreitet der Geschäftsführer zwar die ihm zustehende Vertretungsmacht. Doch liegt sein schadenstiftendes Verhalten nicht so sehr außerhalb seines Aufgabenbereichs, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem Handeln und dem allgemeinen Rahmen der ihm übertragenen Geschäfte nicht mehr erkennbar und daher der Schluss geboten wäre, dass das Organ nur bei Gelegenheit, nicht aber in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen gehandelt habe, folglich das Verhalten des Geschäftsführers der Gesellschaft nicht mehr zuzurechnen sei und der Geschäftsführer wie ein Dritter gehandelt habe. Insbesondere besteht kein allgemeiner Rechtssatz, dass strafbare Handlungen zulasten der Gesellschaft insgesamt nicht erfasst würden. 5.

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Gebot vollwertiger Deckung (Abs. 1 Satz 2 Alt. 2)

Der neue Absatz 1 Satz 2 Alt. 2 konkretisiert den Auszahlungsbegriff und damit zugleich das Auszahlungsverbot. Gestattet ist jede Leistung an einen Gesellschafter, die durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter aufgewogen („gedeckt“) wird.137) Der Geschäftsführer muss daher für den Zeitpunkt der Auszahlung (siehe Rn. 40 ff) eine Prognose treffen (siehe Rn. 69 ff). Die Bewertung von Ansprüchen ist freilich umso schwieriger in einer Zeit, da das Vertrauen in die Urteilskraft von Rating-Agenturen erschüttert _____________ 132) BGHZ 110, 342, 355 ff = ZIP 1990, 578 = NJW 1990, 1725, dazu EWiR 1990, 479 (Bergmann); OLG Celle, GmbHR 2003, 900, 901 = NZG 2004, 183; Lutter/ Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 60. 133) Eingehend dazu Gehrlein/Born/Simon-Kuntz, GmbHG, § 30 Rn. 31a. 134) Näher BGHZ 148, 167, 169 f = ZIP 2001, 1458, 1459 = GmbHR 2001, 771, dazu EWiR 2001, 917 (Keil); Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 4, 143 ff. 135) In diesem Sinne Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 147 f, 278; a. A. Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 30 Rn. 83. 136) Für die folgenden Grundsätze OLG Hamm, GmbHR 2017, 703, 704 f = ZIP 2017, 1761 = ZInsO 2017, 1903, dazu EWiR 2018, 43 (Fuchs/Grimm). 137) Zur Gesetzesgenese Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 30 Rn. 81.

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ist.138) Umso dringender benötigt der Geschäftsführer einen Beurteilungsspielraum (siehe Rn. 76). Dennoch steigt dennoch das Haftungsrisiko des Geschäftsführers, das nur durch sorgfältige Vorkehrungen zu minimieren ist (siehe Rn. 62, 88 f). Zudem können Leistungen der Gesellschaft, die kapitalschutzrechtlich unbedenklich sind, gemäß §§ 129 ff InsO bzw. nach dem AnfG anfechtbar sein.139) a) Keine Auszahlung durch Aktiventausch 50

Die bilanzielle Betrachtungsweise (siehe Rn. 13 ff) begreift den Vermögenstransfer an einen ausgleichspflichtigen und voraussichtlich ausgleichsfähigen Gesellschafter als reinen Tausch gleichwertiger Aktiva. In einem bilanzneutralen Vorgang kann aber weder eine Auszahlung noch gar eine verbotene Auszahlung liegen (siehe Rn. 34, 36). Daher spricht Absatz 1 Satz 2 Alt. 2 lediglich eine Konsequenz des bilanziell verstandenen Absatzes 1 Satz 1 aus.140) b) Korrektur der Rechtsprechung

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Neben der Klarstellung (siehe Rn. 50) bezweckt Absatz 1 Satz 2 Alt. 2 aber auch eine Korrektur der Rechtsprechung. Als Auszahlung hatte es der Bundesgerichtshof etwa angesehen, wenn die Gesellschaft den Kaufpreis für einen dem Gesellschafter verkauften Gegenstand stundet, da die Gläubiger auf die nicht bewirkte Gegenleistung des Gesellschafters nicht in gleicher Weise zugreifen können wie auf den Gegenstand selbst.141) Im aufsehenerregenden „November-Urteil“ hatte der II. Zivilsenat die Liquiditätsverschiebung an einen Gesellschafter bei bestehender Unterbilanz als verbotene Auszahlung gewertet, und zwar unabhängig davon, ob der Rückzahlungsanspruch gegen den Gesellschafter im Einzelfall vollwertig sei.142) Auch dies wurde damit gerechtfertigt, dass es praktisch durchaus einen Unterschied macht, ob das Aktivvermögen der Gesellschaft aus liquiden, d. h. sofort verfügbaren Mitteln besteht oder aber aus bloßen Forderungen, die – mögen sie noch so sicher sein – im Ernstfall erst eingeklagt werden müssen.143)

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Der Maßstab war danach ähnlich streng wie bei einem Bargeschäft gemäß § 142 InsO,144) bei welchem eine gleichwertige Gegenleistung unmittelbar in das Ver_____________ 138) Ähnlich ohne ausdrücklichen Hinweis auf die Finanzkrise Goette/Habersack-Vetter, MoMiG, Rn. 4.41, a. A. aber die dort in Fn. 41 zitierten Stimmen in Folge des „NovemberUrteils“. Zur Regulierung von Rating-Agenturen Seibt in: Bachmann/Casper/Schäfer/ Veil, Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts, S. 191; Möllers, JZ 2009, 861. 139) Eingehend Thole, ZInsO 2011, 1425, 1426 ff. 140) So bereits im Reformprozess Schäfer, DStR 2006, 2085, 2090; ebenso nun auch BGHZ 179, 71 = ZIP 2009, 70 = GmbHR 2009, 199, dazu EWiR 2009, 129 (Maier-Reimer); BGHZ 185, 44, 64 f = ZIP 2010, 978, 985 = NJW 2010, 1948, dazu EWiR 2010, 421 (Wenzel); BGH, ZIP 2012, 1071, 1073; Altmeppen, ZIP 2009, 49; Habersack, ZGR 2009, 347; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 232; i. E. auch Gehrlein/Born/SimonKuntz, GmbHG, § 30 Rn. 53 ff – fiktive Annahme der Verwertung einer Sicherheit. 141) BGHZ 81, 311, 320 f = ZIP 1981, 1200 = NJW 1982, 383. 142) BGHZ 157, 72 = ZIP 2004, 263 = NJW 2004, 1111, dazu EWiR 2004, 911 (Schöne/ Stolze) und Wessels, ZIP 2004, 793. Die Fülle der Anmerkungen zu diesem Urteil ist u. a. zitiert bei Böcker, ZGR 2006, 213 Fn. 1. 143) BGHZ 157, 72, 76 = ZIP 2004, 263, 264 = NJW 2004, 1111, dazu EWiR 2004, 911 (Schöne/ Stolze); so zuvor auch namentlich Stimpel in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 335, 347 ff. 144) Hierzu Bork in: R. Schröder, Notarielle Gestaltungspraxis, S. 65, 75 f.

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mögen des Insolvenzschuldners gelangt.145) Demgegenüber schränkt § 30 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 nun das Auszahlungsverbot für den Fall ein, dass der Anspruch gegen den Gesellschafter ohne Schwierigkeiten durchsetzbar ist und somit als gleichwertiger Vermögensgegenstand einem pfändenden Gesellschaftsgläubiger ebenso wie dem Insolvenzverwalter zur Verfügung stünde. c) Kein Cash-Pool-Privileg – Kapitalschutz ohne Liquiditätsschutz? Das Gebot vollwertiger Deckung in Absatz 1 Satz 2 Alt. 2 wird hauptsächlich mit Blick auf das Cash-Pooling diskutiert; eine Form der konzerninternen Unternehmensfinanzierung, welche einerseits als alltäglich bewährt gilt, andererseits das Überleben einer Konzerngesellschaft zugunsten der Mutter oder anderer Konzerngesellschaften gefährden kann.146) Auch wenn das „November-Urteil“ des II. Zivilsenats keinen Cash Pool betraf,147) sah nach einem einschlägigen, in der Revisionsinstanz verglichenen148) Urteil des Oberlandesgerichts München149) und einem weiteren Urteil des Bundesgerichtshofs zum Cash-Pooling bei der Kapitalaufbringung150) vor allem die rechtsberatende Praxis ein wesentliches Instrument der Konzernfinanzierung bedroht.151) Obwohl der Vorsitzende des II. Zivilsenats stets betonte, dass das „November“-Urteil einen „pathologischen“ Einzelfall betreffe,152) sah sich der Reformgesetzgeber unter dem Eindruck der Kritik153) dazu veranlasst, die betroffenen Konstruktionen gegenüber der Rechtsprechung in Schutz zu nehmen.154) _____________ 145) Freilich wird hier das Bargeschäft oft deshalb verneint, weil umgekehrt dem Insolvenzschuldner eine Stundung für die bereits erbrachte Gegenleistung gewährt wurde und die Anfechtung eines späteren Vermögensabflusses nicht durch § 142 InsO ausgeschlossen sein soll, etwa BGH, ZIP 2003, 488, 493 = DB 2003, 877 = WM 2003, 524, dazu EWiR 2003, 427 (Gerhardt); weitere Fälle bei Graf-Schlicker-Huber, InsO, § 142 Rn. 4 ff; Kirchhof in: MünchKomm-InsO, § 142 Rn. 15 ff. 146) Vgl. etwa den Überblick bei Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 37; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 30 Rn. 80; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 184 ff; Lutter/Bayer-Vetter, Holding-Handbuch, Rn. 11.1 ff, 11.7 ff; Altmeppen, NZG 2010, 361; Kollrus, MDR 2011, 208; zur Rechtsnatur der Cash-PoolVereinbarung Decker, ZGR 2013, 392, 398 ff. 147) BGHZ 157, 72 = ZIP 2004, 263 = NJW 2004, 1111, dazu EWiR 2004, 911 (Schöne/ Stolze) und Wessels, ZIP 2004, 793. 148) Goette in: VGR 12 (2007), S. 1, 3. 149) OLG München, ZIP 2006, 25 = GmbHR 2006, 144 = DB 2005, 2811; in ähnlichem Sinn den BGH interpretierend, wenn auch mit unterschiedlichen Akzenten durchaus krit. etwa Bayer/Lieder, ZGR 2005, 133; Engert, BB 2005, 1951; Kerber, ZGR 2005, 437; dagegen jedoch aus der Wissenschaft etwa Altmeppen, ZIP 2006, 1025, 1031; Habersack/Schürnbrand, BB 2006, 288 (Urteilsanm.); aus der Praxis etwa Hentzen, ZGR 2005, 480, 487; Vetter, BB 2004, 1509, 1511 ff; Wessels, ZIP 2006, 1701. 150) BGHZ 166, 8 = ZIP 2006, 665 = NJW 2006, 1736, dazu EWiR 2006, 523 (Hoos/ Kleinschmidt); vgl. nun nach dem MoMiG mit vielen neuen Zweifelsfragen BGH, ZIP 2009, 1561 = GmbHR 2009, 926 = NJW 2009, 3091, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer); Altmeppen, ZIP 2009, 1545; Goette, GWR 2009, 333. 151) Zur Reformdiskussion Schäfer, DStR 2006, 2085, 2088 ff; rückblickend Goette/HabersackVetter, MoMiG, Rn. 4.25. 152) Goette, ZIP 2005, 1481, 1484; Goette, DStR 2006, 767, 768 (Urteilsanm.). 153) Politisch wirksamen Einfluss dürfte insbesondere die Initiative von BDI/Hengeler Mueller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, Rn. 59, ausgeübt haben. 154) Hierzu RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 41 f = Seibert, MoMiG, S. 171 f, näher auch zum RefE Seibert, MoMiG, S. 28 ff.

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Bereits der Bundesgerichtshof hatte demnach ursprünglich keinen Cash Pool im Blick und erfasste durch Anwendung der allgemeinen Kapitalerhaltungsgrundsätze eher unbeabsichtigt auch spezielle Konzernsituationen (siehe Rn. 51, 53). Auch der Reformgesetzgeber bezieht sich in der zweiten Alternative des Absatzes 1 Satz 2 nicht ausdrücklich auf Konzerne oder Cash-Management-Systeme. Die Konkretisierung des Auszahlungsverbots ist in allgemeinen Termini ausgedrückt, nämlich „Leistungen“, welche „an die Gesellschafter“ (Satz 1) erfolgen und „durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt sind“.155) Damit vermeidet der Gesetzgeber zwar ein Sonderrecht für GmbHKonzerne, nimmt aber in Kauf, dass das Auszahlungsverbot des Absatzes 1 Satz 1 auch dann nicht greift, wenn Einzelgesellschafter ohne Konzernverbindung zur Gesellschaft den bei Auszahlung vollwertig erscheinenden Gegenanspruch später nicht (mehr) erfüllen können. Soweit der Ausfall eines Einzelgesellschafters wahrscheinlicher ist als der Ausfall der Konzernmutter bzw. der Betreibergesellschaft, ist dies bereits bei der Prognose zu berücksichtigen, ob der Anspruch gegen den Gesellschafter vollwertig ist (siehe Rn. 59 ff, 75 f).

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Obwohl die Norm abstrakt formuliert ist,156) dürfte sie sich praktisch am meisten bei jenen Konzernsachverhalten auswirken, welche die Gesetzesänderung ausgelöst haben. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof den restriktiven Standpunkt des „November-Urteils“ (siehe Rn. 51, 53) in einem aktienrechtlichen Fall bereits aufgegeben, und zwar ausdrücklich auch für Altfälle.157) Dennoch erlaubt CashPooling auch nach dem MoMiG vor allem kurzfristiges Liquiditätsmanagement, kein dauerhaftes Krisenmanagement.158) Gelockert wird der Liquiditätsschutz, nicht der Kapitalschutz.159) Auch wenn der II. Zivilsenat das „November-Urteil“ nach Bekunden seines Vorsitzenden nun selbst „in die Wolfsschlucht“ geworfen hat,160) zeigt dennoch der Senat bei der Kapitalaufbringung, dass er die neuen Privilegien des MoMiG streng auslegt (siehe Rn. 61). Aufgegeben hat der Senat nur sein Verdikt, dass Zahlungen in der Unterbilanz ohne Rücksicht auf den Wert der (versprochenen) Gegenleistung, gegen das Kapitalerhaltungsgebot verstoßen. Daher ist für die Praxis davor zu warnen, das „November-Urteil“ in seiner Gesamtheit nicht mehr zu beachten.161)

_____________ 155) Zum Leistungsbegriff Mülbert/Leuschner, NZG 2009, 281. 156) Zur daraus folgenden Reichweite Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 30 Rn. 93 f. 157) BGHZ 179, 71 = ZIP 2009, 70 = GmbHR 2009, 199, dazu EWiR 2009, 129 (Maier-Reimer) und Altmeppen, ZIP 2009, 49; Habersack, ZGR 2009, 347. 158) So die prägnante Formel bei Goette/Habersack-Vetter, MoMiG, Rn. 4.95. 159) Vgl. Habersack, ZGR 2009, 347, 450, 354; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 30 Rn. 82; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 13, 205. 160) So wörtlich Goette, GWR 2009, 1 zu BGHZ 179, 71 = ZIP 2009, 70 = GmbHR 2009, 199, dazu EWiR 2009, 129 (Maier-Reimer) und Altmeppen, ZIP 2009, 49; Habersack, ZGR 2009, 347; s. a. BGHZ 193, 96, 103 Rn. 25 = ZIP 2012, 1071 = GmbHR 2012, 740, dazu EWiR 2012, 415 (Paefgen/Dettke). 161) In diesem Sinne warnend auch Habersack, ZGR 2009, 347, 352 f.

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d) Vertraglicher, nicht gesetzlicher Gegenanspruch Die bilanzielle Betrachtungsweise (siehe Rn. 13 ff) gestattet der Gesellschaft nicht, anstelle eines entgegen Absatz 1 Satz 1 geleisteten Vermögensgegenstands den gesetzlichen Erstattungsanspruch gemäß § 31 Abs. 1 zu aktivieren, auch wenn der erstattungspflichtige Gesellschafter zahlungskräftig genug ist.162) Bei einem solchen (Miss-)Verständnis liefe das Auszahlungsverbot ebenso leer wie der Erstattungsanspruch.163) Der Gesetzgeber lässt die gesetzliche Rechtsfolge einer verbotenen Leistung als Ausgleich daher nicht genügen.164) Der Gesellschafter oder ein Dritter165) muss vielmehr spätestens bis zum Empfang der Leistung deren Rückgewähr oder eine gleichwertige Gegenleistung – namentlich die Liquiditätsversorgung aus dem Cash Pool166) – vertraglich zusagen, und er muss aller Voraussicht nach in der Lage sein, diese Zusage bei Fälligkeit zu erfüllen.167)

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e) Keine klaren Vollwertigkeitskriterien im Gesetz Wann der Gegenanspruch vollwertig ist, sagt das Gesetz nicht. Auch die MoMiGRegierungsbegründung hält sich hier zurück, sichtlich bestrebt, die vom „NovemberUrteil“ des II. Zivilsenats beunruhigte Praxis (siehe Rn. 53) zu beruhigen und nicht erneut einzuschüchtern.

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Nach einem obiter dictum im „November-Urteil“ konnte die Leistung allenfalls zulässig sein, wenn die Leistung im Interesse der Gesellschaft liegt, zu marktgerechten Konditionen erfolgt und „die Kreditwürdigkeit des Gesellschafters selbst bei Anlegung strengster Maßstäbe außerhalb jedes vernünftigen Zweifels steht oder die Rückzahlung des Darlehens durch werthaltige Sicherheiten voll gewährleistet ist“.168) Nur dann nämlich, wenn ein Verlust des ausgereichten Darlehens mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen war, erschien es dem Gericht als legitim, den Rückzahlungsanspruch nicht nur als bilanziellen, sondern auch als realen Ausgleich für das abfließende Vermögen anzusehen. Als Empfänger einer solchen Leistung oder als persönlicher Sicherungsgeber kam nach diesen Kriterien praktisch kein deutscher Konzern in Betracht.169)

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_____________ 162) Dagegen bereits Altmeppen, ZIP 2006, 1025, 1030 f; Altmeppen in: VGR 12 (2007), S. 93, 109; ebenso auch nach dem MoMiG Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 27; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 102; bonitätsabhängig diff. Saenger/InhesterDiers, GmbHG, § 30 Rn. 74. 163) Zur Umgehungsgefahr, wenn verbotene Zahlungen aus dem Stammkapital bilanzneutral als Darlehen verschleiert werden, insoweit wohl nicht überholt BGHZ 157, 72 = ZIP 2004, 263, 264 f = NJW 2004, 1111, dazu EWiR 2004, 911 (Schöne/Stolze) und Wessels, ZIP 2004, 793. 164) Eindeutig hierzu RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 41 f = Seibert, MoMiG, S. 172. 165) Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 27; Ekkenga in: MünchKommGmbHG, § 30 Rn. 253; Saenger/Inhester-Diers, GmbHG, § 30 Rn. 104. 166) Zum Einfluss des Cash-Pool-Rahmenvertrags Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 37 ff. 167) BGHZ 179, 71, 78 = ZIP 2009, 70, 72 = GmbHR 2009, 199, dazu EWiR 2009, 129 (MaierReimer) und Altmeppen, ZIP 2009, 49; Habersack, ZGR 2009, 347. 168) BGHZ 157, 72, 77 = ZIP 2004, 263, 265 = NJW 2004, 1111, dazu EWiR 2004, 911 (Schöne/Stolze). 169) Hentzen, ZGR 2005, 480, 524.

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Dass der Anspruch nach (über-?)menschlichem Ermessen ausfallsicher sein müsse, soll nach dem MoMiG gerade nicht mehr gelten. Stattdessen verweist die Regierungsbegründung170) auf „die allgemeinen Bilanzierungsgrundsätze“, da das Stammkapital eine „bilanzielle Ausschüttungssperre“ sei. Im Übrigen sagt die Begründung vor allem, was vom Geschäftsführer (siehe Rn. 88 f) nicht erwartet wird. Kehrt man die negativen Formulierungen der Begründung um, kommt es darauf an, ob bilanzielle Abwertungen gegenüber dem Nennwert des Gegenanspruchs bereits im Zeitpunkt der Auszahlung geboten, ob spätere negative Entwicklungen also vorhersehbar waren, insbesondere weil die Durchsetzbarkeit der Forderung absehbar in Frage gestellt war.171) Maßgeblich ist also eine Prognose (siehe Rn. 69 ff), die sich auf den Zeitpunkt bezieht, in welchem die Leistung der Gesellschaft erbracht oder versprochen wird (siehe Rn. 41 ff, 81 ff). Ähnlich hat nun der Bundesgerichtshof zum parallelen Problem bei §§ 311, 317 AktG entschieden.172) f)

Durchsetzbarkeit – Vergleich mit § 19 Abs. 5 Satz 1 – Sicherheiten

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Die Vollwertigkeit der Forderung bestimmt sich maßgeblich nach deren Durchsetzbarkeit (siehe Rn. 59). Dabei kommt es darauf an, ob der Durchsetzung rechtliche Hindernisse entgegenstehen, die erkennbar und behebbar sind (siehe Rn. 61 f), und ob die Durchsetzung durch Sicherheiten erleichtert wird (siehe Rn. 63).

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Auffallend ist ein tatbestandlicher Unterschied zur Kapitalaufbringung. Ähnlich wie § 30 Abs. 1 Satz 2 behandelt § 19 Abs. 5 Satz 1 den zeitlich vorgelagerten Fall – das Hin- und Herzahlen bereits bei der Kapitalaufbringung – als Darlehen an den Gesellschafter (siehe § 19 Rn. 36 ff [Bartels]). Dabei handelt es sich eine Leistung, die „wirtschaftlich einer Rückzahlung der Einlage entspricht“. Einlagenrückgewähr ist grundsätzlich eine Frage der Kapitalerhaltung (vgl. § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG). Danach wäre das Hin- und Herzahlen an sich an § 30 Abs. 1 Satz 1 zu messen, der allerdings nur nach ordnungsgemäß abgeschlossenem Kapitalaufbringungsvorgang anwendbar ist.173) Die Vorgaben des § 19 Abs. 5 Satz 1 (ebenso des § 27 Abs. 4 Satz 1 AktG) beruhen jedoch darauf, dass der Einlagegegenstand „sich endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befindet“ (§ 8 Abs. 2 Satz 1; vgl. § 37 Abs. 1 Satz 2 AktG). Daran fehlt es, wenn eine Rückzahlung von vornherein vereinbart ist. Halten sich die Beteiligten an die vom Bundesgerichtshof streng aus_____________ 170) Auch zum Folgenden RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 41 = Seibert, MoMiG, S. 171 f. 171) Näher Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 30 Rn. 109; Gehrlein/Born/SimonKuntz, GmbHG, § 30 Rn. 65. 172) BGHZ 179, 71 = ZIP 2009, 70, 72 = GmbHR 2009, 199, dazu EWiR 2009, 129 (MaierReimer) und Altmeppen, ZIP 2009, 49; Habersack, ZGR 2009, 347, 354; Mülbert/Leuschner, NZG 2009, 281, 284; BGHZ 193, 96, 103 f Rn. 25 = ZIP 2012, 1071 = GmbHR 2012, 740, dazu EWiR 2012, 415 (Paefgen/Dettke). 173) BGH, ZIP 2001, 1997, 1998 = GmbHR 2001, 114 = NJW 2001, 3781, dazu EWiR 2001, 1149 (Keil); BGH, ZIP 2008, 174, 176 = GmbHR 2008, 203 = DB 2008, 173, dazu EWiR 2008, 403 (Henkel); K. Schmidt, ZIP 2008, 481, 484; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 14; a. A. Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 30 Rn. 15 f; zum Verhältnis des § 30 zur verdeckten Sacheinlage (§ 19 Abs. 4 Satz 1) BGHZ 185, 44, 61 ff = ZIP 2010, 978, 983 f = NJW 2010, 1948, dazu EWiR 2010, 421 (Wenzel); OLG Nürnberg, DZWIR 2011, 167, 169 = ZIP 2010, 2300 (LS).

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gelegten174) Voraussetzungen des § 19 Abs. 5, vor allem an die Pflicht zur Anmeldung der Rückzahlungsvereinbarung in Satz 2, wird der Gesellschafter von seiner Einlagepflicht befreit. Die Befreiung nach § 19 Abs. 5 Satz 1 setzt ebenso wie § 30 Abs. 1 Satz 2 voraus, dass der Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter vollwertig ist (siehe § 19 Rn. 46 ff [Bartels]). Hierzu muss die Rückgewähr jedoch nicht nur sicher sein, sondern zusätzlich jederzeit fällig oder zumindest jederzeit durch fristlose Kündigung fällig gestellt werden können.175) Warum dieses Fälligkeitskriterium bei § 30 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 fehlt, ist nicht nachvollziehbar.176) Der Anspruch gegen den Gesellschafter kann nur dann fehlende Liquidität ersetzen, wenn er ebenso wie liquide Mittel jederzeit zur Verfügung der Gesellschaft steht.177) Die Erwägungen der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zu § 19 Abs. 5 treffen ebenso zu für die Kapitalerhaltung.178) Denn auch hier ist „bei einem erst nach längerer Zeit kündbaren Darlehen … eine Prognose sehr unsicher, ob der Rückzahlungsanspruch tatsächlich vollwertig ist“.179) Es ist zwar denkbar, dass auch Ansprüche auf Rückzahlung eines langfristigen Darlehens vollwertig sind.180) Jedoch bezieht sich das vergleichsweise liberale „DezemberUrteil“ des II. Zivilsenats (zu § 311 AktG) auf ein zwar unbesichertes, aber jederzeit kurzfristig (wenn auch nicht fristlos) rückforderbares Darlehen.181) Daher sind gerade bei längerfristigen Darlehen hinreichende Informations- und Kündigungsrechte zu verlangen,182) um Liquiditätsengpässe der Gesellschaft, die bei genügender Solvenz der Gesellschafter ausgeglichen hätte, rechtzeitig erkennen und vermeiden zu können.183) Auf die Beurteilung einer Rating-Agentur darf sich der Geschäftsführer nicht verlassen,184) muss diese aber soweit verfügbar berücksichtigen.185) Das Darlehen ist von vornherein nicht durch einen vollwertigen Rückzahlungsanspruch gedeckt, wenn der Schuldner fällige Darlehenszahlungen mit Ansprüchen

_____________ 174) BGH, ZIP 2009, 1561 = GmbHR 2009, 926 = NJW 2009, 3091, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer) und Altmeppen, ZIP 2009, 1545; Goette, GWR 2009, 333. 175) Nach dem Vorschlag von Ulmer, ZIP 2008, 45, 54, „das Erfordernis des ‚vollwertigen’ Gegenleistungsanspruchs durch den Zusatz ‚voll liquide’ o. Ä. zu erweitern“. 176) Krit. K. Schmidt, JZ 2009, 10, 18; Spliedt, ZIP 2009, 149, 152. 177) In diesem Sinne für die Kapitalaufbringung Goette/Habersack-Winter, Rn. 2.52; für die Kapitalerhaltung Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 247. 178) A. A. Gehrlein/Born/Simon-Kuntz, GmbHG, § 30 Rn. 56. 179) BT-Drucks. 16/9737, S. 56 = Seibert, MoMiG, S. 168. 180) So Goette/Habersack-Vetter, MoMiG Rn. 4.53. 181) Leitsatz von BGHZ 179, 71 = ZIP 2009, 70 = GmbHR 2009, 199, dazu EWiR 2009, 129 (Maier-Reimer) und Altmeppen, ZIP 2009, 49; Habersack, ZGR 2009, 347. 182) Goette/Habersack-Vetter, MoMiG Rn. 4.59; so für kurzfristig kündbare Darlehen auch BGHZ 179, 71 = ZIP 2009, 70 = GmbHR 2009, 199, dazu EWiR 2009, 129 (Maier-Reimer); krit. Mülbert/Leuschner, NZG 2009, 281, 283; für kurzfristige Kündigungsmöglichkeiten mit Blick auf die Vermeidung von Zahlungsunfähigkeit Saenger/Koch, GmbHR 2010, 113. 183) Näher Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 30 Rn. 112 f. 184) Altmeppen, NZG 2010, 401, 403. 185) Cahn, Der Konzern 2009, 67, 74 ff; Lutter/Bayer-Vetter, Holding-Handbuch, Rn. 11.41.

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gegen die Gesellschaft soll verrechnen dürfen, die aufgrund einer be- oder entstehenden Unterbilanz ihrerseits nicht vollwertig sind.186) 63

Die Rückforderung ist naturgemäß umso eher zu realisieren, als sie besichert ist. Dies ist erstens praktisch selten187) und verlagert zweitens nur die Prognose, weil geklärt sein muss, ob die Sicherheit ihrerseits vollwertig ist. Deshalb können an das Vollwertigkeitsgebot keine höhere Anforderungen gestellt, als sie sich – mit oder ohne Besicherung – aus dem Bilanzrecht (siehe Rn. 69 ff) ergeben.188) Anhaltspunkte für die prognostische Bewertung einer Sicherheit liefert zudem die Praxis zu §§ 232 ff BGB, §§ 108 ff ZPO und §§ 241 ff AO. Wollte man allerdings die verbreitete Bürgschaft einer „Deutschen Großbank“189) fordern, würde dies den Kriterien des „November-Urteils“ entsprechen, von denen sich der Bundesgerichtshof selbst distanziert hat.190) Andernfalls wäre das Cash-Pooling entgegen der Intention des Gesetzgebers gefährdet (siehe Rn. 53 ff).191) g) Marktkonformität

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Grundsätzlich ist das Auszahlungsverbot durch Buchwerte definiert (siehe Rn. 22 ff). Bei bestehender Unterbilanz kommt es jedoch je nach Konstellation auf Marktwerte an.

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Vom Grundsatz der Buchwertfortschreibung wird traditionell192) etwa dann abgewichen, wenn ein Gesellschafter bei bestehender Unterbilanz einen Gegenstand mit höherem Marktwert zu einem geringeren Buchwert erwirbt.193) Ist freies Vermögen vorhanden, kann die Gesellschaft einen solchen buchwertneutralen Aktiventausch verkraften. Zwar handelt es sich um eine die Mitgesellschafter benachteiligende, zudem steuerrelevante verdeckte Gewinnausschüttung, weil das nicht marktkonforme Geschäft einem Drittvergleich nicht standhält.194) Jedoch ist eine verdeckte Gewinnausschüttung gemessen an Absatz 1 unbedenklich, wenn sie aus ungebundenem Vermögen erfolgt.195) Bei bestehender Unterbilanz wirkt sich aber das Geschäft, das mit einem Dritten so nicht abgeschlossen sein würde, wirtschaftlich zulasten des bereits „unterminierten“ Stammkapitals aus und ist des_____________ 186) OLG Frankfurt/M., ZIP 2011, 392, 393 f, auch zur parallelen Anfechtbarkeit gemäß § 133 Abs. 2 InsO. 187) Lutter/Bayer-Vetter, Holding-Handbuch, Rn. 11.42. 188) Habersack, ZGR 2009, 347, 354; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 30 Rn. 105; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 245. 189) Zu dieser Praxis Schulz in: MünchKomm-ZPO, § 108 Rn. 39. 190) BGHZ 157, 72, 77 = ZIP 2004, 263, 265 = NJW 2004, 1111, dazu EWiR 2004, 911 (Schöne/Stolze); BGHZ 179, 71 = ZIP 2009, 70, 72 = GmbHR 2009, 199, dazu EWiR 2009, 129 (Maier-Reimer); vgl. Goette, GWR 2009, 1; Habersack, ZGR 2009, 347, 354; Mülbert/Leuschner, NZG 2009, 281, 284. 191) Altmeppen, NZG 2010, 401, 403. 192) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 30 Rn. 11; zur Kontinuität des neuen zum alten Recht Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 30 Rn. 82. 193) Instruktives Beispiel bei Goette/Habersack-Vetter, MoMiG, Rn. 4.17, vgl. auch Rn. 4.62. 194) Hierzu BGH, ZIP 1996, 68 = GmbHR 1996, 111 = NJW 1996, 589, dazu EWiR 1996, 121 (Crezelius); eingehend J. W. Flume, GmbHR 2011, 1258, 1260 ff. 195) BGHZ 136, 125 = ZIP 1997, 1450, 1451 = NJW 1997, 2599, dazu EWiR 1997, 1089 (H. P. Westermann).

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wegen unzulässig.196) Die Sanktion der §§ 30, 31 greift hier nicht wegen Herbeiführung oder Vertiefung einer Unterbilanz, zu der es nach Buchwerten ja gerade nicht kommt,197) sondern weil sie dem Gesellschaftsvermögen zugunsten eines Gesellschafters einen Gegenstand entzieht, dessen Verwertung am Markt durch Gewinnrealisierung zur Auffüllung des Stammkapitals hätte beitragen können.198) Dass der Leistung der Gesellschaft spätestens bei deren Erbringung (siehe Rn. 41) ein vollwertiger Anspruch gegenübersteht, soll nun nach dem neuen Absatz 1 Satz 2 Alt. 2 zwar selbst dann genügen, wenn die Gesellschaft ohnedies schon nicht mehr über das Vermögen verfügt, das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlich ist. In einer solchen Unterbilanzsituation kommt es aber wie bisher entscheidend darauf an, dass der Aktiventausch zu Marktwerten erfolgt. Denn nur, wenn der Gegenanspruch dem Marktwert des ausgereichten Gegenstands entspricht, ist die Leistung der Gesellschaft durch einen vollwertigen Gegenanspruch „gedeckt“.199)

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Erwirbt also der Gesellschafter einen Vermögensgegenstand von der Gesellschaft, ist wie bisher in Unterbilanzsituationen (siehe Rn. 65) der Verkehrswert und nicht etwa der häufig geringere Buchwert geschuldet.200) Bei einem Darlehen an den Cash Pool (Upstream Loan) darf die Tilgung schon deshalb nicht gefährdet sein, weil der Gegenanspruch sonst nicht vollwertig ist, d. h. nicht zum Nennwert aktiviert werden darf und so eine Unterbilanz herbeiführen oder vertiefen kann.201) Hier geht es also nicht darum, dass der von der Gesellschaft zu leistende Gegenstand in den Büchern zu niedrig bewertet ist – liquide Mittel sind selbstverständlich zum Nennwert anzusetzen –, sondern dass Abschreibungen vom Gegenanspruch geboten sind (siehe Rn. 75).

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_____________ 196) Ähnlich zum gleichsinnig interpretierten Verbot des § 24 Abs. 4 Satz 1 GenG: BGH, ZIP 1997, 928 f = NJW 1997, 984 = WM 1997, 1017, dazu EWiR 1997, 1151 (Schuschke). Für die GmbH allgemeine Meinung, Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 30 Rn. 33 f; Lutter/ Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 32; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 30 Rn. 13, 74 ff; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, § 30 Rn. 37 ff; Scholz-Verse, GmbHG, § 30 Rn. 18 ff, 78; Ulmer/Habersack/Winter-Habersack, GmbHG, 1. Aufl. 2006, § 30 Rn. 43 ff (vgl. nun aber Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 30 Rn. 101 f); Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 200, 233. 197) Thole, ZInsO 2011, 1425, 1426. 198) Offen, aber wohl in diesem Sinne interpretierbar BGH, ZIP 1987, 575 = GmbHR 1987, 187 = NJW 1987, 1194, dazu EWiR 1987, 255 (H. P. Westermann); näher ScholzH. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, § 30 Rn. 41; Scholz-Verse, GmbHG, § 30 Rn. 18 ff; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 30 Rn. 21; Altmeppen, NZG 2010, 401, 403; prägnant Spliedt, ZIP 2009, 149 – „Aus Buchwerten kann sich keiner befriedigen.“ 199) RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 41 = Seibert, MoMiG, S. 172; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Habersack, GmbHG, § 30 Rn. 102, 107; Lutter/Bayer-Vetter, Holding-Handbuch, Rn. 11.52, 11.54; Rothley/Weinberger, NZG 2010, 1001, 1004. 200) Näher Goette/Habersack-Vetter, MoMiG, Rn. 4.61 ff. 201) Habersack, ZGR 2009, 347, 351 f; ebenso für Upstream Securities Michalski/Heidinger/ Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 30 Rn. 99; allgemein zu diesem Maßstab BGHZ 193, 96, 103 f Rn. 25 = ZIP 2012, 1071 = GmbHR 2012, 740, dazu EWiR 2012, 415 (Paefgen/Dettke).

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Über die Tilgung hinaus sind grundsätzlich marktgerechte Zinsen geschuldet.202) Die Frage der Verzinsung ist freilich weniger eindeutig, als es auf den ersten Blick scheint.203) Ein von der Gesellschaft gewährtes Darlehen wird regelmäßig nur dann vollwertig abgedeckt sein, wenn der Empfänger marktübliche Zinsen zahlt bzw. dazu voraussichtlich in der Lage sein wird. Wird nämlich ein Darlehen am allgemeinen Kreditmarkt an einen Kreditnehmer nur gegen Zinsen bestimmter Höhe vergeben, so wird der volle Wert des einem Gesellschafter gewährten Darlehens nur dann erfasst, wenn auch dieser marktübliche Zinsen entrichtet.204) Ist mangels angemessener Verzinsung die Forderung auf den Barwert zu diskontieren,205) erfüllt sie nicht das Vollwertigkeitsgebot des Absatzes 1 Satz 2 Alt. 2.206) Dabei ist allerdings zu beachten, dass durch das Cash-Pooling konzernintern gerade Finanzierungskonditionen erzielt werden sollen, die günstiger sind als am Kreditmarkt.207) Dieselbe Gesellschaft, die heute ihre Liquidität zinsgünstig oder zinsfrei an den Cash Pool abführt, profitiert morgen von eben diesen Konditionen.208) Es ist also zu unterscheiden, ob der Upstream Loan – über den Bilanzstichtag hinaus gewährt209) – eine „Einbahnstraße“ bleibt oder ob die Gesellschaft nach dem CashPool-Rahmenvertrag ihrerseits externe Finanzierungskosten sparen kann.210) Im kalkulierbaren Umfang einer solchen Ersparnis darf die Gesellschaft von Verzinsung absehen.211) h) Vollwertigkeitsprognose nach BilMoG

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Bei der prognostischen Bemessung der bilanziellen Ausschüttungssperre nach allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen (siehe Rn. 59) ist das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) zu beachten. Dies gilt insbesondere für die Frage, in welchem Umfang bilanzielle Abschreibungen möglich und geboten sind, wenn die Vollwertigkeit des Gegenanspruchs nach Absatz 1 Satz 2 Alt. 2 zweifelhaft ist.

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Maßstab für die Vollwertigkeit ist nach einem Urteil vom 1.12.2008 „eine vernünftige kaufmännische Beurteilung, wie sie auch bei der Bewertung von Forderungen _____________ 202) Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 246, 252; Gehrlein/Born/Simon-Kuntz, GmbHG, § 30 Rn. 61; Kuntz, ZGR 2017, 917, 936 ff; i. E. auch Ulmer/Habersack/LöbbeHabersack, GmbHG, § 30 Rn. 106; Scholz-Verse, GmbHG, § 30 Rn. 94 – allerdings zweifelnd. 203) Zu Zweifelsfragen Mülbert/Leuschner, NZG 2009, 281, 282 f; diff. Altmeppen, NZG 2010, 401, 404. 204) Kiefner/Theusinger, NZG 2008, 801, 804; Spliedt, ZIP 2009, 149, 150; Lutter/Bayer-Vetter, Holding-Handbuch, Rn. 11.51. 205) Baumbach/Hopt-Merkt, HGB, § 253 Rn. 26. 206) Habersack, ZGR 2009, 347, 360. 207) Hentzen, ZGR 2005, 480, 482; deshalb gegen eine Verzinsungspflicht Rothley/Weinberger, NZG 2010, 1001, 1005; abhängig von der Laufzeit auch Gehrlein/Born/Simon-Kuntz, GmbHG, § 30 Rn. 62. 208) In diesem Sinne auch Altmeppen, ZIP 2009, 49, 52. 209) Zum nächsten Bilanzstichtag, längstens also nach einem Jahr, müsste eine unverzinsliche Darlehensforderung abgezinst werden, vgl. Schubert/Roscher in: Beck’scher Bilanzkommentar, § 253 Rn. 592; Ballwieser in: MünchKomm-HGB, § 253 Rn. 60. 210) Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 37. 211) Diff. Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 30 Rn. 106; Ekkenga in: MünchKommGmbHG, § 30 Rn. 252.

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aus Drittgeschäften i. R. d. Bilanzierung (§ 253 HGB) maßgeblich ist“.212) Kaufmännische Vernunft ist jedoch nach dem BilMoG für Abschreibungen auf Gegenstände des Umlaufvermögens, d. h. auch auf Forderungen gegen Gesellschafter und gegen verbundene Unternehmen (§ 266 Abs. 2 Buchst. b Ziff. II. 2. und 3., § 271 Abs. 1 HGB),213) kein rechtlich anerkannter Maßstab mehr (siehe Rn. 72 ff). Darin liegt aber nur scheinbar ein Widerspruch zur Rechtsprechung des II. Zivilsenats. Das BilMoG schränkt das Ermessen für Abschreibungen ein. Auf den ersten Blick scheint das BilMoG daher Ausschüttungen zu erleichtern. Das BilMoG bezweckt jedoch insoweit lediglich, ungerechtfertigte Thesaurierungen aufgrund willkürlicher Abschreibungen zu vermeiden, damit den Gesellschaftern nicht vorenthalten wird, was ihnen zusteht (siehe Rn. 72, 74). Keinesfalls geht es darum, das gesellschaftsrechtliche Kapitalerhaltungsgebot auszuhöhlen. An etwaigem Abschreibungsbedarf für Forderungen gegenüber schlechten Schuldnern ändert sich nichts. Auch und gerade nach dem BilMoG gilt das Vorsichtsprinzip und – nun zwingend – das Stetigkeitsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 und 6 HGB).

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Allerdings hat das BilMoG das – für Kapitalgesellschaften freilich ohnehin nicht bestehende (§ 279 Abs. 1 Satz 1 HGB a. F.) – Wahlrecht aufgehoben, Abschreibungen i. R. vernünftiger kaufmännischer Beurteilung vorzunehmen (§ 253 Abs. 4 HGB a. F.). Damit soll die Informationsfunktion des Jahresabschlusses gestärkt werden; Abschreibungen nach vernünftigem kaufmännischem Ermessen seien mit dem Ziel einer den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage (§ 264 Abs. 2 HGB) nicht vereinbar.214) Stille Reserven sollen vermieden, stattdessen Gewinnrücklagen offen gebildet werden.215)

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Ebenso wenig dürfen künftig Abschreibungen bei Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens vorgenommen werden, soweit diese nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig sind, um zu verhindern, dass in der nächsten Zukunft der Wertansatz aufgrund von Wertschwankungen geändert werden muss (so noch § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB a. F.). Abschreibungen auf erwartete Wertverluste sollen nicht „vorauseilend“ vornehmbar sein, da hierdurch die tatsächliche und stichtagsaktuelle Darstellung der Lage der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage gefährdet sei. Selbst eine starke – vom Rechtsausschuss verstärkte – Betonung des Vorsichtsprinzips erfordere es nicht, voraussichtlichen künftigen Abschreibungsbedarf zu antizipieren.216)

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_____________ 212) BGHZ 179, 71 = ZIP 2009, 70, 72 = GmbHR 2009, 199, dazu EWiR 2009, 129 (MaierReimer) und Altmeppen, ZIP 2009, 49; Habersack, ZGR 2009, 347, 354; ebenso BGHZ 213, 224, 229 f Rn. 14 = ZIP 2017, 472 = DB 2017, 536, dazu EWiR 2017, 229 (Seibt). 213) Vgl. Schubert/Waubke in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 266 Rn. 118 f, 122. Im Cash Pool fehlt es an der Dauerhaftigkeit der Anlage, weshalb derartige Forderungen nicht unter den Ausleihungen an verbundene Unternehmen zu verbuchen sind, vgl. dazu a. a. O. Rn. 77. 214) RegE Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 36. 215) RegE Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 57. 216) RegE Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 56 f.

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Ob also „nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung“ der Nennbetrag des Gegenanspruchs wenigstens teilweise abzuschreiben ist, darf aufgrund des BilMoG für das Vollwertigkeitsgebot des Absatzes 1 Satz 2 Alt. 2 formal nicht mehr maßgeblich sein.217) Die Regierungsbegründung zum BilMoG rechtfertigt die Aufhebung des § 253 Abs. 4 HGB a. F. ausdrücklich damit, dass die „Vorschrift zwar aufgrund der bisherigen starken Betonung der Gläubigerschutzfunktion des Jahresabschlusses zu rechtfertigen“ gewesen, mit der angestrebten Anhebung des Informationsniveaus des handelsrechtlichen Jahresabschlusses jedoch nicht zu vereinbaren sei.218) Diese Begründung wurde zwar formuliert, bevor die Finanzkrise den Rechtsausschuss zu Korrekturen am RegE veranlasst hat. Auch der am Vorsichtsprinzip orientierte Rechtsausschuss hat aber die Änderungen von § 253 Abs. 3 und 4 HGB a. F. nicht beanstandet.219) Nach der BilMoG-Begründung wird „den Interessen der Gläubiger durch eine den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage weitaus besser Rechnung getragen, als durch die Bildung anhand des handelsrechtlichen Jahresabschlusses nicht erkennbarer stiller Reserven“.220) Stille Reserven, die im Insolvenzfall realisiert werden, dürften den Gläubigern freilich durchaus willkommen sein; zu niedrige Buchwerte auf der Aktivseite begünstigen keine Insolvenzverschleppung.

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Wie bisher (§ 253 Abs. 3 Satz 1 und 2 HGB a. F.) sind aber nach dem Niederstwertprinzip bei Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens Abschreibungen vorzunehmen, um diese mit dem niedrigeren Wert anzusetzen, der sich aus einem Börsen- oder Marktpreis am Abschlussstichtag ergibt oder der dem Vermögensgegenstand am Abschlussstichtag beizulegen ist (§ 253 Abs. 4 Satz 1 und 2 HGB n. F.). Regelmäßig werden Forderungen gegenüber Gesellschaftern oder verbundenen Unternehmen nicht börsen- oder marktmäßig gehandelt, sodass nicht feststellbar ist, zu welchem Preis die Gesellschaft den von ihrem Gesellschafter eingeräumten Gegenanspruch am Markt verkaufen könnte. Daher sind aufgrund von Bonitätsproblemen des Schuldners221) oder sonstigen Umständen222) zweifelhafte Forderungen auf den erwartungsgemäß eingehenden Betrag abzuwerten, uneinbringliche Forderungen voll abzuschreiben.223)

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Mit seiner Absage an die „vernünftige kaufmännischer Beurteilung“ bestätigt der BilMoG-Gesetzgeber mittelbar, dass es keine „bilanzielle Business Judgement Rule“ gibt. Dennoch muss die Ausfallwahrscheinlichkeit und damit der Abschreibungsbedarf prognostiziert werden. Ein Beurteilungsspielraum ist daher unver-

_____________ 217) Gehrlein/Born/Simon-Kuntz, GmbHG, § 30 Rn. 58. 218) RegE Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 57. 219) Beschlussempfehlung und Bericht RA z. RegE Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG, BT-Drucks. 16/12407, S. 8. 220) RegE Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 57. 221) Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Wiedmann, HGB, § 253 Rn. 104. 222) Schubert/Berberich in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 253 Rn. 569 f. 223) Ballwieser in: MünchKomm-HGB, § 253 Rn. 60.

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meidlich.224) Wie bei der Business Judgement Rule muss dieser Beurteilungsspielraum frei von persönlichen Interessen und auf der Grundlage angemessener Informationen, insbesondere eines Frühwarnsystems, ausgeübt werden.225) De facto wird dem Geschäftsführer also gar nichts anderes übrig bleiben, als „nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung“ den Marktwert zu prognostizieren,226) weil er nicht vor jeder Leistung an den Cash Pool ein Wertgutachten einholen oder Marktforschung betreiben kann. Das BilMoG verwehrt dies dem Geschäftsführer de iure, weil es „vernünftig“ mit „willkürlich“ gleichsetzt.227) Das MoMiG verlangt mit Absatz 1 Satz 2 Alt. 2 aber selbstverständlich keine willkürliche Vollwertigkeitsprognose. i)

„Teilweise Vollwertigkeit“?

Nach der Regierungsbegründung zum MoMiG ist Vollwertigkeit regelmäßig zu verneinen, wenn die Durchsetzbarkeit der Forderung absehbar in Frage gestellt ist.228) Hat der Geschäftsführer entsprechende Zweifel, darf er nicht an den Gesellschafter leisten, sofern die Leistung nicht aus freiem Vermögen oberhalb der Stammkapitalziffer möglich ist. Andernfalls haftet der Geschäftsführer gemäß § 43 Abs. 3 oder macht sich gar wegen Untreue strafbar (siehe Rn. 89).

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Wegen dieser Risiken ist Geschäftsführern davon abzuraten, es darauf ankommen zu lassen, ob der Gegenanspruch „teilweise vollwertig“ ist.229) Dies ist nicht nur ein Widerspruch in sich. Absatz 1 Satz 2 Alt. 2 privilegiert den Aktiventausch, d. h. Leistungen an Gesellschafter unter der Prämisse, dass diese bilanzneutral sind (siehe Rn. 50). Allerdings darf freies, von Absatz 1 Satz 1 nicht geschütztes Vermögen an Gesellschafter ausgeschüttet werden (siehe Rn. 9 f, 14 f). Nur soweit das an den Gesellschafter ausgezahlte Vermögen zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlich ist, ist es auch der Gegenanspruch gegen den Gesellschafter. Es ist daher vorab zu entscheiden, inwieweit die Leistung an den Gesellschafter kapitalerhaltungsrelevant

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_____________ 224) Fleischer, NJW 2009, 2337, 2341; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 242; Gehrlein/Born/Simon-Kuntz, GmbHG, § 30 Rn. 60; ebenso zum alten Bilanzrecht Goette/ Habersack-Vetter, MoMiG, Rn. 4.39 unter Hinweis auf Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289, 1293; Semler/Peltzer-Müller, Arbeitshandbuch für Vorstandsmitglieder, § 8 Rn. 5. Zum unternehmerischen Ermessen des GmbH-Geschäftsführers BGH, ZIP 2008, 1675 = GmbHR 2008, 1033 = NJW 2008, 3361 (ohne § 93 AktG zu erwähnen); zust. Fleischer, NJW 2009, 2337, 2339; zur Anwendbarkeit der Business Judgement Rule außerhalb des Aktienrechts Jungmann in: FS K. Schmidt, S. 831; zur Konkretisierung durch einen „kapitalgesellschaftsrechtlichen Vertrauensgrundsatz“ Fleischer, ZIP 2009, 1397. 225) Lutter/Bayer-Vetter, Holding-Handbuch, Rn. 11.39, 46. 226) Ähnlich Altmeppen, NZG 2010, 401, 402. 227) So ausdrücklich die Begr. RegE Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG, BTDrucks. 16/10067, S. 56. 228) RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 41 = Seibert, MoMiG, S. 171. 229) Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 27; Altmeppen, ZIP 2009, 49, 53; Altmeppen, NZG 2010, 401, 405 f; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 242; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 30 Rn. 69; Saenger/Inhester-Diers, GmbHG, § 30 Rn. 100; a. A. Kiefner/Theusinger, NZG 2008, 801, 804; Mülbert/Leuschner, NZG 2009, 281, 284; Verse, GmbHR 2018, 113, 120; Goette/Habersack-Vetter, MoMiG, Rn. 4.51; Goette/Habersack-Goette, MoMiG, Rn. 9.36, der die Verantwortung des Geschäftsführers betont; J. W. Flume, GmbHR 2011, 1258, 1263; Scholz-Verse, GmbHG, § 30 Rn. 91; Gehrlein/Born/Simon-Kuntz, GmbHG, § 30 Rn. 64.

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ist, also eine Unterbilanz herbeiführen oder vertiefen würde, stünde ihr nicht ein vollwertiger Gegenanspruch gegenüber.230) Nur insoweit ist die Leistung überhaupt Gegenstand des Auszahlungsverbots, nur insoweit bedarf es einer Privilegierung, nur insoweit bedarf es überhaupt eines Gegenanspruchs – der dann aber auch vollwertig sein muss. 79

Es ist demnach nicht „gutes Geld“ herzugeben, das etwa nur mit 60 %iger Wahrscheinlichkeit zurückkommt, nur weil 40 % aus freiem Vermögen stammen.231) Die Entnahme freien Vermögens ist den Gesellschaftern ohnehin kaum zu verwehren. Der nicht durch freies Vermögen gedeckte Teil muss aber zu 100 % sicher zurückzufordern sein. Traut man der Konzernmutter oder der Cash-Pool-Gesellschaft nicht zu, dass sie ihre Schulden zurückzahlen kann, sollte man ihr überhaupt kein Geld anvertrauen.232) Zweifel an der Solvenz des Gesellschafters lassen eine gegen ihn gerichtete Forderung im ganzen als „minderwertig“ erscheinen,233) egal ob deren Rückzahlung zu einem Teil gebundenes Vermögen wieder auffüllen und zu einem anderen Teil freies Vermögen „auferstehen“ lassen würde. Wer nicht in der Lage ist, ein Darlehen vollständig zurückzuzahlen, wird häufig auch nicht in der Lage sein, einen Teilbetrag zu zahlen.234) Eine 40 %ige Ausfallwahrscheinlichkeit kann zwar bedeuten, dass 60 % zurückgezahlt werden. Sie kann aber auch bedeuten, dass das Geld in vier von zehn Fällen nicht zurückgezahlt wird, dass also von zehn Gläubigern sechs ganz befriedigt werden und vier Gläubiger gar nicht, bevor ein Insolvenzverwalter die Gleichbehandlung der Gläubiger herstellt, insbesondere Rückzahlungen gemäß §§ 130, 133 InsO anficht. Eine Bank, die mit einer Rückzahlung von 60 rechnet, vertraut dem Schuldner nicht 100 an, sondern höchstens 60, eher weniger. Auch bei dementsprechend vorsichtiger Kreditvergabe kalkuliert ein Kreditgeber bezogen auf alle ausgereichten Kredite ein, dass einige Schuldner ganz oder teilweise ausfallen. Eine konzernabhängige Gesellschaft ist aber keine Bank, die sich von Gesetzes wegen (§§ 10 ff KWG, SolvV) darüber Gedanken machen muss, ob ihre Eigenkapitalbasis genügt, um Forderungsausfälle aufzufangen. Ihr steht im Cash-Management-System nur ein Schuldner gegenüber,235) dessen Leistungsfähigkeit freilich von derjenigen mehrerer Konzerngesellschaften abhängt.236) Die Versuchung, im Mangelfall die eine Gesellschaft zugunsten der anderen „auszuhungern“, liegt nahe. Deshalb muss i. R. d. prognosetypischen Restrisikos, also des allgemeinen Kreditrisikos,237) sicher sein, dass die Mutter oder die _____________ 230) Insoweit übereinstimmend Goette/Habersack-Vetter, MoMiG, Rn. 4.51; Goette/HabersackGoette, MoMiG, Rn. 9.36; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 30 Rn. 199. 231) Das Beispiel von Goette/Habersack-Vetter, MoMiG, Rn. 4.51 wird hier vereinfacht. 232) In diesem Sinne zuletzt auch Altmeppen, ZIP 2009, 49, 53. 233) So für die Kapitalaufbringung Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, 1449, 1453 f. 234) Gleichfalls für die Kapitalaufbringung Gesell, BB 2007, 2241, 2247. 235) Anders als bei einem Kreditinstitut wird daher das Ausfallrisiko eines einzelnen Kredits nicht „wegdiversifiziert“, Mülbert/Leuschner, NZG 2009, 281, 282. 236) Dies macht es schwierig, das „Klumpenrisiko“ im Cash Pool zu bewerten, hierzu Hentzen, ZGR 2005, 480, 504 f; Goette/Habersack-Vetter, MoMiG, Rn. 4.46; Fleischer/Schmolke, RIW 2009, 337. 237) Schubert/Berberich in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 253 Rn. 569.

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den Cash Pool betreibende Gesellschaft die Ansprüche aller Konzerngesellschaften erfüllen kann. Andernfalls besteht das Risiko, dass im Beispielsfall einer 40 %igen Ausfallwahrscheinlichkeit sechs Gesellschaften aus dem Cash-Pool versorgt werden und vier leer ausgehen. Aus dem Vergleich mit § 19 Abs. 5 folgt nichts anderes.238) Auch hier könnte man argumentieren, die Einlage sei etwa zu 60 % erbracht, wenn der Gegenanspruch für den hin- und hergezahlten Einlagebetrag mit 60 %iger Wahrscheinlichkeit erfüllt wird. Die Gesetzesverfasser lehnen eine bloße Differenzhaftung aber strikt ab und übertragen dies ausdrücklich auf „den Parallelfall der wertungsmäßig gleichzubehandelnden Kapitalerhaltung“.239) j)

Besicherung von externen Gesellschafterverbindlichkeiten

Besondere Probleme ergeben sich, wenn die Gesellschaft zwar nicht (allein) Liquidität an einen Gesellschafter abführt, sondern (auch) dessen Verbindlichkeiten gegenüber außenstehenden Gläubigern absichert.240) Im Konzern besichern abhängige Gesellschaften häufig eine Verbindlichkeit ihrer Mutter oder einer Schwester (Upstream Securities/Sidestream Securities).241) Das Gesetz erwähnt Sicherheitsleistungen der Gesellschaft nicht gesondert, sondern erfasst abstrakt jede „Leistung“ i. S. d. allgemeinen Auszahlungsverbots nach Absatz 1 Satz 1 (siehe Rn. 54). Auch die Gesetzgebungsmaterialien sprechen die Upstream Securities nicht direkt an. Die Gesetzesverfasser gehen aber davon aus, dass Absatz 1 Satz 2 Alt. 2 „entsprechend“ für Upstream Securities gilt.242)

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Die bei Absatz 1 Satz 2 Alt. 2 ohnehin bestehenden Bewertungsschwierigkeiten verschärfen sich dadurch, dass – anders als beim direkten Abfluss von Liquidität – unklar ist, ob und wann die Gesellschaft in Anspruch genommen wird. Die Sicherheit wird gerade für den Fall bestellt, dass sich die Verhältnisse zwischen Bestellung und Verwertung der Sicherheit ändern.243) Bei Bestellung „lebt“ der Gesellschafter häufig noch „in geordneten Verhältnissen“, während die Verwertung die zwischenzeitlich eingetretene „Unordnung“ zutage bringt.

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_____________ 238) Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 27; a. A. Hirte, ZInsO 2008, 689, 691; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, 801, 804; Mülbert/Leuschner, NZG 2009, 281, 284; Goette/Habersack-Vetter, MoMiG, Rn. 4.51. 239) Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/6140, S. 76 = Seibert, MoMiG, S. 151. 240) Vgl. BGHZ 138, 291 = ZIP 1998, 793 = NJW 1998, 2592, dazu EWiR 1998, 699 (Eckardt) – zur Nichtanwendbarkeit des § 30 Abs. 1 auf das begünstigte Kreditinstitut, zur Sittenwidrigkeit und insolvenzrechtlichen Anfechtbarkeit der Besicherung; zur Anfechtbarkeit der Tilgung einer fremden Schuld BGH, ZIP 2004, 917 = WM 2004, 932 = NZI 2004, 374, dazu EWiR 2004, 771 (Höpfner); Henckel, ZIP 2004, 1671. 241) Hierzu nach dem MoMiG etwa Kiefner/Theusinger, NZG 2008, 801, 804; Altmeppen, ZIP 2009, 49, 52; Sutter/Masseli, WM 2010, 1064; J. W. Flume, GmbHR 2011, 1258, 1264 f; Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 34 ff; eingehend Goette/Habersack/ Vetter, MoMiG, Rn. 4.68 ff; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 30 Rn. 87 ff; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, § 30 Rn. 30 ff; Scholz-Verse, GmbHG, § 30 Rn. 96 ff. 242) Seibert, MoMiG, S. 34; für einen Gleichlauf auch Goette/Habersack-Goette, MoMiG, Rn. 9.30 a. E.; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 30 Rn. 96 f; a. A. Lutter/ Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 36. 243) So bereits RGZ 136, 260, 265; ähnlich Goette/Habersack-Vetter, MoMiG, Rn. 4.84; parallel zum Verlustausgleichsanspruch gemäß § 302 AktG s. a. dort Rn. 4.111.

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Solange die Inanspruchnahme unwahrscheinlich ist,244) bedarf es keiner Rückstellungen i. S. v. § 249 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 HGB.245) Das Stammkapital wird weder gegenständlich noch bilanziell angetastet.246) Dies gilt selbst dann, wenn bereits eine Unterbilanz besteht. Nur muss dann wegen des Deckungsgebots die Besicherung marktgerecht vergütet werden (siehe Rn. 68). Konzernintern ist dies freilich weder erwünscht noch üblich, wegen des nicht diversifizierten Klumpenrisikos im Konzern247) i. Ü. wohl auch nicht bezahlbar.248)

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Nur solange die Inanspruchnahme unwahrscheinlich ist, kann aber die Besicherung auch bilanzneutral erfolgen. Selbst bei nichtakzessorischen Sicherheiten dürfte sich der Gläubiger im Regelfall zuerst an den Schuldner wenden, bevor er den Sicherungsgeber in Anspruch nimmt. Ist hingegen die Inanspruchnahme überwiegend wahrscheinlich und daher rückstellungspflichtig, dürfte es kaum zulässig sein, einen vollwertigen Freistellungs- und Rückgriffsanspruch gegen den Schuldner zu aktivieren. Wenn die Konzernmutter ihre Schulden gegenüber ihrem externen Gläubiger nicht bezahlt, wird sie kaum in der Lage sein, ihre in Anspruch genommene Tochtergesellschaft von der Forderung freizustellen oder Ersatz für die verwertete Sicherheit zu leisten.249)

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Vorstellbar ist hier allenfalls der Fall, dass die Mutter ihre liquiden Mittel lieber gewinnbringend am Kapitalmarkt anlegt, als den Kredit zurückzuzahlen, und hierfür die inzwischen vielleicht „uninteressant“ gewordene Tochter mit ihrer Sicherheit einstehen lässt. Der Geschäftsführer der Tochtergesellschaft kann diesen Fall jedoch kaum in seine Prognose einbeziehen, ob der Freistellungs- und Rückgriffsanspruch vollwertig ist. Die Entstehungsgeschichte des Absatzes 1 Satz 2 Alt. 2 verdeutlicht, dass man insbesondere an den kreditfinanzierten Unternehmenskauf dachte. Schon vor Ausbruch der Finanzkrise bestritt die MoMiG-Regierungsbegründung „mittellosen Erwerbsgesellschaften“ den Status als vollwertiger Schuldner der kreditierenden Gesellschaft i. S. v. Absatz 1 Satz 2 Alt. 2.250) Solche Anteilserwerber verdanken ihre Gesellschafterstellung häufig einer Kreditfinanzierung, die ihnen allein mit Blick auf die Liquidität der Gesellschaft oder eine von der Gesellschaft gestellte Sicherheit gewährt wurde. Der Rückgewähr- bzw. Freistellungsund Rückgriffsanspruch ist umso schwieriger zu bewerten, als die Kreditwürdigkeit des Schuldners (Anteilserwerbers) paradoxerweise von der Leistungsfähigkeit des Gläubigers (der Gesellschaft) abhängt.251) Besichert die Tochter den Kredit, mit _____________ 244) Schubert in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 247 Rn. 207. 245) Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289, 1295; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, 801, 805; zu den strengen Kriterien Gehrlein/Born/Simon-Kuntz, GmbHG, § 30 Rn. 59b. 246) Zur bilanziellen Behandlung Spliedt, ZIP 2009, 149, 152. 247) Mülbert/Leuschner, NZG 2009, 281, 282; Hentzen, ZGR 2005, 480, 504 f; Goette/ Habersack-Vetter, MoMiG, Rn. 4.46; Fleischer/Schmolke, ZHR 173 (2009) 649, 681 ff; Fleischer/Schmolke, RIW 2009, 337; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 244. 248) Überzeugend Goette/Habersack-Vetter, MoMiG, Rn. 4.77. 249) So insbesondere für den Verlustausgleichsanspruch gemäß § 302 AktG Goette/HabersackVetter, MoMiG, Rn. 4.111. 250) RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 41 = Seibert, MoMiG, S. 171 f, näher Seibert, MoMiG, S. 35 f. 251) Zu diesem Phänomen Goette/Habersack-Vetter, MoMiG, Rn. 4.47.

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welchem die Mutter die „Adoption“ der Tochter finanziert hat,252) so ist dies nur deshalb nicht von vornherein nichtig, weil § 33 den Erwerb eigener Anteile wesentlich weniger streng handhabt als §§ 71 ff AktG, insbesondere also auch keinen Umgehungsschutz für Financial Assistance kennt (vgl. § 71a Abs. 1 Satz 1 AktG). Gerade bei der GmbH ist aber die Financial Assistance i. R. eines Leveraged Buy Out verbreitet, bei der die Gesellschaft gewissermaßen ihren eigenen (Aus-)Verkauf finanziert.253) Derartige Transaktionen werden entweder bereits bei Bestellung der Sicherheit, spätestens jedoch dann von Absatz 1 Satz 1 eingeholt, wenn der Sicherungsfall eintritt und die Verwertung der Sicherheit das zur Stammkapitalerhaltung erforderliche Vermögen vermindert. Jedenfalls in dem Moment, in welchem das Vermögen der Gesellschaft durch Verwertung auch real gemindert wird, also zweifelsfrei i. S. v. Absatz 1 Satz 1 „ausgezahlt“ wird (siehe Rn. 41), hat die Gesellschaft in aller Regel keinen vollwertigen Gegenanspruch mehr.

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Stellt man also auf den Zeitpunkt der Bestellung ab und misst man das Verhalten des Geschäftsführers bei späteren Veränderungen wie auch sonst allein an den Sanktionen der §§ 43 Abs. 2, 64 Satz 3 (siehe Rn. 44),254) ist § 30 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 praktisch immer erfüllt. Stellt man auf den Zeitpunkt der Verwertung ab, geht die Norm hingegen ins Leere, weil ihre Voraussetzungen in diesem Zeitpunkt so gut wie nie erfüllt sein werden. Die Gesellschaft kann sich den „passenden“ Zeitpunkt aber ohnehin nicht aussuchen, soweit im Zeitpunkt der Besicherung die Würfel bereits gefallen sind. Kann die Sicherheit „zurückgeholt“ werden, bewirkt das „Stehenlassen“ entgegen der Auffassung des Bundesgerichtshofs eine neue Auszahlung.255) Sind der Gesellschaft die Hände gebunden, verwirklicht sich das allgemeine Kreditrisiko, bei dem sich nur die Frage stellen kann, ob es zulässigerweise eingegangen wurde (siehe Rn. 44, 62, 75).

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Bei Upstream Securities kommt das Konzept des § 30 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2, bilanzneutrale Transaktionen zu privilegieren, somit an seine Grenzen.256) Für die Praxis risikolos, d. h. zweifelsfrei (unter-)bilanzneutral und gemäß Absatz 1 Satz 1 zu-

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_____________ 252) Speziell zur Financial Assistance durch Besicherung nach dem MoMiG: Riegger, ZGR 2008, 233, 237 ff; Erne, GWR 2012, 503. 253) Zum Geschäftsmodell Claussen in: FS H. P. Westermann, S. 861, 871 f; zum Gläubigerschutz bei Leveraged Buyouts Eidenmüller, ZHR 171 (2007) 644; Eidenmüller, ZIP 2007, 1729; Seibt, ZHR 171 (2007) 282; Käpplinger, NZG 2010, 1411; Söhner, ZIP 2011, 2085; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 176 f, 254; Gehrlein/Born/Simon-Kuntz, GmbHG, § 30 Rn. 68, 77 f; gegen die pauschale Annahme eines existenzvernichtenden Eingriffs Schulz/Israel, NZG 2005, 329; zu den (sonstigen) rechtlichen Aktionsbedingungen von Finanzinvestoren: Fleischer, ZGR 2008, 185. 254) Hierfür im beachtlichen Argumenten Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 30 Rn. 110 f. 255) Umfassende Belege bei Kuntz, ZGR 2017, 917, 951 f; a. A. BGHZ 214, 258, 266 f Rn. 23 = ZIP 2017, 971, 973 m. Anm. Becker, S. 1599; Heerma/Bergmann S. 1261 = GmbHR 2017, 643, 644 ff, dazu EWiR 2017, 585 (K. Schmidt). 256) So auch Altmeppen, ZIP 2009, 49, 52; vgl. auch Altmeppen, NZG 2010, 401, 403 f; für völlige Unanwendbarkeit Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 36; für konsequente Anwendung dagegen Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 30 Rn. 95.

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lässig, ist und bleibt daher eine Besicherung auch und gerade nach dem MoMiG nur dann, wenn der Sicherungsnehmer in einer „limitation language“ von vornherein auf eine Verwertung zulasten gebundenen Vermögens verzichtet.257) Eine so limitierte Sicherheit hat immerhin noch rangwahrende Funktion,258) auch wenn sie im Ernstfall wertlos ist.259) k) Geschäftsführerhaftung 88

Ist der Anspruch gegen den Gesellschafter zum maßgeblichen Zeitpunkt (siehe Rn. 40 ff) gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 vollwertig, kann der Geschäftsführer die Auszahlung vornehmen, ohne gegen Absatz 1 Satz 1 zu verstoßen. Der Geschäftsführer muss jedoch bereits im Zeitpunkt der Auszahlung sicherstellen, dass der Gesellschaft alle Informationen offenstehen, welche ein Ausfallrisiko so früh als möglich erkennen lassen.260) Ist die Forderung gegen den Gesellschafter soweit abzuschreiben, dass (allein) hierdurch (oder zusammen mit anderen Faktoren) die Hälfte des Stammkapitals aufgezehrt wird, hat der Geschäftsführer die Gesellschafterversammlung einzuberufen (§ 49 Abs. 3). Dies ergibt sich häufig zwar erst aus einer Jahres- oder einer Zwischenbilanz, die nach der Leistung der Gesellschaft aufgestellt wird; jedoch muss sich der Geschäftsführer ohnehin jederzeit über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft informieren.261)

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Verletzt der Geschäftsführer die ihn hiernach treffende Überwachungspflicht, haftet er grundsätzlich nach § 43 Abs. 2. Gegebenenfalls haftet er aber, ohne sich durch einen Gesellschafterbeschluss vollständig entlasten zu können (§ 43 Abs. 3 Satz 3),262) nach § 43 Abs. 3, wenn er ein Darlehen oder eine Sicherheit „stehenlässt“, obwohl die Rückgewähr oder Freistellung gefährdet erscheint (siehe Rn. 44).263) Daneben kann die Insolvenzverursachungshaftung gemäß § 64 Satz 3 (siehe § 64 _____________ 257) Zur praktischen, nicht notwendig rechtlichen Relevanz Diem, ZIP 2003, 1283, 1287; Schrell/Kirchner, BB 2003, 1451, 1456; Komo, GmbHR 2010, 230, 234 f; Sutter/Masseli, WM 2010, 1064, 1067 ff; Theusinger/Kapteina, NZG 2011, 881, 886 f; Erne, GWR 2012, 503, 505 f; Becker, ZIP 2017, 1599; Kuntz, ZGR 2017, 917, 926 f., 951; Michalski/Heidinger/ Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 30 Rn. 96; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, § 30 Rn. 33; Scholz-Verse, GmbHG, § 30 Rn. 102; Gehrlein/Born/ Simon-Kuntz, GmbHG, § 30 Rn. 49; a. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 30 Rn. 98. Zur begrenzten Reichweite einer „limitation language“ OLG Frankfurt/M., NZI 2014, 363, 364. 258) Goette/Habersack-Vetter, MoMiG, Rn. 4.92. 259) Diem, ZIP 2003, 1283, 1287; Weitnauer, ZIP 2005, 790, 796 f. 260) Zur vergleichbaren Beurteilung bei § 311 AktG BGHZ 179, 71, 79 = ZIP 2009, 70, 72 = GmbHR 2009, 199, dazu EWiR 2009, 129 (Maier-Reimer) und Altmeppen, ZIP 2009, 49; Habersack, ZGR 2009, 347. Eine „Checkliste“ der relevanten Informationen bieten Hentzen, ZGR 2005, 480, 504 f; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 244; zur Investitionskontrolle bei Sicherheitenbestellung Kuntz, ZGR 2017, 917, 949 ff; zur Haftungsvermeidung durch ein Frühwarnsystem für die Bonität der Konzernholding Erne, GWR 2010, 314. 261) BGH, ZIP 1995, 560, 561 = GmbHR 1995, 299 = NJW-RR 1995, 669, dazu EWiR 1995, 785 (Wittkowski). 262) BGHZ 193, 96, 104 Rn. 27 = ZIP 2012, 1071 = GmbHR 2012, 740, dazu EWiR 2012, 415 (Paefgen/Dettke); Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 49a. 263) Mülbert/Leuschner, NZG 2009, 281, 283 f; a. A. – § 43 Abs. 2 – Goette/Habersack-Vetter, MoMiG, Rn. 4.60.

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Rn. 46 [Bork]) und eine deliktische Haftung eintreten.264) Den Straftatbestand der Untreue verwirklicht, wer werthaltiges Gesellschaftsvermögen gegen einen unsicheren Gegenanspruch hergibt und hierdurch die Zahlungsfähigkeit oder gar die Existenz der Gesellschaft gefährdet,265) selbst wenn später die Rückzahlung erfolgt.266) Darüber hinaus haften gemäß bzw. analog § 317 Abs. 1 und 3 AktG auch der Träger des herrschenden Unternehmens und dessen Geschäftsleiter, wenn letzterer Bonitätsveränderungen nicht rechtzeitig zum Anlass nimmt, den Anspruch der abhängigen Gesellschaft zu erfüllen oder zu besichern.267) l)

Abgrenzung zu § 43a

§ 30 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 ist von zu § 43a abzugrenzen, wenn der Leistungsempfänger nicht nur Gesellschafter, sondern zugleich Vertreter der Gesellschaft ist. Einem solchen darf Kredit nicht aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft gewährt werden, und wenn dies doch geschehen ist, so ist dieser Kredit zwingend mit sofortiger Fälligkeit zurückzugewähren. Ist aber der Rückzahlungsanspruch gegen den Gesellschafter aus dem Darlehensvertrag vollwertig, die Kreditgewährung bilanziell neutral, können die ausgereichten Darlehensvaluta rechnerisch nicht zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlich sein (siehe Rn. 35, 37, 50). Der Anspruch aus § 43a Satz 2 könnte in den von § 30 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 privilegierten Fällen nicht entstehen.

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Nach herkömmlichem Verständnis in der Lesart des insoweit nicht überholten „November-Urteils“ (siehe Rn. 51, 53) gilt § 43a aber unabhängig von der Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs und erstreckt sich auch auf Kredite, die einem kreditwürdigen, solventen Geschäftsführer gewährt oder die anderweitig ausreichend besichert werden.268) Zwar mag man die – in solchen Fällen kontrafaktische – unwiderlegliche Vermutung der Kreditunwürdigkeit als Ausnahme sehen, welche die bilanzielle Betrachtung als Regel bestätigt.269) Im Gesetzgebungsverfahren ist jedoch das Verhältnis des neuen § 30 Abs. 1 Satz 2 zu § 43a nicht geklärt worden,270) weder pro noch contra bilanzielle Betrachtung.271)

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_____________ 264) Fleischer, NJW 2009, 2337, 2341. 265) Hierzu Altmeppen in: VGR 12 (2007), S. 93, 107 unter Hinweis auf die Rspr. der Strafsenate bis BGHSt 49, 147 = ZIP 2004, 1200 = NJW 2004, 2248, dazu EWiR 2004, 723 (Eisner); ebenso danach BGH, wistra 2006, 265; BGH, ZIP 2008, 1426 = NJW 2008, 2451; BGH, NZG 2011, 1238 = GmbHR 2012, 30 = ZIP 2011, 2475 (LS), dazu Wessing/Krawczyk, NZG 2011, 1297; OLG Jena, GmbHR 2011, 813, 815; eingehend Bosch/Lange, JZ 2009, 225, 227 f; Arens, GmbHR 2010, 905; Rönnau/Krezer, ZIP 2010, 2269. 266) BGH, ZIP 2008, 1426, 1427 f = NJW 2008, 2451; hierzu Bosch/Lange, JZ 2009, 225, 236. 267) Altmeppen, NZG 2010, 401, 404 f, 406 f. 268) BGHZ 157, 72, 74 = ZIP 2004, 263, 264 = NJW 2004, 1111, dazu EWiR 2004, 911 (Schöne/Stolze); BGHZ 193, 96, 107 Rn. 35 = ZIP 2012, 1071 = GmbHR 2012, 740, dazu EWiR 2012, 415 (Paefgen/Dettke). 269) So Böcker, ZGR 2006, 213, 217. 270) Krit. zur fehlenden Abstimmung von § 30 Abs. 1 Satz 2 und § 43a bereits K. Schmidt, GmbHR 2007, 1072, 1073, 1076; K. Schmidt, GmbHR 2008, 449, 453. 271) Unentschieden auch Seibert, MoMiG, S. 36.

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Systematisch müsste derselbe Kapitalerhaltungsmaßstab gleichermaßen für § 30 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 wie für § 43a gelten, um widersprüchliche Ergebnisse zu vermeiden.272) Abfließendes Gesellschaftsvermögen, das durch einen vollwertigen Gegenanspruch gedeckt ist, wird – so der Gesetzgeber in § 30 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 – zur Erhaltung des Stammkapitals nicht gebraucht. Dann kann es bei Anwendung des § 43a nicht doch erforderlich sein. Allerdings soll § 43a der Selbstbedienungsmentalität von (Gesellschafter-)Geschäftsführern begegnen, die unmittelbaren Zugriff auf die Kasse haben und dazu neigen könnten, ihre eigene Bonität zu überschätzen.273) Die bilanzielle Betrachtung – genauer: der Betrachter – versagt hier, weil der Geschäftsführer Richter in eigener Sache ist. Wegen dieser besonderen Gefährdung war es bereits vor dem MoMiG nicht angezeigt, die traditionell strenge Interpretation des § 43a analog auf Darlehen an (nicht geschäftsführende) Gesellschafter zu übertragen.274) Mit § 30 Abs. 1 Satz 2 ist dieser Analogie nun zwar endgültig der Boden entzogen. Der Geschäftsführer bleibt jedoch ungeachtet des Absatzes 1 Satz 2 Alt. 2 ein untauglicher iudex in causa sua, sodass ihm der Bonitätsbeweis abgeschnitten bleibt.275) 6.

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Kapitalerhaltung

Einbezogene Gesellschafter und Dritte

Das von § 30 Abs. 1 geschützte Vermögen darf nicht an Gesellschafter ausgezahlt werden. Der Empfänger verstößt daher grundsätzlich nur dann gegen das Auszahlungsverbot, wenn er im Moment der Auszahlung (siehe Rn. 96) Gesellschafter ist. Jedoch wird das Verbot zum Schutz vor Umgehungen unter bestimmten Voraussetzungen auch auf Dritte übertragen (siehe Rn. 97 f). a) Formaler Gesellschafterstatus

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Gründungsgesellschafter müssen den Gesellschaftsvertrag (genauer: das Gründungsprotokoll, siehe § 2 Rn. 28 [Schäfer]) unterzeichnet haben (§ 2 Satz 2); die bei der Registeranmeldung vorzulegende Gesellschafterliste (§ 8 Abs. 1 Nr. 3) ist nicht konstitutiv. Für Neugesellschafter gegenüber der Gesellschaft maßgeblich (zur Abtretung aber siehe § 16 Rn. 8 [Brandes]) ist seit der GmbH-Reform 2008 nicht mehr die Anmeldung bei der Gesellschaft, sondern der Eintrag in die im Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste (§§ 16 Abs. 1, 40). Haben es allerdings Geschäftsführer oder Notar versäumt, die Gesellschafterliste zu aktualisieren, kann hiervon nicht der Schutz des § 30 Abs. 1 abhängen. Der Geschäftsführer und – im unwahrscheinlichen Fall einer Kollusion – der Notar hätten es andernfalls in der Hand, zugunsten eines künftigen Gesellschafters über das Gesellschaftsvermögen zu verfügen, indem sie die Aktualisierung der Gesellschafterliste verzögern. Ebenso wenig dürfen sich die praktisch häufigeren unbeabsichtigten Verzögerungen durch _____________ 272) Vgl. Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 19. 273) Zu den Motiven der Gesetzesverfasser BT-Drucks. 7/253, S. 124. 274) Unter Hinweis auf BT-Drucks. 8/1347, S. 74; BGHZ 157, 72, 74 = ZIP 2004, 263, 264 = NJW 2004, 1111, dazu EWiR 2004, 911 (Schöne/Stolze) und Wessels, ZIP 2004, 793; a. A. namentlich Lutter/Scheffler/U. H. Schneider-U. H. Schneider, Handbuch der Konzernfinanzierung, Rn. 25.60 f; K. Schmidt, GesR, § 37 III. 6. b, S. 1148 f, vgl. nun aber K. Schmidt, GmbHR 2008, 449, 453. 275) So auch Goette/Habersack-Vetter, MoMiG, Rn. 4.99.

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Bürofehler oder die Arbeitsweise des Registergerichts nachteilig auf den Kapitalschutz auswirken. b) Umgehungsschutz Angesichts der fundamentalen Bedeutung des Absatzes 1 für die Finanzverfassung ist die Norm über den beschriebenen Fall (siehe Rn. 94) hinaus umgehungsfest auszulegen.276) Kritisch sind daher Auszahlungen an Personen, die noch nicht oder nicht mehr Gesellschafter sind, es aber kurz nach der Auszahlung werden bzw. aufhören zu sein. Insbesondere in der Insolvenz wird der Verwalter umso eher Verdacht schöpfen, umso enger die Auszahlung und die Veränderung im Gesellschafterbestand zeitlich zusammenhängen.277)

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Als Auszahlung gilt jede Minderung des Gesellschaftsvermögens, die nicht durch eine vollwertige Gegenleistung oder gemäß Absatz 1 Satz 2 Alt. 2 zumindest durch einen vollwertigen Gegenleistungsanspruch gedeckt ist (siehe Rn. 37, 49 ff). Geht es um einen punktuellen, sofort (§ 271 BGB) zu vollziehenden Leistungsaustausch, ist dieser Zeitpunkt maßgeblich. Wirtschaftlich belastet jedoch bereits die Begründung einer Verbindlichkeit das Gesellschaftsvermögen, ebenso die Bildung einer Rückstellung oder die Bestellung einer Sicherheit (siehe Rn. 42 ff, 81 ff). Leistet die Gesellschaft in Erfüllung der Verbindlichkeit an einen ausgeschiedenen Gesellschafter, kann der Leistungsempfänger dem Vorwurf der verbotenen Auszahlung nicht entgegenhalten, dass er bei Erfüllung der Verbindlichkeit nicht mehr Gesellschafter ist, sofern er es noch war, als die Verbindlichkeit begründet, die Rückstellung gebildet oder die Sicherheit bestellt wurde.278)

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Auch ungedeckte (siehe Rn. 37, 49 ff) Zahlungen an Dritte können von Absatz 1 Satz 1 erfasst sein, wenn wirtschaftlich ein Gesellschafter profitiert,279) der nicht zugleich herrschendes Unternehmen im Vertragskonzern ist (Abs. 1 Satz 2 Alt. 1; siehe Rn. 103 ff). Zahlt die Gesellschaft nicht unmittelbar an den Gesellschafter, sondern auf dessen Verlangen an einen Dritten, dann ist wirtschaftlich nicht der Dritte, sondern der Gesellschafter Empfänger der Zahlung i. S. d. §§ 30, 31,280) so

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_____________ 276) Einzelheiten bei Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 149 ff; Rowedder/SchmidtLeithoff-Pentz, GmbHG, § 30 Rn. 17 ff. 277) Für zukünftige (und faktische) Aktionäre bestätigt in BGH, ZIP 2008, 118, 119 = DB 2008, 227 = NZG 2008, 106, dazu EWiR 2008, 545 (Schall); abgrenzend dazu OLG Hamburg, ZIP 2013, 74, 76 = GmbHR 2012, 1242 = NZG 2013, 137. 278) RGZ 80, 148, 150 f; RGZ 133, 393, 395; BGHZ 13, 49, 54 = NJW 1954, 1157 = GmbHR 1954, 75; OLG Hamburg, ZIP 2013, 74, 75 = GmbHR 2012, 1242 = NZG 2013, 137; a. A. freilich für die beendete Beteiligung des Gesellschafters an einem verbundenen Unternehmen BGH, ZIP 1996, 68 = GmbHR 1996, 111 = NJW 1996, 589, dazu EWiR 1996, 121 (Crezelius). 279) Umfassend Altmeppen in: FS Kropff, S. 641; Überblick über die nachfolgend genannten Fallgruppen bei OLG Düsseldorf, GmbHR 2017, 239, 241 = ZInsO 2016, 2313. 280) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 8 ff; Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 13.

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etwa, wenn die Gesellschaft private Schulden des Gesellschafters begleicht281) oder hierfür eine Sicherheit leistet (siehe Rn. 80 ff).282) Gleiches gilt, wenn die Gesellschaft aufgrund einer Abrede mit dem Gesellschafter die Verbindlichkeiten eines Dritten gegenüber der Gesellschaft mindert und hierdurch mittelbar ihren Gesellschafter begünstigt.283) Ohne dass es auf eine Umgehung ankäme, muss sich nach allgemeinen Grundsätzen (§§ 404, 1275 BGB) der Zessionar oder Pfandgläubiger eines Gesellschafters das Auszahlungsverbot ebenso entgegenhalten lassen wie der Gesellschafter.284) 98

Als praktische, nicht rechtsverbindliche Orientierung für die Einbeziehung Dritter kann § 138 InsO dienen, der den Kreis nahestehender Personen – wenngleich für einen anderen Zweck – definiert.285) Unter Hinweis auf die Vorläufer des § 138 InsO286) hat der Bundesgerichtshof in ähnlicher „Typisierung von Umgehungstatbeständen“ analog §§ 89 Abs. 3, 115 Abs. 2 AktG287) Leistungen an nahe Angehörige des Gesellschafters,288) an vom Gesellschafter maßgeblich beeinfluss-

_____________ 281) BGHZ 60, 324, 330 = NJW 1973, 1036, 1038 = GmbHR 1973, 163 – hier allerdings Zahlung aus dem KG-Vermögen an einen Kommanditisten, der zugleich Gesellschafter der Komplementär-GmbH war; BGH, ZIP 2008, 2217, 2218 = GmbHR 2008, 1319 = NJW 2009, 68, dazu EWiR 2009, 23 (Kort). Zur insolvenzrechtlichen Anfechtbarkeit der Tilgung einer fremden Schuld BGH, ZIP 2004, 917 = WM 2004, 932 = NZI 2004, 374, dazu EWiR 2004, 771 (Höpfner); Henckel, ZIP 2004, 1671; speziell im Cash Management (Rn. 53) BGHZ 162, 276 = ZIP 2005, 767, 768 ff = DB 2005, 1216, dazu EWiR 2005, 737 (Haas/Panier); BGH, ZIP 2006, 957, 958 = WM 2006, 1156 = BB 2006, 1596, dazu EWiR 2006, 469 (Henkel); BGH, ZIP 2008, 1385, 1386 = WM 2008, 1459 = NJW-RR 2008, 1628, dazu EWiR 2009, 29 (Eisner). 282) RGZ 136, 260, 263 f; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 286; Gehrlein/Born/ Simon-Kuntz, GmbHG, § 30 Rn. 47 - auch für Sicherheitsleistung an Gesellschafter als Gläubiger eines Dritten; a. A. BGHZ 138, 291, 298 = ZIP 1998, 793, 795 = NJW 1998, 2592, dazu EWiR 1998, 699 (Eckardt). 283) BGH, ZIP 2000, 1251, 1255 = NJW 2000, 2577, insoweit in BGHZ 144, 336 nicht abgedr. Hier war der GmbH-Gesellschafter auch am Drittempfänger, einer GbR, beteiligt und erst nach der streitgegenständlichen Abrede aus der GbR ausgeschieden. 284) BGH, ZIP 2008, 177, 179 f = GmbHR 2008, 198 = NJW 2008, 1153, dazu EWiR 2008, 273 (Selke) – zur eigenkapitalersetzenden Gebrauchsüberlassung, für § 30 Abs. 1 trotz § 135 Abs. 3 InsO weiter gültig; näher Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 285. 285) Diff. Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 157 ff. Gegen eine Berücksichtigung des § 138 InsO i. R. d. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO BGHZ 188, 363, 367 ff = ZIP 2011, 575, 576 ff = GmbHR 2011, 413, dazu EWiR 2011, 285 (Spliedt). 286) §§ 31 Nr. 2, 32 Nr. 2 KO, §§ 3 Nr. 2, 4 AnfG a. F. 287) BGHZ 81, 365, 368 f = ZIP 1981, 1332 = NJW 1982, 386, in Abgrenzung zu BGHZ 77, 94, 106 = ZIP 1980, 453 = NJW 1980, 2254; bestätigt im zweiten Revisionsurteil BGH, ZIP 1983, 1448, 1449 = GmbHR 1984, 18 = NJW 1984, 1036. Zum Fehlen entsprechender Tatbestände in § 43a Beschlussempfehlung und Bericht d. RA z. RegE eines Gesetzes zur Änderungen des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 8/3908, S. 75. 288) BGHZ 81, 365, 368 f = ZIP 1981, 1332 = NJW 1982, 386; BGH, ZIP 1990, 1467 = GmbHR 1990, 552 = NJW 1991, 357, dazu EWiR 1990, 1211 (G. Müller); BGH, ZIP 1991, 366 = GmbHR 1991, 155 = WM 1991, 678, dazu EWiR 1991, 681 (Frey); BGH, ZIP 1993, 1072 = GmbHR 1993, 503 = NJW 1993, 2179, dazu EWiR 1993, 1207 (v. Gerkan); vgl. aber BGH, NJW 1999, 2123 = WM 1999, 1379 = DStR 1999, 810.

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te,289) ihm verbundene Unternehmen290) oder an Treuhänder des Gesellschafters291) bzw. den Gesellschafter als Treuhänder des Empfängers292) als Leistungen an einen Gesellschafter gewertet. Ein gewisser Bruch mit § 30 Abs. 1 liegt allerdings darin, dass der II. Zivilsenat die Notwendigkeit subjektiver Tatbestandsmerkmale (Kenntnis oder Kennenmüssen) zumindest erwogen hat.293) Häufig handelt es sich bei den zitierten Entscheidungen um solche zu Gesellschafterdarlehen oder gleichwertigen Finanzierungshilfen nach altem Recht (siehe Rn. 125 ff, zum neuen Recht siehe Anhang zu § 30 Rn. 41 f [Thiessen]), die jedoch wegen damaliger Anlehnung an § 30 Abs. 1 auch für den regulären Auszahlungstatbestand aussagekräftig sind. c) GmbH & Co. KG In der Struktur atypischer Personengesellschaften, namentlich der GmbH & Co. KG liegt die besondere Gefahr begründet, dass Leistungen an Mitglieder der Personengesellschaft zulasten des Vermögens der persönlich haftenden Kapitalgesellschaft erbracht werden.294) Die Rückzahlung der Einlage an den Kommanditisten lässt zunächst dessen Haftung bis zur Höhe der Einlage neu entstehen (§§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 Satz 1 HGB). Sie kann jedoch mittelbar auch das Vermögen der Komplementär-GmbH angreifen (siehe Rn. 46 f). Ist der Kommanditist zugleich Gesellschafter der KomplementärGmbH, trifft ihn das Auszahlungsverbot des Absatzes 1 unmittelbar.295) Selbst wenn beim Kommanditisten nur ein Anlegerinteresse besteht und ihm ein bestimmender Einfluss auf die Geschäftsführung fehlt, ist dennoch nach der allerdings zweifelhaften Rechtsprechung auch der Nur-Kommanditist für die Ausstattung beider Gesellschaften mit haftendem Kapital verantwortlich,296) wenn keine _____________ 289) BGH, ZIP 1990, 1593 = GmbHR 1991, 99 = NJW 1991, 1057, dazu EWiR 1991, 67 (v. Gerkan); BGH, ZIP 1996, 68 = GmbHR 1996, 111 = NJW 1996, 589, dazu EWiR 1996, 121 (Crezelius); BGH, ZIP 1999, 1314 = GmbHR 1999, 916 = NJW 1999, 2822. Vgl. auch BGH, ZIP 2005, 117, 118 m. Anm. Altmeppen = GmbHR 2005, 225 = NZI 2005, 237, dazu EWiR 2005, 221 (Wilhelmi); BGH, ZIP 2005, 250, 251 = GmbHR 2005, 299 = DB 2005, 328. 290) BGHZ 81, 311, 315 = ZIP 1981, 1200 = NJW 1982, 383; BGH, ZIP 1987, 1050, 1051 = GmbHR 1986, 302 = WM 1986, 789, dazu EWiR 1986, 587 (Weipert); BGH, ZIP 1996, 68 = GmbHR 1996, 111 = NJW 1996, 589, dazu EWiR 1996, 121 (Crezelius); BGH, DStR 2007, 2270 = ZIP 2007, 2364 (LS); abl. OLG München, ZIP 2006, 564, 567 = GmbHR 2005, 1486 = WM 2005, 2231 – bei Auszahlung an 100 %ige Tochter- oder Enkelgesellschaft wegen äquivalenter Wertsteigerung der Beteiligung. 291) BGH, ZIP 1992, 242 = GmbHR 1992, 165 = NJW 1992, 1167, dazu EWiR 1992, 279 (Joost). 292) BGH, ZIP 1990, 1593 = GmbHR 1991, 99 = NJW 1991, 1057, dazu EWiR 1991, 67 (v. Gerkan); BGH, ZIP 1991, 366 = GmbHR 1991, 155 = WM 1991, 678, dazu EWiR 1991, 681 (Frey); vgl. aber einschränkend BGH, ZIP 1991, 396 = GmbHR 1991, 456 = WM 1991, 524, dazu EWiR 1991, 337 (Blomeyer). 293) BGHZ 81, 365, 369 = ZIP 1981, 1332 = NJW 1982, 386. 294) Zu den möglichen Konstellationen K. Schmidt in: MünchKomm-HGB, §§ 171, 172 Rn. 127 ff; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 30 Rn. 115 ff; Ekkenga in: MünchKommGmbHG, § 30 Rn. 189 ff. 295) BGHZ 60, 324, 327 f = NJW 1973, 1036, 1038 = GmbHR 1973, 163. Die dort thematisierte entsprechende Anwendung der §§ 30, 31 betraf die Mithaftung gemäß § 31 Abs. 3, dazu die Abgrenzung in BGH, ZIP 1990, 451, 453 = GmbHR 1990, 249 = DB 1990, 926, dazu EWiR 1990, 481 (Joost). 296) Zur Ähnlichkeit mit der heute offiziell obsoleten (Anhang zu § 30 [Thiessen]) Finanzierungs(folgen)verantwortung bei der Unternehmensfinanzierung durch Gesellschafterdarlehen Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, § 30 Rn. 56 m. w. N.

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natürliche Person unbeschränkt haftet, da der Komplementär die ihm vom Gesetz zugedachte „Bremsfunktion“ nicht übernehmen kann, wenn die Gesellschafter diese Stelle mit einer Kapitalgesellschaft besetzt haben, die nur über einen begrenzten Haftungsfonds verfügt.297) Freilich beruht diese Rechtsprechung auf der kontrafaktischen Annahme, dass der „Naturalkomplementär“ stets der bessere Sachwalter der Gläubiger sei. Dabei dürfte gerade bei Publikumsgesellschaften eine seriös geführte Komplementär-GmbH für eine bessere Kapitalausstattung der KG sorgen als etwa ein „Strohkomplementär“, der bereits an Eides statt seine Vermögenslosigkeit versichert hat. 102

Leistungen an Dritte, insbesondere an ausgeschiedene Gesellschafter, nahe Angehörige, verbundene Unternehmen und Treuhänder/Treugeber,298) werden nach den für die GmbH geltenden Grundsätzen (siehe Rn. 95 ff) in das Verbot einbezogen, um Umgehungen zu begegnen. Insbesondere kann dies virulent werden, wenn ein ausscheidender GmbH-Gesellschafter seinen Anteil an die KG verkauft, die ihn mittelbar zulasten des GmbH-Vermögens aus dem KG-Vermögen bezahlt.299) Abseits solcher Umgehungsfälle ist es jedoch grundsätzlich unbedenklich, wenn etwa der GmbH-Geschäftsführer und einzige Kommanditist GmbH-Vermögen an die KG auszahlt, um einer Inanspruchnahme der GmbH durch Dritte aus §§ 161 Abs. 2, 128 HGB zuvorzukommen.300) III. Ausnahme für Vertragskonzerne (Abs. 1 Satz 2 Alt. 1) 1.

Zweck der Privilegierung

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Absatz 1 Satz 2 Alt. 1 nimmt Leistungen, welche die Gesellschaft bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags an einen Gesellschafter als anderen Vertragsteil oder einen Dritten (siehe Rn. 106) erbringt, vom allgemeinen Auszahlungsverbot des Satzes 1 aus. Auf diese Weise vollzieht Absatz 1 Satz 2 Alt. 1 für die GmbH einen Teil dessen nach, was für AG und KGaA gemäß § 291 Abs. 3 AktG gilt: Leistungen der Gesellschaft i. R. eines bestehenden Beherrschungsoder Gewinnabführungsvertrags werden ungeachtet des § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG und des § 30 Abs. 1 Satz 1 als kapitalschutzrechtlich unbedenklich fingiert.

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Bereits in der Vergangenheit wurde von der Rechtsprechung vorausgesetzt, dass § 291 Abs. 3 AktG analog auf die GmbH als Teil eines Vertragskonzerns anzuwen_____________ 297) BGHZ 110, 342, 355 ff = ZIP 1990, 578 = NJW 1990, 1725, dazu EWiR 1990, 479 (Bergmann); BGH, ZIP 1990, 1593 = GmbHR 1991, 99 = NJW 1991, 1057, dazu EWiR 1991, 67 (v. Gerkan); OLG Celle, GmbHR 2003, 900, 901 = NZG 2004, 183; einschränkend für Kommanditisten mit Informationsrechten entsprechend § 51a Gehrlein/Born/SimonKuntz, GmbHG, § 30 Rn. 107; krit. zur Rspr. auch Thiessen in: Staub, HGB, § 172 Rn. 180. Eingehend zu den Haftungsrisiken des Anlegerkommanditisten Gehling, BB 2011, 73. 298) BGH, ZIP 1990, 1593 = GmbHR 1991, 99 = NJW 1991, 1057, dazu EWiR 1991, 67 (v. Gerkan). 299) Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 63; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, § 30 Rn. 57; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 30 Rn. 128. 300) OLG Koblenz, Urt. v. 16.7.2010 – 10 U 1510/09, juris, Rn. 27 f. Unberührt bleibt eine – in casu nicht gegebene – Haftung aus § 64 Satz 1.

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den ist und analog § 302 AktG eine Verlustausgleichspflicht besteht.301) Daher legitimiert § 30 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 nachträglich eine gängige, freilich nicht unumstrittene302) Praxis und bringt so lediglich eine – sehr begrenzte – Klarstellung, der es nach Ansicht des früheren Vorsitzenden des II. Zivilsenats nicht einmal bedurft hätte303) und die der MoMiG-RegE mit keinem Wort begründet.304) Die Vorschrift ersetzt kein kodifiziertes GmbH-Konzernrecht.305) Dementsprechend bleibt ungeregelt, inwieweit die Vorschriften des Aktienvertragskonzernrechts analog anzuwenden sind.306) Es bestehen daher insoweit dieselben Grundsätze (und Unsicherheiten) wie vor dem MoMiG fort (siehe Anhang zu § 13 Rn. 14 ff [Weller/Discher]). 2.

Umfang der Privilegierung

Die Einführung von Absatz 1 Satz 2 Alt. 1 ist vor dem Hintergrund des gleichfalls geänderten § 291 Abs. 3 AktG zu sehen. Anders als nach § 291 Abs. 3 AktG a. F. muss die Leistung nun lediglich „bei Bestehen“, nicht mehr „aufgrund“ des Unternehmensvertrags erfolgen.307)

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Die Parteien des konzernrechtlichen Unternehmensvertrags und die Beteiligten des Leistungsaustauschs müssen nicht identisch sein. Zu diesem Zweck wurde die Formulierung des RegE („zwischen den Vertragsteilen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags“) vom Rechtsausschuss durch die Formulierung „bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags“ ersetzt.308) Privilegiert werden so auch Leistungen an Dritte auf Veranlassung des herrschenden Unternehmens, bspw. an andere Konzernunternehmen oder an Unternehmen, die mit dem herrschenden Unternehmen oder anderen Konzernunternehmen in Geschäftsverbindungen stehen.309)

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_____________ 301) BGHZ 103, 1, 10 = ZIP 1988, 229 = NJW 1988, 1326, dazu EWiR 1988, 1149 (Koch) und Kort, ZIP 1988, 681; BGHZ 142, 382 = ZIP 1999, 1965 = NJW 2000, 210; BGH, ZIP 2002, 35, 36 f = GmbHR 2002, 62 = NJW 2002, 822, dazu EWiR 2002, 51 (Wilken); BGHZ 168, 285, 288 f = ZIP 2006, 1488, 1489 = NJW 2006, 3279, dazu EWiR 2006, 577 (Lenz). 302) Aus der neueren Literatur etwa Scholz-Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 177, 179; Dampf, Der Konzern 2007, 157, 165, 169 f. 303) Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, Rn. 51; Goette in: R. Schröder, Reform des GmbH-Rechts, S. 11, 21. 304) Vgl. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 41 f = Seibert, MoMiG, S. 171 f. Zur Änderung im Gesetzgebungsverfahren Beschlussempfehlung und Bericht d. RA z. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/9737, S. 56 = Seibert, MoMiG, S. 170, 172, zu dieser Änderung Seibert, MoMiG, S. 35. 305) Allgemein zu Aufstieg und Krise des GmbH-Konzernrechts Wiedemann, GmbHR 2011, 1009; näher zu Unternehmensverträgen im GmbH-Konzern und zu den begrenzten Auswirkungen des § 30 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 Beck, GmbHR 2014, 1075. 306) Grundlegend BGHZ 105, 324 = ZIP 1989, 29 = NJW 1989, 295, dazu EWiR 1989, 59 (Schulze-Osterloh); Kort, ZIP 1989, 1309. 307) Diese Änderung betrifft nicht nur § 291 Abs. 3 AktG, sondern auch §§ 57 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1, 71a Abs. 1 Satz 3 AktG. 308) Beschlussempfehlung und Bericht d. RA z. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/9737, S. 56 = Seibert, MoMiG, S. 170, 172, zu dieser Änderung Seibert, MoMiG, S. 35. 309) So der Vorschlag des Handelsrechtsausschusses des DAV, NZG 2007, 735, 740, den der RA, BT-Drucks. 16/9737, S. 56, wörtlich übernommen hat.

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Kapitalerhaltung

107

Besteht ein Beherrschungsvertrag, bedarf es für die Leistung damit auch keiner Weisung (§ 308 Abs. 1 AktG) mehr.310) Bei einem isolierten Gewinnabführungsvertrag311) sind nun wohl auch Leistungen abseits der Gewinnabführung als solcher privilegiert. Zumindest wird der neue Normtext auch beim isolierten Gewinnabführungsvertrag als sachliche Änderung verstanden,312) obwohl der Rechtsausschuss diesen Fall nicht erkennbar reflektiert hat.313) Nach der früheren Formulierung waren sonstige Leistungen, die nicht „aufgrund“ des Gewinnabführungsvertrags erfolgten, also der Gesellschaft mehr Vermögen entzogen als den zulässigerweise abführbaren Bilanzgewinn selbst,314) an §§ 57, 58 und 60 AktG zu messen.315) Auch für den GmbH-Vertragskonzern stellt § 30 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 klar, dass Leistungen, die durch einen Gewinnabführungsvertrags (mit-)veranlasst sind, zumindest nicht gegen Absatz 1 Satz 1 verstoßen. Damit ist indes nicht gemeint, dass derartige Leistungen sanktionslos bleiben (siehe Rn. 112).

108

Im Aktienvertragskonzern kann die Gewinnverwendung und Gewinnverteilung wegen § 291 Abs. 3 AktG entgegen §§ 58, 60 AktG erfolgen. Das GmbH-Recht greift letztere Privilegierung nicht ausdrücklich auf, obwohl § 29 Abs. 2 und 3 ähnliche Regelungen für die GmbH bereithält. Auch hier bestimmt jedoch der Unternehmensvertrag die Modalitäten der Ergebnisverwendung. Die Minderheit kann analog §§ 304, 305 AktG geschützt werden.316)

109

Aus dem Kreis der möglichen Unternehmensverträge hat der GmbH-Reformgesetzgeber lediglich die beiden in § 291 AktG geregelten Vertragstypen ausgewählt. Nicht einbezogen sind also die Gewinngemeinschaft, der Teilgewinnabführungsvertrag, der Betriebspacht- und der Betriebsüberlassungsvertrag (§ 292 Abs. 1 AktG)317) sowie die gleichfalls kapitalschutzrelevante, aber ausdrücklich auf AG bezogene318) Eingliederung (§§ 319, 323 Abs. 2 AktG). _____________ 310) Auch dies geht zurück auf das Argument des Handelsrechtsausschusses des DAV NZG 2007, 735, 740, dass „ausdrückliche Weisungen in der Praxis der Vertragskonzerne nur selten vorkommen“. Krit. zum konzeptionellen Ansatz der Reform Altmeppen, NZG 2010, 361, 363. Dennoch dürfte ein Beherrschungsvertrag wie nach altem Recht keine Rückwirkung haben, dazu Pentz, ZIP 2006, 781, 786 mit Abgrenzung zum Gewinnabführungsvertrag unter Hinweis auf BGHZ 122, 211, 223 ff = ZIP 1993, 751, 755 = NJW 1993, 1976, dazu EWiR 1993, 529 (Priester). 311) Zu deren Verbreitung im GmbH-Vertragskonzern, Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 18; zu deren steuerrechtlicher Erleichterung Emmerich/HabersackEmmerich, Konzernrecht, § 291 AktG Rn. 60. 312) Goette/Habersack-Vetter, MoMiG, Rn. 4.104; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 108, § 30 Rn. 103 ff; Altmeppen, NZG 2010, 361, 365 ff; krit. Habersack in: FS Schaumburg, S. 1291, 1295 ff. 313) Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht d. RA z. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/9737, S. 56 = Seibert, MoMiG, S. 170, 172. 314) Prägnant zum alten Recht Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 291 Rn. 29; ähnlich Emmerich/Habersack-Emmerich, Konzernrecht, § 291 AktG Rn. 74. 315) Bayer in: MünchKomm-AktG, § 57 Rn. 133. 316) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 87. 317) Zur umstrittenen analogen Anwendung der §§ 292 ff AktG auf GmbH-Verträge Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 123 ff. 318) Emmerich/Habersack-Habersack, Konzernrecht, § 319 AktG Rn. 5 f auch zur KGaA.

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§ 30

Kapitalerhaltung

3.

Verlustübernahme und sonstige Sanktionen

Zentrale Sanktion im GmbH-Vertragskonzern ist die Verlustübernahme analog § 302 Abs. 1 AktG. Um die von § 291 Abs. 3 AktG erlaubte Beeinträchtigung des Kapitalschutzes zu kompensieren,319) ist der begünstigte Vertragspartner verpflichtet, jeden Jahresfehlbetrag auszugleichen, der dem anderen Vertragspartner während der Vertragsdauer ohne den Ertrag aus der Verlustübernahmepflicht (§ 277 Abs. 3 Satz 2 HGB) entstehen würde.320) Dass der fiktive Jahresfehlbetrag auch im GmbHVertragskonzern auszugleichen ist, war schon vor dem MoMiG anerkannt321) und wird in § 30 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 bestätigt. Wichtig ist zudem für den endenden Unternehmensvertrag der Gläubigerschutz analog § 303 AktG.322)

110

Der bilanziellen Betrachtungsweise entsprechend (siehe Rn. 13 ff), klärt die Neuerung im Kontext des Absatzes 1 Satz 1 vor allem, dass eine Auszahlung bei vollwertigem Verlustausgleichsanspruch (siehe Rn. 115 ff) nicht verboten sein kann, weil der Ausgleichsanspruch verhindert, dass eine Unterbilanz entsteht oder vertieft wird. Der Ausgleichsanspruch gewährleistet also die Bilanzneutralität von Leistungen bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags.

111

Unklar ist, wie sich § 30 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 (ebenso § 57 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 AktG) auf die Sanktionen beim isolierten Gewinnabführungsvertrag (siehe Rn. 107) auswirkt.323) Wegen § 316 AktG sind nämlich „bei Fehlen eines Beherrschungsvertrags“ (Abschnittsüberschrift vor § 311 AktG) auf den (zulässigen) isolierten Gewinnabführungsvertrag zwar nicht die §§ 312 – 315 AktG, wohl aber die §§ 311, 317 AktG anzuwenden, insbesondere bei überhöhter Gewinnausweisung oder -abführung (§ 301 AktG), ohne dass der Gewinnabführungsvertrag als solcher ein unzulässiger bzw. ausgleichspflichtiger Nachteil wäre.324) In der AG bietet § 301 AktG einen dem § 302 AktG vorgelagerten Schutz, der verhindern soll, dass es allein durch überhöhte Gewinnabführung zu einem ausgleichspflichtigen Jahresfehlbetrag kommt.325) Insofern ist es konsequent, einen Verstoß gegen § 301 AktG (auch) durch §§ 311, 317 AktG zu ahnden. In der GmbH beschränkt sich die Vermögensbindung jedoch auf das Stammkapital (siehe Rn. 9 f und Rn. 113), sodass schon aus diesem Grund die Grenze des § 301 AktG nicht maßgeblich ist. Umgekehrt passen aber die §§ 311 ff AktG, welche eine „undue influence“ auf den grundsätzlich weisungsunabhängigen Vorstand (§ 76 Abs. 1 AktG) sanktionieren, ohnehin nicht recht auf die weisungs-

112

_____________ 319) Dies ist jedenfalls auch Zweck des § 302 AktG, Emmerich/Habersack-Emmerich, Konzernrecht, § 302 AktG Rn. 17. 320) Zur Aktivierung des Verlustausgleichsanspruchs Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 102. 321) BGHZ 103, 1, 10 = ZIP 1988, 229 = NJW 1988, 1326, dazu EWiR 1988, 1149 (Koch) und Kort, ZIP 1988, 681; BGHZ 142, 382 = ZIP 1999, 1965 = NJW 2000, 210; BGH, ZIP 2002, 35, 36 f = GmbHR 2002, 62 = NJW 2002, 822, dazu EWiR 2002, 51 (Wilken); BGHZ 168, 285, 288 f = ZIP 2006, 1488, 1489 = NJW 2006, 3279, dazu EWiR 2006, 577 (Lenz). 322) Hierzu Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 72, 75. 323) Eingehend Altmeppen, NZG 2010, 361, 365 ff. 324) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 291 Rn. 149 f; Emmerich/Habersack-Emmerich, Konzernrecht, § 291 AktG Rn. 61; Emmerich/Habersack-Habersack, Konzernrecht, § 316 AktG Rn. 10. 325) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 301 Rn. 3.

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Kapitalerhaltung

abhängige GmbH-Geschäftsführung (§ 37 Abs. 1 a. E.).326) Dennoch wird zum Teil analog § 317 Abs. 3 AktG eine haftungsbewehrte Pflicht der Konzerngeschäftsleiter angenommen, die Solvenz des herrschenden Unternehmens zu gewährleisten.327) 113

Wegen § 30 Abs. 1 Satz 1 genügt es, die Verlustübernahme analog § 302 AktG auf den Schutz des Stammkapitals zu beschränken, da der im Vertragskonzern suspendierte Kapitalschutz nur soweit kompensiert werden muss, soweit er nach der jeweiligen Rechtsform grundsätzlich besteht.328) Selbst wenn man demgegenüber die Verlustübernahmepflicht wie bei der AG auf den vollen Jahresfehlbetrag erstrecken will,329) kann die Sanktion im Vergleich zu §§ 30, 31 dennoch milder sein. Der auszugleichende Jahresfehlbetrag ist nämlich geringer als die vom abhängigen Unternehmen erbrachte Leistung, soweit diese durch Erträge ausgeglichen wird, sodass sich die Verlustübernahme auf einen verbleibenden Negativsaldo beschränkt.330) Demgegenüber entfällt der Anspruch aus § 31 Abs. 1 auch dann nicht, wenn das Stammkapital im Zuge einer günstigen Geschäftsentwicklung wieder aufgefüllt wird (siehe § 31 Rn. 28 f [Thiessen]). 4.

Grenzen der Privilegierung

114

Der Unternehmensvertrag gewährt keinen Freibrief, die Gesellschaft „auszuplündern“. Welche Grenzen nach dem MoMiG zu beachten sind, ist jedoch nicht eindeutig, weil der Reformgesetzgeber sich auf das mutmaßlich cash-pool-gefährdende „November-Urteil“ des Bundesgerichtshofs konzentriert (siehe Rn. 51, 53 ff) und den Vertragskonzern nur en passant mit erledigt hat (siehe Rn. 104).

115

Der II. Zivilsenat hatte obiter – und ohne Konzernbezug – postuliert, dass die Leistung der Gesellschaft in deren Interesse liegen, marktkonform erfolgen, also einem Drittvergleich standhalten und durch einen vollwertigen Gegenanspruch gedeckt sein müsse.331) Ähnliche Kriterien galten schon bisher im Vertragskonzernrecht. Allerdings stellt § 308 Abs. 1 Satz 2 AktG auf die Belange des herrschenden Unternehmens oder der anderen verbundenen Unternehmen ab und nicht wie das „NovemberUrteil“ auf die Belange der abhängigen Gesellschaft. Jedoch dürfen nachteilige Weisungen nicht die Existenz der abhängigen Gesellschaft gefährden.332) Dieses Ziel verwirklicht im faktischen GmbH-Konzern im Gewand des § 826 BGB die gerade auf GmbH-Konzerne zielende Rechtsprechung zum existenzvernichtenden Eingriff (siehe Rn. 158, 160). Im Vertragskonzern verhindert dies die Verlustübernahmepflicht (§ 302 AktG), soweit und solange der Verlustausgleichsanspruch voll_____________ 326) Hüffer/Koch, AktG, § 311 Rn. 51; Ulmer/Habersack/Löbbe-Casper, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 53 ff; Emmerich/Habersack-Habersack, Konzernrecht, Anh. § 318 AktG Rn. 6. 327) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 154 f, § 30 Rn. 56. 328) Zum Meinungsstand Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 76 f. 329) Baumbach/Hueck-Zöllner/Beurskens, GmbHG, 20. Aufl. 2013, SchlussAnhKonzernR Rn. 130; zurückhaltender nun Baumbach/Hueck/Beurskens, GmbHG, AnhKonzernR Rn. 74. 330) Dies betont Goette/Habersack-Vetter, MoMiG, Rn. 4.108. 331) BGHZ 157, 72, 77 = ZIP 2004, 263, 265 = NJW 2004, 1111, dazu EWiR 2004, 911 (Schöne/Stolze). 332) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 57 ff; Altmeppen, NZG 2010, 361, 365; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 30 Rn. 90.

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wertig ist.333) Entsprechendes gilt im faktischen Aktienkonzern für die Pflicht auf Nachteilsausgleich (§ 311 AktG).334) Das Verbot der Existenzgefährdung wird mittelbar durch § 297 Abs. 1 Satz 2 AktG bestätigt.335) Danach kann ein Unternehmensvertrag aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist namentlich dann gekündigt werden, wenn der andere Vertragsteil voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seine aufgrund des Vertrags bestehenden Verpflichtungen zu erfüllen. Ist diese Gefahr bereits absehbar, wenn die nachteilsauslösende Weisung oder Veranlassung oder die Gewinnabführung erfolgt, geht die von § 302 AktG vorausgesetzte Kompensationswirkung ins Leere, auch wenn (oder gerade weil) der Ausgleichsanspruch erst zum Ende des Geschäftsjahres entsteht. Aus Sicht der Gläubiger ist dies auch deshalb relevant, weil diese gemäß § 303 AktG Sicherheitsleistungen vom herrschenden Unternehmen nur zur Kompensation des wegfallenden Verlustausgleichsanspruchs, d. h. erst bei Beendigung des Unternehmensvertrags verlangen können. Daher muss der Vertreter des abhängigen Unternehmens die Leistung bei Zahlungsschwierigkeiten der Muttergesellschaft verweigern dürfen;336) andernfalls haftet er gemäß (bzw. bei einer GmbH analog) § 310 AktG.337)

116

An alledem hat das MoMiG nichts geändert. Jedoch dürfte es für die Vollwertigkeitsprognose wie bei § 30 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 und § 57 Abs. 1 Satz 3 Alt. 2 AktG auch bei §§ 302, 311 AktG auf „bilanzielles Denken“ (siehe Rn. 4, 50) ankommen.338) Für den faktischen Aktienkonzern (§ 311 AktG) hat der II. Zivilsenat dies ausdrücklich bestätigt.339) Die mit der Vollwertigkeitsprognose verbundenen Zweifelsfragen – etwa zur Besicherung des Ausgleichsanspruchs340) (siehe Rn. 63) oder zum maßgeblichen Zeitpunkt bei Besicherung einer Verbindlichkeit des herrschenden oder eines anderen konzernverbundenen Unternehmens und die vorab zu vereinbarenden Grenzen der Inanspruchnahme341) (siehe Rn. 81 ff, 87) – stellen sich daher bei §§ 302, 311 AktG ebenso wie bei § 30 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 und § 57 Abs. 1 Satz 3 Alt. 2 AktG, wo sie Praxis und Wissenschaft vom Reformgesetzgeber schon im Normtext aufgegeben worden sind.

117

_____________ 333) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 302 Rn. 38 f; Altmeppen, NZG 2010, 361, 364 f. 334) Emmerich/Habersack-Habersack, Konzernrecht, § 311 AktG Rn. 78. 335) Vgl. Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 48, freilich mit entgegengesetztem Ergebnis, weil § 297 Abs. 1 AktG zwar zur Kündigung berechtigt, aber bis zur Kündigung keine Vorwirkung entfaltet. 336) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 302 Rn. 40; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 62; Altmeppen, NZG 2010, 361, 364 f; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, § 30 Rn. 50; Scholz-Verse, GmbHG, § 30 Rn. 75; a. A. Lutter/ Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 48. 337) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 82 f. 338) Vgl. Habersack, ZGR 2009, 347, 356. 339) BGHZ 179, 71 = ZIP 2009, 70, 72 = GmbHR 2009, 199, dazu EWiR 2009, 129 (MaierReimer) und Altmeppen, ZIP 2009, 49; Habersack, ZGR 2009, 347. 340) Habersack in: FS Schaumburg, S. 1291, 1298 f. 341) Goette/Habersack-Vetter, MoMiG, Rn. 4.109 ff.

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IV. Ausnahme für Gesellschafterdarlehen (Abs. 1 Satz 3) 118

Wie bereits der im Wesentlichen für Konzerne gedachte § 30 Abs. 1 Satz 2 (siehe Rn. 53 ff, 103 ff) soll auch Satz 3 eine verbreitete, aber umstrittene Praxis der flexiblen Unternehmensfinanzierung (siehe Rn. 3, 5, 123 ff) in gewissen Grenzen legitimieren. Anstelle von Eigenkapital können Gesellschafter ihrer Gesellschaft Darlehen oder sonstige Finanzierungshilfen gewähren, die sie ohne die Schranke des Absatzes 1 Satz 1 zurückfordern dürfen (siehe Rn. 129 ff). Satz 3 suggeriert allerdings eine völlige Freiheit der Rückgewähr, die so nicht besteht.342) Außerhalb des GmbH-Rechts, im Insolvenz- und Anfechtungsrecht, unterliegen die gesellschafterseitigen Finanzierungshilfen strengen, schematischen Regeln, welche die Gesellschafter unter Umständen härter treffen als das Auszahlungsverbot des Absatzes 1 Satz 1 (siehe Rn. 132 f, siehe Anhang zu § 30 Rn. 23 [Thiessen]). Verbleibende Schutzlücken (siehe Rn. 134 ff) dürften von der Rechtsprechung geschlossen werden (siehe Rn. 143 ff). Aufgrund der Übergangsvorschriften (siehe Rn. 186 ff) wird das alte Recht die Praxis noch viele Jahre beschäftigen. 1.

119

Neuerung durch MoMiG – Hintergrund

§ 30 Abs. 1 Satz 3 gilt seit der GmbH-Reform 2008. Die Neuerung ist nur vor dem Hintergrund einer einhundertjährigen Praxis verständlich. Denn angesichts der bilanziellen Auslegung von Absatz 1 Satz 1 (siehe Rn. 13 ff) ist nicht ohne Weiteres erkennbar, wie sich die Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen (hier wird nur der Grundfall des Darlehens dargestellt; für die sonstigen von Absatz 1 Satz 3 erfassten Rechtshandlungen siehe Rn. 129 f sowie Anhang zu § 30 Rn. 14 ff [Thiessen]) auf die Erhaltung des Stammkapitals negativ auswirken könnte. Was bilanziell naheliegt, ordnet Absatz 1 Satz 3 nun ausdrücklich an, dass nämlich die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens per se nicht kapitalerhaltungsrelevant ist.343) a) Kapitalerhaltungsrechtliche Neutralität von Darlehen an die Gesellschaft

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Ein gewöhnliches Darlehen, das der Gesellschaft gewährt wird, schlägt auf beiden Seiten der Bilanz zu Buche. Die Darlehensvaluta werden aktiviert; entweder im Kassenbestand oder als Guthaben bei der Bank, welche das Gesellschaftskonto führt, auf welches der Gesellschafter die Valuta überwiesen hat. Der Rückgewähranspruch wird unter den Verbindlichkeiten passiviert. Was auf der Aktivseite mit der Darlehensvaluta geschieht, hängt davon ab, wie die Gesellschaft mit dem Darlehen wirtschaftet. Diesbezügliche Veränderungen vollziehen sich unabhängig von der geschuldeten Rückzahlung des Darlehens. Zahlt die Gesellschaft das Darlehen zurück, wird einerseits die bislang passivierte Verbindlichkeit gegenüber dem Darlehensgeber ausgebucht. Andererseits reduziert sich der Aktivbestand in Kasse oder Bankguthaben um den gleichen Betrag. Ob die Gesellschaft ein weiteres Darlehen aufnehmen muss, um das ursprüngliche Darlehen zurückzuzahlen, ist für dessen bilanzielle Behandlung ohne Belang. Mit der Rückzahlung entfällt der Darlehensbetrag (ggf. zuzüglich Zinsen) gleichermaßen auf der Aktiv- wie auf der Passivseite. _____________ 342) Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 67. 343) Goette/Habersack-Habersack, MoMiG, Rn. 5.14; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 257.

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Für die Frage, ob das Aktivvermögen das Passivvermögen zuzüglich der Stammkapitalziffer deckt, ist dieser Vorgang irrelevant. Ein gewöhnliches Darlehen kann daher nicht i. S. v. Satz 1 zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlich sein. b) Informations- und Quotenvorteil der Gesellschafter in der Insolvenz Gesellschafterdarlehen werden jedoch seit Jahrzehnten nicht mehr als gewöhnliche Darlehen wahrgenommen. Ihr besonderer Reiz für die Gesellschafter und ihre besondere Gefahr für die Gesellschaft und deren Gläubiger zeigt sich in der Insolvenz. Gut informierte Gesellschafter erkennen die drohende Insolvenz eher als außenstehende Gläubiger und ziehen ihre Darlehen entweder rechtzeitig ab, oder sie dominieren die Insolvenztabelle vor allem zulasten ungesicherter Warenkreditgeber.

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Um diesem Verhalten zu begegnen, bieten sich zwei Wege an. Entweder die Gesellschafterdarlehen werden wie Einlagen behandelt, auf deren Rückgewähr kein Anspruch besteht, sodass sie analog § 30 Abs. 1 (heute: Satz 1) dem Auszahlungsverbot unterfallen können. Oder die Gesellschafter werden in der Insolvenz nicht als reguläre Gläubiger angesehen. Während traditionell in Deutschland die kapitalschutzrechtliche Lösung im Vordergrund stand (siehe Rn. 125), wurde sie mit der GmbH-Reform 2008 zugunsten der insolvenzrechtlichen Lösung abgeschafft (siehe Rn. 129, zu den Motiven siehe Rn. 126 ff und Anhang zu § 30 Rn. 4 [Thiessen]).344)

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c) Ablehnung des Nachschusskonzepts Gesellschafterdarlehen folgen demselben Bedürfnis nach flexibler Unternehmensfinanzierung wie die gesetzliche Zulassung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung im Jahre 1892.345) Nach dem Vorbild der Kolonialgesellschaften wurde auch im Inland tätigen Gesellschaftern eine Rechtsform zur Verfügung gestellt, die ihnen gestattete, ihre Angelegenheiten und besonders die Finanzierung der Gesellschaft nach ihren eigenen Vorstellungen zu ordnen.

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Um die Finanzierung gegenüber der strengen AG zu flexibilisieren, traten neben das starre System von Kapitalerhöhung und Kapitalherabsetzung (§§ 55 ff) die Nachschüsse gemäß §§ 26 ff. Die Gesellschafter konnten sich vorab zu Nachschüssen verpflichten, die auf Gesellschafterbeschluss eingefordert werden konnten (siehe Rn. 162 ff). Aus konjunkturellen und steuerrechtlichen Gründen wurde von dieser Möglichkeit jedoch kaum Gebrauch gemacht. Ursprünglich wurden die meisten GmbH mit einem Stammkapital ausgestattet, das dem geplanten Geschäftsbetrieb angemessen erschien und das weit oberhalb der gesetzlichen Mindeststammkapitalziffer lag. Als die wirtschaftliche Lage dies nicht mehr zuließ, waren die Gesellschafter auch nicht bereit, Nachschüsse zu vereinbaren. Stattdessen gewährten sie der Gesellschaft Darlehen, welche keines Gesellschafterbeschlusses bedurften (anders die Nachschüsse gemäß § 26 Abs. 1) und ohne Rücksicht auf die für Nachschüsse modifizierten Kapitalerhaltungsnormen (§§ 28, 30 Abs. 2, hierzu siehe Rn. 166, 172). Steuerlich hatte dies den zusätzlichen Vorteil, dass die Gesellschaft die Darlehenszinsen als Betriebsausgaben absetzen konnte, wobei der Gesellschafter die _____________

124

344) Deutlich Habersack, ZIP 2007, 2145. 345) Zum Folgenden umfassend Hommelhoff/Kleindiek in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 423, 431; Duss/Linder-Thiessen, Rechtstransfer in der Geschichte, S. 446, 474 ff.

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entsprechenden Zinseinnahmen zu seinem geringeren persönlichen Steuersatz versteuerte. d) Rechtsprechungs- und Novellenregeln 125

Der Informations- und Quotenvorteil der Gesellschafter in der Insolvenz (siehe Rn. 121) veranlasste Praxis, Wissenschaft und Gesetzgeber, die Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen einzuschränken. Dem Gesetzgeber vorauseilend, erklärte das Reichsgericht 1937, dass Gesellschafter, die ihre Darlehen im Konkurs zurückfordern, „das gesunde Volksempfinden“ verletzten und der Gesellschaft und deren Gläubigen eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung gemäß § 826 BGB zufügten.346) Ohne die Sprache des „Dritten Reichs“ zu bemühen, erklärte das Gericht obiter vier Jahre später, möglicherweise habe das streitgegenständliche Gesellschafterdarlehen verlorenes Stammkapital ersetzt und unterliege dann der Ausschüttungssperre des § 30 Abs. 1 GmbHG.347) Diesen kapitalerhaltungsrechtlichen Ansatz bildete der Bundesgerichtshof fort.348) Gegen dessen Widerstand konnte der Gesetzgeber die bereits 1939 geplante,349) seit 1980 geltende350) insolvenzbezogene Lösung („Novellenregeln“, §§ 32a, b a. F., § 32a KO) nicht durchsetzen. Unter dem überwiegenden Beifall der Wissenschaft351) hielt der Bundesgerichtshof 1984 an seinen „Rechtsprechungsregeln“ ausdrücklich fest,352) obwohl diese durch die GmbH-Novelle 1980 eigentlich ersetzt werden sollten.353) e) Rechtspolitische Kritik

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Spätestens seit Mitte der neunziger Jahre354) hat die Rechtsprechung jedoch laute Kritik erfahren, als sie im Wettlauf mit der Kautelarpraxis und deren immer feinsinnigeren Umgehungsmaßnahmen immer differenziertere Verbotstatbestände aus § 30 Abs. 1 ableitete. Als reformbedürftig galt jedoch nicht allein die Komplexität, „die wuchernde Entwicklung des Eigenkapitalersatzrechts“, das „abschreckend kompliziert, teuer und damit (eine) Belastung für das ganze System“ sei.355) Auch die dogmatischen Grundlagen wurden zunehmend bestritten.356) _____________ 346) RG, JW 1938, 862, 864; zum Kontext dieser und der folgenden RG-Entscheidung Duss/ Linder-Thiessen, Rechtstransfer in der Geschichte, S. 446, 475 ff; zur Kontinuität der späteren BGH-Rspr. relativierend Nassall, NJW 2010, 2305, 2306; ausführl., aber ohne auf die zeitbedingten Argumente einzugehen, Gehrlein, NZI 2014, 481, 484. 347) RGZ 166, 51, 61. 348) BGHZ 31, 258, 272 = NJW 1960, 285 = GmbHR 1960, 43. Zum weiteren Verlauf der Rspr. Gehrlein, BB 2011, 3 f. 349) Schubert, Entwurf 1939, S. 93, 103 f, 163 f. 350) Gesetz zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften, BGBl. I 1980, 836. 351) Sprichwörtlich K. Schmidt, JZ 1984, 880 („Aufstand der Makulatur“); ähnlich später Altmeppen, ZIP 1996, 1455 – Novellenregeln als „Tiefpunkt gesetzgeberischer Kunst“. 352) BGHZ 90, 370, 377 ff = ZIP 1984, 698 = GmbHR 1984, 313. 353) RegE eines Gesetzes zur Änderungen des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 8/1347, S. 39. 354) Claussen, GmbHR 1994, 9; Claussen, GmbHR 1996, 316; Grunewald, GmbHR 1997, 7; vgl. für das Jahrzehnt davor Claussen in: FS H. P. Westermann, S. 861, 864. 355) Seibert, MoMiG, S. 1 m. w. N., ähnlich S. 39. 356) Krit. gegenüber allen herkömmlichen Begründungen etwa Cahn, AG 2005, 217, 222.

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§ 30

Kapitalerhaltung

Die Analogie zu § 30 Abs. 1 wurde damit gerechtfertigt, dass den Darlehen die Funktion von eigentlich benötigtem Eigenkapital zukomme. Die hiernach als „Eigenkapitalersatzrecht“ bezeichnete Rechtsfortbildung konnte jedoch nur solange bestehen, solange man bereit war, deren Prämissen357) zu akzeptieren: die eigenkapitalersetzende Funktion der Darlehen; eine scheinbar auf Eigenkapital beruhende und daher vorgetäuschte Liquidität einer ohne Darlehen nicht lebensfähigen Gesellschaft; der Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens von Gesellschaftern, welche die an sich notwendige Eigenkapitalausstattung durch Darlehen ersetzen, diese Darlehen aber gerade dann zurückfordern, wenn sie am nötigsten gebraucht werden.

127

Jedes dieser Argumente ist nach dem bilanziellen Verständnis des Auszahlungsverbots (siehe Rn. 13 ff) zu widerlegen. Darlehen sind definitionsgemäß kein Eigenkapital, sondern Fremdkapital.358) Sind die Darlehen ordnungsgemäß bilanziert (zur Änderung des § 19 Abs. 2 InsO siehe Anhang zu § 30 Rn. 60 [Thiessen]),359) wird über die Kapitalbasis der Gesellschaft niemand getäuscht. Ist das Darlehen von vornherein kündbar, verhält sich der Gesellschafter, der sein Darlehen kündigt, nicht widersprüchlich.360) Vollends zu weit ging der Bundesgerichtshof aus Sicht seiner Kritiker, als er die Gebrauchsüberlassung von Vermögensgegenständen wie ein Darlehen beurteilte, obwohl der überlassene Gegenstand keinem Verlustrisiko unterlag, die Gebrauchsüberlassung also keine Kreditfunktion, geschweige denn Eigenkapitalfunktion hatte.361) Zudem ist die kapitalschutzrechtliche Lösung im Rechtsvergleich gegenüber insolvenzrechtlichen Ansätzen allein in Deutschland und – umfassend gesetzlich geregelt – in Österreich362) zu Hause.363)

128

f)

Reaktion des Reformgesetzgebers

Angesichts der Fundamentalkritik (siehe Rn. 126 ff) reduziert sich die Legitimation des Eigenkapitalersatzrechts scheinbar auf eine „Glaubensfrage“, ob man nämlich die Gesellschafter in der Finanzierungs(-folgen-)verantwortung sieht zu wählen, ob die Gesellschaft durch neues Eigenkapital am Leben erhalten oder aber deren geordnete Liquidation eingeleitet wird.364) Der Reformgesetzgeber hat diese Frage mit den „berichtigenden Worten“ des Absatzes 1 Satz 3 beantwortet und die Gesellschafterdarlehen dem System der Kapitalerhaltung entzogen, ohne eine _____________ 357) Prägnant zusammengefasst in BGHZ 90, 381, 388 f = ZIP 1984, 572, 575 = NJW 1984, 1893. 358) Eingehend Claussen in: FS H. P. Westermann, S. 861, 868 ff. 359) Schubert in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 266 Rn. 255; Schubert in: Beck’scher BilanzKommentar, § 247 Rn. 231 f; umfassend v. Gerkan/Hommelhoff-Kleindiek, Hdb. Kapitalersatzrecht, Rn. 7.1 ff. 360) Zu den beiden vorgenannten Argumenten Grunewald, GmbHR 1997, 7, 8 f; Grunewald/ Noack, GmbHR 2005, 189, 194. 361) Altmeppen, ZIP 1996, 909, 911; mit unterschiedlichen Akzenten Röhricht, ZIP 2005, 505, 512; Bayer/Graff, DStR 2006, 1654, 1656; K. Schmidt, ZIP 2006, 1925, 1933. 362) Bundesgesetz über Eigenkapital ersetzende Gesellschafterleistungen (EigenkapitalersatzGesetz – EKEG), BGBl. I Nr. 92/2003. 363) Hierzu Lutter-Huber/Habersack, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 370, 381 ff. 364) Hierzu K. Schmidt, JZ 2009, 10, 18.

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Kapitalerhaltung

besondere Verantwortung der Gesellschafter anzuerkennen.365) Einen neuen „Aufstand der Makulatur“ wird es dennoch nicht geben; der Vorsitzende des zuständigen II. Zivilsenats hat angekündigt, der Senat werde den „Nichtanwendungserlass“ des Gesetzgebers diesmal befolgen.366) Für die erweiterten bzw. neuen insolvenzrechtlichen Regeln über Gesellschafterdarlehen stellt sich die Legitimationsfrage umso drängender (siehe Anhang zu § 30 Rn. 5 ff [Thiessen]). Aber auch für die „Rechtsprechungsregeln“ (siehe Rn. 125) ist sie nicht obsolet, weil die Übergangsregeln (siehe Rn. 186 ff) die Praxis zwingen, das alte Recht noch auf Jahre hinaus anzuwenden.367) 2.

Privilegierung im GmbH-Recht

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Absatz 1 Satz 3 erfasst zwei Grundformen der Gesellschaftsfinanzierung: Gesellschafterdarlehen sowie Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen (siehe Anhang zu § 30 Rn. 8 ff [Thiessen]). Wird das Darlehen zurückgewährt oder eine Forderung erfüllt, die auf einer darlehensäquivalenten Rechtshandlung beruht, ist das Auszahlungsverbot des Absatzes 1 Satz 1 unabhängig von der Vermögenslage der Gesellschaft nicht anwendbar. Die Privilegierung der Gesellschafterdarlehen im GmbH-Recht führt jedoch nicht etwa dazu, dass insolvenzrechtlich gesperrte Rückgewähransprüche (siehe Rn. 132 f) einem anders als durch Gesellschafterdarlehen begründeten Rückzahlungsanspruch aus §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 im Wege der Aufrechnung entgegengehalten werden könnten.368)

131

Ob es sich um ein Gesellschafterdarlehen oder ein externes Darlehen handelt, ist anhand der potentiellen, aktuellen oder aufgegebenen Gesellschafterstellung nach den gleichen Maßstäben zu beurteilen wie auch sonst i. R. v. Absatz 1 Satz 1 (siehe Rn. 93 ff). Die zweite Alternative des Absatzes 1 Satz 3 erlaubt es jedoch, Forderungen Dritter als einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlungen zu beurteilen. Konsequenzen hat die Unterscheidung nur im Insolvenz- bzw. Anfechtungsrecht, da dort Sondervorschriften gelten, welche die Gesellschafter im Vergleich zu externen Gläubigern schlechter stellen (siehe Rn. 132 f, näher siehe Anhang zu § 30 Rn. 61 ff [Thiessen]). Für die Kapitalerhaltung ist die Unterscheidung seit dem MoMiG ohne Belang. „Echtes“ Fremdkapital unterliegt von vornherein nicht Absatz 1 Satz 1, da dessen Rückgewähr nicht an Gesellschafter erfolgt. Gesellschafterdarlehen und gleichgestellte Forderungen sind nach Absatz 1 Satz 3 vom Auszahlungsverbot ausgenommen. Die Privilegierung erstreckt sich rückwirkend auch auf strafrechtliche Untreuevorwürfe wegen Rückgewähr von Darlehen oder Erfüllung wirtschaftlich entsprechender Forderungen.369) Jedoch hat der Gesellschafter nicht notwendig eine Gläubigerstellung i. S. d. § 283c Abs. 1 StGB, die allein eine Strafbarkeit wegen Gläubigerbegünstigung nach sich zöge; _____________ 365) Prägnant Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 8, 15. 366) Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, Rn. 57; Goette in: R. Schröder, Reform des GmbH-Rechts, S. 11 f. 367) Vgl. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl., 2012, Vor §§ 32 a, b a. F. Rn. 1: „dualistische Rechtssituation“. 368) OLG Düsseldorf, GmbHR 2017, 239, 243 = ZInsO 2016, 2313. 369) OLG Stuttgart, ZIP 2009, 1864, 1865 = DB 2009, 2256.

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Kapitalerhaltung

vielmehr subsumiert der Bundesgerichtshof in Strafsachen die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens auch nach der Reform von 2008 unter den Tatbestand des Bankrotts gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB.370) 3.

Erweiterte Regelung im Insolvenz- und Anfechtungsrecht

Der „Nichtanwendungserlass“371) des § 30 Abs. 1 Satz 3 erweckt den unzutreffenden Eindruck, als stünden Gesellschafterdarlehen und wirtschaftlich entsprechende Finanzierungsformen im Belieben der Gesellschafter. Der Reformgesetzgeber von 2008 hat jedoch den früher „(Eigen-)Kapitalersatzrecht“ genannten Komplex aus Gesetz und Richterrecht vollständig ins Insolvenz- und Anfechtungsrecht verlagert. Obwohl von „kapitalersetzenden“ Darlehen nicht mehr die Rede ist (anders zuvor §§ 39, 135 InsO a. F., § 6 AnfG a. F., § 24 UBBG), ist die insolvenz- und anfechtungsrechtliche Regelungsdichte für Gesellschafterdarlehen gegenüber dem bis 2008 geltenden Recht gestiegen. Die einschlägigen Normen (§§ 19 Abs. 2 Satz 2, 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 und 5, §§ 44a, 135, 143 InsO; §§ 6, 6a, 11 AnfG) werden im Anhang zu § 30 eingehend erläutert. An dieser Stelle soll ein kurzer Überblick genügen.

132

Die „Novellenregeln“ der §§ 32a, b a. F. werden gestrichen. Ihr Regelungsgehalt wird in die Insolvenzordnung und das Anfechtungsgesetz übertragen. Dies gilt namentlich für das geringfügig veränderte Sanierungsprivileg (§ 39 Abs. 4 Satz 2 InsO; § 32a Abs. 3 Satz 3 a. F.) und das Kleinbeteiligungsprivileg (§ 39 Abs. 5 InsO; § 32a Abs. 3 Abs. 3 Satz 2 a. F.) und sowie für die gesellschafterbesicherten Fremddarlehen (§§ 44a, 143 Abs. 3 InsO; §§ 6a, 11 Abs. 3 AnfG; §§ 32a Abs. 2, 32b a. F.). Beim Überschuldungsstatus nach § 19 Abs. 2 InsO sind Gesellschafterdarlehen mit qualifiziertem Rangrücktritt nicht zu berücksichtigen. Der insolvenzrechtliche Nachrang in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO wird auf alle Gesellschafterdarlehen erstreckt, egal ob sie Eigenkapital ersetzen sollen oder nicht. Die bisher schlummernde372) Anfechtung nach § 135 InsO bzw. nach § 6 AnfG wird zur zentralen Sanktion gegenüber zurückgezahlten Gesellschafterdarlehen. Darlehensäquivalente Finanzierungsformen werden wie bisher einbezogen (§ 19 Abs. 2 Satz 2, § 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 5 Satz 2, § 44a, § 135 Abs. 1 vor Nr. 1, Abs. 2 Halbs. 2, § 143 Abs. 3 Satz 2 a. E. InsO, § 6 Abs. 1 vor Nr. 1, § 6a Satz 1 Halbs. 2, § 11 Abs. 3 Satz 2 a. E. AnfG; §§ 32a Abs. 3 Satz 1, 32b Satz 4 a. F.). Die Nutzungsüberlassung durch Gesellschafter ist nun ausdrücklich geregelt (§ 135 Abs. 3 InsO).

133

4.

Lücken der insolvenzrechtlichen Lösung

Durch § 30 Abs. 1 Satz 3 „verbietet“ der Gesetzgeber den Gerichten, die bisher praktizierte Analogie zu Absatz 1 (= Satz 1 n. F.) fortzuführen. Die insolvenzrechtliche Lösung (siehe Rn. 122, 132 f und Anhang zu § 30 [Thiessen]) ist als abschließend _____________ 370) BGH, GmbHR 2017, 925, 926 = ZInsO 2017, 1038 = NZI 2017, 542. 371) Zu weiteren „Nichtanwendungsgesetzen“ im GmbH-Recht K. Schmidt, JZ 2009, 10, 17 f; nochmals sehr krit. zu § 30 Abs. 1 Satz 3 K. Schmidt, ZIP 2010, Beilage Heft 39, S. 15, 16; allgemein zur rechtspolitischen Opportunität von „Nichtanwendungsgesetzen“ Fleischer/ Wedemann, AcP 209 (2009) 597, 618 ff. 372) Vgl. Winter, Der Konzern 2004, 171, 172: „unsichtbare Norm“, ähnlich zuletzt K. Schmidt, JZ 2009, 10, 16 f; ebenso aus Sicht des Insolvenzrechtssenats G. Fischer, ZGR 2006, 403, 417 – „Schattendasein“, „Dornröschenschlaf“.

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gedacht. Damit versperrt das Gesetz der Rechtsprechung den Weg zur Auffüllung unerwarteter Lücken.373) 135

Zeigen sich Lücken der insolvenzrechtlichen Lösung, drängt das Analogieverbot des § 30 Abs. 1 Satz 3 die Gerichte auf Wege außerhalb von Absatz 1. Enger im Vergleich zu § 30 Abs. 1 ist die insolvenzrechtliche Lösung in dreierlei Hinsicht: außerhalb der Insolvenz (siehe Rn. 136), bei der Ausfallhaftung der Gesellschafter (siehe Rn. 139 f) und bei der Anfechtungsfrist (siehe Rn. 141 ff). a) Außerhalb der Insolvenz

136

Die insolvenzrechtliche Lösung setzt voraus, dass ein Insolvenzverwalter bestellt wird, der die Darlehensforderungen von Gesellschaftern nachrangig befriedigt (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO), der externe Gläubiger wegen derer durch Gesellschafter besicherter Darlehensforderungen nur anteilig befriedigt (§ 44a InsO) und der Vermögensminderungen aus gläubigerbenachteiligenden und deshalb anfechtbaren Rechtshandlungen (§ 129 InsO) zugunsten der Masse zurückfordert (§§ 135, 143 InsO). Wird ein Insolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet (§ 26 InsO) oder eingestellt (§ 207 InsO) oder kann der Insolvenzverwalter bis zur Schlussverteilung und Aufhebung des Verfahrens (§§ 196, 200 InsO) die anfechtbaren Rechtshandlungen nicht ermitteln, kann nur ein in der Einzelvollstreckung (§§ 704 ff ZPO) erfolgloser Gläubiger (§ 2 AnfG) die von ihm ermittelten gläubigerbenachteiligenden Rechtshandlungen (§ 1 AnfG) ähnlich einem Insolvenzverwalter anfechten (§§ 6, 6a, 11 AnfG), soweit die Ausschlussfrist für die Anfechtung reicht (§ 6 Abs. 2 AnfG).

137

Gesellschaftsinterne „Selbstheilungskräfte‘ werden von der insolvenzrechtlichen Lösung vernachlässigt. Genauer: Diese setzt ein, wenn und weil eine gesellschaftsinterne Lösung der Finanzierungsprobleme versagt hat. Die gesellschaftsinternen Möglichkeiten zur Korrektur anstößigen Finanzgebarens sind freilich begrenzt. Gegen die Verantwortlichen vorzugehen ist am ehesten von einem neuen Gesellschafter oder Geschäftsführer zu erwarten. Deren Möglichkeiten hat aber das MoMiG weiter eingeschränkt. Bemerkt der Erwerber, dass die finanzielle Situation der Gesellschaft die vor dem Gesellschafterwechsel erfolgte Rückzahlung eines Darlehens an den Veräußerer nicht zugelassen hätte, ist er auf den Insolvenzverwalter oder auf einen ausdauernden Gläubiger angewiesen, statt wie früher als actio pro socio einen Anspruch der Gesellschaft analog §§ 30, 31 geltend zu machen oder den (neuen) Geschäftsführer entsprechend anzuweisen.

138

Da der (alte) Geschäftsführer eine Darlehensrückzahlung nicht mehr analog § 30 Abs. 1 (Satz 1 n. F.) verweigern darf, droht ihm nach dem MoMiG eine Haftung nun zwar nicht mehr generell wegen einer Pflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 3, stattdessen374) aber punktuell wegen einer zur Zahlungsunfähigkeit führenden Leistung gemäß § 64 Satz 3 (siehe § 64 Rn. 46 ff [Bork]),375) der wiederum auf § 43 Abs. 3 _____________ 373) Zum Folgenden bereits Thiessen, ZIP 2007, 253, 254 f m. w. N. 374) Die Lücken schließende Funktion des § 64 Satz 3 betont Seibert, MoMiG, S. 49; zust. Huber, ZIP 2010, Beilage Heft 39, S. 7, 11. 375) Zum Spannungsverhältnis von § 30 Abs. 1 Satz 3 und § 64 Satz 3 Görg in: FS Streck, S. 823.

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verweist. Gesellschaftsrechtliche Sicherheit376) gewinnt der (alte) Gesellschafter also auf Kosten des (alten) Geschäftsführers,377) sofern er sie nicht insolvenzrechtlich wieder verliert (siehe Rn. 132 ff und Anhang zu § 30 Rn. 23 [Thiessen]). Daneben tritt die Haftung wegen Insolvenzverschleppung (§ 15a InsO i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB) sowie § 64 Satz 1 (zu beidem siehe § 64 Rn. 5 ff, 71 ff [Bork]).378) b) Keine Ausfallhaftung der Gesellschafter Die insolvenzrechtliche Lösung betrachtet allein das Verhältnis der Gesellschaft zum darleihenden Gesellschafter (oder einem ihm gleichzustellenden Dritten). Die Mitgesellschafter bleiben außer Betracht, auch wenn es sich um eine Gesellschaft mit engem Gesellschafterkreis handelt. Die Mithaftung aus § 31 Abs. 3, die der historische Gesetzgeber von 1891/92 als zentrales Strukturmerkmal des GmbHRechts ansah,379) – droht bei Gesellschafterdarlehen nicht mehr und entfaltet so keine präventive Wirkung.380) Der Gesetzgeber hatte diese Ausfallhaftung bereits durch das Kleinbeteiligungsprivileg (siehe Anhang zu § 30 Rn. 45 ff [Thiessen]) ausgehöhlt.381) Nun ist wegen § 30 Abs. 1 Satz 3 auch bei maßgeblich beteiligten Gesellschaftern der Weg zur Mithaftung versperrt, die ohne Rücksicht auf die konzeptionelle Funktion des § 31 Abs. 3 als Zufallsprodukt der „Rechtsprechungsregeln“ (siehe Rn. 125) abgetan wird.382)

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Da Absatz 1 Satz 3 den Gesellschaftern signalisiert, dass sie mit den Darlehen nach Belieben verfahren dürfen, sofern sie nur der Anfechtungsfrist entgehen (siehe Rn. 141 ff), verleitet dies dazu, einzelne Darlehen der Anfechtung zu entziehen, indem ein Teil der Darlehen trotz Kreditunwürdigkeit zurückgezahlt wird und die Gesellschaft – bis zum Insolvenzantrag – mit dem Rest auskommen muss.383) Drohte früher die Mithaftung analog § 31 Abs. 3, wirkt § 30 Abs. 1 Satz 3 nun wie eine Aufforderung zur Kollusion, die freilich über §§ 133 InsO, 826 BGB kompensiert werden dürfte (siehe Rn. 149 ff und 156 ff).

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c) Kurze Anfechtungsfrist Die Insolvenz- und Gläubigeranfechtung greift nur in vergangene Auszahlungsvorgänge ein, wenn innerhalb eines Jahres ab der verbotenen Auszahlung Insolvenzantrag gestellt wird (§ 135 Abs. 1 Nr. InsO, § 6 Abs. 1 Nr. 2 AnfG; zur anfechtbaren Besicherung siehe Anhang zu § 30 Rn. 67 f [Thiessen]). Der früher von der Rechtsprechung analog § 31 Abs. 1 gewährte Rückforderungsanspruch verjährte jedoch _____________ 376) Habersack, ZIP 2007, 2145, 2146. 377) K. Schmidt, ZIP 2006, 1925, 1933; K. Schmidt, GmbHR 2008, 449. Für einen entsprechenden Systemwechsel aber Eidenmüller, ZGR 2007, 168, 193 f. 378) Zu den Haftungsrisiken eindringlich Huber, ZIP 2010, Beilage Heft 39, S. 7, 10. 379) Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1891, S. 39 f. 380) Diese ist allerdings umstritten, vgl. die Diskussion bei Prahm, ZGR 2006, 366, 371 f. 381) Anerkannt von BGH, ZIP 2005, 1638 = GmbHR 2005, 1351 = DB 2005, 2051. 382) Seibert, MoMiG, S. 50. 383) Dies konzediert auch Seibert, MoMiG, S. 45, hält aber eine „wohldosierte Liquiditätszufuhr“ für „nicht von vornherein zu beanstanden“, selbst wenn hierdurch gezielt „größere Rückzahlungen unanfechtbar werden“ sollen.

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Kapitalerhaltung

analog § 31 Abs. 5 erst nach fünf Jahren bzw. aufgrund einer Gesetzesänderung von 2005 sogar erst nach zehn Jahren, gerechnet ab der verbotenen Auszahlung (siehe § 31 Rn. 82 ff [Thiessen]). Angesichts dieser langen Verjährungsfrist bestand für die Gesellschafter kein Anreiz, den Geschäftsführer zur Insolvenzverschleppung anzustiften, um die einjährige Anfechtungsfrist verstreichen zu lassen.384) 142

Für den vorläufigen Insolvenzverwalter ergibt sich rein faktisch die Schwierigkeit, bis zur Erstattung des Massegutachtens (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InsO)385) etwaige Anfechtungsansprüche gegen die Gesellschafter zu ermitteln. Gelingt dies nicht, nützt dem Insolvenzverwalter die inzwischen komfortable Anfechtungsfrist gemäß § 146 InsO nichts mehr. Der Insolvenzverwalter profitiert aber von der Vereinfachung des Anfechtungstatbestands, da er die kapitalersetzende Funktion eines Gesellschafterdarlehens nicht mehr beweisen muss (siehe Anhang zu § 30 Rn. 23 [Thiessen]).386) Schwierig bleibt jedoch die Einschätzung, ob darlehensäquivalente Finanzierungshilfen gegeben sind (siehe Anhang zu § 30 Rn. 14 ff, 36 ff [Thiessen]).

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Die neue Fristberechnung im Anfechtungsgesetz (siehe Anhang zu § 30 Rn. 72 [Thiessen]) hilft nur, wenn ein einzelner Gläubiger die Anfechtung auf sich nimmt. Der Insolvenzverwalter, der Partei kraft Amtes für alle Gläubiger ist, dürfte hingegen bei Auszahlungen, die etwas mehr als ein Jahr vor dem Insolvenzantrag erfolgt sind, nach Indizien für andere Tatbestände suchen. Die kurze Anfechtungsfrist ist dennoch bewusst in Kenntnis möglicher Schutzlücken gewählt, da eine längere Frist die „Härten … der groben Vereinfachung der Regelung … schärfer hervortreten“ ließe.387) 5.

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Lückenschließung durch andere Tatbestände?

Soweit die insolvenzrechtliche Lösung für Gesellschafterdarlehen Haftungsfreiräume lässt (siehe Rn. 134 ff), die einer Prozesspartei und den angerufenen Gerichten nicht hinnehmbar erscheinen, dürften Fälle, für die früher die §§ 30, 31 analog zur Verfügung standen, in Zukunft auf anderen Wegen gelöst werden. Insbesondere ist zu erwarten, dass bereits aus dem alten Recht bekannte Tatbestände mehr Beachtung finden.388) Dies betrifft Finanzplankredite (siehe Rn. 145 ff), die Anfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung (§ 133 InsO, § 6 AnfG; siehe Rn. 149 ff) sowie die sittenwidrige vorsätzliche Schädigung (§ 826 BGB; siehe Rn. 156 ff), insbesondere in Gestalt der Existenzvernichtung (siehe Rn. 158, 160). Unwahrscheinlich ist hingegen, dass der nun zuständige IX. Zivilsenat des _____________ 384) Anders für die nun allein eingreifende einjährige Anfechtungsfrist die Befürchtung von Ekkenga, WM 2006, 1986; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 21; Gehrlein, BB 2011, 3, 6. Im Fall OLG Hamm, GWR 2009, 304 war zwar die kurze Anfechtungsfrist abgelaufen, jedoch lag auch keine Unterbilanz vor. Im Fall OLG Brandenburg, ZInsO 2009, 1862 war die Frist gewahrt. 385) Zu typischen Fehlerquellen Haarmeyer in: MünchKomm-InsO, § 22 Rn. 158 ff. 386) Hierzu bereits BGH, ZIP 2006, 466, 467 = GmbHR 2006, 421 = WM 2006, 579, dazu EWiR 2006, 247 (Noack). 387) Seibert, MoMiG, S. 44, 49 f. 388) So bereits K. Schmidt, ZIP 2006, 1925, 1933 f; Goette/Kleindiek, Eigenkapitalersatzrecht, S. V; Gehrlein, BB 2008, 846, 853 f; diff. Huber, ZIP 2010, Beilage Heft 39, S. 7, 9 ff.

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Kapitalerhaltung

Bundesgerichtshofs die Rechtsprechungsregeln durch Analogie zu §§ 135, 136 Abs. 2 InsO wiederbelebt (dazu siehe Anhang zu § 30 Rn. 21 a. E. [Thiessen]).389) Eine erste zentrale Entscheidung des Senats deutet vielmehr – anders als bei der Vorsatzanfechtung (siehe Rn. 150 ff) – auf eine restriktive Auslegung hin.390) a) Finanzplankredit Der Bundesgerichtshof hat vereinzelt Darlehenszusagen von Gesellschaftern als „Finanzplankredit“ ausgelegt und den Gesellschaftern auf dieser Grundlage die Kündigung des Darlehens verweigert.391) Zudem hat er einen Gesellschafter auch in der Insolvenz an einer Verlustübernahmeerklärung festgehalten, die dieser in der Gründungsphase abgegeben hatte.392)

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Es ist eine Frage der Vertragsauslegung, ob die Parteien bei einem zugesagten Darlehen das außerordentliche Kündigungsrecht nach §§ 490 Abs. 1 und 3, 314 BGB bzw. bei einer Besicherung den Befreiungsanspruch gemäß oder analog § 775 Abs. 1 Nr. 1 BGB ausgeschlossen haben oder ob das Darlehen oder die Besicherung gerade mit Blick auf eine mögliche Krise zugesagt wurde.393) Hat sich ein Gesellschafter in dieser Weise gebunden, kann er später nicht mehr wählen, ob er die Gesellschaft tatsächlich darlehensweise finanzieren will. Anders als beim herkömmlichen Eigenkapitalersatzrecht ist diese Wahl bereits zu einem früheren Zeitpunkt getroffen, nämlich vor Eintritt wirtschaftlicher Schwierigkeiten.

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Nach der Rechtsprechung handelt es sich bei jenen – in casu in der Satzung enthaltenen – Zusagen unter Umständen um eine nicht nur schuldrechtliche, sondern um eine einlageähnliche Zusage, die gemäß § 19 Abs. 2 und 3 der Disposition der Gesellschaft(er) entzogen ist bzw. einer Kapitalherabsetzung gemäß § 58 bedarf, deren Voraussetzungen im Krisenfall regelmäßig nicht erfüllt sind.394) Geringfügig milder sind die Grenzen (§ 30 Abs. 2), wenn man eine nachschussähnliche Pflicht (§ 26) annimmt.395) Ist eine – ähnlich weitreichende – Verlustübernahmezusage nicht

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_____________ 389) So aber der Vorschlag von Hölzle, ZIP 2011, 650, 654 f. 390) BGHZ 188, 363, 367 ff = ZIP 2011, 575, 576 ff = GmbHR 2011, 413, dazu EWiR 2011, 285 (Spliedt). 391) BGHZ 142, 116, 121 ff = ZIP 1999, 1263, 1264 = NJW 1999, 2809, dazu EWiR 1999, 843 (Dauner-Lieb); K. Schmidt, ZIP 1999, 1241; bestätigt durch BGH, ZIP 2010, 1078 = GmbHR 2010, 752 = DB 2010, 1233, dazu EWiR 2010, 491 (Schodder); BGHZ 187, 69, 77 = ZIP 2010, 2092, 2094 f = GmbHR 2010, 1204, dazu EWiR 2010, 757 (Guski). Umfassend zum Meinungsstand Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 72 ff. 392) BGH, ZIP 2006, 1199 = DB 2006, 1370 = WM 2006, 1202, dazu Wolf, ZIP 2006, 1885; ähnlich für einen Idealverein BGH, ZIP 2008, 453 = NJW 2008, 1589 = WM 2008, 447; anders für eine kündbar ausgestaltete Patronatserklärung bei gleichzeitigem Verzicht der Patronin auf etwaige Regressansprüche gegen die Schuldnerin BGHZ 187, 69, 78 ff = ZIP 2010, 2092, 2095 = GmbHR 2010, 1204, dazu EWiR 2010, 757 (Guski); Böcker, DZWIR 2011, 93. 393) Einzelheiten bei v. Gerkan/Hommelhoff-Dauner-Lieb, Hdb. Kapitalersatzrecht, Rn. 9.8 ff; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 30 Rn. 92 ff; Rowedder/Schmidt-Leithoff/ Görner, Anh. § 30 Rn. 24 ff; Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 376 ff. 394) BGHZ 142, 116, 121 ff = ZIP 1263, 1264 = NJW 1999, 2809, dazu EWiR 1999, 843 (Dauner-Lieb); K. Schmidt, ZIP 1999, 1241. 395) Hierzu Fleischer, DStR 1999, 1774, 1778 f; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 116.

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bereits in der Satzung enthalten, kann sie gleichwohl ohne notarielle Beurkundung erteilt werden, weil es sich bei solchen investitionsstabilisierenden Zusagen nicht um ein schenkweises (Schuld-)Versprechen bzw. Schuldanerkenntnis handelt (§ 518 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB).396) Die einfache Schriftform der §§ 780, 781 BGB ist häufiger gewahrt.397) Ist der Gesellschafter selbst Kaufmann, ist die Erklärung sogar formlos wirksam (§ 350 HGB). 148

Sollten die Grenzen der insolvenzrechtlichen Lösung überschritten sein (siehe Rn. 134 ff), könnte die Rechtsprechung gerade aufgrund der Formfreiheit häufiger als bisher Finanzplankredite i. S. einer auch für den Insolvenzfall bindenden Zusage annehmen.398) Da der Gesetzgeber das Nichtanwendungsgebot in Absatz 1 Satz 3 aber umfassend versteht, können Gesellschafter, die schon vorab einen Rangrücktritt (siehe Anhang zu § 30 Rn. 58 [Thiessen]) erklären oder freiwillig auf einseitige Kündigung des noch zu gewährenden Darlehens verzichten, nicht ohne Weiteres am Kapitalerhaltungsgebot des Absatzes 1 Satz 1 gemessen werden, um festzustellen, ob eine Rückzahlung in Betracht kommt.399) Eine solche Bindung kann nicht auf einer vom Gesetz ausgeschlossenen Analogie zu Absatz 1 Satz 1 beruhen, sondern allenfalls auf einer Auslegung der Parteierklärungen. Für Absatz 2 gilt der „Nichtanwendungserlass“ des Absatzes 1 Satz 3 freilich nicht, sodass eine Analogie für den Erlass einer Finanzplanzusage denkbar ist.400) Dies wäre zwar i. S. d. GmbHG von 1892, das Nachschüsse als (alleiniges) Mittel einer (relativ) flexiblen Unternehmensfinanzierung ansah (siehe Rn. 123 f, 162). Der Intention des MoMiG würde dies jedoch widersprechen, da dieses die Gesellschafterdarlehen sogar von den strengeren Bindungen des Absatzes 1 Satz 1 suspendiert (siehe Rn. 129 ff). b) Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung (§ 133 InsO, § 3 AnfG)

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Nach § 133 InsO, § 3 AnfG401) kann der Insolvenzverwalter Rechtshandlungen anfechten, die bis zu zehn Jahren vor dem Insolvenzantrag402) bzw. vor der Anfechtung vorgenommen wurden. Absatz 1 der jeweiligen Vorschrift setzt allerdings voraus, dass der Schuldner seine Gläubiger vorsätzlich benachteiligt hat und dass der Anfechtungsgegner bei Vornahme der Rechtshandlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Kennt der Anfechtungsgegner die drohende Zahlungsunfähigkeit und die benachteiligende Wirkung, wird vermutet, dass er auch den Benachteiligungs_____________ 396) BGH, ZIP 2006, 1199, 1200 = DB 2006, 1370 = WM 2006, 1202, dazu Wolf, ZIP 2006, 1885. 397) So auch im Fall BGH, ZIP 2008, 453, 455 = NJW 2008, 1589 = WM 2008, 447. 398) Zur Zurückhaltung mahnend aber Habersack, ZIP 2007, 2145, 2152 mit Blick auf Finanzplannutzungen; Ulmer/Habersack/Winter-Habersack, GmbHG, 1. Aufl. 2010, MoMiGErg.-Bd., § 30 Rn. 70; in diese Richtung auch BGHZ 187, 69, 77 ff = ZIP 2010, 2092, 2095 = GmbHR 2010, 1204, dazu EWiR 2010, 757 (Guski). 399) So aber Ekkenga, WM 2006, 1986, 1995; Gehrlein/Born/Simon-Kuntz, GmbHG, § 30 Rn. 100. 400) So bereits zum alten Recht Fleischer, DStR 1999, 1774, 1778. 401) Umfassend hierzu Bork, ZIP 2008, 1041, 1045 ff; aus Sicht der Rspr. G. Fischer, NZI 2008, 588; Gehrlein, WM 2009, Sonderbeilage Nr. 1, S. 40. 402) Zur Berechnung der Anfechtungsfristen, wenn der Eröffnungsantrag für erledigt erklärt wird, BGH, ZIP 2009, 921 = NZI 2009, 377 = WM 2009, 959.

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vorsatz kannte. Der jeweilige Absatz 2 erleichtert die Anfechtung für entgeltliche, gläubigerbenachteiligende Verträge, die der Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138 InsO) schließt, erfasst allerdings „nur“ Rechtshandlungen, die bis zu zwei Jahre zurückliegen. Bereits vor und unabhängig vom MoMiG wurde § 133 InsO eine Renaissance bescheinigt.403) Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs handhabt den für § 133 InsO kennzeichnenden Kollusionsvorwurf relativ großzügig.404) Zuletzt betonte der Senat zwar, dass einschlägige Tatsachen (etwa schleppende oder ausbleibende Tilgung) nicht schematisch die Kenntnis des Anfechtungsgegners vermuten lassen, sondern als mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen einer Gesamtwürdigung bedürfen.405) Für § 133 Abs. 1 InsO reicht es jedoch selbst bei kongruenter Deckung – wenn also der Anfechtungsgegner einen Anspruch auf das Erhaltene hatte –, dass Schuldner oder Anfechtungsgegner ihre Interessen rücksichtslos verfolgt haben, indem etwa die letzten Geldmittel gezielt eingesetzt wurden, um einige Gläubiger bevorzugt zu befriedigen.406)

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Der Geschäftsführer, der ein fällig gestelltes Gesellschafterdarlehen zurückzahlt, weiß regelmäßig, ob dies zulasten der externen Gläubiger geht. Er zahlt an den Gesellschafter als solchen. Indizien für die Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO werden sich bei einem maßgeblich beteiligten Gesellschafter finden lassen.407) Bei Gesellschaftergeschäftsführern und regelmäßig bei Einpersonengesellschaften fallen der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Begünstigten sogar in einer Person zusammen.

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_____________ 403) Bork, ZIP 2004, 1684; ähnlich Bork, ZIP 2008, 1041, 1045: „Karriere“; zust. Schoppmeyer, ZIP 2009, 600. 404) Krit. zur Ausweitung des § 133 InsO etwa Lutter-Paulus, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 438 mit Fn. 15; für eine normative Betrachtungsweise Bork, ZIP 2008, 1041, 1046; diff. zu den Vorsatzanforderungen nach drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit Jacoby, KTS 2009, 3, 20 f; Ganter, WM 2009, 1441, 1443; Ganter, NZI 2010, 361, 375 f; nach kongruenter und inkongruenter Deckung; i. S. d. Rspr. (Fn. 400) systematisierend G. Fischer, NZI 2008, 588; Huber, NZI 2009, 373 f (Urteilsanm.); für eine Abkehr von Vermutungsregeln zugunsten der richterlichen Beweiswürdigung Schoppmeyer, ZIP 2009, 600, 605 ff, dort S. 601 Fn. 14 m. w. N. zur Kritik an der Rspr. 405) BGH, ZIP 2009, 1966, 1967 = ZVI 2009, 450 = WM 2009, 1943, dazu EWiR 2010, 25 (Heublein); Ganter, WM 2009, 1441, 1443 ff. Zur Bedeutung eines schlüssigen Sanierungskonzepts für die Beweiswürdigung BGH, ZIP 2013, 894 f Rn. 11 = GmbHR 2013, 529 = NZG 2013, 827, dazu EWiR 2013, 555 (Hölzle). 406) Vgl. BGHZ 155, 75, 83 f = ZIP 2003, 1506, 1509 = NJW 2003, 3347, dazu EWiR 2003, 1097 (Hölzle); BGH, ZIP 2003, 1900 = NJW-RR 2004, 342 = NZI 2004, 87; BGH, ZIP 2004, 669, 671 = ZVI 2004, 186 = NZI 2005, 690, dazu EWiR 2004, 669 (O’Sullivan); BGH, ZIP 2004, 1512, 1513 = ZVI 2004, 392 = WM 2004, 1587, dazu EWiR 2005, 85 (Pape); BGHZ 167, 190 = ZIP 2006, 1261 = ZVI 2006, 456, dazu EWiR 2007, 117 (Pape); BGHZ 174, 314, 321 = ZIP 2008, 190 = ZVI 2008, 264, dazu EWiR 2008, 539 (Göb); BGH, ZIP 2009, 189 = ZVI 2009, 73 = WM 2009, 274, dazu EWiR 2009, 213 (Henkel); ältere Nachweise bei Engert, ZGR 2004, 813, 818 Fn. 23. 407) Vgl. auch G. Fischer, ZGR 2006, 403, 409; Gehrlein, BB 2011, 3, 6 f.

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Eine Vorsatzanfechtung ist nach ständiger Rechtsprechung408) nicht einmal dann ausgeschlossen, wenn der Schuldner zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung noch keine Gläubiger hatte. Es genügt vielmehr eine mittelbare, erst künftig eintretende Gläubigerbenachteiligung. Der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners kann sich gegen alle oder nur einzelne, gegen bestimmte oder unbestimmte, gegen schon vorhandene oder nur mögliche künftige Gläubiger richten. Relevant wäre dies insbesondere für die Gründungsfinanzierung, bei welcher der IX. Zivilsenat jüngst allerdings zurückhaltend geurteilt, insbesondere Gründungskredite gegenüber Sanierungskrediten privilegiert hat.409)

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Vor dem MoMiG war zwar umstritten, ob die Anfechtung nach § 133 InsO geeignet ist, um einer Selbstbedienungsmentalität im Vorfeld der Insolvenz zu begegnen.410) Die Rechtsprechung entschied jedoch bereits unter der Geltung der „Rechtsprechungsregeln“ (siehe Rn. 125) Kapitalersatzfälle nach § 133 InsO.411) Nach dem MoMiG wird prognostiziert, dass die von § 135 InsO nicht erfassbaren Fälle regelmäßig über § 133 InsO gelöst werden. Gegenüber den alten „Rechtsprechungsregeln“ besteht hier der zentrale Unterschied, dass die Darlegungs- und Beweislast den Insolvenzverwalter trifft, der die Hintergründe der Rückzahlung aus häufig fragmentarischen Unterlagen auf Kosten der Gläubigergesamtheit rekonstruieren muss.412) Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass der IX. Zivilsenat seine anfechtungsfreundliche, d. h. massefreundliche Rechtsprechung413) weiter ausbauen wird.414)

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Wurde das Darlehen von einem maßgeblich beteiligten Gesellschafter gewährt, kommt eine Anfechtung gemäß § 133 Abs. 2 InsO in Betracht. Die Schwelle für nahestehende Gesellschafter liegt gemäß § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO bei einem Viertel. Andere „Insider“ können über § 138 Abs. 2 Nr. 2 und 3 InsO einbezogen sein. Der von § 133 Abs. 2 InsO vorausgesetzte „entgeltliche Vertrag“ wird sehr weit ausgelegt und erfasst auch die Erfüllung eines Darlehensanspruchs, da hiermit das Erlöschen der Forderung „bezahlt“ wird.415) Die Erfüllung benachteiligt die Gläubiger unmittelbar, weil die Forderung des Gesellschafters nicht mehr vollwertig ist.416) Hierdurch kehrt sich die Beweislast um, sodass der Anfechtungsgegner beweisen muss, dass er den Benachteiligungsvorsatz nicht kannte. _____________ 408) Zuletzt BGH, ZIP 2009, 1966, 1967 = ZVI 2009, 450 = WM 2009, 1943 m. w. N. auch zu § 3 AnfG, dazu EWiR 2010, 25 (Heublein); Kayser in: MünchKomm-InsO, § 133 Rn. 16 m. w. N. 409) BGHZ 180, 98 = ZIP 2009, 922 = ZVI 2009, 292, dazu EWiR 2009, 485 (Wallner). 410) So Engert, ZGR 2004, 813, 818 f; ähnlich Wagner, EBOR 2006, 217, 230; Thole, KTS 2007, 293; a. A. Cahn, AG 2005, 217, 222; K. Schmidt, GmbHR 2005, 797, 799. 411) So etwa OLG Koblenz, NZG 2006, 865 = ZInsO 2006, 946 = ZIP 2006, 1954 (LS); vgl. auch BGH, ZIP 2006, 243 = ZVI 2006, 118 = NJW 2006, 908. 412) So eindringlich Spliedt, ZIP 2009, 149, 154. 413) Bork, ZIP 2008, 1041, 1044. 414) Zweifelnd hingegen Huber, ZIP 2010, Beilage zu Heft 39, S 7, 10. 415) BGH, ZIP 1990, 459, 461 = NJW 1990, 2687 = WM 1990, 649, dazu EWiR 1990, 591 (Hess); BGH, ZIP 2002, 404, 406 = NJW 2002, 1342 = DB 2002, 582, dazu EWiR 2002, 251 (Marotzke). 416) Gehrlein, BB 2011, 3, 7.

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Obwohl § 135 InsO der speziellere Tatbestand ist, dürfte dies einer Ausweitung des § 133 InsO ebenso wenig entgegenstehen417) wie im Verhältnis von § 133 InsO zu den spezielleren §§ 130 f InsO.418) Auch eine kongruente Deckung – d. h. auch die geschuldete Rückzahlung eines Darlehens – wird vom IX. Zivilsenat parallel nach § 133 InsO beurteilt, wenn die subjektiven Voraussetzungen gegeben sind (siehe Rn. 150). Dementsprechend wird der Senat vorsätzlich handelnde Personen nicht dadurch schützen, dass er auf die Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen allein die kürzere Anfechtungsfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anwendet.419)

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c) Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung (§ 826 BGB) – Existenzvernichtung Wie bei § 133 InsO (siehe Rn. 149 ff) ist auch bei § 826 BGB von einer Renaissance die Rede,420) da die Vorschrift speziell im Gesellschaftsrecht421) heute so vielfältig eingesetzt wird, wie dies zuletzt in den zwanziger und dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts der Fall war.422) Der subjektive Tatbestand setzt dem wenig entgegen.423) Für § 826 BGB genügt es, wenn das gewissenlos leichtfertige Verhalten des Schädigers den Schluss zulässt, er habe den Schadenseintritt zumindest billigend in Kauf genommen.424) Vergleichbar mit der Auslegung der § 133 InsO durch den IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (siehe Rn. 150) hatte der II. Zivilsenat im KBVUrteil eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung gemäß § 826 BGB darin gesehen, dass „der Beklagte … als Gesellschaftsgläubiger zulasten der übrigen Gläubiger der Gesellschaft bevorzugt befriedigt wurde, obwohl ihm ein durchsetzbarer Anspruch nicht zustand“.425) Einem Gesellschafter, der sein fällig gestelltes Darlehen zurückfordert, steht die Zahlung zwar zu.426) Dennoch kann bedingter Schädigungsvorsatz gegeben sein, wenn dem Gesellschafter bekannt ist, dass die Rückzahlung zulasten der externen Gläubiger geht.

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Der II. Zivilsenat hat jedoch mehrfach betont, dass § 826 BGB in Ergänzung der §§ 30, 31 zurückhaltend anzuwenden sei.427) Das Vermögen der GmbH wird rein formal geschützt, indem § 30 auf die Stammkapitalziffer Bezug nimmt (siehe Rn. 6,

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_____________ 417) A. A. Bayer/Graff, DStR 2006, 1654, 1657 f. 418) Diff. nach §§ 130 f: Bork, ZIP 2003, 1684, 1688, 1692; für eine Konkurrenz der Anfechtungsgründe G. Fischer, ZGR 2006, 403, 410; G. Fischer, NZI 2008, 588, 594; für eine stärkere Abgrenzung Schoppmeyer, ZIP 2009, 600, 603 ff. 419) Deutlich Gehrlein, BB 2008, 846, 853 mit Blick auf § 133 Abs. 2 InsO. 420) Kiethe, NZG 2005, 333. 421) Umfassend hierzu Förster, AcP 209 (2009) 398. 422) Vgl. nur die Nachweise in Spindler in: BeckOK-BGB, Stand: 5/2012, § 826 Rn. 49. 423) Vgl. Thiessen, DStR 2007, 202, 208 f. 424) BGHZ 129, 136, 176 = ZIP 1995, 819, 833 = NJW 1995, 1739, dazu EWiR 1995, 525 (Rittner); BGH, NJW-RR 2004, 1464, 1467 = NJW 2004, 3703 (LS). 425) BGHZ 151, 181, 185 = ZIP 2002, 1578, 1579 = NJW 2002, 3024. 426) Allerdings ist umstritten, ob die Rückzahlung nach Kündigung im kritischen Dreimonatszeitraum einen unzulässigen Vorteil i. S. inkongruenter Deckung darstellt, für den umgekehrten Fall eines Gesellschaftsdarlehens oben Rn. 45. 427) Umfassend zur Rspr.-Entwicklung Goette in: VGR 13, (2008), S. 1, 19 ff, abgrenzend insbesondere gegenüber BGH, ZIP 2005, 117 m. Anm. Altmeppen = GmbHR 2005, 225 = NZI 2005, 237, dazu EWiR 2005, 221 (Wilhelmi); BGH, ZIP 2005, 250 = GmbHR 2005, 299 = DB 2005, 328.

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17 f). Damit bietet das GmbH-Recht keine Handhabe, um die Gesellschafter wegen materieller Unterkapitalisierung der Gesellschaft428) haften zu lassen.429) Ob etwa „die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute“ der Gesellschaft „Eigenkapital zugeführt hätten“, wie § 32a a. F. bis 2008 für die „Krise der Gesellschaft“ definierte (siehe Anhang zu § 30 Rn. 20), muss für § 30 außer Betracht bleiben. Die Gesellschafter müssen zum Unterhalt der Gesellschaft beitragen, was sie selbst i. R. d. gesetzlichen Mindestanforderungen (§ 5 Abs. 1) als Stammkapital registerwirksam (§ 10 Abs. 1) festgelegt haben (§ 3 Abs. 1 Nr. 3) und was sie davon einzahlen müssen/mussten (§ 7 Abs. 2 und 3, §§ 19, 46 Nr. 2). 158

Unmaßgeblich ist, welche Kapitalausstattung in der jeweiligen Situation wirtschaftlich angemessen gewesen wäre. Ein Gläubiger kann daher nicht darauf vertrauen, dass Kapitalbeträge, die Gesellschafter über das noch unverbrauchte Stammkapital hinaus einschießen und die zur Aufrechterhaltung eines normalen Geschäftsbetriebs notwendig sind, insbesondere Rücklagen, die bei niedrigem Stammkapital einen dringenden zusätzlichen Kapitalbedarf decken, der Gesellschaft zu diesem Zweck auch belassen und nicht an die Gesellschafter verteilt werden.430) Demgemäß ist eine rein objektiv begründete Durchgriffshaftung wegen „Missbrauchs der Rechtsform“ nicht geboten.431) Dieser Grundsatz wird zwar dadurch abgeschwächt, dass der Tatbestand des § 826 BGB mit dem Merkmal der Sittenwidrigkeit einen materiellen Maßstab enthält. Allerdings greift diese Norm nach der neueren Rechtsprechung zum existenzvernichtenden Eingriff nur, wenn der Gesellschaft lebensnotwendige Mittel entzogen werden.432) Dies geschieht auch, wenn die Gesellschaft eine private Gesellschafterverbindlichkeit gegenüber Dritten besichert.433) Dass der Gesellschaft lebensnotwendige Mittel vorenthalten werden, bleibt ohne Sanktion.434) Ebenso wenig genügt die Belastung des den Gläubigern zur Verfü_____________ 428) Umfassend hierzu Bitter in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts, S. 57 ff. 429) BGHZ 176, 204, 212 ff = ZIP 2008, 1232, 1235 = NJW 2008, 2437, dazu EWiR 2008, 493 (Bruns) und Altmeppen, ZIP 2008, 1201. 430) Ausdrücklich BGHZ 76, 326, 333 f = ZIP 1980, 361 = NJW 1980, 1524. 431) BGHZ 173, 246, 257 = ZIP 2007, 1552, 1556 = NJW 2007, 2689, dazu EWiR 2007, 557 (Wilhelm); Weller, ZIP 2007, 1681. A. A. seither noch OLG Naumburg, GmbHR 2008, 1149 = DB 2008, 2300 = ZInsO 2009, 43, dazu EWiR 2009, 81 (Schodder). Die dagegen gerichtete NZB wurde aus prozessualen Gründen zurückgewiesen, obwohl „die Hauptbegründung des Berufungsgerichts rechtlich nicht haltbar“ war, BGH, Beschl. v. 27.4.2009 – II ZR 133/08, juris. 432) Grundlegend BGHZ 173, 246 = ZIP 2007, 1552 = NJW 2007, 2689, dazu EWiR 2007, 557 (Wilhelm); Weller, ZIP 2007, 1681; seither BGH, ZIP 2008, 455 = GmbHR 2008, 322 = DB 2008, 520, dazu EWiR 2008, 433 (Wilhelmi); BGH, ZIP 2008, 1329 = GmbHR 2008, 929 = DB 2009, 1557, dazu EWiR 2008, 681 (Blasche); BGHZ 176, 344 = ZIP 2009, 802 = NJW 2009, 2127; BGHZ 193, 96, 99 Rn. 13 = ZIP 2012, 1071 = GmbHR 2012, 740, dazu EWiR 2012, 415 (Paefgen/Dettke); BGH, ZIP 2013, 894, 895 f Rn. 20 f = GmbHR 2013, 529 = NZG 2013, 827, dazu EWiR 2013, 555 (Hölzle); BGH, DB 2019, 120, 123 ff Rn. 25 ff = WM 2019, 115 = BB 2019, 206; zur Verjährung der Existenzvernichtungshaftung BGH, ZIP 2012, 1804, 1805 Rn. 13 ff = GmbHR 2012, 1070 = NZG 2012, 1069, dazu EWiR 2012, 757 (Beck). 433) OLG Köln, ZInsO 2017, 1491, 1496 = GWR 2017, 18, dazu EWiR 2017, 365 (Längsfeld). 434) BGHZ 176, 204, 211 ff = ZIP 2008, 1232, 1235 = NJW 2008, 2437, dazu EWiR 2008, 493 (Bruns) und Altmeppen, ZIP 2008, 1201.

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gung stehenden Haftungsfonds durch eine Erhöhung der Verbindlichkeiten, auch wenn dies für die Gläubiger wirtschaftlich vergleichbare Folgen hat.435) Dies wirkt sich auch bei der darlehensweisen Gesellschaftsfinanzierung aus. Zumindest externe Kreditgeber können nicht schärfer für das Gelingen einer Gesellschaftsgründung einstehen als die Gesellschafter selbst.436) Für Gesellschafterdarlehen gilt trotz Personalunion von Eigenkapital- und Fremdkapitalgeber grundsätzlich nichts anderes, weil das MoMiG den Fremdkapitalcharakter der Gesellschafterdarlehen betont (siehe Anhang zu § 30 Rn. 19 ff [Thiessen]).

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Wird die Gesellschaft statt durch Eigenkapital durch Gesellschafterdarlehen oder wirtschaftlich entsprechende Leistungen finanziert, hat dies primär insolvenzrechtliche Folgen, insbesondere die Anfechtung gemäß §§ 135 InsO, 6 AnfG (siehe Anhang zu § 30 Rn. 63 ff [Thiessen]). Gegenüber § 826 BGB sind die Anfechtungstatbestände zwar nicht abschließend.437) Die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs ist jedoch entgegen der sonstigen Dogmatik des § 826 BGB als Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft ausgestaltet, wie es der konkurrierenden Kapitalerhaltungshaftung gemäß §§ 30, 31 entspricht, deren Unzulänglichkeiten durch § 826 BGB aufgefangen werden.438) Da der Gesetzgeber diese Unzulänglichkeiten nun selbst in Kauf nimmt (Abs. 1 Satz 3), sind diese auch nicht mehr aufzufangen.439) Für Gesellschafterdarlehen ist der Weg über § 826 BGB also allein entlang seiner Tatbestandsmerkmale – Sittenwidrigkeit, Vorsatz, Schädigung – zu beschreiten und nicht mehr ergänzend im Lichte der Kapitalerhaltung. Da der Anspruch der Gesellschaft zusteht, wird er im Insolvenzverfahren vom Verwalter geltend gemacht, ohne dass es einer Analogie zu §§ 92, 93 InsO bedarf.440) Der einzelne Gläubiger kann den Anspruch der Gesellschaft lediglich pfänden und sich überweisen lassen.441) Je nach Fallkonstellation kann ein Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB aber auch allein einem individuell geschädigten Gläubiger zustehen, sodass ein etwaiger Schadensersatzanspruch ohnehin nicht der Gesamtschadensliquidation nach § 92 InsO unterliegt.442) Ähnlich wie im Fall des § 30 Abs. 1

160

_____________ 435) OLG Dresden, NotBZ 2018, 350 ff. 436) So Goette DStR 2009, 1441 f (Urteilsanm.) zur Entscheidung des IX. Zivilsenats zur Gründungsfinanzierung (BGHZ 180, 98 = ZIP 2009, 922 = ZVI 2009, 292, dazu EWiR 2009, 485 [Wallner]) im Vergleich zum Gamma-Urteil des II. Zivilsenats (BGHZ 176, 204 = ZIP 2008, 1232 = NJW 2008, 2437, dazu EWiR 2008, 493 [Bruns]). 437) Zum Konkurrenzverhältnis von § 133 InsO zu § 826 BGB Bork, ZIP 2008, 1041, 1046. 438) Auch zum Folgenden BGHZ 173, 246 = ZIP 2007, 1552, 1556 ff = NJW 2007, 2689, dazu EWiR 2007, 557 (Wilhelm); Weller, ZIP 2007, 1681; krit. zur dogmatischen Anknüpfung an § 826 BGB und für Haftung wegen Treuepflichtverletzung gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB Stöber, ZIP 2013, 2295, 2296 ff. 439) Huber, ZIP 2010, Beilage Heft 39, S. 7, 9 f. 440) A. A. noch BGHZ 164, 50 = ZIP 2005, 1734, 1738 = NJW 2005, 3137. 441) Zu den damit verbundenen Problemen Geißler, DZWIR 2013, 395, 398 ff. 442) So Bork, ZIP 2008, 1041, 1046. Vgl. den Direktanspruch von Arbeitnehmern gegen Gesellschafter/Geschäftsführer im Gamma-Urteil, BGHZ 176, 204 = ZIP 2008, 1232, 1236 = NJW 2008, 2437, dazu EWiR 2008, 493 (Bruns) und Altmeppen, ZIP 2008, 1201.

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Kapitalerhaltung

(siehe Rn. 98) genügt auch der Eingriff durch ein vom Gesellschafter maßgeblich beeinflusstes, ihm verbundenes Unternehmen.443) 161

Abzulehnen sind Vorschläge, eine Existenzvernichtungshaftung bereits bei Fahrlässigkeit anzunehmen.444) Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des neuen § 64 Satz 3, der den Geschäftsführern auferlegt, sich vom Vorwurf zumindest fahrlässigen Verhaltens zu entlasten (siehe § 64 Rn. 59 [Bork]). Daraus auf eine Fahrlässigkeitshaftung auch der nicht geschäftsführenden Gesellschafter zu schließen, geht weit über die Intentionen des Gesetzgebers hinaus. In § 64 Satz 3 hat der Gesetzgeber die Haftung für verbotene Zahlungen zeitlich vorverlagert (siehe § 64 Rn. 52 [Bork]). Er wollte hiermit einen gewissen Ausgleich schaffen für die Deregulierung des Kapitalschutzes.445) Auch wenn das Leitbild der deutschen GmbH von starken Gesellschaftern und weisungsabhängigen Geschäftsführern geprägt ist, bleibt es dennoch der Geschäftsführer, der rechtswidrig die unmittelbar existenzgefährdende Zahlung vornimmt. Demgegenüber ist § 826 abweichend vom 1. BGB-Entwurf bewusst nicht als Fahrlässigkeitstatbestand ausgestaltet worden.446) Daran ändert die auf einen speziellen „Täterkreis“, die Geschäftsführer, zielende Norm des § 64 Satz 3 nichts. V. Nachschüsse (Abs. 2) 1.

Zweck

162

Absatz 2 schützt das Gesellschaftsvermögen vor der Rückzahlung von Vermögen, welches die Gesellschafter in Gestalt von Nachschüssen (§§ 26 – 28) aufgebracht haben. „Im Gegensatz zum Stammkapital bilden die eingezogenen Nachschüsse den beweglichen Teil des Gesellschaftsvermögens, welcher der freien Verfügung der Gesellschaft unterliegt. Die Nachschüsse können deshalb auch an die Gesellschafter zurückgezahlt werden.“447) Die Kapitalbindung ist insoweit schwächer ausgeprägt, als die Reduzierung des Nachschusskapitals anders als bei einer Kapitalherabsetzung in kürzerer Frist und ohne Mitwirkung der Gläubiger (§ 58 Abs. 1) erfolgen kann. Dies beruht darauf, dass der Gesetzgeber die Nachschüsse als ein flexibles Instrument der Kapitalausstattung verstand, das den Gesellschaftern gegenüber den strengen Regeln für Stammkapitalaufbringung, -erhaltung, -erhöhung und -herabsetzung mehr Freiheiten geben sollte.448)

163

Nach dem modifizierten historischen Vorbild der bergrechtlichen Gewerkschaft werden Nachschüsse freiwillig vereinbart (§ 26 Abs. 1), sie können auf einen bestimmten _____________ 443) BGH, ZIP 2005, 117, 118 m. Anm. Altmeppen = GmbHR 2005, 225 = NZI 2005, 237, dazu EWiR 2005, 221 (Wilhelmi); BGH, ZIP 2005, 250, 251 = GmbHR 2005, 299 = DB 2005, 328; insoweit durch die neuere Rspr. (Fn. 426) nicht überholt; BGH, ZIP 2013, 894, 896 Rn. 23 = GmbHR 2013, 529 = NZG 2013, 827, dazu EWiR 2013, 555 (Hölzle). 444) Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 30; eingehend krit. zu den einzelnen Konstruktionen Förster, AcP 209 (2009) 398, 419 ff. 445) Vgl. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 41, 46 = Seibert, MoMiG, S. 172, 195. 446) Protokolle der 2. Kommission, S. 2729 = Mugdan, Bd. 2, S. 1079; hierzu Benöhr in: FS Seiler, S. 499, 515 ff; Katzenmeier, AcP 203 (2003) 79, 93, 109. 447) Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1891, S. 80. 448) Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1891, S. 40 ff.

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Betrag beschränkt werden (§§ 26 Abs. 3, 28), und von einer unbeschränkten Nachschusspflicht kann sich der Gesellschafter befreien, indem er seinen Geschäftsanteil zugunsten der Gesellschaft preisgibt (§ 27). Soweit dem Gesellschafter dieses Recht zusteht, gelten die strengeren Grenzen der Kapitalaufbringung (§ 19 Abs. 2, 4 und 5) nicht.449) Folgerichtig wird die nicht registerwirksame,450) aber bilanzwirksame (§ 42 Abs. 2) „kollektive Haftungszusage“ (siehe Rn. 1) zur Leistung von Nachschüssen auch bei der Kapitalerhaltung weniger streng beim Wort genommen als beim regulären Stammkapital; die Kapitalerhaltung ist wie bei § 30 Abs. 1 ein Spiegelbild der Kapitalaufbringung (siehe Rn. 4). Diese Erleichterung gilt aber nur im Vergleich zur Kapitalherabsetzung. Gegenüber einer Auszahlung von freiem Vermögen ist die Rückzahlung von satzungsmäßigen Nachschüssen, d. h. nicht freiwillig geleisteten Zahlungen (siehe § 26 Rn. 3 [Bartels]), nur „unter erschwerten Bedingungen“,451) nämlich denen des Absatzes 2 möglich. Diese Regelungsdichte steht im Widerspruch zur geringen praktischen Bedeutung. Während die beschränkte oder unbeschränkte Nachschusspflicht eine rechtsprechungsrelevante452) Option für Gründung, Mitgliedschaft und Insolvenz einer eingetragenen Genossenschaft ist (§§ 6 Nr. 3, 15a, 22a, 98, 105 ff, 119 ff GenG) und auch für Personengesellschaften jüngst intensiv über eine Nachschusspflicht der Gesellschafter diskutiert wurde,453) konnte sich das Nachschusskonzept bei der GmbH in der Praxis nie durchsetzen (siehe § 26 Rn. 1 [Bartels]). Die Gesellschafter unterliefen die für Nachschüsse abgemilderten Kapitalschutzvorschriften dadurch, dass sie die Gesellschaft durch vom Gesetz ursprünglich nicht erfasste Gesellschafterdarlehen finanzierten, deren Gewährung und Rückgewährung frei vereinbart werden konnte (siehe Rn. 123 f). Auch nachdem die Rechtsprechung diese Freiheit durch analoge Anwendung der §§ 30, 31 eingeschränkt hatte (siehe Rn. 125), favorisierten die Gesellschafter weiterhin die Darlehen gegenüber den Nachschüssen. Soweit ersichtlich, ist seit Geltung des GmbH-Gesetzes nur eine einzige höchstrichterliche Entscheidung (von 1915) überliefert, die originär die Erhaltung des Nachschusskapitals betrifft.454) 2.

Auszahlungsverbot – geschütztes Vermögen (Abs. 2 Satz 1)

Anders als Absatz 1 Satz 1 stellt Absatz 2 Satz 1 nicht auf das „zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen“ ab, sondern darauf, ob das Nachschusskapital „zur Deckung eines Verlustes am Stammkapital erforderlich ist“. Aus der unterschiedlichen Formulierung ergibt sich jedoch rechnerisch keine geringere Vermögensbindung. Nachschüsse können nur zurückgezahlt werden, soweit keine Unterbilanz (siehe Rn. 14) be- oder entsteht. „Die im Absatz 2 des § 30 beigefügte Beschränkung … enthält nur eine Konsequenz der Vorschrift im Absatz 1; denn wenn das Stammkapital bei richtiger Bilanzierung nicht mehr durch die Aktiva _____________ 449) 450) 451) 452) 453) 454)

164

Allg. M., vgl. nur Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 30 Rn. 218. RGZ 87, 179, 181. BGHZ 76, 326, 333 f = ZIP 1980, 361 = NJW 1980, 1524. Zuletzt etwa BGH, ZIP 2008, 2261 = DB 2008, 2642 = WM 2008, 2249. Umfassend hierzu Schäfer in: VGR 13 (2008), S. 137 ff. RGZ 87, 179.

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gedeckt wird, so könnte eine Rückzahlung von Nachschüssen immer nur aus dem zur Deckung des Stammkapitals notwendigen Vermögen stattfinden. Dies darf natürlich nicht gestattet sein; vielmehr müssen die verfügbaren Mittel der Gesellschaft unter allen Umständen zur Erhaltung des Stammkapitals dienen.“455) 166

Nachschüsse können demnach nur zurückgezahlt werden, soweit und solange die Aktiva die Passiva einschließlich der Stammkapitalziffer abdecken, sofern also „ein Reinvermögen i. H. der Stammkapitalziffer erhalten bleibt“.456) Eine nachhaltige Stabilisierung ist zwar nicht erforderlich. Allerdings darf eine absehbar vorübergehende Erholung nicht zur Rückzahlung von Nachschüssen ausgenutzt werden, was auch aus der Drei-Monats-Frist des Absatzes 2 Satz 2 abzulesen ist (siehe Rn. 170). Beschließen die Gesellschafter (siehe Rn. 168) eine hiernach teilweise unzulässige Rückzahlung, ist der überschießende Teil anteilig auf die Gesellschafter zu verteilen und erforderlichenfalls auszugleichen.457) Soweit die Rückzahlung unzulässig war, ist sie der Gesellschaft gemäß § 31 zu erstatten.

167

Da Absatz 2 an die Vermögensbindung des Absatzes 1 anknüpft, wirken sich die Bereichsausnahmen bzw. „Klarstellungen“ für Konzernfinanzierungen und Gesellschafterdarlehen (Abs. 1 Satz 2 und 3) mittelbar auch auf Nachschüsse aus. So wenig verbreitet Nachschüsse aber als solche sind, so wenig praxisrelevant dürfte die Frage werden, ob Nachschusskapital im Vertragskonzern (siehe Rn. 103 ff) wegen § 302 AktG analog unbegrenzt zurückgezahlt werden kann oder ob es gegen Zusage eines vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruchs (siehe Rn. 49 ff) an ein verbundenes Unternehmen ausgezahlt werden darf. Nicht fern liegt hingegen die Frage, ob ein Gesellschafterdarlehen einer nachschussgleichen Kapitalbindung unterliegt. Letzteres berührt die sog. Finanzplankredite (siehe Rn. 148), da diese – ähnlich einem vorab vereinbarten Nachschuss – nach Bedarf abrufbar sind. Was aber unter dem statischen Kapitalschutzregime des Absatzes 1 erlaubt ist, muss es erst recht unter dem flexibleren Regime des Absatzes 2 sein. 3.

168

Rückzahlungsfrist – Bekanntmachung des Rückzahlungsbeschlusses (Abs. 2 Satz 2)

Während freies Vermögen gemäß Absatz 1 jederzeit ausgezahlt werden darf, kann die Rückzahlung von Nachschüssen grundsätzlich nur durch Gesellschafterbeschluss gestattet werden (§ 46 Nr. 3), der gemäß § 12 (zumindest) im elektronischen Bundesanzeiger458) bekannt zu machen ist (Abs. 2 Satz 2). Der Gesellschafterbeschluss ist zwar dispositiv (§ 45 Abs. 2),459) die Bekanntmachung aus Gläubigerschutzgründen jedoch zwingend. _____________ 455) Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1891, S. 80. 456) BGHZ 76, 326, 333 f = ZIP 1980, 361 = NJW 1980, 1524. 457) Allg. M., vgl. nur Scholz-Verse, GmbHG, § 30 Rn. 140. 458) Vgl. Art. 12 des Gesetzes über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz – JKomG), hierzu Noack, DB 2005, 599. 459) Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1891, S. 80: „im Zweifel“ Gesellschafterbeschluss erforderlich.

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Der historische Gesetzgeber ging davon aus, dass die Kapitalausstattung, sei es durch Einlagen oder durch Nachschüsse, die Kreditwürdigkeit beeinflusse. Ist aber die Rückzahlung von Nachschüssen anders als die Kapitalherabsetzung (§ 58 Abs. 1) ohne Mitwirkung der Gläubiger möglich, sollen sich die aktuellen wie potentiellen Gläubiger der Gesellschaft zumindest auf eine mögliche Verschlechterung der Vermögenslage einstellen können.

169

Hierzu ist gemäß Absatz 2 Satz 2 eine dreimonatige Sperrfrist einzuhalten. Sieht der Gesellschaftsvertrag neben dem elektronischen Bundesanzeiger gemäß § 12 weitere Gesellschaftsblätter vor, sollte aus Gründen der Rechtssicherheit für sich genommen weder die erste460) noch die letzte461) Bekanntmachung maßgeblich sein, sondern jene im elektronischen Bundesanzeiger als dem zwingend vorgegebenen „Basisgesellschaftsblatt“.462)

170

4.

Rückzahlungsverbot vor Volleinzahlung des Stammkapitals (Abs. 2 Satz 3)

Nach der gesetzlichen Konzeption sollen Nachschüsse das Stammkapital ergänzen, nicht ersetzen. Geldeinlagen müssen jedoch nicht sogleich bei der Anmeldung vollständig eingezahlt werden (§ 7 Abs. 2 Satz 1), sondern können – abhängig vom Anteil der sofort zu leistenden Sacheinlagen (§ 7 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3) – bis zu drei Vierteln erst später eingefordert werden, was regelmäßig (§ 45 Abs. 2) durch Gesellschafterbeschluss erfolgt (§ 46 Nr. 2).

171

Im Interesse einer flexiblen Kapitalausstattung können die Gesellschafter aber auch beschließen, dass betragsmäßig beschränkte Nachschüsse (siehe § 28 Rn. 5 [Bartels]) unter Androhung der in §§ 21 bis 23 geregelten Sanktionen bereits eingefordert werden können, bevor die Stammeinlagen vollständig eingefordert sind (§ 28 Abs. 2). Da die Nachschüsse in dieser Konstellation ausnahmsweise doch die Funktion des Stammkapitals übernehmen, können sie nicht zurückgezahlt werden, bevor nicht das eigentliche Stammkapital vollständig aufgebracht ist (Abs. 2 Satz 3).

172

Die Vorwegeinforderung ist unzulässig, wenn die Nachschusspflicht unbeschränkt ist oder eine im Gesellschaftsvertrag festgesetzte Summe überschritten wird (§ 27 Abs. 4). In diesem Fall kann nämlich der Gesellschafter sich der Nachschusspflicht entziehen, indem er der Gesellschaft seinen Geschäftsanteil zur Verfügung stellt, freilich nur, wenn dieser voll eingezahlt ist (§ 27 Abs. 1). Könnte er den Anteil abandonieren, bevor dieser voll eingezahlt ist, läge darin eine gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 unzulässige Befreiung von der Einlagepflicht.463) Die Aufbringung des Stammkapitals hat daher Vorrang; die Leistungsfähigkeit des Gesellschafters soll nicht vorab durch Nachschüsse „vergeudet“ werden. Nachschüsse, die hiernach unzulässigerweise vor der vollständigen Einlageleistung eingefordert und erbracht worden

173

_____________ 460) So Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, § 30 Rn. 65. 461) So Pentz in: MünchKomm-AktG, § 25 Rn. 13; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 30 Rn. 147; Scholz-Verse, GmbHG, § 30 Rn. 143; Hüffer, AktG, 11. Aufl. 2014, § 25 Rn. 5a. 462) Vgl. RegE eines Gesetzes über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz – JKomG), BT-Drucks. 15/4067, S. 56. 463) Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1891, S. 42 f.

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sind, können daher erst recht nur nach vollständiger Einzahlung des Stammkapitals zurückgefordert werden.464) 5.

Nichteinziehungsfiktion bei Rückzahlung (Abs. 2 Satz 4)

174

Zurückgezahlte Nachschüsse werden durch Absatz 2 Satz 4 als nicht eingezogen fingiert. Werden Nachschüsse zurückgezahlt, lebt also die zuvor bestimmte Nachschusspflicht wieder auf. Die Gesellschafter werden so im Interesse der Gläubiger an ihrem einmal gegebenen Wort festgehalten. Manipulationen durch ein (kapitalaufbringungsrechtlich seit dem MoMiG gemäß § 19 Abs. 5 in Grenzen zulässiges) Hin- und Herzahlen sind auf diese Weise ausgeschlossen. Dementsprechend ist der Nachschuss bei erneutem Einforderungsbeschluss auch erneut geschuldet. Abweichend hiervon können die Gesellschafter allerdings im Gesellschaftsvertrag die Erfüllungswirkung auch zurückgezahlter Nachschüsse vereinbaren,465) da sie mit satzungsändernder Mehrheit (§ 53 Abs. 2 Satz 1) die Nachschusspflicht sogar ganz abschaffen können.

175

Der Logik nach gilt Absatz 2 Satz 4 nur bei einer beschränkten (§ 28) oder bei einer den festgelegten Höchstbetrag überschreitenden (§ 27 Abs. 4) Nachschusspflicht.466) Bei unbeschränkter Nachschusspflicht (§ 27 Abs. 1) kann die Gesellschaft ohnehin nach Bedarf Nachschüsse einfordern, der Gesellschafter also nicht Erfüllung einwenden, sondern sich nur durch Preisgabe seines Geschäftsanteils von der Nachschusspflicht befreien. VI. Rechtsfolgen (§ 31)

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Die unmittelbaren Rechtsfolgen einer gegen § 30 verstoßenden Zahlung sind in § 31 geregelt. Im Regelfall ist die empfangene Zahlung der Gesellschaft zu erstatten (§ 31 Abs. 1). Das Gewinnbezugsprivileg des § 32 hat keine forensische Bedeutung. Im Übrigen wird auf die Kommentierung zu §§ 31, 32 verwiesen. Zu weiteren Konkurrenzen siehe Rn. 177 ff. VII. Abgrenzung zu anderen Tatbeständen

177

Ob eine Zahlung gegen § 30 verstößt, ist rein objektiv durch bilanzielle Betrachtung zu ermitteln (siehe Rn. 13 ff). Ob also dem auszahlenden Geschäftsführer oder dem Gesellschafter als Zahlungsempfänger Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last fällt, ist für den Tatbestand des § 30 ohne Bedeutung – anders als für den Geschäftsführer i. R. d. §§ 43, 64 und anders als für beide Seiten im Fall des § 826 BGB. Rechtstechnisch ist § 30 i. V. m. § 31 daher kein Schadensersatzanspruch für schuldhafte Verletzung fremder Vermögensinteressen, sondern ein die §§ 812 ff BGB verdrängender, speziell gesellschaftsrechtlicher Haftungstatbestand, der ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen verhindern soll, ohne den Einwand der

_____________ 464) Scholz-Verse, GmbHG, § 30 Rn. 141; die vollständige Einforderung statt Einzahlung genügt nach Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 30 Rn. 159. 465) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 30 Rn. 112. 466) Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1891, S. 80 f.

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Entreicherung zu gestatten.467) Der gute Glaube des Empfängers wirkt sich gemäß § 31 Abs. 2 beim Umfang des Erstattungsanspruchs (siehe § 31 Rn. 39 ff [Thiessen]) und gemäß § 32 bei gutgläubig bezogenen Gewinnanteilen aus (siehe § 32 Rn. 6 ff [Thiessen]). Ist der Zahlungsempfänger nicht nur Gesellschafter, sondern zugleich Geschäftsführer, verstößt die von ihm an sich selbst veranlasste Zahlung unter Umständen gegen § 64 Satz 3 (siehe Rn. 16). Anders als bei § 30 Abs. 1 kann der (Gesellschafter-)Geschäftsführer sich hier jedoch zumindest theoretisch gemäß § 64 Satz 2 entlasten, wenn die Zahlung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar war (siehe § 64 Rn. 59 [Bork]). Mit § 64 Satz 3 kodifiziert der Gesetzgeber erklärtermaßen einen Teilaspekt des existenzvernichtenden Eingriffs (siehe § 64 Rn. 48 [Bork]), wobei sich der Fahrlässigkeitsmaßstab auf den Geschäftsführer beschränkt (siehe Rn. 159). Für die Gesellschafter ist Vorsatz erforderlich. Sollte es nach der Rechtsprechung zunächst darauf ankommen, ob der Gesellschafter die Selbständigkeit der GmbH negiert und damit sein Haftungsprivileg verspielt (§ 13 Abs. 1 und 2), konzipiert der II. Zivilsenat den existenzvernichtenden Eingriff nunmehr als sittenwidrige vorsätzliche Schädigung gemäß § 826 BGB (siehe Rn. 158). Die besondere gesellschaftsrechtliche Verbindung wird dadurch berücksichtigt, dass nicht i. S. einer Außenhaftung jeder Geschädigte gegen den schädigenden Gesellschafter vorgehen kann, sondern die Gesellschaft den Anspruch im Wege der Innenhaftung geltend macht (siehe Rn. 160).

178

Der existenzvernichtende Eingriff gemäß § 826 BGB ist auch die einschlägige Sanktion für verbotene Einflussnahme im faktischen Konzern. Konzernrechtliche Regeln, insbesondere die §§ 302 f AktG, sind auch dann nicht (mehr) analog anwendbar, wenn das herrschende Unternehmen nicht nur die durch den Anteilsbesitz vermittelte Abhängigkeit ausnutzt, sondern „Leitungsmacht“ ausübt und so einen „qualifiziert(en) faktischen Konzern“ (siehe Anhang zu § 13 Rn. 55 [Weller/Discher]) aufbaut.468) Im Vertragskonzern beschränkt sich die Haftung des herrschenden Unternehmens hingegen analog §§ 302 f AktG auf Verlustübernahme und Gläubigerschutz, da der Kapitalschutz gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 suspendiert ist (siehe Rn. 103 ff). Wird ein Darlehen an einen Gesellschafter gewährt, der zugleich Geschäftsführer ist, ist diese Leistung gemäß § 43a unzulässig, wenn hierdurch eine Unterbilanz entsteht oder vertieft wird, mag auch der Rückgewähranspruch i. S. v. § 30 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 vollwertig sein (siehe Rn. 90 ff).

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Gesetze zum Schutz des Gläubiger- oder Gesellschaftsvermögens können i. R. v. § 823 Abs. 2 BGB neben den vorangehend dargestellten Anspruchsgrundlagen zur Haftung führen. § 30 selbst ist kein Schutzgesetz.469) Neben Betrug (§ 263 StGB) und Untreue (§ 266 StGB) kommen besonders, aber keinesfalls abschließend, jene _____________

180

467) RGZ 80, 148, 152; vgl. BGHZ 136, 125, 129 f = ZIP 1997, 1450, 1451 f = NJW 1997, 2599, dazu EWiR 1997, 1089 (H. P. Westermann). 468) Zu Aufstieg und Niedergang des „qualifiziert faktischen“ Konzerns Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 157 ff, dort Rn. 166 ff auch zum Streit um eine Analogie zu §§ 311, 317 AktG. 469) BGHZ 110, 342, 359 = ZIP 1990, 578 = NJW 1990, 1725, dazu EWiR 1990, 479 (Bergmann).

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weiteren Strafvorschriften in Betracht, die nach § 6 Abs. 2 Satz 2 zur Ausübung des Geschäftsführeramts disqualifizieren. Hierbei handelt es sich um Tatbestände, die nach Ansicht des Gesetzgebers besonders häufig zulasten der Vermögenslage der Gesellschaft verwirklicht werden.470) Dies betrifft – ungeachtet des speziellen Zwecks des § 6 – nicht nur Geschäftsführer, sondern angesichts von dessen rechtsformtypischer Weisungsabhängigkeit ebenso Gesellschafter. 181

Eine verdeckte Gewinnausschüttung, d. h. eine Leistung an Gesellschafter, die nicht durch einen Gewinnverteilungsbeschluss legitimiert wird (§ 29), und sei dieser auch fehlerhaft (§ 32), unterfällt § 30 nur dann, wenn die Ausschüttung eine Unterbilanz herbeiführt oder vertieft (siehe Rn. 65). Insbesondere dienen die §§ 30, 31 nicht dem Ausgleich zwischen den Gesellschaftern.471) Unberührt bleiben zivilrechtliche (§§ 812 ff BGB), steuerrechtliche und strafrechtliche Folgen (§ 266 StGB) sowie Schadensersatzansprüche gegen den Geschäftsführer (§ 43).472) VIII. Beweislast

182

Anders als bei der AG sind die Gesellschafter nicht auf die Ausschüttung des Bilanzgewinns beschränkt, sondern können Gesellschaftsvermögen entnehmen, das zur Erhaltung des Stammkapitals nicht benötigt wird (siehe Rn. 9 f). Das Auszahlungsverbot (und nicht die Auszahlung) wird daher bei der GmbH als Ausnahme begriffen.473) Die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen des daraus resultierenden Leistungsverweigerungsrechts (siehe Rn. 41) und des Erstattungsanspruchs (siehe § 31 Rn. 121 ff [Thiessen]) trifft demgemäß die auf Auszahlung in Anspruch genommene GmbH474) oder ihren Insolvenzverwalter.475) Da der Geschäftsführer eine Zwischenbilanz für den Auszahlungszeitpunkt aufstellen muss (siehe Rn. 15), genügt diese als Beweismittel.476)

183

Schwierigkeiten ergeben sich vor allem in der Insolvenz, wenn der Verwalter weder Stichtagsbilanzen noch geordnete Geschäftsaufzeichnungen vorfindet. Daher trifft die im mutmaßlich einschlägigen Zeitpunkt tätigen Geschäftsführer eine sekundäre Behauptungslast, da ihnen die Buchführung obliegt (§ 41) und sie demzufolge eher als der Insolvenzverwalter in der Lage sind, belastbare Aussagen über die seinerzeitige Vermögenslage der Gesellschaft zu treffen.477) War ausweislich der Bilanzen das Stammkapital sowohl am Jahresanfang als auch am Jahresende nicht durch Vermögenswerte gedeckt, kommt dem Insolvenzverwalter der Beweis des ersten An_____________ 470) 471) 472) 473) 474) 475) 476) 477)

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RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 32 f = Seibert, MoMiG, S. 137 f. OLG Stuttgart, GmbHR 2013, 468 f = NZG 2013, 869. Einzelheiten bei Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 29 Rn. 61 ff. A. A. wohl Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 229, dort Rn. 291 f, aber im Wesentlichen wie hier. BGH, BB 1953, 245; OLG Stuttgart, GmbHR 2013, 468, 470 f = NZG 2013, 869. Grundlegend zur Darlegungs- und Beweislast im GmbH-Recht Bayer/Illhardt, GmbHR 2011, 638, 640 f m. vielen Rspr.-nachweisen. Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 30 Rn. 142. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 30 Rn. 17 unter Hinweis auf die Rspr. zur Unterbilanzhaftung, BGH, ZIP 2003, 625, 627 = GmbHR 2003, 466 = WM 2003, 684, und zur Geschäftsführerhaftung, BGH, ZIP 2006, 805 = GmbHR 2006, 537 = WM 2006, 858.

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scheins dafür zugute, dass der Fehlbetrag auch zu keinem Zeitpunkt des laufenden Geschäftsjahres ausgeglichen war.478) Die Ausnahmetatbestände des Absatzes 1 Satz 2 und 3 sind vom Gesellschafter bzw. vom gleichgestellten Dritten zu beweisen, da sie diesen über den Grundtatbestand des Absatzes 1 Satz 1 hinaus begünstigen.479) Dies gilt insbesondere für die Vollwertigkeit gemäß Absatz 1 Satz 3 Alt. 2.480) Bei Einbindung in ein CashManagement-System wird dies der begünstigten Mutter- bzw. Cash-Pool-Gesellschaft ohnehin leichter fallen als dem Insolvenzverwalter der Tochter- oder Schwestergesellschaft; desgleichen bei Gesellschafterdarlehen oder wirtschaftlich entsprechenden Finanzierungshilfen dem Gesellschafter, da es um eine von ihm selbst erbrachte und nun von ihm zurückgeforderte Leistung geht.

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Verweigert der Geschäftsführer die Rückzahlung von Nachschüssen, muss er beweisen, dass das Nachschusskapital gemäß Absatz 2 Satz 1 benötigt wird, um eine Unterbilanz auszugleichen oder wenigstens zu vermindern.481) Der Gesellschafter hat die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 2 zu beweisen, dass also die Gesellschafter die Rückzahlung beschlossen haben, der Beschluss gemäß § 12 bekannt gemacht wurde und seit der Beschlussfassung drei Monate vergangen sind. Verlangt ein Gesellschafter gemäß Absatz 2 Satz 3 Nachschüsse zurück, die vor der vollständigen Aufbringung des Stammkapitals eingefordert worden waren, muss er beweisen, dass das Stammkapital zwischenzeitlich vollständig aufgebracht worden ist. Da der Geschäftsführer für die Bekanntmachung und die Verbuchung der Nachschüsse zuständig ist, trifft ihn eine sekundäre Behauptungslast. Fordert der Geschäftsführer einen Nachschuss ein, muss der Gesellschafter ggf. beweisen, dass er diesen bereits erbracht hat. Die wiederauflebende Nachschusspflicht gemäß Absatz 2 Satz 4 muss hingegen der Geschäftsführer beweisen.

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IX. Übergangsrecht § 3 Abs. 4 EGGmbHG482) betrifft nur die Erleichterungen für verdeckte Sacheinlagen (§ 19 Abs. 4) und das „Hin- und Herzahlen“ von Einlagen (§ 19 Abs. 5). Eine ausdrückliche Übergangsvorschrift für die Neuerungen in § 30 Abs. 1 Satz 2 und 3 enthält § 3 EGGmbHG nicht. Für § 30 Abs. 1 Satz 2 folgt dies daraus, dass der Gesetzgeber die Vorschrift als Klarstellung der bisherigen Rechtslage versteht (siehe Rn. 104). Damit gilt die Privilegierung (vor allem) der (konzerninternen) Leistungen an Gesellschafter auch für Altfälle.483) Da die Vorschriften über Gesellschafterdarlehen abseits der Privilegierung des § 30 Abs. 1 Satz 3 in der Insolvenzordnung und im Anfechtungsrecht konzentriert sind, ist das Übergangsrecht in Art. 103d InsO _____________ 478) 479) 480) 481) 482)

KG Berlin, NZG 2000, 1224, 1225. Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 136, 231, 292. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 30 Rn. 101 f. Zust. auch zum Folgenden Bayer/Illhardt, GmbHR 2011, 638, 642. Zur Verfassungsmäßigkeit BGHZ 185, 44, 51 ff = ZIP 2010, 978, 980 ff = NJW 2010, 1948, dazu EWiR 2010, 421 (Wenzel). 483) Für die Parallelvorschrift des § 57 Abs. 1 Satz 3 AktG anerkannt durch BGHZ 179, 71 = ZIP 2009, 70, 72 = GmbHR 2009, 199, dazu Altmeppen, ZIP 2009, 49 und EWiR 2009, 129 (Maier-Reimer).

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bzw. § 20 Abs. 3 AnfG geregelt. Soweit diese Vorschriften nicht das alte Recht aufrechterhalten (siehe Rn. 187 ff), privilegiert § 30 Abs. 1 Satz 3 auch solche Darlehen und darlehensäquivalenten Finanzierungshilfen, die vor dem Inkrafttreten des MoMiG gewährt wurden.484) – Zur Privilegierung im Strafrecht siehe Rn. 131 a. E. 187

Art. 103d EGInsO bestimmt, welches Recht für vor bzw. nach Inkrafttreten des MoMiG eröffnete Insolvenzverfahren anzuwenden ist. Der im intertemporalen Recht gängige Grundsatz – altes Recht für Altfälle, neues Recht für Neufälle – gilt auch für das MoMiG,485) wird freilich – wie auch sonst bei Übergangsregeln – im Detail modifiziert.486)

188

Nach Satz 1 sind auf „Insolvenzverfahren, die vor dem … 1. November 2008 eröffnet (nicht lediglich: beantragt) worden sind, die bis dahin geltenden gesetzlichen Vorschriften weiter anzuwenden“. Satz 1 beschränkt sich nicht auf die vor dem MoMiG geltenden insolvenzrechtlichen Vorschriften (so Satz 2), sondern erstreckt sich auf jegliche gesetzliche Vorschrift. Mangels anderer Anhaltspunkte dürfte mit Art. 2 EGBGB als Gesetz sogar jede Rechtsnorm auch unterhalb des förmlichen Parlamentsgesetzes anzusehen sein, was aber für Gesellschafterdarlehen praktisch keine Rolle spielen dürfte.487) Trotz des systematischen Standorts im Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung geht es um Normen außerhalb der Insolvenzordnung, die durch genuin insolvenzrechtliche Vorschriften ersetzt worden sind. Für Altverfahren gelten demgemäß die Vorschriften des alten GmbH-Rechts, und zwar in der Interpretation der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Somit sind nicht nur die „Novellenregeln“ (§§ 32a, b a. F.) i. R. v. Altverfahren weiterhin geltendes Recht, sondern auch die „Rechtsprechungsregeln“, da sie auf einer analogen Anwendung von § 30 Abs. 1 a. F. beruhen (siehe Rn. 125).488) Entsprechend dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs bleibt die Beurteilung von Gesellschafterdarlehen in vor dem 1.11.2008 eröffneten Insolvenzverfahren als Gesellschaftsrecht dem II. Zivilsenat, diejenige in nach dem 1.11.2008 eröffneten Insolvenzverfahren dem IX. Zivilsenat zugewiesen. Zum Teil bewusst spät terminierte489)

_____________ 484) BGH, ZIP 2012, 86, 88 = GmbHR 2012, 206 = DB 2012, 47, dazu EWiR 2012, 91 (Rendels); OLG Frankfurt/M., ZInsO 2010, 235, 237; OLG München, ZIP 2010, 1236, 1237 = GmbHR 2010, 815 = DZWIR 2010, 437, dazu EWiR 2010, 745 (Henkel); OLG München, Urt. v. 5.5.2010 – 7 U 4134/09, juris, Rn. 80 ff; OLG Koblenz, ZInsO 2012, 842, 843. 485) So auch BGHZ 179, 249, 256 ff = ZIP 2009, 615, 618 = NJW 2009, 1277, dazu EWiR 2009, 303 (Habighorst). 486) Umfassend hierzu Hirte/Knof/Mock, NZG 2009, 48; Holzer, ZIP 2009, 206; Rellermeyer/ Gröblinghoff, ZIP 2009, 1933; Altmeppen, ZIP 2011, 641. 487) Allerdings kommt es in Krisenzeiten gerade im Insolvenzrecht zu Sondervorschriften, die zuweilen nur Verordnungsrang haben, hierzu Marotzke, JZ 2009, 763, 766. 488) Grundsätzlich a. A. Hirte/Knof/Mock, NZG 2009, 48, 49 f. 489) Goette in: R. Schröder, Reform des GmbH-Rechts, S. 11.

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Altfälle hat der II. Zivilsenat auf Grundlage der Rechtsprechungsregeln entschieden.490) Umstritten ist allerdings, wann ein Altfall vorliegt. Nach der hier vertretenen Auffassung bestimmt sich dies allein nach dem Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung, nicht hingegen nach der Gewährung oder Fälligkeit des Darlehens.491) Irrelevant ist auch, ob das Darlehen bereits ganz oder teilweise getilgt oder durch Zinsen vergütet wurde, ob also nach der früheren Rechtsprechung ein Anspruch analog § 31 Abs. 1 bereits entstanden ist, somit analog § 31 Abs. 5 Satz 1 maximal zehn Jahr lang geltend gemacht werden könnte.492) Damit wird zwar rückwirkend eine bereits _____________ 490) BGHZ 179, 249 = ZIP 2009, 615 = NJW 2009, 1277, dazu EWiR 2009, 303 (Habighorst); BGHZ 179, 278 = ZIP 2009, 471 = NJW 2009, 997, dazu EWiR 2009, 241 (Schodder); BGHZ 180, 38 = ZIP 2009, 713 = NJW 2009, 2375, dazu EWiR 2009, 443 (Schodder); BGH, ZIP 2009, 1806 = GmbHR 2009, 1096 = DB 2009, 1975, dazu EWiR 2010, 81 (Steffek/Schmidt); BGH, ZIP 2010, 1078, 1079 = GmbHR 2010, 752 = DB 2010, 1233, dazu EWiR 2010, 491 (Schodder); BGHZ 187, 69, 75 f = ZIP 2010, 2092, 2094 = GmbHR 2010, 1204, dazu EWiR 2010, 757 (Guski); BGH, ZIP 2011, 328, 330 = GmbHR 2011, 301 = NJW 2011, 844, dazu EWiR 2011, 463 (Siepmann); BGH, ZIP 2011, 1410 = GmbHR 2011, 933 = DB 2011, 1685; BGH, ZIP 2013, 1718 Rn. 10 = GmbHR 2013, 1040 = DB 2013, 1964, dazu EWiR 2014, 207 (Schulz); ebenso der Xa. Senat BGHZ 182, 231 = ZInsO 2009, 2246; OLG Köln, ZIP 2009, 315 = GmbHR 2009, 256 = DStR 2009, 698; OLG Köln, ZIP 2011, 863, 865 = GmbHR 2011, 648 = NZI 2011, 376, dazu EWiR 2011, 667 (Schodder); OLG Jena, ZIP 2009, 2098 = GmbHR 2009, 431 = WM 2009, 1034 – mit vom BGH abweichender Begründung, dazu EWiR 2009, 671 (Penzlin); BGH, ZIP 2011, 572 = WM 2011, 474 = NJW-RR 2011, 785, dazu EWiR 2011, 455 (Corzelius); OLG Düsseldorf, ZIP 2010, 733 = GmbHR 2010, 1099 = WM 2009, 2117; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.7.2010 – I-6 U 176/09, 6 U 176/09, juris, Rn. 8; OLG München, NZG 2009, 1028 = DStR 2009, 1659 (LS); OLG München, GmbHR 2011, 928; BGH, ZIP 2013, 894, 896 Rn. 27 = GmbHR 2013, 529 = NZG 2013, 827, dazu EWiR 2013, 555 (Hölzle). 491) OLG Frankfurt/M., ZInsO 2010, 235, 237; i. E. auch OLG München, ZIP 2011, 225, 226 = GmbHR 2011, 195 = NZI 2011, 394, insoweit bestätigt durch BGH, ZIP 2012, 86, 87 f = GmbHR 2012, 206 = DB 2012, 47, dazu EWiR 2012, 91 (Rendels); OLG Düsseldorf, GmbHR 2016, 765, 766 = ZIP 2016, 833 = ZInsO 2016, 971, dazu EWiR 2016, 443 (Rendels); Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 30 Rn. 42 f; a. A. OLG Jena, ZIP 2009, 2098, 2099 f = GmbHR 2009, 431 = WM 2009, 1034, dazu EWiR 2009, 671 (Penzlin); Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 10; Cranshaw/Michel/PaulusZenker, Bankenkommentar InsR, § 135 InsO Rn. 4. 492) Überzeugend OLG Hamburg, ZIP 2015, 840 = GmbHR 2015, 586 = WM 2015, 973; Altmeppen, ZIP 2011, 641, 645 ff; Scholz-Verse, GmbHG, § 30 Rn. 112 ff, jeweils m. w. N. auch zur Gegenmeinung; zuvor bereits Hirte, WM 2008, 1429, 1435; Hirte/Knof/Mock, NZG 2009, 48, 49 f – mit Ausnahme rechtskräftig festgestellter Ansprüche; Rellermeyer/ Gröblinghoff, ZIP 2009, 1933, 1935 ff; Gottwald-Haas/Kolmann/Pauw, InsR-Hdb., § 92 Rn. 395 f; a. A. OLG München, ZIP 2011, 225, 226 = GmbHR 2011, 195 = NZI 2011, 394, insoweit nicht revidiert von BGH, ZIP 2012, 86, 87 f = GmbHR 2012, 206 = DB 2012, 47, dazu EWiR 2012, 91 (Rendels); mit unterschiedlicher Begründung Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 12; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 148; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 7; Saenger/Inhester-Kolmann, GmbHG, 2. Aufl. 2013, Anh. § 30 Rn. 59 ff; Rowedder/ Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 30 Rn. 91; Wedemann, GmbHR 2008, 1131, 1134 f; Lorenz, GmbHR 2009, 135, 137 – mit Akzent auf den Zinsen; Orlikowski-Wolf, GmbHR 2009, 902, 907 – Altansprüche bestehen, sind jedoch außerhalb eines rechtzeitig eröffneten Insolvenzverfahrens nicht mehr durchsetzbar; Röck/Hucke, GmbHR 2013, 791, 796.

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begründete Rechtsposition beseitigt,493) jedoch unter den weniger strengen Anforderungen einer unechten Rückwirkung.494) Das hiernach maßgebliche Vertrauen der Gläubiger auf die Fortgeltung der Rechtsprechungsregeln war durch die seit Langem geführte Diskussion über deren Berechtigung erschüttert (siehe Rn. 126 ff). Der Gesetzgeber wollte das Nebeneinander von Rechtsprechungs- und Novellenregeln durch das MoMiG abschaffen, u. a., weil die Zehn-Jahres-Frist analog § 31 Abs. 5 Satz 1 verbreitet als zu lang galt (siehe Anhang zu § 30 Rn. 74 [Thiessen]). Er hat klar angeordnet, dass allein die bereits nach altem Recht begonnenen Verfahren nach altem Recht zu Ende geführt werden sollen.495) 190

Satz 2 gibt Vertrauensschutz496) für nach neuem Recht anfechtbare Rechtshandlungen, die vor dem 1.11.2008 vorgenommen worden sind, selbst wenn das klärende Insolvenzverfahren erst danach eröffnet worden ist.497) Diese Übergangsregelung bezieht sich (anders als Satz 1) ausdrücklich auf „die bis dahin geltenden Vorschriften der Insolvenzordnung“ zur „Anfechtung“. Soweit die vor dem MoMiG vorgenommenen Rechtshandlungen nach altem Insolvenzrecht nicht oder nicht in gleichem Maße wie nach neuem Recht anfechtbar waren, verbleibt es bei der milderen Rechtslage. Die §§ 32a, b a. F. sind, obwohl sie außerhalb der Insolvenzordnung geregelt waren, zumindest insoweit einzubeziehen, als sie klären, was nach altem Recht wem gegenüber als „kapitalersetzendes Darlehen“ anzusehen war.498) Da die §§ 32a, b a. F. eine Krise der Gesellschaft voraussetzten,499) zogen sie den Kreis der anfechtbaren Rechtshandlungen enger als der heutige § 135 InsO. Die in anderer Hinsicht strengeren Rechtsprechungsregeln (siehe Rn. 125, 134 ff) gelten nach Satz 1 ohnehin nicht, wenn das Insolvenzverfahren erst nach dem 1.11.2008 eröffnet worden ist (siehe Rn. 188).

191

Eine Art. 103d Satz 2 EGInsO entsprechende Vorschrift enthält § 20 Abs. 3 AnfG für die Gläubigeranfechtung außerhalb des Insolvenzverfahrens. Rechtstechnisch ist die Norm umgekehrt formuliert, da die „Vorschriften dieses (des Anfechtungs-)Gesetzes“ auf vor dem 1.11.2008 vorgenommene Rechtshandlungen nur anzuwenden sind, soweit das bisherige Recht nicht für den Empfänger der Leistung bezüglich der „Anfechtung“ günstiger war. Auch in diesem Fall gelten also – wie bei der Insolvenzordnung – die alten Vorschriften. Diese waren dem Gesellschafter insoweit _____________ 493) Zur Verfassungsmäßigkeit eingehend BGHZ 188, 363, 365 f Rn. 8 = ZIP 2011, 575, 576 ff = GmbHR 2011, 413, dazu EWiR 2011, 285 (Spliedt); BAG, ZIP 2014, 927, 931 f Rn. 40 ff = GmbHR 2014, 645 = DB 2014, 1072, dazu EWiR 2014, 327 (Bork); Altmeppen, ZIP 2011, 641, 648. 494) Vgl. Maunz/Dürig-Grzeszick, GG, Art. 20 Teil VII. Rn. 88 ff, speziell zum Übergangsrecht Rn. 93; zu einem vergleichbaren Problem Thiessen, NJW 2005, 2120, 2122. 495) Altmeppen ZIP 2011, 641, 646, 648. 496) Holzer, ZIP 2009, 206, 207. 497) Zum Folgenden mit anderer Begründung i. E. ebenso Rellermeyer/Gröblinghoff, ZIP 2009, 1933, 1937; Altmeppen, ZIP 2011, 641, 647 f. 498) Zur Einbeziehung der Novellenregeln als „Vorschriften der Insolvenzordnung“ BGHZ 198, 77, 86 Rn. 26 = ZIP 2013, 1629 = GmbHR 2013, 1034, dazu EWiR 2013, 657 (Plathner/ Luttmann). 499) In casu bejaht bei AG Hamburg, ZIP 2009, 532 = NZG 2009, 197 = ZInsO 2008, 1332, dazu EWiR 2009, 215 (Mankowski).

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günstiger, als sie eine Krise voraussetzten (§§ 32a, b a. F.) und in § 6 AnfG a. F. auf einen späteren Rückberechnungszeitpunkt abstellten, nämlich auf die Anfechtung statt wie heute bereits auf die Erlangung eines vollstreckbaren Schuldtitels bzw. die Abweisung mangels Masse.500) Zusammengefasst gilt: Wird ein Insolvenzverfahren zu spät oder nie eröffnet, greifen für alte Gesellschafterdarlehen ebenso wenig die Rechtsprechungsregeln wie für alte Tilgungen/Zinszahlungen/Besicherungen das neue strengere Anfechtungsrecht.501) Mit seinem Eingriff in schwebende Rechtsbeziehungen mutet der Gesetzgeber eher der Gesellschaft und deren Gläubigern einen Rechtsverlust zu als den Gesellschaftern eine Haftungsverschärfung. Das Übergangsrecht entscheidet in dubio pro socio, weil es den Darlehensrückzahlungsanspruch gemäß § 30 Abs. 1 Satz 3 grundsätzlich als legitim anerkennt. Das führt zu dem eingestandermaßen paradoxen Ergebnis, dass bei Befriedigung oder Besicherung vor dem Stichtag, soweit dagegen nicht rechtzeitig vorgegangen wurde, weder das alte noch das neue Recht vollumfänglich anwendbar ist.

192

Betroffen hiervon sind vor allem vier Fallkonstellationen außerhalb der Insolvenz: Ein Gesellschaftsgläubiger ficht die Befriedigung/Besicherung eines Krisendarlehens gemessen am milderen § 6 AnfG a. F. zu spät an, geht aus abgetretenem Recht der Gesellschaft vor (siehe § 31 Rn. 10 ff [Thiessen]) oder hat einen Erstattungsanspruch pfänden und sich überweisen lassen (siehe § 31 Rn. 15 [Thiessen]), oder aber ein (neuer) Geschäftsführer geht in Sorge vor eigener Haftung gegen den Gesellschafter vor. Der in diesen Fällen fehlenden, sonst aber anspruchserhaltenden rechtzeitigen Insolvenzeröffnung sind jedoch aus Gründen des Vertrauensschutzes (siehe Rn. 189) zwei Situationen gleichzustellen: Ist das Verfahren nur mangels Masse nicht eröffnet worden (§ 26 Abs. 1 InsO) oder hat der Gläubiger einen vollstreckbaren Titel erlangt, ist danach abzugrenzen, ob der Abweisungsbeschluss vor oder nach dem 1.11.2008 ergangen bzw. der vollstreckbare Titel vor oder nach diesem Datum erlangt ist. Denn dann ist jeweils der Weg für die Gesamt- oder Einzelvollstreckung gegen den Gesellschafter noch unter Geltung des alten Rechts geebnet worden. _____________

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500) Krit. zur fehlenden Harmonisierung der Anfechtungsvoraussetzungen nach § 135 InsO und § 6 AnfG Mylich, ZIP 2013, 1650, 1654 ff. 501) Krit. Gottwald-Haas/Kolmann/Pauw, InsR-Hdb., § 92 Rn. 394; insoweit anders Rellermeyer/ Gröblinghoff, ZIP 2009, 1933, 1936, 1938.

Anhang zu § 30 Gesellschafterdarlehen § 19 InsO Überschuldung Jan Thiessen

(1) Bei einer juristischen Person ist auch die Überschuldung Eröffnungsgrund. (2) 1Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. 2Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die Jan Thiessen

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Anhang zu § 30

Gesellschafterdarlehen

einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, für die gemäß § 39 Abs. 2 zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, sind nicht bei den Verbindlichkeiten nach Satz 1 zu berücksichtigen. (3) 1Ist bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend. 2 Dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. § 39 InsO Nachrangige Insolvenzgläubiger (1) Im Rang nach den übrigen Forderungen der Insolvenzgläubiger werden in folgender Rangfolge, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge, berichtigt: 1.

die seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Zinsen und Säumniszuschläge auf Forderungen der Insolvenzgläubiger;

2.

die Kosten, die den einzelnen Insolvenzgläubigern durch ihre Teilnahme am Verfahren erwachsen;

3.

Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder und Zwangsgelder sowie solche Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldzahlung verpflichten;

4.

Forderungen auf eine unentgeltliche Leistung des Schuldners;

5.

nach Maßgabe der Absätze 4 und 5 Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen.

(2) Forderungen, für die zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren vereinbart worden ist, werden im Zweifel nach den in Absatz 1 bezeichneten Forderungen berichtigt. (3) Die Zinsen der Forderungen nachrangiger Insolvenzgläubiger und die Kosten, die diesen Gläubigern durch ihre Teilnahme am Verfahren entstehen, haben den gleichen Rang wie die Forderungen dieser Gläubiger. (4) 1Absatz 1 Nr. 5 gilt für Gesellschaften, die weder eine natürliche Person noch eine Gesellschaft als persönlich haftenden Gesellschafter haben, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. 2Erwirbt ein Gläubiger bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder bei Überschuldung Anteile zum Zweck ihrer Sanierung, führt dies bis zur nachhaltigen Sanierung nicht zur Anwendung von Absatz 1 Nr. 5 auf seine Forderungen aus bestehenden oder neu gewährten Darlehen oder auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen. (5) Absatz 1 Nr. 5 gilt nicht für den nicht geschäftsführenden Gesellschafter einer Gesellschaft im Sinne des Absatzes 4 Satz 1, der mit 10 Prozent oder weniger am Haftkapital beteiligt ist. 568

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Gesellschafterdarlehen

§ 44a InsO Gesicherte Darlehen In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft kann ein Gläubiger nach Maßgabe des § 39 Abs. 1 Nr. 5 für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens oder für eine gleichgestellte Forderung, für die ein Gesellschafter eine Sicherheit bestellt oder für die er sich verbürgt hat, nur anteilsmäßige Befriedigung aus der Insolvenzmasse verlangen, soweit er bei der Inanspruchnahme der Sicherheit oder des Bürgen ausgefallen ist. § 6a AnfG Gesicherte Darlehen 1 Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, mit der eine Gesellschaft einem Dritten für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens innerhalb der in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 genannten Fristen Befriedigung gewährt hat, wenn ein Gesellschafter für die Forderung eine Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete; dies gilt sinngemäß für Leistungen auf Forderungen, die einem Darlehen wirtschaftlich entsprechen. 2§ 39 Abs. 4 und 5 der Insolvenzordnung und § 6 Abs. 2 gelten entsprechend.

§ 135 InsO Gesellschafterdarlehen (1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 oder für eine gleichgestellte Forderung 1.

Sicherung gewährt hat, wenn die Handlung in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist, oder

2.

Befriedigung gewährt hat, wenn die Handlung im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist.

(2) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, mit der eine Gesellschaft einem Dritten für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens innerhalb der in Absatz 1 Nr. 2 genannten Fristen Befriedigung gewährt hat, wenn ein Gesellschafter für die Forderung eine Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete; dies gilt sinngemäß für Leistungen auf Forderungen, die einem Darlehen wirtschaftlich entsprechen. (3) 1Wurde dem Schuldner von einem Gesellschafter ein Gegenstand zum Gebrauch oder zur Ausübung überlassen, so kann der Aussonderungsanspruch während der Dauer des Insolvenzverfahrens, höchstens aber für eine Zeit von einem Jahr ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht geltend gemacht werden, wenn der Gegenstand für die Fortführung des Unternehmens des Schuldners von erheblicher Bedeutung ist. 2Für den Gebrauch oder die Ausübung des Gegenstandes gebührt dem Gesellschafter ein Ausgleich; bei der Berechnung ist der Durchschnitt der im letzten Jahr vor Verfahrenseröffnung geleisteten Vergü-

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Gesellschafterdarlehen

tung in Ansatz zu bringen, bei kürzerer Dauer der Überlassung ist der Durchschnitt während dieses Zeitraums maßgebend. (4) § 39 Abs. 4 und 5 gilt entsprechend. § 6 AnfG Gesellschafterdarlehen (1) 1Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 der Insolvenzordnung oder für eine gleichgestellte Forderung 1.

Sicherung gewährt hat, wenn die Handlung in den letzten zehn Jahren vor Erlangung des vollstreckbaren Schuldtitels oder danach vorgenommen worden ist, oder

2.

Befriedigung gewährt hat, wenn die Handlung im letzten Jahr vor Erlangung des vollstreckbaren Schuldtitels oder danach vorgenommen worden ist.

2 Wurde ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach § 26 Abs. 1 der Insolvenzordnung abgewiesen, bevor der Gläubiger einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat, so beginnt die Anfechtungsfrist mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

(2) 1Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn nach dem Schluss des Jahres, in dem der Gläubiger den vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat, drei Jahre verstrichen sind. 2Wurde die Handlung später vorgenommen, so ist die Anfechtung drei Jahre nach dem Schluss des Jahres ausgeschlossen, in dem die Handlung vorgenommen worden ist. § 143 InsO Rechtsfolgen (1) 1Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. 2Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. (2) 1Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zurückzugewähren, soweit er durch sie bereichert ist. 2Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt. (3) 1Im Fall der Anfechtung nach § 135 Abs. 2 hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten. 2Die Verpflichtung besteht nur bis zur Höhe des Betrags, mit dem der Gesellschafter als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. 3Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, der Insolvenzmasse zur Verfügung stellt. 570

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Gesellschafterdarlehen

§ 11 AnfG Rechtsfolgen (1) 1Was durch die anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß dem Gläubiger zur Verfügung gestellt werden, soweit es zu dessen Befriedigung erforderlich ist. 2Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. (2) 1Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zur Verfügung zu stellen, soweit er durch sie bereichert ist. 2Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt. (3) 1Im Fall der Anfechtung nach § 6a hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die Zwangsvollstreckung in sein Vermögen bis zur Höhe des Betrags zu dulden, mit dem er als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. 2Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, dem Gläubiger zur Verfügung stellt. § 24 UBGG Gesellschafterdarlehen Hat die Unternehmensbeteiligungsgesellschaft oder ein an ihr beteiligter Gesellschafter einem Unternehmen, an dem die Unternehmensbeteiligungsgesellschaft beteiligt ist, ein Darlehen gewährt oder eine andere einer Darlehensgewährung wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlung vorgenommen, ist § 39 Abs. 1 Nr. 5 der Insolvenzordnung nicht anzuwenden. § 18 FMStBG Anfechtung, Gesellschafterdarlehen und wirtschaftlich vergleichbare Forderungen, verdeckte Sacheinlage (1) Rechtshandlungen, die im Zusammenhang mit Stabilisierungsmaßnahmen stehen, können nicht zu Lasten des Fonds, des Bundes und der von ihnen errichteten Körperschaften, Anstalten und Sondervermögen sowie der ihnen nahe stehenden Personen oder sonstigen von ihnen mittelbar oder unmittelbar abhängigen Unternehmen nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung und des Anfechtungsgesetzes angefochten werden. (2) Die Vorschriften über Gesellschafterdarlehen und wirtschaftlich vergleichbare Forderungen, insbesondere § 39 Absatz 1 Nummer 5 der Insolvenzordnung, gelten nicht zu Lasten der in Absatz 1 genannten Personen und Rechtsträger. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch zugunsten von Rechtsnachfolgern, die in die Rechte und Pflichten in Bezug auf die privilegierte Forderung oder Sicherheit eintreten.

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(4) 1Die Rechtsgrundsätze der verdeckten Sacheinlage finden auf Rechtsgeschäfte zwischen dem Fonds und Unternehmen des Finanzsektors keine Anwendung. 2Dies gilt insbesondere für die Ausgabe neuer Aktien gegen Hingabe von Einlagen aus von dem Fonds eingegangenen stillen Gesellschaften oder von sonstigen Verbindlichkeiten des Unternehmens gegenüber dem Fonds. Literatur: Altmeppen, Das neue Recht der Gesellschafterdarlehen in der Praxis, NJW 2008, 3601; Altmeppen, Der Verzicht des Gläubigers auf eine Gesellschaftersicherheit und der „Richtigkeitsgedanke“ im Recht der Gesellschafterdarlehen, ZIP 2016, 2089; Altmeppen, Ist das besicherte Gesellschafterdarlehen im Insolvenzverfahren der Gesellschaft subordiniert oder privilegiert?; zugleich Besprechung BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 219/11, ZIP 2013, 1579, ZIP 2013, 1745; Avoine/Michels, Darlehen mittelbarer Gesellschafter in der Insolvenz. Zugleich Besprechung OLG Hamm v. 16.2.2017 – 27 U 83/16, ZIP 2017, 2162, ZIP 2018, 60; Bitter, Mehrfache Kreditgewährung und -rückführung im Recht der Gesellschafterdarlehen, in: Festschrift für Hans-Jürgen Lwowski, 2014, S. 223; Bitter, Anfechtung von Sicherheiten für Gesellschafterdarlehen nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO, ZIP 2013, 1497; Bitter, Teufelskreis – Ist das Sanierungsprivileg des § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO zu sanieren?, ZIP 2013, 398; Bitter, Die Nutzungsüberlassung in der Insolvenz nach dem MoMiG (§ 135 Abs. 3 InsO). Dogmatische Grundlagen und Einzelfragen der Praxis, ZIP 2010, 1; Bitter, Die typische und atypische stille Gesellschaft im Recht der Gesellschafterdarlehen, ZIP 2019, 146; Bork, Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts zugunsten des Insolvenzrechts?, ZGR 2007, 250; Brinkmann, Zwei Brennpunkte im Recht der Gesellschafterdarlehen. Die Behandlung des Cash Pools und die Besicherung von Gesellschafterdarlehen, ZGR 2017, 708; Engert, Drohende Subordination als Schranke einer Unternehmenskontrolle durch Kreditgeber. Zugleich zum Regelungszweck der Subordination von Gesellschafterdarlehen, ZGR 2012, 835; Freudenberg, Anfechtung der Ausschüttung von Gewinnvorträgen und freien Rücklagen, ZInsO 2014, 1544; Gehrlein, Banken – vom Kreditgeber zum Gesellschafter – neue Haftungsfallen? (Debt-EquitySwap nach ESUG), NZI 2012, 257; Gehrlein, Das Eigenkapitalersatzrecht im Wandel seiner gesetzlichen Kodifikationen, BB 2011, 3; Gehrlein, Die Behandlung von Gesellschafterdarlehen durch das MoMiG, BB 2008, 846; Haas, Allgemeines Anfechtungsrecht und das Recht der subordinierten Gesellschafterdarlehen, ZIP 2017, 545; Habersack, Die Erstreckung des Rechts der Gesellschafterdarlehen auf Dritte, insbesondere im Unternehmensverbund, ZIP 2008, 2385; Habersack, Gesellschafterdarlehen nach MoMiG: Anwendungsbereich, Tatbestand und Rechtsfolgen der Neuregelung, ZIP 2007, 2145; Hirte, Die Neuregelung des Rechts der (früher: kapitalersetzenden) Gesellschafterdarlehen durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), WM 2008, 1429; Hirte/Knof, Das „neue“ Sanierungsprivileg nach § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO, WM 2009, 1961; Hölzle, Bindung von Gesellschafterhilfen in der Krise der GmbH durch Richterrecht? – Zur Vermeidung von Schutzlücken im MoMiG, ZIP 2011, 650; Huber, Gesellschafterdarlehen im GmbH- und Insolvenzrecht nach der MoMiG-Reform, ZIP 2010, Beilage zu Heft 39, S. 7; Huber/Habersack, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 2006, S. 370; Huber/Habersack, GmbH-Reform: Zwölf Thesen zu einer möglichen Reform des Rechts der kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen, BB 2006, 1; Jacoby, Der Einwand der Anfechtbarkeit gegen den Nachrang nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO – Ein Beitrag zur Doppelinsolvenz im Konzern, ZIP 2018, 505; Kebekus/Zenker, Verstrickung adieu – Auswirkungen von Beteiligungswechseln und Zessionen auf Nachrang und Anfechtbarkeit von „Gesellschafterdarlehen“, in: Festschrift für Jobst Wellensiek, 2011, S. 475; Kleindiek, Das reformierte Recht der Gesellschafterdarlehen – eine Zwischenbilanz. ZGR 2017, 731; Klinck, Die Anfechtung unentgeltlicher Leistungen im Spiegel der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, ZIP 2017, 1589; Köth, Die Verwertbarkeit von Sicherheiten für Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz, ZGR 2016, 541; Krolop, Zur Anwendung der MoMiG-Regelungen zur Gesellschafterdarlehen auf gesellschaftsfremde Dritte. Von der Finanzierungsfolgenver-

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antwortung des Gesellschafters zur Risikoübernahmeverantwortung des Risikokapitalgebers?, GmbHR 2009, 397; Krolop, Mit dem MoMiG vom Eigenkapitalersatz zu einem insolvenzrechtlichen Haftkapitalerhaltungsrecht? Der Abzug von Gesellschafterdarlehen und Risikokapital gesellschaftsfremder Dritter in der Krise als übergreifende insolvenzrechtliche Regelungsaufgabe, ZIP 2007, 1738; Marotzke, Gläubigerbenachteiligung und Bargeschäftsprivileg bei Gesellschafterdarlehen und vergleichbaren Transaktionen, ZInsO 2013, 641; Marotzke, Darlehen und sonstige Nutzungsüberlassungen im Spiegel des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO – eine alte Rechtsfrage in neuem Kontext, JZ 2010, 592; Marotzke, Gesellschaftsinterne Nutzungsverhältnisse nach Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts, ZInsO 2008, 1281; Marotzke, Grenzen typisierender Generalisierung im Recht der Gesellschafterdarlehen, KTS 2016, 19; Marotzke, Besicherte Gesellschafterdarlehen im Lichte der neuen § 133 Abs. 2 InsO, § 3 Abs. 2 AnfG, ZInsO 2017, 2264; Mylich, Kreditsicherheiten für Gesellschafterdarlehen – Stand der Dinge und offene Fragen, ZIP 2013, 2444; Mylich, Die Einlage des atypisch stillen Gesellschafters und die zur Rückzahlung bestellten Sicherheiten im Insolvenzverfahren der Handelsgesellschaft – zugleich kritische Besprechung von BGH, Urteil vom 28.6.2012 = WM 2012, 1874, WM 2013, 1010; Mylich, Kreditsicherheiten für Gesellschafterdarlehen, ZHR 176 (2012) 547; Mylich, Probleme und Wertungswidersprüche beim Verständnis von § 135 I Alt. 2 Nr. 2 InsO n. F., ZGR 2009, 474; Mylich, Die einheitliche Anwendung von § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO auf Gewinnausschüttung und Darlehensrückzahlung, ZIP 2017, 1255; Pentz, Abgetretene Forderungen aus Gesellschafterdarlehen und Zurechnung in der Insolvenz – Zugleich Anmerkungen zum BGH-Urteil vom 21.2.2013 – IX ZR 32/12, GmbHR 2013, 393; Pentz, Zum neuen Recht der Gesellschafterdarlehen, in: Festschrift für Uwe Hüffer, 2010, S. 747; Priester, Insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit von Eigenkapitalausschüttungen?, GmbHR 2017, 1245; Renner/Schmidt, Kollektiver Gläubigerschutz bei Covenants, ZHR 180 (2016), 522; K. Schmidt, Dogmatik und Praxis des Rangrücktritts. Das Urteil des BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 – ein großer Wurf des IX. Zivilsenats! … auch ein Treffer??, ZIP 2015, 901; K. Schmidt, Gesellschafterdarlehen im GmbH- und Insolvenzrecht nach der MoMiG-Reform – eine alternative Sicht, ZIP 2010, Beilage zu Heft 39, S. 15; K. Schmidt, Normzwecke und Zurechnungsfragen im Recht der Gesellschafter-Fremdfinanzierung – Grundfragen zur Neufassung der §§ 39, 135 InsO durch das MoMiG, GmbHR 2009, 1009; K. Schmidt, Der neue § 135 Abs. 3 InsO: Rätsel oder des Rätsels Lösung?, DB 2008, 1727; K. Schmidt, Gesellschafterbesicherte Drittkredite nach neuem Recht. Die Nachfolgeregelungen zu § 32a Abs. 2, § 32b GmbHG im MoMiG, BB 2008, 1966; Spliedt, MoMiG in der Insolvenz – ein Sanierungsversuch, ZIP 2009, 149; Thiessen, Eigenkapitalersatz ohne Analogieverbot – eine Alternativlösung zum MoMiGEntwurf, ZIP 2007, 253; Thiessen, Gesellschafterfremdfinanzierung nach dem MoMiG. Bestandsaufnahme und Perspektiven, ZGR 2015, 396; Thole, Fünf aktuelle Probleme des Nachrangs (§ 39 InsO), in: Festschrift für Bruno M. Kübler, 2015, S. 681; Thole, Nachrang und Anfechtung bei Gesellschafterdarlehen – zwei Seiten derselben Medaille?, ZHR 176 (2012) 513; Thole, Gesellschafterbesicherte Kredite und die Anfechtung nach § 135 Abs. 2 InsO, ZIP 2015, 1609; Thole, Neues zur Doppelbesicherung und § 135 Abs. 2 InsO, zugleich Besprechung BGH v. 13.7.2017 – IX ZR 173/16, ZIP 2017, 1632, ZIP 2017, 1742; Thole, Konzernfinanzierung zwischen Gesellschafts- und Insolvenzrecht, ZInsO 2011, 1425; Wittig, Das Sanierungsprivileg für Gesellschafterdarlehen im neuen § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO, in: Festschrift für Karsten Schmidt, 2009, S. 1743. Übersicht I. 1. 2. II. 1.

Zweck der Normen .............................. 1 Ausgangspunkt der Reform ................. 1 Legitimation der Neuregelung ............. 5 Sachlicher Anwendungsbereich ......... 8 Gesellschafterdarlehen .......................... 9 a) Geld- und Sachdarlehen ................. 9 b) Zinsen ........................................... 10 c) Downstream Loans ...................... 11

d) Förderdarlehen ............................. 13 Darlehensäquivalente Finanzierungsformen ........................................ 14 3. Unabhängigkeit von Krise und Eigenkapitalersatz ............................... 19 III. Persönlicher Anwendungsbereich (§ 39 Abs. 4, 5 InsO) .......................... 25 1. Empfänger ............................................ 26 2.

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2.

Gesellschafterdarlehen

a) Erfasste Rechtsformen (§ 39 Abs. 4 Satz 1 InsO) ..................... b) Nicht erfasste Rechtsformen ...... c) Ausländische Gesellschaften ....... Gläubiger ............................................. a) Aktuelle Gesellschafter ............... b) Ausgeschiedene Gesellschafter und Anteilserwerber .................... c) Gesellschafter atypischer Personengesellschaften ..................... d) Gesellschaftergleiche Dritte ........ e) Abtretung der Darlehensforderung ...................................... f) Kleinbeteiligungsprivileg ............. g) Sanierungsprivileg ........................ h) Unternehmensbeteiligungsgesellschaftsprivileg (§ 24 UBGG) ............................... i) Finanzmarktbezogene Privilegien .....................................

I.

Zweck der Normen

1.

Ausgangspunkt der Reform

26 28 30 32 33 34 35 36 43 45 49 55 56

IV. Überschuldungsstatus (§ 19 Abs. 2 Satz 2 InsO) ................... 58 V. Nachrang (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) ..... 61 VI. Anfechtung (§§ 135, 143 InsO, §§ 6, 11 AnfG) .................................... 63 1. Anfechtbare Befriedigung ................... 64 2. Anfechtbare Besicherung .................... 67 3. Rechtsfolgen ........................................ 69 4. Anfechtungs-, Verjährungs- und Ausschlussfristen ................................ 71 VII. Gesicherte Darlehen ......................... 76 1. Regelungsproblem ............................... 76 2. Voraussetzungen ................................. 77 3. Rechtsfolgen ........................................ 78 VIII. Nutzungsüberlassung (§ 135 Abs. 3 InsO) ............................ 84 1. Regelungsproblem ............................... 84 2. Voraussetzungen ................................. 86 3. Rechtsfolgen ........................................ 89 IX. Beweislast ............................................. 93

1

Gesellschafterdarlehen sind eine flexible Form der Gesellschaftsfinanzierung (siehe § 30 Rn. 118 [Thiessen]). Die Gewährung oder Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen vollzieht sich im Stillen, solange es der Gesellschaft wirtschaftlich gut geht. Die Darlehen werden aber dringend benötigt bzw. vermisst, wenn die Gesellschaft in die Insolvenz fällt oder – i. S. v. § 2 AnfG – Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das Vermögen der Gesellschaft erfolglos (zu) bleiben (drohen). Gesellschafterdarlehen sind damit in der Praxis vor allem ein insolvenzrechtliches Problem (aber siehe § 30 Rn. 136 ff [Thiessen]).

2

Demgemäß werden Gesellschafterdarlehen seit dem MoMiG systematisch nicht mehr im GmbHG und im HGB, sondern ausschließlich in der InsO und parallel dazu im Anfechtungsgesetz behandelt.1) Diese Exklusivität wird durch zwei „Nichtanwendungserlasse“ in § 30 Abs. 1 Satz 3 sowie § 57 Abs. 1 Satz 4 AktG gesichert (siehe § 30 Rn. 129 ff [Thiessen]). An die Stelle einer kapitalschutzrechtlichen Lösung (siehe § 30 Rn. 125 [Thiessen]) tritt somit eine insolvenzrechtliche Lösung (siehe § 30 Rn. 132 ff [Thiessen]). Deren Eckpfeiler sind Nachrang (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO; Rn. 61 f) und Anfechtung (§ 135 InsO, § 6 AnfG; siehe Rn. 63 ff).

3

Rechtspolitisch setzt die Reform besonders bei der Komplexität des bisherigen Rechts an (siehe § 30 Rn. 126 ff [Thiessen]). Nach der Regierungsbegründung zum MoMiG-Entwurf soll das Recht „wesentlich einfacher und für die mittelständische Zielgruppe verständlicher“ werden.2) Das erste Ziel wird von der Reform erreicht: Für Insolvenzverwalter und Gerichte wird es einfacher, Gesellschafterdarlehen insolvenz- und anfechtungsrechtlich zu beurteilen. Für die mittelständischen Gesell_____________ 1) 2)

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RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 42 = Seibert, MoMiG, S. 173. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 26 = Seibert, MoMiG, S. 99.

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Gesellschafterdarlehen

schafter, denen das MoMiG helfen will, wird das Recht der Gesellschafterdarlehen allerdings nicht verständlicher, sondern gefährlicher (siehe Rn. 23).3) Europarechtliche, kollisionsrechtliche und rechtsvergleichende Argumente kommen hinzu. Der Europäische Gerichtshof erleichterte seit 1999 in mehreren Schritten die europaweite Niederlassung von Gesellschaften in der Rechtsform ihrer Gründung und zu den gesellschaftsrechtlichen Bedingungen, die in ihrem Herkunftsland gelten.4) Hiervon profitierte insbesondere die englische Private Company limited by Shares.5) Allerdings sind diese Gesellschaften ungeachtet ihrer Gründung im Herkunftsstaat dem Insolvenzrecht des Staates unterworfen, in welchem sie den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit haben und in welchem demgemäß auch das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen zu eröffnen ist (Art. 3 Abs. 1 EuInsVO).6) Dies ließ es für den deutschen Gesetzgeber attraktiv erscheinen, (nicht nur) die Regeln für Gesellschafterdarlehen stärker insolvenzrechtlich zu akzentuieren, um deren Anwendbarkeit namentlich auf die limited zu sichern (siehe Rn. 30). Die von mehreren Studien begleitete Diskussion um das „Kapital der Aktiengesellschaft in Europa“ rückte zudem ins Bewusstsein, dass die meisten Rechtsordnungen weltweit Gesellschafterdarlehen insolvenzrechtlich und nicht gesellschaftsrechtlich behandeln (siehe § 30 Rn. 128 a. E. [Thiessen]). 2.

Legitimation der Neuregelung

Der fundamentale Paradigmenwechsel7) durch das MoMiG (siehe Rn. 2) wird von den Gesetzesverfassern kaum begründet.8) Die Legitimation der Reform aufzuarbeiten wird ausdrücklich der Wissenschaft überlassen.9) Diese hat indes noch keinen Kon_____________ 3) 4)

5)

6)

7)

8) 9)

4

Dazu bereits Thiessen, ZIP 2007, 253, 257 f. EuGH, ZIP 1999, 438 = GmbHR 1999, 474 = NJW 1999, 2027 – Centros, dazu EWiR 1999, 259 (Neye); Roth, ZIP 1999, 861; Werlauff, ZIP 1999, 867; EuGH, ZIP 2002, 2037 = GmbHR 2002, 1137 = NJW 2002, 3614 – Überseering, dazu EWiR 2002, 1003 (Neye); Eidenmüller, ZIP 2002, 2233; EuGH, ZIP 2003, 1885 = GmbHR 2003, 1260 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art, dazu EWiR 2003, 1029 (Drygala); Ziemons, ZIP 2003, 1913. Zum Meinungsstand über die umstrittene Verbreitung der Limited in Deutschland und Europa der Überblick bei Seibert, MoMiG, S. 6 f; zur Limited als Gesetzgebungsmotiv, Seibert, MoMiG, S. 10. EuGH, ZIP 2011, 2153 = ZInsO 2011, 2123 = NZI 2011, 990, dazu EWiR 2011, 745 (Paulus); vgl. auch EuGH, NZI 2012, 469 = EuZW 2012, 427; BGH, ZIP 2012, 139 = GmbHR 2012, 216 = DB 2012, 223, dazu EWiR 2012, 175 (Riedemann); speziell zur Insolvenzanfechtung gemäß § 135 InsO OLG Naumburg, ZIP 2011, 677, 678 = ZInsO 2011, 2325 = NZI 2011, 136, dazu EWiR 2011, 709 (Knof), Schall, ZIP 2011, 2177; zur Gerichtszuständigkeit bei Zusammentreffen von Insolvenzanfechtung und Kapitalerhaltung gemäß § 30 die EuGH-Vorlage des LG Essen, GWR 2011, 172; zur Qualifikation des alten Eigenkapitalersatzrechts als Insolvenzrecht BGH, ZIP 2011, 1775 = GmbHR 2011, 1087 = DB 2011, 2140, dazu EWiR 2011, 643 (Bork); Schall, NJW 2011, 3745; Teichmann, BB 2012, 18 f (Urteilsanm.); OLG Naumburg, ZIP 2011, 677 = ZInsO 2011, 2325 = NZI 2011, 136, dazu EWiR 2011, 709 (Knof). Habersack, ZIP 2007, 2145, 2147. Zu steuerlichen Auswirkungen auf Gesellschafterseite Fuhrmann, RNotZ 2010, 188; Levedag, GmbHR 2010, 1230; Fuhrmann/Strahl, GmbHR 2011, 520; Niemeyer/Stock, DStR 2011, 445; Crezelius, NZI 2011, 932 f. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 26 = Seibert, MoMiG, S. 99. Seibert, MoMiG, S. 41.

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sens gefunden.10) Dem früher herrschenden Konzept der Finanzierungsfolgenverantwortung der Gesellschafter (siehe Rn. 6) halten die Vordenker der Reform11) als alleinigen Normzweck den Ausgleich des Haftungsprivilegs entgegen (siehe Rn. 7). Die Rechtsprechung ist uneinheitlich.12) Einerseits wird die Regelung des MoMiG als Fortführung der Novellenregeln von 1980 rein insolvenzrechtlich qualifiziert, ohne Rückgriff auf die gesellschaftsrechtliche Finanzierungsfolgenverantwortung.13) Andererseits deuten mehrere Entscheidungen eine Kontinuität zum Konzept der Finanzierungsverantwortung an.14) Ungeachtet dieser Streitfrage irreführend ist die Aussage, eine Finanzierungsfolgenverantwortung gebe es nicht mehr.15) Selbstverständlich redet der Gesetzgeber nicht verantwortungslosen Finanzierungsentscheidungen das Wort. Es geht allein darum, ob aus dem Prinzip der Finanzierungsfolgenverantwortung materielle Entscheidungen abgeleitet werden können oder ob die neuen Tatbestände strikt formal anzuwenden sind.16) Da der Gesetzgeber insbesondere den persönlichen Anwendungsbereich der Normen weitgehend aus dem alten Recht übernommen hat (siehe Rn. 25 ff), erweist sich die Finanzierungsfolgenverantwortung als keineswegs überholt.17) Praxisrelevant ist dies namentlich für die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechenden Rechtshandlungen (siehe Rn. 36 ff) und für das Sanierungsprivileg (siehe Rn. 49 ff). 6

Die Gesellschafter sind auch in Zukunft für die Finanzierung der Gesellschaft und für die Folgen ihrer Finanzierungsentscheidungen (siehe Rn. 21) verantwortlich.18) Die Gesellschafter müssen wählen, ob sie die Gesellschaft so unterfüttern, dass diese gegenüber externen Gläubigern kreditwürdig oder von externen Krediten _____________ 10) Offen zum Meinungsstreit zunächst BGHZ 188, 363, 369 f = ZIP 2011, 575, 576 ff = GmbHR 2011, 413, dazu EWiR 2011, 285 (Spliedt); eingehend zum Meinungsstand Thiessen, ZGR 2015, 396, 402 ff. 11) Huber/Habersack, BB 2006, 1, 2; Lutter-Huber/Habersack, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 370, 394 ff, 405; Huber in: FS Priester, S. 259, 283; Habersack, ZIP 2007, 2145, 2147; Habersack, ZIP 2008, 2385, 2387. 12) Krit. dazu Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 16; Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 22; für einen weiten Auslegungsspielraum Gehrlein, NZI 2014, 481, 484. 13) BGHZ 190, 364, 370 ff Rn. 23 ff = ZIP 2011, 1775 = GmbHR 2011, 1087, dazu EWiR 2011, 643 (Bork). 14) BGHZ 196, 220, 226 Rn. 17 f = ZIP 2013, 582 = GmbHR 2013, 410, dazu EWiR 2013, 217 (Bork); BGH, ZIP 2013, 734, 735 f Rn. 14 = GmbHR 2013, 464 = DB 2013, 810, dazu EWiR 2013, 393 (Delaveaux); BAG, ZIP 2014, 927, 929 Rn. 23 ff = GmbHR 2014, 645 = DB 2014, 1072, dazu EWiR 2014, 327 (Bork); s. a. BGHZ 212, 272, 282 Rn. 22 = ZIP 2016, 2483, 2486 = ZInsO 2016, 2479, dazu EWiR 2017, 17 (Huber) – „darlehensweise Gewährung von Finanzmitteln der Zuführung haftenden Eigenkapitals weitgehend gleichzustellen“. 15) So aber Seibert, MoMiG, S. 43 Fn. 286. 16) Im letzteren Sinne Habersack, ZIP 2007, 2145, 2147. 17) Vgl. Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, Rn. 58 a. E.; Michalski/Heidinger/ Leible/J. Schmidt-Dahl/Linnenbrink, GmbHG, Systematische Darstellung 6 Rn. 25 f; Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 90, 97; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 7; mit Einschränkungen auch Thole, ZHR 176 (2012) 513, 527; a. A. Habersack, ZIP 2007, 2145; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 16. 18) Zum Folgenden bereits Thiessen in: R. Schröder, Reform des GmbH-Rechts, S. 87, 100 f.

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unabhängig ist,19) ob die Gesellschafter also der Gesellschaft Eigenkapital zuführen,20) ihrerseits Kredit geben21) oder aber die Gesellschaft liquidieren, bevor es andere tun. Gesellschafterdarlehen sind keineswegs „aus sich heraus“ eine im Vergleich zu Kapitalerhöhung oder Nachschüssen „verdächtige Finanzierungsform“.22) Die rechtlich wie wirtschaftlich anzuerkennende Freiheit der Gesellschafter, zwischen Fremdfinanzierung und Eigenfinanzierung zu wählen,23) endet jedoch rein tatsächlich, wenn die Finanzierung nur durch sie selbst erfolgen kann, weil Unbeteiligte zu einer Kreditgewährung nicht mehr bereit sind.24) An deren Stelle gewähren oder belassen die Gesellschafter einen Kredit, den sie einer anderen Gesellschaft in identischer Lage nicht gewährt oder belassen hätten, und erst hierdurch umgehen sie die gesetzlich vorgesehenen Wege zur Eigenkapitalbeschaffung. Entscheiden sich die Gesellschafter anstelle der sofortigen Liquidation für einen Sanierungsversuch, obwohl ihr bisheriges Finanzierungskonzept keinen Erfolg hatte, übernehmen sie die Verantwortung für den Erfolg der Sanierung und gehen damit zugleich das Risiko eines Misserfolgs ein.25) Die Gesellschafter haben so unausweichlich jene Finanzierungsverantwortung oder Finanzierungsfolgenverantwortung, die das bisherige Eigenkapitalersatzrecht legitimierte26) und nach bestrittener Ansicht auch weiterhin legitimiert.27) Auch alternative Begründungsansätze können der Tatsache nicht ausweichen, dass die Gesellschafter eine Finanzierungsentscheidung treffen müssen.28) Verlangt man von den Gesellschaftern, sich das Privileg der umfassenden Haftungsbeschränkung durch Zurückhaltung bei der Rückforderung von Gesellschafterdarlehen zu

_____________ 19) So bereits Staub, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Vortrag, gehalten auf der 367. Sitzung der Juristischen Gesellschaft zu Berlin am 14.11.1903, in: Fünfundvierzigster Jahres-Bericht über die Wirksamkeit der Juristischen Gesellschaft zu Berlin in dem Vereinsjahre 1903 – 1904, S. 35, 37. 20) Zum Zusammenhang zwischen notwendiger Eigenkapitalausstattung und Kreditwürdigkeit Eidenmüller/Engert, AG 2005, 97, 105; Engert, ZHR 170 (2006) 296, 304 f; Engert, ZGR 2012, 835, 848, 850 ff. 21) Hierzu Claussen in: FS H. P. Westermann, S. 861, 870. 22) So aber Gehrlein, BB 2011, 3, 8; insoweit wie hier Rowedder/Schmidt-Leithoff/Görner, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 19. 23) Saenger/Inhester-Kolmann, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 2. 24) Hierzu bereits Thiessen, ZIP 2007, 253, 257. 25) Insoweit ähnlich Breidenstein, ZInsO 2010, 273, 275 f. 26) Vgl. die Nachweise bei K. Schmidt, ZIP 2006, 1925, 1926 Fn. 13 f; Überblick bei Lutter/ Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 123. 27) Bork, ZGR 2007, 250, 257, 269; Altmeppen, NJW 2008, 3601, 3605; Spliedt, ZIP 2009, 149, 153; Hölzle, ZIP 2009, 1939, 1940 ff; Hölzle, ZIP 2010, 913, 914 ff; Schäfer, ZInsO 2010, 1311; K. Schmidt, ZIP 2010, Beilage Heft 39, S. 15, 19 ff; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Dahl/Linnenbrink, GmbHG, Systematische Darstellung 6 Rn. 25 f; Saenger/ Inhester-Kolmann, GmbHG, 2. Aufl. 2013, Anh. § 30 Rn. 45; zumindest für den Nachrang Thole, ZHR 176 (2012) 513, 527; zur Kontroverse Jacoby, ZGR 2007, 271 f; strikt abl. Huber, ZIP 2010, Beilage Heft 39, S. 7, 13 mit Fn. 50 a. E. 28) K. Schmidt, GmbHR 2009, 1009, 1016; K. Schmidt, ZIP 2010, Beilage Heft 39, S. 15, 20 f.

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verdienen, um der missbräuchlichen Ausnutzung dieses Privilegs zu begegnen,29) dann allein deshalb, weil die auf das Gesellschaftsvermögen angewiesenen Gläubiger einen Anspruch darauf haben, dass ein geldentleertes Haftungssubstrat entweder rechtzeitig aufgefüllt oder zumindest aus dem Verkehr gezogen wird30) – dies ist die gesetzeskonforme, nicht missbräuchliche Ausnutzung des Haftungsprivilegs.31) Wirft man den Gesellschaftern vor, dass sie einen Informationsvorsprung, einen Insidervorteil ausnutzen und so das zwischen internen und externen Gläubigern anzustrebende Risikogleichgewicht stören,32) so beschreibt dies lediglich das Verhalten, das seit einhundert Jahren als anstößig gilt (siehe § 30 Rn. 121 [Thiessen]) und auf das Gerichte und Gesetzgeber reagierten (siehe § 30 Rn. 125 [Thiessen]). Es kommt aber darauf an, wie die Gesellschafter nach Vorstellung des Gesetzgebers mit ihrem Informationsvorsprung umgehen sollten, welche von besserer Information geleitete (Finanzierungs-)Entscheidung sie treffen sollten. Sieht man in der Darlehensgewährung ein Mittel der Insolvenzverschleppung,33) heißt dies wiederum, dass die Gesellschafter den richtigen Zeitpunkt verpasst haben, ihr Finanzierungskonzept auf mehr Eigenkapital umzustellen oder die Gesellschaft rechtzeitig zu liquidieren. Sollen Nachrang und Anfechtung die insolvenzrechtliche Verteilungsordnung zugunsten der externen Gläubiger und zulasten der Gesellschafter-Gläubiger verschieben, so fehlt in einem ersten Schritt die Begründung, warum überhaupt eine vom Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz abweichende insolvenzrechtliche Verteilungsordnung vorgeschrieben wird.34) Unvollständig bleibt auch die Erwägung, der Gesellschafter potenziere durch Darlehensgewähr die Chance, dass sich auch sein eingesetztes Eigenkapital besser verzinst, also könne (und müsse) er auch das Risiko der darlehensweisen Gesellschaftsfinanzierung tragen.35) Dieses Verlustrisiko trägt der Gesellschafter immer.36) Das Argument, Chancen und _____________ 29) Huber/Habersack, BB 2006, 1, 2; Lutter-Huber/Habersack, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 370, 394 ff, 405; Huber in: FS Priester, S. 259, 283; Huber, ZIP 2010, Beilage Heft 39, S. 7, 13 f; Habersack, ZIP 2007, 2145, 2147; Habersack, ZIP 2008, 2385, 2387; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 10 ff, 21; vgl. auch die zust. Andeutung bei BGHZ 196, 220, 226 f Rn. 19 = ZIP 2013, 582 = GmbHR 2013, 410, dazu EWiR 2013, 217 (Bork). 30) Hierauf beruht etwa die Entscheidung BGHZ 76, 326, 330 = ZIP 1980, 361, 362 = NJW 1980, 1524. 31) Gegen den Missbrauchsgedanken auch Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 137; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 8. 32) Beck, Kritik des Eigenkapitalersatzrechts, S. 394; ihm folgend Seibert, MoMiG, S. 41, der daraus auch Konsequenzen für die Anfechtbarkeit ableitet (S. 45); ähnlich Gehrlein, BB 2011, 3, 7 f; Kleindiek, ZGR 2017, 731, 739 ff; abl. für den Nachrang, aber zust. für die Anfechtbarkeit BGHZ 188, 363, 369 f = ZIP 2011, 575, 576 ff = GmbHR 2011, 413, dazu EWiR 2011, 285 (Spliedt); BGHZ 196, 220, 226 Rn. 18 = ZIP 2013, 582 = GmbHR 2013, 410, dazu EWiR 2013, 217 (Bork); BAG, ZIP 2014, 927, 929 Rn. 26 = GmbHR 2014, 645 = DB 2014, 1072, dazu EWiR 2014, 327 (Bork); Thole, ZHR 176 (2012) 513, 524 f; Mylich, ZHR 176 (2012) 547, 565; Mylich, ZIP 2017, 1255, 1258. 33) Haas/Oechsler, NZG 2006, 806, 808; Mylich, ZHR 176 (2012) 547, 559 f. 34) Unvollständig deshalb die Normzweckanalyse bei Haas, ZIP 2017, 545 f. 35) So Seibert, MoMiG, S. 41 im Anschluss an die zurückhaltendere Erwägung von Mülbert, WM 2006, 1977, 1978; ähnlichen Ansätzen mit umfassender Begründung zust. Kleindiek, ZGR 2017, 731, 742 f. 36) So auch Eidenmüller, ZGR 2007, 168, 193.

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Risiken müssten ausgeglichen werden, rechtfertigt Nachrang und Anfechtung nur, wenn man hinzufügt, dass der Gesellschafter mit seinem Finanzierungsverhalten auf Kosten der Gesellschaftsgläubiger spekuliert, weil er deren Risiko nicht rechtzeitig durch mehr Eigenkapital oder durch Liquidation der noch nicht insolventen Gesellschaft reduziert hat.37) II. Sachlicher Anwendungsbereich Die §§ 19 Abs. 2 Satz 2, 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 und 5, 44a, 135 und 143 InsO sowie die §§ 6, 6a und 11 AnfG erfassen spiegelbildlich dieselben Finanzierungsformen wie die Bereichsausnahme des § 30 Abs. 1 Satz 3 (siehe § 30 Rn. 130 f [Thiessen]). Neben Gesellschafterdarlehen (siehe Rn. 9 ff) geht es um Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen (siehe Rn. 14 ff, zu den Auswirkungen auf den persönlichen Anwendungsbereich siehe Rn. 36 ff). Den Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens werden Forderungen aus darlehensäquivalenten Rechtshandlungen „gleichgestellt“. Dies ist aus dem alten Recht übernommen (§§ 32a Abs. 1 und 3 Satz 1, 32b Satz 4 a. F.; §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO; § 6 AnfG).38) 1.

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a) Geld- und Sachdarlehen Im Grundtatbestand bezieht sich die Norm gleichermaßen auf Gelddarlehen (§ 488 BGB) wie auf Sachdarlehen (§ 607 BGB). Das Sachdarlehen ist abzugrenzen von der – entgeltlichen oder unentgeltlichen – Nutzungsüberlassung (§ 135 Abs. 3 InsO, hierzu siehe Rn. 84 ff).

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b) Zinsen Zinsen auf Gesellschafterdarlehen (zu Miet-„zinsen“ siehe Rn. 84) sollen nach Vorstellung der Gesetzesverfasser grundsätzlich nicht von Nachrang und Anfechtung erfasst sein.39) Dies widerspricht der alten kapitalschutzrechtlichen40) Lage41) und ist auch rechtspolitisch zweifelhaft, denn in der Verzinsung liegt ein Anreiz, ein Darlehen zu gewähren, dessen Rückforderung und Rückzahlung der Gesetzge_____________ 37) Lutter-Huber/Habersack, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 370, 394; Servatius, Gläubigerschutz durch Covenants, S. 480 ff; Krolop, GmbHR 2009, 397, 399; Gehrlein, BB 2011, 3, 7; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, 20. Aufl. 2013, Anh. § 30 Rn. 6; ScholzBitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 29; Saenger/Inhester-Kolmann, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 30 ff. 38) Zum alten Recht muss auf die einschlägigen Kommentierungen zu §§ 30, 32a, 32b a. F. verwiesen werden. 39) Seibert, MoMiG, S. 43; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 41; eingehend Mylich, ZGR 2009, 474, 483 ff, 494 ff; dagegen Habersack, ZIP 2007, 2145, 2150; Kübler/Prütting/Bork-Preuß, InsO, § 39 Rn. 83; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 91. 108; zweifelnd auch Mülbert, WM 2006, 1977, 1980. 40) Mylich, ZGR 2009, 474, 484. 41) BGH, ZIP 2005, 82, 84 = GmbHR 2005, 232 = WM 2005, 78; BGH, ZIP 2001, 1366, 1367 = GmbHR 2001, 725 = WM 2001, 1522, dazu EWiR 2001, 815 (Geilen); Ulmer/ Habersack/Winter-Habersack, GmbHG, 1. Aufl. 2006, §§ 32a/b Rn. 89; Rowedder/SchmidtLeithoff-Pentz, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 32a Rn. 141. Zur kapitalschutzrechtlichen Privilegierung durch § 30 Abs. 1 Satz 3 LG Berlin, GmbHR 2010, 201, 202.

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ber als nachrangig bzw. anfechtbar ansieht. Insoweit ist allerdings zwischen dem Nachrang fällig werdender und der Anfechtung gezahlter Zinsen zu unterscheiden (zur Anfechtung siehe Rn. 66). Zwar widerspricht die Privilegierung der Zinsen der allgemeinen Regel des § 39 Abs. 3 InsO, die durch die systematische Stellung der erläuternden Absätze 4 und 5 des § 39 nicht berührt wird, da sie sich auf die allgemeine Nachrangregel des § 39 Abs. 1 InsO bezieht. Die Nachrangregel des § 39 Abs. 3 InsO verschiebt aber lediglich den Rang von Zins- und Kostenerstattungsansprüchen, die nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO grundsätzlich relativen Vorrang hätten, und betrifft daher systematisch nur seit Verfahrenseröffnung fällig werdende Zinsen, wie auch der Vergleich mit den Kosten der Verfahrensteilnahme zeigt.42) Jedenfalls in diesem Rahmen dürfte der Bundesgerichtshof die Darlehenszinsen und sonstigen Nebenforderungen auch weiterhin wie die zugrunde liegende Hauptforderung behandeln.43) c) Downstream Loans 11

Noch nicht abschließend geklärt ist die Behandlung absteigender Darlehen (Downstream Loans) in Cash-pool-Systemen.44) In Frage steht die Liquiditätsversorgung von Konzerntochtergesellschaften durch den bei der Muttergesellschaft oder einer besonderen Betreibergesellschaft geführten Cash Pool. Soweit eine Tochtergesellschaft dem Cash Pool mehr entnimmt als sie einzahlt, handelt es sich um ein Darlehen eines maßgeblich beteiligten (siehe Rn. 45 ff) Gesellschafters oder eines ihm zuzurechnenden Dritten (siehe Rn. 39). Durch den Verzicht auf das Krisenund Eigenkapitalersatzmerkmal kann eine überraschende Insolvenz gemäß § 135 InsO, § 6 AnfG ein erhebliches Anfechtungsrisiko begründen (siehe Rn. 23). Ein allgemeines Cash-pool-Privileg ist den §§ 19 Abs. 5, 30 Abs. 1 Satz 2 und 3 nicht zu entnehmen (siehe § 30 Rn. 53 ff [Thiessen]), insbesondere keine Ausnahme von der Insolvenz- und Gläubigeranfechtung, die vielmehr als Sanktion gegenüber Gesellschafterdarlehen gestärkt wurde (siehe § 30 Rn. 132 f [Thiessen]).

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Umstritten ist, ob die cash-pool-typischen Verrechnungsabreden eine Besicherung45) (siehe Rn. 67) oder Befriedigung46) (siehe Rn. 65) darstellen, was sich auf die Länge der Anfechtungsfristen auswirkt. Da die jeweiligen Konten im Cash-PoolSystem tagesaktuell glattgestellt werden, spricht aber vieles dafür, die absteigenden _____________ 42) I. E. ebenso bereits Mylich, ZGR 2009, 474, 484 – zum alten Recht, aber insoweit übertragbar; Cranshaw/Michel/Paulus-Zenker, Bankenkommentar InsR, § 39 InsO Rn. 46 – teleologische Reduktion des § 39 Abs. 3 InsO; a. A. insoweit Ulmer/Habersack/LöbbeHabersack, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 110; zweifelnd auch Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 111. 43) Weitergehend für alle rückständigen Zinsen und sonstigen Nebenforderungen die Prognose von Habersack, ZIP 2007, 2145, 2150. 44) Zum Folgenden ebenso umfassend wie praxisnah: Willemsen/Rechel, BB 2009, 2215; zu möglichen Varianten Reuter, NZI 2011, 921, 922; zu Downstream Guarantees (Besicherung von Bankdarlehen der Tochtergesellschaften durch die Mutter) Burg/Westerheide, BB 2008, 62, 64; Thole, ZInsO 2011, 1425, 4129 ff. 45) So Klinck/Gärtner, NZI 2008, 457, 459 f. 46) So Hamann, NZI 2008, 667, 668 f; Reuter, NZI 2011, 921, 922 f; Thole, ZInsO 2011, 1425, 1430.

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Darlehen dem Bargeschäftsprivileg des § 142 InsO zu unterstellen47) und hierauf die Rechtsprechungsgrundsätze über Bargeschäfte im Kontokorrentverhältnis48) anzuwenden.49) Insbesondere ist hiernach nicht jeder einzelne Zahlungsvorgang, sondern vielmehr die Entwicklung der Kreditlinie zu beachten (siehe Rn. 65).50) Abweichend von der Rechtsprechung zum eigentlichen Kontokorrent sollte dabei auf den höchsten zurückgeführten Kreditsaldo abgestellt werden, welcher dem vom Gesellschafter eingegangenen Insolvenzrisiko entspricht.51) Bei der Gläubigeranfechtung außerhalb der Insolvenz gilt § 142 InsO allerdings nicht.52) Um drohen-

_____________ 47) Klinck/Gärtner, NZI 2008, 457, 460 f; Thole, ZInsO 2011, 1425, 1430 f; Marotzke, ZInsO 2013, 641, 647 ff; Marotzke, KTS 2016, 19, 30, 35; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 116; Bitter in: FS Lwowski, S. 223, 223 f; Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 121 ff; Thiessen, ZGR 2015, 396, 438 ff; a. A. wohl Spliedt, ZIP 2009, 149, 151; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Dahl/Linnenbrink, GmbHG, Systematische Darstellung 6 Rn. 122; Brinkmann, ZGR 2017, 708, 716; Haas, ZIP 2017, 545, 549; Köth, ZGR 2016, 541, 565 ff. Keine Klärung zur grundsätzlichen Anwendbarkeit bringen BGH, NZI 2013, 816; BGHZ 202, 59 = ZIP 2014, 1491 = DB 2014, 1731, dazu EWiR 2014, 561 (Ries). Das Bargeschäft wurde erwogen, aber in casu verneint in BGH, ZIP 2013, 734, 737 Rn. 27 = GmbHR 2013, 464 = DB 2013, 810, dazu EWiR 2013, 393 (Delaveaux); dem zust. und verallgemeinernd OLG Brandenburg, Urt. v. 13.4.2016 – 7 U 202/14, juris, Rn. 3. Zur Anwendbarkeit auf das Verhältnis zwischen Bank und Tochtergesellschaft BGH, ZIP 2013, 1826, 1827 Rn. 20 = ZInsO 2013, 1898 = DB 2013, 2139, dazu EWiR 2013, 749 (Guski). 48) Grundlegend BGHZ 150, 122 = ZIP 2002, 812 = ZVI 2002, 106, dazu EWiR 2002, 685 (Ringstmeier/Rigol); Rigol/Homann, ZIP 2003, 15; BGH, ZIP 2008, 235 = ZVI 2008, 213 = WM 2008, 169, dazu EWiR 2008, 629 (Freudenberg); zu den Grenzen zuletzt BGH, ZIP 2009, 1124 = NJW 2009, 2307 = WM 2009, 1101, dazu EWiR 2009, 513 (Hofmann/ Würdinger). Zur Übertragung dieser Grundsätze auf die kontokorrentartige Gewährung eines sog. Staffelkredits und die Absicherung eines Kontokorrentkontos der Gesellschaft durch den Gesellschafter BGH, ZIP 2013, 734, 736 f Rn. 17 ff = GmbHR 2013, 464 = DB 2013, 810, dazu EWiR 2013, 393 (Delaveaux); BGHZ 198, 77, 88 ff Rn. 34 ff = ZIP 2013, 1629 = GmbHR 2013, 1034, dazu EWiR 2013, 657 (Plathner/Luttmann). Gegen die Zusammenfassung von Zahlungsvorgängen bei einzelnen Darlehen ohne engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang, ohne einheitlichen Zweck und ohne einheitliche Kreditbedingungen BGH, ZIP 2014, 785 Rn. 6 = GmbHR 2014, 476 = ZInsO 2014, 339, dazu EWiR 2014, 289 (Spliedt). 49) Willemsen/Rechel, BB 2009, 2215, 2218 f; Altmeppen, NZG 2010, 401, 404; für die Praxis warnend Lutter/Bayer-Vetter, Holding-Handbuch, Rn. 11.89. 50) Schall, ZGR 2009, 126, 145; Zahrte, NZI 2010, 596, 598; sowie die Nachweise in Fn. 48. 51) Überzeugend Bitter in: FS Lwowski, S. 223, 230 ff; Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 126 ff in Verallgemeinerung von BGH, ZIP 2013, 734, 737 Rn. 26 = GmbHR 2013, 464 = DB 2013, 810, dazu EWiR 2013, 393 (Delaveaux); BGHZ 198, 77, 90 Rn. 38 = ZIP 2013, 1629 = GmbHR 2013, 1034, dazu EWiR 2013, 657 (Plathner/Luttmann); dem zust. Thiessen, ZGR 2015, 396, 440 ff; für Abzug des Saldos am Tag der Verfahrenseröffnung Brinkmann, ZGR 2017, 708, 717 f. 52) Vgl. Klinck/Gärtner, NZI 2008, 457, 460 f; Spliedt, ZIP 2009, 149, 151; Willemsen/Rechel, BB 2009, 2215, 2218 f; Reuter, NZI 2011, 921, 925 ff will deshalb nicht an das Bargeschäftsprivileg anknüpfen, sondern hält aufgrund von Zinsvorteilen im Cash Pool von vornherein die Gläubiger des Darlehensgebers nicht i. S. d. § 129 InsO für benachteiligt. Für Übertragung des Bargeschäftsprivilegs auf das AnfG Huber, AnfG, § 1 Rn. 42; Cranshaw/ Michel/Paulus-Zenker, Bankenkommentar InsR, § 135 InsO Rn. 7.

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den Anfechtungsrisiken zu entgehen, kann es hier für die Muttergesellschaft günstiger sein, einen Massekostenvorschuss gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 InsO zu leisten.53) d) Förderdarlehen 13

Weder von § 30 Abs. 1 Satz 3 privilegiert (siehe § 30 Rn. 130 f [Thiessen]) noch vom Insolvenz- und Anfechtungsrecht sanktioniert sind Forderungen, die zwar als Kredit firmieren, tatsächlich aber vom Kreditgeber dazu bestimmt sind, an einen Endkreditnehmer weitergereicht zu werden.54) Relevant ist dies namentlich in Zeiten der Finanzkrise für Förderdarlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), welche über die Hausbank des Förderungsempfängers an diesen durchgeleitet werden. Eigentlicher Kreditnehmer ist der Förderungsempfänger. Die Hausbank fungiert nicht als Kreditmakler, da sie selbst Partei wird, und zumeist auch nicht als „Kreditkommissionär“, soweit sie selbst für Ausfälle ganz oder teilweise haftet. Je nach Programm ergibt sich die (interne) Haftungsfreiheit der Hausbank ebenso wie die durch freiwilligen Rangrücktritt bewirkte Eigenkapitalfunktion jedoch aus den Förderbedingungen.55) Im Verhältnis zum Empfänger können solche Forderungen durch Financial Covenants, durch die sich der Kreditgeber ausnahmsweise an der Geschäftsführung des Unternehmens beteiligt, zu wirtschaftlich darlehensäquivalenten Forderungen werden, für die dann aber der Sanierungszweck und damit auch das Sanierungsprivileg des § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO zu beachten ist (siehe Rn. 40). 2.

Darlehensäquivalente Finanzierungsformen

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Dem Sanktionensystem aus Nachrang und Anfechtung unterliegen auch Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen (§§ 19 Abs. 2 Satz 2, 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 5 Satz 2 InsO, § 135 Abs. 2 Halbs. 2 InsO; § 6a Satz 1 Halbs. 2 AnfG), anders formuliert: einem Darlehensrückgewähranspruch gleichgestellte Forderungen (§§ 44a, 135 Abs. 1, 143 Abs. 3 InsO, §§ 6 Abs. 1, 11 Abs. 3 Satz 1 AnfG). Diese Gleichstellung hat zwei Komponenten. In sachlicher Hinsicht geht es um Finanzierungsformen mit Kreditfunktion (siehe Rn. 16), in persönlicher Hinsicht um die Finanzierung durch gesellschaftergleiche Dritte (siehe Rn. 36 ff).

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Die unbestimmten Rechtsbegriffe „wirtschaftlich entsprechen“ bzw. „gleichgestellt“ sind durch die Rechtsprechung auszufüllen.56) Anhaltspunkte bieten die neben den Gesellschafterdarlehen ausdrücklich geregelten Sachverhalte. Zum einen sind dies Darlehen eines Dritten, die ein Gesellschafter besichert hat (§ 44a InsO; hierzu siehe Rn. 76 ff). Zum anderen hat der Reformgesetzgeber die per se nicht erfasste Nutzungsüberlassung in den Kontext der Gesellschafterdarlehen gestellt (§ 135 Abs. 3 InsO; hierzu siehe Rn. 84 ff).

_____________ 53) Vgl. Haarmeyer in: MünchKomm-InsO, § 26 Rn. 27. 54) Zu dieser wichtigen Fallgruppe Goette/Habersack-Habersack, MoMiG, Rn. 5.16. 55) Vgl. das Bsp. des Programms „Unternehmerkapital ERP-Kapital für Gründung (058)“, abrufbar unter www.kfw.de. 56) So auch Seibert, MoMiG, S. 42; die Kontinuität zum alten Recht betont AG Hamburg, InsVZ 2010, 421.

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Insbesondere57) kann jede Forderung dadurch darlehensäquivalent werden, dass sie gestundet wird.58) Für einen konkludenten Stundungswillen genügt es, dass ein an der Gesellschaft beteiligter Arbeitnehmer oder ein Gesellschaftergeschäftsführer fällige Arbeitsentgeltansprüche bzw. Urlaubsabgeltungsansprüche nicht durchsetzt, da er hiermit seine Investition in die Gesellschaft stützt.59) Vorausgesetzt ist jedoch, dass die Gesellschaft kein Leistungsverweigerungsrecht hat, da die „Stundung“ sie dann nicht entlastet.60) Welchen Gegenstand die Gesellschaft aus welchem Rechtsgrund schuldet, ist gleichgültig, da sich mit der Stundung die finanzielle Lage der Gesellschaft zumindest auf Zeit in gewissem Umfang entspannt. Entsprechendes gilt, wenn die regelmäßig sofortige Fälligkeit (§ 271 BGB) ungewöhnlich weit hinausgeschoben wird.61) Nach dem Muster des § 286 Abs. 3 BGB kann man hier eine Dreißig-Tages-Frist als Anhaltspunkt nehmen. Im alten Eigenkapitalersatzrecht war ein kurzfristiger Überbrückungskredit nicht verstrickt, wenn mit seiner Rückzahlung innerhalb von drei Wochen (heute § 15a InsO) gerechnet werden konnte.62) In ähnlichem Rahmen hält sich die zeitliche Begrenzung des Bargeschäfts (§ 142 InsO) durch die Rechtsprechung.63) Der BGH hält an der früheren Ausnahme für Überbrückungskredite jedoch nicht fest.64) Abseits davon ist jede gestundete Gesell_____________ 57) Weitere Fallgruppen bei Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 79 ff; ScholzBitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 169 ff. 58) Habersack, ZIP 2007, 2145, 2150; Gehrlein, BB 2008, 846, 850; zu ‚stehen gelassenen’ Vergütungsansprüchen nach altem Recht, insoweit jedoch nicht überholt BGH, ZIP 2009, 713, 717 = GmbHR 2009, 540 = NJW 2009, 2375, dazu EWiR 2009, 443 (Schodder); zur Schenkungsanfechtung durch Gesellschaftergläubiger BGH, ZIP 2009, 1122, 1123 = ZVI 2009, 377 = NJW 2009, 2065, dazu EWiR 2009, 487 (Henkel); zur umstrittenen Gültigkeit dieser Rspr. nach dem MoMiG Thole, ZInsO 2011, 1425, 1433; zum neuen Recht KG Berlin, ZInsO 2016, 1663, 1664; sehr weitgehend zu Abfindungsansprüchen KG Berlin, ZIP 2015, 937, 938 f = GmbHR 2015, 657. 59) BAG, ZIP 2014, 927, 930 Rn. 31 = GmbHR 2014, 645 = DB 2014, 1072, dazu EWiR 2014, 327 (Bork); OLG Celle, ZInsO 2013, 2557, 2258. 60) Für eine dem Auszahlungsverbot gemäß § 30 Abs. 1 unterfallende Forderung OLG Hamburg, ZIP 2013, 74, 76 f = GmbHR 2012, 1242 = NZG 2013, 137. 61) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2006, §§ 32a, 32b Rn. 123. 62) BGH, ZIP 2006, 2130 = GmbHR 2006, 1326 = DB 2006, 2569, dazu EWiR 2007, 107 (Thonfeld); BGH, ZIP 2010, 1443, 1446 = DB 2010, 1578 = NZG 2010, 905, dazu EWiR 2010, 641 (Nikoleyczik/Olk); OLG Hamburg, GWR 2010, 305. 63) Diesen Maßstab anlegend auch OLG Schleswig, ZIP 2013, 1485, 1486 = NZI 2013, 936, dazu EWiR 2013, 689 (d’Avoine); BGHZ 202, 59, 76 Rn. 51 = ZIP 2014, 1491 = DB 2014, 1731, dazu EWiR 2014, 561 (Ries); BGH, ZIP 2015, 589, 598 Rn. 71 = GmbHR 2015, 420 = DB 2015, 796; Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 167; krit. Haas, ZIP 2017, 545, 550. Vgl. die Nachweise bei Graf-Schlicker-Huber, InsO, § 142 Rn. 4 ff; Kübler/ Prütting/Bork-Ehricke, InsO, § 142 Rn. 16 ff; für Spezialität des § 135 InsO Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt-Dahl/Linnenbrink, GmbHG, Systematische Darstellung 6 Rn. 141; Graf-Schlicker-Neußner, InsO, § 135 Rn. 21; Spliedt, ZIP 2009, 149, 153 f; Saenger/ Inhester-Kolmann, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 147. 64) BGHZ 198, 77, 90 Rn. 38 = ZIP 2013, 1629 = GmbHR 2013, 1034, dazu EWiR 2013, 657 (Plathner/Luttmann); ebenso Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 75; Saenger/Inhester-Kolmann, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 106a; offen OLG Naumburg, ZIP 2011, 677, 679 f = ZInsO 2011, 2325 = NZI 2011, 136, dazu EWiR 2011, 709 (Knof); a. A. Seibert, MoMiG, S. 42; mit Blick auf die nicht hinreichende Finanzierungsfunktion kurzfristiger Engagements auch Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 44.

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schafterforderung nachrangig und deren Erfüllung anfechtbar.65) Problematisch ist dies insbesondere für die bei Nutzungsüberlassung (siehe Rn. 84) geschuldeten Miet-, Pacht- und Lizenzzahlungen. Wird hier branchenüblich quartalsweise oder gar jährlich abgerechnet, sollte dies noch als Bargeschäft und nicht als Darlehen behandelt werden.66) Wird der gegenseitige Leistungsaustausch auf einen mehr oder weniger weit nach dem Vertragsschluss liegenden Zeitpunkt verschoben, zu welchem die jeweilige Leistung benötigt wird, liegt darin keine Stundung. In jedem Fall ist wie nach altem Recht vorauszusetzen, dass der Gesellschafter oder ein ihm gleichgestellter Dritter eine Leistung an die Gesellschaft erbracht hat, sodass die Freistellungszusage eines Gesellschafters aus einer kündbaren Patronatserklärung solange nicht genügt, wie der Gesellschafter nicht einen Dritten befriedigt und ihm daraus zustehende Regressansprüche gegen die Gesellschaft gestundet hat (siehe § 30 Rn. 145 ff [Thiessen]).67) 17

Keine einer Darlehensrückzahlung wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlung liegt in der bloßen Auszahlung von Gesellschaftsvermögen an Gesellschafter oder in der Rückerstattung einer Fehlbuchung,68) die freilich § 130 InsO unterliegen kann. Die Auszahlung von Gesellschaftsvermögen kann allerdings unmittelbar gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar sein (siehe Rn. 65).69) Die in der Begründung, nicht im Ergebnis abweichende Gegenauffassung70) beruht darauf, dass auch freies, gemäß §§ 30, 64 auszahlbares Vermögen i. H. d. Kapital- und Gewinnrücklagen (§ 272 Abs. 2 und 3 HGB) der Gesellschaft wie ein Darlehen nur auf Zeit überlassen wird und die Gesellschafter durch Beschluss einen darlehensäquivalenten Rückzahlungsanspruch begründen können.71) Diese Dispositionsfreiheit über die Rücklagen ist _____________ 65) Gehrlein, BB 2011, 3, 6; weitergehend der Gesetzesvorschlag von Huber/Habersack, BB 2006, 1, 2; Lutter-Huber/Habersack, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 370, 405 ff. Zur Abweichung bereits im RefE Seibert, ZIP 2006, 1157, 1161. 66) So insoweit wohl auch Spliedt, ZIP 2009, 149, 151; zu § 142 InsO bei Nutzungsüberlassung Rühle, ZIP 2009, 1358, 1360 f. 67) Vgl. für eine kündbar ausgestaltete Patronatserklärung bei gleichzeitigem Verzicht der Patronin auf etwaige Regressansprüche gegen die Schuldnerin BGHZ 187, 69, 81 = ZIP 2010, 2092, 2095 = GmbHR 2010, 1204, dazu EWiR 2010, 757 (Guski); Böcker, DZWIR 2011, 93. 68) OLG Frankfurt, Urt. v. 23.11.2016 – 13 U 198/15, juris, Rn. 32. 69) Jeweils für Sachkapitalerhöhung durch Einbringung des Darlehensrückzahlungsanspruchs Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 112; Saenger/Inhester-Kolmann, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 136; anders insoweit hier die 1. Aufl. 70) OLG Koblenz, ZIP 2013, 2325, 2326 = DB 2014, 828 = NZG 2014, 998, dazu EWiR 2014, 57 (Spliedt); Mylich, ZGR 2009, 474, 490 ff; Hölzle, ZIP 2011, 650, 654; Freudenberg, ZInsO 2014, 1544, 1546 f; Mylich, ZIP 2017, 1255, 1256 ff; Goette/Habersack-Vetter, MoMiG, Rn. 4.119 f; Goette/Habersack-Habersack, MoMiG, Rn. 5.35; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Habersack, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 58; Cranshaw/Michel/Paulus-Zenker, Bankenkommentar InsR, § 135 InsO Rn. 13; Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 177. 71) Dagegen Kallmeyer, Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung nach dem MoMiG: Änderungen für die GmbH-Beratungspraxis, DB 2007, 2755, 2758; Priester, GmbHR 2017, 1245, 1246 ff; mit Bezug auf einen Gewinnvortrag LG Hamburg, ZIP 2015, 1795, 1796 = ZinsO 2015, 1979, dazu EWiR 2015, 745 (Neußner); mit Bezug auf Entnahmen eines Kommanditisten, die durch Guthaben auf einem Kapitalkonto gedeckt sind, OLG Schleswig, ZIP 2017, 622, 624 ff. = GmbHR 2017, 527, 529 ff. = NZI 2017, 452, dazu EWiR 2017, 345 (Freudenberg).

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jedoch im Gesetz angelegt (§ 29 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2). Ebenso selbstverständlich endet diese Dispositionsfreiheit in der Insolvenz, weil Rücklagen erst zurückgezahlt können, d. h. der Liquidationserlös erst an die Gesellschafter verteilt werden kann, wenn alle Gläubiger befriedigt sind (§ 199 Satz 2 InsO). Daher ist es gesellschaftsrechtlich unbedenklich, wenn Gesellschafter ihren Darlehensrückgewähranspruch zugunsten der Kapitalrücklage in Eigenkapital umwandeln (§ 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB) und sich einen ggf. oberhalb der Stammkapitalziffer entstehenden Überschuss auszahlen lassen. Erfüllt die Gesellschaft die durch den Auszahlungsbeschluss verbandsrechtlich begründete Forderung, kommen zunächst die Anfechtungsgründe gemäß §§ 130 f, 133 InsO, § 3 Abs. 1 AnfG in Betracht, bei Umwandlung des Darlehens in eine stille Einlage72) auch § 136 InsO. Allerdings wird die Darlehensforderung des Gesellschafters bereits dadurch befriedigt, dass sie in eine Rücklage umgewandelt wird, weil hierdurch die Beteiligung des Gesellschafters im Wert steigt, der Gesellschafter also für seine Darlehensforderung an Erfüllungs statt einen anderen Vermögensgegenstand bekommt (§ 364 Abs. 1 BGB),73) nämlich unabhängig von einem Auszahlungsbeschluss einen besser verwertbaren Anteil und einen potentiell höheren Anspruch auf Beteiligung am Liquidationserlös. Wegen § 199 Satz 2 InsO werden die Gläubiger jedoch nicht i. S. d. § 129 InsO benachteiligt,74) allerdings nur, soweit die Darlehensforderung im Ganzen umgewandelt wird und solange die daraus resultierende Rücklage unangetastet bleibt. Andernfalls ist § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO unmittelbar erfüllt, bezogen auf den Zeitpunkt der benachteiligenden Auszahlung (§ 140 Abs. 1 InsO).75) Unanwendbar sind aber die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften über den gutgläubigen Bezug von Gewinnanteilen (siehe § 32 Rn. 17 [Thiessen]).76) Denn § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO gilt nach der erklärten Absicht des Gesetzgebers unabhängig vom Kapitalerhaltungsrecht und dessen subjektiven Beschränkungen (siehe Rn. 19 ff, 41). Der umstrittene Fall zeigt einmal mehr, dass eine rein insolvenzrechtliche Lösung in rechtspolitisch fragwürdiger Weise Rechtshandlungen zwischen einer solventen Gesellschaft und ihrem Gesellschafter zu erfassen droht (siehe Rn. 21, ebenso siehe _____________ 72) Zu einer solchen Fallkonstellation unter Geltung der Rechtsprechungsregeln BGH, ZIP 2005, 82, 83 f = GmbHR 2005, 232 = WM 2005, 78; zum umstrittenen Verhältnis der §§ 135, 136 InsO mit unterschiedlichen Akzenten Florstedt, ZInsO 2007, 914; Krolop, ZIP 2007, 1738, 1743 f; Krolop, GmbHR 2009, 397, 401 ff; Pentz in: FS Hüffer, S. 747, 765 f; Gehrlein, BB 2011, 3, 8; Cranshaw/Michel/Paulus-Zenker, Bankenkommentar InsR, § 136 InsO Rn. 20 ff. 73) Zur Reichweite der Leistung an Erfüllungs statt in Abgrenzung zur Novation StaudingerOlzen, BGB, § 364 Rn. 33, 41 ff; zur Einbeziehung von Erfüllungssurrogaten in den Befriedigungsbegriff gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO Kübler/Prütting/Bork-Preuß, InsO, § 135 Rn. 20; Cranshaw/Michel/Paulus-Zenker, Bankenkommentar InsR, § 135 InsO Rn. 14 f; Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 120. 74) Vgl. Wirsch, NZG 2010, 1131, 1133. 75) Dazu Kübler/Prütting/Bork-Ehricke, InsO, § 140 Rn. 3; Graf-Schlicker-Huber, InsO, § 140 Rn. 2. 76) Cranshaw/Michel/Paulus-Zenker, Bankenkommentar InsR, § 135 InsO Rn. 13; für eine Analogie zu §§ 172 Abs. 5 HGB, 62 Abs. 1 Satz 2 AktG und § 32 aber Goette/HabersackHabersack, MoMiG, Rn. 5.35.

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§ 30 Rn. 32 [Thiessen]). – Zur Umwandlung von Gesellschafterdarlehen in eine Gesellschaftsbeteiligung siehe Rn. 65. 3.

Unabhängigkeit von Krise und Eigenkapitalersatz

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Nach dem MoMiG unterfällt jedes Gesellschafterdarlehen und jede wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlung besonderen insolvenz- und anfechtungsrechtlichen Regeln. Nicht zum Tatbestand gehören die als unscharf kritisierte77) Legaldefinition „Krise der Gesellschaft“ (§ 32a Abs. 1 a. F.) und die davon abhängigen Begriffe „kapitalersetzend“ und „Eigenkapitalersatz“ (§§ 39, 135 InsO a. F., § 6 AnfG a. F., § 24 UBGG a. F.).78)

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Die Krise der Gesellschaft war in § 32a Abs. 1 a. F. definiert als „Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten“. Der Bundesgerichtshof sah diesen Zeitpunkt gekommen, wenn ein Insolvenzgrund vorlag oder wenn Dritte der Gesellschaft keinen Kredit zu marktüblichen Bedingungen mehr gewährt hätten.79) Von „ordentlichen Kaufleuten“ wurde in dieser Situation erwartet, dass sie die Gesellschaft entweder mit frischem Eigenkapital versorgen oder aber deren Liquidation herbeiführen. Gewährten sie stattdessen ein Darlehen oder kündigten sie ein bereits gewährtes Darlehen nicht („stehengelassenes Darlehen“), ersetzte das Darlehen das benötigte Eigenkapital. Ausgenommen waren nur sehr kurzfristige, innerhalb der Eröffnungsantragsfrist (§ 15a InsO) rückzahlbare und deshalb nicht einer insolvenzreifen Gesellschaft gewährte Überbrückungskredite (siehe Rn. 16).

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Nach altem Recht führte die Krise der Gesellschaft dem Gesellschafter vor Augen, dass die von ihm zu verantwortende Finanzierungsentscheidung nicht nur eine Frage der Opportunität für beide Seiten war, sondern das Überleben der Gesellschaft sichern oder deren Ende besiegeln konnte. Kommt es zur Krise, wird der Gesellschafter diese Entscheidung auch künftig treffen müssen (siehe Rn. 6). Dieser Entscheidungszwang folgt betriebswirtschaftlicher Notwendigkeit,80) die der Gesetzgeber nicht umgehen kann, indem er auf die „Krise der Gesellschaft“ keine Rücksicht mehr nimmt. In der Kreditgewährung oder der gleich zu achtenden Rechtshandlung liegt ebenso eine Finanzierungsentscheidung81) wie im actus contrarius der Rückforderung bzw. Rückgewähr. Es ist also voreilig zu sagen, es bedürfe keiner Finanzierungsentscheidung in der Krise mehr.82) Man muss hinzufügen: Für den Tatbestand bedarf es einer solchen Entscheidung nicht mehr, der insoweit seiner rechtsdogmatischen Grundlage beraubt ist.83) _____________ 77) Seibert, MoMiG, S. 42. 78) Rückblickend zum alten Recht Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 120 ff. 79) BGH, ZIP 2006, 996, 997 = GmbHR 2006, 703 = WM 2006, 1150; BGH, ZIP 2011, 328, 330 = GmbHR 2011, 301 = NJW 2011, 844, dazu EWiR 2011, 463 (Siepmann); BGH, ZIP 2011, 2253 = GmbHR 2011, 1316 = DB 2011, 2658. 80) Eindringlich bezogen auf das Stadium der Insolvenzreife Pentz in: FS Hüffer, S. 747, 769 f. 81) K. Schmidt, ZIP 2006, 1925, 1932; K. Schmidt, GmbHR 2009, 1009, 1016; K. Schmidt, ZIP 2010, Beilage Heft 39, S. 15, 20 f. 82) So aber Seibert, MoMiG, S. 40. 83) Habersack, ZIP 2007, 2145, 2147; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Dahl/Linnenbrink, GmbHG, Systematische Darstellung 6 Rn. 26.

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Rechtspolitisch zu begrüßen, de lege lata jedoch kaum aussichtsreich84) ist der Versuch, eine solche Grundlage durch Analogie zu §§ 135, 136 Abs. 2 BGB neu zu schaffen, indem das Merkmal der Krise durch dasjenige einer materiellen, noch nicht antragspflichtigen Insolvenz (drohende Zahlungsunfähigkeit gemäß § 18 InsO, rechnerische Überschuldung bei positiver Fortführungsprognose gemäß § 19 Abs. 2 InsO) ersetzt wird.85) Die Anfechtungstatbestände des § 135 Abs. 1 und 2 InsO (und des verwandten § 136 Abs. 1 InsO) grenzen die anfechtbaren Rechtshandlungen zeitlich nach dem Eröffnungsantrag ein, lassen also einen (fakultativen oder obligatorischen) Eröffnungsgrund erst genügen, wenn dieser verfahrensrechtliche Konsequenzen hat.86) Eine strikte Verfahrensvoraussetzung (§ 13 Abs. 1 InsO) ist jedoch auch dort nicht zu relativieren, wo der Eröffnungsantrag eine materiell-rechtlich maßgebliche Frist determiniert (§ 139 InsO).

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Der vom Merkmal der Krise nun unabhängige Tatbestand ist von den Gerichten und Insolvenzverwaltern leichter zu handhaben. Sie müssen im Idealfall lediglich feststellen, dass ein Gesellschafter (siehe Rn. 32 ff) seiner Gesellschaft (siehe Rn. 26 ff) ein Darlehen (siehe Rn. 9 ff) gewährt und belassen bzw. wann er es zurückerhalten hat. Abzugrenzen ist darüber hinaus nur noch der Kreis der darlehensgleichen Rechtshandlungen (siehe Rn. 14 ff) und der gesellschaftergleichen Dritten (siehe Rn. 36 ff). Auf die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft bei Gewährung, Prolongierung oder Rückgewähr kommt es nicht an. Die größere Rechtssicherheit für Gerichte und Insolvenzverwalter wird jedoch mit einem Verlust an Einzelfallgerechtigkeit zulasten der Gesellschafter erkauft.87) Nach dem MoMiG (zum Übergangsrecht siehe § 30 Rn. 187 ff [Thiessen]) ist auch ein der gesunden Gesellschaft gewährtes Darlehen in der Insolvenz nun automatisch nachrangig (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO; siehe Rn. 61 f), und auch eine in guten Zeiten erfolgte Darlehensrückzahlung ist automatisch anfechtbar (siehe Rn. 58 ff), wenn innerhalb eines Jahres seit der Rückzahlung Insolvenzantrag gestellt wird (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO) oder Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (voraussichtlich) erfolglos bleiben (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 AnfG).

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Anders als bei einem Krisendarlehen kann sich der Gesellschafter auf diese Sanktionen nicht einstellen, wenn die Gesellschaft etwa durch den unerwarteten Ausfall eines wichtigen Schuldners insolvent wird.88) Damit verfehlt das Gesetz – verfas-

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_____________ 84) BGHZ 188, 363, 372 = ZIP 2011, 575, 576 = GmbHR 2011, 413, dazu EWiR 2011, 285 (Spliedt); BGH, ZIP 2015, 1130, 1131 f Rn. 5 = GmbHR 2015, 704 = DB 2015, 1345; Saenger/Inhester-Kolmann, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 146. 85) Hölzle, ZIP 2011, 650, 654 f. 86) Krolop, ZIP 2007, 1738, 1744, auf den sich Hölzle, ZIP 2011, 650, 655 mit Fn. 61 stützt, betont im Gegensatz zu Hölzle den Eröffnungsgrund i. R. d. § 136 Abs. 2 InsO als notwendige, nicht als hinreichende Voraussetzung der Anfechtung. 87) Verteidigend Habersack, ZIP 2007, 2145, 2146; Huber, ZIP 2010, Beilage Heft 39, S. 7, 8, 13 f; krit. Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 140; Roth, GmbHR 2008, 1184; Spliedt, ZIP 2009, 149, 153; K. Schmidt ZIP 2010, Beilage Heft 39, S. 15, 16. 88) Mit unterschiedlichen Akzenten Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 18; Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 10; Altmeppen, NJW 2008, 3601, 3602; Gehrlein, BB 2008, 846, 853; Gesmann-Nuissl, WM 2006, 1756, 1759; Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, Rn. 58; Habersack, ZIP 2007, 2145, 2146; Heckschen, DStR 2007, 1442, 1448.

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sungsrechtlich bedenklich89) – die Steuerungsfunktion von Sanktionsnormen, dem Normadressaten ein rechtmäßiges Alternativverhalten aufzuzeigen, mit welchem er die Sanktion vermeiden kann.90) Ein Darlehen in guten Zeiten zu gewähren oder zurückzugewähren wird so allein von der Hoffnung getragen, dass sich die Zeiten nicht ändern.91) Dies geht weit über die bisherige Rechtsprechung92) hinaus, welche den Eigenkapitalersatzcharakter nur dann unwiderleglich vermutete, wenn innerhalb eines Jahres vor Insolvenzantragstellung oder Gläubigeranfechtung ein bereits zuvor eigenkapitalersetzendes Darlehen zurückgezahlt wurde.93) Umgekehrt wird ein verstricktes Gesellschafterdarlehen nur dadurch frei, dass die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft sich so nachhaltig verbessert, dass der Rückzahlung nichts entgegensteht. Altgesellschafter kommen auch durch weiteren Anteilserwerb nicht in den Genuss des Sanierungsprivilegs (§ 39 Abs. 4 Satz 2 InsO; siehe Rn. 52). III. Persönlicher Anwendungsbereich (§ 39 Abs. 4, 5 InsO) 25

Der persönliche Anwendungsbereich der insolvenz- und anfechtungsrechtlichen Normen zu Gesellschafterdarlehen und wirtschaftlich entsprechenden Rechtshandlungen ist in § 39 Abs. 4 und 5 InsO definiert. Auf den ersten Blick beziehen sich § 39 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 InsO nur auf den Nachrang gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Der persönliche Anwendungsbereich ist aber für alle gesellschafterdarlehensbezogenen Normen identisch. Dies wird in §§ 19 Abs. 2 Satz 2, 44a, 135 Abs. 1 InsO und § 6 Abs. 1 AnfG durch Verweis auf § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO klargestellt, auf dem § 39 Abs. 4 und 5 InsO aufbauen. § 135 Abs. 4 InsO und § 6a Satz 2 AnfG verweisen ausdrücklich auf § 39 Abs. 4 und 5 InsO. _____________ 89) Altmeppen, NJW 2008, 3601, 3602 f; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 24, 26, 29, 31; Pentz in: FS Hüffer, S. 747, 752, 772 f; Marotzke, JZ 2010, 592, 598 ff. 90) Allg. hierzu Ihrig in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts, S. 17, 18; Bachmann in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts, S. 93, 95; grundlegend zu Prävention und Verhaltenssteuerung durch Privatrecht Wagner, AcP 206 (2006) 352, 424 ff, 431 ff, 434 ff. 91) Entgegen Huber, ZIP 2010, Beilage zu Heft 39, S. 7, 12 f war dies nach altem Recht anders, weil der Gesellschafter auf eine veränderte wirtschaftliche Lage reagieren konnte, indem er entschied, seine Finanzierungshilfe nicht stehen zu lassen, sondern zu kündigen, vgl. etwa BGHZ 121, 31, 35 = ZIP 1993, 189, 191 = GmbHR 1993, 87, dazu EWiR 1993, 155 (Fleck). 92) BGHZ 90, 370, 381 = ZIP 1984, 698 = NJW 1984, 1891, im „Umkehrschluss“ zu einer Erwägung in BT-Drucks. 8/1347, S. 41; BGH, ZIP 2006, 466, 467 = GmbHR 2006, 421 = WM 2006, 579, dazu EWiR 2006, 247 (Noack). 93) Eine unwiderlegliche Eigenkapitalersatzvermutung während der Jahresfrist sehen weiterhin Bork, ZGR 2007, 250, 257; Altmeppen, NJW 2008, 3601, 3602 f; Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 25 ff; Hirte, WM 2008, 1429, 1430; Michalski/Heidinger/ Leible/J. Schmidt-Dahl/Linnenbrink, GmbHG, Systematische Darstellung 6 Rn. 26; Spliedt, ZIP 2009, 149, 153; dagegen Habersack, ZIP 2007, 2145, 2147; Habersack, ZIP 2008, 2385, 2387; für eine widerlegliche Vermutung der Insolvenzreife Pentz in: FS Hüffer, S. 747, 764 f, 771 f; Pentz, GmbHR 2013, 393, 398 ff; dagegen K. Schmidt, ZIP 2010, Beilage Heft 39, S. 15, 18 f; für eine Vermutung der Insolvenzverursachung durch Darlehensabzug Mylich, ZGR 2009, 474, 489; auf die Steuerung des Insolvenzrisikos abstellend auch Breidenstein, ZInsO 2010, 273, 274; für teleologische Reduktion des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO Marotzke, JZ 2010, 592, 599 f.

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1.

Empfänger

a) Erfasste Rechtsformen (§ 39 Abs. 4 Satz 1 InsO) Die insolvenz- und anfechtungsrechtlichen Normen zu Gesellschafterdarlehen und wirtschaftlich entsprechenden Rechtshandlungen gelten nur für Gesellschaften, bei denen auch mittelbar94) keine natürliche Person unbeschränkt haftet. Erfasst sind ausweislich der Regierungsbegründung AG, KGaA, GmbH, eingetragene Genossenschaften, die Societas Europaea (SE) und die Societas Cooperativa Europaea (SCE) sowie OHG und KG, soweit keiner ihrer persönlich haftenden Gesellschafter eine natürliche Person ist, insbesondere die GmbH & Co. KG.95) Zu ausländischen Rechtsformen siehe Rn. 30. Die Formulierung des § 39 Abs. 4 Satz 1 InsO ist irreführend, weil sie sich scheinbar nur auf Gesellschaften bezieht, deren Struktur wie bei OHG und KG einen persönlich haftenden Gesellschafter zwingend vorsieht.96) Juristische Personen wären damit nicht erfasst. Dies wäre ein Rückschritt hinter die bisherige Rechtslage und ist anders als bei § 15a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 InsO auch nicht gemeint. Die Formulierung des § 39 Abs. 4 Satz 1 InsO beruht lediglich darauf, dass die Norm die für atypische Personengesellschaften geltenden §§ 129a, 172a HGB a. F. ersetzt, die ausdrücklich auf das GmbH-Recht (§§ 32a, b a. F.) verwiesen.

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Auch die Vorgesellschaft, deren Gesellschafter grundsätzlich keiner Außenhaftung unterliegen,97) unterfällt § 39 Abs. 4 Satz 1 InsO,98) zumal das neue Recht der Gesellschafterdarlehen nicht mehr auf den – für die Vorgesellschaft unanwendbaren – Kapitalerhaltungsregeln aufbaut.99) Ebenso gilt § 39 Abs. 4 Satz 1 InsO für eine atypische GbR ohne eine zumindest mittelbar haftende natürliche Person.100)

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_____________ 94) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 19; Cranshaw/ Michel/Paulus-Zenker, Bankenkommentar InsR, § 39 InsO Rn. 32, 34; einschränkend GrafSchlicker-Neußner, InsO, § 39 Rn. 19. 95) Vgl. die Aufzählung in RegE MoMiG BT-Drucks. 16/6140, S. 56 f. 96) Krit. bereits zum RefE: Ehinger, BB 2006 Heft 37, S. 24, 26; Mülbert, WM 2006, 1977, 1981; Thiessen, ZIP 2007, 253, 259 Fn. 89. Dem Bundesrat genügte die Änderung des RegE gegenüber dem RefE mit Recht nicht; a. A. die Bundesregierung, BT-Drucks. 16/6140, S. 72, 79 = Seibert, MoMiG, S. 252; Goette/Habersack-Habersack, MoMiG, Rn. 5.7. 97) BGHZ 134, 333, 338 ff = ZIP 1997, 679, 681 f = NJW 1997, 1507, dazu EWiR 1997, 463 (Fleischer), K. Schmidt, ZIP 1997, 671; ebenso für die vermögenslose oder EinpersonenGmbH BGH, ZIP 2005, 2257 = GmbHR 2006, 88 = WM 2005, 2396, dazu EWiR 2006, 143 (Wilhelm); a. A. Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 19: § 93 InsO analog; dem zust. Saenger/Inhester-Kolmann, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 37; für Außenhaftung bei Fortführung trotz Scheiterns der GmbH-Gründung auch BGHZ 152, 290 = ZIP 2002, 2309 = NJW 2003, 429. 98) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 125; zum alten Recht BGH, ZIP 2009, 1273, 1276 = NJW 2009, 2378 = WM 2009, 2327 entgegen Ulmer/Habersack/ Winter-Habersack, GmbHG, 1. Aufl. 2006, § 32a/b Rn. 14, § 30 Rn. 17; zweifelnd ScholzBitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 38. 99) Habersack, ZIP 2007, 2145, 2147. 100) Zu § 129a HGB a. F. analog BGHZ 179, 278 = ZIP 2009, 471 = NJW 2009, 997, dazu EWiR 2009, 241 (Schodder); so zuvor bereits Habersack, ZHR 162 (1998) 201, 215.

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b) Nicht erfasste Rechtsformen 28

Gesetzestypische Personengesellschaften sind weiterhin nicht erfasst.101) Dies ist zweifelhaft, da auch und gerade persönlich haftende Gesellschafter verantwortungsvoll darüber entscheiden müssen, ob sie eine kreditunwürdige Gesellschaft mit Eigenkapital oder eigenen Krediten finanzieren oder aber liquidieren wollen (siehe Rn. 6).102) Angesichts der – hier abgelehnten – konzeptionellen Abkehr von der Finanzierungsfolgenverantwortung (siehe Rn. 5 ff) ist die Nichteinbeziehung der gesetzestypischen Personengesellschaften aber konsequent; § 39 Abs. 4 Satz 1 InsO drückt das Prinzip der beschränkten Haftung aus.103) Die Vorschrift bereitet allerdings Schwierigkeiten beim Ausscheiden oder Hinzutreten natürlicher Personen.104)

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Aus dem Schweigen der Gesetzgebungsmaterialien105) ist zu schließen, dass Idealvereine und Stiftungen nicht erfasst sein sollen.106) Im Regelfall sind die Vereinsmitglieder geringfügig beteiligt (§ 39 Abs. 5 InsO) und daher nur geringfügig anfallberechtigt (§ 45 BGB). Sie werden demgemäß nicht in nennenswertem Umfang auf Kosten der Vereinsgläubiger spekulieren, indem sie den Verein mit Darlehen finanzieren, die sie im Krisenfall abziehen oder mit denen sie im Insolvenzfall (§ 42 BGB) die Tabelle „überfluten“. Der Stiftung als zweckgebundenem Vermögen fehlen bereits die Mitglieder, welche „Gesellschafterdarlehen“ vergeben könnten.107) Da es sich aber auch hierbei um haftungsbeschränkte Rechtsformen handelt, ist deren Ausnahme von § 39 Abs. 4 Satz 1 InsO zweifelhaft,108) zumal die Vorschrift heute primär dem Missbrauch der Haftungsbeschränkung begegnen soll (siehe Rn. 7). Bei umfänglich wirtschaftlich tätigen Vereinen, welche ihren (zuweilen millionenschweren) wirtschaftlichen Nebenzweck durch einen ideellen Hauptzweck privilegieren,109) ist es durchaus denkbar, dass einflussreiche Vereins- und Vorstandsmitglieder den Verein auch durch Darlehen finanzieren. Praktisch relevant ist dies nicht nur _____________ 101) So bereits der Vorschlag von Huber/Habersack, BB 2006, 1, 7; Lutter-Huber/Habersack, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 370, 397 ff. 102) Nachdrücklich in diesem Sinne zum alten Recht K. Schmidt, GesR, § 18 III. 4. a, S. 531 f; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2006, §§ 32a, 32b Rn. 22, anders Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 19 a. E.; wie hier nach der Reform Cranshaw/Michel/Paulus-Zenker, Bankenkommentar InsR, § 39 InsO Rn. 31. 103) Habersack, ZIP 2007, 2145, 2147; gegen diese Interpretation noch zum alten Recht K. Schmidt in: MünchKomm-HGB, 2. Aufl., § 129a Rn. 15; anders 3. Aufl., § 129a a. F. Rn. 10. 104) Dazu Cranshaw/Michel/Paulus-Zenker, Bankenkommentar InsR, § 39 InsO Rn. 35. 105) RegE MoMiG, Stellungnahme BR, Gegenäußerung BReg, BT-Drucks. 16/6140, S. 56 f, 72, 79 = Seibert, MoMiG, S. 252. 106) Auch zum Folgenden Habersack, ZIP 2007, 2145, 2147 f. 107) Deshalb gegen die Einbeziehung von Stiftungen Habersack, ZIP 2007, 2145, 2148; GrafSchlicker-Neußner, InsO, § 39 Rn. 20; Cranshaw/Michel/Paulus-Zenker, Bankenkommentar InsR, § 39 InsO Rn. 33. 108) Zum Meinungsstand vor dem MoMiG: Staudinger-Weick, BGB, § 42 Rn. 16. Für die Anwendbarkeit der gesetzlichen Regeln im Gegensatz zu den Rechtsprechungsregeln Reuter in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl. 2006, § 42 Rn. 18; Haas/Prokop in: FS Röhricht, S. 1149, 1171 ff. 109) Zu den Konsequenzen einer Überschreitung des Nebenzweckprivilegs BGHZ 175, 12, 17 ff = ZIP 2008, 364, 365 ff = WM 2008, 358, dazu EWiR 2008, 293 (Haertlein/ Primaczenko) und Hofmeister, ZIP 2009, 161.

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für den Hauptsponsor eines Sportvereins, sondern auch bei so unauffälligen, für die Vereinsfinanzierung aber zentralen Formen wie „Eintrittsgeldern“ oder „Aufnahmegebühren“, die unter Umständen rückzahlbar sind und daher Darlehensfunktion haben. Entsprechend ist bei Stiftungen denkbar, dass Personen, welche die Stiftung leiten (oder von ihr leben), Darlehen gewähren und ihren so vermittelten, nach h. M. zwar unzulässigen, faktisch aber nicht minder wirksamen Einfluss110) gesellschaftergleich – d. h. wirtschaftlich einem Gesellschafterdarlehen entsprechend – einsetzen.111) Dass wohltätige Zwecke gesellschaftsrechtliche Strukturen nicht ausschließen, zeigt die steuerbegünstigte gemeinnützige GmbH (gGmbH), die als GmbH selbstverständlich unter § 39 Abs. 4 Satz 1 InsO fällt.112) Die immer bedeutender werdende wirtschaftliche Nebentätigkeit gemeinnütziger Einrichtungen gleich welcher Rechtsform mag namentlich in Zeiten der Finanzkrise113) auch bei Vereinen und Stiftungen zu einem Umdenken führen.114) c) Ausländische Gesellschaften § 39 Abs. 4 Satz 1 InsO erfasst auch ausländische Gesellschaften.115) Die Vorschrift zielt insoweit insbesondere auf die englische Private Company Limited by Shares,116) auch in ihrer Eigenschaft als persönlich haftende Gesellschafterin einer atypischen Personengesellschaft.117) Der Gesetzgeber macht sich hierbei zunutze, dass das Insolvenzstatut gemäß Art. 3 Abs. 1 EuInsVO an den territorialen Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit (Center of Main Interest) anknüpft und nicht an das Gründungsrecht der Gesellschaft. Da zumindest die Rückstufung von Gesellschafterdarlehen außerhalb Deutschlands fast überall insolvenzrechtlich geregelt ist (siehe § 30 Rn. 128 a. E. [Thiessen]), dürfte auch der Europäische Gerichtshof in den neuen insolvenz- und anfechtungsrechtlichen Regeln keinen Verstoß gegen die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit sehen.118) Zwar dürfen deutsche gesell_____________ 110) Umfassend zu der hochumstrittenen Frage, ob auf eine Stiftung beherrschender Einfluss ausgeübt werden kann, Roth in: GS Walz, S. 593, 606 ff, 612. 111) Hirte in: FS Werner, S. 222, 232 f. Grundlegend zur Stiftung in Krise und Insolvenz jüngst auch Roth/Knof, KTS 2009, 163. 112) Dass die gGmbH keine „Sonderform der GmbH“ ist, betont die Gegenäußerung der BReg, weshalb ein derart abgekürzter Rechtsformzusatz unzulässig ist, BT-Drucks. 16/6140, S. 74 = Seibert, MoMiG, S. 121. 113) Zu deren Einfluss Hirte in: FS Werner, S. 222 f. 114) Auslegungs- oder Analogiespielraum sieht daher Bork, ZGR 2007, 250, 253 Fn. 13. 115) Zu § 135 Abs. 1 InsO: AG Hamburg, ZIP 2009, 532 = NZG 2009, 197 = NZI 2009, 131, dazu EWiR 2009, 215 (Mankowski). 116) Begr. BReg, BT-Drucks. 16/6140, S. 57; Gegenäußerung der BReg, BT-Drucks. 16/6140, S. 79 = Seibert, MoMiG, S. 252. 117) Habersack, ZIP 2007, 2145, 2148. 118) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Dahl/Linnenbrink, GmbHG, Systematische Darstellung 6 Rn. 38; zweifelnd Zahrte, ZinsO 2009, 223. Umgekehrt hat der EuGH nationale Wegzugbeschränkungen für zulässig gehalten, EuGH, ZIP 2009, 24 = GmbHR 2009, 86 = NJW 2009, 569 m. Anm. Knof/Mock – Cartesio; dazu EWiR 2009, 141 (Schulz/Schröder). Wegen § 4a ist dieses Problem für nach deutschem Recht gegründete Gesellschaften jedoch nicht mehr virulent, RegE MoMiG BT-Drucks. 16/6140, S. 29 = Seibert, MoMiG, S. 122. Zur Zuzugsbeschränkung für schweizerische Gesellschaften BGHZ 178, 192 = ZIP 2008, 2411 = NJW 2009, 289, dazu EWiR 2009, 355 (Schmidt); Gottschalk, ZIP 2009, 948.

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schaftsrechtliche Gläubigervorstellungen nicht im „trojanischen Pferd“ des Insolvenzrechts in die Mauern ausländischer Gesellschaften eingeschleust werden,119) da diese ihr heimatliches Gesellschaftsrecht nach Deutschland mitbringen. Eine solche europarechtlich unzulässige Camouflage des alten Eigenkapitalersatzrechts ist jedoch im MoMiG nicht enthalten; zu radikal ist insbesondere durch § 30 Abs. 1 Satz 3 die Absage an eine gesellschaftsrechtliche Beurteilung der Gesellschafterdarlehen (siehe § 30 Rn. 129 ff [Thiessen]). 31

Geklärt ist nun auch, dass der Insolvenzverwalter eine Anfechtung gemäß §§ 135, 143 InsO in Deutschland gerichtlich geltend machen kann.120) Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte auch für derartige Anfechtungsklagen folgt aus Art. 3 Abs. 1 EuInsVO, da es sich um ein Annexverfahren zum in Deutschland eröffneten Insolvenzverfahren handelt. 2.

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Gläubiger

Als Gläubiger von Darlehensrückgewähransprüchen oder gleichgestellten Forderungen kommen Gesellschafter in Betracht (siehe Rn. 33 ff) oder Personen, die eine gesellschaftergleiche Stellung innehaben (siehe Rn. 63 ff). Die zentralen gesetzlichen Ausnahmen richten sich nach dem Zweck des Erwerbs (Sanierungsprivileg, § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO; siehe Rn. 49 ff) und nach dem Umfang der Beteiligung (Kleinbeteiligungsprivileg, § 39 Abs. 5 InsO; siehe Rn. 45 ff). a) Aktuelle Gesellschafter

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Zweifelsfrei ist erfasst, wer bei der Gewährung des Darlehens bereits Gesellschafter war und es bei Anmeldung der Darlehensforderung zur Insolvenztabelle bzw. bei Rückgewähr des Darlehens und deren Anfechtung noch ist. Grundsätzlich entscheidet die Verfahrenseröffnung (§ 38 InsO) über den Status als regulärer oder nachrangiger Gläubiger.121) Deshalb begibt sich ein eintretender Gesellschafter auch mit seinen bereits zuvor gewährten Finanzierungshilfen in den Anwendungsbereich von Nachrang und Anfechtung.122) Erwirbt ein bereits befriedigter Darlehensgläubiger eine hinreichende Beteiligung (§ 39 Abs. 5 InsO) innerhalb der Frist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, ist zur Vermeidung von Umgehungen die Befriedigung des vormaligen Nichtgesellschafters anfechtbar.123) Entsprechendes gilt für den besicher-

_____________ 119) Dies betont Krolop, ZIP 2007, 1738, 1745. 120) Hierzu die Vorlage BGH, ZIP 2007, 1415 = ZVI 2007, 568 = WM 2007, 1582 m. Anm. Klöhn/Berner, dazu EWiR 2007, 751 (Voss) sowie die Urteile des EuGH, ZIP 2009, 427 = NJW 2009, 2189 = DB 2009, 613 – Deko Marty Belgium, dazu EWiR 2009, 411 (Müller), und des BGH, ZIP 2009, 1287 = NJW 2009, 2215 = NZG 2009, 954, dazu EWiR 2009, 505 (Riedemann); Mörsdorf-Schulte, ZIP 2009, 1456; dagegen noch die Vorinstanz OLG Frankfurt/M., ZIP 2006, 769 = ZInsO 2006, 715 = NZI 2006, 648, dazu krit. EWiR 2006, 237 (Hinkel/Flitsch), diff. Thole, ZIP 2006, 1383, 1387. 121) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 21. 122) BGHZ 200, 210, 216 Rn. 15 = ZIP 2014, 584 = GmbHR 2014, 417, dazu EWiR 2014, 215 (Spliedt); Thole, ZIP 2015, 1609, 1614 f; Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 66. 123) Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 79; a. A. Scholz-Bitter, GmbHG, Anh.§ 64 Rn. 67.

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ten Gläubiger (siehe Rn. 67 f), der innerhalb der Frist des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO Gesellschafter wird.124) b) Ausgeschiedene Gesellschafter und Anteilserwerber Scheidet der Gesellschafter aus dem Gesellschafterkreis und belässt dennoch der Gesellschaft das Darlehen, so tut er dies mit Blick auf seine bisherige Gesellschafterstellung. Er ist daher zunächst weiterhin als nachrangiger Gläubiger zu behandeln (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO).125) Allerdings entfällt der Nachrang analog § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, § 6 Abs. 1 Nr. 2 AnfG, wenn der Gesellschafter mehr als ein Jahr vor Insolvenzantrag oder Erlangung des vollstreckbaren Titels ausgeschieden ist.126) Ein zeitlich unbegrenzter Nachrang gegenüber einer Person, welche die Tatbestandsvoraussetzungen nicht (mehr) erfüllt, ist nicht zu rechtfertigen.127) Auch die Rückzahlung des Darlehens ist nach den genannten Vorschriften nur anfechtbar, wenn sie nicht mehr als ein Jahr zurückliegt.128) Dies gilt wegen § 135 Abs. 2 InsO auch für den Fall, dass ein ehemaliger Gesellschafter durch Verwertung einer Gesellschaftssicherheit von der Haftung aus einer von ihm selbst bestellten Sicherheit frei wird (siehe Rn. 77).129) Dementsprechend kann sich der Gesellschafter der Anfechtung nicht dadurch entziehen, dass er vor der Rückzahlung seine Gesellschafterstellung aufgibt,130) sofern die Rückzahlung noch innerhalb der Jahresfrist erfolgt. Allerdings ist die Anteilsabtretung bei bevorstehender Insolvenz eine typische Bestattungssituation,131) in welcher der Insolvenzverwalter nach Beweisanzeichen für eine Vorsatzanfechtung (§ 133 Abs. 3 InsO, § 3 Abs. 3 AnfG) suchen wird.132) Entsprechend sind – ohne Einschränkung gemäß § 145 Abs. 2 InsO133) – Anteilserwerber zu behandeln, die zuvor Gläubiger waren und ihre Darlehen nicht rechtzeitig vor Beginn der Jahresfrist abgezogen haben, obwohl sie hierzu in der Lage _____________ 124) A. A. Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 68. 125) Goette/Habersack-Habersack, MoMiG, Rn. 5.27; ebenso die ständige Rspr. zum alten Recht, zuletzt BGH, ZIP 2005, 2016, 2017 = GmbHR 2005, 1570 = NJW 2006, 225, dazu EWiR 2005, 883 (v. Gerkan); BGH, ZIP 2013, 2400, 2402 Rn. 24 = GmbHR 2013, 1318 = NZG 2013, 1385, dazu EWiR 2014, 137 (Baumann). 126) BGH, ZIP 2012, 86, 88 = GmbHR 2012, 206 = DB 2012, 47, dazu EWiR 2012, 91 (Rendels); Goette/Habersack-Habersack, MoMiG, Rn. 5.27; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32 a/b a. F. Rn. 21; Scholz-Bitter, GmbHG, Anh.§ 64 Rn. 57; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 142; Gehrlein, BB 2011, 3, 6; Kleindiek, ZGR 2017, 731, 748. 127) Für Abhilfe durch eine widerlegliche Vermutung der Insolvenzreife daher Pentz in: FS Hüffer, S. 747, 748, 771 f; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 30 Rn. 84. 128) BGHZ 196, 220, 228 Rn. 25 = ZIP 2013, 582 = GmbHR 2013, 410, dazu EWiR 2013, 217 (Bork). 129) LG Hamburg, ZIP 2016, 1239, 1240 = ZInsO 2016, 1479 = ZfIR 2016, 546. 130) Kebekus/Zenker in: FS Wellensiek, S. 475, 485 ff, sehen die analogiebegründende gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung (§ 129 Abs. 1 InsO) für Gesellschafterwechsel und Zession darin, dass der Gesellschafter die Voraussetzungen des Gesellschafterdarlehens beseitigt, die Forderung aber zulasten der anderen Gläubiger fortbestehen lässt. 131) Seibert, MoMiG, S. 42. 132) Vgl. BGHZ 165, 343, 349 = ZIP 2006, 243, 245 = NJW 2006, 908, dazu Fischer, NZI 2008, 588, 593. 133) Näher Haas, ZIP 2017, 545, 548.

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waren.134) Neue Darlehen eines Neugesellschafters unterliegen ohnehin dem Recht der Gesellschafterdarlehen (siehe Rn. 33). In beiden Fällen kann der Anteilserwerb aber wegen eines etwa damit verbundenen Sanierungszwecks privilegiert sein135) (siehe Rn. 49). – Zur Abtretung der Darlehensforderung siehe Rn. 43, zur Umwandlung von Darlehen in Eigenkapital siehe Rn. 17, 65. Kommt ein in Aussicht genommener Anteilserwerb nicht zustande, sind die Darlehensgeber nicht als gesellschaftergleiche Dritte (siehe Rn. 36 ff) zu behandeln, es sei denn, sie haben ihrerseits die Darlehensvaluta von einem Gesellschafter (siehe Rn. 33) erhalten.136) c) Gesellschafter atypischer Personengesellschaften 35

Zweifelsfrei von § 39 Abs. 4 Satz 1 InsO einbezogen sind unmittelbar beteiligte Gesellschafter. Mittelbar Beteiligte gelten als gesellschaftergleiche Dritte (siehe Rn. 38). Anders als die §§ 129a, 172a HGB a. F. bezieht sich § 39 Abs. 4 Satz 1 InsO nur auf die Gesellschaftsform des Darlehensempfängers, ohne den Kreis der Gesellschafter als Darlehensgeber einzugrenzen.137) Damit sind nun auch die „Gesellschafter oder Mitglieder der (persönlich haftenden) Gesellschafter“ der OHG/ KG erfasst.138) Wegen §§ 128, 161 Abs. 2 HGB bedarf es insoweit allerdings weder des Nachrangs noch der Anfechtung. Jede Rückforderung oder Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen löst, soweit sie zulasten der (sonstigen) Gesellschaftsgläubiger geht, die persönliche Haftung der Gesellschafter aus, welche gemäß § 93 InsO vom Insolvenzverwalter in Anspruch genommen werden.139) Zwar finden bei gleichzeitiger Insolvenz von Gesellschaft und Gesellschaftern getrennte Insolvenzverfahren statt.140) Bei atypischen Personengesellschaften werden die zumeist inaktiven Vollhafter jedoch kaum „Privatgläubiger“ haben, die auf die Forderungen oder Rückzahlungen aus Komplementärdarlehen zugreifen wollen und durch Nachrang und Anfechtung im Insolvenzverfahren der Gesellschaft daran zu hindern sind.141) d) Gesellschaftergleiche Dritte

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Neben Gesellschafterdarlehen erfassen die §§ 19 Abs. 2 Satz 2, 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 und 5, 44a, 135 und 143 InsO sowie die §§ 6, 6a und 11 AnfG Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen. Einerseits können die Rechtshandlungen als Vorgang einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen (siehe Rn. 14 ff), andererseits können die Akteure der Rechtshandlung wie Gesellschafter agieren.142) _____________ 134) Cranshaw/Michel/Paulus-Zenker, Bankenkommentar InsR, § 39 InsO Rn. 43 f. 135) A. A. Brinkmann, ZGR 2017, 708, 719 ff. – teleologische Reduktion des § 142 InsO. 136) LG Waldshut-Tiengen, ZInsO 2016, 1869, 1870, das allerdings den finanziell belasteten Gesellschafter hinter einem vorgeschobenen Nicht-Gesellschafter als gesellschaftergleichen Dritten behandelt. 137) Cranshaw/Michel/Paulus-Zenker, Bankenkommentar InsR, § 39 InsO Rn. 36. 138) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 88. 139) Habersack, ZIP 2007, 2145, 2148. 140) Zur GmbH & Co. KG K. Schmidt in: MünchKomm-HGB, Anh. § 158 Rn. 58 ff. 141) K. Schmidt in: MünchKomm-HGB, Anh. § 158 Rn. 63, anders die Interessenlage bei gesetzestypischen Gesellschaften, K. Schmidt in: MünchKomm-HGB, 2. Aufl., § 129a Rn. 15; anders nun 3. Aufl., § 129a a. F. Rn. 10. 142) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 22.

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Das Gesetz hält hier keinen formalen Maßstab bereit. Der einzubeziehende Personenkreis ist daher nach dem Normzweck zu bestimmen. Wie in den bisherigen Vorschriften (§§ 32a Abs. 3 Satz 1, 32b Satz 4 a. F.) dient die Gleichstellung Dritter mit Gesellschaftern dem Umgehungsschutz. Die Grenzen zulässiger Umgehung sind in gleicher Weise zu bestimmen wie vor dem MoMiG.143) Die scheinbar neue Legitimation der Sonderregeln für Gesellschafterdarlehen (siehe Rn. 5 ff) ändert daran nichts.144) Die Gesellschafter profitieren vom Haftungsprivileg (§ 13 Abs. 2) und müssen dieses Privileg in gesetzeskonformer Weise wahrnehmen (siehe Rn. 7). Sie sind daher die „geborenen“ Normadressaten von Nachrang und Anfechtung.145) Demgegenüber sind externe Gläubiger diesem Haftungsprivileg von Gesetzes wegen zunächst ausgeliefert. Nur soweit sie dies hinnehmen, sind sie aber auf den Schutz durch spezielle Regeln über Gesellschafterdarlehen angewiesen. Versuchen sie das Haftungsprivileg zu überwinden, indem sie unternehmerischen Einfluss nehmen, der über die typischen Rechte eines Gläubigers oder Sicherungsgebers hinausgeht, wechseln sie gewissermaßen die Seiten, begeben sich an die Stelle der Gesellschafter146) und können wie diese die Interessen der sonstigen Gläubiger und Sicherungsnehmer gefährden, denen es nicht gelungen ist, besondere Mitspracherechte auszuhandeln. Geht es also darum, dass Dritte die Ausübung des ihnen an sich nicht zukommenden Haftungsprivilegs aktiv mitgestalten, passen daher auch weiterhin Gerichtsentscheidungen, die vor dem MoMiG mit der Finanzierungsfolgenverantwortung der Gesellschafter oder gesellschaftergleichen Dritten legitimiert wurden.147) Einzubeziehen sind daher auch nach dem MoMiG Personen, welche den Finanzbedarf der haftungsbeschränkten Gesellschaft erkennen und ihrem Kenntnisstand entsprechend handeln, d. h. in wirtschaftlich schwieriger Lage die Finanzierungsentscheidung beeinflussen können, ob die Gesellschaft liquidiert oder statt mit neuem Eigenkapital (weiterhin) auf der Grundlage von Darlehen betrieben werden soll.

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Von den Gesetzesverfassern bedacht sind die mittelbar an einer atypischen Personenhandelsgesellschaft beteiligten Gesellschafter, welche als Mitglieder eines persönlich haftenden Gesellschafters Darlehen gewähren. Diese werden in § 39 Abs. 4 Satz 1 InsO anders als in §§ 129a Satz 1, 172a Satz 1 HGB a. F. nicht mehr ausdrücklich genannt. Hier soll nach der Regierungsbegründung eine wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlung (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) vorliegen.148) Paradebeispiel sind Kommanditisten (insbesondere) als (geschäftsführende) Gesellschafter der

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_____________ 143) OLG Köln, ZIP 2011, 2208, 2209 f, dazu EWiR 2012, 27 (Hölzle); offen BGHZ 188, 363, 371 = ZIP 2011, 575, 576 ff = GmbHR 2011, 413, dazu EWiR 2011, 285 (Spliedt); eingehend Pentz in: FS Hüffer, S. 747, 768 f; Überblick bei Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 23, eingehend §§ 32a, 32b Rn. 146 ff; Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 56 ff; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 68 ff. 144) I. E. ähnlich Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 145. 145) Zum Folgenden nachdrücklich Habersack, ZIP 2007, 2145, 2149, der i. Ü. eine Feinsteuerung durch § 138 BGB erwägt; vgl. auch Engert, ZGR 2012, 835, 858 ff. 146) Treffend Cranshaw/Michel/Paulus-Zenker, Bankenkommentar InsR, § 39 InsO Rn. 57 – „typologischer Referenzmaßstab“. 147) K. Schmidt, ZIP 2010, Beilage Heft 39, S. 15, 21 f. 148) RegE MoMiG BT-Drucks. 16/6140, S. 57.

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Komplementär-GmbH, die vom doppelten Haftungsprivileg profitieren, aber zugleich alle Finanzierungsentscheidungen treffen. Wird eine GmbH & Co. KG nicht von den Kommanditisten, sondern von der Komplementär-GmbH gesteuert, ist diese als gesellschaftergleich anzusehen, da sie zumeist nicht an der KG beteiligt ist.149) 39

Die Rechtsprechung hat bereits zum alten Recht jenseits einer bloßen Organmitgliedschaft150) auch andere, nicht gesellschaftsrechtlich vermittelte Einflussmöglichkeiten genügen lassen,151) so etwa wenn bei einer GmbH atypische Pfandgläubiger152) oder atypische stille Gesellschafter153) Rechte wahrnehmen, die nur einem maßgeblich beteiligten Gesellschafter zustehen.154) Im Konzernverbund155) ist zu differenzieren.156) Als gesellschaftergleiche Dritte kommen nach der Rechtsprechung insbesondere Unternehmen(-sträger) in Betracht, die mit einem Gesellschafter horizontal oder vertikal verbunden sind.157) So hat es in neueren Entscheidungen genügt, wenn der Kreditgeber über eine qualifizierte, bestimmenden Einfluss gewährende Mehrheit an einer Gesellschafterin der Schuldnergesellschaft verfügt158) oder aber ein Gesellschafter über eine maßgebliche (regelmäßig, aber nicht not_____________ 149) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 89 f. 150) BGHZ 90, 381, 390 ff = ZIP 1984, 572, 575 f = NJW 1984, 1893; BGH, ZIP 2005, 1316, 1317 f = GmbHR 2005, 1135 = WM 2005, 1461; BFH, GmbHR 2011, 721, 723 = BFH/NV 2011, 1118. 151) Zum folgenden der Überblick bei K. Schmidt, ZIP 2010, Beilage Heft 39, S. 15, 21 f. 152) BGHZ 119, 191, 195 = ZIP 1992, 1300, 1301 = NJW 1992, 3035, dazu EWiR 1992, 999 (v. Gerkan); im Anschluss an die besondere Situation dieses Falls diff. Scholz-Bitter, GmbHG, Anh.§ 64 Rn. 237 – nur bei variabler Gewinnbeteiligung. 153) BGHZ 106, 7 = ZIP 1989, 95 = NJW 1989, 982, dazu EWiR 1989, 587 (Koch); BGH, ZIP 2006, 703, 705 = GmbHR 2006, 531 = WM 2006, 691, dazu EWiR 2006, 653 (Kort); BGH, ZIP 2013, 2400, 2401 Rn. 20 = GmbHR 2013, 1318 = NZG 2013, 1385, dazu EWiR 2014, 137 (Baumann); zust. zum neuen Recht BGHZ 193, 378, 385 Rn. 17 = ZIP 2012, 1869 = GmbHR 2012, 1181, dazu EWiR 2012, 669 (Spliedt); OLG Köln, ZIP 2011, 2208, 2209 f, dazu EWiR 2012, 27 (Hölzle); in casu abl. für die AG: OLG Köln, DB 2009, 609, 610; für eine typische stille Beteiligung eines Gesellschafters BGH, ZIP 2017, 2481 f. = GmbHR 2018, 151, 152 = DB 2017, 2990, dazu EWiR 2018, 181 (Keller); krit. zur Qualifizierung der Finanzierungshilfen des atypischen stillen Gesellschafters als Gesellschafterdarlehen statt als Eigenkapital Mylich, WM 2013, 1010, 1011 ff; näher Scholz-Bitter, GmbHG, Anh.§ 64 Rn. 221 ff, 240 f; Bitter, ZIP 2019, 146, 148 ff. 154) Für die Gewinnabschöpfung durch einen Nichtgesellschafter OLG Jena, ZIP 2016, 1134 = GmbHR 2016, 299 = ZInsO 2016, 1366; OLG Koblenz, ZIP 2016, 1133, 1134 = GmbHR 2016, 296, 297; OLG Koblenz, GmbHR 2016, 298 f. = ZInsO 2016, 1366, dazu EWiR 2016, 605 (Kessler/Hagemann). 155) Grundsätzlich für Einbeziehung von Darlehen verbundener Unternehmen, aber in casu abl. BGHZ 188, 363, 366 f = ZIP 2011, 575, 576 ff = GmbHR 2011, 413, dazu EWiR 2011, 285 (Spliedt). 156) Umfassend hierzu Kübler/Prütting/Bork-Preuß, InsO, § 39 Rn. 75 ff; krit. zur Fortschreibung der bisherigen Rspr. Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 81 ff, 85; Schall, ZIP 2010, 205, 208 ff; Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 247 ff, 260. 157) Zum alten Recht BGH, ZIP 2008, 1230, 1231 = GmbHR 2008, 758 = WM 2008, 1164 m. w. N., dazu EWiR 2008, 463 (Jungclaus/Keller); zum neuen Recht Lutter/HommelhoffKleindiek, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 148. 158) BGH, ZIP 2006, 279, 282 = NJW 2006, 1283 m. w. N., insoweit in BGHZ 165, 106 nicht abgedr., dazu EWiR 2006, 525 (Westpfahl/Janjuah); Pentz, ZIP 2006, 1169; zum neuen Recht BGHZ 196, 220, 227 Rn. 20 = ZIP 2013, 582 = GmbHR 2013, 410, dazu EWiR 2013, 217 (Bork).

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wendig: Mehrheits-)Beteiligung an der Kreditgeberin, ggf. i. V. m. einer Organstellung deren Entscheidungen über Gewährung oder Abzug der Kredithilfe an eine Gesellschaft beeinflussen kann, an der er gleichfalls beteiligt ist.159) Bei einer mittelbaren Beteiligung sollte es wie bei einer unmittelbaren Beteiligung genügen, dass die Kleinbeteiligtenschwelle des § 39 Abs. 5 InsO (siehe Rn. 45 ff) überschritten wird.160) Weder Mutter- noch Schwestergesellschaft haben jedoch – rechtlich – Einfluss auf eine Kredit gewährende AG, da deren Vorstand gemäß § 76 Abs. 1 AktG eigenverantwortlich entscheidet.161) Ebenso ist zu entscheiden für das Verhältnis des öffentlich-rechtlichen Gewährträgers zu „seiner“ Sparkasse.162) Abseits bzw. im Grenzbereich einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung kann auch der Nießbrauch an einem Geschäftsanteil163) oder eine Mezzanine-Finanzierung164) genügen. – Zur treuhänderischen Beteiligung siehe Rn. 42 a. E., zum faktischen Geschäftsführer siehe Rn. 47. In der Diskussion sind darüber hinaus auch Financial Covenants, soweit sie Gläubigern ohne gesellschaftsrechtliche Beteiligung weitreichende Einflussrechte gewähren.165) Insoweit ist zu differenzieren. Es entspricht dem für Vorstand und _____________ 159) BGH, ZIP 2005, 660, 661 = GmbHR 2005, 538 = WM 2005, 747 m. w. N.; OLG Stuttgart GmbHR 2007, 651 = WM 2007, 651 = ZIP 2007, 1373 (LS); OLG Oldenburg, ZIP 2018, 544, 545 = GmbHR 2018, 521, 522, dazu EWiR 2018, 471 (Korch). Zu einer hälftigen Beteiligung an der Kreditgeberin bei gleichzeitiger Alleingeschäftsführung nach altem Recht BGH, ZIP 2012, 865, 866 = NZI 2012, 522 = WM 2012, 843; nach neuem Recht BGHZ 198, 64, 73 Rn. 24 = ZIP 2013, 1579 = GmbHR 2013, 980, dazu EWiR 2013, 521 (Bork); BGH, DB 2019, 177, 178. Dass der darlehensgebenden Gesellschaft ein Anspruch gemäß §§ 30, 31 zusteht, hindert die Anwendung des Rechts der Gesellschafterdarlehen nicht. 160) Kleindiek in: Kreft, HK-InsO, § 39 Rn. 46; nunmehr Kleindiek, in: Kayser/Thole, HKInsO, § 39 Rn. 48; dem obiter zust. BGHZ 196, 220, 227 f Rn. 22 = ZIP 2013, 582 = GmbHR 2013, 410, dazu EWiR 2013, 217 (Bork); ausdrücklich zust. OLG Hamm, ZIP 2017, 2162, 2163 m. Anm. Avoine/Michels, ZIP 2018, 60 = GmbHR 2017, 1032 f. = ZInsO 2018, 50, dazu EWiR 2018, 83 (Berjasevic/Dölves). 161) BGH, ZIP 2008, 1230, 1232 = GmbHR 2008, 758 = WM 2008, 1164, dazu EWiR 2008, 463 (Jungclaus/Keller); Habersack, ZIP 2008, 2385; dem BGH zust. OLG Köln, GmbHR 2010, 251, 253 = ZInsO 2010, 238; krit. dazu Blöse, DB 2010, 1053. 162) A. A. zum alten Recht: OLG Brandenburg, ZIP 2006, 184, 185 = WM 1006, 316, dazu EWiR 2006, 73 (Schodder); Neuhof, ZIP 2007, 2153; Habersack, ZIP 2008, 2385, 2391 f (krit.). 163) BGH, ZIP 2011, 1411, 1412 = GmbHR 2011, 870 = NJW-RR 2011, 1061. 164) Cranshaw/Michel/Paulus-Zenker, Bankenkommentar InsR, § 39 InsO Rn. 64. 165) Für Qualifizierung als gesellschaftergleiche Dritte Fleischer, ZIP 1998, 313, 315 ff; Lutter/ Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, §§ 32a/b Rn. 55; Rowedder/ Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 32a Rn. 76; Schwintowski/Dannischewski, ZIP 2005, 840, 843 f; Breidenstein, ZInsO 2010, 273, 276 ff; Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants, S. 494 ff, 524 ff; Marotzke, KTS 2016, 19, 27 f; Renner/Schmidt, ZHR 180 (2016), 522, 536 ff; dagegen Habersack, ZGR 2000, 384, 393 ff; Engert, ZGR 2012, 835, 858 ff; Goette/Habersack-Habersack, MoMiG, Rn. 5.23 f; Ulmer/Habersack/LöbbeHabersack, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 91; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 23; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 71; Rowedder/ Schmidt-Leithoff/Görner, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 71; diff. Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 228 – nur bei vom Kreditgeber erzwungenen riskanten Sanierungsmaßnahmen im Angesicht eines drohenden Totalverlusts.

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Geschäftsführung geltenden Sorgfaltsmaßstab, einen Kreditgeber über die Lage der Gesellschaft zu informieren, der sein Kreditengagement von Informationen abhängig macht und so mittelbar Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen nimmt. Solche kreditvertragstypischen Rechte können dem Kreditgeber nicht zum Vorwurf gemacht werden.166) Institutionelle Kreditgeber sind schon von Gesetzes wegen gehalten, sich diejenigen Informationen zu verschaffen, die es rechtfertigen, einen Kredit zu gewähren (§ 18 KWG). Begründen die Financial Covenants jedoch ausnahmsweise Einflussrechte, die das Gesetz nur einem maßgeblich beteiligten Gesellschafter zugesteht, bestehen grundsätzlich keine Bedenken, einen Kreditgeber auch wie einen solchen Gesellschafter zu behandeln. Gerechtfertigt ist dies freilich nur, wenn die gesellschaftsrechtliche Kompetenzordnung (§ 46 Nr. 6 GmbHG; §§ 76 Abs. 1, 111 Abs. 4 AktG) im Ergebnis außer Kraft gesetzt wird, indem etwa ein im Aufsichtsrat nicht vertretener Kreditgeber sich abseits von § 52 GmbHG i. V. m. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG zentrale unternehmerische Entscheidungen zur Zustimmung vorlegen lässt oder sich die Besetzung von Vorstand oder Geschäftsführung sogar selbst vorbehält.167) Vorausgesetzt ist unabhängig vom verwendeten Begriff („covenant“) eine vertragliche Grundlage; ein faktischer Einfluss genügt aus Gründen der Rechtssicherheit nicht.168) Allerdings dürfte sich ein Kreditgeber solche außergewöhnlich weitreichenden Einflussnahmerechte erst bei Insolvenzreife einräumen lassen, um einen von ihm finanzierten Sanierungsversuch zu steuern.169) Zumeist wird dies geschehen, um bereits früher gewährte Kredite zu retten. Dann kommt der Kreditgeber, der die Krise nicht selbst mitverursacht hat, aber ohne weiteres in den Genuss des Sanierungsprivilegs (§ 39 Abs. 4 Satz 2 InsO; siehe Rn. 49 ff).170) 41

Der insolvenzrechtliche Akzent der Neuregelung erhöht auch die Wahrscheinlichkeit, dass nahestehende Personen i. S. v. § 138 Abs. 2 InsO häufiger als bisher in die Beurteilung von Gesellschafterdarlehen einbezogen werden. Allerdings betont der nun für Gesellschafterdarlehen zuständige IX. Zivilsenat die systematischen Unterschiede zwischen § 138 InsO und § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO.171) So knüpfen die § 135 InsO, § 6 AnfG an die Beteiligung nahestehender Personen weder einen Anfechtungstatbestand (wie § 133 Abs. 4 InsO und § 3 Abs. 4 AnfG) noch eine Vermutung (wie §§ 130 Abs. 3, 131 Abs. 2 Satz 2, 132 Abs. 3, 137 Abs. 2 Satz 2 _____________ 166) I. E. auch OLG Düsseldorf, ZIP 2015, 187, 188 ff = WM 2014, 2218. 167) Vgl. Eidenmüller in: FS Canaris, Bd. 2, S. 49, 64; Krolop, GmbHR 2009, 397, 400 f; Hoffmann, WM 2012, 10. 168) OLG Frankfurt, DB, 2018, 2986, 2987 f = ZInsO 2018, 2191 = NZI 2018, 887. 169) Zu diesem Szenario Breidenstein, ZInsO 2010, 273, 280; mit Blick auf den Debt Equity Swap Gehrlein, NZI 2012, 257, 259 ff. 170) Gegen unterschiedslose Anwendung des Sanierungsprivilegs Fleischer, ZIP 1998, 313, 319; zurückhaltend auch Kampshoff, GmbHR 2010, 897, 901 f mit der Praxisempfehlung an die Banken, der Gesellschaft auch im Sanierungsfall genügend Gestaltungsspielraum zu belassen. 171) BGHZ 188, 363, 367 ff = ZIP 2011, 575, 576 ff = GmbHR 2011, 413, dazu EWiR 2011, 285 (Spliedt); zust. Haas, ZIP 2017, 545, 547; krit. Thole, ZInsO 2011, 1425, 1432; zum alten Recht BGH, ZIP 2013, 2400, 2401 Rn. 18 = GmbHR 2013, 1318 = NZG 2013, 1385, dazu EWiR 2014, 137 (Baumann).

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InsO).172) Der Anfechtungstatbestand der § 135 InsO, § 6 AnfG kommt ohne subjektive Merkmale aus.173) Eine besondere Kenntnis etwa der Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft wird nicht vorausgesetzt, braucht also nahestehenden Personen gegenüber auch nicht vermutet zu werden. Auch mit dem pauschalen Bezug auf Gesellschafter als Anfechtungsgegner gehen § 135 InsO, § 6 AnfG partiell über den Kreis der nahestehenden Personen gemäß § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO hinaus, da eine Gesellschaftsbeteiligung von mehr als 10 % genügt (§ 135 Abs. 4 InsO i. V. m. § 39 Abs. 5 InsO; bei § 6 AnfG dürfte dies nicht anders zu beurteilen sein, obwohl der Verweis auf § 39 Abs. 5 InsO fehlt). Gleichwohl lädt die Gleichstellung von Forderungen aus Gesellschafterdarlehen mit Forderungen aus wirtschaftlich entsprechenden Rechtshandlungen dazu ein, den Katalog des § 138 Abs. 2 InsO bei der Auslegung von § 135 InsO, § 6 AnfG zu berücksichtigen. Zumindest ist die Rechtsprechung nicht gehindert, einem Darlehen einer Ehefrau oder Tochter eines Gesellschafters174) oder eines sonstigen Dritten wirtschaftlich die Funktion eines Gesellschafterdarlehens zuzubilligen. Da eine Anknüpfung an § 138 Abs. 2 InsO im Gesetzgebungsverfahren nahelag,175) aber nicht aufgenommen wurde, ist jedoch Vorsicht gegenüber einer Ausdehnung der zu § 32a Abs. 3 Satz 1 a. F. entwickelten Grundsätze geboten.176) Hierzu hat der Bundesgerichtshof jüngst noch einmal entschieden, dass allein die Ehe zwischen dem Kreditgeber einer GmbH und deren Gesellschafterin dem beweisbelasteten Insolvenzverwalter kein Indiz dafür an die Hand gibt, dass die Ehefrau bloße Treuhänderin des Kreditgebers und der Kredit deshalb als eigenkapitalersetzend – heute: als Darlehen eines gesellschaftergleichen Dritten – zu qualifizieren ist; jedoch kann etwa bei Anrechnung des Betrags des Geschäftsanteils der Ehefrau auf die Darlehensforderung des Ehemanns diesem eine sekundäre Behauptungslast auferlegt werden.177) Zum neuen Recht hat der IX. Zivilsenat bekräftigt, dass allein eine verwandtschaftliche Beziehung zwischen den jeweils maßgeblich beteiligten Gesellschaftern einer Schuldner- und einer Gläubigergesellschaft den Darlehensgeber nicht einem Gesellschafter gleichstellt, wenn darüber hinaus lediglich die beiden Gesellschaften gemeinsam an einer dritten Gesellschaft beteiligt sind.178) Hingegen kann eine Kombination von gesellschaftsrechtlicher und ehelicher Verbundenheit _____________ 172) Zur Zurechnung subjektiver Tatbestandsmerkmale in der Insolvenz jüngst Bork in: FS K. Schmidt, S. 143. 173) Dazu OLG Naumburg, ZIP 2011, 677, 679 = ZInsO 2011, 2325 = NZI 2011, 136, dazu EWiR 2011, 709 (Knof). 174) Zu diesem Beispiel Goette in: R. Schröder, Reform des GmbH-Rechts, S. 11, 22. 175) Vgl. Thiessen, ZIP 2007, 253, 258. 176) Habersack, ZIP 2007, 2145, 2148; K. Schmidt, ZIP 2010, Beilage Heft 39, S. 15, 21; Kübler/Prütting/Bork-Preuß, InsO, § 39 Rn. 69; näher Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 212 ff. 177) BGH, ZIP 2009, 1273, 1275 f = NJW 2009, 2378 = WM 2009, 1327 unter Hinweis auf BGH, ZIP 1991, 366 = GmbHR 1991, 155 = WM 1991, 678, dazu EWiR 1991, 681 (Frey); zust. OLG Jena, ZIP 2011, 572 (LS); in diesem Sinne auch BGH, ZIP 2013, 2400, 2401 Rn. 18 = GmbHR 2013, 1318 = NZG 2013, 1385, dazu EWiR 2014, 137 (Baumann). 178) BGHZ 188, 363, 371 f = ZIP 2011, 575, 576 = GmbHR 2011, 413, dazu EWiR 2011, 285 (Spliedt).

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den Darlehensgeber als gesellschaftergleichen Dritten erscheinen lassen.179) – Zur Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen an nahestehende Personen siehe § 30 Rn. 98 [Thiessen]. e) Abtretung der Darlehensforderung 43

Grundsätzlich kann jeder nur die Rechtsstellung übertragen, die er selbst hat. Gesellschafterdarlehen (Rn. 9 ff) oder wirtschaftlich entsprechende Finanzierungshilfen (Rn. 14 ff) unterliegen per se dem Nachrang gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Der Insolvenzverwalter anstelle des Schuldners (§§ 80, 148 Abs. 1 InsO) kann dies als Einwendung gemäß § 404 BGB auch dem neuen Gläubiger entgegenhalten.180) Dies gilt gemäß § 412 BGB auch für die cessio legis.181) Die Forderung ist analog § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, § 6 Abs. 1 Nr. 2 AnfG aus dem Nachrang zu entlassen, sofern sie mehr als ein Jahr vor dem Insolvenzantrag oder der Erlangung des vollstreckbaren Titels abgetreten worden ist.182) Die Situation ist hier ebenso zu beurteilen wie beim Ausscheiden des Gesellschafters (siehe Rn. 34); der Zessionar einer rechtzeitig abgetretenen Forderung tritt der Gesellschaft wie ein gewöhnlicher Insolvenzgläubiger gegenüber.

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Wird das Darlehen an den neuen Gläubiger innerhalb der Jahresfrist zurückgezahlt, ändert dies an der Anfechtbarkeit gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, § 6 Abs. 1 Nr. 2 AnfG nichts. Auch insoweit überträgt der Gesellschafter einen „bemakelten“ An_____________ 179) OLG Celle, Urt. v. 16.9.2009 – 9 U 26/09, juris Rn. 21 ff – zur Nutzungsüberlassung. 180) Zum neuen Recht BGHZ 196, 220, 228 Rn. 24 = ZIP 2013, 582 = GmbHR 2013, 410, dazu EWiR 2013, 217 (Bork); Habersack, ZIP 2007, 2145, 2149; Kleindiek, ZGR 2017, 731, 745 f; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 77; Lutter/ Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 142; i. E. zust. Haas, ZIP 2017, 545, 548; ebenso zur früheren Rechtslage BGHZ 104, 33, 43 = ZIP 1988, 638, 641 f = NJW 1988, 1841; BGHZ 166, 125, 130 = ZIP 2006, 578, 579 = NJW 2006, 1800; BGH, ZIP 2006, 2272, 2273 = GmbHR 2007, 43 = DB 2006, 2680, dazu EWiR 2007, 147 (Kleindiek); BGH, ZIP 2008, 177, 179 = GmbHR 2008, 198 = NJW 2008, 1153, dazu EWiR 2008, 273 (Selke); BGH, ZIP 2011, 328, 330 f = GmbHR 2011, 301 = NJW 2011, 844, dazu EWiR 2011, 463 (Siepmann); Thiessen, ZGR 2015, 396, 431 f; krit. zur Begründung über § 404 BGB Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 47 f, da auf den Gesellschafter, nicht auf den Zessionar abzustellen sei; nachdrücklich in diesem Sinne auch Kebekus/Zenker in: FS Wellensiek, S. 475, 487 m. w. N.; Thole, ZInsO 2012, 661, 662; Thole, ZHR 176 (2012) 513, 533; Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 58. 181) A. A. Cranshaw/Michel/Paulus-Zenker, Bankenkommentar InsR, § 39 InsO Rn. 44 f, der eine Finanzierungsentscheidung des Zessionars verlangt und § 404 BGB nicht für einschlägig hält. 182) So BGHZ 196, 220, 228 Rn. 25 = ZIP 2013, 582 = GmbHR 2013, 410, dazu EWiR 2013, 217 (Bork); Habersack, ZIP 2007, 2145, 2149; Schlößer/Klüber, BB 2009, 1594, 1597; ScholzK. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 23; Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 57; Führ/Wahl, NZG 2010, 889, 890 ff; Gehrlein, BB 2011, 3, 6; Kleindiek, ZGR 2017, 731, 746 f; zweifelnd K. Schmidt, ZIP 2010, Beilage Heft 39, S. 15, 22; nach Pentz in: FS Hüffer, S. 747, 772 ff soll der Zessionar bei Abtretung innerhalb der Jahresfrist die vermutete Insolvenzreife und damit den Tatbestand widerlegen dürfen; keine tragfähige Analogiebasis sieht Huber, ZIP 2010, Beilage Heft 39, S. 7, 9 mit Fn. 18. Im Sinne einer Enthaftung für den vergleichbaren Fall des ausgeschiedenen Gesellschafters (oben Rn. 34) BGH, ZIP 2012, 86, 88 = GmbHR 2012, 206 = DB 2012, 47, dazu EWiR 2012, 91 (Rendels).

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spruch, den der Zessionar nicht „lastenfrei“ erwerben kann.183) Allerdings bleibt neben dem Zessionar als Gesamtschuldner184) der Gesellschafter Normadressat und damit Anfechtungsgegner.185) Regelmäßig ist der Gesellschafter vom Zessionar bezahlt worden, während seine Forderung in der Insolvenz reduziert worden oder ausgefallen wäre. Indem der Geschäftsführer den neuen Gläubiger befriedigt, schneidet er dem Insolvenzverwalter den sonst gemäß § 404 BGB bestehenden Nachrangeinwand ab, gibt diesen Einwand also i. S. v. § 143 Abs. 1 InsO zulasten des Gesellschaftsvermögens auf.186) Der Gesellschafter muss daher erstatten, was er als nachrangiger Insolvenzgläubiger nicht erhalten hätte, unter Umständen also alles, was die Gesellschaft an den Zessionar gezahlt hat. Liegt die Rückzahlung auf die abgetretene Forderung mehr als ein Jahr zurück, kann dies jedoch allenfalls noch – insbesondere, wenn der Zessionar eine nahestehende Person gemäß § 138 Abs. 2 InsO ist (siehe Rn. 41) – zur Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung gemäß § 133 InsO, § 6 AnfG bzw. zum Schadensersatz wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß § 826 BGB führen. Eine Einschränkung der Anfechtbarkeit gegenüber Rechtsnachfolgern gemäß § 145 Abs. 2 InsO liegt nahe, ist in der Rechtsprechung aber bislang nicht vorgenommen worden.187) Ist der Zessionar selbst Gesellschafter (siehe Rn. 33), ist die zedierte Forderung ohnehin nachrangig und ihre Erfüllung anfechtbar. f)

Kleinbeteiligungsprivileg

§ 39 Abs. 5 InsO privilegiert nicht geschäftsführende Gesellschafter, die lediglich mit bis zu 10 % an der Gesellschaft beteiligt sind. Deren Darlehen und wirtschaftlich entsprechende Finanzierungshilfen sind nicht nachrangig gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Rückzahlungen sind außerdem nicht gemäß § 135 InsO anfechtbar, da § 135 Abs. 4 InsO auf § 39 Abs. 5 InsO verweist. Dass ein entsprechender Verweis in § 6 AnfG fehlt, dürfte der Redaktion geschuldet sein und rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Die Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung (§ 133 InsO, § 6 AnfG) bleibt unberührt, da vorsätzliches Handeln keine Privilegierung verdient188) (siehe § 30 Rn. 155 [Thiessen]). Die Vorschrift entspricht § 32a Abs. 3 Satz 2 a. F., gilt nun aber rechtsformunabhängig (siehe Rn. 26 f). Überholt ist damit die Rechtsprechung zur AG.189) Hier hatte der Bundesgerichtshof vor dem MoMiG regelmäßig eine Beteiligung von mehr als 25 % als Indiz für ein unternehmeri-

_____________ 183) Ähnlich zumindest i. E. Thole, ZInsO 2012, 661, 662, 667; Thole, ZHR 176 (2012) 513, 533 ff. 184) BGHZ 196, 220, 230 ff Rn. 28 ff = ZIP 2013, 582 = GmbHR 2013, 410, dazu EWiR 2013, 217 (Bork). 185) Kebekus/Zenker in: FS Wellensiek, S. 475, 487; Thole, ZInsO 2012, 661, 662; Kleindiek, ZGR 2017, 731, 748 f. Für Anlehnung an § 44a Kübler/Prütting/Bork-Preuß, InsO, § 39 Rn. 67; Haas, ZIP 2017, 545, 551 f. 186) Vgl. Kirchhof in: MünchKomm-InsO, § 143 Rn. 50. 187) Näher Haas, ZIP 2017, 545, 548. 188) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, 18. Aufl. 2012, Anh. § 64 Rn. 108 m. w. N. 189) Näher K. Schmidt in: FS Hüffer, S. 885.

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sches Interesse vorausgesetzt, um das alte Eigenkapitalersatzrecht anzuwenden,190) aber bei koordiniertem Vorgehen mehrerer Gesellschafter auch eine geringere Beteiligung eines einzelnen Gesellschafters genügen lassen.191) Auf die Ausfallhaftung gemäß § 24 ist das Kleinbeteiligungsprivileg nicht übertragbar.192) 46

Maßgeblich für die Berechnung des Kleinbeteiligungsprivilegs ist nach dem Wortlaut des § 39 Abs. 5 InsO die Beteiligung am „Haftkapital“ der Gesellschaft. Berechnet wird das Kleinbeteiligungsprivileg damit grundsätzlich nach dem Nennbetrag im Verhältnis zum Haftkapital (§ 5 Abs. 3 Satz 2; § 8 Abs. 4 AktG). Hat eine AG Stückaktien ausgegeben, kommt es gemäß § 8 Abs. 4 AktG auf deren rechnerischen Wert im Verhältnis zum Grundkapital an. Bei der GmbH & Co. KG entscheidet das Verhältnis der Kommanditkonten.193) Bei der Company Limited by Shares ist der Nennwert der übernommenen Shares ins Verhältnis zum ausgegebenen Share Capital zu setzen, bei der (seltenen) Company Limited by Guarantee der für den Fall der Auflösung vom Einzelnen geschuldete Beitrag ins Verhältnis zur Haftsumme aller Gesellschafter.194) Mehrere Beteiligungen sind zusammenzuzählen, wenn die Gesellschafter organisationsrechtlich, insbesondere konzernrechtlich verbunden sind oder die Kredite koordiniert vergeben werden.195) Von der insolventen Gesellschaft gehaltene eigene Anteile sind nicht zu berücksichtigen.196)

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Auf das Stimmrecht stellt § 39 Abs. 5 InsO ebenso wenig ab wie auf die Gewinnbeteiligung.197) Das Privileg hängt jedoch zusätzlich davon ab, dass der Kleingesellschafter auch nicht die Geschäfte führt. Daher treffen Nachrang und Anfechtung auch einen Gesellschaftergeschäftsführer, einen Vorstand mit einem Aktienpaket oder einen atypisch (§ 164 HGB) geschäftsführenden Kommanditisten, selbst wenn die Beteiligung am jeweiligen Haftkapital gering ist. Nutzt ein nicht geschäftsführender Gesellschafter seinen (etwa durch besondere Stimmrechte) vermittelten Einfluss aus, ist er als faktischer Geschäftsführer (siehe § 35 Rn. 18 [Thiessen]) jedoch Nachrang und Anfechtung zu unterwerfen. Darin liegt kein Widerspruch zur gesetz_____________ 190) BGHZ 90, 381, 390 ff = ZIP 1984, 572, 575 f = NJW 1984, 1893; BGH, ZIP 2005, 1316, 1317 f = GmbHR 2005, 1135 = WM 2005, 1461; zust. BFH, GmbHR 2011, 721, 723 = BFH/NV 2011, 1118. 191) BGH, ZIP 2010, 1443, 1444 = DB 2010, 1578 = NZG 2010, 905, dazu EWiR 2010, 641 (Nikoleyczik/Olk) – 15,46 %. 192) OLG Hamm, GmbHR 2011, 588, 590. 193) Zu allen Einzelheiten Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 89; Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 76; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 99 f. 194) Habersack, ZIP 2007, 2145, 2149; zum Kapital der Limited Süß/Wachter-Levedag, Handbuch des internationalen GmbH-Rechts, Länderbericht England Rn. 173 ff; Schall-Schall, Companies Act, sec 10 Rn. 6 ff. 195) Zum alten Recht BGH, ZIP 2005, 1316, 1318 = GmbHR 2005, 1135 = WM 2005, 1461 m. w. N.; BGH, ZIP 2007, 1407 = DStR 2007, 684. Der Krisenbezug ist durch das MoMiG überholt, Scholz-K. Schmidt, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 26; ScholzBitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 77 ff. 196) Für das Kleinbeteiligungsprivileg OLG Naumburg, ZIP 2011, 677, 679 = ZInsO 2011, 2325 = NZI 2011, 136, dazu EWiR 2011, 709 (Knof) im Anschluss an BGH, ZIP 1995, 374, 375 = GmbHR 1995, 291 = NJW 1995, 1027, dazu EWiR 1995, 369 (Müller). 197) Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 100.

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lichen Konzeption. Diese schließt aus der Beteiligung am Haftkapital darauf, dass der Gesellschafter sich proportional zur Haftung Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft verschafft. Hat der Gesellschafter hohen Einfluss, ohne entsprechend am Risiko der Gesellschaft beteiligt zu sein, unterfällt er erst recht den insolvenzund anfechtungsrechtlichen Regeln über Gesellschafterdarlehen. Das Kleinbeteiligungsprivileg ist somit ein Rudiment der Finanzierungsfolgenverantwortung (siehe Rn. 6). Abgesehen davon ist die 10 %-Schwelle jedoch im Interesse der Rechtssicherheit streng formal zu handhaben und begründet nicht lediglich eine widerlegliche Vermutung für oder gegen den unternehmerischen Einfluss des Gesellschafters.198) Der maßgebliche Zeitpunkt zur Beurteilung des Privilegs richtet sich seit dem MoMiG nicht mehr nach der Finanzierungsentscheidung (Gewährung, Prolongation oder Abzug des Darlehens) in der Krise (siehe Rn. 5, 21).199) Welcher Zeitpunkt an deren Stelle tritt, ist umstritten. Auch nach dem MoMiG entscheidet sich der Gesellschafter im Zeitpunkt der Kreditvergabe, -verlängerung oder -kündigung für oder gegen das Verlust- und Sanktionsrisiko (siehe Rn. 6, zu Unwägbarkeiten siehe Rn. 23). Die Kreditvergabe ist daher der früheste Beurteilungszeitpunkt. Gemäß § 38 InsO wird der Status des Gläubigers (regulär oder nachrangig) im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bestimmt. Dies ist der späteste Zeitpunkt zur Beurteilung des Nachrangs (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Für die Anfechtung ist das Jahr vor Antragstellung bzw. Titulierung zu beachten (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, § 6 AnfG). Daher ist zu differenzieren: Der Gesellschafter kann sich nach Kreditvergabe nicht in das Kleinbeteiligungsprivileg „hineinschleichen“, indem er überschießende Geschäftsanteile abtritt oder als Geschäftsführer zurücktritt.200) Das Darlehen bleibt nachrangig. Eine Rückzahlung, die innerhalb der Jahresfrist erfolgt, bleibt anfechtbar, egal ob er in dieser Zeitspanne Anteile oder Posten aufgegeben hat. Ähnlich wie beim ausscheidenden (siehe Rn. 34) oder zedierenden Gesellschafter (siehe Rn. 43) lebt jedoch auch hier analog zu den genannten Vorschriften das Kleinbeteiligungsprivileg auf, wenn der Rückzug des vormals maßgeblich beteiligten und/ oder geschäftsführenden Gesellschafters mehr als ein Jahr vor Insolvenzantrag oder Titulierung erfolgt ist. Umgekehrt kann der Gesellschafter auch aus dem Privileg „herauswachsen“, indem er seine Beteiligung erhöht und/oder eine geschäftsführende Position einnimmt.201) Auch seine alten, früher privilegierten Darlehen werden nun nachrangig, und sie sind anfechtbar, wenn sie nicht außerhalb der Jahresfrist zurückgezahlt worden sind.

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g) Sanierungsprivileg Gläubiger, die sich zum Zwecke der Sanierung der Gesellschaft (erstmals) an dieser beteiligen (oder ihre Beteiligung erhöhen, str., siehe Rn. 52), können gemäß § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO ihre alten und neuen Darlehen (siehe Rn. 9 ff) und gleichwertigen Finanzierungshilfen (siehe Rn. 14 ff) bis zur nachhaltigen Sanierung _____________ 198) 199) 200) 201)

Zweifelnd Gottwald-Haas/Kolmann/Pauw, InsR-Hdb., § 92 Rn. 414. Näher Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 80. Habersack, ZIP 2007, 2145, 2150; Tettinger, NZI 2010, 248, 249 f. Habersack, ZIP 2007, 2145, 2150; a. A. Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 67.

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(siehe Rn. 54) im Rang regulärer Insolvenzgläubiger zurückfordern und unterliegen nicht der Anfechtung gemäß § 135 InsO, § 6 AnfG. Im Wesentlichen bleibt damit das aus § 32a Abs. 3 Satz 3 a. F. bekannte Sanierungsprivileg unverändert.202) Allerdings profitieren die Gläubiger erst zu einem späteren Zeitpunkt als bisher vom Sanierungsprivileg. Das Tatbestandsmerkmal der „Krise der Gesellschaft“ wird wie auch sonst aufgegeben (siehe Rn. 19 ff) und hier durch eine Aufzählung der obligatorischen wie fakultativen Insolvenzgründe (§§ 17 – 19 InsO) ersetzt. Der Anteilserwerb zur Sanierung wird also privilegiert, wenn er bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit oder bei Überschuldung erfolgt, theoretisch also nach Eintritt der krisenauslösenden Kreditunwürdigkeit.203) Deshalb sind Leistungen aus einer Insolvenzmasse an eine Auffanggesellschaft de lege lata nicht privilegiert, wenn die Auffanggesellschaft nicht insolvenzreif und deshalb nicht sanierungsbedürftig ist.204) Dass das Privileg endet, wenn die Gesellschaft nachhaltig saniert ist (siehe Rn. 54), entsprach schon der h. M. zum alten Recht und wird nun im Normtext lediglich klargestellt.205) Gesetzestechnisch problematisch, knüpft das Privileg auch an die prognoseabhängigen Insolvenzgründe der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) und der Überschuldung (§ 19 InsO) an.206) Das Privileg des Beitretenden setzt damit Insolvenzgründe voraus, die bereits durch die bloße Tatsache des Beitritts entfallen können, wenn der Beitritt zu einer positiven Prognose für das Unternehmen führt. Da hierdurch das Privileg leerzulaufen droht, das Anreize zu seriösen Sanierungsversuchen bieten soll, muss in teleologischer Reduktion des § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO der Beitritt bei der Feststellung der Insolvenzgründe unberücksichtigt bleiben. 50

Rechtfertigung und Effizienz des Sanierungsprivilegs waren und bleiben umstritten. Im Kern geht es darum, wessen Geld in welcher Form eine Sanierung erwarten lässt; ob neues oder altes Geld, ob von neuen oder alten Gesellschaftern, ob als Eigenkapital oder als Fremdkapital gegeben. Vereinfacht gesagt, privilegiert das Gesetz auch nach dem MoMiG jedes neue Engagement in der Gesellschaft, das sich in einem Beteiligungserwerb ausdrückt. Dabei muss der Anteilserwerb nicht im Zuge einer Kapitalerhöhung erfolgen. Vielmehr kann ein Darlehensgläubiger auch die Beteiligung eines Altgesellschafters übernehmen, deren Wert also allein als Kaufpreis dem Altgesellschafter statt als Einlage der Gesellschaft zufließt.

_____________ 202) Umfassend zum Ganzen Wittig in: FS K. Schmidt, S. 1743; Hirte/Knof, WM 2009, 1961; Gehrlein, WM 2011, 577, 584 f; mit Blick auf den Debt Equity Swap Paape, DZWIR 2009, 9, mit Blick auf Mezzanine-Kapitalgeber Ganter, WM 2011, 1585, 1593. 203) Praktisch werden die Unterschiede gering sein, Bork, ZGR 2007, 250, 259; zust. Cranshaw/ Michel/Paulus-Zenker, Bankenkommentar InsR, § 39 InsO Rn. 47 – „bei geboten großzügiger Auslegung der drohenden Zahlungsunfähigkeit“. 204) Für eine telelogische Extension bei übertragender Sanierung aber Blöse, ZIP 2011, 1191, 1192 ff; Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 91. 205) Wittig in: FS K. Schmidt, S. 1743, 1756 m. w. N. 206) Zum Folgenden krit. gegenüber der gesetzgeberischen Konzeption mit überzeugendem Lösungsvorschlag Bitter, ZIP 2013, 398, 399 ff; Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 92 f.

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Wie bisher bleibt es gleichgültig, ob die Anteilserwerber vor dem Erwerb bereits Gläubiger waren.207) Privilegiert sind auch Gläubiger neu gewährter Darlehen. Wie bisher genügt es aber nicht, dass im maßgeblichen Zeitpunkt (siehe Rn. 49) ein neues Darlehen ohne gleichzeitigen oder zumindest zeitlich zusammenhängenden Anteilserwerb gewährt wird; reine Sanierungskredite sind nicht privilegiert.208)

51

Seinem Wortlaut nach privilegiert § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO jeglichen Sanierungserwerb auch von bisherigen Gesellschaftern, die ihre Beteiligung nur symbolisch erweitern.209) Die Regierungsbegründung will das Sanierungsprivileg jedoch „auch zukünftig“ nur solchen Personen vorbehalten, „die vor dem Anteilserwerb aus dem Anwendungsbereich des § 39 Abs. 1 Nr. 5 [InsO] herausfielen, also weder Gesellschafter noch gleichgestellte Person waren oder vor dem Hinzuerwerb weiterer Anteile dem Kleinbeteiligtenprivileg nach § 39 Abs. 5 [InsO] unterfielen“.210) Das Sanierungsprivileg bleibt den maßgeblich beteiligten Altgesellschaftern verwehrt, weil das von ihnen mitgetragene Finanzierungskonzept versagt hat. Wer die Gesellschaft in die Insolvenzreife geführt hat, lässt eine erfolgreiche Sanierung nicht erwarten. Daher nimmt der Gesetzgeber in Kauf, dass Altgesellschafter, um die Sanktionen von Nachrang und Anfechtung zu vermeiden, die Gesellschaft eher zu früh liquidieren als zu spät sanieren. Eine sofortige Liquidation ist für die Gläubiger mutmaßlich günstiger als ein voraussichtlich inkompetenter Sanierungsversuch, da bei sofortiger Liquidation der kreditunwürdigen, aber noch nicht insolvenzreifen Gesellschaft deren Verbindlichkeiten in größerem Umfang bedient werden können als bei einer Abwicklung im Insolvenzverfahren nach vergeblichen Sanierungsbemühungen. Umgekehrt genügt es dem Gesetzgeber, dass Neugesellschafter die Anteile nur derivativ, ohne Eigenkapitalzufuhr erwerben (aber siehe Rn. 53), da auch dann die Neugesellschafter das Management auswechseln und so die Gesellschaft auf einen besseren Kurs bringen können.211) Empirisch belegt sind diese Prämissen allerdings nicht.212) Vielmehr teilen (auch) die (maßgeblich beteiligten Alt-)Gesellschafter mit den externen Gläubigern das Interesse, die Gesellschaft zumindest soweit zu sanieren, dass die bisherigen Investitionen nicht verloren sind.213) Lässt man deshalb entgegen der gesetzgeberischen Konzeption den privilegierenden Hinzuerwerb von Anteilen durch bereits zuvor maßgeblich beteiligte Gesellschafter zu,214)

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_____________ 207) Hirte/Knof, WM 2009, 1961, 1063 ff; Wittig in: FS K. Schmidt, S. 1743, 1755 f; zum alten Recht OLG Düsseldorf, ZIP 2004, 508, 509 f = GmbHR 2004, 564. 208) BAG, ZIP 2014, 927, 931 Rn. 38 ff = GmbHR 2014, 645 = DB 2014, 1072, dazu EWiR 2014, 327 (Bork); Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 95; krit. Bork, ZGR 2007, 250, 259. 209) Dagegen Seibert, MoMiG, S. 51: „reine Rabulistik“, „klar nicht vom Gesetzeszweck erfasst“. 210) Regierungsbegründung BT-Drucks. 16/6140, S. 57; zust. Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 97. 211) Beschlussempfehlung und Bericht des RA z. RegE eines Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG), BT-Drucks. 13/10038, S. 28. 212) Krit. Wittig in: FS K. Schmidt, S. 1743, 1752. 213) Zur Interessenlage aus Sicht des Gläubigermanagements im Zusammenhang mit § 93 Abs. 1 AktG: KG Berlin, ZIP 2005, 1866, 1867 = WM 2005, 1570 = AG 2005, 581, dazu EWiR 2006, 97 (Drescher). 214) Altmeppen, NJW 2008, 3601, 3605; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 98 ff.

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ist eine Missbrauchskontrolle erforderlich,215) aber auch ohne weiteres möglich, da ohnehin zu prüfen ist, ob der Anteilserwerb einem seriösen Sanierungsversuch dient (siehe Rn. 53). 53

Der vom Gesetz verlangte Sanierungszweck wird von der auch nach dem MoMiG gültigen Rechtsprechung216) vorrangig objektiv bestimmt, obwohl „Zweck“ eine subjektive Auslegung nahelegt. Der Sanierungswille wird unterstellt, da der Anteilserwerber ohnehin nichts anderes vortragen wird. Die Motivation genügt jedoch nicht, da sich der Anteilserwerber andernfalls die Privilegierung durch bloße Behauptung verdienen könnte. Deshalb muss nach der pflichtgemäßen ex-ante-Prognose eines objektiven Dritten im Augenblick des Anteilserwerbs die Gesellschaft objektiv sanierungsfähig sein.217) Die konkret getroffenen Sanierungsmaßnahmen müssen in ihrer Gesamtheit objektiv geeignet sein, die Gesellschaft in überschaubarer Zeit durchgreifend zu sanieren. An der grundsätzlichen Geeignetheit des Sanierungskonzepts dürfen also im Prognosezeitpunkt keine vernünftigen Zweifel bestehen.218) Beteiligt sich etwa ein Darlehensgeber, ohne die Eigenkapitalausstattung zu erhöhen, kann dies Zweifel an der Seriosität des Sanierungsversuchs hervorrufen, auch wenn das Sanierungsprivileg bei derivativem Erwerb vorhandener Anteile nicht ausgeschlossen ist.219) Die Prognose wird von der Rechtsprechung nur dann akzeptiert, wenn sie auf einem dokumentierten Sanierungskonzept beruht, das zugleich den Sanierungszweck auch subjektiv belegt. Jedoch hängt das Sanierungsprivileg nicht vom tatsächlichen Sanierungserfolg ab. Scheitert die gewünschte Sanierung, wirkt sich die Privilegierung im Gegenteil wie eine „Misserfolgsprämie“ aus. Die neuen oder stärker beteiligten Gesellschafter können ihre Forderungen wie jeder andere Insolvenzgläubiger zur Tabelle anmelden, obwohl ihre (erweiterte) Beteiligung an der Gesellschaft den Sanierungszweck verfehlt hat. Wer allerdings ein untaugliches Sanierungskonzept umsetzt und hierbei Leistungen an einzelne Gläubiger zulasten der Gläubigergesamtheit erbringt, setzt die Empfänger unter Umständen einer Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung (§ 133 InsO, § 3 AnfG) aus.220)

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Privilegiert werden die Sanierungsdarlehen „bis zur nachhaltigen Sanierung“.221) Das Privileg entfällt also nicht, wenn die Zahlungsfähigkeit lediglich vorüberge_____________ 215) Vgl. Seibert, MoMiG, S. 51. 216) Zum Folgenden BGHZ 165, 106 = ZIP 2006, 279, 281 = NJW 2006, 1283 m. umfassenden Nachw., dazu EWiR 2006, 525 (Westpfahl/Janjuah); Pentz, ZIP 2006, 1169. 217) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 110; Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 101; krit. Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2006, §§ 32a, 32b Rn. 217. 218) v. Gerkan/Hommelhoff-Dauner-Lieb, Hdb. Kapitalersatzrecht, Rn. 4.55. 219) v. Gerkan/Hommelhoff-Dauner-Lieb, Hdb. Kapitalersatzrecht, Rn. 4.33, 4.55; einschränkend Cranshaw/Michel/Paulus-Zenker, Bankenkommentar InsR, § 39 InsO Rn. 49 auf den Fall, dass ein sanierungsunwilliger Gesellschafter aus der Gesellschaft „ausgekauft“ wird; a. A. Altmeppen, NJW 2008, 3601, 3605. 220) Umfassend hierzu Ganter, WM 2009, 1441, 1147 ff. 221) Eingehend zum Folgenden Wittig in: FS K. Schmidt, S. 1743, 1756 ff; zu Zweifelsfragen Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 106 ff; Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 106 ff; gegen eine rein zeitliche Auslegung von „nachhaltig“ Cranshaw/ Michel/Paulus-Zenker, Bankenkommentar InsR, § 39 InsO Rn. 50.

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hend wiederhergestellt bzw. die Überschuldung nur kurzfristig beseitigt ist und die Gesellschaft bald darauf erneut insolvenzreif ist. Analog § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, § 6 Abs. 1 Nr. 2 AnfG werden nach der Sanierung stehen gelassene Darlehen der Anteilserwerber nur dann als Gesellschafterdarlehen nachrangig und anfechtbar, wenn zwischen dem Wegfall des Eröffnungsgrundes (§ 212 InsO) und dem erneuten Insolvenzantrag bzw. der Titulierung mindestens ein Jahr liegt. h) Unternehmensbeteiligungsgesellschaftsprivileg (§ 24 UBGG) Eine weitere Ausnahme vom Nachrang gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO und vom darauf verweisenden sonstigen Recht der Gesellschafterdarlehen enthält § 24 UBGG.222) Privilegiert sind Darlehen oder wirtschaftlich entsprechende Finanzierungshilfen, die von Unternehmensbeteiligungsgesellschaften oder an ihnen beteiligten Gesellschaftern einem Unternehmen gewährt werden, an dem die Unternehmensbeteiligungsgesellschaft beteiligt ist.223) Ziel des Gesetzes ist die bessere Eigenkapitalversorgung junger und innovativer sowie kleiner und mittlerer Unternehmen.224) Die Unternehmensbeteiligungsgesellschaft und deren Gesellschafter sollen von einer Eigenkapitalzufuhr durch Beteiligung nicht durch Sanktionen wegen parallel gewährter Darlehen abgeschreckt werden.225) i)

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Finanzmarktbezogene Privilegien

Der im Zuge der Finanzkrise durch Art. 2 Nr. 10 Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz (FMStErgG)226) angefügte § 18 Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz (FMStBG) formuliert ein allumfassendes Privileg zugunsten des Finanzmarktstabilisierungsfonds und aller damit zusammenhängenden Rechtsträger, die unmittelbar oder mittelbar der öffentlichen Hand zuzurechnen sind. Absatz 1 sperrt die Anfechtung von Stabilisierungsmaßnahmen, Absatz 2 suspendiert jegliche Vorschriften über Gesellschafterdarlehen und wirtschaftlich vergleichbare Forderungen, Absatz 3 erstreckt das Privileg auf die Rechtsnachfolger der staatlichen oder staatsnahen Rechtssubjekte, Absatz 4 betrifft eine Ausnahme von den Vorschriften über verdeckte Sacheinlagen (§ 19 Abs. 4). Eine detaillierte Begründung fehlt. Der Regierungsentwurf will allgemein „eine flexiblere Handhabung der vorhandenen Stabilisierungsinstrumente … ermöglichen. Die zivil- und gesellschaftsrechtlichen Handlungsoptionen sollen im Interesse der Finanzmarktstabilität erweitert werden.“227) Die Rekapitalisierung von Unternehmen des Finanzsektors soll _____________ 222) Hierzu Veith, DB 2003, 1191; Ritzer-Angerer, DB 2004, 2383; Leible/Lehmann, NZG 2008, 729; Fischer, WM 2008, 857. 223) Krit. zur „Entgrenzung“ des § 24 UBGG durch das Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen v. 12.8.2008 – MoRaKG, BGBl. I, 1672, Cranshaw/Michel/Paulus-Zenker, Bankenkommentar InsR, § 39 InsO Rn. 38. 224) Zur letzten Änderung RegE eines Gesetzes zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen – MoRaKG, BT-Drucks. 16/6311, S. 26. 225) Zur Ursprungsfassung RegE eines Gesetzes über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften – UBGG, BT-Drucks. 10/4551, S. 30 f. 226) Gesetz zur weiteren Stabilisierung des Finanzmarktes v. 7.4.2009 – FMStErgG, BGBl. I, 725; hierzu Marotzke, JZ 2009, 763, 765 f. 227) RegE eines Gesetzes zur weiteren Stabilisierung des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz – FMStErgG), BT-Drucks. 16/12100, S. 10, 12 f.

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durch das Insolvenz- und Anfechtungsrecht nicht gefährdet werden. Damit enthält § 18 FMStBG ein gegenüber § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO stark erweitertes Sanierungsprivileg. 57

Ein vergleichbares Anfechtungsprivileg enthält § 141 des Gesetzes zur Sanierung und Abwicklung von Instituten und Finanzgruppen (Sanierungs- und Abwicklungsgesetz),228) auf das § 11 Abs. 4 Satz 4 des Gesetzes zur Reorganisation von Kreditinstituten (Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz) verweist. Danach ist eine Anfechtung von Rechtshandlungen im Zusammenhang mit der „Anwendung eines Abwicklungsinstruments“, der „Ausübung von Abwicklungsbefugnissen und deren jeweilige[n] Rechtswirkungen“ weder innerhalb noch außerhalb eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen bestimmter Kreditinstitute und Wertpapierfirmen möglich. Hiervon erfasst sind nach der Rechtsprechung insbesondere Rückzahlung von Darlehen an Gesellschafter der betroffenen Institute.229) IV. Überschuldungsstatus (§ 19 Abs. 2 Satz 2 InsO)

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Gesellschafterdarlehen sind Fremdkapital. Da Ansprüche aus Gesellschafterdarlehen grundsätzlich erfüllbar sind (§ 30 Abs. 1 Satz 3; siehe § 30 Rn. 130 f [Thiessen]),230) können sie dazu beitragen, dass die Passiva die Aktiva übersteigen, und so den Insolvenzgrund der Überschuldung auslösen (§ 19 Abs. 2 Satz 1 InsO). Im Überschuldungsstatus (siehe § 30 Rn. 28 ff [Thiessen], § 64 Rn. 11 [Bork]) sind Forderungen auf Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen oder gleichgestellte Forderungen gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO nur dann nicht zu passivieren, wenn deren Gläubiger durch Vereinbarung mit der Gesellschaft gemäß § 39 Abs. 2 InsO auch hinter die bereits kraft Gesetzes nachrangigen Gläubiger (§ 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 InsO) zurücktreten.231) Diese Forderungen tragen nicht zur Insolvenzreife bei, da sie von vornherein erst befriedigt werden sollen, wenn alle anderen Insolvenzgläubiger befriedigt sind.232) Ein „qualifizierter“ Rangrücktritt i. S. d. früheren Recht-

_____________ 228) Art. 1, 6 Nr. 3 Buchst. d des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (BRRD-Umsetzungsgesetz) v. 10.12.2014, BGBl. I, 2091, 2152, 2185. 229) OLG München, Urt. v. 25.6.2018 – 17 U 2168/15, juris, Rn. 310. 230) Die freie Erfüllbarkeit betont Saenger/Inhester-Kolmann, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 164. 231) Näher Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 360 ff. 232) Zur Entstehung der Norm RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 56 = Seibert, MoMiG, S. 359 (RefE); Beschlussempfehlung und Bericht des RA z. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/ 9737, S. 58 = Seibert, MoMiG, S. 250; Seibert/Decker, ZIP 2008, 1208, 1211. Zur umstrittenen Bedeutung des § 64 Satz 3 Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Dahl/Linnenbrink, GmbHG, Systematische Darstellung 6 Rn. 228 ff; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, 5. Aufl. 2013, Anh. § 30 Rn. 46.

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sprechung233) ist nach der hier vertretenen Auffassung nicht mehr erforderlich;234) doch hält der Bundesgerichtshof daran fest, dass der Rangrücktritt auch den Zeitraum vor Verfahrenseröffnung erfasst.235) Ein nur relativer Rangrücktritt zwischen mehreren Finanzierern in Intercreditor Agreements, der außenstehenden Gläubigern gegenüber nicht wirkt, genügt jedenfalls nicht.236) Nach dem neutralen Wortlaut „zwischen Gläubiger und Schuldner“ (§§ 19 Abs. 2 Satz 2, 39 Abs. 2 InsO) kommt scheinbar auch bei gesellschafterbesicherten Drittdarlehen (§ 44a InsO) eine Rangrücktrittsvereinbarung zwischen Drittgläubiger und Gesellschaft in Betracht. Da es sich aber bei der Besicherung und nicht beim Drittdarlehen um eine kodifizierte Form der einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechenden Rechtshandlung handelt (siehe Rn. 76 ff), kommt es für § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO auf den sicherungsgebenden Gesellschafter an. Gegebenenfalls kann ein vertraglich vereinbarter Freistellungsanspruch der Gesellschaft gegen den Gesellschafter (siehe Rn. 83) aktiviert werden, wenn dieser sich bereit erklärt, einen etwaigen Regressanspruch gegen die Gesellschaft nur nachrangig gemäß § 39 Abs. 2 InsO zu erheben.237) Der gesicherte Gläubiger kann unmittelbar gemäß § 39 Abs. 2 InsO mit der Gesellschaft einen Rangrücktritt vereinbaren; praktisch wird er hierzu aber nicht bereit sein.

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Das Finanzmarktstabilisierungsgesetz238) hat den Überschuldungstatbestand des § 19 Abs. 2 InsO geändert239) und dabei durch ein redaktionelles Versehen die oben (siehe Rn. 58) beschriebene Nichtpassivierung bei Rangrücktrittsvereinbarung gestrichen;240) dies wurde inzwischen korrigiert.241) Zunächst bis zum 31.12.2013

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_____________ 233) BGHZ 146, 264, 271 = ZIP 2001, 235, 237 m. Anm. Altmeppen = GmbHR 2001, 190, dazu EWiR 2001, 329 (Priester); BGH, ZIP 2010, 1078, 1079 f = GmbHR 2010, 752 = DB 2010, 1233, dazu EWiR 2010, 491 (Schodder). Danach musste der Gesellschafter nicht nur hinter alle Gesellschaftsgläubiger zurücktreten, sondern zusätzlich erklären, dass seine Darlehensforderung erst bei den Einlagerückgewähransprüchen seiner Mitgesellschafter berücksichtigt werden solle, als handele es sich bei seiner Leistung um statutarisches Kapital. Zur ergänzenden Vertragsauslegung eines vor Inkrafttreten des MoMiG vereinbarten Rangrücktritts OLG Koblenz, ZInsO 2012, 842, 844 ff. 234) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 39; Rowedder/SchmidtLeithoff-Görner, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 42; Formulierungsvorschläge bei Kahlert/ Gehrke, DStR 2010, 227, 230 f; anders als diese für Rangrücktritt bereits vor Verfahrenseröffnung Haas, DStR 2009, 326, 327; Saenger/Inhester-Kolmann, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 167; krit. dazu noch Saenger/Inhester-Kolmann, GmbHG, 2. Aufl. 2013, Anh. § 30 Rn. 161; Thole in: FS Kübler, S. 681, 682 f; zur Aufhebbarkeit von Rangrücktrittsvereinbarungen Leithaus/Schaefer, NZI 2010, 844. 235) BGH, ZIP 2015, 638, 640 Rn. 19 m. Anm. Bitter/Heim = GmbHR 2015, 472 = DB 2015, 732, dazu EWiR 2015, 219 (Bork); K. Schmidt, ZIP 2015, 901, 904. 236) Cranshaw/Michel/Paulus-Zenker, Bankenkommentar InsR, § 39 InsO Rn. 69; ScholzBitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 370. 237) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 63. 238) Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes v. 17.10.2008 – FMStG, BGBl. I, 1982. 239) Hierzu K. Schmidt, JZ 2009, 10, 18; krit. Spliedt, ZIP 2009, 149, 160 f. 240) Art. 5, 6 Abs. 3, 7 Abs. 2 FMStG, BGBl. I 2008, 1982. 241) Art. 4 FMStErgG, BGBl. I 2009, 725.

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befristet,242) nun aber unbefristet243) gilt wieder der zweistufige Überschuldungsbegriff,244) den der Bundesgerichtshof für die Konkursordnung anerkannt,245) den aber der Gesetzgeber der InsO verworfen hatte.246) Nach dem zweistufigen Überschuldungsbegriff ist bei günstiger Fortführungsprognose trotz rechnerischer Überschuldung nach Liquidationswerten kein Insolvenzgrund gegeben.247) V. Nachrang (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) 61

Gesellschafter (siehe Rn. 33 ff) und gesellschaftergleiche Dritte (siehe Rn. 36 ff) stehen in der gesetzlichen Hierarchie der Insolvenzgläubiger an letzter Stelle, soweit es um Darlehen oder wirtschaftlich entsprechende Finanzierungshilfen geht. Daraus resultierende Forderungen werden gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO erst nach allen übrigen Insolvenzforderungen erfüllt. Daher sind die nachrangigen Forderungen erst zur Tabelle anzumelden, wenn das Insolvenzgericht die Gläubiger unter Hinweis auf Nachrang und Rangstelle zur Anmeldung auffordert (§ 174 Abs. 3 InsO).248) Gleichwohl sind die Gesellschafter und gesellschaftergleichen Dritten im Interesse eines frühzeitigen Verfahrensbeginns auch als nachrangige Gläubiger berechtigt, den Insolvenzantrag zu stellen, selbst wenn sie mutmaßlich leer ausgehen.249) Durch freiwilligen Rangrücktritt noch hinter die Rangstelle des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO können die Gesellschafter gemäß §§ 19 Abs. 2 Satz 2, 39 Abs. 2 InsO unter Umständen den Insolvenzgrund der Überschuldung abwenden (siehe Rn. 58). Ein formularmäßiger Rangrücktritt unterliegt allerdings der Abschluss- und Inhaltskontrolle gemäß §§ 305 ff BGB.250) Durch Vergleich zwischen einem nachrangigen Gläubiger und dem Insolvenzverwalter kann der Nachrang nicht zulasten der am Vergleich unbeteiligten Gläubiger aufgehoben werden.251) Nachrangig sind gemäß § 264 Abs. 3 InsO auch Gesellschafterdarlehen und wirtschaftlich entspre_____________ 242) Frist verlängert durch Art. 1 des Gesetzes zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 24.9.2009, BGBl. I, 3151. 243) Art. 18 des Gesetzes zu Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess und zur Änderung anderer Vorschriften v. 5.12.2012, BGBl. I 2012, 2418; dazu Scholz-Bitter, GmbHG, Vor § 64 Rn. 22. 244) K. Schmidt, AG 1978, 334. 245) BGHZ 119, 201, 213 ff = ZIP 1992, 1382, 1386 = NJW 1992, 2891, dazu EWiR 1992, 1093 (Hunecke). 246) Beschlussempfehlung und Bericht des RA z. RegE einer Insolvenzordnung (InsO) BTDrucks. 12/7302, S. 157; hierzu BGHZ 171, 46, 54 f = ZIP 2007, 676, 679 = GmbHR 2007, 482, dazu EWiR 2007, 305 (Haas/Reiche); BGH, ZIP 2011, 1410, 1411 = GmbHR 2011, 933 = DB 2011, 1685. 247) Freilich war bei positiver Fortführungsprognose eine rechnerische Überschuldung unwahrscheinlich, Scholz-Bitter, GmbHG, Vor § 64 Rn. 28. 248) Näher zum Verfahren AG Münster, ZInsO 2017, 2025 f = NZI 2017, 807 = ZIP 2017, 2493 (Ls.). 249) BGH, ZIP 2010, 2055 f = GmbHR 2010, 1217 = ZVI 2010, 422, dazu EWiR 2010, 819 (Gundlach/Müller). 250) OLG Hamm, Urt. v. 14.7.2017 – 19 U 104/17, juris, Rn. 18 ff; OLG Düsseldorf, ZIP 2018, 437, 438 ff. = ZInsO 2018, 522 = NZI 2018, 317 (überraschend, intransparent und unangemessen benachteiligend), dazu EWiR 2018, 151 (Möhlenkamp); OLG Brandenburg, ZInsO 2018, 2022, 2024 f (Klausel weder überraschend noch unangemessen benachteiligend); OLG München, GWR 2018, 314 (Klausel unangemessen benachteiligend). 251) OLG Celle, Urt. v. 16.9.2009 – 9 U 26/09, juris Rn. 11.

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chende Finanzierungshilfen, die im Insolvenzplanverfahren gewährt werden.252) Das ESUG253) hat daran nichts geändert.254) Vor einem Forderungsausfall in der Insolvenz können sich die Gesellschafter und gesellschaftergleichen Dritten in der Regel nicht im Wege einer Besicherung durch die Gesellschaft schützen. Eine kraft Gesetzes nachrangige Forderung abgesondert zu befriedigen (§§ 49 ff, 165 ff InsO) wäre systemwidrig.255) Bei akzessorischen Sicherheiten folgt dies im Übrigen bereits aus dem Gesetz (§§ 768, 1137, 1211 BGB), bei nicht akzessorischen Sicherheiten aus der Einrede der Anfechtbarkeit (vgl. § 146 Abs. 2 InsO, § 9 AnfG).256) Sie bleibt auch erhalten, wenn der Anfechtungsanspruch (§ 143 InsO) verjährt ist (§ 146 Abs. 2 InsO; siehe Rn. 73). Allerdings versagt die Anfechtungseinrede als Argument, wenn die Sicherheit mehr als zehn Jahre vor Insolvenzantrag oder Titulierung bestellt wurde (§ 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO, § 6 Abs. 1 Nr. 1 AnfG, zur Frist siehe Rn. 68).257) Zwar kann die Forderung nicht durchgesetzt werden, solange das Insolvenzgericht den Gesellschafter nicht gemäß § 174 Abs. 3 InsO zur Anmeldung der Forderung auffordert.258) Das materielle Verhältnis von Nachrang und Anfechtbarkeit ist damit jedoch nicht geklärt und enthebt das Gericht nicht von der Entscheidung, nachrangige Gläubiger zur Anmeldung aufzufordern, wenn über die volle Befriedigung der nicht nachrangigen Gläubiger hinaus eine verteilungsfähige Masse verbleibt.259) Externe Sicherungsgeber können dem Gesellschafter die zugunsten der Gesellschaft(-sgläubiger) bestehenden Institute von Nachrang und Anfechtungseinrede nicht entgegenhalten; die Verwertung von Drittsicherheiten ist aus Sicht der Gesellschaft(-sgläubiger) unbedenklich, und der Sicherungsgeber geht das spezifische Ausfallrisiko des Gesellschafters als Gesellschaftsgläubigers typischerweise sein.260) _____________ 252) Näher Saenger/Inhester-Kolmann, GmbHG, Anhang § 30 Rn. 134. 253) Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 7.12.2011, BGBl. I 2582. 254) Krit. die Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Insolvenzrechtsausschuss zum Gesetzentwurf der BReg für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 29.3.2011 – ESUG, S. 6, abrufbar unter www.anwaltverein.de. 255) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, 20. Aufl. 2013; Anh. § 30 Rn. 69; Brinkmann, ZGR 2017, 708, 724 ff; Haas, ZIP 2017, 545; zum alten Recht Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2006, §§ 32a, 32b Rn. 61 – §§ 30, 31 a. F. analog; a. A. Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b Rn. 34, 37; Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 143 ff – Sicherheiten grundsätzlich durchsetzbar, soweit deren Bestellung nicht mehr anfechtbar; ebenso Baumbach/Hueck-Fastrich, Anh. § 64 Rn. 110; Köth, ZGR 2016, 541, 560 ff; für Vorrang des Absonderungsrechts Bloß/Zugelder, NZG 2011, 332, 333. 256) So für akzessorische und quasi akzessorische Sicherungsrechte (Grundschuld) auch K. Schmidt-K. Schmidt, InsO, § 135 Rn. 18. 257) Spliedt, ZIP 2009, 149, 153; Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 151; Köth, ZGR 2016, 541, 559 f; krit. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 169 ff; Brinkmann, ZGR 2017, 708, 724 ff. 258) Brinkmann, ZGR 2017, 708, 726, 729. 259) Vgl. zu diesem Maßstab Riedel in: MünchKomm-InsO, § 174 Rn. 38. 260) Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 153 ff; teilw. abw. hier noch die 2. Aufl.; zum alten Recht BGH, ZIP 1996, 538, 539 ff = GmbHR 1996, 285; BGH, ZIP 2008, 1376, 1378 f Rn. 21 ff = GmbHR 2008, 877 = DB 2008, 1559; zu den dort ausgesprochenen Einschränkungen der Verwertbarkeit der Sicherheit (Bürgschaft) krit. Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2006, §§ 32a, 32b Rn. 62.

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VI. Anfechtung (§§ 135, 143 InsO, §§ 6, 11 AnfG) 63

Ist der sachliche (siehe Rn. 8 ff) und persönliche (siehe Rn. 25 ff) Anwendungsbereich eröffnet, kann der Insolvenzverwalter oder ein Einzelgläubiger eine noch nicht verfristete Befriedigung (siehe Rn. 64 ff) oder Besicherung (siehe Rn. 67 f) anfechten oder die Anfechtungseinrede erheben (siehe Rn. 69 f). 1.

Anfechtbare Befriedigung

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Anfechtbar ist gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, § 6 Abs. 1 Nr. 2 AnfG die Befriedigung einer Forderung auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens (siehe Rn. 9 ff) oder einer gleichgestellten Forderung (siehe Rn. 14 ff), wenn sie innerhalb des letzten Jahres vor Insolvenzantrag oder Titulierung oder danach (siehe Rn. 71) erfolgt ist. – Zum Sonderfall der gesellschafterbesicherten Drittdarlehen (§ 135 Abs. 2 InsO, § 6 Abs. 2 AnfG) siehe Rn. 80.

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Befriedigung ist nach allgemeinem Schuldrecht jede Leistung aus dem Gesellschaftsvermögen, welche die Forderung zum Erlöschen bringt, d. h. durch Erfüllung (§ 362 BGB), Annahme an Erfüllungs statt (§ 364 Abs. 1 BGB)261) oder Aufrechnung (§ 389 BGB).262) Entsprechendes gilt für die Verwertung einer Sicherheit (z. B. §§ 1147, 1247 Satz 1 BGB), sofern die Besicherung nicht bereits unanfechtbar war (siehe Rn. 68). Ist der Gesellschaft eine Kreditlinie eingeräumt, so ist nicht jede einzelne Zahlung an den Gesellschafter anfechtbar, sondern nur die Rückführung der Kreditlinie.263) Variiert die Höhe des „Darlehens“ (etwa bei nicht vereinbarten, lediglich geduldeten Zahlungszielüberschreitungen), ist als Kreditlinie der höchste während des anfechtbaren Jahreszeitraums zurückgeführte Kreditsaldo anzusetzen, da dies dem vom Gesellschafter übernommenen Insolvenzrisiko entspricht (siehe Rn. 12).264) Die Anfechtung bezieht sich auf den Betrag, in dessen Höhe bei Verfahrenseröffnung (vgl. § 35 InsO) die Kreditlinie nicht ausgeschöpft ist. Ein Debt Equity Swap bewirkt keine anfechtbare Befriedigung der Darlehensforderung, weil der neue Anteilsinhaber gemäß § 199 Satz 2 InsO erst nach allen Gläubigern befriedigt wird, diese also jedenfalls solange nicht gemäß § 129 InsO benachteiligt sind,265) wie das Darlehen vollständig umgewandelt und nicht etwa teilweise zurückgezahlt wird (insoweit str., siehe Rn. 17).

_____________ 261) OLG Hamm, ZIP 2017, 2162, 2164 m. Anm. Avoine/Michels, ZIP 2018, 60 = GmbHR 2017, 1032, 1033 = ZInsO 2018, 50, dazu EWiR 2018, 83 (Berjasevic/Dölves). 262) Auch zum Folgenden Kübler/Prütting/Bork-Preuß, InsO, § 135 Rn. 20. 263) Näher zum Folgenden Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 42. 264) Überzeugend Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 126 ff in Verallgemeinerung von BGH, ZIP 2013, 734, 737 Rn. 26 = GmbHR 2013, 464 = DB 2013, 810, dazu EWiR 2013, 393 (Delaveaux); BGHZ 198, 77, 90 Rn. 38 = ZIP 2013, 1629 = GmbHR 2013, 1034, dazu EWiR 2013, 657 (Plathner/Luttmann). Anders hier noch die 2. Aufl. in Anlehnung an die Entscheidungen zum alten Recht: BGH, ZIP 1995, 23, 24 = GmbHR 1995, 35 = NJW 1995, 457 m. Anm. Altmeppen, dazu EWiR 1995, 367 (Fleck); OLG Hamburg, ZIP 2006, 1950, 1951 f = GmbHR 2006, 813 – Durchschnittssaldo des innerhalb des Jahreszeitraums in Anspruch genommenen Kredits. 265) Wirsch, NZG 2010, 1131, 1133; Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 120.

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Nicht nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar ist auch die Zahlung von Darlehenszinsen.266) Zwar erscheint es widersprüchlich, einerseits dem Gesellschafter die ausstehenden Zinsen ebenso vorzuenthalten (§ 39 Abs. 3 InsO) wie das noch valutierte Darlehen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) und ihm andererseits bereits gezahlte Zinsen, nicht aber das zurückgezahlte Darlehen zu belassen (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Die Zinsen bilden jedoch die Gegenleistung der Gesellschaft für das Darlehen; sie sind nicht Quelle der Finanzierung, sondern der für die Finanzierung zu leistende Aufwand.267) Lediglich für die Verfahrenszinsen ordnet § 39 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. Abs. 3 InsO einen beschränkten Nachrang an (siehe Rn. 10). 2.

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Anfechtbare Besicherung

Hat die Gesellschaft in den letzten zehn Jahren vor Insolvenzantrag oder Titulierung oder danach (siehe Rn. 71) ein Gesellschafterdarlehen (siehe Rn. 9 ff) oder eine äquivalente Forderung (siehe Rn. 14 ff) besichert, so ist die Bestellung der Sicherheit gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AnfG anfechtbar. Die Art der Sicherheit ist gleichgültig. Neben den gesetzlich geregelten Mobiliar- und Immobiliarsicherheiten (Pfandrecht, Hypothek, Grundschuld) kommen auch Sicherungszession und Sicherungsübereignung in Betracht, außerdem durch Zwangsvollstreckung erlangte Zwangshypotheken und Pfändungspfandrechte,268) bei Nutzungsüberlassung auch das Vermieterpfandrecht des Gesellschafters für der Gesellschaft gehörende Gegenstände.269)

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Die lange Frist270) rechtfertigt sich dadurch, dass die Besicherung für die (externen) Gläubiger unter Umständen gefährlicher werden kann als jede sonstige von den §§ 129 ff InsO und dem Anfechtungsgesetz sanktionierte Vermögensminderung. Bei jeder vermögensmindernden Rechtshandlung zeigt sich früher oder später, ob die Gesellschaft den Verlust tragen konnte, ohne insolvent zu werden. Wird die Sicherheit jedoch erst in der Insolvenz gezogen – bei vorheriger Verwertung handelt es sich entgegen dem Bundesgerichtshof271) um eine Befriedigung i. S. d. §§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, § 6 Abs. 1 Nr. 2 AnfG272) – werden die gesicherten

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_____________ 266) Zum Folgenden mit eingehender Begr. Mylich, ZGR 2009, 474, 483 ff, 494 ff; ScholzK. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 41 – allein anfechtbar nach §§ 130 f InsO; Cranshaw/Michel/Paulus-Zenker, Bankenkommentar InsR, § 39 InsO Rn. 46, § 135 Rn. 12; Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 129; a. A. Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 91, 108; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 124 sowie hier noch die 1. Aufl. 267) Mylich, ZGR 2009, 474, 494 ff; Cranshaw/Michel/Paulus-Zenker, Bankenkommentar InsR, § 39 InsO Rn. 46. 268) Kübler/Prütting/Bork-Preuß, InsO, § 135 Rn. 19. 269) Heinze, ZIP 2008, 110, 111 f. 270) Zur Entstehungsgeschichte Hamann, NZI 2008, 667, 669; krit. zur langen Frist ScholzBitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 34 f; Marotzke, KTS 2016, 19, 35 ff; für Gleichlauf mit § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO im Wege der Auslegung Altmeppen, ZIP 2013, 1745, 1746 ff. 271) BGHZ 198, 64, 67 ff Rn. 10 ff = ZIP 2013, 1579 m. krit. Anm. Altmeppen, S. 1745 = GmbHR 2013, 980, dazu EWiR 2013, 521 (Bork); zust. Köth, ZGR 2016, 541, 555 ff; teilw. zust. Thole, NZI 2013, 745, 746. 272) Sehr krit. gegenüber dem BGH Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 136 ff; Bitter, ZIP 2013, 1583 f; dem zust. Thiessen, ZGR 2015, 396, 434 f; Kleindiek, ZGR 2017, 731, 752 f.

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Gläubiger abgesondert befriedigt (§§ 49 ff InsO). Ein solcher Vorteil gegenüber den ungesicherten Gläubigern kollidiert jedoch mit dem Nachrang der Gesellschafter wegen ihrer Darlehensforderungen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO), die der Sicherheit zugrunde liegen.273) Die Anfechtbarkeit der Darlehensbesicherung ist somit eine Konsequenz des zeitlich unbeschränkten Nachrangs (zur Abwehr der Verwertung siehe Rn. 62). Vor diesem Hintergrund verstand sich die Dreißig-Jahres-Frist der Konkursordnung (§ 41 Abs. 1 Satz 3 KO), bevor die InsO sich an der Höchstfrist bei vorsätzlicher Benachteiligung orientierte (§ 133 Abs. 1 InsO, § 3 Abs. 1 AnfG), die freilich durch die Vierjahresfrist der nachträglich eingefügten § 133 Abs. 2 InsO, § Abs. 2 AnfG gerade für den Fall von Besicherung und Befriedigung relativiert worden ist.274) Dem unbegrenzten Nachrang korrespondieren würde am ehesten eine unbegrenzte Anfechtungsfrist.275) Die gesetzliche Zehn-Jahres-Frist ist jedoch bindend. Soweit die Sicherheit innerhalb dieser Frist bestellt worden ist, kann dem Gesellschafter bei anfänglicher Besicherung seines Darlehens das Bargeschäftsprivileg des § 142 InsO zugutekommen (siehe Rn. 12, 16), so dass im Regelfall nur nachträgliche Besicherungen anfechtbar sein werden.276) 3.

Rechtsfolgen

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Bei anfechtbarer Befriedigung oder Besicherung treten die allgemeinen Rechtsfolgen ein (§ 143 Abs. 1 InsO, § 11 Abs. 1 AnfG; zum Sonderfall der gesellschafterbesicherten Drittdarlehen gemäß § 143 Abs. 3 InsO, § 11 Abs. 3 AnfG siehe Rn. 80 ff). Der Anfechtungsgegner – der Gesellschafter (siehe Rn. 33 ff) oder277) der gesellschaftergleiche Dritte278) (siehe Rn. 36 ff) – muss die auf seine Forderung erhaltene Leistung der Insolvenzmasse erstatten bzw. dem Gläubiger zur Verfügung stellen und die ihm bestellte Sicherheit freigeben.279) Die Forderung lebt wieder auf (§ 144 Abs. 1 InsO, § 12 AnfG), im Insolvenzverfahren jedoch nur als nachrangige Forderung (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO).

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Die Anfechtbarkeit begründet zugunsten des Insolvenzverwalters bzw. des Einzelgläubigers eine Einrede. In der Insolvenzanfechtung bleibt die Anfechtungsein_____________ 273) Insoweit a. A. Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 143 ff; Bitter, ZIP 2013, 1497, 1501 ff; Mylich, ZHR 176 (2012) 547, 556 ff; Mylich, ZIP 2013, 2444, 2448 ff. 274) Marotzke, ZInsO 2017, 2264, 2265. 275) So der insoweit nicht vom MoMiG aufgegriffene Vorschlag von Lutter-Huber/Habersack, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 370, 412; dem zust. Thiessen, ZGR 2015, 396, 435; Brinkmann, ZGR 2017, 708, 725; a. A. mit rechtsökonomischen Argumenten für die Zehnjahresfrist Köth, ZGR 2016, 541 570 ff. 276) Scholz-Bitter, GmbHG, Anh.§ 64 Rn. 146 f; Bitter, ZIP 2013, 1497, 1506 f; Mylich, ZHR 176 (2012) 547, 568 ff; Thole in: FS Kübler, S. 681, 689; Thiessen, ZGR 2015, 396, 436 f; gegen diese Differenzierung K. Schmidt-K. Schmidt, InsO, § 135 Rn. 16; Köth, ZGR 2016, 541, 565 ff; für weitergehende Prüfung der Gläubigerbenachteiligung gemäß § 129 InsO Mylich, ZIP 2013, 2444, 2449 f. 277) Gegen eine gesamtschuldnerische Anfechtungshaftung Haas, ZIP 2017, 545, 551; a. A. Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 197. 278) So unter Hinweis auf § 145 Abs. 2 InsO K. Schmidt, ZIP 2010, Beilage Heft 39, S. 15, 23; a. A. mit Ausnahme des § 135 Abs. 2 InsO i. V. m. § 143 Abs. 2 InsO Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 135 Rn. 12. 279) Zu den Rechtsfolgen bei analoger Anwendung im Fall ausgeschiedener Gesellschafter oder Zessionare Cranshaw/Michel/Paulus-Zenker, Bankenkommentar InsR, § 135 InsO Rn. 18.

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rede auch nach Verjährung des Anfechtungsanspruchs (siehe Rn. 75) erhalten (§ 146 Abs. 2 InsO) und kann bei der Gläubigeranfechtung bereits gegenüber der Rückforderung des Gesellschafterdarlehens geltend gemacht werden kann, bevor der Einzelgläubiger seine Forderung hat titulieren lassen, wobei aber das Gericht dem Gläubiger vor der Entscheidung über die „Anfechtungsklage“280) eine Frist zur Beibringung des Titels setzen kann (§ 9 AnfG). Bedeutsam ist die Anfechtungseinrede gegenüber der Verwertung von Sicherheiten zur Durchsetzung der gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nachrangigen Forderungen (siehe Rn. 62). Umgekehrt besteht keine Anfechtungseinrede in der Doppelinsolvenz von Gesellschaft und Gesellschafter zugunsten des Insolvenzverwalters über das Gesellschaftervermögen. Zwar erhält der Gesellschafter in der Gesellschaftsinsolvenz weder die Darlehensvaluta noch Zinsen; sein diesbezüglicher Rückzahlungs- bzw. Zinsanspruch ist häufig schon vor Insolvenzreife entwertet. Daraus hat der Bundesgerichtshof nach altem Kapitalersatzrecht geschlossen, dass der Gesellschafter zugunsten der Gesellschaft eine unentgeltliche Leistung erbringe, die den Insolvenzverwalter über das Gesellschaftervermögen zur Anfechtung gemäß § 134 InsO berechtige oder ihm zumindest die Anfechtungseinrede eröffne.281) Hiervon ist der Bundesgerichtshof jedoch abgerückt, weil Gesellschafterdarlehen seit der Reform von 2008 nicht mehr „bemakelt“ seien, selbst wenn sie in der Krise der Gesellschaft die Gläubiger des darlehensgebenden Gesellschafters gefährden und der Gesetzgeber das erhöhte Ausfallrisiko den Gesellschaftergläubigern zugewiesen habe, indem er Nachrang und Anfechtbarkeit gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5, § 135 Abs. 1 InsO erweitert habe.282) Für den Fall der Doppelinsolvenz läuft dies auf einen sonst nicht bestehenden Vorrang von § 135 InsO gegenüber § 134 InsO hinaus.283) 4.

Anfechtungs-, Verjährungs- und Ausschlussfristen

Die Frist zur Bestimmung anfechtbarer Rechtshandlungen wird rückwirkend berechnet. Maßgeblich ist bei der Insolvenzanfechtung (§ 135 InsO) der Insolvenzantrag (§ 13 InsO), d. h. dessen Eingang beim Insolvenzgericht,284) bei der Gläubigeranfechtung (§ 6 AnfG) die Erlangung des vollstreckbaren Schuldtitels (vor allem §§ 704, 794 ZPO).285) Anfechtbar sind außerdem Rechtshandlungen, die (wegen §§ 21 ff InsO selten) nach Insolvenzantrag oder (wegen § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO häufig) nach Titulierung erfolgt sind. – Zum Unterschied zwischen Insolvenzanfechtung und altem Eigenkapitalersatzrecht siehe § 30 Rn. 141 f [Thiessen]. _____________ 280) Hierzu Zenker, NJW 2008, 1038, 1039. 281) BGH, ZIP 2009, 1080, 1081 = WM 2009, 1042 = DB 2009, 1176, dazu EWiR 2009, 549 (Brinkmann/Luttmann) und Dahl/Schmitz, NZI 2009, 433; Burmeister/Nohlen, NZI 2010, 41; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Dahl/Linnenbrink, GmbHG, Systematische Darstellung 6 Rn. 116 ff. 282) BGHZ 212, 272, 281 ff Rn. 20 ff = ZIP 2016, 2483, 2484 ff. = ZInsO 2016, 2479, dazu EWiR 2017, 17 (Huber); Klinck, ZIP 2017, 1589, 1595 ff; Jacoby, ZIP 2018, 505, 508 ff; Haas, ZIP 2017, 545, 552 ff; wie der BGH LG Potsdam, NZI 2016, 975 f. = ZInsO 2016, 2488. 283) Näher zur Abgrenzung LG Saarbrücken, ZInsO 2016, 1864, 1868; Kleindiek, ZGR 2017, 731, 756 f. – zur Abgrenzung Rückzahlung und unentgeltlicher Kreditierung. 284) Schmahl/Vuia in: MünchKomm-InsO, § 13 Rn. 70. 285) Zu weiteren Vollstreckungstiteln: Kübler/Prütting/Bork-Paulus, InsO, § 10 AnfG Rn. 4.

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Mehrere Neuerungen hat das MoMiG bei der Gläubigeranfechtung gebracht. Die Zeit, die der Gläubiger vor der Anfechtung benötigt, um einen Vollstreckungstitel zu erlangen oder ein mangels Masse erfolgloses Insolvenzverfahren zu betreiben, läuft gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AnfG nicht mehr gegen ihn. Da die Fristen gemäß § 6 AnfG a. F. erst von der Anfechtung an zurückgerechnet wurden, waren viele Rückzahlungen nicht mehr anfechtbar, so auch in jenem Fall, in welchem der Bundesgerichtshof286) unter anderem aufgrund des Fristenproblems an seinen Rechtsprechungsregeln festhielt (siehe § 30 Rn. 125 [Thiessen]). Zum weiteren Schutz des Einzelgläubigers wird gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 AnfG auf den Zeitpunkt des Insolvenzantrags abgestellt, wenn das beantragte Insolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet wird (§ 26 Abs. 1 InsO). Entsprechendes muss gelten, wenn das eröffnete Insolvenzverfahren mangels Masse eingestellt wird (§ 207 Abs. 1 InsO). Stellt nämlich der Gläubiger zunächst einen im Ergebnis erfolglosen Insolvenzantrag (§ 14 Abs. 1 InsO) und erstreitet einen vollstreckbaren Titel erst im Anschluss, wären ohne § 6 Abs. 1 Satz 2 AnfG solche Darlehensrückzahlungen der Anfechtung entzogen, die mehr als ein Jahr vor Erlangung des vollstreckbaren Titels erfolgt sind, obwohl die Rückzahlung weniger als ein Jahr vor dem Insolvenzantrag lag. Der Gläubiger soll aber nicht dadurch benachteiligt werden, dass – unter anderem aufgrund der anfechtbaren Rechtshandlung – keine eröffnungstaugliche Masse vorhanden ist.287) Wird das Insolvenzverfahren mit welchem Ergebnis auch immer beendet, ist der Weg für die Gläubigeranfechtung frei, soweit der Insolvenzverwalter von seinem entsprechenden Recht keinen Gebrauch gemacht hat, obwohl er dies einredefrei hätte tun können (§ 18 Abs. 1 AnfG). Hatte der Einzelgläubiger noch keinen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt, profitiert er wie im Fall des § 6 Abs. 1 Satz 2 AnfG von dem für ihn günstigeren Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung, soweit er den vollstreckbaren Titel innerhalb eines Jahres seit Beendigung des Insolvenzverfahrens erstreitet (§ 18 Abs. 2 AnfG).

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Von der rückwirkenden Anfechtungsfrist ist die zeitliche Begrenzung des Anfechtungsanspruchs (§ 143 InsO, § 11 AnfG) zu unterscheiden. Der Anfechtungsanspruch des Insolvenzverwalters unterliegt der regelmäßigen Verjährung (§ 146 Abs. 1 InsO), verjährt also innerhalb von drei Jahren ab dem Zeitpunkt, da der Insolvenzverwalter Kenntnis von Anfechtungsgrund und Anfechtungsgegner erlangt oder nur infolge grober Fahrlässigkeit nicht erlangt (§§ 195, 199 BGB), längstens nach zehn Jahren (§ 199 Abs. 4 BGB).

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§ 6 Abs. 2 AnfG begrenzt die Gläubigeranfechtung durch eine Ausschlussfrist, die sich an der dreijährigen Jahresendverjährung gemäß § 195 BGB orientiert, ohne jedoch den kenntnisabhängigen Beginn des § 199 BGB zu übernehmen. Die Differenzierung gegenüber der Insolvenzanfechtung hängt damit zusammen, dass die Gläubigeranfechtung an die Erlangung eines vollstreckbaren Schuldtitels anknüpft. Erhält der Gläubiger den Titel durch Zwangsvollstreckungsunterwerfung in einer notariellen Urkunde (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO), bevor das Gesellschafterdarlehen zurückgezahlt wird, wäre diese Rückzahlung abhängig von der Kenntnis des Gläu_____________ 286) BGHZ 90, 370, 378 f = ZIP 1984, 698, 700 = NJW 1984, 1891. 287) Regierungsbegründung BT-Drucks. 16/6140, S. 58; Seibert, MoMiG, S. 52.

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bigers nach §§ 195, 199 BGB bis zu zehn Jahre lang anfechtbar.288) Dies hätte äußerstenfalls der langen Verjährungsfrist des § 31 Abs. 5 entsprochen. Gerade diese lange Verjährung sollte aber durch die von § 30 Abs. 1 Satz 3 verordnete Aufgabe der „Rechtsprechungsregeln“ vermieden werden.289) Das MoMiG erreicht das erwünschte Ergebnis, indem die Ausschlussfrist des § 6 Abs. 2 AnfG ab dem Schluss des Jahres berechnet wird, in welchem der Gläubiger den vollstreckbaren Schuldtitel erworben hat (Satz 1), oder, wenn die Rechtshandlung später vorgenommen worden ist, ab dem Schluss des Jahres ihrer Vornahme (Satz 2). Bei der Insolvenzanfechtung reduziert bereits die kurze Frist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO den Kreis der anfechtbaren Rechtshandlungen (siehe § 30 Rn. 141 f [Thiessen]); der Insolvenzverwalter wird zur Untersuchung der Zahlungsströme an Gesellschafter die Maximalfrist gemäß § 146 Abs. 1 InsO, § 199 Abs. 4 BGB nur selten ausschöpfen. Wie im Fall der §§ 821, 853 BGB kann die Anfechtbarkeit einredeweise (siehe Rn. 70) auch noch nach Verjährung erhoben werden (§ 146 Abs. 2 InsO).

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VII. Gesicherte Darlehen 1.

Regelungsproblem

Die §§ 44a, 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO, §§ 6a, 11 Abs. 3 AnfG enthalten spezielle Regeln für einen praktisch besonders wichtigen Fall der darlehensäquivalenten Finanzierungshilfe. Wird das Darlehen eines Dritten durch einen Gesellschafter besichert, weil der Kreditgeber die Gesellschaft ohne eine solche Sicherung nicht für kreditwürdig hält, hat die Besicherung durch den Gesellschafter wirtschaftlich dieselbe Funktion wie ein Darlehen des Gesellschafters selbst. Kann die Gesellschaft das Darlehen nicht zurückzahlen, haftet der Gesellschafter. Sein Haftungsrisiko als Sicherungsgeber, von der Gesellschaft weder Freistellung noch Erstattung zu erlangen, entspricht wirtschaftlich seinem Ausfallrisiko als Darlehensgeber. 2.

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Voraussetzungen

Für den besichernden Gesellschafter oder gesellschaftergleichen Dritten gelten dieselben persönlichen Voraussetzungen, wie sie § 39 Abs. 4 und 5 InsO für einen Darlehen gewährenden Gesellschafter oder gesellschaftergleichen Dritten aufstellt (siehe Rn. 32 ff).290) Ausgesprochen ist dies nur für die Gläubigeranfechtung in § 6a Satz 2 AnfG.291) Auch für die Insolvenzanfechtung entspricht aber der Anwendungsbereich der gesellschafterbesicherten Drittdarlehen bereits deshalb demjenigen der regulären Gesellschafterdarlehen, weil die Besicherung einem Gesell_____________ 288) Hierzu Thiessen, ZIP 2007, 253, 259 f. 289) Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189, 193; Lutter-Huber/Habersack, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 370, 419; unzutreffend zur Funktion der Ablaufhemmung allerdings Huber, ZIP 2010, Beilage Heft 39, S. 7, 9. 290) Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 273; Thole, ZIP 2015, 1609, 1612; für den Fall des ausgeschiedenen Gesellschafters LG Hamburg, ZIP 2016, 1239, 1240 = ZInsO 2016, 1479 = ZfIR 2016, 546. 291) Zum Hintergrund Cranshaw/Michel/Paulus-Zenker, Bankenkommentar InsR, § 135 InsO Rn. 27.

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Gesellschafterdarlehen

schafterdarlehen wirtschaftlich entspricht (siehe Rn. 76). Umgekehrt kann der Gläubiger eines gesellschafterbesicherten Drittdarlehens nicht Gesellschafter oder gesellschaftergleicher Dritter sein, da er andernfalls ohnehin den Regeln über Gesellschafterdarlehen unterfällt.292) Darlehensäquivalente Leistungen sind einem Darlehen in §§ 44a, 135 Abs. 2 InsO, § 6a AnfG ausdrücklich gleichgestellt, was durch Verweis auf § 135 Abs. 2 InsO bzw. § 6a AnfG auch für § 143 Abs. 3 InsO, § 11 Abs. 3 AnfG gilt. Der Kreis der möglichen Sicherheiten ist weit zu bestimmen.293) Allerdings löst eine gesellschaftsseitige Vertragserfüllung, die durch eine diesbezügliche Bürgschaft gesichert war, den Sicherungsfall nicht aus.294) Deshalb befreit die Vertragserfüllung den Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt oder die Sicherheit eines Dritten besichert hat, nicht in einer gemäß § 135 Abs. 2 InsO anfechtbaren Weise von seiner Haftung als Sicherungsgeber. Anders ist dies nur, wenn die erfüllte vertragliche Primärpflicht, etwa durch Stundung, einer Darlehensschuld wirtschaftlich entsprach (§ 135 Abs. 2 Halbs. 2 InsO, siehe Rn. 16). Grundvoraussetzung der Anfechtung gemäß § 135 Abs. 2 InsO ist, dass der Gläubiger den Gesellschafter vorrangig hätte in Anspruch nehmen können (§ 44a InsO). Daran fehlt es, wenn die Gesellschaftersicherheit lediglich dazu dient, Vermögensverlagerungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter vorzubeugen und sich dieses Risiko nicht verwirklicht hat.295) 3. 78

Rechtsfolgen

Nicht das Darlehen des Drittgläubigers, sondern die Sicherung durch den Gesellschafter ist dem Gesellschafterdarlehen gleichgestellt.296) Gegenstand von Nachrang und Anfechtung ist daher nicht das Drittdarlehen, sondern die Rechtsposition des sicherungsgebenden Gesellschafters (siehe Rn. 80). Demgemäß bleibt der Drittgläubiger von den Sanktionen des Rechts der Gesellschafterdarlehen weitgehend verschont.297) Er wird zwar primär an den sicherungsgebenden Gesellschafter verwiesen, bevor er Befriedigung bei der insolventen Gesellschaft suchen kann (§ 44a InsO, ähnlich bereits § 32a Abs. 2 a. F., siehe Rn. 79). Die anfechtungsrechtliche Abwicklung erfolgt jedoch im Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter (§§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO, §§ 6a, 11 Abs. 3 AnfG, ähnlich bereits § 32b a. F., siehe Rn. 80).

_____________ 292) Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 274. 293) Näher Kübler/Prütting/Bork-Preuß, InsO, § 44a Rn. 11; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 147; in casu abl. zum alten Recht für eine kündbar ausgestaltete Patronatserklärung bei gleichzeitigem Verzicht der Patronin auf etwaige Regressansprüche gegen die Schuldnerin BGHZ 187, 69, 75 ff = ZIP 2010, 2092, 2095 = GmbHR 2010, 1204, dazu EWiR 2010, 757 (Guski); Böcker, DZWIR 2011, 93. 294) Auch zum folgenden BGH, ZIP 2017, 441 m. Anm. Thole, S. 1746 = ZInsO 2017, 501 = NZI 2017, 305. 295) OLG Frankfurt, ZIP 2016, 733, 734 f. mit. Anm. Thole ZIP 2017, 1746 ff. = ZInsO 2016, 580. 296) Nachdrücklich Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 45. 297) K. Schmidt, BB 2008, 1966, 1968.

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Gesellschafterdarlehen

§ 44a InsO begründet in Anlehnung an § 52 InsO eine Ausnahme von § 43 InsO.298) Nach dieser Vorschrift wäre der Drittgläubiger nicht gehindert, in der Insolvenz der Gesellschaft den vollen Betrag anzumelden, obwohl er auch gegen den sicherungsgebenden Gesellschafter vorgehen könnte. Demgegenüber bewirkt § 44a InsO, dass der Gläubiger zunächst aus der Sicherung gegen den Gesellschafter vorgehen muss, ehe er die (Rest-)Forderung als Insolvenzgläubiger der Gesellschaft geltend machen kann.299) Daraus folgt nach der hier vertretenen Auffassung zugleich, dass der Gläubiger auch dann zuerst gegen den Gesellschafter vorgehen muss, wenn ihm die Gesellschaft zusätzlich eine Sicherung bestellt hat, da andernfalls die vorrangige Haftung des Gesellschafters zulasten der unbesicherten Insolvenzgläubiger ausgehöhlt würde.300) Demgegenüber soll jedoch nach Ansicht des Bundesgerichtshofs der Gesellschafter den an den Gläubiger ausgekehrten Betrag zur Masse erstatten, wenn anstelle der Gesellschaftersicherheit die Gesellschaftssicherheit – ggf. erst nach Insolvenzeröffnung und damit im Widerspruch zu § 129 InsO – verwertet wird.301) Am allgemeinen Vorrang der Inanspruchnahme des Gesellschafters ändert es wie nach altem Recht nichts, wenn der sicherungsgebende Gesellschafter vermögenslos ist,302) zumal eine Besicherung durch einen vermögenslosen GmbHGesellschafter in aller Regel nicht sittenwidrig ist.303)

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Wie jeder reguläre Sicherungsgeber hat auch der sicherungsgebende Gesellschafter aus Sicherungsvertrag oder Gesetz einen Freistellungs- und Erstattungsanspruch gegenüber der Gesellschaft (vgl. §§ 670, 774, 1143, 1225 BGB).304) Dieser Anspruch ist anders als nach altem Eigenkapitalersatzrecht nicht mehr analog § 30 Abs. 1

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_____________ 298) BGHZ 193, 378, 383 Rn. 13 = ZIP 2012, 1869 = GmbHR 2012, 1181, dazu EWiR 2012, 669 (Spliedt); str., zum Meinungsstand und zu den Konsequenzen für die Berechnung Spliedt, ZIP 2009, 149, 155 f; a. A. Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 282 f. 299) BGHZ 200, 210, 217 Rn. 18 = ZIP 2014, 584 = GmbHR 2014, 417, dazu EWiR 2014, 215 (Spliedt); Thole, ZIP 2015, 1609, 1614 f. 300) K. Schmidt, BB 2008, 1966, 1970; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 58; N. M. Schmidt, ZInsO 2010, 70; Gundlach/Frenzel/Strandmann, DZWIR 2010, 232; Cranshaw/Michel/Paulus-Zenker, Bankenkommentar InsR, § 135 InsO Rn. 30; Thiessen, ZGR 2015, 396, 424 f; a. A. Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325, 328; Spliedt, ZIP 2009, 149, 154. 301) BGHZ 192, 9 = ZIP 2011, 2417, 2418 ff = GmbHR 2012, 86, dazu EWiR 2012, 57 (Henkel), entgegen OLG Hamm (8. Zivilsenat), ZIP 2011, 343, 344 = NZI 2011, 251, dazu EWiR 2011, 195 (Mitlehner), Altmeppen, ZIP 2011, 741; BGH, ZIP 2017, 1632, 1633 m. Anm. Thole, S. 1742 ff. = GmbHR 2017, 1028, 1029 = ZInsO 2017, 1844, dazu EWiR 2017, 565 (K. Schmidt); wie der BGH auch OLG Stuttgart, ZInsO 2012, 2051, 2054 = BB 2012, 3161 sowie bereits OLG Hamm (27. Zivilsenat), ZIP 2011, 1226, 1227 f = ZInsO 2011, 1602 = NZI 2011, 708, dazu EWiR 2010, 679 (Spliedt); zu den Entscheidungen des OLG Hamm Mikolajczak, ZIP 2011, 1285; dem BGH zust. Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 300; Thole, ZIP 2015, 1609, 1613 – Bereicherungsausgleich. 302) OLG Düsseldorf, ZIP 2010, 733, 734 = GmbHR 2009, 1099 = WM 2009, 2117. 303) BGH, ZIP 2003, 288, 289 f = GmbHR 2003, 293 = NJW 2003, 967, dazu EWiR 2003, 563 (Tiedtke); OLG Schleswig, WM 2011, 69, 70 f. 304) K. Schmidt, BB 2008, 1966, 1968. Die Gesellschaft schuldet jedoch keine Freistellung gegenüber einem Gesellschafter, der Bürgschaften von Mitgesellschaftern für einen Gesellschaftskredit gegenüber der finanzierenden Bank absichert, BFH, GmbHR 2011, 557, 560 = BFH/NV 2011, 778.

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gesperrt.305) Er kann als gleichgestellte Forderung vom Gesellschafter jedoch nur nachrangig geltend gemacht werden (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO).306) Zahlt die Gesellschaft auf die Darlehensforderung, erfüllt die Gesellschaft anfechtbar (§ 135 Abs. 2 InsO, § 6a AnfG) den Freistellungsanspruch des Gesellschafters.307) Bereits aus § 143 Abs. 1 InsO, § 11 Abs. 1 AnfG schuldet der Gesellschafter daher Wertersatz für die Erfüllung seines Freistellungsanspruchs.308) Diese Rechtsfolge wird durch § 143 Abs. 3 InsO, § 11 Abs. 3 AnfG konkretisiert. Grundsätzlich muss der Gesellschafter die Schmälerung der Insolvenzmasse bzw. der Befriedigungsmöglichkeiten des einzelnen Gläubigers ausgleichen, die durch Zahlung an den Drittgläubiger entstanden ist. Der sicherungsgebende Gesellschafter soll jedoch durch die Anfechtung nicht schlechter stehen, als er bei Inanspruchnahme durch den Darlehensgeber stünde. Die Anfechtung trifft den Gesellschafter daher nur bis zur Höhe der Bürgschaft bzw. bis zum Wert der sonstigen Sicherheit im Zeitpunkt der Darlehensrückzahlung, aber nur soweit die Gesellschaft die Schuld getilgt hat.309) Hat der Gläubiger innerhalb der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO auf die Inanspruchnahme der Sicherheit verzichtet, entlastet dies den Gesellschafter analog §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO nicht.310) Der Gesellschafter hat eine Ersetzungsbefugnis, kann also anstelle einer Zahlung dem Insolvenzverwalter bzw. dem anfechtenden Gläubiger den Sicherungsgegenstand zur Verfügung stellen.311) 81

Erstattet der Sicherungsgeber den von der Gesellschaft gezahlten Betrag, lebt sein Freistellungs- und Erstattungsanspruch gemäß § 144 Abs. 1 InsO, § 12 AnfG wieder auf. Gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO kann der Sicherungsgeber seinen Anspruch nur als nachrangiger Insolvenzgläubiger geltend machen bzw. sich gemäß § 12 AnfG nur an die regelmäßig zahlungsunfähige Gesellschaft halten.

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Hat die Gesellschaft den Freistellungs- und Erstattungsanspruch des sicherungsgebenden Gesellschafters ihrerseits besichert, so unterliegt eine solche Besicherung ebenso dem regulären Anfechtungstatbestand von § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO, § 6 Abs. 1 Nr. 1 AnfG wie eine Besicherung der Gesellschaft, welche der sicherungsgebende _____________ 305) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 55; Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 281. 306) K. Schmidt, BB 2008, 1966, 1968 f; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 51, dort auch krit. zum irreführenden Verweis auf § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO in § 44a InsO; Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 284; ähnlich Oepen, NZI 2009, 300; zu einer entsprechenden Konstellation nach altem Recht BFH, GmbHR 2008, 721 = DStR 2008, 967 = DB 2008, 1127. 307) BGHZ 200, 210, 217 Rn. 18 = ZIP 2014, 584 = GmbHR 2014, 417, dazu EWiR 2014, 215 (Spliedt). 308) K. Schmidt, BB 2008, 1966, 1969. 309) OLG Stuttgart, ZIP 2012, 834, 836 = GmbHR 2012, 573 = DB 2012, 1031, dazu EWiR 2012, 393 (Hirte/Ede); BGHZ 198, 77, 85 Rn. 22 = ZIP 2013, 1629 = GmbHR 2013, 1034, dazu EWiR 2013, 657 (Plathner/Luttmann), Thole, ZIP 2015, 1609, 1614. 310) OLG Stuttgart, ZIP 2012, 834, 836 ff = GmbHR 2012, 573 = DB 2012, 1031, dazu EWiR 2012, 393 (Hirte/Ede); Altmeppen, ZIP 2016, 2089, 2093 ff; a. A. LG Kleve, ZIP 2015, 988, 989 f = ZInsO 2015, 963 = NZI 2015, 512 m. abl. Anm. Bangha-Szabo; dem LG Kleve i. E. zust. Thole, ZIP 2015, 1609, 1615 f. 311) § 11 Abs. 3 Satz 2 AnfG nennt zweierlei Gläubiger, erstens den besicherten Drittgläubiger und zweitens den anfechtenden Gläubiger.

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Gesellschafterdarlehen

Gesellschafter durch Befriedigung des Drittgläubigers erwirbt (§§ 774, 1143, 1225 BGB i. V. m. §§ 412, 401 BGB). Anders als nach dem alten Eigenkapitalersatzrecht312) kann umgekehrt die Gesellschaft vom Gesellschafter nicht mehr analog §§ 30, 31 Freistellung oder Erstattung verlangen, wenn sie vom Drittgläubiger in Anspruch genommen wird bzw. wurde.313) – Zur Bedeutung eines vertraglich vereinbarten Freistellungsanspruchs für den Überschuldungsstatus siehe Rn. 54.

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VIII. Nutzungsüberlassung (§ 135 Abs. 3 InsO) 1.

Regelungsproblem

Statt eines Darlehens kann der Gesellschafter der Gesellschaft einen Gegenstand zur Nutzung überlassen. Aus Sicht der Gesellschaft ist es wirtschaftlich gleichgültig, ob der Gesellschafter selbst der Gesellschaft einen Gegenstand vermietet oder verpachtet oder ob er ihr zur Anmietung oder Pachtung eines entsprechenden Gegenstands ein verzinsliches Darlehen gewährt. Anders als bei einem Darlehen geht freilich der Gesellschafter bei der Nutzungsüberlassung bezüglich des überlassenen Gegenstands insolvenzrechtlich kein Verlustrisiko ein. Ein Darlehensgeber kann seinen Rückgewähranspruch nur zur Tabelle anmelden (§§ 174 f InsO), während einem Vermieter oder Verpächter ein Aussonderungsrecht zusteht (§ 47 InsO); allerdings nur, soweit das jeweilige Dauerschuldverhältnis beendet wurde (§§ 109, 112 InsO).314) Die Nutzungsüberlassung ist daher nur für die Gesellschaft, nicht aber für den Gesellschafter eine Rechtshandlung, die einem Gesellschafterdarlehen (siehe Rn. 9 ff) wirtschaftlich entspricht (siehe Rn. 14 ff).315) Sie ist daher als solche – anders als vor Eröffnung gestundete bzw. nach Stundung erfüllte Miet- und Pachtzinsforderungen316) – von Nachrang (siehe Rn. 61 f) und Anfechtung (siehe Rn. 63 ff) nicht erfasst.317) Diese aus Sicht des Gesetzgebers bestehende Lücke wird durch § 135 Abs. 3 InsO mit zwingender Wirkung318) geschlossen.319) Sie ersetzt die hochum-

_____________ 312) Zum alten Recht BGH, ZIP 2009, 1806 = GmbHR 2009, 1096 = WM 2009, 1798, dazu EWiR 2010, 81 (Steffek/Schmidt). 313) BGHZ 192, 9 = ZIP 2011, 2417, 2420 = GmbHR 2012, 86, dazu EWiR 2012, 57 (Henkel); Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 56; Thole, ZIP 2015, 1609, 1611. 314) BGH, ZIP 2015, 589, 595 ff Rn. 52 ff = GmbHR 2015, 420 = DB 2015, 796. 315) OLG Schleswig, ZIP 2012, 885, 887 f, dazu EWiR 2012, 321 (Lutz); Bitter, ZIP 2010, 1, 6 f; Scholz-Bitter, GmbHG, Anh.§ 64 Rn. 306; insoweit a. A. Hölzle, ZIP 2009, 1939, 1944 ff. 316) BGH, ZIP 2015, 589, 597 Rn. 69 = GmbHR 2015, 420 = DB 2015, 796; Habersack, ZIP 2007, 2145, 2150; Heinze, ZIP 2008, 110, 111; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 75; Rühle, ZIP 2009, 1358, 1360; weitergehend auch für fristgemäße, von § 142 InsO nicht privilegierte Zahlungen Henkel, ZInsO 2010, 2209. 317) OLG Schleswig, ZIP 2012, 885, 887 f, dazu EWiR 2012, 321 (Lutz); BGH, ZIP 2015, 589, 593 Rn. 40 = GmbHR 2015, 420 = DB 2015, 796; LG Freiburg, ZIP 2014, 336, 337 = ZInsO 2014, 262. 318) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 69, 74. 319) Seibert/Decker, ZIP 2008, 1208, 1211 f.

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Gesellschafterdarlehen

strittene, in Altfällen (siehe § 30 Rn. 187 ff [Thiessen]) fortgeltende Rechtsprechung320) zur eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung analog §§ 30, 31.321) 85

Rechtspolitisch322) „schlichtet“ § 135 Abs. 3 InsO den Konflikt zwischen dem Interesse der Gläubiger, Anleger und Arbeitnehmer am Bestand des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens und dem Interesse des einzelnen Gesellschafters an der anderweitigen Verwertung des überlassenen Gegenstands. Somit entspricht die Vorschrift dem Sanierungsziel der InsO (§ 1 Satz 1 InsO). Dementsprechend ist das Aussonderungsrecht des Gesellschafters gemäß § 135 Abs. 3 Satz 1 InsO nur dann (auf Zeit) gesperrt, wenn der überlassene Gegenstand für die Fortführung des Unternehmens von erheblicher Bedeutung ist. 2.

Voraussetzungen

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Es gelten die allgemeinen Anwendungsvoraussetzungen gemäß § 39 Abs. 4 und 5 InsO (siehe Rn. 25 ff). Insbesondere trifft § 135 Abs. 3 InsO neben Gesellschaftern auch für die nicht eigens erwähnten gesellschaftergleichen Dritten323) und – ebenso wie bei Abtretung einer Darlehensforderung den Zessionar (siehe Rn. 43) – auch den Dritterwerber des überlassenen Gegenstands.324)

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Die Nutzungsüberlassung umfasst die gesetzlich geregelten Fälle von Miete (§ 535 BGB), Pacht (§ 581 BGB) oder Leihe (§ 598 BGB), ebenso den gesetzlich nicht geregelten Leasingvertrag und – zunehmend praxisrelevant – die Lizenzierung von Immaterialgüterrechten.325) Das Überlassungsverhältnis muss bei Verfahrenseröffnung bestehen, da § 135 Abs. 3 InsO die §§ 103 ff InsO modifiziert (siehe Rn. 89). Wurde der Gegenstand rein tatsächlich überlassen, schadet es nicht, wenn der zugrunde liegende

_____________ 320) BGHZ 109, 55, 58 f = ZIP 1989, 1542, 1543 = NJW 1990, 516, dazu EWiR 1990, 371 (Fabritius), K. Schmidt, ZIP 1990, 69 und Büscher/Klusmann, ZIP 1991, 10; BGHZ 121, 31 = ZIP 1993, 189 m. Anm. K. Schmidt, S. 161 = GmbHR 1993, 87, dazu EWiR 1993, 155 (Fleck); BGHZ 127, 1 = ZIP 1994, 1261 = NJW 1994, 2349, dazu EWiR 1994, 1201 (Timm); BGHZ 127, 17 = ZIP 1994, 1441 = NJW 1994, 2760, dazu EWiR 1994, 1107 (Fleck); BGHZ 140, 147 = ZIP 1999, 65 = NJW 1999, 577, dazu EWiR 2000, 31 (v. Gerkan); BGH, ZIP 2005, 484 = GmbHR 2005, 534 = WM 2005, 561, dazu EWiR 2005, 355 (Herbst/Flitsch); BGH, ZIP 2006, 996 = GmbHR 2006, 703 = WM 2006, 1150; BGH, ZIP 2013, 1718 = GmbHR 2013, 1040 = NZG 2013, 1028, dazu EWiR 2014, 207 (Schulz). 321) Krit. Überblick bei Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 64 ff; Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 305; näher zum alten Recht v. Gerkan/ Hommelhoff-Haas/Dittrich, Hdb. Kapitalersatzrecht, Rn. 8.1 ff. 322) Überblick zu den österreichischen Wurzeln des § 135 Abs. 3 InsO aus deutscher Sicht Gehrlein, BB 2011, 3, 8 f. 323) Auch zum Folgenden Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 73; Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 314; a. A. Spliedt, ZIP 2009, 149, 156; Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325, 329; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 174. 324) Rühle, ZIP 2009, 1358, 1364 f; diff. Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 318 ff. 325) Der für das Aussonderungsrecht gemäß § 47 InsO nötige dingliche Charakter des einfachen wie des ausschließlichen Nutzungsrechts ist anerkannt bei BGHZ 180, 344, 353 Rn. 20 = MDR 2009, 1291 = NJW-RR 2010, 186.

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Gesellschafterdarlehen

Vertrag nichtig ist.326) Bei vorheriger Beendigung sind die allgemeinen Anfechtungstatbestände zu prüfen (§§ 130 f, 133 InsO).327) Der überlassene und bei Verfahrenseröffnung noch nicht zurückgezogene328) Gegenstand muss gemäß § 135 Abs. 3 Satz 1 InsO für die Fortführung des von der Gesellschaft getragenen Unternehmens von erheblicher Bedeutung sein. Der Maßstab entspricht demjenigen für Sicherungsmaßnahmen gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO.329) Der hier wohl auf gewerbliche Tätigkeit zielende Unternehmensbegriff ist mit dem weitergehenden Verständnis des GmbH-Rechts (§§ 3 Abs. 1 Satz 2, 10 Abs. 1, 75 Abs. 1, 76) nicht abgestimmt. Es gibt indes keinen Grund, gewerbliche gegenüber ideellen Zwecken zu privilegieren,330) sofern der Schuldner in einer der erfassten Rechtsformen (siehe Rn. 26 f, 30) betrieben wird. Die Vorschrift zielt zwar auf die Sanierung von Unternehmen, doch muss es genügen, wenn der Gegenstand zur Durchführung des Insolvenzverfahrens als Voraussetzung einer etwaigen – auch übertragenden331) – Sanierung benötigt wird.332) Die Vorschrift ist hingegen unanwendbar, wenn eine Fortführung, etwa wegen Wegfalls öffentlichrechtlicher Genehmigungen, von vornherein ausscheidet. Im Einklang mit dem alten Recht sind Standardwirtschaftsgüter seltener von erheblicher Bedeutung als speziell auf die Bedürfnisse des Unternehmens zugeschnittene Gegenstände333) oder eine gesamte Betriebseinrichtung.334)

_____________ 326) Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 317. 327) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 73 mit Rn. 69; Marotzke, ZInsO 2008, 1281, 1285; gegen Anwendung der §§ 130 f InsO: Rühle, ZIP 2009, 1358, 1364; Spliedt, ZIP 2009, 149, 158 f; Gehrlein, BB 2011, 3, 10; mit Blick auf die fehlende Fortführungsrelevanz i. E. auch Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325, 330; weitergehend Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 332. 328) Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 177; zu daraus resultierenden Umgehungsmöglichkeiten Cranshaw/Michel/Paulus-Zenker, Bankenkommentar InsR, § 135 InsO Rn. 39 f. 329) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 164; näher hierzu Haarmeyer in: MünchKomm-InsO, § 21 Rn. 99; Kübler/Prütting/Bork-Preuß, InsO, § 135 Rn. 39, 47; zu den ungeklärten Konsequenzen für § 135 Abs. 3 InsO: Spliedt, ZIP 2009, 149, 156 f; Bitter, ZIP 2010, 1, 12 f; weitergehend Koutsós, ZInsO 2011, 1626, 1628 – Gegenstand muss nicht betriebsnotwendig sein, sondern lediglich „die Unternehmensfortführung in einem gewissen wirtschaftlichem Umfang förder[n]“; diff. nach alternativer Beschaffungsmöglichkeit Scholz-Bitter, GmbHG, Anh.§ 64 Rn. 335 ff. 330) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 80. 331) Spliedt, ZIP 2009, 149, 157; Bitter, ZIP 2010, 1, 12 f; a. A. Gehrlein, BB 2011, 3, 9. 332) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 80. 333) BGHZ 109, 55, 63 f = ZIP 1989, 1542, 1544 f = NJW 1990, 516, dazu EWiR 1990, 371 (Fabritius), K. Schmidt, ZIP 1990, 69 und Büscher/Klusmann, ZIP 1991, 10; OLG Brandenburg, GmbHR 2010, 648, 650. 334) BGHZ 121, 31, 39 ff = ZIP 1993, 189, 192 m. Anm. K. Schmidt, S. 161 = GmbHR 1993, 87, dazu EWiR 1993, 155 (Fleck).

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Anhang zu § 30 3.

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Rechtsfolgen

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Trotz der Platzierung in § 135 InsO ist das Nutzungsrecht des Insolvenzverwalters systematisch keine Anfechtungsfolge.335) Insbesondere sieht das Gesetz keine Wiedereinräumung eines bereits zurückgewährten Gegenstands vor.336) Vielmehr schränkt § 135 Abs. 3 InsO das Aussonderungsrecht gemäß § 47 InsO ein337) und modifiziert die Abwicklung gegenseitiger Verträge nach §§ 103 ff, 108 InsO.338) Der Insolvenzverwalter kann wählen, ob er das der Gesellschaft eingeräumte Nutzungsrecht weiterhin ausüben oder aufgeben will. Zu seinen Gunsten abstrahiert § 135 Abs. 3 InsO von der Frage, ob der Gebrauchsüberlassung ein gegenseitiger Vertrag (§ 103 InsO), insbesondere ein Miet- oder Pachtverhältnis (§ 108 InsO) zugrunde liegt, da ein konkludentes339) Leihverhältnis genügt (siehe Rn. 87). Will der Insolvenzverwalter den überlassenen Gegenstand weiter nutzen, ist das Aussonderungsrecht des Gesellschafters während des Insolvenzverfahrens für maximal ein Jahr nicht durchsetzbar.340)

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Soweit und solange der Insolvenzverwalter den Gegenstand für die Masse zur Nutzung reklamiert, steht dem Gesellschafter ein Ausgleich aus der Masse zu. Das Gesetz vermeidet in § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO insoweit den Ausdruck „Vergütung“, da das Nutzungsrecht gemäß § 135 Abs. 3 Satz 1 InsO unabhängig davon ist, ob ein vergütungspflichtiger Vertrag (fort-)besteht (siehe Rn. 87), der ggf. Vorrang vor § 135 Abs. 3 Satz 1 InsO hat.341) Ob dies in der Vergangenheit der Fall war, ist _____________ 335) LG Kiel, ZIP 2011, 968, 969 = ZInsO 2012, 181 = NZI 2011, 709, dazu EWiR 2011, 543 (Knof), insoweit nicht überholt durch OLG Schleswig, ZIP 2012, 885, dazu EWiR 2012, 321 (Lutz); Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 68; K. Schmidt, ZIP 2010, Beilage Heft 39, S. 15, 24; abgrenzend zu den §§ 130 – 132 InsO Schäfer, NZI 2010, 505, 506 ff. 336) Lutter-Huber/Habersack, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 370, 425 ff; Huber/Habersack, BB 2006, 1, 5; für teleologische Extension des § 135 Abs. 3 InsO bei Beendigung der Überlassung innerhalb der Frist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO hingegen Gruschinske, GmbHR 2010, 179; Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 332. 337) Ganter in: MünchKomm-InsO, § 47 Rn. 436e. 338) Näher OLG Schleswig, ZIP 2012, 885, dazu EWiR 2012, 321 (Lutz); BGH ZIP 2015, 589, 592 ff Rn. 28 ff = GmbHR 2015, 420 = DB 2015, 796; Altmeppen, NJW 2008, 3601, 3607; K. Schmidt, DB 2008, 1727, 1733; K. Schmidt, ZIP 2010, Beilage Heft 39, S. 15, 24; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Bd. 3, §§ 32a/b a. F. Rn. 75 f; Dahl/ Schmitz, NZG 2009, 325, 329; Kübler/Prütting/Bork-Preuß, InsO, § 135 Rn. 41 f; Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 84; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtDahl/Linnenbrink, GmbHG, Systematische Darstellung 6 Rn. 193 ff; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Habersack, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 175; Cranshaw/Michel/Paulus-Zenker, Bankenkommentar InsR, § 135 InsO Rn. 35; Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 348 f; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 171. 339) Dass der Gegenstand ohne vertragliche Grundlage überlassen wird, ist daher unwahrscheinlich, genügt aber, Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 163. 340) Die zeitliche Begrenzung gilt nicht für Altfälle (§ 30 Rn. 187 ff), OLG Jena, ZIP 2011, 572 (LS). 341) LG Kiel, ZIP 2011, 968, 969 = ZInsO 2012, 181 = NZI 2011, 709, dazu EWiR 2011, 543 (Knof), insoweit nicht überholt durch OLG Schleswig, ZIP 2012, 885, dazu EWiR 2012, 321 (Lutz); zu den umstrittenen Konsequenzen bei fortbestehendem Vertrag Marotzke, ZInsO 2008, 1281, 1288 ff; Spliedt, ZIP 2009, 149, 158; Bitter, ZIP 2010, 1, 13; Gehrlein, BB 2011, 3, 9, 10 f.

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Anhang zu § 30

Gesellschafterdarlehen

jedoch für die Höhe des Ausgleichs relevant. Dessen Berechnung orientiert sich an der durchschnittlich im letzten Jahr oder innerhalb einer kürzeren Nutzungsdauer vor Verfahrenseröffnung geleisteten Vergütung. Bedenklich ist es, mit dem Bundesgerichtshof den maßgeblichen Zeitpunkt auf die Antragseröffnung vorzuverlegen und so den Beginn einer verfahrensmäßig bestimmten Frist abweichend vom Gesetz zu bestimmen.342) Unentgeltlich weiternutzen darf der Insolvenzverwalter den überlassenen Gegenstand oder das überlassene Recht nach der Formel des § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO nur, wenn bereits die Überlassung unentgeltlich erfolgt war oder das vereinbarte Entgelt nicht eingefordert oder nicht bezahlt wurde.343) Rechtsunsicher und deshalb abzulehnen ist eine Reduzierung der Vergütung auf einen angemessenen Betrag,344) sofern dies nicht gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 geboten ist.345) Der Ausgleichsanspruch gemäß § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO wird voraussichtlich das Verhalten der Gesellschafter und deren Berater346) verändern. Bislang ließen die Gesellschafter Miet- und Pachtzinsen in der Krise häufig stehen. Sie schonten so die Liquidität der Gesellschaft, setzten sich aber dem Risiko aus, dass ihre Forderungen auf Miete und Pacht als eigenkapitalersetzend eingestuft wurden. Dieses Risiko besteht nach neuem Recht fort, da die gestundeten Forderungen darlehensgleichen Charakter annehmen (siehe Rn. 16). Hängt nunmehr von der geleisteten (nicht nur: geschuldeten) Vergütung der Ausgleichsanspruch in der Insolvenz ab, werden die Gesellschafter darauf dringen, dass bei bevorstehender Insolvenz vor allem ihre Miet- und Pachtforderungen befriedigt werden.347) Dies benachteiligt notwendig andere, externe Gläubiger. Obwohl § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO voraussetzt und damit gestattet, dass im letzten Jahr vor Verfahrenseröffnung Vergütung gezahlt wird, bleiben Zahlungen im Drei-Monats-Zeitraum als kongruente Deckung (§ 130 InsO) anfechtbar und gehen daher auch nicht in den Ausgleichsanspruch des Gesellschafters ein.348) Wer zum hierfür maßgeblichen Zeitpunkt die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft kannte oder vom Eröffnungsantrag wusste (§ 130 Abs. 1 InsO), wer die Augen davor verschlossen hat (§ 130 Abs. 2 InsO) oder wem gegenüber aufgrund zu großer Nähe eines von beiden vermutet wird (§ 130 Abs. 3), ist nicht schutzwürdig. Erst recht gilt dies bei vorsätzlicher Benachteiligung (§ 133 InsO). Nur in einem solchen Fall ist die Forderung der Vergütung auch als existenzvernichtender Eingriff (§ 826 BGB, siehe § 30 Rn. 156 ff [Thiessen]) _____________ 342) BGH, ZIP 2015, 589, 595 Rn. 56 = GmbHR 2015, 420 = DB 2015, 796; dafür aber bereits zuvor Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 345; Bitter, ZIP 2010, 1, 12. 343) Seibert, MoMiG, S. 44; Scholz-Bitter, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 344; a. A. Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 221 f. 344) So aber Bitter, ZIP 2010, 1, 11; zust. Gehrlein, BB 2011, 3, 9. 345) Spliedt, ZIP 2009, 149, 158. 346) K. Schmidt, ZIP 2010, Beilage zu Heft 39, S. 15, 24 f. 347) Krit. hierzu Goette in: R. Schröder, Reform des GmbH-Rechts, S. 22. 348) Marotzke, ZInsO 2008, 1281, 1286 f – teleologische Reduktion des § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO; zust. Spliedt, ZIP 2009, 149, 157; Rühle, ZIP 2009, 1358, 1362; Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325, 330 – Zurückbehaltungsrecht; Bitter, ZIP 2010, 1, 11 f – Entgeltreduktion als Nachschusspflicht wegen materieller Unterkapitalisierung; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 167.

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Gesellschafterdarlehen

zu verstehen.349) Eine Geschäftsführerhaftung gemäß § 64 Satz 3 kommt hingegen nicht in Betracht, weil der Geschäftsführer hiermit eine vom Gesetz vorausgesetzte Zahlung leistet und daher seiner Sorgfaltspflicht genügt.350) 92

Anders als nach der alten Rechtsprechung351) muss der Gesellschafter, dem der Gegenstand durch Vollstreckung seiner eigenen Gläubiger entzogen wird, nicht mehr den Wert der entgangenen Nutzungsmöglichkeit in Geld ersetzen.352) Gegenüber einem seinerseits insolventen Gesellschafter endet das Nutzungsrecht des Insolvenzverwalters spätestens mit Ablauf des Monats, welcher der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Gesellschafters folgt (§ 110 Abs. 1 InsO).353) Bei Insolvenz eines Lizenzgebers sollen die vergebenen Lizenzen künftig (wieder) insolvenzfest sein.354) IX. Beweislast

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Die Gesellschaft bzw. deren Insolvenzverwalter muss nach allgemeinen Regeln die sachlichen und persönlichen Voraussetzungen der Finanzierungshilfe355) und der Anfechtbarkeit beweisen,356) ebenso wie die Nutzungsüberlassung und die Bedeutung des überlassenen Gegenstandes. Entsprechendes gilt, soweit das AnfG gleichlautende Regeln enthält, für den anfechtenden Gläubiger. Der Finanzier muss die Voraussetzungen des Kleinbeteiligungs- und des Sanierungsprivilegs beweisen.357) Für die gemäß § 129 InsO erforderliche Gläubigerbenachteiligung spricht ein Anscheinsbeweis, dass in dem eröffneten Verfahren die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um alle Gläubigeransprüche zu befriedigen.358) _____________ 349) Zurückhaltend K. Schmidt, ZIP 2010, Beilage Heft 39, S. 15, 25. 350) K. Schmidt, ZIP 2010, Beilage Heft 39, S. 15, 25 unter Hinweis auf BGH, ZIP 2007, 1265 = GmbHR 2007, 757 = NJW 2007, 2118, dazu EWiR 2007, 495 (Henkel/Mock), Wilhelm, ZIP 2007, 1781; gegen Weiterzahlung die Empfehlung von Pentz in: FS Hüffer, S. 747, 763. 351) BGHZ 140, 147, 150 ff = ZIP 1999, 65, 66 ff = NJW 1999, 577, dazu EWiR 2000, 31 (v. Gerkan); BGH, ZIP 2005, 484, 485 f = GmbHR 2005, 534 = WM 2005, 561, dazu EWiR 2005, 355 (Herbst/Flitsch); BGH, ZIP 2005, 660, 661 f = GmbHR 2005, 538 = WM 2005, 747. 352) Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325, 331; Gehrlein, BB 2011, 3, 10; diff. Bitter, ZIP 2010, 1, 13 f. 353) BGH, ZIP 2008, 1176, 1177 f = GmbHR 2008, 761 = NJW 2008, 2188, dazu EWiR 2008, 555 (Burg/Blasche); für Fortgeltung im neuen Recht Gehrlein, BB 2011, 3, 10; diff. Fischer, ZfIR 2010, 312; zweifelnd Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 178; abl. Cranshaw/Michel/Paulus-Zenker, Bankenkommentar InsR, § 135 InsO Rn. 46. 354) Der RegE eines Gesetzes zur Entschuldung mittelloser Personen, zur Stärkung der Gläubigerrechte sowie zur Regelung der Insolvenzfestigkeit von Lizenzen, BT-Drucks. 16/7416, S. 8, 24, 29 ff (§ 108a InsO-E), ist nach Ablauf der 16. Legislaturperiode nicht weiterverfolgt worden, dazu monographisch Daneshzadeh Tabrizi, Lizenzen in der Insolvenz nach dem Scheitern des Gesetzes zur Einführung eines § 108a InsO. Gleichfalls nicht umgesetzt wurde der vom BMJ am 18.1.2012 vorgelegte RefE eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen. Zur gegenwärtigen Rechtslage mit Blick auf §§ 103, 108, 112 InsO BGH, ZIP 2006, 87, 89 f = NJW 2006, 915 = WM 2006, 144, dazu EWiR 2006, 119 (Bärenz); näher Thiessen, ZGR 2015, 396, 427 f. 355) Zum Erhalt des Darlehens OLG Frankfurt, Urt. v. 23. November 2016 – 13 U 198/15, juris, Rn. 24 ff. 356) Gehrlein in MünchKomm-InsO, § 135 Rn. 42. 357) Zum Sanierungsprivileg OLG Brandenburg, Urt. v. 13.4.2016 – 7 U 202/14, juris, Rn. 5. 358) BGHZ 200, 210, 218 f Rn. 20 = ZIP 2014, 584 = GmbHR 2014, 417, dazu EWiR 2014, 215 (Spliedt).

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§ 31

Erstattung verbotener Rückzahlungen

§ 31 Erstattung verbotener Rückzahlungen Jan Thiessen

(1) Zahlungen, welche den Vorschriften des § 30 zuwider geleistet sind, müssen der Gesellschaft erstattet werden. (2) War der Empfänger in gutem Glauben, so kann die Erstattung nur insoweit verlangt werden, als sie zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist. (3) 1Ist die Erstattung von dem Empfänger nicht zu erlangen, so haften fur den zu erstattenden Betrag, soweit er zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist, die übrigen Gesellschafter nach Verhältnis ihrer Geschäftsanteile. 2 Beiträge, welche von einzelnen Gesellschaftern nicht zu erlangen sind, werden nach dem bezeichneten Verhältnis auf die übrigen verteilt. (4) Zahlungen, welche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen zu leisten sind, können den Verpflichteten nicht erlassen werden. (5) 1Die Ansprüche der Gesellschaft verjähren in den Fällen des Absatzes 1 in zehn Jahren sowie in den Fällen des Absatzes 3 in fünf Jahren. 2Die Verjährung beginnt mit dem Ablauf des Tages, an welchem die Zahlung, deren Erstattung beansprucht wird, geleistet ist. 3In den Fällen des Absatzes 1 findet § 19 Abs. 6 Satz 2 entsprechende Anwendung. (6) 1Für die in den Fällen des Absatzes 3 geleistete Erstattung einer Zahlung sind den Gesellschaftern die Geschäftsführer, welchen in betreff der geleisteten Zahlung ein Verschulden zur Last fällt, solidarisch zum Ersatz verpflichtet. 2Die Bestimmungen in § 43 Abs. 1 und 4 finden entsprechende Anwendung. Literatur: Altmeppen, Ausfall- und Verhaltenshaftung des Mitgesellschafters in der GmbH. Zugleich Besprechung des BGH-Urteils vom 25.2.2002 – II ZR 196/00, ZIP 2002, 848, ZIP 2002, 961; Benecke, Der Erstattungsanspruch nach § 31 Abs. 1 GmbHG bei anderweitig aufgefülltem Stammkapital. Anmerkungen zu BGH ZIP 2000, 1251 – Balsam/ Procedo, ZIP 2000, 1969; Bitter, Rechtsperson und Kapitalerhaltung – Gesellschafterschutz vor „verdeckten Gewinnausschüttungen“ bei Kapital- und Personengesellschaften, ZHR 168 (2004) 302; Carlé/Bauschatz, Verzinsung des Erstattungsanspruchs nach § 31 GmbHG im Zivil- und Steuerrecht, ZIP 2001, 1351; Kort, Das Verhältnis von Auszahlungsverbot (§ 30 Abs. 1 GmbHG) und Erstattungspflicht (§ 31 GmbHG), ZGR 2001, 615, 629 f, 632 ff; G. Müller, Fortbestand oder Untergang des Erstattungsanspruchs aus § 31 GmbHG bei Wegfall der Auszahlungssperre?, ZIP 1996, 941; K. Schmidt, Zum Kapitalschutz in der GmbH nach §§ 30, 31 GmbHG, JZ 2008, 735; Servatius, Über die Beständigkeit des Erstattungsanspruchs wegen Verletzung des Stammkapitals, GmbHR 2000, 1028; Thiessen, Zur Neuregelung der Verjährung im Handels- und Gesellschaftsrecht, ZHR 168 (2004) 503; Ulmer, Gesellschafterhaftung gegenüber der GmbH bei Vorteilsgewährung unter Verstoß gegen § 30 Abs. 1 GmbHG, in: Festschrift 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 363. Übersicht I. Zweck der Norm .................................. II. Erstattungsanspruch der Gesellschaft (Abs. 1) ....................................... 1. Verstoß gegen § 30 ................................ 2. Weiter Zahlungsbegriff ......................... 3. Anspruchsinhaber – Geltendmachung .................................................

1 3 3 6 7

a) Aktivlegitimation der Gesellschaft ......................................... 7 b) Geltendmachung ............................ 8 c) Abtretung des Erstattungsanspruchs ...................................... 10 d) Pfändung und Überweisung ........ 15 e) GmbH & Co. KG ........................ 16

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§ 31 4.

Erstattung verbotener Rückzahlungen

Anspruchsgegner – einbezogene Gesellschafter und Dritte ................... 17 a) Gesellschafter – Anteilserwerber ........................................ 17 b) Zessionar eines Auszahlungsanspruchs ...................................... 20 c) Mitberechtigung ........................... 21 d) Dritte – nahestehende Personen ....................................... 22 e) Mittelbare Gesellschafter ............ 23 f) Nur-Kommanditist ...................... 24 5. Fälligkeit .............................................. 25 6. Umfang ................................................ 26 a) Gesamte verbotene Leistung ....... 26 b) Verzinsung ................................... 27 c) Kein Wegfall bei Wiederauffüllung des Stammkapitals ........... 28 7. Erfüllung des Erstattungsanspruchs ................................................. 30 a) Grundsatz: Erstattung in Natur ........................................ 31 b) Ausnahme: Wertersatz ................ 35 III. Einschränkung zugunsten gutgläubiger Empfänger (Abs. 2) .... 39 1. Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit als Maßstab für Gutgläubigkeit .......... 40 2. Gläubigerbefriedigung als Maßstab für den Erstattungsanspruch .............. 44 a) Zahlungsunfähigkeit .................... 46 b) Überschuldung ............................. 48 c) Maßgeblicher Zeitpunkt .............. 50 d) Erstattung im Verhältnis der erhaltenen Leistungen .................. 53 e) Anfechtung ................................... 54 IV. Anteilmäßige Ausfallhaftung der übrigen Gesellschafter (Abs. 3) ........ 55 1. Ausfall des erstattungspflichtigen Empfängers .......................................... 56 2. Gläubigerbefriedigung als Maßstab für die Ausfallhaftung ......................... 59

I. 1

3.

Einbezogene Gesellschafter – maßgeblicher Zeitpunkt ...................... 61 a) Gesellschafter ............................... 62 b) Ausfallhaftung der Gesellschaft aus eigenen Anteilen? .................. 66 c) GmbH & Co. KG ........................ 68 4. Abgestufte Pro-rata-Haftung der Mitgesellschafter ................................. 69 5. Beschränkung der Ausfallhaftung auf die Höhe des Stammkapitals ........ 72 V. Erlassverbot (Abs. 4) .......................... 75 1. Aufrechnung ........................................ 76 2. Stundung – Annahme an Erfüllungs statt ....................................................... 77 3. Abtretung ............................................ 78 4. Vergleich .............................................. 79 VI. Verjährung (Abs. 5) ........................... 82 1. Zehn-Jahres-Frist gegenüber dem Empfänger ................................... 87 2. Fünf-Jahres-Frist gegenüber den Mitgesellschaftern ........................ 91 3. Verjährungsbeginn .............................. 93 4. Ablaufhemmung .................................. 95 5. Übergangsrecht ................................... 97 VII. Gesamtschuldnerische Geschäftsführerhaftung gegenüber Gesellschaftern (Abs. 6) .................. 100 1. Tatsächliche Erstattung durch Mitgesellschafter ............................... 102 2. Einbezogene Geschäftsführer .......... 103 3. Bezugspunkt des Verschuldens ........ 106 4. Verschuldensmaßstab (§ 43 Abs. 1) ...................................... 107 5. Gesamtschuldnerische Haftung ....... 110 6. Verjährung (§ 43 Abs. 4) .................. 114 VIII. Abgrenzung zu anderen Ansprüchen ...................................... 116 IX. Beweislast .......................................... 121

Zweck der Norm

§ 31 ist die Sanktionsnorm für Verstöße gegen § 30. Dementsprechend dient § 31 dazu, den Kapitalerhaltungszweck des § 30 (siehe § 30 Rn. 1 ff [Thiessen]) zu verwirklichen, und zwar durch „Wiederherstellung einer durch eine verbotene Leistung geschmälerten Kapitaldeckung“ (zu den umstrittenen Konsequenzen siehe Rn. 30 ff).1) Die zwingende (Abs. 4) Vorschrift gibt der Gesellschaft einen umfassenden Erstattungsanspruch (Abs. 1), steuert den Haftungsumfang, den Kreis der ersatzpflichtigen Personen und deren Anteil an der Haftung (Abs. 2, 3 und 6) sowie die Verjährung (Abs. 5). _____________ 1)

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K. Schmidt, JZ 2008, 735, 736; im Ausgangspunkt ähnlich Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn. 1, 8, 14; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 2.

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§ 31

Erstattung verbotener Rückzahlungen

Abgesehen von der Paragraphenüberschrift ist § 31 vom MoMiG nicht unmittelbar betroffen. Mittelbare Auswirkungen auf nach altem Recht entstandene Erstattungsansprüche werden bei § 30 kommentiert (siehe § 30 Rn. 189 [Thiessen]). Die Verjährung gemäß den Absätzen 5 und 6 Satz 2 sowie die dortige Klarstellung zur Haftung der Geschäftsführer beruht auf einer Änderung aus dem Jahre 2004 (Siehe Rn. 82 ff).

2

II. Erstattungsanspruch der Gesellschaft (Abs. 1) 1.

Verstoß gegen § 30

Die Gesellschaft hat gemäß Absatz 1 einen Erstattungsanspruch gegen den Empfänger einer nach § 30 verbotenen Zahlung. Der Haftungstatbestand des § 31 Abs. 1 enthält demnach keine originären Voraussetzungen, sondern wird von § 30 bestimmt.2) Sanktioniert ist jegliche Zahlung (siehe § 30 Rn. 34 ff [Thiessen]) entgegen „den Vorschriften des § 30“. Erfasst ist damit sowohl die Erhaltung des Stammkapitals nach § 30 Abs. 1 als auch die Erhaltung des Nachschusskapitals nach § 30 Abs. 2 einschließlich der für die Rückzahlung von Nachschüssen geltenden Formvorschriften.3)

3

Der Verstoß wird anhand der für § 30 kennzeichnenden bilanziellen Betrachtungsweise (siehe § 30 Rn. 6, 13 ff [Thiessen]) festgestellt. Ob die Auszahlung materiell den Bestand der Gesellschaft gefährdet hat, ist nur i. R. d. Geschäftsführerhaftung (§ 64) und der deliktischen Haftung, insbesondere wegen existenzvernichtenden Eingriffs (siehe § 30 Rn. 156 ff [Thiessen]), von Belang. Eine Haftung für materielle Unterkapitalisierung kennt das GmbH-Recht auch nach dem MoMiG nicht (siehe § 30 Rn. 157 [Thiessen]). Unberührt bleibt die Insolvenz- und Gläubigeranfechtung4) (§ 129 ff InsO, AnfG; siehe Rn. 9, 13, 15, 22, 32 f, 54, 80; ebenso siehe § 30 Rn. 149 ff [Thiessen] und Anhang zu § 30 Rn. 63 ff [Thiessen]).

4

Die Anknüpfung an § 30 begründet für § 31 einen objektiven Haftungsmaßstab (siehe Rn. 59). Subjektive Elemente werden allerdings dadurch berücksichtigt, dass der gutgläubige Empfänger unter Umständen in geringerem Maße haftet (§ 31 Abs. 2, siehe Rn. 39 ff).

5

2.

Weiter Zahlungsbegriff

Da § 31 auf § 30 aufbaut, gilt für den Erstattungsanspruch ebenso wie für das ihm zugrunde liegende Auszahlungsverbot ein weiter Zahlungsbegriff.5) Haftungsauslösend ist jede Minderung des Aktivvermögens, das nicht durch eine vollwertige Gegenleistung oder einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 ausgeglichen wird, gleich in welcher Form das Vermögen abfließt (siehe § 30 Rn. 34 ff [Thiessen]). Ein ähnlich weiter Zahlungsbegriff liegt auch § 64 zugrunde (siehe § 64 Rn. 13 ff [Bork]). _____________ 2) 3) 4) 5)

BGHZ 144, 336, 341 = ZIP 2000, 1251, 1253 = NJW 2000, 2577, dazu Benecke, ZIP 2000, 1969. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 5; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 7; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 8. Näher Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 10. Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 8.

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6

§ 31 3.

Erstattung verbotener Rückzahlungen

Anspruchsinhaber – Geltendmachung

a) Aktivlegitimation der Gesellschaft 7

Der Anspruch aus § 31 Abs. 1 steht der Gesellschaft zu. Die Vorschrift bewirkt also eine Innenhaftung, von der Gesellschafter oder Gläubiger nur mittelbar profitieren. Die Innenhaftung ist rechtspolitisch und rechtshistorisch nicht selbstverständlich. Anders als die Parallelnorm des § 62 AktG6) waren deren Vorläufer ausdrücklich als Anspruch der Gesellschaftsgläubiger ausgestaltet (Art. 197 Abs. 3 ADHGB 1861, Art. 198 ADHGB 1884; § 217 HGB 1897; § 56 AktG 1937).7) Reminiszenzen hiervon enthalten die §§ 62 Abs. 2, 93 Abs. 5, 116, 117 Abs. 5, 309 Abs. 4 Satz 3, 310 Abs. 4, 317 Abs. 4, 318 Abs. 4 AktG (siehe Rn. 8). Das seit jeher im GmbH-Recht8) und seit 1965 grundsätzlich auch im Aktienrecht geltende Konzept der Innenhaftung hat der Bundesgerichtshof nun i. R. d. § 826 BGB auf die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs übertragen (siehe § 30 Rn. 160 [Thiessen]). b) Geltendmachung

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Der Anspruch wird grundsätzlich vom Geschäftsführer als organschaftlichem Vertreter der Gesellschaft geltend gemacht (§ 35). Da die Geschäftsführer in Bezug auf Amtsführung und Anstellungsverhältnis häufig von Gesellschaftern abhängig sind, gegen die sie eigentlich vorgehen müssten, wird der Anspruch in der Praxis häufig erst vom Insolvenzverwalter geltend gemacht (§§ 80, 148 Abs. 1 InsO).9) Erfolgt die Auflösung außerhalb der Insolvenz, wird der Anspruch durch die Liquidatoren (§ 66) geltend gemacht. Gesellschafter können im wegen der actio pro socio vorgehen.10) Gläubiger können – anders als bei der AG (§ 62 Abs. 2 AktG) – den Anspruch der Gesellschaft auch außerhalb des Insolvenzverfahrens nicht in Prozessstandschaft geltend machen.11) Die Sondervorschriften der §§ 62 Abs. 2, 93 Abs. 5, 116, 117 Abs. 5, 309 Abs. 4 Satz 3, 310 Abs. 4, 317 Abs. 4, 318 Abs. 4 AktG sind nicht analog anwendbar.12) Der GmbH-Gesetzgeber hat weder die früheren aktienrechtlichen Direktansprüche der Gläubiger (siehe Rn. 7) noch deren neuere _____________ 6) Hierzu Kropff, AktG-Textausgabe, 1965, S. 82 f; zur Entstehungsgeschichte näher Bayer in: MünchKomm-AktG, § 62 Rn. 2 ff. 7) Vgl. Staub, ADHGB, 1896, Anm. zu Art. 198, Art. 218 § 6; Brodmann, Aktienrecht, § 217 Anm. 1; Schlegelberger, AktG, § 56 Rn. 3. 8) Förtsch, GmbHG, 1899, § 31 Anm. 2. 9) Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 2, 17. 10) Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn. 5 – „actio pro societate“; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 11. 11) RGZ 92, 77, 81; ein Direktanspruch gegen die Aktionäre folgte seinerzeit aus § 217 Abs. 1 Satz 1 HGB 1897 (Rn. 7); zur Begr. dieser Vorschrift Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs und eines Einführungsgesetzes, in: Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Bd. 2, 2. Halbband, S. 1061 f; zum heutigen Verständnis Bayer in: MünchKomm-AktG, § 62 Rn. 83 ff, 88 ff. 12) BGHZ 68, 312, 322 = NJW 1977, 1449, 1451 = GmbHR 1977, 198; i. E. auch BGHZ 110, 342, 360 = ZIP 1990, 578, 585 = NJW 1990, 1725, dazu EWiR 1990, 479 (Bergmann); gegen eine Analogie Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 21; für eine Analogie Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 31 Rn. 9, § 43 Rn. 94 ff m. w. N. – zur Differenzierung nach Ansprüchen gegen Gesellschafter/Liquidatoren und Gesellschafter.

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§ 31

Erstattung verbotener Rückzahlungen

Verfolgungsrechte für Ansprüche der Gesellschaft übernommen (zum Verhältnis zur Pfändung siehe Rn. 15). Einen Bereicherungsanspruch gegen den Empfänger haben die Gläubiger nicht, weil die in §§ 30, 31 speziell sanktionierte ungerechtfertigte Vermögensverschiebung nicht unmittelbar „auf Kosten“ der Gläubigers, sondern der Gesellschaft erfolgt.13) Wird der Anspruch aus Absatz 1 nicht geltend gemacht, kann darin eine anfechtbare Rechtshandlung liegen. Insbesondere bei den sog. „Bestattungsfällen“14) kommt eine Anfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung in Betracht (§ 133 InsO, § 3 AnfG).15) Die verbotene Auszahlung als solche (siehe § 30 Rn. 36 [Thiessen]) kann als unentgeltliche Zuwendung (§ 134 InsO, § 4 AnfG) anfechtbar sein. In beiden Fällen haftet der Geschäftsführer aus § 43 Abs. 3.16)

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c) Abtretung des Erstattungsanspruchs Die Gesellschaft kann den Erstattungsanspruch abtreten. Das Bedürfnis der Gesellschaft, den Erstattungsanspruch zu verwerten, war ein wesentliches Argument für die grundlegenden Balsam/Procedo-Entscheidungen des II. Zivilsenats,17) nach denen eine nachhaltige Besserung der Vermögenslage der Gesellschaft einen entstandenen Erstattungsanspruch nicht entfallen lässt (siehe Rn. 28). Der Abtretung kann einerseits ein Verkauf zugrunde liegen, andererseits kann die Gesellschaft den Anspruch solvendi causa an einen Gläubiger abtreten, soweit dieser die Abtretung an Erfüllungs statt (§ 364 Abs. 1 BGB) akzeptiert. In beiden Fällen der Verwertung ist zu unterscheiden, ob der Zessionar Gesellschafter oder Dritter ist.

10

Dass die Gesellschaft einen werthaltigen Anspruch nicht „verschleudern“ darf, versteht sich von selbst.18) Dem Geschäftsführer würden in einem solchen Fall nicht nur Ersatzansprüche (§ 43), sondern auch strafrechtliche Sanktionen (§ 266 StGB) drohen (siehe § 30 Rn. 89 [Thiessen]). Die Gegenleistung des Erwerbers darf den Nennwert des Erstattungsanspruchs daher nur unterschreiten, wenn dessen Realisierbarkeit fraglich ist.

11

Bei Gesellschaftern sind die Grenzen der Kapitalerhaltung gemäß § 30 zu beachten, was sich über § 43 Abs. 3 auch für die Geschäftsführer auswirkt. Gegenüber Gesellschaftern wird man daher wie bei der Kapitalaufbringung verlangen müssen, dass der Erstattungsanspruch nicht zum Nachteil außenstehender Gesellschaftsgläubiger an einen Gesellschafter abgetreten wird, um eine nicht vollwertige

12

_____________ 13) RGZ 92, 77, 82 f; zur heutigen Interpretation des Merkmals „auf Kosten“ Schwab in: MünchKomm-BGB, § 812 Rn. 270 ff. 14) Hierzu RegE eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen – MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 26, 53 = Seibert, MoMiG, S. 98 f; Kleindiek, ZGR 2007, 276, 277 ff, 288 ff. 15) BGHZ 165, 343, 349 = ZIP 2006, 243, 244 ff = ZVI 2006, 118. 16) BGHZ 148, 167 = ZIP 2001, 1458, 1459 = GmbHR 2001, 771, dazu EWiR 2001, 917 (Keil). 17) BGHZ 144, 336 = ZIP 2000, 1251 = NJW 2000, 2577, dazu Benecke, ZIP 2000, 1969; BGH, ZIP 2000, 1256; BGH, NZG 2000, 888. 18) BGH, ZIP 1994, 1934, 1939 m. Anm. Altmeppen = GmbHR 1995, 38 = NJW 1995, 326, insoweit in BGHZ 127, 336 nicht abgedr., dazu EWiR 1995, 157 (Fleck); vgl. Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 31 Rn. 13; Altmeppen, NZG 2000, 887 (Urteilsanm.).

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§ 31

Erstattung verbotener Rückzahlungen

Forderung dieses Gesellschafters bevorzugt zu befriedigen19) (zur Anfechtbarkeit in diesem Fall siehe Rn. 13). Dabei geht es nicht nur um einen Gesellschafter, der selbst Schuldner des Erstattungsanspruchs ist (zur Aufrechnung siehe Rn. 76). Auch ein anderer Gesellschafter darf den Erstattungsanspruch nur dann erhalten, wenn er seinen eigenen Anspruch gegen die Gesellschaft realisieren könnte oder – im Falle der Liquidation – andere Gläubiger nicht mehr zu erwarten sind (aber siehe § 30 Rn. 152 [Thiessen]). 13

Gegenüber einem Nichtgesellschafter gelten die §§ 30, 31 jedoch grundsätzlich nicht (zu Ausnahmen siehe § 30 Rn. 95 ff [Thiessen], zum Verhältnis zu § 31 Abs. 4 siehe Rn. 78). Seine Gegenleistung bzw. sein durch Abtretung erfüllter Gegenanspruch muss daher nicht unter allen Umständen vollwertig sein.20) Insbesondere ist es der Gesellschaft nicht verboten, ihren vollwertigen Erstattungsanspruch an einen ihrer Gläubiger abzutreten, damit er sich wegen seiner Forderung befriedigen kann.21) Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Gesellschaftsgläubiger seine Forderung gegenüber der Gesellschaft hätte realisieren können. Zwar gibt die Gesellschaft hier unter Umständen einen vollwertigen Erstattungsanspruch auf, obwohl sie selbst gegenüber dem Gläubiger kein vollwertiger Schuldner mehr war. Ein Verstoß gegen die Kapitalerhaltung liegt darin jedoch nicht, weil die Gesellschaft in dem Umfang ihre Verbindlichkeiten reduziert, in welchem der Gläubiger von dem Gesellschafter Befriedigung erlangt. Auf diese Weise erspart es sich die Gesellschaft, selbst kostenaufwendig gegen den Gesellschafter vorzugehen und anschließend den Gläubiger zu befriedigen. Wie eine solche Zahlung unterliegt aber auch die Abtretung des Erstattungsanspruchs der Insolvenz- und Gläubigeranfechtung.22) In Betracht kommt nicht nur die Anfechtung wegen kongruenter Deckung (§ 130 InsO) – der Gesellschaftsgläubiger erhält grundsätzlich, was ihm zusteht, sondern auch jene wegen inkongruenter Deckung (§ 131 InsO), da der Gläubiger die Befriedigung zumeist nicht in dieser Art zu beanspruchen hatte.23) Mit der Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO, § 3 AnfG) können zudem sehr weit zurückliegende Abtretungsvorgänge angefochten werden (siehe § 30 Rn. 149 ff [Thiessen]).

14

Wegen der bei Vollstreckung ähnlichen Wirkungen (§§ 1279 ff BGB) steht die Verpfändung der Abtretung gleich.24) Auch insoweit dürfte wegen der Vollwertigkeit der Gegenleistung danach zu differenzieren sein, an wen der Erstattungsanspruch verpfändet wird (siehe Rn. 12 f). _____________ 19) Auch zum Folgenden BGHZ 53, 71, 74 = GmbHR 1970, 122 = NJW 1970, 469 unter Hinweis auf RGZ 149, 293, 295 ff; RGZ 156, 23, 25. 20) Vgl. Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn. 4; Michalski/Heidinger/Leible/ J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 31 Rn. 9; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 19; zur früher gegenteiligen h. M. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 6; weiterhin krit. Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 13. 21) Auch zum Folgenden BGHZ 69, 274, 282 = NJW 1978, 160, 162 = GmbHR 1978, 64. 22) Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn. 4; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 4; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 19. 23) Vgl. Graf-Schlicker-Huber, InsO, § 131 Rn. 5. 24) Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 13; Ekkenga in: MünchKommGmbHG, § 31 Rn. 20.

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§ 31

Erstattung verbotener Rückzahlungen

d) Pfändung und Überweisung Ein Gläubiger der Gesellschaft kann deren Erstattungsanspruch pfänden und sich zur Einziehung oder an Zahlungs statt überweisen lassen (§§ 829, 835 ZPO).25) Außer durch Abtretung (siehe Rn. 10 ff) und Anfechtung (§ 11 AnfG; siehe Rn. 9, 13, 15, 22, 32 f, 54, 80)26) können sich die Gläubiger einer GmbH nur durch Pfändung und Überweisung einen unmittelbaren Anspruch gegen den Gesellschafter verschaffen. Ein Verfolgungsrecht des Gesellschaftsanspruchs besteht nicht, da das GmbH-Recht eine dem § 62 Abs. 2 AktG entsprechende Regelung nicht kennt (siehe Rn. 7 f). Der Weg über § 823 Abs. 2 BGB ist verschlossen, da § 30 das Gesellschaftsvermögen und so nur mittelbar die Gläubigerinteressen schützt.27) Allerdings zeigt § 62 Abs. 2 AktG, dass eine Abtretung des Erstattungsanspruchs an einen Gesellschaftsgläubiger (siehe Rn. 13) ebenso wie die Pfändung durch einen Gesellschaftsgläubiger nicht gegen die Kapitalerhaltung verstößt, wenn dessen Anspruch gegen die Gesellschaft nicht mehr vollwertig war.28)

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e) GmbH & Co. KG Erfolgt die Zahlung aus dem KG-Vermögen mittelbar zulasten der KomplementärGmbH (siehe § 30 Rn. 46 f [Thiessen]), gesteht die Rechtsprechung die Ansprüche aus § 31 Abs. 1 und 3 (Rn. 68) der KG zu.29) Dagegen spricht, dass mittelbare Belastungen des GmbH-Vermögens zumindest auch30) Sache der GmbH sind.31) Regelmäßig wird der Erstattungsanspruch aber ohnedies von der Komplementär-GmbH geltend gemacht, soweit dieser der dispositiven Gesetzeslage entsprechend die Geschäftsführung zusteht (§§ 164, 161 Abs. 2, 114 HGB). Im Übrigen kann jeder Gesellschafter im Wege der actio pro socio vorgehen,32) was namentlich relevant wird, wenn der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH untätig bleibt. Da die Haftung durch Zahlung aus dem KG-Vermögen ausgelöst wurde, kann die Erstattung in jedem Fall nur zugunsten des KG-Vermögens verlangt werden.33)

_____________ 25) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 6; Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn. 4; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 4; ScholzVerse, GmbHG, § 31 Rn. 8; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 31 Rn. 7; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 12; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 20. 26) Näher Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 10. 27) BGHZ 110, 342 = ZIP 1990, 578 = NJW 1990, 1725, dazu EWiR 1990, 479 (Bergmann). 28) BGHZ 69, 274, 282 = NJW 1978, 160, 162 = GmbHR 1978, 64. 29) BGHZ 60, 324, 329 f = NJW 1973, 1036, 1038 f = GmbHR 1973, 163; zust. etwa Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 6; Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 91. 30) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 7. 31) Diff. Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn. 3, 10; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 10. 32) Für die Komplementär-GmbH BGHZ 60, 324, 329 f = NJW 1973, 1036, 1038, = GmbHR 1973, 163. 33) BGHZ 60, 324, 329 f = NJW 1973, 1036, 1038 = GmbHR 1973, 163.

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§ 31 4.

Erstattung verbotener Rückzahlungen

Anspruchsgegner – einbezogene Gesellschafter und Dritte

a) Gesellschafter – Anteilserwerber 17

Primärer Gegner des Erstattungsanspruchs ist der Empfänger der verbotenen Leistung. Der Verbotsnorm des § 30 entsprechend muss der Empfänger im Zeitpunkt der Zahlung (siehe § 30 Rn. 40 ff [Thiessen]) Gesellschafter gewesen sein.34) Wie i. R. v. § 30 sind unter Umständen auch künftige oder gewesene Gesellschafter und auch Dritte einzubeziehen, wenn es darum geht, Umgehungen des Zahlungsverbots zu begegnen (siehe § 30 Rn. 95 [Thiessen]).

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So bleibt ein ehemaliger Gesellschafter auch nach seinem Ausscheiden der richtige Anspruchsgegner, wenn die Auszahlung in welcher Form auch immer (siehe § 30 Rn. 34 ff [Thiessen]) mit Blick auf seine (frühere) Gesellschafterstellung erfolgt ist (siehe § 30 Rn. 96 [Thiessen]). Ist der ausgeschiedene Gesellschafter aufgrund der Auseinandersetzungsvereinbarung gegenüber dem verbliebenen Alleingesellschafter regressberechtigt, sollte gleichwohl die Gesellschaft nicht gezwungen sein, sich zunächst an den Alleingesellschafter zu halten.35) Dem ausgeschiedenen Gesellschafter steht nur gegenüber dem verbliebenen Alleingesellschafter eine dolo agitEinrede zu, nicht aber gegenüber der Gesellschaft, deren Vermögen wegen § 13 Abs. 1 und 2 gerade nicht identisch ist mit dem Vermögen des Alleingesellschafters. Dies gilt umso mehr, als der Alleingesellschafter jederzeit einen neuen Gesellschafter aufnehmen könnte. Der ausgeschiedene Gesellschafter haftet daher regulär gemäß § 31 Abs. 1 und muss den Regressanspruch gegen den Alleingesellschafter verfolgen. Wird hingegen – insbesondere bei einem Leveraged Buy Out (siehe § 30 Rn. 84 [Thiessen]) – ein Anteilserwerb zulasten des gemäß § 30 gebundenen Vermögens (siehe § 30 Rn. 14 [Thiessen]) finanziert, haften Erwerber und Veräußerer gesamtschuldnerisch,36) weil sie gleichstufig von einem einheitlichen unzulässigen Zahlungsvorgang profitieren.37) Als Gesamtschuldgläubigerin kann die Gesellschaft nach § 421 BGB wählen, welchen Gesamtschuldner sie in Anspruch nehmen will, und braucht insbesondere grundsätzlich keine Rücksicht darauf zu nehmen, welcher von den jeweiligen Gesamtschuldnern im Innenverhältnis zu den anderen ausgleichs- oder regresspflichtig ist.38)

19

Im Übrigen haftet der neue Anteilsinhaber nach h. L. nicht analog § 16 Abs. 2.39) Versteht man aber das Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 wie § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG als Verbot der Einlagenrückgewähr – eine Formulierung, die der historische

_____________ 34) Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1891, S. 82. 35) So aber BGH, ZIP 1984, 170, 171 = DB 1984, 340 = WM 1984, 136; diff. Ulmer/ Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 16; krit. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 8; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 24. 36) Auch zum Folgenden BGHZ 173, 1, 5 f = ZIP 2007, 1705, 1706 f = GmbHR 2007, 1102. 37) Vgl. Bydlinski in: MünchKomm-BGB, § 421 Rn. 10, 12. 38) Zust. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 31 Rn. 6. 39) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 8; Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn. 7; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 31 Rn. 2; Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 10; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 9, 15.

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§ 31

Erstattung verbotener Rückzahlungen

Gesetzgeber neben dem Normtext des § 30 Abs. 1 für entbehrlich hielt40) –, erinnert der Erstattungsanspruch gemäß § 31 Abs. 1 durchaus an einen – ähnlich § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB – wiederaufgelebten und damit rückständigen Einlageanspruch41) (siehe Rn. 28). Der dann mögliche, vom Oberlandesgericht Köln anerkannte42) Analogieschluss zu § 16 Abs. 2,43) der auch bei der Ausfallhaftung gemäß § 31 Abs. 3 anerkannt ist (siehe Rn. 63), lässt die Abtretung des Geschäftsanteils wie die Abtretung eines gegen § 30 verstoßenden Auszahlungsanspruchs wirken (siehe Rn. 20). b) Zessionar eines Auszahlungsanspruchs Tritt der Gesellschafter einen entgegen § 30 erlangten Anspruch ab, so muss sich der Zessionar des „bemakelten“ Anspruchs gemäß § 404 BGB das Leistungsverweigerungsrecht der Gesellschaft (siehe § 30 Rn. 33, 41, 44, 116 [Thiessen]) entgegenhalten lassen44) und – ähnlich dem Fall des § 813 Abs. 1 Satz 1 BGB (siehe Rn. 35 f, 112) – eine gleichwohl erlangte Leistung erstatten.45) Zedent und Zessionar können gesamtschuldnerisch haften.46) Ist der Zessionar gutgläubig (siehe Rn. 40 ff), muss ihm aber der Schutz des § 31 Abs. 2 zugutekommen.47) Damit wird nicht entgegen § 404 BGB ein gutgläubig einredefreier Forderungserwerb konstruiert.48) Vielmehr steht umgekehrt bereits der Erstattungsanspruch unter Gutglaubensvorbehalt.49) Zudem gehört der gute Glaube, da er ein Verschulden ausschließt, gemäß § 425 Abs. 2 BGB zu den Umständen, die nur für denjenigen Gesamtschuldner wirken, bei dem sie vorliegen.

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c) Mitberechtigung Steht ein Geschäftsanteil mehreren Personen zu, haftet gemäß § 31 Abs. 1 nur der tatsächliche Leistungsempfänger, sofern nicht eine der hier behandelten Ausnahmen _____________ 40) Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1891, S. 80. Gegen eine solche Parallele Gehrlein/Born/Simon-Kuntz, GmbHG, § 31 Rn. 19. 41) So auch Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 3; Michalski/Heidinger/ Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 31 Rn. 2; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 2; diff. Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 5. 42) OLG Köln, ZIP 2011, 863, 865 = GmbHR 2011, 648 = NZI 2011, 376, dazu EWiR 2011, 667 (Schodder). 43) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 31 Rn. 17; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Löbbe, GmbHG, § 16 Rn. 34. 44) Zum alten Eigenkapitalersatzrecht BGHZ 104, 33, 43 = ZIP 1988, 638, 642 = GmbHR 1988, 301. 45) In diesem Sinne die herrschende Kommentarliteratur, Baumbach/Hueck-Hueck/Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 11 m. w. N.; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 18; a. A. Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 30; Gehrlein/Born/Simon-Kuntz, GmbHG, § 31 Rn. 23. 46) Unterschiedlich weit Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 31 Rn. 4; Rowedder/SchmidtLeithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 8; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 12; Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 11; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 18. 47) Ähnlich Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 12. 48) So aber Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn. 6. 49) A. A. Gehrlein/Born/Simon-Kuntz, GmbHG, § 31 Rn. 23.

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§ 31

Erstattung verbotener Rückzahlungen

vorliegt (siehe Rn. 18 ff, 22 ff). Insbesondere haften die Mitberechtigten nach allgemeiner Ansicht nicht analog § 18 Abs. 2.50) d) Dritte – nahestehende Personen 22

Profitiert der Gesellschafter von Zahlungen an Dritte, richtet sich der Anspruch gegen ihn (siehe § 30 Rn. 97 [Thiessen]);51) desgleichen bei Zahlungen an nahestehende Personen, bei denen sich die Leistung wie eine solche an den Gesellschafter darstellt (siehe § 30 Rn. 98 [Thiessen]). Ist eine entsprechende Nähebeziehung gegeben,52) haften die Empfänger gesamtschuldnerisch neben dem Gesellschafter, der die Auszahlung veranlasst hat und/oder von ihr profitiert.53) Sind die Voraussetzungen der Gesamtschuld54) i. R. d. § 30 geklärt, kann für den Anspruch aus § 31 Abs. 1 gemäß § 425 BGB danach differenziert werden, ob der Gesellschafter die Leistung veranlasst bzw. der Empfänger den Verstoß gegen § 30 kannte oder kennen musste.55) Subjektive Merkmale können gesellschaftsrechtlich zugunsten des Empfängers i. R. d. § 31 Abs. 2 berücksichtigt werden, zulasten des Empfängers insbesondere bei Kollusion56) deliktsrechtlich i. R. d. § 826 bzw. der § 823 Abs. 2 BGB, § 266 StGB sowie anfechtungsrechtlich i. R. d. §§ 131 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, 133 InsO, § 3 AnfG. e) Mittelbare Gesellschafter

23

Ein mittelbarer Gesellschafter ist der GmbH nach §§ 30, 31 erstattungspflichtig, wenn die Auszahlung zugleich gegenüber derjenigen Gesellschaft unzulässig ist, über die er an der GmbH beteiligt ist.57) Die beiden Gesellschaften sind nicht Gesamtgläubiger (§ 428 BGB). Vielmehr ist das jeweilige Stammkapital beider Gesellschaften im Umfang der verbotenen Auszahlung wiederaufzufüllen. Für einen etwaigen Regressanspruch trägt der erstattungspflichtige Empfänger das Insolvenzrisiko der regresspflichtigen Gesellschaft.

_____________ 50) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 8; Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 12; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 8; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 31 Rn. 21; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 17; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 27. 51) Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1891, S. 82. 52) Eingehend Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 19 f. 53) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 10; Ulmer/Habersack/LöbbeHabersack, GmbHG, § 31 Rn. 18, 20 a. E. 54) Vgl. Bydlinski in: MünchKomm-BGB, § 421 Rn. 10, 12. 55) Zu möglichen Differenzierungen Baumbach/Hueck-Hueck/Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 12 f; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 20; abl. Ekkenga in: MünchKommGmbHG, § 31 Rn. 28. 56) BGH, WM 1982, 1402; vgl. auch BGHZ 136, 125 = ZIP 1997, 1450 = NJW 1997, 2599, dazu EWiR 1997, 1089 (H. P. Westermann). 57) Zum Folgenden BGH, ZIP 1990, 1467 = GmbHR 1990, 552 = NJW 1991, 357, dazu EWiR 1990, 1211 (G. Müller).

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f)

Nur-Kommanditist

Ist ein Nur-Kommanditist Adressat des Auszahlungsverbots (siehe § 30 Rn. 101 [Thiessen]), haftet er für Zahlungen aus dem GmbH-Vermögen gemäß § 31 Abs. 1, ohne dass es auf die Höhe und Leistung seiner Kommanditeinlage ankäme.58) Anders sollte bei der Ausfallhaftung gemäß § 31 Abs. 3 entschieden werden (siehe Rn. 68). 5.

Fälligkeit

Anders als bei der Kapitalaufbringung (§§ 7 Abs. 2, § 46 Nr. 2) kann die Gesellschaft auch nicht teilweise bestimmen, wann der Erstattungsanspruch gemäß § 31 Abs. 1 fällig gestellt wird. Dieser ist vielmehr ipso iure sofort fällig. Andernfalls könnte der Anspruch zu verjähren beginnen (§ 31 Abs. 5 Satz 2) und verjähren, bevor er fällig ist. Ein Gesellschafterbeschluss ist nicht erforderlich, da die Gesellschafter ohnehin keine Wahl haben, eine anderweitige Fälligkeit zu bestimmen.59) Eine Gesamtabrechnung muss nicht abgewartet werden,60) ebenso wenig die Beilegung von Streit über den Bestand einer Verbindlichkeit, welche die Gesellschaft entgegen § 30 Abs. 1 eingegangen ist (siehe vgl. § 30 Rn. 41 [Thiessen]).61) 6.

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Umfang

a) Gesamte verbotene Leistung Gemäß § 31 Abs. 1 hat der Empfänger zu erstatten, was er entgegen § 30 dem Gesellschaftsvermögen entzogen hat. Zu erstatten ist also der Betrag, in dessen Umfang die Zahlung eine Unterbilanz oder bilanzielle Überschuldung62) herbeigeführt oder vertieft hat.63) Hatte die Gesellschaft bei Auszahlung noch mehr Aktiva als Passiva, ohne dass die Stammkapitalziffer (nach Auszahlung noch) gedeckt war (Unterbilanz), kann der Erstattungsanspruch rechnerisch nicht höher sein als die Stammkapitalziffer. War aber das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen bereits vollständig aufgezehrt, bestand also eine bilanzielle (nicht notwendig insolvenzrechtliche, § 19 InsO) Überschuldung, d. h. ein „nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag“ (§ 268 Abs. 3 HGB), muss der Gesellschafter die verbotswidrig empfangene Leistung in vollem Umfang erstatten.64) Eine andere Sichtweise würde zu einer gegenständlichen, nicht bilanziellen Betrachtung des Stammkapitals führen (siehe § 30 Rn. 6 [Thiessen], ebenso aber siehe Rn. 31). Eine Ausnahme gilt lediglich zugunsten der Mitgesellschafter, deren Ausfallhaf_____________ 58) Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 16; Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 92; eingehend Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 73. 59) BGH, ZIP 1987, 370, 371 = GmbHR 1987, 224 = NJW 1987, 779, dazu EWiR 1987, 163 (H. P. Westermann). 60) BGHZ 76, 326, 333 f = ZIP 1980, 361 = GmbHR 1980, 179. 61) BGH, ZIP 2003, 2068 = GmbHR 2003, 1420 = NJW 2003, 3629, dazu EWiR 2004, 383 (Wagner). 62) Vgl. BGH, ZIP 1990, 451, 453 = GmbHR 1990, 249 = NJW 1990, 1730, dazu EWiR 1990, 481 (Joost), gegenüber BGHZ 60, 324, 331 = NJW 1973, 1036, 1038 = GmbHR 1973, 163. 63) Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 8. 64) BGHZ 76, 326, 335 = ZIP 1980, 361 = GmbHR 1980, 179; BGHZ 95, 188, 193 = ZIP 1985, 1198 = GmbHR 1986, 21, dazu EWiR 1985, 79 (Crezelius).

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tung auf den Betrag der Stammkapitalziffer beschränkt ist (siehe Rn. 72). Mehr als die verbotswidrig empfangene Leistung muss der Gesellschafter indes nicht erstatten, selbst wenn durch seine Erstattung die Unterbilanz oder bilanzielle Überschuldung nicht beseitigt wird. Andernfalls würde der Gesellschafter de facto zu Nachschüssen verpflichtet, ohne dass die Voraussetzungen der §§ 26 – 28 gegeben sind.65) Da § 31 keinen Schadensersatzanspruch begründet, können über die verbotswidrig empfangene Leistung hinaus entstandene Schäden, etwa durch Zins- oder Produktionsausfälle, nur dann ersetzt werden, wenn die Voraussetzungen allgemeiner Schadensersatzansprüche, etwa wegen Verzögerung oder sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung, gegeben sind (siehe Rn. 119 f).66) b) Verzinsung 27

Die Verzinsung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften, tritt also ein bei Verzug (§§ 286, 288 BGB) und Rechtshängigkeit (§ 291 BGB).67) Der hiervon unabhängige Fälligkeitszins gemäß § 2068) kommt der Gesellschaft bei § 31 nicht zugute.69) Selbst wenn neben der Gesellschaft (§ 6 HGB i. V. m. § 13 Abs. 3) auch der Gesellschafter Kaufmann ist, resultiert der Erstattungsanspruch der Gesellschaft nicht aus einem beiderseitigen Handelsgeschäft, sondern aus der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern.70) Es ist daher noch mehr als bei gesetzlichen Ansprüchen aus Rücktritt und ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 346, 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) zweifelhaft,71) ob der Erstattungsanspruch aus § 31 mit einem Fälligkeitszinsanspruch gemäß § 353 Satz 1 HGB einhergeht. c) Kein Wegfall bei Wiederauffüllung des Stammkapitals

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Maßgeblich ist die Vermögenslage und -bewertung im Zeitpunkt der verbotenen Zahlung (siehe § 30 Rn. 40 ff [Thiessen]). Der Empfänger haftet daher auch, wenn das Stammkapital bis zur Inanspruchnahme unabhängig von seiner Erstattungspflicht anderweitig wiederhergestellt worden ist. Der einmal entstandene Rückerstattungsanspruch aus § 31 Abs. 1 entfällt selbst durch nachhaltige Wiederauffüllung des Stammkapitals nicht automatisch.72) Der Erstattungsanspruch ist die Kehr_____________ 65) Goette, DStR 1997, 1495, 1497; zust. Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 31 Rn. 29; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 9. 66) Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 16. 67) Eingehend zur Verzinsung Carlé/Bauschatz, ZIP 2001, 1351, 1352 ff. 68) Nach allgemeiner Ansicht begründet § 20 keinen Verzugszins, bestätigt durch OLG Brandenburg, NZG 2001, 366, 367 = MDR 2001, 588. 69) Wicke, GmbHG, § 31 Rn. 2. 70) Carlé/Bauschatz, ZIP 2001, 1351, 1354. 71) K. Schmidt in: MünchKomm-HGB, § 353 Rn. 9. 72) Auch zum Folgenden BGHZ 144, 336 = ZIP 2000, 1251 = NJW 2000, 2577, dazu Benecke, ZIP 2000, 1969; bestätigt durch BGHZ 173, 1, 8 = ZIP 2007, 1705, 1707 = GmbHR 2007, 1102; BGH, ZIP 2012, 1071, 1073 = DB 2012, 1261 = WM 2012, 1034; BGHZ 193, 96, 104 Rn. 29 ff = ZIP 2012, 1071 = GmbHR 2012, 740, dazu EWiR 2012, 415 (Paefgen/Dettke); a. A. noch BGH, ZIP 1987, 1113 = GmbHR 1987, 390 = NJW 1988, 139, dazu EWiR 1987, 1099 (K. Müller); krit. zur Begründung der neuen Rspr. Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 31 Rn. 13 ff.

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seite des Einlageanspruchs, der – soweit fällig (§ 46 Nr. 2) – gleichfalls nicht dadurch entfällt, dass die Gesellschaft genügend erwirtschaftet, um die Stammkapitalziffer anderweitig abzudecken. Demgemäß enthält § 31 Abs. 2 auch nur einen engen Ausnahmetatbestand. Was die Gesellschaft erwirtschaftet, darf den Gesellschaftern nur zugutekommen, soweit hierdurch im Zeitpunkt der Auszahlung die Aktiva die Passiva einschließlich der Stammkapitalziffer überschreiten. Wollte man zulassen, dass spätere, hypothetische Gewinnansprüche (§ 29 Abs. 1) mit früheren, zu diesem Zeitpunkt unzulässigen Entnahmen (§ 30 Abs. 1) „verrechnet“ werden, könnten die Gesellschafter auf eine Besserung der Vermögenslage spekulieren und geneigt sein, Auszahlungen mit Blick auf bloße Hoffnungswerte herbeizuführen.73) Ist nach der Erstattung freies Vermögen vorhanden, können über dessen Verwendung die Gesellschafter entscheiden.74) Die Entscheidung muss durch die Gesellschafter getragen sein, da andernfalls zu ihren Lasten eine verdeckte Gewinnausschüttung vorläge.75) Da der Verstoß gegen § 30 die ursprüngliche, der Auszahlung zugrunde liegende Vereinbarung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter unberührt lässt (siehe Rn. 117), andererseits eine gemäß § 30 verbotene Zahlung diese Vereinbarung nicht durch Erfüllung erlöschen lässt (§ 362 BGB), kann der Gesellschafter nunmehr Zahlung aus freiem Vermögen verlangen.76) Im Übrigen bleibt es beim Verweigerungsrecht der Gesellschaft (siehe § 30 Rn. 33, 41, 44, 116 [Thiessen]). 7.

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Erfüllung des Erstattungsanspruchs

Der Erstattungsanspruch wird erfüllt durch Leistung an die Gesellschaft bzw. in deren Insolvenzmasse. Umstritten ist, ob und inwieweit die Erstattung in Natur (siehe Rn. 31 ff) oder dem Wert nach (siehe Rn. 35 ff) zu erfolgen hat.

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a) Grundsatz: Erstattung in Natur Grundsätzlich erfolgt die Erstattung als actus contrarius zur verbotenen Leistung. Der Gesellschafter hat demnach zu erstatten, was er empfangen hat. Für die typischen Geldleistungen aus dem Gesellschaftsvermögen versteht sich dies von selbst.77) Ebenso ist aber grundsätzlich zu entscheiden, wenn der Gesellschafter eine Sache, ein Recht oder Befreiung von einer Verbindlichkeit erlangt hat. Hier begründet die Erstattung „in Natur“ zwar eine im Gesetz nicht angelegte gegenständliche Betrachtung des Stammkapitals (siehe § 30 Rn. 6 [Thiessen]), vermeidet aber – in engen Grenzen – ex post entstehende Schwierigkeiten bei der Bewer-

_____________ 73) Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn. 12; entsprechend gegen eine Aufrechnung durch den Gesellschafter Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 34, vgl. allerdings unten Rn. 76. 74) BGHZ 144, 336, 342 = ZIP 2000, 1251, 1253 = NJW 2000, 2577, dazu Benecke, ZIP 2000, 1969; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 19, 43; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 30. 75) Vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 22. 76) Eingehend die Besprechungsaufsätze zum in Fn. 74 genannten Urteil, Benecke, ZIP 2000, 1969, 1971 ff; Kort, ZGR 2001, 615, 629 f, 632 ff; Servatius, GmbHR 2000, 1028, 1033 f. 77) Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 3.

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tung78) und Verwertung.79) Daher ist der empfangene Gegenstand, ob Sache oder Recht, soweit wie möglich als solcher zurückzuerstatten.80) 32

Insolvenz- und anfechtungsrechtlich hat diese Betrachtung den Vorteil, dass die Gesellschaft in der Insolvenz des Empfängers ein Aussonderungsrecht hat (§ 143 Abs. 1 Satz 1 InsO, § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG),81) anders als bei einem bereicherungsähnlichen Wertersatzanspruch (§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 11 Abs. 1 Satz 2 AnfG, siehe Rn. 33).82)

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Hat die Gesellschaft eine Forderung gegen den Gesellschafter aufgegeben, kann sie verlangen, dass der Gesellschafter die entsprechende Verbindlichkeit neu begründet.83) War (oder ist) die Forderung bereits (oder inzwischen) fällig, kann die Gesellschaft unmittelbar Erfüllung ihrer Forderung verlangen.84) Eine vom Insolvenzschuldner anfechtbar erlassene Forderung (§ 397 BGB) kann der Insolvenzverwalter einklagen, ohne zuvor deren Wiederbegründung durchsetzen zu müssen.85) Die Anfechtung lässt den Erlass zwar unberührt; jedoch muss sich der Anfechtungsgegner so behandeln lassen, als ob der Erlass nicht vereinbart worden ist und die Forderung noch zum Vermögen des Insolvenzschuldners gehört.86)

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Zahlt der Gesellschafter einen verbotswidrig empfangenen Betrag umgehend zur Erfüllung einer „Einlageschuld“ aus einer Kapitalerhöhung an die Gesellschaft zurück, leistet er nicht die geschuldete Einlage, sondern erfüllt seine Erstattungspflicht _____________ 78) BGHZ 176, 62 = ZIP 2008, 922 = NJW 2008, 2118, dazu EWiR 2008, 495 (H. P. Westermann); BGH, ZIP 2009, 1806, 1807 f = GmbHR 2009, 1096 = DB 2009, 1975, dazu EWiR 2010, 81 (Steffek/J. Schmidt); krit. K. Schmidt, JZ 2008, 735, 736 f, da bereits die Ermittlung des von § 30 gebundenen Vermögens, spätestens aber ein etwaiger Wertverlust zwingend das Bewertungsproblem aufwirft; zu Bewertungsschwierigkeiten auch Baumbach/Hueck- Beurskens, GmbHG, AnhKonzernR Rn. 73. 79) K. Schmidt, JZ 2008, 735, 736; zust. Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn. 1. 80) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 16; Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn. 1, 8; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 31 Rn. 10; Rowedder/ Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 15; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 2; Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 17; Ulmer/Habersack/LöbbeHabersack, GmbHG, § 31 Rn. 23 f. 81) BGHZ 156, 350, 358 ff = ZIP 2003, 2307, 2310 f = NJW 2004, 214, dazu EWiR 2004, 1099 (Neußner); Gerhardt, ZIP 2004, 1675; Fischer, ZIP 2004, 1679 f. 82) BGHZ 155, 199, 203 = ZIP 2003, 1554, 1556 = NJW 2003, 3345, dazu EWiR 2004, 347 (Haas/Müller), Gerhardt, ZIP 2004, 1675. 83) BGH, ZIP 2000, 2163, 2164 = GmbHR 2000, 1263 = NJW 2001, 370; trotz Bezugs zum „qualifiziert faktischen Konzern“ insoweit nicht überholt; zur Wiederherstellung oder Neubegründung von Verbindlichkeiten Gröschler, NJW 2000, 247; zum Sonderfall der Aufrechnung Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 279, zur Stundung Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 7. 84) BGHZ 95, 188, 193 = ZIP 1985, 1198 = GmbHR 1986, 21, dazu EWiR 1985, 79 (Crezelius); BGHZ 179, 344, 358 = ZIP 2009, 802, 807 = NJW 2009, 2127; vgl. BGHZ 110, 319 = ZIP 1990, 720 = NJW 1990, 1662, dazu EWiR 1990, 663 (Brambring); BGH, NJW-RR 2002, 376, 379 = ZfIR 2002, 66 = DB 2002, 140. 85) Kirchhof in: MünchKomm-InsO, § 143 Rn. 47 mit weiteren Einzelheiten bei Zurückbehaltungsrechten, hypothetischer Verjährung und Sicherheiten. 86) BGH, ZIP 1989, 1611 = DB 1990, 219 = WM 1990, 78, dazu EWiR 1990, 7 (Brehm); zur Anfechtbarkeit einer Abtretung BGH, ZIP 2006, 2176 = ZVI 2006, 582 = NJW-RR 2007, 121, dazu EWiR 2007, 149 (Homann).

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Erstattung verbotener Rückzahlungen

nach § 31 Abs. 1 (siehe Rn. 76).87) Erfüllung (§ 362 BGB) tritt nach allgemeinen Grundsätzen aber nur ein, wenn sich die Zuwendung des Schuldners oder eines Dritten (§ 267 BGB) aus Sicht des Gläubigers als Leistung des Schuldners auf die streitgegenständliche Verbindlichkeit darstellt.88) Hierzu können auch Leistungen eines früheren Gesellschafters zählen, die dieser i. R. eines auch andere Forderungen betreffenden Vergleichs mit der Gesellschaft schließt; der Vergleich kommt dann auch dem ggf. haftenden Anteilserwerber (siehe Rn. 19) anteilig zugute.89) b) Ausnahme: Wertersatz Auch wenn der Erstattungsanspruch gemäß § 31 ansonsten gegebene Bereicherungsansprüche, vor allem aber deren Ausschluss oder Kürzung (§§ 814 f, 817, 818 Abs. 3 BGB) verdrängt (siehe Rn. 116, 118 und § 30 Rn. 177 [Thiessen]), folgt § 31 gleichwohl einem rechtstechnisch ähnlichem Konzept. So ist wie im Fall des § 818 Abs. 2 BGB90) – selbstverständlich ohne den Einwand der „Entreicherung“ – der Wert des empfangenen Gegenstands zu ersetzen, soweit die Erstattung nicht möglich91) oder wegen Wertverlusts nicht genügend ist.92)

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Wertersatz ist auch zu leisten, wenn die Herausgabe in Natur – wiederum ähnlich wie bei § 818 Abs. 2 BGB – „wegen der Beschaffenheit des Erlangten“ nicht möglich ist. Dies gilt insbesondere, wenn der Gesellschafter Dienstleistungen der Gesellschaft in Anspruch genommen93) oder Gegenstände des Gesellschaftsvermögens zur Nutzung überlassen bekommen hat.94)

36

Spezifisch kapitalschutzrechtlich ist der Wertausgleich, wenn ein Gesellschafter bei bestehender Unterbilanz einen Gegenstand mit höherem Marktwert zu einem _____________

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87) BGHZ 179, 285 = ZIP 2009, 662 = GmbHR 2009, 485 unter Aufgabe von BGHZ 146, 105 = ZIP 2001, 157 = NJW 2001, 830, dazu EWiR 2001, 327 (H. P. Westermann), zu den Konsequenzen für Verkehrsgeschäfte zwischen Gesellschafter und Gesellschaft Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 41; abgrenzend zu diesem Fall BGHZ 193, 96, 105 f Rn. 31 = ZIP 2012, 1071 = GmbHR 2012, 740, dazu EWiR 2012, 415 (Paefgen/Dettke). 88) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 2.9.2010 – 26 U 7/10, juris, Rn. 18 ff. 89) OLG Köln, ZIP 2011, 863, 865 f = GmbHR 2011, 648 = NZI 2011, 376, dazu EWiR 2011, 667 (Schodder). 90) Dieses Vorbild kritisiert K. Schmidt, JZ 2008, 735, 736 f. Für eine Analogie zur Differenzhaftung bei überbewerteten Sacheinlagen gemäß § 9 Abs. 1 Ulmer in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 363, 378 ff, 381. Zur Wertersatzpflicht bei Wertverlust gemäß § 818 Abs. 2 BGB Schwab in: MünchKomm-BGB, § 818 Rn. 53 a. E., 56. 91) Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn. 14; zur subjektiven Unmöglichkeit Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 14. 92) So für eine verbotswidrig verrechnete Forderung BGHZ 122, 333, 338 f = ZIP 1993, 917 = NJW 1993, 1922, dazu EWiR 1993, 693 (Maier-Reimer); für einen verbotswidrig abgetretenen Geschäftsanteil BGHZ 176, 62 = ZIP 2008, 922 = NJW 2008, 2118, dazu EWiR 2008, 495 (H. P. Westermann). Soweit der BGH hier den Zweck der §§ 30, 31 betont, „das Vermögen der GmbH i. H. d. gesetzlichen oder satzungsmäßigen Stammkapitalziffer vor Zugriffen der Gesellschafter zu bewahren und so als ihren Bestand schützendes Mindestbetriebsvermögen und als Befriedigungsreserve für die Gesellschaftsgläubiger zu erhalten“, dürfte das hierfür in Bezug genommene „November-Urteil“ (siehe § 30 [Thiessen]) nicht überholt sein. 93) K. Schmidt, JZ 2008, 735, 736; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 3. 94) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 31 Rn. 10; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 3; Servatius, GmbHR 1998, 723.

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Erstattung verbotener Rückzahlungen

geringeren (etwa dem Buch-)Wert erwirbt (siehe § 30 Rn. 65 [Thiessen]).95) Das Gebot vollwertiger Deckung (§ 30 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2, siehe § 30 Rn. 49 ff [Thiessen]), setzt sich somit im Erstattungsanspruch fort. Nur soweit dieses gewahrt ist und die Gesellschaft auf den Gegenstand als solchen nicht angewiesen ist, kann eine Ersetzungsbefugnis erwogen werden.96) Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass der gutgläubige Gesellschafter gemäß § 31 Abs. 2 (siehe Rn. 44) nicht Erstattung des Empfangenen, sondern den zur Befriedigung der Gläubiger erforderlichen (Geld-)Betrag schuldet.97) 38

Dem Gesellschafter steht jedoch – obwohl § 31 kein Schadensersatzanspruch ist98) – der Einwand „rechtmäßigen Alternativverhaltens“ zu; er schuldet keinen Wertersatz, soweit er beweisen kann, dass dieselbe Wertminderung auch dann eingetreten wäre, wenn der Vermögensgegenstand nicht an ihn gegeben, sondern bei der Gesellschaft verblieben wäre.99) Denn dann war die Weggabe des Gegenstands aus dem Gesellschaftsvermögen für den Wertverlust nicht ursächlich; ein Wertausgleich würde die Gesellschaft bereichern. Umgekehrt steht ein Wertzuwachs der Gesellschaft zu, soweit er auch bei ihr eingetreten wäre.100) III. Einschränkung zugunsten gutgläubiger Empfänger (Abs. 2)

39

Gutgläubige Zahlungsempfänger werden dadurch privilegiert, dass sie gemäß § 31 Abs. 2 nur haften, soweit dies zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist. 1.

40

Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit als Maßstab für Gutgläubigkeit

Absatz 2 definiert nicht, was guter Glaube i. S. d. Vorschrift ist. Daher ist auf die allgemeine Vorschrift des § 932 Abs. 2 BGB zurückzugreifen. Dies war bereits unmittelbar nach Inkrafttreten des BGB anerkannt,101) obwohl das GmbH-Gesetz älter ist.102) Nicht gutgläubig ist der Empfänger daher, wenn er weiß oder nur infolge grober Fahrlässigkeit nicht weiß, dass die Zahlung „den Vorschriften des § 30 zuwider“ (siehe § 30 Rn. 14, 165 f [Thiessen]) erfolgte. Der Empfänger muss daher _____________ 95) K. Schmidt, JZ 2008, 735, 736; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 31 Rn. 10. 96) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 16; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtHeidinger, GmbHG, § 31 Rn. 33; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 16; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 2; Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 18; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 25; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 6; zur umgekehrten facultas alternativa – Rückgabe des Gegenstands an Zahlungs statt mit Wertausgleich – K. Schmidt, GesR, § 37 III 2 a, S. 1138; K. Schmidt, JZ 2008, 735, 736. 97) Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn. 8 a. E. 98) Dies betont K. Schmidt, JZ 2008, 735, 736, vgl. zu den Konsequenzen das anschauliche Beispiel von K. Schmidt, JZ 2008, 735, 737 a. E. 99) Auch zum Folgenden BGHZ 176, 62 = ZIP 2008, 922 = NJW 2008, 2118, dazu EWiR 2008, 495 (H. P. Westermann); offen insoweit noch BGHZ 122, 333, 338 f = ZIP 1993, 917 = NJW 1993, 1922, dazu EWiR 1993, 693 (Maier-Reimer). 100) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 16; Ulmer/Habersack/LöbbeHabersack, GmbHG, § 31 Rn. 24 f; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 15; krit. K. Schmidt, JZ 2008, 735, 737; zweifelnd hier noch die 1. Aufl. 101) Staub, GmbHG, § 31 Anm. 4; anders noch Staub, ADHGB, Art. 218 § 2: (Un-)Kenntnis. 102) Eingehend Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 33.

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Erstattung verbotener Rückzahlungen

mindestens außer Acht gelassen haben, was jeder andere in dieser Situation erkannt hätte.103) Der Maßstab entspricht demjenigen des § 32 (siehe § 32 Rn. 13 f [Thiessen]). Wie dort hat jeder gemäß § 51a informationsberechtigte Gesellschafter kein Recht auf Desinteresse,104) jedoch ist zu berücksichtigen, ob der jeweilige Gesellschafter durch den Umfang oder die konkrete Ausübung seiner Beteiligung mehr oder weniger Einblick in und Einfluss auf die Finanzlage der Gesellschaft hat.105) Die Parallelvorschrift des § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG, welche bereits leichte Fahrlässigkeit genügen lässt, ist auf § 31 Abs. 2 nicht übertragbar.106) In Umsetzung der Kapitalrichtlinie verzichtet § 62 Abs. 1 Satz 2 seit 1978 auf die Einschränkung, dass dem Aktionär neben Kenntnis nur grob fahrlässige Unkenntnis schade.107) Weder wurde das GmbH-Recht insoweit europarechtlich vereinheitlicht, noch sah der Gesetzgeber der GmbH-Reform 1980 Anlass, § 31 Abs. 2 entsprechend zu ändern.108) Da grobe Fahrlässigkeit genügt, um den guten Glauben zu erschüttern, kommt es nicht darauf an, ob der Empfänger i. S. eines bedingten Vorsatzes billigend in Kauf genommen hat, dass die Zahlung verboten sein könnte. Eine Differenzierung von Vorsatz und Fahrlässigkeit ist zwar nicht i. R. v. § 31 Abs. 2 (und auch nicht mehr i. R. d. Verjährung, vgl. § 31 Abs. 5 Satz 1 und 3 a. F., siehe Rn. 82 f), wohl aber für den parallel zu prüfenden Vorwurf der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung gemäß § 826 BGB erforderlich (siehe § 30 Rn. 156 ff [Thiessen]).

41

Der gute Glaube muss im Zeitpunkt des Empfangs gegeben sein. Erfährt der Empfänger später, dass die Zahlung mit § 30 nicht vereinbar war, oder musste sich ihm diese Erkenntnis aufdrängen, schadet ihm dies nicht.109)

42

Fallen Gesellschafterstellung und Leistungsempfang auseinander, kommt es grundsätzlich auf den guten Glauben desjenigen an, der haftet (siehe Rn. 17 ff, 20, 22).110) Haftet der Gesellschafter, obwohl nicht er, sondern ein Dritter die Leistung empfangen hat, kommt es also auf den guten Glauben des Gesellschafters an. Soweit ein

43

_____________ 103) Grundmann in: MünchKomm-BGB, § 276 Rn. 94. 104) Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn. 17; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 19. 105) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 31 Rn. 48; Rowedder/SchmidtLeithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 21 f; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 34; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 45; Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 39. 106) Teilw. a. A. Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 31 Rn. 18 f. 107) Gesetz zur Durchführung der Zweiten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts v. 13.12.1978, BGBl. I 1959, 1960. 108) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 18a; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 33; Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 38. 109) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 18a; Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 41; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 38. 110) Zu möglichen Differenzierungen, im Einzelnen abw. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 18a; Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn. 18; Michalski/Heidinger/ Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 31 Rn. 50 ff; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 25; Schmolke, Kapitalerhaltung, S. 117; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 20; Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 41 f; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 36 f; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 47.

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Erstattung verbotener Rückzahlungen

Dritter als Leistungsempfänger nicht allein dem Gesellschafter zugerechnet wird, sondern selbst haftet, ist der Dritte durch eigenen guten Glauben geschützt, selbst wenn der Gesellschafter bösgläubig war. Bei gesamtschuldnerischer Haftung des Gesellschafters und Dritten ergibt sich dies aus § 425 Abs. 2 BGB. 2.

Gläubigerbefriedigung als Maßstab für den Erstattungsanspruch

44

Der gutgläubige Empfänger hat gemäß Absatz 2 die empfangene Leistung nur insoweit zu erstatten, als dies zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist. Dies ist nicht bereits bei Unterbilanz,111) sondern grundsätzlich erst dann der Fall, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist.112)

45

Anders als nach Absatz 1 ist nicht „alles“ zurückzuzahlen, was aufgrund der verbotenen Zahlung am Aktivvermögen der Gesellschaft fehlt, um deren Passiva einschließlich der Stammkapitalziffer abzudecken, sondern „nur“ der Betrag der fälligen, wegen der verbotenen Zahlung nicht erfüllbaren Verbindlichkeiten (siehe § 30 Rn. 31 [Thiessen]) bzw. der durch Aktivvermögen nicht gedeckten „echten“ Passiva (siehe § 30 Rn. 28 ff [Thiessen]). Zumindest theoretisch begründet Absatz 2 somit ein Privileg, da idealerweise die Erstattung so rechtzeitig verlangt wird, dass kein Gläubiger leer ausgeht. Dies ist nur wahrscheinlich bei relativ hohem Stammkapital und guter Liquiditätsverfassung,113) wenn nämlich durch Zahlung an Gesellschafter eine Unterbilanz herbeigeführt oder vertieft wird und dennoch die Gesellschaftsgläubiger regulär befriedigt werden können. Im Übrigen dürfte sich das Privileg jedoch kaum auswirken, da Insolvenzanträge oft zu spät gestellt werden und erst im Insolvenzverfahren bzw. in einem vom Verwalter geführten Rechtsstreit festgestellt wird, dass die Erstattung in vollem Umfang zur Gläubigerbefriedigung erforderlich – und keinesfalls ausreichend – ist.114) a) Zahlungsunfähigkeit

46

Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er seine fälligen Zahlungspflichten nicht erfüllen kann (näher siehe § 64 Rn. 7 ff [Bork]). Ausgenommen sind damit bloße Zahlungsstockungen,115) die innerhalb derjenigen Frist behoben werden, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die erforderlichen Mittel zu beschaffen. Hier genügt nach der Rechtsprechung jener Drei-Wochen-Zeitraum, innerhalb dessen Insolvenzantrag gestellt werden muss (§ 15a Abs. 1 InsO), weil eine Ungewissheit über die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft längstens drei Wochen hinzunehmen ist.116) Die _____________ 111) Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 31. 112) BGH, ZIP 2003, 2068, 2070 = GmbHR 2003, 1420 = NJW 2003, 3629, dazu EWiR 2004, 383 (Wagner). 113) Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn. 16. 114) Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 17, 22. 115) Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 48; a. A. Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn. 19; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 31 Rn. 55; Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 43; wohl auch Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 40. 116) BGHZ 163, 134, 140 = ZIP 2005, 1426, 1428 = ZVI 2005, 408, dazu EWiR 2005, 767 (Bruns); Hölzle, ZIP 2006, 101.

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Erstattung verbotener Rückzahlungen

Erstattung ist daher gemäß Absatz 2 zur Gläubigerbefriedigung erforderlich, wenn ohne die Erstattung die Zahlungsstockung in dieser Frist nicht vorübergehen, sich also Zahlungsunfähigkeit herausstellen würde. Ausgenommen von § 17 InsO sind zudem „ganz geringfügige Liquiditätslücken“ (näher siehe § 64 Rn. 7 [Bork]).117) Dies darf freilich nicht zu dem Schluss verleiten, bei solchen Liquiditätslücken sei das entgegen § 30 Abs. 1 weggegebene Vermögen per se zur Befriedigung der Gläubiger nicht erforderlich, die Gesellschaft also jedenfalls zahlungsfähig. Das Privileg des § 31 Abs. 2 würde hierdurch zulasten der Gläubiger ausgeweitet, ohne dass die Norm hierfür einen Ansatzpunkt bietet. Parallel zu § 17 InsO kann jedoch prozessual eine widerlegbare Vermutung für die Erforderlichkeit zur Gläubigerbefriedigung darauf gegründet werden, dass ein bestimmter Schwellenwert überschritten wird, welchen die Rechtsprechung mit zehn Prozent ansetzt.118)

47

b) Überschuldung Ist die Gesellschaft überschuldet, liegt also ein Antragspflicht begründender Insolvenzgrund vor (§§ 15a Abs. 1, 19 InsO, näher siehe § 64 Rn. 11 ff [Bork]), ist die Erstattung zur Gläubigerbefriedigung zwingend erforderlich.119) Es ist nicht abzuwarten, bis (auch) Zahlungsunfähigkeit eintritt.120) Je nach Struktur des Aktivvermögens kann die Gesellschaft bezogen auf einen bestimmten Prognosezeitraum (siehe § 30 Rn. 29 [Thiessen]) bereits überschuldet sein, selbst wenn sie genügend Liquidität hat, ihre fälligen (§ 271 BGB) Verbindlichkeiten zu erfüllen. Für juristische Personen begründet jedoch bereits die Überschuldung die par condicio creditorum, den „Anspruch aller Gläubiger … auf Verwendung des gesamten Vermögens zu ihrer gemeinschaftlichen Befriedigung“.121) Mit anderen Worten: Eine überschuldete Gesellschaft mag ihre fälligen Verbindlichkeiten erfüllen können; sie darf es jedoch nicht.

48

Für die Überschuldung genügt die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten, solange bis ihre Erledigung feststeht, ohne dass i. R. v. § 31 Abs. 2 geklärt werden muss, ob die wahrscheinliche Inanspruchnahme der Gesellschaft auch berechtigt ist. Andernfalls könnte die Gesellschaft den Erstattungsanspruch gemäß § 31 erst realisieren, wenn der Streit über die Verbindlichkeit rechtskräftig entschieden oder außergerichtlich zugunsten der Gesellschaft beigelegt ist.122)

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_____________ 117) RegE einer Insolvenzordnung (InsO), BT-Drucks. 12/2443, S. 114. 118) BGHZ 163, 134, 145 = ZIP 2005, 1426, 1429 f = ZVI 2005, 408, dazu EWiR 2005, 767 (Bruns); Hölzle, ZIP 2006, 101. 119) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 31 Rn. 55. 120) So auch Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 27, wenngleich relativierend, dass zur Gläubigerbefriedigung verfügbare Mittel zunächst einzusetzen seien. 121) Hahn/Mugdan, Konkursordnung, S. 115, für die Überschuldung von „Kapitalvereinen“, S. 390, im Gegensatz zu sonstigen Schuldnern S. 292; zum heutigen Verständnis des Normzwecks Drukarczyk/Schüler in: MünchKomm-InsO, § 19 Rn. 1. 122) BGH, ZIP 2003, 2068, 2070 = GmbHR 2003, 1420 = NJW 2003, 3629, dazu EWiR 2004, 383 (Wagner).

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Erstattung verbotener Rückzahlungen

c) Maßgeblicher Zeitpunkt 50

Während es für den guten Glauben auf den Zeitpunkt des verbotenen Leistungsempfangs ankommt (siehe Rn. 42), ist für den Umfang des Erstattungsanspruchs der Zeitpunkt maßgeblich, in welchem die Befriedigung aus Gesellschaftsmitteln erfolgen müsste, dies aber aufgrund der verbotenen Zahlung nicht möglich ist.123) Anders als bei Absatz 1 (siehe Rn. 28) kann der gutgläubige Gesellschafter von einer wirtschaftlichen Gesundung des Gesellschaftsvermögens profitieren.124)

51

Wird der Anspruch gerichtlich geltend gemacht, ist auf den Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Verhandlung über den Anspruch aus Absatz 2 abzustellen,125) weil einerseits frühere Zahlungsschwierigkeiten längst behoben sein können, andererseits das Gericht nicht „in die Zukunft“ blicken kann. Soweit der Gesellschafter hierdurch von einer langen Prozessdauer profitiert,126) ist dies Folge des Privilegs des Absatzes 2 – hat die Gesellschaft solange „durchgehalten“, dass sie nun ihre Gläubiger aus eigener Kraft befriedigen kann, kann der gutgläubige Leistungsempfänger unbehelligt bleiben. Selbst wenn aber eine Klage auf Erstattung (formell) rechtskräftig abgewiesen wurde, hindert dies wegen § 322 Abs. 1 ZPO nicht eine erneute Klage auf Erstattung wegen veränderter Vermögenslage bzw. zugunsten eines anderen Gläubigers. Diese hat einen neuen Streitgegenstand.127) Das abweisende Urteil ist insoweit nicht materiell rechtskraftfähig.128) In der Insolvenz wird daher der Verwalter unverjährte Ansprüche erfolgreich geltend machen (siehe Rn. 45).129)

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Wann die jeweils zu erfüllende Verbindlichkeit begründet wurde, ist irrelevant, da vor wie nach der verbotenen Auszahlung entstandene Verbindlichkeiten aufgrund des von § 30 verbotenen Vermögensabflusses „notleidend“ werden können.130) Bis zum Eintritt der Verjährung gemäß § 31 Abs. 5 muss deshalb also auch der gutgläubige Empfänger im äußersten Fall die verbotene Leistung in vollem Umfang zurückgewähren, unter Umständen in mehreren Tranchen,131) je nachdem, inwieweit die Gesellschaft ihren fälligen Verpflichtungen nicht nachkommen kann. Der gutgläubige Empfänger wird also nur soweit geschützt, wie die verbotene Zahlung die Zahlungsfähigkeit bzw. Schuldendeckung der Gesellschaft nicht berührt. _____________ 123) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 19; Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, § 31 Rn. 19; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 49; für den Zeitpunkt der Auszahlung Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 28. 124) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 31 Rn. 46; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 41. 125) BGH, ZIP 2003, 2068, 2070 = GmbHR 2003, 1420 = NJW 2003, 3629, dazu EWiR 2004, 383 (Wagner); Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 44. 126) Krit. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 19. 127) Vgl. Gottwald in: MünchKomm-ZPO, § 322 Rn. 111. 128) Vgl. BGH, ZIP 2003, 2068, 2070 = GmbHR 2003, 1420 = NJW 2003, 3629, dazu EWiR 2004, 383 (Wagner); Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 44; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 29. 129) Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 51. 130) Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 22. 131) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 31 Rn. 56.

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Erstattung verbotener Rückzahlungen

d) Erstattung im Verhältnis der erhaltenen Leistungen Haften mehrere Empfänger als Gesamtschuldner (siehe Rn. 18, 20, 22), hat die Gesellschaft auch gegenüber gutgläubigen Empfängern gemäß § 421 BGB die Wahl, gegen wen sie vorgeht. Im Übrigen hat jeder zu erstatten, was er erhalten hat. Ist gemäß § 31 Abs. 2 die vollständige Erstattung sämtlicher verbotener Leistungen zur Befriedigung der Gläubiger nicht erforderlich, ist die Erstattung im Verhältnis der erhaltenen Leistungen zu verlangen, das mit dem Verhältnis der Geschäftsanteile identisch sein kann, aber nicht muss.132) Auf § 31 Abs. 3 Satz 2 ist daher nicht zurückzugreifen.

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e) Anfechtung Da maßgeblich auf die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft abgestellt wird (siehe Rn. 46 f), kann ein Gläubiger, zu dessen Gunsten die Gesellschaft den Erlös aus dem Erstattungsanspruch gemäß § 31 Abs. 2 verwendet hat, der Insolvenzanfechtung – bei regulärer Befriedigung wegen kongruenter Deckung (§ 130 InsO) – unterliegen. Gezielte Zahlungen an einzelne Gläubiger sind regelmäßig wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung (§ 133 InsO, § 3 AnfG) anfechtbar (siehe § 30 Rn. 150 [Thiessen]).

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IV. Anteilmäßige Ausfallhaftung der übrigen Gesellschafter (Abs. 3) Grundsätzlich hat gemäß Absatz 1 derjenige die verbotene Leistung zu erstatten, der sie empfangen hat oder dem sie ausnahmsweise zugerechnet wird (siehe Rn. 17 ff). Ist dies nicht möglich, haften die Mitgesellschafter gemäß Absatz 3 abhängig von ihrer Beteiligung, bis die Gesellschaftsgläubiger befriedigt sind. Diese anteilige Ausfallhaftung, die ähnlich gemäß § 24 auch für die Kapitalaufbringung gilt, galt dem historischen Gesetzgeber von 1891/92 als wesentliche Rechtfertigung, den Gesellschaftern im Gegenzug mehr Freiheiten bei der Gestaltung der Gesellschaftsverhältnisse zu lassen.133) Das damit verbundene erhebliche Haftungsrisiko hat der Bundesgerichtshof mittlerweile eingegrenzt (siehe Rn. 72). 1.

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Ausfall des erstattungspflichtigen Empfängers

Absatz 3 setzt voraus, dass die Erstattung vom Empfänger der verbotenen Leistung (siehe § 30 Rn. 93 ff [Thiessen]) „nicht zu erlangen“ ist. Welche Maßnahmen ein Geschäftsführer, Insolvenzverwalter oder pro socio klagender Gesellschafter (siehe Rn. 8) ergriffen haben muss, um diesen Tatbestand zu erfüllen, spricht Absatz 3 nicht aus.134)

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Zweifelsfrei vom Empfänger nicht zu erlangen ist die Erstattung, wenn eine diesbezügliche Zwangsvollstreckungsmaßnahme erfolglos geblieben ist.135) Ist die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Empfängers mangels

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_____________ 132) Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 42. 133) Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1891, S. 39 f, 81 f. 134) Zum Folgenden Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 54 m. w. N. 135) OLG Hamm, GmbHR 2017, 703, 705 = ZIP 2017, 1761 = ZInsO 2017, 1903, dazu EWiR 2018, 43 (Fuchs/Grimm).

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Erstattung verbotener Rückzahlungen

Masse abgewiesen oder eingestellt worden, bedeutet dies zwar, dass das Vermögen des Empfängers bzw. die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken (§ 26 Abs. 1 Satz 1, § 207 Abs. 1 Satz 1 InsO). Damit ist jedoch nicht zwangsläufig gesagt, dass das Vermögen des Empfängers gerade zur Begleichung des Anspruchs gemäß Absatz 1 nicht ausreicht, wenn zwar das Insolvenzverfahren aufwendig wäre, der Anspruch der Gesellschaft jedoch verhältnismäßig geringfügig ist. Hat jedoch ein eröffnetes Insolvenzverfahren in der Schlussverteilung (§ 196 InsO) – wie häufig – nur zu einer quotalen Befriedigung geführt, ist der Tatbestand des § 31 Abs. 3 Satz 1 erfüllt, ohne dass die auf die Gesellschaft entfallende Quote den Mitgesellschaftern zugutekäme.136) 58

Gleichwohl gibt Absatz 3 dem in Anspruch genommenen Mitgesellschafter keine „Einrede der Vorausklage“ gegen den Empfänger.137) Ebenso wenig kann er verlangen, dass der Anspruchsteller (siehe Rn. 7 ff) die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen den Empfänger betreibt. Um willkürliche Inanspruchnahmen von Mitgesellschaftern zu vermeiden, genügt es, wenn – um die Formulierung des § 2 Alt. 2 AnfG aufzugreifen – anzunehmen ist, dass die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Empfängers nicht zu einer vollständigen Befriedigung der Gesellschaft und deren Gläubiger (siehe Rn. 59 f) führen würde. Hierfür genügt es bereits, wenn eine ladungsfähige Anschrift des Empfängers nicht zu ermitteln ist,138) wie es zumal bei Einpersonengesellschaften typisch ist für Fälle der „Firmenbestattung“, die einer der Gründe für den Erlass des MoMiG waren.139) 2.

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Gläubigerbefriedigung als Maßstab für die Ausfallhaftung

Wie der gutgläubige Empfänger gemäß § 31 Abs. 2 (siehe Rn. 40 ff), so sind auch die Mitgesellschafter gemäß Absatz 3 Satz 1 dadurch geschützt, dass sie den Ausfall des Zahlungsempfängers nur tragen müssen, soweit dies zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist. Die Mitgesellschafter sollen nicht schlechter gestellt sein als der gutgläubige Empfänger selbst.140) Anders als beim gutgläubigen Empfang ist die Ausfallhaftung jedoch verschuldensunabhängig, da sie an den prinzipiell gleichfalls verschuldensunabhängigen Grundtatbestand des Absatzes 1 anknüpft und das Gutglaubensprivileg des Absatzes 2 den Mitgesellschaftern nach der systematischen Stellung der Ausfallhaftung nicht zugutekommen soll.141) Eine Verschuldenshaftung kommt für nicht geschäftsführende (vgl. §§ 43 Abs. 3, 64) Gesellschafter nur bei vorsätzlicher Existenzgefährdung in Betracht (siehe Rn. 119). _____________ 136) Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 53; Ekkenga in: MünchKommGmbHG, § 31 Rn. 61. 137) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 22; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtHeidinger, GmbHG, § 31 Rn. 59; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 40; Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 50; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 53. 138) Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn. 20. 139) Hierzu RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 26, 53 = Seibert, MoMiG, S. 98 f; Kleindiek, ZGR 2007, 276, 277 ff, 288 ff. 140) Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1891, S. 82. 141) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 22; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 31 Rn. 23.

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Erstattung verbotener Rückzahlungen

Wie bei § 31 Abs. 2 kommt es auf Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung an. Maßstab sind daher die fälligen, wegen der verbotenen Zahlung nicht erfüllbaren Verbindlichkeiten (siehe Rn. 46 f) bzw. die durch Aktivvermögen nicht gedeckten „echten“ Passiva (siehe Rn. 48 f). Praktisch relevant wird die Ausfallhaftung nach diesem Maßstab also vor allem in der Insolvenz.142) 3.

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Einbezogene Gesellschafter – maßgeblicher Zeitpunkt

Von der Ausfallhaftung gemäß Absatz 3 betroffen sind alle Personen, die im maßgeblichen Zeitpunkt Gesellschafter sind bzw. waren. Maßgeblich ist wie im Grundtatbestand des Absatzes 1 der Zeitpunkt der verbotenen Auszahlung (siehe § 30 Rn. 40 ff [Thiessen]).143) Da Absatz 3 die Ausfallhaftung von den Bedürfnissen der Gesellschaftsgläubiger abhängig macht, wäre es auch denkbar, wie im Fall des Absatzes 2 an den Zeitpunkt anzuknüpfen, in welchem die Gesellschaft infolge der verbotenen Zahlung überschuldet oder zahlungsunfähig wird bzw. ohne die Erstattung wäre (siehe Rn. 50 ff).144) Allerdings modifiziert das Gutglaubensprivileg des Absatzes 2 den Grundtatbestand des Absatzes 1, während die Ausfallhaftung unmittelbar mit der primären Haftung des Empfängers verknüpft ist. Veränderungen im Gesellschafterbestand werden durch die Einbeziehung von Anteilserwerbern berücksichtigt (siehe Rn. 63).

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a) Gesellschafter Gesellschafter ist zunächst, wer den Gesellschaftsvertrag unterzeichnet hat (§ 2 Satz 2), bzw. bei Veränderungen im Gesellschafterbestand, wer in die im Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste eingetragen ist (§§ 16 Abs. 1, 40). Eine Ausnahme besteht nur im Fall der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB).145) Zwischen alten und neuen Anteilen besteht kein Unterschied, weil auch die Gesellschafter, die Geschäftsanteile aus einer Kapitalerhöhung beziehen, der „kollektiven Haftungszusage“ (siehe § 30 Rn. 1 [Thiessen]) beitreten.146)

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Anders als nach bestrittener h. L. der Grundtatbestand des Absatzes 1 (siehe Rn. 19) trifft die Ausfallhaftung gemäß § 31 Abs. 3 analog § 16 Abs. 2 auch den Anteilserwerber, wenn die Anteilsabtretung nach der verbotenen Auszahlung, aber vor Fällig-

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_____________ 142) Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 27; Ekkenga in: MünchKommGmbHG, § 31 Rn. 55. 143) BGH, ZIP 2005, 1638, 1639 = GmbHR 2005, 1351 = DB 2005, 2071; Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 31 Rn. 21; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 31 Rn. 24; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 35; Ulmer/Habersack/LöbbeHabersack, GmbHG, § 31 Rn. 46; Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 56. 144) Hachenburg-Goerdeler/Müller, GmbHG, § 31 Rn. 42 f; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 25; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 57. 145) Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 48. 146) So für § 24 entschieden in RGZ 93, 251, 253; zust. etwa Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 31 Rn. 63; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 26 m. w. N.; a. A. Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 57 ff.

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Erstattung verbotener Rückzahlungen

keit des Ausfallhaftungsanspruchs erfolgt ist.147) Hierin liegt ein Anreiz für Neugesellschafter, sich – bei größeren Anteilserwerben typischerweise in einer DueDiligence-Prüfung – über verdächtige Auszahlungen der Vergangenheit zu informieren. Für Alt- wie für Neugesellschafter ist daher auf der Grundlage des § 51a die Überwachung der Geschäftsführer geboten.148) Wer in Erwartung der Ausfallhaftung aus der Gesellschaft ausscheidet, kann sich nicht darauf berufen, dass er bei Fälligkeit der betreffenden Gläubigerforderung nicht mehr Gesellschafter ist. Ähnlich bei § 31 Abs. 1 (siehe Rn. 22 f und § 30 Rn. 93 ff [Thiessen]) kann der Kreis der für den Ausfall haftenden Personen unter Umgehungsgesichtspunkten auf Personen ausgedehnt werden, die wirtschaftlich die „eigentlichen“ Gesellschafter sind, insbesondere Treugeber des Gesellschafters.149) Während der Grundtatbestand des § 31 Abs. 1 grundsätzlich den Empfänger trifft, haften bei der Ausfallhaftung mitberechtigte Gesellschafter analog § 18 Abs. 2 als Gesamtschuldner.150) Ein Kleinbeteiligungsprivileg analog § 39 Abs. 5 InsO ist jedenfalls nach dessen Verlagerung in das Insolvenzrecht nicht (mehr) anzuerkennen.151) b) Ausfallhaftung der Gesellschaft aus eigenen Anteilen?

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Aus eigenen Anteilen (§ 33) kann die Gesellschaft nicht in Anspruch genommen werden, weil die Ausfallhaftung tatbestandsmäßig voraussetzt, dass das Gesellschaftsvermögen zur Gläubigerbefriedigung nicht ausreicht, die Gesellschaft also weder zahlen kann noch darf (siehe Rn. 44 ff). Die Gesellschaft wird so zur Gesellschafterin, von der Beiträge nicht zu erlangen sind, sodass der auf die Gesellschaft entfallende Anteil gemäß § 31 Abs. 3 Satz 2 auf die anderen Gesellschafter nach dem Verhältnis ihrer Geschäftsanteile verteilt wird. Die Ausfallhaftung der Gesellschaft ist daher zunächst praktisch irrelevant,152) lebt aber gegenüber demjenigen auf, welcher einen Anteil der Gesellschaft erwirbt.153) _____________ 147) Offen BGH, ZIP 2005, 1638, 1639 = GmbHR 2005, 1351 = DB 2005, 2071; für eine Haftung Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 21; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 31 Rn. 24; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 35; ScholzVerse, GmbHG, § 31 Rn. 56; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 31 Rn. 60; das dort Rn. 62 zitierte Urteil BGH, ZIP 1984, 170, 171 = DB 1984, 340 = WM 1984, 136 betraf einen primären Erstattungsanspruch gemäß § 31 Abs. 1, nicht die Ausfallhaftung gemäß § 31 Abs. 3; für eine Haftung im Fall des § 31 Abs. 1 OLG Köln, ZIP 2011, 863, 865 = GmbHR 2011, 648 = NZI 2011, 376, dazu EWiR 2011, 667 (Schodder). Zur Rechtslage bei unmittelbarer Anwendung § 16 Abs. 2 (= Abs. 3 a. F.) BGH, GmbHR 1991, 195 = BB 1991, 713 (2. Strafsenat in einem Betrugsfall). 148) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 1; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 3. 149) Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 14 diff. nach offener und verdeckter Treuhand Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn. 21; a. A. ScholzVerse, § 31 Rn. 54. 150) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 21; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 33; Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 53, 64. 151) Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 58; a. A. zum alten Recht Grunewald in: FS Lutter, S. 413, 422. 152) So Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 21; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtHeidinger, GmbHG, § 31 Rn. 62; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 26; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 64. 153) Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 49; Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 55.

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Erstattung verbotener Rückzahlungen

Ob die Ausfallhaftung der Gesellschaft vor Anteilsveräußerung bereits rechtstechnisch ausgeschlossen ist, weil die Gesellschaft nicht ihr eigener Schuldner sein kann,154) kann dahinstehen. Jedenfalls kann und darf ein etwaiger Regressanspruch der zahlenden Gesellschafter gegen die nach der Logik des § 31 Abs. 3 Satz 1 notwendig ausfallende Gesellschaft erst realisiert werden, wenn wieder Vermögen vorhanden sein sollte, das zur Gläubigerbefriedigung nicht erforderlich ist. Entsprechende Zahlungsfähigkeit und „Unterschuldung“ vorausgesetzt, darf die Gesellschaft diesen Anspruch selbst bei be- oder entstehender Unterbilanz erfüllen, weil sich die Zahlungspflicht der Gesellschaft hier nicht aus einer Absprache von Gesellschaft und Gesellschafter, sondern aus allgemeinem Zivilrecht ergibt. Die nun wieder solvente Gesellschaft zahlt lediglich an den Gesellschafter, was sie sonst ohnehin an ihre Gläubiger hätte zahlen müssen und was an ihrer Stelle der Gesellschafter vorgestreckt hat.

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c) GmbH & Co. KG Ist bei einer GmbH & Co. KG die verbotene Zahlung zulasten des KG-Vermögens erfolgt (siehe § 30 Rn. 46 f [Thiessen]), haften die Kommanditisten gemäß § 31 Abs. 3 nur, soweit sie zugleich der GmbH angehören oder im maßgeblichen Zeitpunkt (siehe Rn. 61) angehört haben.155) Nur-Kommanditisten kommen allenfalls als Empfänger einer verbotenen Auszahlung in Betracht (siehe Rn. 24 und § 30 Rn. 101 [Thiessen]), nicht auch als Adressaten der Ausfallhaftung gemäß oder analog § 31 Abs. 3.156) Ein anderes Ergebnis wäre mit §§ 171 f HGB kaum vereinbar. Im Übrigen sollte sich die Ausfallhaftung wie auch sonst bei § 31 Abs. 3 am Beteiligungsverhältnis orientieren.157) 4.

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Abgestufte Pro-rata-Haftung der Mitgesellschafter

Die Gesellschafter haften gemäß § 31 Abs. 3 nicht gesamtschuldnerisch, sondern nach dem Verhältnis ihrer Geschäftsanteile. Diese Pro-rata-Haftung erschien dem historischen Gesetzgeber von 1891/92 als gerecht, da hiermit die Gesellschafter in dem Maße an den Sanktionen der Kapitalerhaltung (wie auch an jenen der Kapitalaufbringung, § 24) beteiligt werden, in dem sie auch sonst an der Gesellschaft beteiligt sind.158) Gesamtschuldnerisch haften analog § 18 Abs. 2 jedoch Anteilsmitberechtigte.159)

_____________ 154) Auch zum Folgenden Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 34, 41 f. 155) K. Schmidt in: MünchKomm-HGB, 2. Aufl., § 172a Rn. 46; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2006, §§ 32 a, b Rn. 234. Die Aufhebung der dort kommentierten Normen ändert nichts, soweit es um die unmittelbare Anwendung der §§ 30, 31 geht. 156) A. A. Gehrlein/Born/Simon-Kuntz, GmbHG, § 31 Rn. 29; obiter wohl auch BGH, ZIP 1995, 736, 738 = GmbHR 1995, 442 = NJW 1995, 1960; Folgeverfahren zu BGHZ 110, 342, 355 ff = ZIP 1990, 578 = NJW 1990, 1725, dazu EWiR 1990, 479 (Bergmann). 157) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 74. 158) Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1891, S. 72, 82, auch zum Gleichlauf der §§ 24, 31. 159) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 23; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 56; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 64.

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Für den vom Empfänger nicht erlangenden Erstattungsbetrag haften die Mitgesellschafter in zwei Stufen. Zunächst wird der Erstattungsbetrag auf alle Mitgesellschafter nach dem Verhältnis ihrer Geschäftsanteile zum Zeitpunkt der verbotenen Auszahlung160) (siehe § 30 Rn. 40 ff [Thiessen]) verteilt (§ 31 Abs. 3 Satz 1), bei teilweiser Privilegierung gemäß § 32 nach dem Verhältnis ihrer Gewinnanteile (siehe § 32 Rn. 5 [Thiessen]). Fallen einzelne Mitgesellschafter aus, werden die auf sie entfallenden „Beiträge“ wiederum nach dem Verhältnis der Gesellschafts- bzw. Gewinnbeteiligung auf die übrigen Gesellschafter verteilt (§ 31 Abs. 3 Satz 2). Besteht der Verstoß gegen § 30 Abs. 1 darin, dass an einen Gesellschafter eine Gesellschaftsforderung gegen einen Mitgesellschafter abgetreten wird, so kann die Inanspruchnahme des Mitgesellschafters aus wirksam abgetretenem Recht treuwidrig sein, wenn dem Mitgesellschafter eine weitere Inanspruchnahme aus § 31 Abs. 3 droht.161)

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Da die Mitgesellschafter die verbotene Leistung nicht empfangen haben, scheidet anders als beim Leistungsempfänger (siehe Rn. 31 ff) eine Erstattung „in Natur“ aus. Die Ausfallhaftung richtet sich – zumal es auf die Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger ankommt – auf eine Geldzahlung.162) 5.

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Beschränkung der Ausfallhaftung auf die Höhe des Stammkapitals

Wie bei § 24 birgt die Ausfallhaftung auch bei § 31 Abs. 3 eine erhebliche Gefahr für die Mitgesellschafter. Was der eigentlich erstattungspflichtige Gesellschafter verbotswidrig empfangen hat und wie viel davon zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger benötigt wird, ist dem Einfluss der Mitgesellschafter entzogen, soweit sie nicht einander und die Geschäftsführer permanent kontrollieren wollen. Auch wer kein „Recht auf Desinteresse“ in Angelegenheiten der Gesellschaft (siehe Rn. 40) für sich in Anspruch nimmt, kann von der Ausfallhaftung ebenso überraschend wie hart getroffen werden, da als verbotene Leistung gemäß § 31 Abs. 1 unter Umständen der gesamte durch Eigenkapital nicht gedeckte Fehlbetrag zu erstatten ist (siehe Rn. 26 und § 30 Rn. 14 [Thiessen]). Um das Risiko der Mitgesellschafter kalkulierbar zu machen,163) hat der Bundesgerichtshof daher im Anschluss an die herrschende Literaturmeinung164) die Ausfallhaftung der Gesellschafter insgesamt auf die Höhe der Stammkapitalziffer begrenzt.165) _____________ 160) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 31 Rn. 73. 161) OLG Düsseldorf, ZIP 2012, 2059, 2060 = GmbHR 2012, 793 = NZG 2012, 1150. 162) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 23; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtHeidinger, GmbHG, § 31 Rn. 64; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 37; Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 65. 163) Deshalb für eine nur entsprechende Anwendung der §§ 30, 31 bereits BGHZ 60, 324, 327 f = NJW 1973, 1036, 1038 = GmbHR 1973, 163. 164) So weiterhin Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 24; dem Urteil BGHZ 150, 1 = ZIP 2002, 848 = GmbHR 2002, 549, dazu EWiR 2002, 679 (Blöse) zust. Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 31 Rn. 23; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 55. 165) Noch ohne Festlegung zur Höhe BGHZ 150, 61, 64 f = ZIP 2002, 848, 849 f = GmbHR 2002, 549 m. w. N., dazu EWiR 2002, 679 (Blöse); Altmeppen, ZIP 2002, 961, 962 ff; offen noch BGH, ZIP 1990, 451, 453 = GmbHR 1990, 249 = NJW 1990, 1730, dazu EWiR 1990, 481 (Joost).

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Erstattung verbotener Rückzahlungen

Durch die Pro-rata-Haftung (siehe Rn. 69 ff) haften die Mitgesellschafter für Verstöße gegen die Kapitalerhaltung zunächst zwar nur in dem Maße, in welchem sie auch an der Kapitalaufbringung beteiligt sind. Dadurch, dass jeder Gesellschafter das Risiko trägt, dass alle anderen Gesellschafter auch ausfallen (siehe Rn. 56 ff), kann sich die vom Bundesgerichtshof begrenzte Haftung des einzelnen Gesellschafters aber auf die gesamte Stammkapitalziffer summieren.166) Da § 31 Abs. 3 als Komplementärvorschrift zu § 24 konzipiert ist,167) erscheint es jedoch sachgerecht, wenn man nicht bereits als Höchstbetrag den Geschäftsanteil des Empfängers zum Maßstab nimmt,168) zumindest den eigenen Anteil des in Anspruch genommenen Mitgesellschafters abzuziehen,169) da dieser bei § 24 gleichermaßen außer Betracht bleibt. Die strikte Gegenauffassung des Bundesgerichtshofs ist ersichtlich von der besonderen Situation des entschiedenen Falls beeinflusst, in welchem der auf Ausfallhaftung gemäß § 31 Abs. 3 in Anspruch genommene Gesellschafter seinerseits Erstattung einer verbotenen Zahlung gemäß § 31 Abs. 1 schuldete.170) Der daraus abgeleitete Erst-recht-Schluss überzeugt jedoch deshalb nicht, weil eine etwaige Eigenhaftung des (Mit-)Gesellschafters aus § 31 Abs. 1 ebenso selbstverständlich von § 31 Abs. 3 unabhängig ist wie die eigene Einlageverpflichtung gemäß § 19 von der Fehlbetragshaftung gemäß § 24. Kennzeichnet der Bundesgerichtshof in anderem Zusammenhang den Anspruch aus § 31 Abs. 1 zutreffend als Anspruch auf „Wiederaufbringung des durch die verbotene Auszahlung verletzten Stammkapitals der Gesellschaft“, der „deshalb funktional mit dem Einlageanspruch der Gesellschaft zu vergleichen“ sei,171) so impliziert dies jedenfalls, dass der Gesellschafter seine korrekt aufgebrachte (§ 19) Einlage nicht ein zweites Mal erbringen muss. Der Abzug des eigenen Anteils wäre daher kein unverdientes Privileg für maßgeblich beteiligte Gesellschafter.172) Eine entsprechende Prüfbitte des Bundesrats im MoMiG-Gesetzgebungsverfahren blieb allerdings folgenlos.173)

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Von dieser Begrenzung unberührt bleibt die verschuldensabhängige Existenzvernichtungshaftung gemäß § 826 BGB (siehe § 30 Rn. 156 ff [Thiessen]).174) Eine _____________

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166) BGH, ZIP 2003, 2068, 2071 = GmbHR 2003, 1420 = NJW 2003, 3629, dazu EWiR 2004, 383 (Wagner). 167) Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1891, S. 40, 82. 168) So K. Schmidt, BB 1995, 529, 531 f; K. Schmidt in: FS Raiser, S. 311; grundsätzlich zust. Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 30; offen Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 61. 169) So Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn. 22. 170) BGH, ZIP 2003, 2068, 2071 = GmbHR 2003, 1420 = NJW 2003, 3629, dazu EWiR 2004, 383 (Wagner). 171) BGHZ 144, 336, 341 = ZIP 2000, 1251, 1253 = NJW 2000, 2577, dazu Benecke, ZIP 2000, 1969. 172) A. A. Bayer in: FS Röhricht, S. 25, 37 f; ihm folgend Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 55; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 63; Gehrlein/Born/ Simon-Kuntz, GmbHG, § 31 Rn. 28. 173) Stellungnahme des BRat z. RegE MoMiG sowie Gegenäußerung der BReg, BT-Drucks. 16/ 6140, S. 67, 76 = Seibert, MoMiG, S. 169 f; insoweit krit. Ekkenga in: MünchKommGmbHG, § 31 Rn. 62. 174) Zur Ausfallhaftung der Mitgesellschafter im Verhältnis zu § 31 Abs. 3 noch vor der dogmatischen Konsolidierung des existenzvernichtenden Eingriffs BGHZ 142, 92 = ZIP 1999, 1352, 1353 = NJW 1999, 2817, dazu EWiR 1999, 835 (Wilhelm).

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Erstattung verbotener Rückzahlungen

Ausfallhaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs trifft auch diejenigen Mitgesellschafter, die, ohne selber etwas empfangen zu haben, durch ihr Einverständnis mit dem Vermögensabzug an der Existenzvernichtung der Gesellschaft mitgewirkt haben.175) V. Erlassverbot (Abs. 4) 75

Die Haftung des Empfängers und seiner Mitgesellschafter gemäß § 31 Abs. 1 bis 3 ist nach § 31 Abs. 4 zwingend,176) solange das Stammkapital nicht wieder aufgefüllt ist (siehe Rn. 29).177) Dies gilt in der Einpersonengesellschaft ebenso wie bei Einverständnis aller Gesellschafter mit der verbotenen Auszahlung.178) Der historische Gesetzgeber folgerte jegliche „Unzulässigkeit einer Befreiung von der Erstattungspflicht … aus dem Zweck der letzteren“.179) Allerdings spricht § 31 Abs. 4 parallel zu § 19 Abs. 1 Satz 1 nur aus, dass die Erstattungspflicht dem Empfänger und seinen Mitgesellschaftern nicht erlassen werden kann. Auch wenn das GmbH-Gesetz älter ist als das BGB, sind damit der Erlassvertrag und das negative Schuldanerkenntnis gemeint (§ 397 BGB); einen einseitigen Verzicht kennt das BGB ohnehin nicht. Ein entsprechender Vertrag ist gemäß § 134 BGB, ein Gesellschafterbeschluss analog § 241 Nr. 3 AktG nichtig.180) Anders als § 19 Abs. 2 Satz 2 erwähnt § 31 Abs. 4 jedoch nicht die Aufrechnung, ebenso wenig die Stundung oder eine Leistung an Erfüllungs statt. Für eine parallele Auslegung181) von § 19 Abs. 2 Satz 2 und § 31 Abs. 4 spricht trotz mangelnder redaktioneller Abstimmung182) grundsätzlich, dass die Kapitalerhaltung in der Regel ein Spiegelbild der Kapitalaufbringung183) darstellt (siehe § 30 Rn. 4 [Thiessen]). Das Erlassverbot erstreckt sich zumindest analog § 31 Abs. 4 auf Gegenleistungs- und Rückgewähransprüche gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2, da deren Wegfall den Verbotstatbestand des § 30 Abs. 1 Satz 1 begründet (siehe § 30 Rn. 37 [Thiessen]) und die von § 31 Abs. 4 geschützten Erstattungsansprüche gemäß § 31 Abs. 1 und 3 auslöst.184)

_____________ 175) BGHZ 150, 61, 67 = ZIP 2002, 848, 850 = GmbHR 2002, 549 m. w. N., dazu EWiR 2002, 679 (Blöse). 176) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 1, 26; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 1 f, 43; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 2. 177) Ulmer in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 363, 387 f; Rowedder/Schmidt-LeithoffPentz, GmbHG, § 31 Rn. 43; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 75; a. A. insoweit Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 62. 178) Baumbach/Hueck-Zöllner/Beurskens, GmbHG, 20. Aufl. 2013, SchlussAnhKonzernR Rn. 115. 179) Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1891, S. 82. 180) Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 62. 181) Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 3. 182) Ulmer in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 363, 380 ff; Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn. 27; dem folgend BGHZ 146, 105, 108 = ZIP 2001, 157, 158 = NJW 2001, 830, dazu EWiR 2001, 327 (H. P. Westermann). 183) BGHZ 144, 336 = ZIP 2000, 1251 = NJW 2000, 2577, dazu Benecke, ZIP 2000, 1969. 184) Altmeppen, ZIP 2009, 49, 54; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 69.

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§ 31

Erstattung verbotener Rückzahlungen

1.

Aufrechnung

Der Bundesgerichtshof hat das erst vor wenigen Jahren zulasten des Gesellschafters anerkannte185) Aufrechnungsverbot relativiert. So kann186) beim sog. Her- und Hinzahlen von Gesellschaftsvermögen die vorgebliche Erfüllung einer Einlageschuld in die Erstattung einer verbotenen Zahlung gemäß § 31 Abs. 1 umgedeutet, die Zahlung also auf den Rückzahlungsanspruch verrechnet187) werden, wenn die Tilgungsbestimmung wegen Verstoßes gegen § 19 Abs. 5 unwirksam ist.188) Eine Aufrechnung durch die Gesellschaft189) dürfte wie bei der Kapitalaufbringung190) nur zulässig sein, wenn die Gesellschafterforderung liquide, fällig und vollwertig ist (siehe § 30 Rn. 37, 61 f [Thiessen]).191) 2.

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Stundung – Annahme an Erfüllungs statt

Bestand hat hingegen das vom Bundesgerichtshof anerkannte Stundungsverbot, obwohl der II. Zivilsenat dieses im sog. „November-Urteil“ (siehe § 30 Rn. 51 [Thiessen]) ausgesprochen hat.192) Die partielle Abkehr von diesem Urteil (siehe § 30 Rn. 55 [Thiessen]) erstreckt sich jedoch auf die Ausführungen des Senats zur Umgehung des Stundungsverbots durch Gewährung von Darlehen an Gesellschafter. Dass „verbotene Zahlungen aus dem Stammkapital bilanzneutral als Darlehen verschleiert werden“, kann nicht mehr als Verstoß gegen §§ 30, 31 gewertet werden: Entweder die Zahlung ist nach dem Maßstab des § 30 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 vollwertig gedeckt und damit bilanzneutral (siehe § 30 Rn. 49 ff [Thiessen]), oder sie ist es nicht.193) Entsprechendes gilt für die Annahme einer Leistung an Erfüllungs statt.194)

_____________ 185) BGHZ 146, 105 = ZIP 2001, 157 = NJW 2001, 830, dazu EWiR 2001, 327 (H. P. Westermann); ähnlich bereits BGHZ 144, 336 = ZIP 2000, 1251, 1253 = NJW 2000, 2577, dazu Benecke, ZIP 2000, 1969; zur GmbH & Co. KG OLG Hamm, NZG 2010, 1298, 1300 = NZI 2011, 51, dort insoweit nicht abgedr.; für eine Herleitung aus § 390 BGB bereits G. Müller, ZIP 1996, 941, 944. 186) Nicht: muss, vgl. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 31 Rn. 21 a. E. 187) A. A. noch Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 44; allgemein zur Abgrenzung Aufrechnung/Verrechnung Schlüter in: MünchKomm-BGB, § 387 Rn. 50 ff. 188) BGHZ 179, 285 = ZIP 2009, 662 = GmbHR 2009, 485; damit kehrt der II. Zivilsenat zu der bereits in BGHZ 69, 274 = NJW 1978, 160, 162 = GmbHR 1978, 64 vertretenen Auffassung zurück, vgl. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 31 Rn. 33; für die Kapitalaufbringung BGH, ZIP 2006, 1633, 1634 = GmbHR 2006, 982 = DB 2006, 1889. 189) Vgl. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 31 Rn. 13; Altmeppen, NZG 2000, 887 (Urteilsanm.); Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 72. 190) St. Rspr., vgl. BGHZ 125, 141, 143 = ZIP 1994, 701 = GmbHR 1994, 394 m. w. N., dazu EWiR 1994, 467 (v. Gerkan); BGHZ 144, 336 = ZIP 2000, 1251, 1256 = NJW 2000, 2577, dazu Benecke, ZIP 2000, 1969. 191) A. A. Gehrlein/Born/Simon-Kuntz, GmbHG, § 31 Rn. 35 m. w. N. 192) Auch für das folgende Zitat BGHZ 157, 72, 77 = ZIP 2004, 263, 265 = NJW 2004, 1111, dazu EWiR 2004, 911 (Schöne/Stolze) und Wessels, ZIP 2004, 793. 193) Schmolke, Kapitalerhaltung, S. 36; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 70. 194) So vor dem „November-Urteil“ (Fn. 191) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 31 Rn. 89; konsequent für Zulässigkeit Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 31 Rn. 18, 34; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 26; wohl auch Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 74.

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§ 31 3. 78

Abtretung

Die Abtretung des Erstattungsanspruchs (eingehend siehe Rn. 10 ff) ist gegenüber Gesellschaftern nur zulässig, wenn der Gesellschafter eine vollwertige Gegenleistung erbringt oder im Gegenzug zur Abtretung einen vollwertigen Anspruch gegen die Gesellschaft verliert. Eine isolierte Abtretung, welche den Erstattungsanspruch in der Person des Gesellschafters durch Konfusion erlöschen lässt, ist hingegen gemäß § 31 Abs. 4 unzulässig.195) Gegenüber Nichtgesellschaftern ist die Abtretung auch ohne vollwertige Gegenleistung bzw. bei nicht vollwertigem Gegenanspruch zulässig, insbesondere wenn die Gesellschaft hierdurch ihre Schulden reduziert (siehe Rn. 13). Das Erlassverbot des § 31 Abs. 4 wird hierdurch grundsätzlich nicht tangiert, weil der Nichtgesellschafter dem Kapitalerhaltungsgebot nicht unterliegt. Umgehungen sind wie in den Fällen zu sanktionieren, in denen eine Leistung aus dem Gesellschaftsvermögen an einen Dritten wirtschaftlich einem Gesellschafter zugutekommt (siehe § 30 Rn. 97 f [Thiessen]). Dies ist z. B. dann der Fall, wenn der Gesellschafter verabredetermaßen vom Zessionar nicht vollständig in Anspruch genommen wird. Dass dadurch bestehende Beweisproblem der Gesellschaft (vor allem ihres Insolvenzverwalters) lässt sich nur vermeiden, wenn man die Abtretung nicht oder nur bei Vollwertigkeit zulässt.196) Die Verwertbarkeit des Erstattungsanspruchs (siehe Rn. 10, 13) würde dadurch allerdings stark eingeschränkt. 4.

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Erstattung verbotener Rückzahlungen

Vergleich

Zulässig ist zudem ein Vergleich zwischen Gesellschaft und Empfänger/Mitgesellschafter.197) Dieser setzt voraus, dass der Anspruch streitig oder ungewiss (§ 779 Abs. 1 BGB) oder seine Durchsetzung unsicher ist (§ 779 Abs. 2 BGB). Unmittelbar aus § 779 Abs. 1 BGB ergibt sich die Einschränkung, dass der Vergleich – und damit die partielle Befreiung von der Verpflichtung aus § 31 – unwirksam ist, wenn dem Vergleich eine tatsächliche Fehlvorstellung zugrunde lag. Ein kollusiv zum Schein geschlossener „Vergleich“ ist gemäß § 117 Abs. 1 BGB nichtig. Sowohl bei Streit über die Vermögenslage im Auszahlungszeitpunkt als auch über die Frage, ob die Erstattung im Interesse der Gläubiger benötigt wird, kann eine einverständliche Teilleistung aus Sicht der Gesellschaft besser sein als keine; desgleichen, wenn die Solvenz des Erstattungspflichtigen zweifelhaft ist.198)

_____________ 195) Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 70 in Abgrenzung zur Gesamtrechtsnachfolge durch Verschmelzung. 196) So Ulmer in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 363, 383. 197) Vgl. für die tatsächlichen Voraussetzungen eines kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens BGHZ 113, 381, 383 = ZIP 1991, 456 = NJW 1991, 1615, dazu EWiR 1991, 493 (Brehm); für die Schiedsfähigkeit eines Streits um die Kapitalaufbringung ebenso wie für den Bestand einer Einlageforderung BGHZ 160, 127 = ZIP 2004, 1616, 1618 = GmbHR 2004, 1214, dazu EWiR 2005, 239 (Kuhne). 198) Für die Zulässigkeit eines ernstgemeinten Vergleichs Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 26; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 31 Rn. 90; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 71; eingehend Rowedder/Schmidt-LeithoffPentz, GmbHG, § 31 Rn. 45 ff; für grundsätzliche Unzulässigkeit Ulmer/Habersack/LöbbeHabersack, GmbHG, § 31 Rn. 65.

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§ 31

Erstattung verbotener Rückzahlungen

Ein Vertrag zulasten Dritter liegt darin im Fall des § 779 Abs. 1 BGB nicht, weder gegenüber den Gesellschaftsgläubigern noch gegenüber den Mitgesellschaftern. Die Gesellschaftsgläubiger sind nicht nur durch die zivilrechtlichen Voraussetzungen des Vergleichs geschützt. Einen unzulässigen Vergleich können Insolvenzverwalter bzw. Gläubiger anfechten;199) bei Kollusion nach § 133 InsO, § 3 AnfG; bei Unentgeltlichkeit nach § 134 InsO, § 4 AnfG, wenn etwa der Gesellschafter tatsächlich nicht nachgibt (§ 779 BGB),200) weil der Erstattungsanspruch nicht ungewiss war; nach § 131 InsO, wenn ihm die (teilweise) Befreiung von seiner Verbindlichkeit mangels Vergleichsgrundlage nicht zustand, wobei die Inkongruenz Beweisanzeichen für die Vorsatzanfechtung liefert. Die gemäß § 31 Abs. 3 in Anspruch genommenen Mitgesellschafter haben zwar grundsätzlich einen – regelmäßig wertlosen201) – Regressanspruch gegen den Zahlungsempfänger.202) Wird aber der Vergleich gemäß § 779 Abs. 1 BGB geschlossen, weil der Erstattungsanspruch oder das Bedürfnis der Gläubiger ungewiss ist, kann die subsidiäre Haftung der Mitgesellschafter nicht weitergehen. Diese werden nicht in Anspruch genommen, müssen daher auch nicht beim Empfänger Regress nehmen und verlieren durch den Vergleich mit dem Empfänger also auch keinen Regressanspruch.

80

Anders verhält es sich mit dem Fall des § 779 Abs. 2 BGB. Hier gibt die Gesellschaft gegenüber nach, weil die Bonität des Schuldners zweifelhaft ist. Damit realisiert sich das Risiko, vor dem § 31 Abs. 3 die Gesellschaftsgläubiger schützen will. Vergleicht sich die Gesellschaft mit dem Empfänger, müssen daher die Mitgesellschafter zustimmen, soweit ihr Regress gegen den Empfänger ausgeschlossen werden soll.203) Wird der Vergleich auf die Ausfallhaftung der Mitgesellschafter erstreckt, müssen die Gesellschaftsgläubiger zustimmen, da über deren Rechte weder Gesellschaft noch Gesellschafter verfügen können.204) Erwägenswert ist eine Analogie zu den aktienrechtlichen Fällen, in denen der Schuldner zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird. Dabei ist nicht nur an die Gründer- und Geschäftsleiterhaftung zu denken (§ 50 Satz 2 AktG,

81

_____________ 199) Zum Folgenden BGH, ZIP 2004, 1370, 1371 ff = NJW-RR 2004, 1534 = WM 2004, 1583, dazu EWiR 2004, 1205 (Bork). 200) Vgl. Kayser in: MünchKomm-InsO, § 134 Rn. 40a; Habersack in: MünchKomm-BGB, § 779 Rn. 1, 27. 201) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 31 Rn. 74; ScholzH. P. Westermann, GmbHG, Bd. 1, § 31 Rn. 30. 202) So bereits für die Parallelvorschrift des § 24 Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1891, S. 72. Zur dogmatischen Herleitung aus §§ 670, 683 Satz 1 BGB und einer Analogie zu § 774 Abs. 1 Satz 1 BGB Ulmer/ Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 58; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 66. 203) Mit unterschiedlichen Akzenten Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn. 26; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 45. 204) Vgl. Ulmer/Habersack/Winter-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 65; Habersack in: MünchKommBGB, § 779 Rn. 9.

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§ 31

Erstattung verbotener Rückzahlungen

§ 93 Abs. 4 Satz 4 AktG),205) sondern – da es um eine partielle Suspendierung vom Kapitalschutz geht – auch an die Verlustübernahme im Vertragskonzern (§ 302 Abs. 3 Satz 2 AktG) und – wenn der Empfänger ein „beherrschender“ Gesellschafter ist – an die Haftung für sorgfaltswidrige Weisungen (§ 309 Abs. 3 Satz 2 AktG). Entscheidend ist hier nicht die mehr oder weniger große Nähe des Tatbestands, sondern die Angemessenheit des Verfahrens und der Rechtsfolge, welche die betroffenen Gläubiger gleichberechtigt bzw. proportional einbeziehen. VI. Verjährung (Abs. 5) 82

Fristen, Beginn und Ablauf der Verjährung sind im Jahre 2004 geändert worden.206) Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz von 2001 hatte die alte Regelverjährungsfrist von dreißig Jahren gestrichen, die bis dato für den Erstattungsanspruch aus § 31 galt, wenn „dem Verpflichteten eine bösliche Handlungsweise zur Last“ fiel (§ 31 Abs. 5 Satz 2 a. F.).207) Bei redlichem, d. h. zumindest nicht vorsätzlichem Empfang verjährten die Ansprüche aus § 31 Abs. 1 bis 3 in fünf Jahren (§ 31 Abs. 5 Satz 1 a. F.). Hierdurch entstandene Widersprüche (siehe Rn. 88, 90 f) wurden durch ein Verjährungsrechtsanpassungsgesetz beseitigt.

83

Das Gesetz differenziert nicht mehr zwischen „böslichem“ und redlichem Verhalten, sondern zwischen dem Anspruchsgegner. Gegen den primär haftenden Empfänger kann die Gesellschaft zehn Jahre vorgehen, gegen die subsidiär haftenden Mitgesellschafter nur fünf Jahre. Der Fristbeginn nach § 31 Abs. 5 Satz 2 entspricht wörtlich § 31 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 a. F. Im Fall der Insolvenz kommt dem Insolvenzverwalter für den Anspruch gegen den Zahlungsempfänger eine sechsmonatige Ablaufhemmung ab Verfahrenseröffnung zugute (§ 31 Abs. 5 Satz 3 i. V. m. § 19 Abs. 6 Satz 2). Eine entsprechende Verjährungsvorschrift enthält § 62 Abs. 3 AktG, mangels mithaftender Gesellschafter jedoch nur in der Variante der Zehn-Jahres-Frist gegenüber dem Empfänger der verbotenen Leistung.

84

Gehen bei einer GmbH & Co. KG Zahlungen aus dem KG-Vermögen mittelbar zulasten des GmbH-Vermögens (siehe § 30 Rn. 46 f [Thiessen]), gilt für die daraus resultierende Ansprüche gegen Empfänger und Mitgesellschafter (siehe Rn. 24, 68) auch die Verjährung gemäß § 31 Abs. 5.

_____________ 205) Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn. 26; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 45. Einzelheiten zu Historie, Zweck und Prozedere bei Pentz in: MünchKomm-AktG, § 50 Rn. 7, 17 ff. 206) Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts v. 9.12.2004, BGBl. I, 3214, 3217; hierzu RegE BT-Drucks. 15/3653, S. 11 ff, 20 ff, 25 f. Normen und Begründung beruhen auf dem Gutachten von Thiessen, ZHR 168 (2004) 503, 529 ff, auf das verwiesen wird. 207) Zu § 31 Abs. 5 Satz 2 a. F. und zum Übergangsrecht OLG Koblenz, ZIP 2011, 1913, 1915 f = GmbHR 2011, 1153 = WM 2011, 1819; BGH, ZIP 2013, 894, 896 Rn. 28 f = GmbHR 2013, 529 = NZG 2013, 827, dazu EWiR 2013, 555 (Hölzle); BGH, ZIP 2013, 2400, 2402 Rn. 35 f = GmbHR 2013, 1318 = NZG 2013, 1385, dazu EWiR 2014, 137 (Baumann).

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§ 31

Erstattung verbotener Rückzahlungen

Sind sonstige zivilrechtliche Ansprüche ausnahmsweise von § 31 Abs. 1 bis 3 nicht verdrängt (siehe Rn. 118 ff), richtet sich die Verjährung insoweit nicht nach § 31 Abs. 5, sondern nach der zivilrechtlichen Regelverjährung (§§ 195, 199 BGB).208)

85

Obwohl § 31 Abs. 5 dies nicht ausdrücklich anordnet, kann die Verjährung – strenger als von § 202 Abs. 1 BGB vorgesehen – nicht verkürzt werden,209) da dies im Ergebnis einer gemäß § 31 Abs. 4 unzulässigen Haftungsbefreiung gleichkäme.210)

86

1.

Zehn-Jahres-Frist gegenüber dem Empfänger

Der Erstattungsanspruch gegen den Empfänger der verbotenen Leistung (§ 31 Abs. 1) verjährt in zehn Jahren (§ 31 Abs. 5 Alt. 1). Dies entspricht der Verjährungsfrist des § 19 Abs. 6, da die Kapitalerhaltung eine Konsequenz der Kapitalaufbringung ist.211) Die Zehn-Jahres-Frist orientiert sich an der zivilrechtlichen Maximalfrist des § 199 Abs. 4 BGB und an den Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege (§ 257 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 HGB, § 147 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 AO). Maßgeblich für die Festlegung auf zehn Jahre war außerdem das Verhältnis von Insolvenzanfälligkeit und Lebensalter der Gesellschaft.

87

Zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger wird berücksichtigt, dass die Gesellschaft typischerweise durch den auszahlenden Geschäftsführer im Moment der verbotenen Auszahlung Kenntnis von Anspruch und Anspruchsgegner erlangt oder nur infolge grober Fahrlässigkeit nicht erlangt. Der Geschäftsführer macht häufig aber den Anspruch aus falscher Loyalität gegenüber dem Gesellschafter nicht geltend, bis ein Gesellschafterwechsel oder die Insolvenz dieses rechtswidrige Einvernehmen beenden. Die Regelverjährung gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB würde in diesen Fällen oft verstreichen, bevor die Gesellschaftsgläubiger, auf deren Befriedigung es dem Gesetz als Minimum ankommt (§ 31 Abs. 2 und 3), von der verbotenen Zahlung erfahren und durch Pfändung des Erstattungsanspruchs oder im Insolvenzverfahren durch Gläubigerversammlung und Gläubigerausschuss die Forderung durchsetzen (lassen) können. Die in Absatz 5 angeordnete Zehn-Jahres-Frist behandelt die Gesellschaftsgläubiger wie alle Gläubiger, die von den anspruchsbegründenden Tatsachen nichts erfahren und dennoch einer Maximalfrist von zehn Jahren unterliegen.

88

Zugunsten der Gesellschaft und des Empfängers wird berücksichtigt, dass der Anspruch umso schwieriger zu beweisen ist, je weiter er zurückliegt. Die Gesellschaft und – soweit mit ihrer Beteiligung selbst unternehmerisch tätig – die Gesellschafter unterliegen den oben (siehe Rn. 87) genannten handelsbilanz- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen. Der Erstattungsanspruch verjährt somit in einem Zeitraum, innerhalb dessen zu erwarten ist, dass beweisrelevante Unterlagen noch vorhanden und auffindbar sind.

89

_____________ 208) Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 78; vgl. RGZ 168, 292, 302 für die seinerzeit allerdings kürzere fünfjährige Sonderverjährung des § 31 Abs. 5 Satz 1 a. F. gegenüber der DreißigJahres-Frist des § 195 BGB a. F.; daher zweifelnd Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 34. 209) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 31 Rn. 1. 210) Zu § 43 Abs. 3 i. V. m. § 9b Abs. 1 BGH, ZIP 2002, 2128, 2130 = GmbHR 2002, 1197 = NJW 2002, 3777, dazu EWiR 2003, 119 (Blöse). 211) Zust. Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 79.

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§ 31 90

Erstattung verbotener Rückzahlungen

Die Zehn-Jahres-Frist gilt – wie seit jeher im Aktienrecht (§ 62 Abs. 3 AktG) – unabhängig davon, ob der Empfänger gutgläubig oder bösgläubig war. Aus der Sicht der zu schützenden Gesellschaftsgläubiger sind die Motive des Zahlungsempfängers gleichgültig. Auch im reformierten BGB, dem die Gesetzesänderung von 2004 folgt, sind die Verjährungsfristen kaum nach subjektiven Kriterien abgestuft. Der gute Glaube des Empfängers wird außerhalb des Verjährungsrechts geschützt (§§ 31 Abs. 2, 32). 2.

Fünf-Jahres-Frist gegenüber den Mitgesellschaftern

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Der Anspruch gegen die Mitgesellschafter aus Absatz 3 verjährt in fünf Jahren (§ 31 Abs. 5 Alt. 2). Der Unterschied gegenüber der Zehn-Jahres-Frist gegenüber dem Leistungsempfänger beruht darauf, dass die Mitgesellschafter nur subsidiär zum Empfänger haften und regelmäßig von der verbotenen Leistung nicht profitieren. Die kürzere Haftung der Mitgesellschafter berücksichtigt auch, dass die Ausfallhaftung der Mitgesellschafter bei der GmbH eine für das Kapitalgesellschaftsrecht ungewöhnliche Sanktion darstellt.212) Die zeitliche Haftungsbegrenzung hat somit eine ähnliche Tendenz wie die Umfangsbegrenzung auf die Höhe des Geschäftsanteils (siehe Rn. 72 f).

92

Durch die besondere Verjährungsvorschrift für die Ausfallhaftung der Mitgesellschafter weicht der Anspruch aus Absatz 3 von dem sonst ähnlich strukturierten § 24 ab. Dieser unterliegt der regelmäßigen Verjährung (a. A. die h. M., siehe § 24 Rn. 6 [Bartels] m. w. N.: § 19 Abs. 6 analog), die seit 2002 nicht mehr dreißig, sondern nur drei Jahre beträgt (§ 195 BGB), aber kenntnisabhängig beginnt (§ 199 Abs. 1 BGB) und maximal zehn Jahre beträgt (§ 199 Abs. 4 BGB). Die Gefahr, dass der Anspruch aus § 24 der Gesellschaft bekannt ist und verjährt, bevor die Gesellschaftsgläubiger eingreifen können (siehe Rn. 88), relativiert sich jedoch bei § 24 dadurch, dass der Anspruch gemäß § 24 erst fällig wird und zu verjähren beginnt, wenn alle Instrumente nach §§ 21 – 23 erschöpft sind, mag auch die Verjährung der primären Einlageforderung unterdessen weit fortgeschritten sein. 3.

Verjährungsbeginn

93

Nach § 31 Abs. 5 Satz 2 beginnt die Verjährung mit Ablauf des Tages, an welchem die jeweils213) zu erstattende Zahlung geleistet worden ist (siehe § 30 Rn. 40 ff [Thiessen]).214) Die Verjährung beginnt einheitlich für den Erstattungsanspruch gemäß § 31 Abs. 1 wie für die Ausfallhaftung gemäß Absatz 3.215)

94

Die Vorschrift ist identisch mit § 31 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 a. F. Der Sache nach entspricht die vom historischen Gesetzgeber 1891/92 nicht eigens begründete Formulierung derjenigen des § 62 Abs. 3 Satz 1 AktG i. V. m. § 187 Abs. 1 BGB, aber _____________ 212) Zust. Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 77. 213) BGH, ZIP 2008, 2217, 2220 = GmbHR 2008, 1319 = NJW 2009, 68, dazu EWiR 2009, 23 (Kort). 214) BGHZ 173, 1, 10 = ZIP 2007, 1705, 1708 = GmbHR 2007, 1102; speziell für den Fall der Besicherung zugunsten eines Gesellschafters BGHZ 214, 258, 262 Rn. 13 = ZIP 2017, 971 = GmbHR 2017, 643, 644 ff, dazu EWiR 2017, 585 (K. Schmidt); zu den Schwierigkeiten, den genauen Zeitpunkt der Auszahlung zu ermitteln, Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 35; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 78. 215) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 27.

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§ 31

Erstattung verbotener Rückzahlungen

auch der allgemeinen Regel des § 200 Satz 1 BGB, nach der besondere Verjährungsfristen mangels besonderer Bestimmung mit der Entstehung des betreffenden Anspruchs beginnen. Anders als die einem ähnlichen Zweck dienende Kapitalaufbringungssanktion des § 24 (siehe Rn. 92) beginnt die Verjährung hier also unabhängig von der Kenntnis der Gesellschaft, auch wenn oder gerade weil diese am „Zahltag“ i. S. v. § 31 Abs. 5 Satz 2 regelmäßig vorhanden sein wird (siehe Rn. 88). 4.

Ablaufhemmung

Beim Erstattungsanspruch gegen den Empfänger (§ 31 Abs. 1) wird der Ablauf der zehnjährigen Verjährungsfrist (§ 31 Abs. 5 Satz 1) entsprechend § 19 Abs. 6 Satz 2 gehemmt, wenn vor Ablauf der Zehnjahresfrist216) über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet wird (§ 31 Abs. 5 Satz 2). Selbst wenn die Gläubiger die Empfänger verbotener Zahlungen kennen, können sie gegen die nur eingeschränkt vorgehen, indem sie den Anspruch der Gesellschaft pfänden (siehe Rn. 15). Erst durch das Insolvenzverfahren nimmt der Insolvenzverwalter kraft Amtes die Interessen der Gläubiger wahr. Es würde daher dem Sinn des Insolvenzverfahrens zuwider laufen, wenn eine noch laufende Verjährungsfrist zufällig unmittelbar nach dem Eröffnungsbeschluss abliefe, während der Insolvenzverwalter sich noch einen Überblick über die Forderungen verschafft. Eine Ablaufhemmung bereits ab Eröffnungsantrag sieht das Gesetz nicht vor, obwohl der vorläufige Insolvenzverwalter vor ähnlichen Problemen steht, wenn er die ihm vom Insolvenzgericht eingeräumte Kompetenz, verjährungshemmende Handlungen vorzunehmen, wahrnehmen will. Im Gesetzgebungsverfahren217) wurde jedoch bewusst auf eine solche Anknüpfung an den Eröffnungsantrag verzichtet, um Gläubiger nicht dazu zu motivieren, auf Vorrat einen Insolvenzantrag zu stellen, um Druck auf den Schuldner auszuüben und die Verjährung hinauszuzögern.

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Die Ablaufhemmung greift nicht in die Verjährung der Ansprüche gegen die Mitgesellschafter gemäß § 31 Abs. 3 ein. Liegt die verbotene Auszahlung mehr als fünf Jahre zurück, sind diese Ansprüche ohnehin bereits verjährt (§ 31 Abs. 5 Satz 1). Aber auch im Übrigen entspricht die fehlende Ablaufhemmung der verjährungsrechtlichen Privilegierung der Mitgesellschafter (siehe Rn. 91 f).218)

96

5.

Übergangsrecht

Das Übergangsrecht zum neuen Verjährungsrecht ist in Art. 229 § 12 Abs. 2 EGBGB geregelt, soweit Ansprüche bislang der zivilrechtlichen Regelverjährung unterlagen.219) _____________ 216) Entgegen Huber, ZIP 2010, Beilage Heft 39, S. 7, 9 ist die Leistung an den Gesellschafter nicht für unbegrenzte Zeit durch eine Rückforderung von Seiten eines späteren Insolvenzverwalters bedroht, da der Ablauf einer Verjährungsfrist nur gehemmt werden kann, wenn diese noch nicht abgelaufen ist. 217) RegE eines Gesetzes zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts BT-Drucks. 15/3653, S. 22; Thiessen, ZHR 168 (2004) 503, 521 f. 218) Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 78. 219) Eingehend zum Folgenden Thiessen, NJW 2005, 2120; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 27; Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn. 32; ScholzH. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 38; Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 79 ff; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 80 ff.

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§ 31

Erstattung verbotener Rückzahlungen

Betroffen hiervon sind Ansprüche gegen Gesellschafter, denen gemäß § 31 Abs. 5 Satz 2 a. F. eine „bösliche Handlungsweise zur Last“ fiel.220) Danach gelten die neuen Fristen auch für unverjährte Altforderungen. Der vor der Gesetzesänderung verstrichene Zeitraum wird in die Verjährungsfrist eingerechnet. Redlichen Empfängern i. S. d. § 31 Abs. 5 Satz 1 a. F. kommt gemäß Art. 229 § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 i. V. m. § 6 Abs. 3 EGBGB weiterhin die kürzere Fünf-Jahres-Frist zugute.221) Mitgesellschafter i. S. d. § 31 Abs. 3 haften gemäß Art. 229 § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 i. V. m. § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 EGBGB innerhalb der neuen, wie bisher ab Auszahlung zu berechnenden (siehe Rn. 93 f) Fünf-Jahres-Frist gemäß § 31 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2.222) 98

Im Gesetzgebungsverfahren wurde vorausgesetzt, dass die neuen Fristen, soweit sie wie im Fall des § 31 Abs. 5 Satz 2 a. F. an die Stelle der langen Regelverjährung gemäß § 195 BGB a. F. treten, frühestens ab dem 1.1.2002 berechnet werden, auch wenn dies im Wortlaut nicht eindeutig ausgesprochen ist.223) Dies ist inzwischen auch von der Rechtsprechung mehrfach anerkannt worden.224) Danach ist es ausgeschlossen, dass ein nach altem Verjährungsrecht (siehe Rn. 82) noch nicht verjährter Anspruch durch die neuen kürzeren Fristen rückwirkend fiktiv verjährt ist und den Gläubigern ihre Ansprüche abgeschnitten werden, ohne dass diese reagieren könnten.225) Nach Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB werden die neuen Fristen mit der alten Regelverjährung des § 195 a. F. verglichen. Endet die Verjährung nach altem Recht früher, bleibt es dabei (Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 2, § 12 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 EGBGB). Andernfalls gilt die neue, ab dem 1.1.2002 berechnete Frist.

99

Beispiel: Ein seit 1.7.1980 fälliger Anspruch aus § 31 Abs. 1 wäre nach § 195 BGB a. F. zum 1.7.2010 verjährt. Die neue Zehn-Jahres-Frist des § 31 Abs. 5 Satz 1 würde erst zum 1.1.2012 ablaufen. Nach Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 2, § 12 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 EGBGB gilt die früher endende alte Frist. War der Anspruch hingegen seit 1.7.1990 fällig, verjährt er nicht erst zum 1.7.2020, sondern schon zum 1.1.2012. Die Anwendung der dann kürzeren neuen Frist folgt aus Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1, § 12 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 EGBGB.

_____________ 220) Zum Übergangsrecht in einem solchen Fall OLG Koblenz, ZIP 2011, 1913, 1915 = GmbHR 2011, 1153 = WM 2011, 1819. 221) BGH, ZIP 2008, 2217, 2219 = GmbHR 2008, 1319 = NJW 2009, 68, dazu EWiR 2009, 23 (Kort); BGH, ZIP 2009, 1806, 1808 = GmbHR 2009, 1096 = DB 2009, 1975, dazu EWiR 2010, 81 (Steffek/Schmidt); unausgesprochen auch BGH, ZIP 2011, 1410, 1411 = GmbHR 2011, 933 = DB 2011, 1685; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.7.2010 – I-6 U 176/09, 6 U 176/09, juris, Rn. 4, 6. 222) Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 82; Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 81; a. A. Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 31 Rn. 103 – Berechnung ab 1.1.2002. 223) Vgl. Thiessen, NJW 2005, 2120 Fn. 4. 224) Für § 31 Abs. 5 OLG Braunschweig, ZInsO 2005, 1107, für den entsprechenden § 19 Abs. 6 BGH, ZIP 2008, 643, 645 f = GmbHR 2008, 483 = WM 2008, 638, dazu EWiR 2008, 247 (Hauptmann). 225) Zu dieser Gefahr Mansel/Budzikiewicz, NJW 2005, 321, 328 f.

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Erstattung verbotener Rückzahlungen

VII. Gesamtschuldnerische Geschäftsführerhaftung gegenüber Gesellschaftern (Abs. 6) Werden Mitgesellschafter, obwohl nicht selbst Empfänger der nach § 30 verbotenen Leistung, gemäß § 31 Abs. 3 in Anspruch genommen, weil der Empfänger als Schuldner ausgefallen ist (siehe Rn. 55 ff), können die Mitgesellschafter gesamtschuldnerisch („solidarisch“) Ersatz von den Geschäftsführern verlangen, soweit diese die verbotene Zahlung (mit-)verschuldet haben. Während der Empfänger der verbotenen Zahlung ggf. nur erstattet, was er verbotswidrig erhalten hat,226) erleiden die Mitgesellschafter eine Einbuße an ihrem wohlerworbenen Vermögen. Dies entspricht zwar der Haftungskonzeption der GmbH. Sind aber die Geschäftsführer für die verbotene Zahlung (mit-)verantwortlich, sollen diese und nicht die Mitgesellschafter letztlich das Risiko hierfür tragen. Gegenüber der Gesellschaft ergibt sich dies aus § 43 Abs. 3, gegenüber den schuldlosen Mitgesellschaftern aus § 31 Abs. 6. Für eine nach § 31 Abs. 1 geleistete Erstattung kann der Empfänger als „geborener“ Schuldner nicht Regress beim Geschäftsführer nehmen, sondern seine Haftung nur über den Nachweis gutgläubigen Empfangs gemäß § 31 Abs. 2 reduzieren (siehe Rn. 39 ff, 123).

100

§ 31 Abs. 6 Satz 1 entspricht der ursprünglichen Fassung von § 31 Abs. 6. Mit der Anpassung der Verjährungsvorschriften an das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 2004 (siehe Rn. 82) wurde klargestellt, dass der Verschuldensmaßstab und die Verjährung ebenso zu beurteilen sind wie bei der regulären Geschäftsführerhaftung gemäß § 43.

101

1.

Tatsächliche Erstattung durch Mitgesellschafter

Die Geschäftsführer haften nur, soweit der Anspruch stellende Mitgesellschafter den beim Empfänger nicht zu erlangenden Betrag gemäß § 31 Abs. 3 tatsächlich erstattet hat.227) Dass der betreffende Mitgesellschafter abstrakt einem Haftungsrisiko ausgesetzt ist, genügt nicht. Der seinerseits in Anspruch genommene Mitgesellschafter kann aber von jedem (§ 421 BGB, siehe Rn. 110 f) ersatzpflichtigen Geschäftsführer Freistellung verlangen.228) 2.

102

Einbezogene Geschäftsführer

Der auf Ersatz in Anspruch genommene Geschäftsführer muss im Zeitpunkt der verbotenen Zahlung (siehe § 30 Rn. 40 ff [Thiessen]) Geschäftsführer gewesen sein.229) Ausreichend ist aber auch das schuldhafte (siehe Rn. 106 ff) Verhalten eines künftigen oder gewesenen Geschäftsführers, wenn dieses im Zusammenhang mit der Tätigkeit als Geschäftsführer steht. Auch ein sog. faktischer Geschäftsfüh_____________ 226) Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 68. 227) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 30: „gezahlt“. 228) Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn. 34; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 31 Rn. 113; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 74. 229) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 31 Rn. 111; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 70.

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Erstattung verbotener Rückzahlungen

rer, der ohne zum Geschäftsführer bestellt zu sein, die Geschicke der Gesellschaft lenkt (siehe § 35 Rn. 18 [Jacoby]), kann gemäß § 31 Abs. 6 haften.230) 104

Ist der Geschäftsführer zugleich Gesellschafter, ergibt sich seine eigene Mithaftung verschuldensunabhängig aus § 31 Abs. 3 (siehe Rn. 55 ff). Ist er schuldlos, kann er von schuldhaft handelnden Mitgeschäftsführern Ersatz verlangen. Hat er selbst schuldhaft gehandelt, ergibt sich nicht etwa Konfusion von Gläubiger und Schuldner; vielmehr wird sein Anteil an der Haftung im Gesamtschuldnerausgleich (siehe Rn. 111) berücksichtigt.231) Ist der Geschäftsführer selbst Leistungsempfänger, haftet er aus § 31 Abs. 1, wobei ihm der Gutglaubensnachweis gemäß § 31 Abs. 2 (siehe Rn. 39 ff, 123) kaum gelingen dürfte.232) Der Rückgriff bei den Mitgeschäftsführern gemäß Absatz 6 ist ihm verwehrt, da dieser nur den gemäß Absatz 3 in Anspruch genommenen Mitgesellschaftern zusteht (siehe Rn. 100).233)

105

Bei einer GmbH& Co. KG haften die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH,234) soweit die Geschäftsführung nicht entgegen der dispositiven Regel (§§ 164, 161 Abs. 2, 114 HGB) den oder einzelnen Kommanditisten zugewiesen ist.235) 3.

106

Bezugspunkt des Verschuldens

Die Geschäftsführer haften gemäß § 31 Abs. 6 nur, soweit sie „in betreff der geleisteten Zahlung“ ein Verschulden trifft. 4.

Verschuldensmaßstab (§ 43 Abs. 1)

107

Der Geschäftsführer handelt schuldhaft i. S. v. § 31 Abs. 6 Satz 1, wenn er in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vernachlässigt. Dies ergibt sich aus § 43 Abs. 1, der gemäß § 31 Abs. 6 Satz 2 entsprechend anwendbar ist. Dies war zwar unbestritten, wurde aber mit der Änderung des Verjährungsrechts 2004 (siehe Rn. 82) ausdrücklich im Gesetzestext klargestellt.236)

108

Auf § 43 Abs. 3 wird nicht verwiesen, obwohl dieser die Kapitalerhaltung gemäß §§ 30, 31 betrifft. Zwar grenzt § 43 Abs. 3 Satz 2 und 3 den Maßstab des § 43 Abs. 1 weiter ein, sodass Geschäftsführer wegen Versäumnissen bei der Kapitalerhaltung weder durch einen Gesellschafterbeschluss noch durch einen Verzicht oder Vergleich entlastet werden, soweit die Geschäftsführerhaftung zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist. Der Geschäftsführer haftet der Gesellschaft nach diesem Maßstab grundsätzlich auch, wenn er erfolglos versucht _____________ 230) Diff. Geißler, GmbHR 2003, 1106, 1113 f. 231) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 62; Ekkenga in: MünchKommGmbHG, § 31 Rn. 88. 232) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 29; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 70. 233) Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 88. 234) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 76. 235) Vgl. Grunewald in: MünchKomm-HGB, § 161 Rn. 70 ff, § 164 Rn. 21 ff; Staub-Casper, HGB, § 164 Rn. 32 ff. 236) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 30.

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Erstattung verbotener Rückzahlungen

hat, einen Auszahlungsbeschluss zu verhindern,237) da er nur den i. R. v. Gesetz, Satzung und guten Sitten bleibenden Weisungen der Gesellschafter unterworfen ist.238) Jedoch sind es hier gerade die Gesellschafter, die Regress verlangen. Ein Verweis auf § 43 Abs. 3 wäre daher auch gegenüber den Gesellschaftern sinnlos, welche am Gesellschafterbeschluss nicht mitgewirkt haben, da auch für sie ein formal korrekt gefasster Mehrheitsbeschluss (§§ 47 ff) verbindlich und trotz Verstoßes gegen § 30 nicht gemäß § 134 BGB nichtig ist (siehe Rn. 117). Den Geschäftsführern kann die Haftung aus § 31 Abs. 6 erlassen werden (§ 397 BGB), da das Erlassverbot des § 31 Abs. 4 sich nach der systematischen Stellung und dem Normzweck auf die Ansprüche gemäß § 31 Abs. 1 bis 3 bezieht (siehe Rn. 75) und nur die Interessen der Mitgesellschafter, nicht aber der Gesellschaftsgläubiger betroffen sind.239) Rechtstechnisch handelt es sich bei § 31 Abs. 6 um einen spezialgesetzlichen Schadensersatzanspruch, sodass die Gesellschafter, auch wenn sie der Versammlung fernbleiben und die abstimmende Mehrheit gewähren lassen, ein Mitverschulden (§ 254 BGB) trifft.240) Auf den grundsätzlich möglichen Einwand des Rechtsmissbrauchs wegen widersprüchlichen Verhaltens kommt es daneben nicht an.241) Gesellschaftergeschäftsführer haften gemäß § 31 Abs. 1 und 3 auch ohne Verschulden (siehe Rn. 5, 59). 5.

109

Gesamtschuldnerische Haftung

Anders als die Mitgesellschafter selbst (§ 31 Abs. 3) haften die Geschäftsführer den Mitgesellschaftern gemäß § 31 Abs. 6 Satz 1 solidarisch, d. h. gesamtschuldnerisch i. S. d. §§ 421 ff BGB. Dies beruht darauf, dass bei den Geschäftsführern ein abstrakter, nach außen erkennbarer Maßstab zur Risikoverteilung fehlt, wie er bei den Gesellschaftern durch das Beteiligungsverhältnis gegeben ist. Deshalb wirkt sich die Ressortverteilung unter den Geschäftsführern nur im Innenverhältnis aus _____________ 237) Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 85; zumindest im Ergebnis nur scheinbar anders, da auf das Verhältnis Geschäftsführer/Mitgesellschafter bezogen, Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 31 Rn. 42; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 60, 63 f; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 40; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 71. 238) BGHZ 31, 258, 278 = NJW 1960, 285, 289 = GmbHR 1960, 43; BGH, ZIP 1987, 370 = GmbHR 1987, 224 = NJW 1987, 779, dazu EWiR 1987, 163 (H. P. Westermann); BGH, ZIP 2009, 2335, 2336 = GmbHR 2010, 85 = NJW 2010, 64, dazu EWiR 2010, 151 (Schodder); Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 6; Rowedder/Schmidt-LeithoffPentz, GmbHG, § 31 Rn. 63; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 73; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 31 Rn. 116; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 85. 239) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 31 Rn. 114. 240) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 31 Rn. 42; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtHeidinger, GmbHG, § 31 Rn. 112; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 40; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 73; Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 86. 241) So aber Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 30; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 31 Rn. 110; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 31 Rn. 42; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 60; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 69; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 85; Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 83.

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(siehe Rn. 111). Rechtstechnisch entspricht die gesamtschuldnerische Haftung gemäß § 31 Abs. 6 dem Prinzip der §§ 830 Abs. 1, 840 Abs. 1 BGB, dass mehrere Täter für eine gemeinschaftlich oder mit unklaren Tatbeiträgen schuldhaft begangene und deshalb zum Schadensersatz verpflichtende Handlung als Gesamtschuldner haften. 111

Die praktisch wichtigste Rechtsfolge für die Mitgesellschafter ergibt sich aus § 421 BGB. Danach kann der auf Erstattung in Anspruch genommene Mitgesellschafter den Erstattungsbetrag oder eine entsprechende Freistellung (siehe Rn. 102) von jedem involvierten Geschäftsführer ganz oder teilweise verlangen.242) Die Einzelwirkung gemäß § 425 Abs. 2 BGB greift ausnahmsweise nicht in Bezug auf das Verschulden,243) da es in Absatz 6 tatbestandlich vorausgesetzt wird. Hat ein Geschäftsführer einen Mitgesellschafter befriedigt, so wird er kraft Gesetzes Inhaber von dessen Ersatzforderung (§ 426 Abs. 2 BGB). Der Gesamtschuldnerausgleich erfolgt gemäß § 426 Abs. 1 BGB unter den Geschäftsführern, und zwar mangels besonderer Bestimmung – etwa Tatbeiträge, Grad des Verschuldens,244) häufig abhängig von der Ressortverteilung245) – grundsätzlich zu gleichen Anteilen (Satz 1), wobei ein etwaiger Ausfall eines Geschäftsführers nach dem gleichen Verhältnis auf die anderen Geschäftsführer verteilt wird (Satz 2).

112

Schuldhaft handelnde Geschäftsführer können umgekehrt weder vom Empfänger noch von den Mitgesellschaftern Regress nach gesamtschuldnerischen Grundsätzen verlangen.246) Im Rahmen des § 31 dürfte dieses Problem nicht auftreten, weil die Erforderlichkeit der Ausfallhaftung für die Gläubigerbefriedigung (§ 31 Abs. 3) mittelbar auch den Maßstab für die Inanspruchnahme des Geschäftsführers (§ 31 Abs. 6) bildet. Jedoch können Geschäftsführer außerhalb des § 31 Abs. 6 wegen schuldhaften Verstößen gegen die Kapitalerhaltung (§ 43 Abs. 3) strenger haften als der gutgläubige Empfänger (§ 31 Abs. 2) und die Mitgesellschafter (§ 31 Abs. 3).247) Dies ist hinzunehmen, weil das Gesetz dem schuldhaft handelnden Geschäftsführer die Verantwortung für die Kapitalerhaltung zuweist und gleichzeitig den privilegierten Gesellschaftern auch einen Rechtsgrund zum Behaltendürfen einer etwaigen Bereicherung zugesteht.248) Nur soweit das Haftungssystem der §§ 30, 31 deliktsrechtlich überwunden wird (siehe Rn. 119), ist ein Rückgriff eines fahrlässigen Geschäftsführers gegenüber vorsätzlich handelnden Gesellschaftern denkbar. In diesem Fall kann der Geschäftsführer, der den Anspruch der Gesellschaft aus § 43 Abs. 3 erfüllt, sich deren Ersatzansprüche gegen den oder die Gesellschafter gemäß § 255 BGB (siehe Rn. 113) abtreten lassen.249) _____________ Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 86. Zum Grundsatz Bydlinski in: MünchKomm-BGB, § 425 Rn. 17. Bydlinski in: MünchKomm-BGB, § 426 Rn. 21. Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 90. Zum Folgenden Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 42; ScholzVerse, GmbHG, § 31 Rn. 88 f; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 31 Rn. 44; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 76. 247) Zur Abgrenzung der Ansprüche aus § 31 Abs. 6 und § 43 Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 58, 69; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 68. 248) A. A. insoweit Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 31 Rn. 44. 249) Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 28, § 31 Rn. 91. 242) 243) 244) 245) 246)

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Erstattung verbotener Rückzahlungen

Da es sich bei § 31 Abs. 6 – anders als bei § 31 Abs. 1 und 3250) – strukturell um einen Schadensersatzanspruch handelt (siehe Rn. 109), gelten die §§ 249 ff BGB.251) Insbesondere können die Gesellschafter daher einen Zinsschaden geltend machen.252) 6.

113

Verjährung (§ 43 Abs. 4)

Der Ersatzanspruch verjährt entsprechend § 43 Abs. 4 in fünf Jahren (§ 31 Abs. 6 Satz 2). Wie beim Verschuldensmaßstab (siehe Rn. 107) hatte sich das Vorbild des § 43 auch für die anzuwendende Verjährungsfrist weitgehend durchgesetzt.253) Nach der Schuldrechtsreform war jedoch zweifelhaft, ob die Analogie zu § 43 Abs. 4 noch trägt. Die §§ 195, 199 BGB bewirken eine gegenüber § 43 Abs. 4 kürzere Verjährung. Zwar erfahren Mitgesellschafter, die gemäß § 31 Abs. 3 auf Erstattung in Anspruch genommen werden, die für ihren Ersatzanspruch maßgeblichen Tatsachen und kennen die Geschäftsführer als potentielle Schuldner. Die Analogie zu § 43 Abs. 4 wurde in § 31 Abs. 6 Satz 2 angeordnet, um zu gewährleisten, dass die Haftung der Geschäftsführer weiterhin einheitlichen Verjährungsregeln folgt.

114

Der Anspruch verjährt ab seiner Entstehung (§ 200 BGB), d. h. ab Fälligkeit. Dies setzt voraus, dass dem Gesellschafter ein ersatzfähiger Schaden entstanden ist. Hier ist zu unterscheiden, ob der in Anspruch genommene Mitgesellschafter vom Geschäftsführer Freistellung vom Erstattungsanspruch oder Ersatz für eine tatsächlich geleistete Erstattung verlangt (siehe Rn. 102). Der Anspruch auf Freistellung ist grundsätzlich fällig, sobald der Mitgesellschafter von der Gesellschaft berechtigterweise auf Erstattung in Anspruch genommen wird. Ab diesem Zeitpunkt ist sein Vermögen durch die Verbindlichkeit gegenüber der Gesellschaft belastet; der Freistellungsanspruch beginnt zu verjähren. Zahlt der Mitgesellschafter an die Gesellschaft, ändert sich daran rechnerisch nichts. Der Gesellschafter ist zwar nicht mehr mit der – nun erfüllten – Verbindlichkeit belastet, verliert jedoch in gleichem Umfang Liquidität. Praktisch „schmerzt“ der akute Verlust von Liquidität jedoch mehr als die drohende Inanspruchnahme. Daher sollte der Ersatzanspruch zum Schutz des Gesellschafters erst mit Zahlung und noch nicht mit Inanspruchnahme zu verjähren beginnen.254) Dass der Gesellschafter mehr als fünf Jahre nach Inanspruchnahme einen bereits verjährten Freistellungsanspruch durch Zahlung an die Gesellschaft in einen unverjährten Ersatzanspruch umwandeln kann, ist nach der beschriebenen Differenzierung zwar theoretisch möglich, praktisch aber unwahrscheinlich. Um Zweifel zu vermeiden, sollte jedoch einheitlich auf den Zeitpunkt der Zahlung abgestellt werden.

115

_____________ 250) 251) 252) 253)

Baumbach/Hueck-Beurskens, GmbHG, AnhKonzernR Rn. 73. Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 87. Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 74. Zum Meinungsumschwung Baumbach/Hueck-Hueck/Fastrich, 19. Aufl. 2010, § 31 Rn. 30; zum Folgenden Thiessen, ZHR 168 (2004) 503, 534. 254) Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn. 30; Rowedder/Schmidt-LeithoffPentz, GmbHG, § 31 Rn. 68; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 41; Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 87; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 31 Rn. 43; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 75; wohl nur scheinbar a. A. Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 89.

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Erstattung verbotener Rückzahlungen

VIII. Abgrenzung zu anderen Ansprüchen 116

§ 31 Abs. 1 ist mehr als ein bloßer Bereicherungsanspruch; er hat seine Grundlage im Gesellschaftsverhältnis und beruht somit auf dem Gesellschaftsvertrag.255) Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass der Erstattungsanspruch nicht wegen Kenntnis der Nichtschuld (§ 814 BGB), Zweckverfehlung (§ 815 BGB), Gesetz- und Sittenverstoß (§ 817 BGB) und vor allem nicht wegen Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) ausgeschlossen ist (siehe § 30 Rn. 177 [Thiessen]).256) Gleichwohl folgt die Erfüllung des Erstattungsanspruchs, insbesondere die Leistung von Wertersatz, ähnlichen Regeln (siehe Rn. 35 f).

117

Soweit es lediglich um eine Verletzung von § 30 geht, ist § 31 abschließend.257) Trotz der Nähe zur Kapitalaufbringung (siehe Rn. 19, 28, 73, 75) ist etwa keine Kaduzierung des Geschäftsanteils (§ 21) wegen eines rückständigen Erstattungsanspruchs vorgesehen.258) Insbesondere bestimmen sich die Rechtsfolgen eines gegen § 30 verstoßenden Auszahlungsbeschlusses auch dann ausschließlich nach § 31, wenn es den Beteiligten auf die Umgehung der Kapitalerhaltungsvorschriften ankommt; für die Anwendung der §§ 134, 812 ff BGB ist daneben kein Raum.259)

118

Ist jedoch kein gültiger Beschluss vorhanden, ist der Empfänger ungerechtfertigt bereichert (§§ 812 ff BGB).260) Der Bereicherungsanspruch konkurriert mit dem Erstattungsanspruch.261) Gleiches gilt, sofern zugleich ein dingliches Geschäft nichtig sein sollte, für den Herausgabeanspruch aus § 985 BGB.262)

119

Die Nichtigkeit kann sich zudem aus einem Verstoß gegen die guten Sitten ergeben,263) sodass einem konkurrierenden Bereicherungsanspruch (siehe Rn. 118) _____________ 255) RGZ 80, 148, 152; RGZ 92, 77, 81; RGZ 168, 292, 301; BGHZ 31, 258, 265 = NJW 1960, 285, 286 = GmbHR 1960, 43. Zu den Vorzügen und Schwächen des Anspruchs aus § 31 Abs. 1 prägnant Baumbach/Hueck-Zöllner/Beurskens, GmbHG, 20. Aufl. 2013, SchlussAnhKonzernR Rn. 115. 256) Für § 818 Abs. 3 BGB ausdrücklich RGZ 80, 148, 152; im Übrigen allg. M., vgl. nur Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 3; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 9; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 31, 35. 257) Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 1. 258) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 3; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtHeidinger, GmbHG, § 31 Rn. 26; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 4. 259) BGHZ 136, 125 = ZIP 1997, 1450 = NJW 1997, 2599, dazu EWiR 1997, 1089 (H. P. Westermann); BGHZ 196, 312, 316 ff Rn. 15 ff = ZIP 2013, 819 = AG 2013, 431, dazu EWiR 2013, 297 (Wilsing/Meyer); OLG Düsseldorf, ZIP 2012, 2059, 2060 = GmbHR 2012, 793 = NZG 2012, 1150; insoweit enger als BGHZ 69, 274, 280 = NJW 1978, 160, 162 = GmbHR 1978, 64; BGHZ 81, 365, 367 f = ZIP 1981, 1332 = NJW 1982, 386; BGHZ 95, 188, 192 = ZIP 1985, 1198 = GmbHR 1986, 21, dazu EWiR 1985, 793 (Crezelius). 260) Umfassend, z. T. krit. zur verdeckten Gewinnausschüttung Bitter, ZHR 168 (2004) 302, 320 f, 345; verallgemeinernd Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 281. 261) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 31 Rn. 14; § 30 Rn. 21, 90; Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 31; K. Schmidt, GesR, § 37 III 1 f, 2 d, S. 1137, 1140 f; Ulmer/Habersack/LöbbeHabersack, GmbHG, § 31 Rn. 9; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 39. 262) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 31 Rn. 45; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 4, 11; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 38. Nach G. Müller, ZIP 1996, 941, 945 ersetzt § 31 die regelmäßig nicht mögliche Vindikation. 263) RGZ 168, 292, 302 f; BGHZ 138, 291, 297 ff = ZIP 1998, 793, 795 = NJW 1998, 2592, dazu EWiR 1998, 699 (Eckardt).

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§ 31

Erstattung verbotener Rückzahlungen

so wenig entgegensteht wie einem häufig mitverwirklichten Deliktsanspruch wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung (§ 826 BGB), insbesondere in Gestalt des existenzvernichtenden Eingriffs (siehe § 30 Rn. 156 ff [Thiessen]).264) Nach der neueren Rechtsprechung265) haftet ein Gesellschafter nicht bereits, wenn er einem Mitgesellschafter zu einer unzulässigen Entnahme verhilft, indem er schuldhaft an einem Auszahlungsbeschluss mitwirkt, ohne selbst eine verbotene Zahlung zu erhalten. Soweit der Bundesgerichtshof hier früher eine Gesellschafterpflicht verletzt sah, für die der Gesellschafter nach allgemeinen Regeln (§ 276 Abs. 1 BGB), insbesondere bereits für Fahrlässigkeit zu haften habe,266) widerspricht dies dem Haftungsregime von § 31 Abs. 1 und 3, das außer für geschäftsführende Gesellschafter (vgl. §§ 43 Abs. 3, 64)267) materiell-rechtlich nur durch deliktische Ansprüche, insbesondere § 826 BGB (siehe § 30 Rn. 161 [Thiessen]), durchbrochen wird.268) Unberührt bleiben die Tatbestände der Insolvenz- und Gläubigeranfechtung (§§ 129 ff InsO, AnfG, siehe Rn. 9, 13, 15, 22, 32 f, 54, 80; ebenso siehe § 30 Rn. 149 ff [Thiessen] und Anhang zu § 30 Rn. 63 ff [Thiessen]).269) Der sofort fällige Anspruch (siehe Rn. 25) kann Ansprüche auf Ersatz von Verzögerungsschäden gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB auslösen,270) wobei die Mahnung gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 BGB entbehrlich ist, wenn die Erstattung vorsätzlich unterbleibt; auch im Übrigen wird der Gesellschafter sich vom Vorwurf einer schuldhaft ausbleibenden Erstattung kaum entlasten können.271)

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IX. Beweislast Der für § 31 vorausgesetzte Verstoß gegen § 30 (siehe Rn. 3 ff) ist grundsätzlich von der Gesellschaft, die Ausnahmetatbestände des § 30 Abs. 1 Satz 2 und 3 vom Anspruchsgegner zu beweisen (siehe § 30 Rn. 182 ff [Thiessen]). _____________ 264) BGHZ 173, 246, 263 = ZIP 2007, 1552, 1558 = GmbHR 2007, 927, dazu EWiR 2007, 557 (Wilhelm); Weller, ZIP 2007, 1681; a. A. Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 37. 265) BGHZ 142, 92 = ZIP 1999, 1352, 1354 m. Anm. Altmeppen = NJW 1999, 2817, dazu EWiR 1999, 835 (Wilhelm). 266) So aber noch BGHZ 93, 146, 149 f = ZIP 1985, 279 = NJW 1985, 1030, dazu EWiR 1985, 101 (Priester); ebenso BGH, ZIP 1995, 736, 737 = GmbHR 1995, 442 = NJW 1995, 1960; OLG Hamburg, NZG 2001, 226. 267) BGH, ZIP 2003, 2068, 2071 f = GmbHR 2003, 1420 = NJW 2003, 3629, dazu EWiR 2004, 383 (Wagner). 268) Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 31 m. w. N. zur Gegenansicht; dem in Fn. 264 genannten Urteil zust. auch Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 25; Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn. 24; Rowedder/SchmidtLeithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 48; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 31 Rn. 76; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 67; Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 32; für eine culpa-Haftung, d. h. auch bei Fahrlässigkeit, weiterhin Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 31 Rn. 28; näher Altmeppen, ZIP 2002, 961, 966 f; diff. Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 60. 269) Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 10; zum anfechtungsähnlichen Charakter der §§ 30, 31 vgl. BGHZ 81, 365, 368 f = ZIP 1981, 1332 = NJW 1982, 386; Haas, ZIP 2006, 1373. 270) Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 13. 271) Baumbach/Hueck-Zöllner/Beurskens, GmbHG, 20. Aufl. 2013, SchlussAnhKonzernR Rn. 115.

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§ 31

Erstattung verbotener Rückzahlungen

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Wird der Gesellschafter auf Wertersatz in Anspruch genommen (siehe Rn. 35 ff), muss er beweisen, dass dieselbe Wertminderung auch dann eingetreten wäre, wenn der Vermögensgegenstand nicht an ihn gegeben, sondern bei der Gesellschaft verblieben wäre (siehe Rn. 38),272) bzw. dass ein Wertzuwachs von ihm herbeigeführt wurde.273)

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Seine Gutgläubigkeit gemäß § 31 Abs. 2 (siehe Rn. 40 ff) muss der Gesellschafter beweisen, da er ein vom Grundtatbestand des § 31 Abs. 1 abweichendes Privileg in Anspruch nimmt.274) Anders als im Fall des § 32 hat die Gesellschaft keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, der dem Gesellschafter zugutekäme (siehe § 32 Rn. 18 [Thiessen]).

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Dass die Erstattung zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist (siehe Rn. 44 ff, 59 f), muss in den Fällen des § 31 Abs. 2 und 3 die Gesellschaft beweisen.275) Die Gesellschaft ist i. R. d. § 31 Abs. 3 außerdem dafür beweispflichtig, dass die Erstattung oder der Beitrag zur Ausfallhaftung beim Empfänger oder einem daneben haftenden Gesamtschuldner bzw. bei dem jeweiligen Mitgesellschafter nicht zu erlangen ist (siehe Rn. 56 ff).276)

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Die Verjährung gemäß § 31 Abs. 5 (siehe Rn. 82 ff) muss der Empfänger oder Mitgesellschafter beweisen, der sich auf diese Einrede beruft.

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Für den Freistellungs- oder Ersatzanspruch gemäß § 31 Abs. 6 muss der Mitgesellschafter beweisen, dass er auf Erstattung in Anspruch genommen wurde bzw. bereits gezahlt hat (siehe Rn. 102). Vom Verschuldensvorwurf gemäß § 31 Abs. 6 i. V. m. § 43 Abs. 1 (siehe Rn. 107 ff) muss sich der Geschäftsführer entlasten; das Verschulden wird analog § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG vermutet,277) wie es seit der Schuldrechtsreform auch der allgemeinen Regel des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB bei schuldhaften Pflichtverletzungen entspricht. Der Geschäftsführer muss zudem das Mitverschulden des Mitgesellschafters gemäß § 254 (siehe Rn. 109) sowie die Voraussetzungen der Verjährungseinrede gemäß § 31 Abs. 6 Satz 2 i. V. m. § 43 Abs. 4 (siehe Rn. 114 f) beweisen. _____________ 272) Auch zum Folgenden BGHZ 176, 62 = ZIP 2008, 922 = NJW 2008, 2118, dazu EWiR 2008, 495 (H. P. Westermann). 273) Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 15. 274) BGH, ZIP 2003, 2068, 2070 = GmbHR 2003, 1420 = NJW 2003, 3629, dazu EWiR 2004, 383 (Wagner). 275) Auch zum Folgenden BGHZ 142, 92 = ZIP 1999, 1352 m. Anm. Altmeppen = NJW 1999, 2817, dazu EWiR 1999, 835 (Wilhelm); OLG Hamm, GmbHR 2017, 703, 704 = ZIP 2017, 1761 = ZInsO 2017, 1903, dazu EWiR 2018, 43 (Fuchs/Grimm); Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 31 Rn. 20; Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn. 19 f; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, Rn. 57 f, 75; Rowedder/ Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 30 f; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 21, 23; Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 46; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 43; Ekkenga in: MünchKomm-GmbHG, § 31 Rn. 50; Bayer/Illhardt, GmbHR 2011, 638, 641. 276) Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 31 Rn. 27; Scholz-Verse, GmbHG, § 31 Rn. 66; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 40; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 53. 277) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 65; Ekkenga in: MünchKommGmbHG, § 31 Rn. 85.

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§ 32

Rückzahlung von Gewinn

§ 32 Rückzahlung von Gewinn Jan Thiessen

Liegt die in § 31 Abs. 1 bezeichnete Voraussetzung nicht vor, so sind die Gesellschafter in keinem Fall verpflichtet, Beträge, welche sie in gutem Glauben als Gewinnanteile bezogen haben, zurückzuzahlen. Literatur: Joost, Kapitalsicherung einmal anders – Eine Kritik der Privilegierung des Gewinnempfangs, in: Festschrift für Marcus Lutter, 2000, S. 473; Mylich, Rückgewähransprüche einer AG nach Ausschüttung oder Abführung von Scheingewinnen, AG 2011, 765. Übersicht I. Zweck der Norm .................................. II. Keine verbotene Auszahlung ............. III. Privilegierung gutgläubig bezogener Gewinnanteile ................... 1. Gewinnanteile ........................................ a) Fehlerhafter Beschluss ...................

I.

1 3 6 6 6

b) Nicht geschützte Leistungen ........ 7 c) Privilegierter Personenkreis .......... 8 2. Gutgläubigkeit ..................................... 12 IV. Rechtsfolgen ....................................... 15 V. Beweislast ............................................ 18

Zweck der Norm

Die seit 1892 unveränderte Norm privilegiert den gutgläubigen Gewinnbezug durch Gesellschafter, wenn und soweit der zugrunde liegende Beschluss zwar fehlerhaft, die Kapitalerhaltung jedoch gewahrt ist.1) Der historische Gesetzgeber dachte hier etwa daran, dass eine satzungsmäßige Rücklage bei der Gewinnverwendung nicht dotiert wurde oder aber dass umgekehrt eine bei der Gewinnverwendung unerkannte Unterbilanz durch Auflösung einer Rücklage hätte ausgeglichen werden können.2) Damit suspendiert § 32 den gutgläubigen Gesellschafter zwar teilweise von den Gewinnverwendungsvorschriften des § 29 und der Kompetenzverteilung (§ 46 Nr. 1), nicht aber von den Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 30, 31.3) Unberührt bleibt außerdem die Insolvenzanfechtung (siehe Rn. 17). Wie bei der etwas anders strukturierten Parallelnorm des § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG (dazu siehe Rn. 4, 13) können die Gesellschafter im (ursprünglichen oder geänderten, § 53 Abs. 2 Satz 1) Gesellschaftsvertrag auf den Gutglaubensschutz verzichten.4)

1

Spezifisch zu § 32 ergangene Rechtsprechung ist nicht ersichtlich.5) Dies bedeutet selbstverständlich nicht, dass es insoweit keine fehlerhaften Beschlüsse gäbe. Doch erfüllt § 32 offenbar seine Funktion, den gutgläubigen Gewinnbezug außer Streit zu stellen,6) obwohl der Gesellschafter nach der h. M. seinen guten Glauben beweisen muss (siehe Rn. 18). Gestritten wird über den zugrunde liegenden Beschluss als solchen, anscheinend jedoch nicht zulasten der Gesellschafter.

2

_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)

Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 32 Rn. 1; Joost in: FS Lutter, S. 473, 474 f. Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1891, S. 83. Scholz-Verse, GmbHG, § 32 Rn. 2. Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 32 Rn. 10, 29. Ebenso wenig zur Parallelvorschrift des § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG; zu dessen Vorläufern ROHGE 18, 153 (Art. 218 ADHGB); RGZ 77, 88 (§ 217 Abs. 1 Satz 2 HGB 1897). Insofern hat die Norm praktische Bedeutung, a. A. Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 32 Rn. 1.

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§ 32

Rückzahlung von Gewinn

II. Keine verbotene Auszahlung 3

Der Vermögensbindung entsprechend werden GmbH-Gesellschafter, die gutgläubig Beträge als Gewinnanteile bezogen haben, gemäß § 32 nur geschützt, soweit die Zahlung nicht gegen § 30 Abs. 1 oder 2 verstößt (siehe § 30 Rn. 14, 165 f [Thiessen]). Die Erhaltung von Stamm- und Nachschusskapital gemäß §§ 30, 31 hat somit Vorrang vor dem Gutglaubensschutz,7) der dem Empfänger einer verbotenen Leistung nur in den Grenzen des § 31 Abs. 2 (siehe § 31 Rn. 39 ff [Thiessen]) zugutekommt.8)

4

Für gutgläubige Aktionäre kann demgegenüber auch ein Gesetzesverstoß folgenlos bleiben (§ 62 Abs. 1 Satz 2 AktG).9) Dennoch stellt das GmbH-Recht hier im Ergebnis nur scheinbar höhere Anforderungen als das Aktienrecht. Zum einen ist die Vermögensbindung im GmbH-Recht weniger streng (siehe § 30 Rn. 9 [Thiessen]), sodass der Gutglaubensschutz erst später einsetzt. Zum anderen schadet einem Aktionär bereits leichte Fahrlässigkeit (siehe Rn. 13). Eine weitere Parallelvorschrift enthält § 172 Abs. 5 HGB.10)

5

Nur soweit die Zahlung gegen § 30 verstößt, ist sie gemäß § 31 zurückzugewähren. Für den überschießenden Teil kommt dem Gesellschafter hingegen § 32 zugute.11) Haben mehrere Gesellschafter Zahlungen erhalten, die nur in der Summe zu einer Unterbilanz führen, haben die Gesellschafter den zur Deckung des Stammkapitals erforderlichen Betrag nach dem Verhältnis der Gewinnanteile zu erstatten,12) soweit dieser von dem Verhältnis der Geschäftsanteile abweicht (§ 29 Abs. 3 Satz 2). Im Übrigen greift die Ausfallhaftung gemäß § 31 Abs. 3 Satz 2 (siehe § 31 Rn. 70 [Thiessen]). III. Privilegierung gutgläubig bezogener Gewinnanteile 1.

Gewinnanteile

a) Fehlerhafter Beschluss 6

§ 32 setzt einen äußerlich scheinbar einwandfreien, jedoch analog §§ 241, 243, 253 f, 256 f AktG nichtigen oder angefochtenen13) Beschluss über die Ergebnisverwendung (§ 29) bzw. die vorgreifliche Feststellung des Jahresabschlusses (§ 42a Abs. 2) voraus.14) Damit sind verdeckte Gewinnausschüttungen definitionsgemäß ausgeschlossen. Geschützt ist nur, was sich aufgrund der Verteilung gemäß § 29 Abs. 3 ergibt. Eine versehentliche Doppelzahlung von Gewinnanteilen15) beruht _____________ 7) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 32 Rn. 1. 8) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 32 Rn. 2. 9) Zum Folgenden Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 32 Rn. 9; Joost in: FS Lutter, S. 473, 478 ff; zu § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG im Kontext des Insolvenzrechts Mylich, AG 2011, 765, 768. 10) Zur Abgrenzung Joost in: FS Lutter, S. 473, 474 ff; zur kontroversen Auslegung des § 172 Abs. 5 HGB im Verhältnis zum Bereicherungsrecht Mylich, ZIP 2011, 2182, 2184. 11) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 32 Rn. 4. 12) Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 32 Rn. 7. 13) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 32 Rn. 1. 14) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 32 Rn. 5, 9; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 32 Rn. 13 ff, 17 ff, 20 f. 15) Hierzu statt aller Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 32 Rn. 3.

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Rückzahlung von Gewinn

nicht auf einem entsprechenden Ergebnisverwendungsbeschluss; zudem dürfte der Gesellschafter hier zumeist bösgläubig sein (siehe Rn. 12 ff). b) Nicht geschützte Leistungen Nicht geschützt sind sonstige Leistungen an Gesellschafter oder Dritte, auch wenn sie gewinnabhängig oder gewinnähnlich gestaltet sind.16) Dies gilt namentlich für Zinsen oder Vorschüsse17) auf den Gewinnanteil, Zahlungen aus partiarischen Rechtsverhältnissen und Tantiemen für eine Aufsichtsrats- oder Beiratstätigkeit.18) Zinsen auf die Einlage können allerdings abweichend vom Verbot des § 57 Abs. 2 AktG19) in den Gewinnverteilungsmaßstab gemäß § 29 Abs. 3 einbezogen und somit Teil des Gewinns sein.20) Bei gewinnabhängigen Zahlungen an Organmitglieder könnte man zwar an eine Analogie zu § 32 denken.21) Jedoch sind diese nicht Bestandteil, sondern nur Folge des Ergebnisverwendungsbeschlusses, gehören daher nicht zum ohne weiteres nachvollziehbaren Vertrauenstatbestand, an welchem sich die Gesellschaft festhalten muss (siehe Rn. 18). Zudem müssten bei Fremdorganschaft auch Nichtgesellschafter in die Analogie einbezogen werden.

7

c) Privilegierter Personenkreis Gewinnberechtigt sind nur Gesellschafter. Nur sie können daher von § 32 privilegiert sein.22) Anders als bei § 31 Abs. 2 (siehe § 31 Rn. 43 [Thiessen]) sind Gesellschafter und Empfänger als geschützte Personen also zunächst identisch.23)

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Wird der vermeintliche Gewinnanspruch als solcher oder zusammen mit dem Geschäftsanteil abgetreten (§ 15 Abs. 3 GmbHG; § 398 BGB), ist nach §§ 413, 404 BGB auch eine Zahlung an den Zessionar durch § 32 privilegiert;24) allerdings nur, soweit der Gesellschafter im Zeitpunkt der Auszahlung noch gutgläubig ist.25) Dies beruht darauf, dass § 32 den guten Glauben an das der Ausschüttung zugrunde liegende Verfahren schützt (siehe Rn. 12), an welchem grundsätzlich nur der Gesellschafter teilnimmt. Ist der Zessionar selbst Gesellschafter26) oder wirkt er in anderer Eigenschaft an der Gewinnfeststellung und -verteilung mit,27) kommt es auf seine Gut- oder

9

_____________ 16) Auch zum Folgenden Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 32 Rn. 3; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 32 Rn. 30 f. 17) A. A. für satzungsmäßige Vorschüsse Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 32 Rn. 23. 18) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 32 Rn. 6. 19) Vgl. Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1891, S. 80. 20) Formulierungsbeispiel bei Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 32 Rn. 7. 21) So zum Folgenden i. E. abl. Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 32 Rn. 6; grundsätzlich gegen eine Analogie Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 32 Rn. 10. 22) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 32 Rn. 4. 23) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 32 Rn. 14. 24) Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 32 Rn. 25. 25) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 32 Rn. 4, 6; Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 32 Rn. 8, 12; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 32 Rn. 37. 26) Scholz-Verse, GmbHG, § 32 Rn. 9, 13. 27) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 32 Rn. 14.

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§ 32

Rückzahlung von Gewinn

Bösgläubigkeit an. Wie ein Zessionar ist ein Nießbraucher zu behandeln (§ 1070 Abs. 1 BGB).28) 10

Kann der Gesellschafter den ihn schützenden Beschluss nicht selbst mitherbeiführen, kommt es analog § 166 Abs. 1 BGB auf die Kenntnis der für ihn handelnden Person an, insbesondere auf diejenige eines Vormunds oder Betreuers, aber auch einer Person, welcher der Gesellschafter einen Nießbrauch an seinem Anteil eingeräumt hat.29)

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§ 32 schützt nicht den guten Glauben an eine wirksame Abtretung. Nicht privilegiert ist daher bei nichtiger Abtretung der „falsche“ Zahlungsempfänger.30) Umgekehrt muss aber der Zedent die vermeintliche Abtretung gegen sich gelten lassen, wenn er der Gesellschaft die Abtretung angezeigt hat (§§ 413, 409 BGB) und der „falsche“ Gesellschafter in die Gesellschafterliste eingetragen ist (§ 16 Abs. 1).31) 2.

Gutgläubigkeit

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Geschützt wird der gute Glaube daran, dass der Auszahlung ein korrekter Beschluss zugrunde liegt.32) Schreibt die Satzung ein abweichendes Verfahren zur Ergebnisverwendung vor, kommt es darauf an, ob der Gesellschafter oder ausnahmsweise ein Dritter (siehe Rn. 8 ff) in Bezug auf die danach maßgeblichen Ausschüttungsvoraussetzungen gutgläubig war.33) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Gutgläubigkeit ist der Empfang („Gewinnanteile bezogen“), nicht die Beschlussfassung.34)

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Der Gesellschafter ist nach dem Maßstab des § 932 Abs. 2 BGB gutgläubig, wenn er den Beschluss- oder sonstigen Verfahrensmangel nicht kannte und seine Unkenntnis auch nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht.35) Einem Aktionär schadet aufgrund der Kapitalrichtlinie bereits leichte Fahrlässigkeit (§ 62 Abs. 1 Satz 2 AktG).36) Analog § 142 Abs. 2 BGB37) genügt es, wenn der Gesellschafter bei Empfang die Anfechtbarkeit kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, sofern die Anfechtung dann auch erklärt wird. Es genügt nicht, dass der Gesellschafter die Anfechtbarkeit kennen musste,38) da dies bedeutet, dass der Gesellschafter die Anfechtbarkeit aus leichter Fahrlässigkeit (§ 122 Abs. 2 BGB) verkannt hat. Im Rahmen des § 932 Abs. 2 BGB gilt jedoch ein einheitlicher Maßstab. Wird der Beschluss erst später durch Anfechtung rückwirkend beseitigt, kann der Gesellschafter nicht schlechter stehen als bei anfänglicher Nichtigkeit.39) _____________ 28) 29) 30) 31) 32) 33) 34) 35) 36) 37) 38) 39)

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Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 32 Rn. 24. Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 32 Rn. 17; a. A. wohl die h. M. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 32 Rn. 3. Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 32 Rn. 8. Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 32 Rn. 9. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 32 Rn. 6. Zur AG ROHGE 18, 153, 157; für die GmbH etwa Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtHeidinger, GmbHG, § 32 Rn. 13; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 32 Rn. 11; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 32 Rn. 36. Scholz-Verse, GmbHG, § 32 Rn. 12; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 32 Rn. 34. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 62 Rn. 64; Joost in: FS Lutter, S. 473, 478 ff. Vgl. Hüffer/Schäfer in: MünchKomm-AktG, § 248 Rn. 19. Scholz-Verse, GmbHG, § 32 Rn. 12; a. A. Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 32 Rn. 8. Zu § 932 Abs. 2 BGB: BGH, ZIP 1987, 1256 = WM 1987, 1282, dazu EWiR 1987, 1087 (Medicus).

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§ 32

Rückzahlung von Gewinn

Der Mangel bleibt dem Gesellschafter grob fahrlässig verborgen, wenn er nicht berücksichtigt, was in der konkreten Situation jedermann eingeleuchtet hätte.40) Dem Gesellschafter kommt sowohl ein Sach- als auch ein Rechtsirrtum zugute.41) Jedem Gesellschafter ist grundsätzlich das gleiche Maß an Interesse in Angelegenheiten der Gesellschaft zumutbar.42) Jedoch können gerade von mittelständischen Gesellschaftern keine vertieften Rechtskenntnisse zumal im Bilanzrecht erwartet werden,43) soweit sie sich dieser Aufgabe nicht durch die Übernahme der Geschäftsführung selbst stellen.

14

IV. Rechtsfolgen Nichtige oder angefochtene Gewinnfeststellungs- und -verwendungsbeschlüsse ziehen primär bereicherungsrechtliche (§§ 812 ff BGB), ausnahmsweise auch dingliche (§ 985 BGB) Herausgabeansprüche nach sich.44) Schuldner ist grundsätzlich, wer die Leistung bekommen hat.45) Gegenüber allen derartigen Ansprüchen46) schützt jedoch gemäß § 32 der gute Glaube (siehe Rn. 12 ff) der maßgeblichen Person (siehe Rn. 8 ff) im maßgeblichen Zeitpunkt (siehe Rn. 12 a. E.). Als rechtshindernde Einwendung ist der gute Glaube von Amts wegen zu berücksichtigen.47)

15

Sonstige Einwendungen haben nur eigenständige Bedeutung, wenn der Gesellschafter wegen seines Gewinnanspruchs nicht gutgläubig war. Dann kann er oder ein Drittempfänger einem etwaigen Bereicherungsanspruch etwa entgegenhalten, dass der Geschäftsführer in Kenntnis der Nichtschuld gezahlt hat (§ 814 BGB) oder dass der Empfänger entreichert ist (§ 818 Abs. 3 BGB).48) Ist der Gesellschafter infolge grober Fahrlässigkeit bösgläubig i. S. d. § 32, kann ihm trotzdem die positive Kenntnis gemäß §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB fehlen.49) In aller Regel dürften beide Einwendungen jedoch gleichermaßen erfüllt oder nicht erfüllt sein.50)

16

Nicht ausgeschlossen ist die Anfechtung wegen inkongruenter Deckung (§ 131 InsO) oder die Schenkungsanfechtung, da der Gesellschafter den Gewinnanteil nicht zu beanspruchen hatte.51) Der gute Glaube in die korrekte Beschlusslage schützt auch nicht gegenüber der Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO, § 3 AnfG), da

17

_____________ 40) 41) 42) 43) 44)

45) 46) 47) 48) 49) 50) 51)

Grundmann in: MünchKomm-BGB, § 276 Rn. 94. Zur AG: RGZ 77, 88, 92. Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 32 Rn. 8. Vgl. Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 32 Rn. 10. Einzelheiten bei Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 32 Rn. 4 f; Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 32 Rn. 4; Scholz-Verse, GmbHG, § 32 Rn. 1; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 32 Rn. 18 f; Löwisch in: MünchKommGmbHG, § 32 Rn. 29. Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 32 Rn. 7. Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 32 Rn. 12. Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 32 Rn. 38. Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 32 Rn. 17. Scholz-Verse, GmbHG, § 32 Rn. 16. Vgl. Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 32 Rn. 5; Rowedder/SchmidtLeithoff-Pentz, GmbHG, § 32 Rn. 20. Vgl. Kayser in: MünchKomm-InsO, § 131 Rn. 14 und § 134 Rn. 39, dort Rn. 3 zur Abgrenzung der Anfechtungstatbestände; zur Schenkungsanfechtung eingehend Mylich, AG 2011, 765, 766 ff.

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§§ 32a, 32b

(aufgehoben)

der Empfänger gleichwohl die drohende Zahlungsunfähigkeit und Gläubigerbenachteiligung kennen kann (siehe § 30 Rn. 149 ff [Thiessen]).52) V. Beweislast 18

Nach h. M. muss die Gesellschaft den Rückforderungsanspruch und der Gesellschafter außer dem Bezug als Gewinnanteil seinen guten Glauben als ihm günstige Einwendung beweisen.53) Nach vorzugswürdiger Ansicht muss die Gesellschaft sich an dem durch den Beschluss geschaffenen Vertrauenstatbestand festhalten lassen.54) Allerdings ist § 32 anders als § 932 Abs. 2 BGB nicht ohne Weiteres eine Gutglaubensvermutung zu entnehmen.55) Dementsprechend ist bei der gegenüber § 32 umgekehrt formulierten Parallelnorm des § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG der Aktionär für den ihm günstigen Bezug als Gewinnanteil beweisbelastet, während die Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis des Aktionärs der Gesellschaft günstig und daher von ihr zu beweisen ist.56) Das zentrale Argument für die Beweislastumkehr in § 932 Abs. 2 BGB57) passt indes auch für § 32: Dem Gesellschafter ist der kaum führbare Beweis einer negativen Tatsache zu ersparen.58) _____________ 52) Ulmer/Habersack/Löbbe-Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 10. 53) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Heidinger, GmbHG, § 32 Rn. 15; Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 32 Rn. 6; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 32 Rn. 43; Scholz-Verse, GmbHG, § 32 Rn. 17; Gehrlein/Born/Simon-Kuntz, GmbHG, § 32 Rn. 8; Bayer/Illhardt, GmbHR 2011, 638, 641. 54) Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 32 Rn. 10; entsprechend für § 172 Abs. 5 HGB Staub-Thiessen, HGB, § 172 Rn. 193 m. zahlr. N. zur herrschenden Gegenansicht. 55) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 32 Rn. 13. 56) Hüffer/Koch, AktG, § 62 Rn. 14; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 62 Rn. 76. 57) Oechsler in: MünchKomm-BGB, § 932 Rn. 66. 58) So auch Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 32 Rn. 10 a. E.

§§ 32a, 32b (aufgehoben)1) Jan Thiessen

1

Der Regelungsgehalt der §§ 32a, 32b a. F. wurde durch das MoMiG in modifizierter Form in die §§ 39 Abs. 4 und 5, 44a, 135, 143 Abs. 3 InsO, §§ 6, 6a, 11 Abs. 3 AnfG überführt (siehe § 30 Rn. 133 [Thiessen]). Die neuen Vorschriften werden im Anhang zu § 30 erläutert. Wegen des Übergangsrechts (Art. 103d EGInsO, § 20 Abs. 3 AnfG) sind die aufgehobenen Vorschriften für Altfälle weiterhin zu beachten (siehe § 30 Rn. 187 ff [Thiessen]).

_____________ 1)

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Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen v. 23.10.2008 – MoMiG, BGBl. I, 2016.

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§ 33

Erwerb eigener Geschäftsanteile

§ 33 Erwerb eigener Geschäftsanteile Jan Thiessen

(1) Die Gesellschaft kann eigene Geschäftsanteile, auf welche die Einlagen noch nicht vollständig geleistet sind, nicht erwerben oder als Pfand nehmen. (2) 1Eigene Geschäftsanteile, auf welche die Einlage vollständig geleistet ist, darf sie nur erwerben, sofern sie im Zeitpunkt des Erwerbs eine Rücklage in Höhe der Aufwendungen für den Erwerb bilden könnte, ohne das Stammkapital oder eine nach dem Gesellschaftsvertrag zu bildende Rücklage zu mindern, die nicht zur Zahlung an die Gesellschafter verwandt werden darf. 2Als Pfand nehmen darf sie solche Geschäftsanteile nur, soweit der Gesamtbetrag der durch Inpfandnahme eigener Geschäftsanteile gesicherten Forderungen oder, wenn der Wert der als Pfand genommenen Geschäftsanteile niedriger ist, dieser Betrag nicht höher ist als das über das Stammkapital hinaus vorhandene Vermögen. 3Ein Verstoß gegen die Sätze 1 und 2 macht den Erwerb oder die Inpfandnahme der Geschäftsanteile nicht unwirksam; jedoch ist das schuldrechtliche Geschäft über einen verbotswidrigen Erwerb oder eine verbotswidrige Inpfandnahme nichtig. (3) Der Erwerb eigener Geschäftsanteile ist ferner zulässig zur Abfindung von Gesellschaftern nach § 29 Abs. 1, § 122i Abs. 1 Satz 2, § 125 Satz 1 in Verbindung mit § 29 Abs. 1 und § 207 Abs. 1 des Umwandlungsgesetzes, sofern der Erwerb binnen sechs Monaten nach dem Wirksamwerden der Umwandlung oder nach der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung erfolgt und die Gesellschaft im Zeitpunkt des Erwerbs eine Rücklage in Höhe der Aufwendungen für den Erwerb bilden könnte, ohne das Stammkapital oder eine nach dem Gesellschaftsvertrag zu bildende Rücklage zu mindern, die nicht zur Zahlung an die Gesellschafter verwandt werden darf. Literatur: Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, Stellungnahme zu dem Entwurf eines BilMoG: Einzelfragen zum materiellen Bilanzrecht, BB 2008, 209; Bloching/Kettinger, Kapitalerhaltung oder Kapitalquelle? – Eine Analyse des § 33 Abs. 2 GmbHG im Lichte der aktuellen Rechtsprechung zum Kapitalschutz, BB 2006, 172; Emmerich, Wechselseitige Beteiligungen bei AG und GmbH, NZG 1998, 622; Habersack, Andienungs- und Erwerbsrecht bei Erwerb und Veräußerung eigener Anteile, ZIP 2004, 1121; Kropff, Nettoausweis des Gezeichneten Kapitals und Kapitalschutz, ZIP 2009, 1137, 1140 f, 1143 ff; Lieder, Eigene Geschäftsanteile im Umwandlungsrecht, GmbHR 2014, 232; Lieder, Eigene Geschäftsanteile im GmbH-Recht – Umgehungsprobleme und Zeitpunktstreit, GmbHR 2014, 57; Priester, Zeitpunkt der Rücklagendeckung beim Erwerb eigener GmbH-Anteile, GmbHR 2013, 1121; Schiffers, Steuerrechtliche Behandlung des Erwerbs eigener Anteile, GmbHR 2014, 79; Steding, Die gesellschafterlose GmbH – eine rechtlich zulässige Unternehmensvariante?, NZG 2003, 57. Übersicht I. Zweck der Norm .................................. 1 II. Kein Erwerb nicht vollständig eingezahlter eigener Geschäftsanteile (Abs. 1) .......................................... 4 1. Nicht vollständig eingezahlte Geschäftsanteile .................................... 5 2. Kreditfinanzierte Volleinzahlung ....... 10 3. Erwerb .................................................. 13

4.

a) Entgeltlicher und unentgeltlicher Erwerb ................................ 13 b) Erwerb von Todes wegen ............ 15 c) Erwerb durch Dritte .................... 17 d) Maßgeblicher Zeitpunkt .............. 18 Rechtsfolgen ........................................ 21

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§ 33

Erwerb eigener Geschäftsanteile

III. Eingeschränkter Erwerb vollständig eingezahlter eigener Geschäftsanteile (Abs. 2) .................. 1. Vollständig eingezahlte Geschäftsanteile ................................................... 2. Erwerb aus freiem Vermögen ............. a) Keine Entstehung einer Unterbilanz ............................................. b) Bilanzielle Auswirkungen ............ c) Maßgeblicher Zeitpunkt .............. d) Reihenfolge bei Erwerb mehrerer Anteile – Teilerwerb .... 3. Rechtsfolgen ........................................ a) Dingliche Wirksamkeit – schuldrechtliche Nichtigkeit ....... b) Bereicherungsrechtliche Rückabwicklung – Verhältnis zu § 31 ........................................... c) Haftung der Geschäftsführer ...... IV. Eingeschränkter Erwerb eigener Geschäftsanteile zur Abfindung nach Umwandlung (Abs. 3) .............. 1. Keine Differenzierung nach Grad der Einzahlung .................................... 2. Erfasste Umwandlungsfälle ................ 3. Fristgerechter Erwerb aus freiem Vermögen ............................................ 4. Rechtsfolgen ........................................ a) Zulässiger Erwerb ........................ b) Unzulässiger Erwerb ................... V. Inpfandnahme .................................... 1. Rechtsgeschäftliche und gesetzliche Pfandrechte – sonstige Rechte ........... 2. Absatz 1 ............................................... 3. Absatz 2 Satz 2 .................................... 4. Rechtsfolgen ........................................

I. 1

24 25 26 27 29 34 37 40 40 43 48 49 50 51 53 56 56 58 61 62 65 66 70

VI. Rechte der Gesellschafterversammlung ............................................ 72 VII. Keine Rechte und Pflichten der Gesellschaft aus wirksamem Erwerb ................................................. 74 1. Kein Stimmrecht – kein Gewinnbezugsrecht .......................................... 75 2. Kein Bezugsrecht bei effektiver Kapitalerhöhung .................................. 79 3. Keine Verwaltungsrechte .................... 81 4. Keine Pflichten .................................... 83 VIII. Weiterveräußerung erworbener Anteile ................................................. 84 IX. Besondere Erwerbskonstellationen ................................................... 88 1. Erwerb für Rechnung der Gesellschaft .................................................... 89 2. Anteilserwerb bei verbundenen Unternehmen ...................................... 91 a) Erwerb durch herrschendes Unternehmen ............................... 92 b) Kapitalerhöhung ........................... 93 c) Unvollständig eingezahlte Anteile .......................................... 94 d) Vollständig eingezahlte Anteile .......................................... 96 3. GmbH & Co. KG ............................... 98 a) § 172 Abs. 6 HGB ........................ 99 b) Absatz 1 ...................................... 101 c) Absatz 2 ...................................... 103 d) Kapitalerhöhung ......................... 104 4. Keinmann-GmbH ............................. 105 X. Abgrenzung zu anderen Vorschriften ............................................ 108 XI. Beweislast .......................................... 113 XII. Übergangsrecht ............................... 114

Zweck der Norm

Wie die benachbarten §§ 30 – 32, 34 dient § 33 der Kapitalerhaltung.1) In Absatz 1 wird dieser Zweck dadurch verfolgt, dass Gesellschaftsvermögen nicht verwendet werden darf, wenn hierdurch die Kapitalaufbringung gefährdet würde. Deshalb kann die Gesellschaft unvollständig eingezahlte Geschäftsanteile nicht erwerben oder als Pfand akzeptieren. Dass die Kapitalerhaltung in §§ 30 ff die Kehrseite der Kapitalaufbringung ist,2) kommt somit in Absatz 1 besonders deutlich zum Aus_____________ 1)

2)

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Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 2; diff. nach Absatz 1 (Kapitalaufbringung) und Absatz 2 (Kapitalaufbringung), aber i. E nicht anders als hier die h. M., vgl. BGHZ 139, 132, 136 = ZIP 1998, 1594, 1595 = NJW 1998, 3121; Lutter/HommelhoffLutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 1 f; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 4 f, 21; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 2, 17; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 1 f; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 18. Vgl. BGHZ 144, 336, 341 f = ZIP 2000, 1251, 1253 = NJW 2000, 2577, dazu Benecke, ZIP 2000, 1969.

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§ 33

Erwerb eigener Geschäftsanteile

druck. In Absatz 2 setzt sich der Kapitalerhaltungsgedanke in gemilderter Form fort. Vollständig eingezahlte Geschäftsanteile darf die Gesellschaft erwerben oder in Pfand nehmen, jedoch nur, wenn sie dies aus freiem, durch die Kapitalerhaltungsvorschriften nicht gebundenem Vermögen finanzieren kann. Unter dieser Mindestvoraussetzung darf die Gesellschaft gemäß Absatz 3 ausnahmsweise auch unvollständig eingezahlte Geschäftsanteile erwerben, wenn dies erforderlich ist, um bestimmte umwandlungsrechtliche Strukturveränderungen durchzuführen. Die Entscheidung, unternehmerisch tätig zu werden und eine bestimmte Rechtsform zu wählen, soll nicht dadurch eingeengt sein, dass Rechtsformwechsel oder Marktaustritt an einer noch nicht vollzogenen Kapitalaufbringung scheitern. Die verschiedenen Zwecke – Kapitalschutz, unternehmerische Dispositionsfreiheit und negative Handlungsfreiheit3) – werden in § 33 also in einem Stufenverhältnis aufgelöst, in welchem der strenge Kapitalschutz von Absatz zu Absatz abgeschwächt wird, wobei auf der dritten Stufe der reduzierte Kapitalschutz durch strenge Formalien kompensiert wird. Im Interesse des Kapitalschutzes sind die Vorschriften des § 33 zwingend.4) Der Erwerb eigener Anteile kann daher seitens der Gesellschafter nur erschwert, nicht aber erleichtert werden.5) Neben die gesellschaftsrechtlichen Zwecke treten steuerliche Anreize.6) Die Kernaussagen der Absätze 1 und 2 – Erwerbsverbot für nicht volleingezahlte Anteile, Erwerb volleingezahlter Anteile nur aus freiem Vermögen – waren bereits im ursprünglichen GmbH-Gesetz von 1892 enthalten.7) Die GmbH-Novelle 19808) hat in Absatz 1 ohne sachliche Änderung das ursprüngliche „darf“ durch das deutlichere „kann“ ersetzt, die „Stammeinlage“ auf die „Einlage“ verkürzt und gegen Umgehungen dem Erwerbsverbot das Verbot der Inpfandnahme an die Seite gestellt. In Absatz 2 wurde das ursprüngliche „soll“9) durch ein – gegenüber Absatz 1 abgestuftes – „darf“ verstärkt; zudem wurden die Grenzen der Inpfandnahme angefügt und die gegenüber Absatz 1 differenzierten Rechtsfolgen für das schuldrechtliche und das dingliche Geschäft ausgesprochen. Das Bilanzrichtlinien-Gesetz (BiRiLiG) von 1985 hat in Absatz 2 die nach § 272 Abs. 4 HGB a. F. vorgeschriebene gesetzliche Rücklage zum Maßstab des Erwerbs gemacht, welche durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) von 2009 durch eine hypothetisch zu bilden_____________ 3) 4)

5) 6)

7) 8)

9)

Näher Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 21 f. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 1; Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 8; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 4; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 53; Rowedder/Schmidt-LeithoffPentz, GmbHG, § 33 Rn. 3; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 20 f; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 13 f, 23. Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 24. Dazu van Meegen/Boßmann, DStR 2010, 262; Schiffers, GmbHR 2014, 79; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 17, 149 ff; zu den steuerrechtlichen Auswirkungen der Änderung des § 33 durch das BilMoG Hüttemann in: FS Herzig, S. 595 ff. Auch zum Folgenden Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 5 ff. Näher zum historischen Zweck der Norm Lieder, GmbHR 2014, 57, 58 f. Vgl. RegE eines Gesetzes zur Änderungen des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 8/1347, S. 41 ff, hierzu Beschlussempfehlung und Bericht des RA, BT-Drucks. 8/3908, S. 18 f, 74. Zur Auslegung RGZ 71, 399, 403; RGZ 80, 148, 151 f; BGH, NJW 1956, 1326, 1328.

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§ 33

Erwerb eigener Geschäftsanteile

de Rücklage ersetzt wurde. Das Umwandlungsprivileg des Absatzes 3 wurde 1994 durch das Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts (UmwBerG) angefügt und sein Anwendungsbereich 2007 durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes erweitert. 3

Die Regelungsdichte des § 33 bleibt hinter derjenigen der §§ 71 ff AktG bei weitem zurück.10) In vergleichbaren Situationen geben die aktienrechtlichen Normen jedoch ein Vorbild für das GmbH-Recht.11) II. Kein Erwerb nicht vollständig eingezahlter eigener Geschäftsanteile (Abs. 1)

4

Das Verbot des Absatzes 1 greift ein, wenn der zu erwerbende (siehe Rn. 13 ff) oder in Pfand zu nehmende (siehe Rn. 61 ff) Geschäftsanteil im Zeitpunkt des schuldrechtlichen und dinglichen Geschäfts (siehe Rn. 18 ff) nicht vollständig eingezahlt ist (siehe Rn. 5 ff). Andernfalls erwürbe die Gesellschaft eine Einlageforderung gegen sich selbst, die durch Konfusion unterginge, weil die Gesellschaft sich selbst nichts schulden und an sich selbst nicht leisten kann.12) Nur ausnahmsweise ist der Erwerb gemäß Absatz 3 umwandlungsrechtlich privilegiert (siehe Rn. 49 ff). Im Übrigen ist der Zweck oder Rechtsgrund des Anteilserwerbs grundsätzlich gleichgültig.13) 1.

5

Nicht vollständig eingezahlte Geschäftsanteile

Ob die Einlage auf den zu erwerbenden14) Geschäftsanteil (noch nicht) vollständig geleistet ist, richtet sich nach dem Gesellschaftsvertrag. Darin sind Zahl und Nennbeträge der Geschäftsanteile festzulegen, die jeder Gesellschafter gegen Einlage auf das Stammkapital übernimmt. Einlage gemäß § 33 ist also die in § 3 Abs. 1 Nr. 4 legaldefinierte Stammeinlage. Nur diese ist Maßstab für die Verbote des § 33. Es kommt also nicht darauf an, ob die Geschäftsanteile für einen höheren als den Nennbetrag übernommen wurden (Agio), ob Zinsen auf die rückständige Einlage (§ 20), Nachschüsse (§§ 26 – 28) oder Nebenleistungen (§ 3 Abs. 2 Alt. 2) geschuldet werden.15) Die Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils ist nach Aufhebung des § 17 a. F. durch einfachen Gesellschafterbeschluss möglich (§ 46 Nr. 4) möglich.16)

_____________ 10) Zum Hintergrund Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 2. 11) Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 29. 12) BGHZ 15, 391, 392 f = NJW 1955, 222; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 3; Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 1; Ulmer/Habersack/LöbbePaura, GmbHG, § 33 Rn. 24; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 39. 13) Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 40, 54, 58 ff. 14) Ob die Einlagen auf andere Geschäftsanteile geleistet sind, ist irrelevant, Rowedder/ Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 9. 15) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 8; Michalski/Heidinger/ Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 15; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 6; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 5; Löwisch in: MünchKommGmbHG, § 33 Rn. 41. 16) Zur Aufhebung s. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 39 = Seibert, MoMiG, S. 163. Zur alten Rechtslage etwa Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 18; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 5.

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§ 33

Erwerb eigener Geschäftsanteile

Außer Betracht bleibt außerdem, warum die Einlage noch nicht vollständig geleistet ist und ob dies den Gesellschaftern bewusst ist.17) Die Gesellschafter können das Verbot des Absatzes 1 nicht dadurch umgehen, dass sie Einlage über den Mindestbetrag (§ 7 Abs. 2 und 3) hinaus nicht einfordern (§ 46 Nr. 2); erst recht nicht dadurch, dass sie rechtswidrig Einlagen erlassen bekommen oder gegen den Einlageanspruch aufrechnen (§ 19 Abs. 2), Sacheinlagen überbewerten (§ 9) oder verschleiern (§ 19 Abs. 4) oder Einlagen ohne vollwertigen und jederzeit fällig(zu stellend)en Rückgewähranspruch zurückerhalten (§ 19 Abs. 5).18) Dabei ist zu berücksichtigen, dass das MoMiG der verdeckten Sacheinlage und dem Hin- und Herzahlen nicht mehr jegliche Erfüllungswirkung abspricht (siehe § 19 Rn. 46 [Bartels]).19) Wegen § 56 Abs. 2 gelten dieselben Schranken auch bei der effektiven Kapitalerhöhung.20) Soll die Einlageschuld entfallen, ist die Kapitalherabsetzung (§ 58) der gesetzlich vorgesehene, allerdings beschwerliche Weg, abgesehen von der Ausnahme des Absatzes 3 (siehe Rn. 49 ff).

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Dass eine bereits rückständige Einlagepflicht zulasten des Veräußerers fortbesteht (§ 16 Abs. 2), ändert für die Gesellschaft am Verbot des Absatzes 1 nichts.21) Die Gesellschaft würde nach § 16 Abs. 2 als Gesamtschuldnerin haften. Die Konfusion würde wirken wie eine Leistung der Gesellschaft. Die Gesellschaft könnte gegen den Veräußerer die gemäß § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB erworbene Forderung erheben; allerdings nur, soweit ihr Ausgleichsanspruch reicht (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB), weil der Veräußerer die gesamtschuldnerische Beteiligung der Gesellschaft als Einrede geltend machen könnte, die Gesellschaft den auf sie als Mit-Gesamtschuldner entfallenden Anteil also von sich selbst fordern müsste.22) Auch insoweit verhindert § 33 Abs. 1 im Interesse des Kapitalschutzes, dass gegenüber der Gesellschaft Konfusion eintritt.

7

Wie ausstehende Einlagen sind auch unterbilanzbegründende Vorbelastungen zu behandeln, da die entsprechende Haftung auf das Kapitalaufbringungsgebot gestützt wird.23)

8

Hingegen ändert ein ausstehender Rückgewähranspruch (§ 31) an der Erfüllung der Einlageverpflichtung i. S. d. § 33 nichts.24) Wenngleich der Erstattungsanspruch funk_____________

9

17) Auch zum Folgenden Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 2; Lutter/HommelhoffLutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 8; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 5; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 6; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 26 ff, 36; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 47; Lieder, GmbHR 2014, 57, 58 f. 18) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 12 f; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 46. 19) Hierzu Goette/Habersack-Goette, MoMiG, Rn. 9.12, 9.16 ff. 20) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 4. 21) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 30. 22) Zu den genannten Folgen: Bydlinski in: MünchKomm-BGB, § 422 Rn. 7. 23) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 11 Rn. 62; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtSosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 13; für Analogie Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 6; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 28. 24) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 2; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtSosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 15; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 8; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 7; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 29; a. A. Lutter/Hommelhoff-Lutter, GmbHG, § 33 Rn. 8; ScholzH. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 5.

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tional einem wiederaufgelebten und damit rückständigen Einlageanspruch entspricht (siehe § 31 Rn. 19, 28, 73 [Thiessen]), enthält § 31 jedoch mehrere speziell auf den Fall verbotener Auszahlung (§ 30) zugeschnittene Sanktionen, die eine tatbestandliche Berücksichtigung in § 33 Abs. 1 entbehrlich machen (siehe Rn. 17, 23; zu Überschneidungen mit Absatz 2 und 3 siehe Rn. 28, 43, 46, 59). Bei der Haftung des Rechtsvorgängers gemäß § 22 und der Fehlbetragshaftung gemäß § 24 ist zu beachten, dass diese Tatbestände zwar auf einer ausstehenden Einlage beruhen, der Gesellschaft aber besondere Sanktionen gewähren und keine weitere Einlagepflicht i. S. d. § 33 Abs. 1 begründen (siehe § 31 Rn. 73 [Thiessen]). Es genügt für Absatz 1, dass die Einlage als solche rückständig ist, unabhängig davon, ob Rechtsnachfolger oder Mitgesellschafter ihrer Zahlungspflicht nachkommen.25) 2.

Kreditfinanzierte Volleinzahlung

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Da Absatz 1 am Einzahlungsstatus des Geschäftsanteils (siehe Rn. 5 ff) und nicht an einer Kaufpreisverbindlichkeit der Gesellschaft ansetzt (siehe Rn. 14), ist eine vorgebliche Volleinzahlung daran zu messen, ob sie nicht tatsächlich zulasten der Gesellschaft geht. Daher greift Absatz 1 zur Vermeidung von Umgehungen ein, und zwar nicht nur, wenn die Gesellschaft den Erwerb ihrer Anteile durch einen Dritten (vgl. § 71a AktG), sondern auch den Erwerb durch sich selbst finanziert.

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So darf der Gesellschafter die Leistung seiner Einlage nicht ohne weiteres aus dem von der Gesellschaft erhaltenen Kaufpreis finanzieren.26) Denn daraus würde gerade der von Absatz 1 verbotene Effekt resultieren, dass die Gesellschaft einen nicht vollständig eingezahlten Anteil erwirbt. Insbesondere darf die Gesellschaft die ausstehende Einlage nicht mit dem Kaufpreis verrechnen. Die neuere Rechtsprechung zu § 31 (siehe § 31 Rn. 76 [Thiessen]) ändert daran nichts. Danach könnte nur umgekehrt die vorgebliche Erfüllung der Einlageschuld in die Erstattung einer verbotenen Zahlung gemäß § 31 Abs. 1 umgedeutet, die Zahlung also auf den Rückzahlungsanspruch verrechnet werden, wenn die Tilgungsbestimmung wegen Verstoßes gegen § 33 Abs. 1 unwirksam ist.27) Eine Aufrechnung ist zudem schon deshalb nicht möglich, weil die Nichtigkeit gemäß Absatz 1 die Entstehung einer Aufrechnungslage verhindert.28) Zirkulär wäre es auch, den Kaufvertrag aufschiebend durch die Volleinzahlung zu bedingen, wenn die Volleinzahlung nur durch den noch nicht

_____________ 25) Vgl. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 8; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 6; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 30. 26) Auch zum Folgenden Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 13; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 19; Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 10; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 4, 10 f; eingehend abgrenzend zum „Her- und Hinzahlen“ (Rn. 12) Lieder, GmbHR 2014, 57, 62 f. 27) Zu § 19 Abs. 5: BGHZ 179, 285 = ZIP 2009, 662 = NJW 2009, 1418. 28) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 17.

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geschuldeten Kaufpreis bewerkstelligt werden könnte.29) Möglich ist nur eine doppelte Bedingung von schuldrechtlichem und dinglichem Geschäft, wobei der Schutz des Absatzes 1 dadurch verwässert zu werden droht, dass eine ergänzende Auslegung oder entsprechende Umdeutung zugelassen wird (siehe Rn. 19 f). Kredit zur Finanzierung der Einlage darf sich der Gesellschafter nur bei Dritten, auch Mitgesellschaftern, grundsätzlich aber nicht bei der Gesellschaft beschaffen,30) selbst wenn er diesen besichert.31) Dies ist für das „Her- und Hinzahlen“ entgegen § 19 Abs. 5 anerkannt,32) gilt aber gleichfalls für § 33 Abs. 1, da es hier wie dort darauf ankommt, dass die ausstehende Einlage nicht von der Gesellschaft selbst erbracht wird. Wirtschaftlich würde dies i. R. d. Absatzes 1 bedeuten, dass die Gesellschaft sich selbst Kredit gibt, um die Einlage zu leisten, die sie sich selbst nicht schulden kann. Im Gesellschaftsvermögen würde exakt der Betrag fehlen, welchen der Gesellschafter als Einlage hätte leisten müssen. Daher leistet der Gesellschafter seine Einlage nicht, wenn er erfüllungshalber (§ 364 Abs. 2 BGB) anstelle der gesellschaftsrechtlichen Verbindlichkeit eine andere, schuldrechtliche Verbindlichkeit eingeht, ohne zumindest diese tatsächlich zu erfüllen.33) Sind aber die Kriterien des § 19 Abs. 5 erfüllt, steht einer entsprechenden Verabredung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter nichts entgegen.34) Eine grundsätzlich zulässige Finanzierung durch einen Dritten liegt nicht vor, wenn Gesellschaft kurz nach der Zahlung den „Dritten“, etwa ein vom Gesellschafter betriebenes einzelkaufmännisches Unternehmen erwirbt.35) 3.

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Erwerb

a) Entgeltlicher und unentgeltlicher Erwerb Bei Erwerbsvorgängen ist zwar nach dem zivilrechtlichen Trennungs- und Abstraktionsprinzip grundsätzlich zu unterscheiden zwischen einerseits dem dinglichen Rechtsübergang durch Abtretung (§ 15 Abs. 3) oder Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB) und andererseits – soweit vorhanden – dem schuldrechtlichen Kausalgeschäft. Im Fall des § 33 Abs. 1 sind jedoch beide Geschäfte nichtig („kann nicht _____________ 29) So i. E. wohl auch RGZ 93, 326, 329 f, da hier die offene Einlage nicht aus einem von der Gesellschaft zu leistenden Kaufpreis, sondern aus Nachschüssen der anderen Gesellschafter geleistet werden sollte und die Befreiung von der Einlagepflicht statutarisch „bedingt war durch die tatsächliche Durchführung von Maßregeln, die das Interesse der Gesellschaftsgläubiger sicherten“. Bei statutarischen, nicht freiwilligen Nachschüssen wären allerdings die Grenzen des § 30 Abs. 2 einzuhalten gewesen, da die Nachschüsse zunächst zurückzahlbar sein müssen, bevor die Gesellschafter deren Verwendung zugunsten eines Mitgesellschafters beschließen können. 30) Lutter/Hommelhoff-Lutter, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 33 Rn. 9, 13; Michalski/Heidinger/ Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 19; a. A. Lutter/Hommelhoff-Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 12. 31) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 11. 32) BGH, ZIP 2006, 1633, 1634 = GmbHR 2006, 982 = WM 2006, 1679. 33) BGHZ 165, 113, 116 = ZIP 2005, 2203, 2204 = NJW 2006, 509, dazu EWiR 2006, 33 (Tillmann); BGH, ZIP 2009, 713, 714, 716 = BGHZ 180, 38 = NJW 2009, 2375, dazu EWiR 2009, 443 (Schodder). 34) Lieder, GmbHR 2014, 57, 60 f. 35) OLG Hamm, NZG 1999, 451 f = GmbHR 1999, 773.

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erwerben“; e contrario § 33 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1). Dahinter steht der Zweck, ausstehende Einlageforderungen zu erhalten (siehe Rn. 4). Diese würden durch Konfusion erlöschen, wenn die Gesellschaft durch Anteilserwerb ihr eigener Schuldner würde (siehe Rn. 4).36) Daher muss der dingliche Rechtsübergang, obwohl für sich genommen rechtspolitisch neutral, unabhängig davon verhindert werden, ob ein schuldrechtliches Kausalgeschäft das Gesellschaftsvermögen durch eine Verbindlichkeit belastet.37) 14

Da die Gesellschaft jedenfalls ihren Einlageanspruch verlieren würde, gibt es streng genommen keinen unentgeltlichen Erwerb nicht volleingezahlter Anteile. Nichtig ist demnach auch ein im üblichen Sinn unentgeltlicher Erwerb. Eine Schenkung kann nicht wirksam vollzogen, ein Vermächtnisanspruch der Gesellschaft nicht wirksam erfüllt werden.38) b) Erwerb von Todes wegen

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Für nichtig wird zum Teil auch der Erwerb im Wege der erbrechtlichen Universalsukzession gehalten.39) Daran ändert auch das unwiderlegbare Argument nichts, selbst durch Nichtigkeitsfolge könne man den Verstorbenen nicht mehr zum Anteilsinhaber machen.40) Bei gewillkürter Erbfolge – die Gesellschaft kann nicht gesetzliche Erbin sein – lässt sich die unwirksame Erbeinsetzung der Gesellschaft in den Geschäftsanteil gemäß § 2085 von den sonstigen (wirksamen) Verfügungen trennen,41) sodass für den Geschäftsanteil die gesetzliche Erbfolge eintreten kann,42) falls kein Ersatzerbe bestimmt ist (§ 2096 BGB).43) Um den nach § 33 Abs. 1 unerwünschten Konfusionseffekt abzuwenden, müsste die Gesellschaft das „Danaergeschenk“ des Geschäftsanteils ausschlagen, um so das gleiche Ergebnis – gesetzliche oder Ersatzerbfolge – herbeizuführen (§ 1953 Abs. 1 und 2 BGB).

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Es spricht jedoch vieles dafür, den Erwerb von Todes wegen analog § 71 Abs. 1 Nr. 5 AktG für zulässig zu halten.44) Zwar hat der Gesetzgeber die 1978 in Umsetzung der Kapitalrichtlinie45) geschaffene Differenzierung nach unentgeltlichem Erwerb nicht volleingezahlter Aktien (§ 71 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 3 AktG) und Gesamt_____________ 36) Für die effektive Kapitalerhöhung BGHZ 15, 391, 392 f = NJW 1955, 222. 37) Vgl. Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 17. 38) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 10; Michalski/Heidinger/Leible/ J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 5; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 7; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 6, 9; Ulmer/Habersack/LöbbePaura, GmbHG, § 33 Rn. 13; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 54. 39) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 3; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 12; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 6, 9; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Paura, § 33 Rn. 11. 40) So aber Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 10. 41) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 16; zur Teilbarkeit einer einheitlichen Verfügung Leipold in: MünchKomm-BGB, § 2085 Rn. 10 f. 42) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 5. 43) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 11 Fn. 36. 44) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 10; Löwisch in: MünchKommGmbHG, § 33 Rn. 55. 45) Gesetz zur Durchführung der Zweiten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts v. 13.12.1978, BGBl. I, 1959, 1960.

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rechtsnachfolge (§ 71 Abs. 1 Nr. 5 AktG) in und seit der GmbH-Novelle 1980 weder übernommen noch auch nur erwogen.46) An der verallgemeinerungsfähigen Grundaussage des § 71 Abs. 1 Nr. 5 AktG 1965 ändert dies jedoch nichts: „Eine Gesamtrechtsnachfolge soll nicht deswegen unzulässig sein, weil sie den Erwerb eigener Aktien mit sich bringt.“47) c) Erwerb durch Dritte Kein von Absatz 1 verbotener Erwerb liegt vor, wenn die Gesellschaft einen Gesellschafter dafür bezahlt, damit dieser seinen Anteil an einen Dritten, etwa einen ihrer Gläubiger, abtritt,48) bzw. sich verpflichtet, einem Dritten, etwa einem Fremdgeschäftsführer, einen Anteil an ihr selbst zu verschaffen.49) Da die Gesellschaft den Anteil nicht erwirbt,50) erlischt die Einlageforderung nicht durch Konfusion. Vielmehr haftet der Erwerber gemäß § 16 Abs. 2 für eine rückständige Einlage neben dem Veräußerer. Setzt die Gesellschaft auf diese Weise ihre Anteile als „Währung“ ein, ist allerdings zu prüfen, ob ihr für etwa getätigte Zahlungen eine Gegenleistung zufließt, die vor dem Maßstab des § 30 Abs. 1 Bestand hat (siehe § 30 Rn. 34 ff [Thiessen]). Außerhalb dieser Grenze ist einer GmbH – anders als einer AG (§ 71a AktG) – die Förderung des Erwerbs ihrer Anteile nicht verwehrt.51) Eine eigene Wiederkaufsverpflichtung der Gesellschaft ist an § 33 zu messen.52)

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d) Maßgeblicher Zeitpunkt Da bei ausstehender Einlage Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft nichtig sind (siehe Rn. 21), ist der Stand der Einzahlung auf den Geschäftsanteil im Zeitpunkt der Vornahme beider Geschäfte zu prüfen.53) Auch wenn der dingliche Vollzug hinausgeschoben wird, muss die Einlage grundsätzlich schon bei der Verpflichtung geleistet sein, um die Nichtigkeitsfolge des schuldrechtlichen Geschäfts zu vermeiden.54)

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Dessen Nichtigkeit wird durch Nachzahlung nicht geheilt.55) Eine Anrechnungslösung wie bei der ausdrücklich nicht unwirksamen verdeckten Sacheinlage (§ 19 Abs. 4 Satz 2 und 3, siehe § 19 Rn. 15 ff [Bartels])56) scheidet angesichts der strikten, vom MoMiG unberührt gebliebenen Formulierung des § 33 Abs. 1 aus. Möglich ist

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_____________ 46) 47) 48) 49) 50) 51) 52)

53)

54) 55) 56)

Dies betont Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 11. RegE eines Aktiengesetzes, Kropff, Aktiengesetz, S. 91. RGZ 71, 399, 403 f. RGZ 76, 306, 309 f. Zu Umgehungskonstellationen Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 60. Zur Abgrenzung von § 71a AktG und § 33 Lieder, GmbHR 2014, 57, 61 f. Insoweit wegen Formmangels in RGZ 76, 306, 310 f nicht thematisiert. Vgl. die Wiederverkaufspflicht bei der Manager- und Mitarbeiterbeteiligung BGHZ 164, 98 = ZIP 2005, 1917 = NJW 2005, 3641; BGHZ 164, 107 = ZIP 2005, 1920 = NJW 2005, 3644. Hier ging es freilich nicht um § 33, sondern um die Zulässigkeit einer Nominalwertabfindung. Vgl. auch Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 3 f, 9. Anders Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 10; Ulmer/Habersack/LöbbePaura, GmbHG, § 33 Rn. 33: Zulässigkeit durch ad hoc-Leistung im Zeitpunkt des Erwerbs oder der Inpfandnahme. Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 49. RGZ 71, 399, 403. Hierzu Goette/Habersack-Goette, MoMiG, Rn. 9.19.

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jedoch eine Bestätigung i. S. erneuter Vornahme (§ 141 Abs. 1 BGB) nach Volleinzahlung.57) Denkbar ist zudem die (ergänzende) Auslegung als (§§ 133, 157 BGB) oder Umdeutung in (§ 140 BGB) einen durch Volleinzahlung aufschiebend bedingten Erwerb (§ 158 Abs. 1 BGB),58) freilich ohne die Möglichkeit der Rückbeziehung (§ 159 BGB).59) Dabei muss die Bedingung wegen der von § 33 Abs. 1 angeordneten Fehleridentität das schuldrechtliche und das dingliche Geschäft erfassen. 20

Um Zweifel zu vermeiden, wird der wegen § 15 Abs. 3 und 4 zu konsultierende Notar darauf dringen, dass die doppelte Bedingung ausdrücklich in die Urkunde aufgenommen wird.60) Zum Streit kommt es in der Praxis regelmäßig erst, wenn der Insolvenzverwalter die rechtsgrundlose Leistung zurückfordert. Der in Anspruch genommene Gesellschafter ist in diesem Fall darauf angewiesen, dass der nicht mehr amtierende Geschäftsführer übereinstimmend vorträgt. Zwar entscheidet das Gericht abseits der formellen Beweiskraft der notariellen Urkunde (§ 415 ZPO) frei über die Auslegung sowie die rechtliche Subsumtion des Urkundentextes.61) Jedoch wird es schwerfallen, die beweislastverteilende Vermutung zu erschüttern, dass (insbesondere) eine (notarielle) Urkunde vollständig und richtig ist,62) wenn für einen späteren Stichtag oder die Abhängigkeit von einer bestimmten Vermögenslage keine hinreichenden Anhaltspunkte i. S. d. „Andeutungstheorie“63) bestehen. Auch wenn bei ergänzender Vertragsauslegung die Andeutungstheorie nicht passt, müssen Anhaltspunkte für einen in der Urkunde nicht niedergelegten, hypothetischen Parteiwillen von demjenigen bewiesen werden, der sich darauf beruft.64) 4.

21

Rechtsfolgen

Der Erwerb eines nicht vollständig eingezahlten Geschäftsanteils ist schuldrechtlich und dinglich mit absoluter Wirkung nichtig.65) Die Einlageforderung bleibt _____________ 57) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 14, 18; Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 9; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 13; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 37; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 62. 58) Zur Auslegung Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 19; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 34 f. 59) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 7; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 48 f. 60) Zur Beurkundungsbedürftigkeit der bedingten Abtretung und zum Vollständigkeitsgrundsatz bei der Beurkundung der Abtretungspflicht Reichert/Weller, GmbH-Geschäftsanteil, § 15 Rn. 31, 56 bzw. 106 ff. 61) Zur materiellen und formellen Beweiskraft und zum Beweis unrichtiger Beurkundung Musielak/Voit-Huber, ZPO, § 415 Rn. 3, 10 ff. 62) Hierzu Einsele in: MünchKomm-BGB, § 125 Rn. 39 f. 63) Hierzu Reichert/Weller, GmbH-Geschäftsanteil, § 15 Rn. 105; Einsele in: MünchKommBGB, § 125 Rn. 37 f. 64) Zur Beweislast unter Berücksichtigung der Andeutungstheorie BGH, ZIP 2002, 1809, 1810 f = NJW 2002, 3164 = DB 2002, 2646, dazu EWiR 2002, 983 (Mayer-Maly); zur Beweislast bei ergänzender Vertragsauslegung Busche in: MünchKomm-BGB, § 157 Rn. 58. 65) Auch zum Folgenden Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 6; Lutter/HommelhoffLutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 11; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 16 ff; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 11; ScholzH. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 15 f; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 34 ff; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 58 ff.

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bestehen. Die Rückabwicklung erfolgt nach Bereicherungsrecht. Einen etwa erlangten Kaufpreis muss der Gesellschafter zurückzahlen, den Geschäftsanteil muss die Gesellschaft zurückabtreten (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB). Beide Seiten tragen damit das Risiko der Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB), soweit nicht bei Zahlung positive Kenntnis vorlag (§ 819 Abs. 1 BGB) oder auf Rückzahlung geklagt worden war (§ 818 Abs. 4 BGB). Der Gesellschafter trägt seit dem MoMiG insbesondere das Risiko, dass ein Dritter zwischenzeitlich den Anteil gutgläubig von der Gesellschaft erworben hat (§ 16 Abs. 3). Während früher die Anmeldung der Gesellschaft „bei sich selbst“ bei zulässigem Erwerb für entbehrlich gehalten wurde,66) muss heute auch die Gesellschaft in die Gesellschafterliste (§ 40) eingetragen sein,67) sodass regelmäßig ein Rechtsscheintatbestand68) für den Erwerb seitens der Gesellschaft gegeben sein dürfte. Die Schranken des § 33 werden jedoch durch § 16 Abs. 3 nicht überwunden.69) Abseits von Belastungen und Vinkulierung (siehe § 16 Rn. 39 [Brandes]) erspart die Gesellschafterliste dem (Dritt-)Erwerber eine Due Diligence und bewahrt die Gesellschaft vor einer Rechtsmängelhaftung gemäß §§ 437, 435 BGB. Außer bei Entreicherung hat die Gesellschaft dem Veräußerer in diesem Fall Wertersatz zu leisten (§ 818 Abs. 2), darf aber wie bei § 31 (siehe § 31 Rn. 76 [Thiessen]) aufrechnen, wenn die Gesellschafterforderung liquide, fällig und vollwertig ist. Eine Saldierung seitens des Veräußerers ist grundsätzlich möglich, aber zweifelhaft, wenn die Zahlung aus gebundenem Vermögen erfolgt (siehe § 30 Rn. 14 ff [Thiessen]), selbst wenn man §§ 30, 31 bei noch nicht abgeschlossener Kapitalaufbringung nicht anwendet (siehe Rn. 23). Bei Bösgläubigkeit kann der bisherige Gesellschafter die Veräußerung formlos (auch konkludent) rückwirkend genehmigen (§§ 182 Abs. 2, 184, 185 Abs. 2 BGB), indem er etwa einen Anspruch aus § 816 BGB geltend macht.70)

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Anders als bei einem Verstoß gegen § 33 Abs. 2, der häufig zugleich einen Verstoß gegen § 30 begründet (siehe Rn. 28), könnten die §§ 30, 31 in den Fällen des § 33 Abs. 1 gegenüber dem Einlageschuldner dadurch gesperrt sein, dass die Kapitalaufbringung noch nicht ordnungsgemäß abgeschlossen ist (siehe § 30 Rn. 61 [Thiessen]).71) Diese in anderem Zusammenhang ergangene Rechtsprechung auf § 33 Abs. 1 zu übertragen ist zweifelhaft für Fälle, in denen der Kaufpreis aus rechnerisch gebundenem Vermögen gezahlt wurde.72) Aber auch wenn man die §§ 30, 31 nicht anwendet, haben die Gesellschaftern keinen Freibrief, da Verstöße bei der Kapitalauf-

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_____________ Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 27. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 22, 28. Hierzu Goette/Habersack-Reichert/Weller, MoMiG, Rn. 3.66 f. Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 52 f. Schwab in: MünchKomm-BGB, § 816 Rn. 36. OLG Celle, NZG 2000, 147, 148 = GmbHR 2000, 240 = InVo 2000, 285; BGH, ZIP 2001, 1997, 1998 = GmbHR 2001, 1114 = NJW 2001, 3781, dazu EWiR 2001, 1149 (Keil); BGHZ 174, 370, 377 = ZIP 2008, 174, 176 = WM 2008, 850, dazu EWiR 2008, 403 (Henkel); K. Schmidt, ZIP 2008, 481, 484. 72) Für eine Konkurrenz mit §§ 30, 31 auch in Fällen des § 33 Abs. 1 Michalski/Heidinger/ Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 17; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 16.

66) 67) 68) 69) 70) 71)

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Erwerb eigener Geschäftsanteile

bringung an den strengen Voraussetzungen des § 1973) und der Erwerb eines nicht vollständig eingezahlten Anteils an § 33 Abs. 1 zu messen ist. In jedem Fall kann sich der wegen des verbotenen Erwerbs schadensersatzpflichtige Geschäftsführer auch bei einem Verstoß gegen § 33 Abs. 1 nicht auf einen anweisenden Gesellschafterbeschluss berufen (§ 43 Abs. 3 Satz 3).74) III. Eingeschränkter Erwerb vollständig eingezahlter eigener Geschäftsanteile (Abs. 2) 24

Eigene Geschäftsanteile, auf welche die Einlage vollständig geleistet ist, kann die Gesellschaft unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 erwerben oder in Pfand nehmen. Der Maßstab entspricht im Wesentlichen demjenigen einer gemäß § 30 erlaubten Auszahlung aus freiem Vermögen (siehe Rn. 14 f). Wirtschaftlich wirkt sich ein solcher Erwerb wie eine Kapitalherabsetzung aus, ohne dass deren Voraussetzungen erfüllt wären (§§ 58 ff).75) Welche Auswirkungen dies für die nach §§ 30, 33 Abs. 2 maßgebliche Ausschüttungsschwelle hat, ist noch umstritten (siehe Rn. 32 f). 1.

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2. 26

Vollständig eingezahlte Geschäftsanteile

Die Einlage ist geleistet, wenn das Stammkapital bei Entstehung der Gesellschaft unversehrt ist, der Gesellschafter oder ein Dritter den ausstehenden Betrag eingezahlt haben,76) der Anteil von einem Dritten nach Kaduzierung ersteigert wurde,77) die Einlageforderung durch Aufrechnung oder Vergleich – soweit zulässig (siehe § 31 Rn. 76 [Thiessen]) – erloschen oder durch Kapitalherabsetzung gegenstandslos geworden ist (§§ 19 Abs. 3; 58 ff).78) Erwerb aus freiem Vermögen

Dem Kapitalerhaltungszweck des Absatzes 2 entsprechend (siehe Rn. 1) nennt die Vorschrift allein kapitalbezogene Voraussetzungen für den wirksamen Erwerb. Eine Höchstgrenze (vgl. § 71 Abs. 2 Satz 1 AktG: 10 %) kennt Absatz 2 nicht, ebenso wenig eine Generalklausel, die den Eigenanteilserwerb zur Abwendung von schweren, unmittelbar bevorstehenden Schäden gestattet (vgl. § 71 Abs. 1 Nr. 1 AktG).79) Eine Analogie zum Aktienrecht ist angesichts der formalen Kriterien des Absatzes 2 nicht möglich,80) da der Reformgesetzgeber von 1980 mit Blick auf die

_____________ 73) So auch Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 19. Zur Auslegung des § 19 Abs. 5 n. F. BGH, ZIP 2009, 1561 = GmbHR 2009, 926 = NJW 2009, 3091, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer); Altmeppen, ZIP 2009, 1545. 74) Näher Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 41. 75) Vgl. Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 5, 26. 76) BGH, ZIP 2004, 1046, 1047 = GmbHR 2004, 896 = WM 2004, 1140. 77) BGHZ 42, 89, 93 = NJW 1964, 1954 f. 78) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 9; Löwisch in: MünchKommGmbHG, § 33 Rn. 42 f. 79) Für Zulässigkeit in diesem Fall nach dem Vorbild des § 65 Abs. 1 AktG 1937 früher BGH, NJW 1956, 1326, 1328. 80) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 12; Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 14; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 32.

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unterschiedliche Vermögensbindung (siehe § 30 Rn. 9 f [Thiessen]) bewusst an dem vom Aktienrecht abweichenden System des GmbH-Rechts festgehalten hat.81) a) Keine Entstehung einer Unterbilanz Durch den Erwerb darf keine Unterbilanz entstehen.82) Dies ist – ähnlich wie im Fall des § 30 – nur der Fall, soweit der Erwerb im Ganzen zulasten von freien Rücklagen, Gewinnvortrag oder Jahresüberschuss bestritten werden kann (siehe § 30 Rn. 14 [Thiessen]). Das Gesetz spricht dies seit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) allerdings nicht mehr (überflüssigerweise) direkt aus;83) die Erwerbsgrenze ergibt sich aber (weiterhin) mittelbar durch die bilanzrechtlichen Vorgaben (siehe Rn. 29 ff). Hierdurch wird sichergestellt, dass der Rückkauf eigener Anteile wie bisher nur aus dem ausschüttungsfähigen Vermögen erfolgt.84)

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Allerdings schützt § 30 nur das Stammkapital, während § 33 Abs. 2 Satz 1 auch die statutarischen Rücklagen schützt. Insoweit verstößt ein Erwerb entgegen Absatz 2 Satz 1 ausnahmsweise nicht zugleich gegen § 30, wenn der Erwerb zulasten einer statutarischen Rücklage erfolgt85) bzw. – nach dem neuen Maßstab einer hypothetisch zu bildenden Rücklage (siehe Rn. 29) – erfolgen müsste. Durch satzungsändernde Auflösung von statutarischen Rücklagen kann die Gesellschafterversammlung den Maßstab beider Normen angleichen.86)

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b) Bilanzielle Auswirkungen Beim Erwerb eigener Anteile soll traditionell verhindert werden, dass die Gesellschaft liquide Mittel gegen eine Beteiligung an sich selbst eintauscht, ohne den Gegenwert der Anschaffungskosten unerreichbar für die Gesellschafter auf die „hohe Kante“ zu legen oder (nach dem BilMoG) zumindest legen zu können (zum maßgeblichen Bilanzrecht siehe Rn. 30 f). Was die Gesellschafter dadurch erhalten, dass die Gesellschaft ihre Anteile abkauft, steht für Ausschüttungen (jedenfalls _____________ 81) RegE eines Gesetzes zur Änderungen des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 8/1347, S. 41; vgl. Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 2; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 3, 5. 82) Zur Auslegung BGHZ 144, 365, 369 = ZIP 2000, 1294, 1296 = NJW 2000, 2819, dazu EWiR 2000, 943 (Casper); Emde, ZIP 2000, 1753. 83) Näher Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 67 ff; krit. zur tautologischen Formulierung des § 33 Abs. 2 Satz 1 a. F. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 33 Rn. 12 f; gegen die Annahme gesetzgeberischer Unachtsamkeit Ulmer/Habersack/ Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 2. 84) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 15, 17; Rowedder/SchmidtLeithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 23; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 66; ebenso zumindest für § 71 AktG n. F. der RegE eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts – BilMoG, BT-Drucks. 16/100671, S. 101; a. a. O., S. 106 wird für § 33 nur auf die Änderung des § 272 Abs. 1a, 4 HGB verwiesen. Vgl. aber bereits den RegE eines Gesetzes zur Änderungen des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 8/1347, S. 41 f. 85) Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 18; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 43, 63. 86) Vgl. Bloching/Kettinger, GmbHR 2005, 1089, 1101 f anhand des – teilweise überholten „November-Urteils“ des II. Zivilsenats (siehe § 30 [Thiessen]).

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zunächst) nicht zur Verfügung. Hierzu musste vor dem BilMoG der Erwerb durch eine aus freiem Vermögen zu bildende Gewinnrücklage „gegenfinanziert“ werden. Nach dem BilMoG87) genügt es, wenn im Erwerbszeitpunkt eine solche Rücklage gebildet werden könnte, sodass einer späteren (nochmaligen) Ausschüttung aus freiem, durch die hypothetische Rücklage unbelastetem Vermögen nichts im Wege steht.88) Zahlt die Gesellschaft zu viel, gerät sie in die Unterbilanz (siehe Rn. 27 f): nach altem Recht, weil die Passivseite mit einer Rücklage belastet wurde, die – bei korrekter Bewertung – zulasten von Stammkapital und/oder gebundenen Rücklagen gegangen wäre; nach neuem Recht, weil Aktivvermögen abfließt, ohne dass die eigenen Anteile aktiviert werden können, die Bilanz also wiederum zulasten von Stammkapital und/oder gebundenen Rücklagen auszugleichen ist. 30

Nach § 272 Abs. 4 HGB a. F. musste eine Rücklage für eigene Anteile gebildet werden, die dem Betrag entsprach, mit welchem die Anteile aktiviert wurden.89) Die Rücklage durfte nur aufgelöst werden, soweit die eigenen Anteile ausgegeben, veräußert oder eingezogen oder auf der Aktivseite abgeschrieben wurden. Das BilMoG geht nun einen anderen Weg, der bislang in § 272 Abs. 1 Satz 4 bis 6 HGB a. F. für sog. „eingefrorene“ Aktien vorgeschrieben war, welche die Gesellschaft zur Kapitalherabsetzung durch Einziehung erworben hatte (§ 71 Abs. 1 Nr. 6 oder 8 Satz 6 AktG) oder deren Weiterveräußerung unter dem Vorbehalt eines Hauptversammlungsbeschlusses mit qualifizierter Mehrheit stand.90)

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Bilanziell werden eigene Anteile nun insoweit wie einzuziehende Anteile behandelt.91) Hierzu wird gemäß § 271 Abs. 1a HGB auf der Passivseite der Nennbetrag des erworbenen eigenen Anteils offen von dem Posten „Gezeichnetes Kapital“ (§ 266 Abs. 3 Buchst. A. Ziff. I. HGB) als Kapitalrückzahlung abgesetzt, d. h. vom Stammkapital abgezogen. Dies ähnelt den Vorgaben der IFRS-Bilanz (siehe § 30 Rn. 26 [Thiessen] und § 42a Rn. 24 f [Witt]).92) Ein unentgeltlicher Erwerb durch Schenkung oder Vermächtnis schlägt nicht zu Buche.93) Zahlt die Gesellschaft dem Gesellschafter mehr als den Nennwert, geht dies zulasten der frei verfügbaren Rücklagen und umgekehrt.94) Eine Gewinnrücklage muss nicht mehr gebildet werden.95) Andererseits kann die Gesellschaft die Eigenanteile nicht mehr aktivieren _____________ 87) Überblick über die Änderungen bei Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 3 ff, 64, detailliert Rn. 139 ff, 168. 88) Eingehend krit. Kropff, ZIP 2009, 1137, 1140 f, 1143 ff; zuvor bereits Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2008, 209, 215. 89) Zum früheren Recht Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 23 ff; Rowedder/ Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 33 Rn. 74 f; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 33 Rn. 24, 42. 90) Hierzu Reiner in: MünchKomm-HGB, 2. Aufl. 2008, § 272 Rn. 12. 91) Zu den gesellschafts-, bilanz- und steuerrechtlichen Implikationen Hüttemann in: FS Herzig, S. 595 ff. 92) Hierzu eingehend Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 96, 106, dort Rn. 105 auch zum Konzernabschluss. 93) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 15; Michalski/Heidinger/Leible/ J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 25; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 18; diff. zum alten Recht Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 54. 94) Näher Kropff in: MünchKomm-AktG, 2. Aufl. 2004, § 272 HGB Rn. 34 ff. 95) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 19.

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(§ 266 Abs. 2 Buchst. B. Ziff. III. 2. HGB a. F.); ein Aktivtausch der für die Anschaffung verwendeten Mittel gegen die eigenen Anteile findet nicht statt.96) Das BilMoG hat somit dazu geführt, dass der Erwerb eigener Anteile die Bilanzsumme reduziert (zu den Auswirkungen siehe Rn. 32 f), während ihre spätere Veräußerung die Bilanzsumme erhöht (siehe Rn. 85).97) Das gleiche Nettoausweisverfahren98) wird bei nicht eingeforderten Einlagen angewandt (siehe § 30 Rn. 18, 20 f [Thiessen]), die ebenso wenig aktiviert werden dürfen wie eigene Anteile, welche nun als zurückgezahlte Einlagen gewertet werden. Die damit verbundene effektive Reduzierung des Stammkapitals irritiert freilich insoweit, als die statutarische Stammkapitalziffer konstant bleibt.99) Das effektive Stammkapital entspricht nicht dem gezeichneten Kapital. Da diese Abweichung offengelegt wird, bleibt die Informationsfunktion des Jahresabschlusses gewahrt, soweit das statutarische Stammkapital in der Vorspalte und das effektive Stammkapital in der Hauptspalte gleichermaßen wahrgenommen wird.100) Unklar ist, ob auch die Ausschüttungssperre des § 30 und – für einen weiteren Erwerb eigener Anteile – die Erwerbssperre des § 33 Abs. 2 konstant bleibt.101)

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An der statutarischen Stammkapitalziffer dürfte festzuhalten sein,102) weil der Gesetzgeber des BilMoG eine Abschwächung des Kapitalschutzes kaum gewollt haben dürfte.103) Nach anderer Ansicht sind die für formelle Kapitalherabsetzungen geltenden Regeln analog heranzuziehen. Ist der Anteil weniger wert als dessen Nennbetrag oder sinkt der Wert später unter den Nennbetrag, ist der Differenzbetrag in die Kapitalrücklage nach § 58c Satz 1 einzustellen und damit den Verwendungsbeschränkungen nach § 58b Abs. 3 GmbHG zu unterwerfen.104) Im Gesetzgebungsverfahren nicht berücksichtigt wurde der Vorschlag, wie bei der aktienrechtlichen Kapitalherabsetzung durch Einziehung (§ 237 Abs. 5 AktG) den durch Absetzung der eigenen Aktien entstehenden Minderbetrag des gezeichneten Kapitals in eine Sonderrücklage einzustellen, die im Umfang einer etwaigen späteren Veräußerung oder Einziehung dieser Aktien aufzulösen wäre, und hierdurch die Ausschüttungssperre i. H. d. vollen gezeichneten Kapitals zu wahren.105) Auch wenn § 34 die Einziehung technisch nicht als Kapitalherabsetzung regelt, hätte sich diese Lösung auch für die GmbH angeboten, zumal auch die Absetzung der erwor-

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_____________ 96) 97) 98) 99) 100) 101) 102) 103) 104) 105)

Vgl. Kropff in: MünchKomm-AktG, 2. Aufl. 2004, § 272 HGB Rn. 38. Mit instruktivem Beispiel Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 6, 27. Umfassend Kropff, ZIP 2009, 1137. Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2008, 209, 215. Vgl. RegE eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts – BilMoG, BT-Drucks. 16/ 10067, S. 65 f. Vgl. Kropff in: MünchKomm-AktG, 2. Aufl., § 272 HGB Rn. 43 ff; Kropff, ZIP 2009, 1137. So Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 28; zweifelnd Rodewald/ Pohl, GmbHR 2009, 32, 34. Eingehend Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 7 ff, 84. Insbesondere thematisiert der RegE (Fn. 100) nur die Verrechnung der Anschaffungskosten mit den freien Rücklagen. So Kropff, ZIP 2009, 1137, 1143 f. Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2008, 209, 215.

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benen Anteile vom gezeichneten Kapital sich am Erwerb zur Einziehung orientiert (siehe Rn. 30 f), ohne freilich mit § 237 Abs. 5 AktG abgestimmt zu sein.106) c) Maßgeblicher Zeitpunkt 34

Erwerb meint den dinglichen Vollzug des Inhaberwechsels aufgrund des schuldrechtlichen Geschäfts. Dies ergibt sich aus Absatz 2 Satz 3 Halbs. 1. Für die Zulässigkeit des Erwerbs ist jedoch bereits auf die Entstehung der schuldrechtlichen Zahlungspflicht,107) d. h. deren Fälligkeit abzustellen. Dies folgt aus Absatz 2 Satz 3 Halbs. 2, der nur das schuldrechtliche Geschäft für nichtig erklärt, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 1 nicht gegeben sind.108) Entscheidend ist also, ob bei Fälligkeit der Erwerb vollzogen und zugleich aus freiem Vermögen eine Rücklage i. H. d. Aufwendungen gebildet werden könnte.

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Diese Voraussetzung muss nach der Rechtsprechung freilich noch gegeben sein, wenn die Zahlung der Gesellschaft erfolgt; andernfalls darf der Vertrag nicht erfüllt werden.109) Wie bei § 30 (siehe § 30 Rn. 40 ff [Thiessen]) zeigt diese doppelte Anknüpfung, dass die Bilanz der Gesellschaft mit der fälligen Verbindlichkeit oder einer zu bildenden Rückstellung110) belastet wird, auch wenn das Aktivvermögen erst mit der Auszahlung gemindert wird.111) Anders als bei § 30 ist jedoch nicht maßgeblich, ob und wann der Gesellschaft eine vollwertige Gegenleistung zufließt (siehe § 30 Rn. 43 [Thiessen]) – der Wert des eigenen Anteils wird bilanziell ignoriert112) –, sondern ob sich die Gesellschaft den Erwerb eines im äußersten Fall wertlosen _____________ 106) Eingehend Kropff, ZIP 2009, 1137, 1141 f Fn. 49, der freilich die vom Arbeitskreis Bilanzrecht, BB 2008, 209, 215 erwogene Lösung für überzogen hält. 107) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 16. 108) OLG Rostock, GmbHR 2013, 305, 307 = NZG 2013, 543 = ZIP 2013, 676 (LS), dazu EWiR 2013, 445 (Cramer); Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 11; Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 15. 109) Für den Zeitpunkt der Zahlung BGHZ 139, 132, 136 = ZIP 1998, 1594, 1595 = NJW 1998, 2131 unter Hinweis auf den RegE eines Gesetzes zur Änderungen des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 8/1347, S. 41 f; ebenso bereits Goette, DStR 1994, 107, 108 (Urteilsanm. zu BGH, Beschl. v. 15.11.1993 – II ZR 32/93); Löwisch in: MünchKommGmbHG, § 33 Rn. 77 ff; Priester, GmbHR 2013, 1121, 1123 f; Lieder, GmbHR 2014, 57, 67 ff. Für die kumulative Maßgeblichkeit beider Zeitpunkte die Vorinstanz LG Leipzig, ZIP 1997, 602, 603, dazu EWiR 1997, 465 (van Zwoll); Salus/Pape, ZIP 1997, 577; ebenso wie schon zuvor Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 11; Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 15; unklar insoweit OLG Rostock, GmbHR 2013, 305, 307 f = NZG 2013, 543 = ZIP 2013, 676 (LS), dazu EWiR 2013, 445 (Cramer), Rev. anhängig (Az. d. BGH: II ZR 264/13); offengelassen von BGHZ 139, 132, 136 = ZIP 1998, 1594, 1595 = NJW 1998, 2131 wie zuvor vom Berufungsgericht, OLG Dresden, NZG 1998, 31, 32. 110) Zum Eigenanteilserwerb während eines Passivprozesses OLG Zweibrücken, NZG 2001, 569; vgl. außerdem zu § 30: BGH, ZIP 2003, 2068 = GmbHR 2003, 1420 = NJW 2003, 3629, dazu EWiR 2004, 383 (Wagner). 111) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 52. 112) Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 68. Dies galt mit unterschiedlicher bilanzieller Darstellung vor dem BilMoG ebenso wie bereits vor dem BiRiLiG, vgl. ScholzH. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 33 Rn. 18 unter Hinweis auf BGH, NJW 1956, 1326, 1327.

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Geschäftsanteils leisten kann, ohne dass eine Unterbilanz entsteht. Ein diesbezüglicher Gesellschafterbeschluss ist analog § 241 Nr. 1, 3 und 4 AktG nichtig, wenn bereits bei der Beschlussfassung feststeht, dass die Zahlung an den Gesellschafter zum festgelegten Stichtag ganz oder teilweise nur aus gebundenem Vermögen gezahlt werden kann.113) Wie im Fall des § 33 Abs. 1 (siehe Rn. 19 f) ist es daher ratsam, (hier) zumindest den zugrunde liegenden Schuldvertrag bzw. den Gesellschafterbeschluss unter die aufschiebende Bedingung zu stellen, dass am Vollzugsstichtag die Voraussetzungen des Absatzes 2 gegeben sind bzw. der Kaufpreis dem am Stichtag vorhandenen Vermögen angepasst wird (zu den umstrittenen Rechtsfolgen siehe Rn. 42).114) Die Neuregelung des BilMoG verzichtet auf die Prognoseentscheidung des Geschäftsführers, die nach altem Recht bis zur Aufstellung des nächsten Jahresabschlusses reichen musste, in welchem die Rücklage gesetzlich zu bilden war.115) Eine Prognose ist nunmehr nur erforderlich, wenn entgegen § 271 BGB die Fälligkeit hinausgeschoben wird. Maßgeblich ist in jedem Fall eine allgemeinen Bewertungsgrundsätzen folgende Zwischenbilanz (Nachweise siehe § 30 Rn. 15 Fn. 37 [Thiessen])116) nach stetig fortzuschreibenden (§§ 252 Abs. 1 Nr. 1, 6 HGB) und ggf. abzuschreibenden (§ 253 Abs. 3 und 4 HGB) Buchwerten ohne Berücksichtigung stiller Reserven.117) Dies entspricht dem Maßstab des § 30 Abs. 1 (siehe § 30 Rn. 15, 22, 24 [Thiessen]).

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d) Reihenfolge bei Erwerb mehrerer Anteile – Teilerwerb Reicht das ausschüttungsfähige Vermögen nicht aus, um alle erworbenen Anteile zu bezahlen, muss der Geschäftsführer die Ansprüche der Gesellschafter nach Fälligkeit erfüllen.118) Dies ist schon deshalb geboten, weil es (auch) auf die Vermögenslage der Gesellschaft bei Fälligkeit ankommt (siehe Rn. 34 f). Eine Erfüllung vor Fälligkeit begründet zudem die Gefahr der Insolvenzanfechtung, weil dann die befriedigten Gesellschafter erhalten, was ihnen zu diesem Zeitpunkt nicht zusteht (§ 131 Abs. 1 InsO), und weil die gezielte Bevorzugung einzelner Gläubiger den Weg zur Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO, § 3 AnfG) ebnet (siehe § 30 Rn. 150 [Thiessen]). _____________ 113) BGHZ 144, 365, 369 f = ZIP 2000, 1294, 1296 = NJW 2000, 2819, dazu EWiR 2000, 943 (Casper); Emde, ZIP 2000, 1753. 114) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 11. 115) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 33 Rn. 28; zu den bisher daraus folgenden Abstimmungsschwierigkeiten mit § 33 Abs. 3 a. a. O., Rn. 42. Gegen eine Prognose bis zum Jahresabschluss bereits nach altem Recht Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 50. 116) Vgl. Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, 2. Aufl. 2010, GmbHG, § 33 Rn. 28; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 26; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 53. 117) BGH, ZIP 1996, 1984 = GmbHR 1997, 171 = NJW 1997, 196, dazu EWiR 1997, 79 (W. Müller); BGHZ 144, 365, 369 = ZIP 2000, 1294, 1296 = NJW 2000, 2819, dazu EWiR 2000, 943 (Casper); Emde, ZIP 2000, 1753. 118) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 26; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, 2. Aufl. 2015, § 33 Rn. 42.

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Dass bei gleichzeitig fälligen Ansprüchen der gesellschaftsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz einzuhalten ist,119) ist keine Besonderheit des § 33 (siehe Rn. 72). In der Insolvenz sind die Veräußerer der Anteile zwingend gleichzubehandeln,120) zum einen in ihrer Eigenschaft als Gläubiger (par condicio creditorum), zum anderen in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, weil der Insolvenz die gesellschaftsrechtliche Liquidation vorwegnimmt (§ 199 Satz 2 InsO).

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Verkauft ein Gesellschafter einen Anteil oder ein Anteilspaket, der bzw. das nicht insgesamt aus freiem Vermögen bezahlt werden kann, setzt der zulässige Erwerb einzelner Anteile oder die Anteilsteilung121) voraus, dass § 139 BGB überwunden wird und ein Einzelpreis der (An-)Teile feststellbar ist.122) Andernfalls besteht wegen § 139 BGB schon keine Forderung, weder in noch außerhalb der Insolvenz;123) eine generelle „Wirksamkeit auf Raten“ ist abzulehnen.124) 3.

Rechtsfolgen

a) Dingliche Wirksamkeit – schuldrechtliche Nichtigkeit 40

Anders als die §§ 30, 31 (siehe § 30 Rn. 177 und § 31 Rn. 116 ff [Thiessen]) regelt § 33 Abs. 2 Satz 3 detailliert, wie sich die unzulässige Minderung des Gesellschaftsvermögens auf die Rechtsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern auswirkt. Das schuldrechtliche Geschäft ist nichtig, das dingliche Geschäft hingegen wirksam, weil ein von der Gesellschaft erwerbender Dritter die nach § 33 Abs. 2 maßgebliche Vermögenslage nicht übersehen kann und deshalb partiell schutzbedürftig ist.125) Dieses Informationsdefizit besteht bei Abschluss des Schuldvertrags ebenso wie bei dessen Erfüllung. Nur die Gesellschaft kann also in Gestalt des Geschäftsführers entscheiden, ob sie den Schuldvertrag abschließen und erfüllen darf. In der Haftung des Geschäftsführers (§ 43 Abs. 3) schlägt sich dies auch nieder, während es für § 33 auf subjektive Voraussetzungen nicht ankommt.

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Ist der Schuldvertrag nichtig, haben die Beteiligten keinen Anspruch auf Vollzug, weder die Gesellschaft auf Abtretung noch der Gesellschafter auf Zahlung. Eine Heilung ist nicht möglich.126) Ähnlich wie bei Absatz 1 (siehe Rn. 19 f) kann die Nichtigkeit dadurch vermieden werden, dass (hier) das schuldrechtliche Geschäft _____________ 119) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 10; Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 18, 36. 120) BGHZ 139, 132, 137 = ZIP 1998, 1594, 1595 = NJW 1998, 3121. 121) Zur Aufhebung von § 17 a. F. RegE MoMiG BT-Drucks. 16/6140, S. 39 = Seibert, MoMiG, S. 163. 122) Vgl. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 16 f; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 19; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 54; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 62 f. 123) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 17. 124) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 59. 125) RegE eines Gesetzes zur Änderungen des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 8/1347, S. 42 f. 126) Offen für den Fall der Weiteräußerung BGH, ZIP 1996, 1984, 1986 = GmbHR 1997, 171 = NJW 1997, 196, dazu EWiR 1997, 79 (W. Müller); a. A. Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 26.

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unter die aufschiebende Bedingung gestellt wird, dass bei Fälligkeit genügend freies Vermögen vorhanden ist bzw. die Fälligkeit entsprechend hinausgeschoben wird (siehe Rn. 35).127) Dies kann nach allgemeiner Rechtsgeschäftslehre ausdrücklich oder durch ergänzende Auslegung oder Umdeutung (§ 140 BGB) geschehen.128) Andernfalls hilft nur die bestätigende Neuvornahme des gesamten Geschäfts (zur Teilbarkeit siehe Rn. 39),129) wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 gegeben sind. Angesichts dieser leicht zugänglichen, vom Notar (§ 15 Abs. 3 und 4) aufzuzeigenden Möglichkeiten besteht kein Grund, entgegen dem Wortlaut die Nichtigkeitsfolge als gesetzlichen Regelfall abzulehnen.130) Selten – und in der Kapitalerhaltung einmalig (siehe Rn. 43) – drückt sich das Gesetz so eindeutig aus und erspart so dem Rechtsanwender die stets schwierige Frage, ob ein gesetzliches Verbot die Rechtsfolge des § 134 BGB nach sich zieht. Dass der Schuldvertrag von Anfang an nichtig ist und es auch bei verbesserter Vermögenslage bleibt, ist ein rechtssicheres, wenn auch unerwünschtes Ergebnis. Die Parteien haben es in der Hand, die unerwünschte Folge des Absatzes 3 Satz 3 durch rechtssichere Gestaltung zu vermeiden. Auf diese Weise entsteht kein Streit über die eigentliche Frage, ob bereits bei Abschluss des Schuldvertrags absehbar war, dass der Vertrag nur aus gebundenem Vermögen erfüllt werden könne (siehe Rn. 35). Denn nur hiermit lässt sich begründen, dass der Schuldvertrag nichtig ist, wenn er bei noch guter Vermögenslage geschlossen wird.131) War nicht absehbar, dass bei Erfüllung eine Unterbilanz bestehen würde – und lässt sich dies beweisen (siehe Rn. 113) –, kann der Vertrag wie im Fall des § 30 (siehe § 31 Rn. 29 [Thiessen]) wirksam bleiben; ein Leistungsverweigerungsrecht ergibt sich aus § 33 Abs. 2 Satz 1, soweit freies Vermögen zur Erfüllung fehlt.132) Spätestens unter der Haftungsandrohung des § 64 Satz 3 muss der Geschäftsführer die Erfüllung verweigern (siehe § 30 Rn. 33 [Thiessen]).

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b) Bereicherungsrechtliche Rückabwicklung – Verhältnis zu § 31 Die grundsätzliche Nichtigkeit widerspricht der Interpretation des Bundesgerichtshofs für die §§ 30, 31.133) Danach ist für die §§ 134, 812 ff BGB selbst dann kein Raum, wenn es den Beteiligten auf die Umgehung der Kapitalerhaltungsvorschrif_____________ 127) I. E. ähnlich Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 24; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 91 f. 128) Für eine Art „antizipierte Neuvornahme“ im Wege ergänzender Vertragsauslegung Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 16. 129) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 59; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 93. 130) I. E. ähnlich Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 58; nur scheinbar anders als hier, weil auf nachträgliche Vermögensverschlechterung bezogen, mit verschiedenen Ansätzen etwa Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 14; Lutter/Hommelhoff-Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 24; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 27 f; zum Meinungsstand umfassend Bloching/Kettinger, BB 2006, 172, 173 ff. 131) Vgl. Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 24; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 26. 132) I. E. ebenso die Kommentarliteratur, vgl. die Nachweise bei Bloching/Kettinger, BB 2006, 172, 175 Fn. 41. 133) Zu dieser Diskrepanz Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 26; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 63.

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ten ankommt.134) Nicht nur der Erstattungsanspruch der Gesellschaft gemäß § 31, sondern auch der Zahlungsanspruch des Gesellschafters bleibt erhalten. Er darf erfüllt werden, soweit sich die Vermögenslage der Gesellschaft verbessert (siehe § 31 Rn. 29 [Thiessen]). Dieser Widerspruch ist deshalb bemerkenswert, weil ein Verstoß gegen § 33 Abs. 2 häufig zugleich einen Verstoß gegen § 30 begründet (siehe Rn. 28), soweit nicht genügend freies Vermögen oberhalb der Stammkapitalziffer vorhanden war. Wird aber die schuldrechtliche Wirksamkeit unterschiedlich beurteilt, muss sich dies bei den Rechtsfolgen auswirken. 44

Daher tritt der Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB neben den Erstattungsanspruch aus § 31.135) Wie bei § 33 Abs. 1 (siehe Rn. 21) können Gesellschaft und Gesellschafter entreichert sein (§ 818 Abs. 3 BGB). Da das dingliche Geschäft gemäß Absatz 2 Satz 3 wirksam bleibt, kann die Gesellschaft zwischenzeitlich den Anteil weiterveräußert haben, ohne dass es auf eine Eintragung in der Gesellschafterliste (§ 40) oder den guten Glauben des Erwerbers (§ 16 Abs. 3) ankäme.136) Wird die Gesellschaft in diesem Fall auf Wertersatz in Anspruch genommen (§ 818 Abs. 2 BGB),137) darf sie aufrechnen, wenn die Gesellschafterforderung liquide, fällig und vollwertig ist (siehe Rn. 22).

45

Nach der Rechtsprechung darf der Gesellschafter den Wert des Anteils von seinem eigenen Bereicherungsanspruch abziehen (Saldotheorie).138) Es spricht jedoch viel dafür, wegen der zentralen Bedeutung des häufig mitverwirklichten (siehe Rn. 28) § 31 beide Kondiktionsansprüche zu erhalten,139) die gemäß §§ 273, 274 BGB ebenso nur Zug um Zug zu erfüllen sind wie im Fall, dass die Gesellschaft noch Anteilsinhaberin ist.140) Andernfalls zahlt der Gesellschafter je nach Anteilswert und Veräußerungserlös unter Umständen nichts zurück, während die Gesellschaft ihren Anspruch verlöre, obwohl der Gesellschafter nicht aufrechnen dürfte (siehe § 31 Rn. 76 [Thiessen]). In der Insolvenz führt freilich auch die Saldotheorie dazu, dass die solvente Partei die empfangene Leistung vollständig zur Masse erstatten muss und wegen der Gegenleistung auf die Quote verwiesen wird.141) Ist die Ge_____________ 134) BGHZ 136, 125 = ZIP 1997, 1450 = NJW 1997, 2599, dazu EWiR 1997, 1089 (H. P. Westermann). 135) Auch zum Folgenden Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 21. 136) So bereits zur alten Rechtslage Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 30. 137) Geschuldet wird der Verkehrswert, ein Veräußerungsgewinn steht der Gesellschaft zu, eingehend zum Umfang des Wertersatzes Schwab in: MünchKomm-BGB, § 818 Rn. 81 ff. 138) Vgl. zur verdeckten Sacheinlage nach altem Recht BGH, ZIP 1998, 780, 782 f = GmbHR 1998, 588 = NJW 1998, 1951, dazu EWiR 1999, 69 (Bayer); BGHZ 173, 145, 155 f = ZIP 2007, 1751, 1754 f = NJW 2007, 3425; BGHZ 175, 265, 273 = ZIP 2008, 788, 790 = WM 2008, 784, dazu EWiR 2008, 513 (Weipert). Trotz § 19 Abs. 4 n. F. lässt sich diese Rspr. auf § 33 Abs. 2 übertragen, weil es um ein nichtiges Austauschgeschäft bei Wirksamkeit des dinglichen Vollzugsgeschäfts geht. 139) So Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 21; ebenso zur verdeckten Sacheinlage (Fn. 138) Lieb, ZIP 2002, 2013, 2017; für Anwendung der Saldotheorie etwa Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 60. 140) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 31 f; Schwab in: MünchKomm-BGB, § 818 Rn. 217. 141) Zur neueren Rspr. Schwab in: MünchKomm-BGB, § 818 Rn. 239, 242.

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sellschaft insolvent, entspricht dieses Ergebnis dem Kapitalschutzzweck der §§ 30 ff insbesondere dann, wenn die Gesellschaft aufgrund verbotener Zahlungen bzw. Eigenanteilserwerbe in die Insolvenz geraten ist. Wer beim Leistungsempfang bösgläubig war, haftet ohne Entreicherungseinwand (§ 819 Abs. 1 BGB). Dies trifft grundsätzlich auch die Gesellschaft. Ebenso wenig lässt sich bereicherungsrechtlich begründen, warum der Anspruch der Gesellschaft auf Rückzahlung nicht gemäß § 814 BGB ausgeschlossen sein sollte, wenn diese in Gestalt der Geschäftsführer die Nichtigkeit kannte.142) Nicht übertragbar ist auch die Rechtsprechung, welche den Bereicherungsanspruch demjenigen erhält, der einen nichtigen Vertrag in der Erwartung erfüllt, der andere Teil werde die Gegenleistung bewirken und damit den mit der Leistung bezweckten Erfolg durch Heilung herbeiführen.143) Bei einer solchen condictio ob rem wird § 814 BGB zwar durch § 815 BGB verdrängt, dessen Voraussetzungen nicht gegeben sind.144) Ein Verstoß gegen § 33 Abs. 2 Satz 1 kann aber nicht geheilt werden kann (siehe Rn. 41). Der Bereicherungsanspruch könnte nur dadurch ausgeschlossen sein, dass der Leistende darauf vertraut hat, die Wirksamkeitsvoraussetzungen würden bis zum dinglichen Vollzug erfüllt sein (siehe Rn. 41 f). Das Kapitalerhaltungsinteresse der Gesellschaft setzt sich letztlich deshalb gegen § 814 BGB durch, weil der zumeist konkurrierende (siehe Rn. 28) Anspruch aus § 31 von den bereicherungsrechtlichen Einwendungen unabhängig ist (siehe § 31 Rn. 116 [Thiessen]). Erhält die Gesellschaft den Kaufpreis zurück, gibt es umgekehrt keinen Grund, der Gesellschaft den eigenen Anteil zu erhalten. Hierdurch würde das gemäß § 33 Abs. 2 unerwünschte Ergebnis perpetuiert. Da ein beiderseitiger Gesetzesverstoß vorliegt, wird man wie auch sonst bei § 817 Satz 2 BGB145) dem Gesellschafter gestatten müssen, den Anteil – trotz Kenntnis gemäß § 814 BGB – herauszuverlangen.146)

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Wie bei § 31 kann die Gesellschaft den Bereicherungsanspruch durch Abtretung verwerten (siehe § 31 Rn. 10 ff [Thiessen]). Uneingeschränkt gilt dies für den Insolvenzverwalter, da der Bereicherungsanspruch reine Insolvenzforderung ohne Aussonderungsrecht ist,147) allenfalls als Masseforderung vorweg zu berichtigen ist, soweit die rechtsgrundlose Abtretung nach Verfahrenseröffnung erfolgt ist (§§ 52, 55 Nr. 3 InsO).148) Soweit die Forderung abtretbar ist, kann sie auch gepfändet (§ 851 ZPO)149) oder von der Gesellschaft verpfändet werden.150)

47

_____________ 142) A. A. auch zum Folgenden Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 33; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 61. Zu den Voraussetzungen des § 814 BGB Schwab in: MünchKomm-BGB, § 814 Rn. 16 ff. 143) So zur Formnichtigkeit gemäß § 311b BGB zuletzt BGH, ZfIR 1999, 739 = DB 1999, 2561 = NJW 1999, 2892, dazu EWiR 1999, 945 (Armbrüster). 144) Vgl. Schwab in: MünchKomm-BGB, § 814 Rn. 4. 145) Schwab in: MünchKomm-BGB, § 817 Rn. 22. 146) So auch Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 35. 147) Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 29. 148) Hierzu Graf-Schlicker-Bremen, InsO, § 47 Rn. 27; zur Situation bei Masseunzulänglichkeit Hefermehl in: MünchKomm-InsO, § 55 Rn. 210. 149) Vgl. zur Geschäftsführerhaftung Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 31; Smid in: MünchKomm-ZPO, § 851 Rn. 14. 150) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 83.

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§ 33

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c) Haftung der Geschäftsführer 48

Die Geschäftsführer haften gegenüber der Gesellschaft gemäß § 43 Abs. 2 und 3. Da ihnen die ordnungsmäßige Buchführung obliegt (§ 41), ist ein Erwerb in Unkenntnis einer entgegenstehenden Vermögenslage stets sorgfaltswidrig (§ 43 Abs. 1) und – soweit der Ersatz zur Gläubigerbefriedigung erforderlich ist – auch nicht durch einen anweisenden Gesellschafterbeschluss exkulpiert (§ 43 Abs. 3).151) Soweit der nach § 33 Abs. 2 unzulässige Erwerb auch gegen § 30 verstößt (siehe Rn. 28), haften die Geschäftsführer gemäß § 31 Abs. 6 den Mitgesellschaftern, falls diese den Ausfall des Anteilsveräußerers tragen müssen (siehe § 31 Rn. 100 ff [Thiessen]). IV. Eingeschränkter Erwerb eigener Geschäftsanteile zur Abfindung nach Umwandlung (Abs. 3)

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Absatz 3 formuliert einen Kompromiss zwischen dem gesellschaftsrechtlichen Kapitalschutz und dem Selbstbestimmungsrecht der Anteilsinhaber, die bestimmte umwandlungsrechtliche Strukturänderungen nicht mittragen wollen.152) Rechtstechnisch überträgt Absatz 3 die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Absatzes 2 auf einen sonst nach Absatz 1 unzulässigen Erwerb.153) 1.

50

In drei enumerativ genannten umwandlungsrechtlichen Situationen (siehe Rn. 51) gewährt Absatz 3 ein Privileg vom Verbot des Absatzes 1.154) Auch der Erwerb eines nicht vollständig eingezahlten Geschäftsanteils ist ausnahmsweise zulässig (siehe Rn. 56 f), wenn es darum geht, „umwandlungsresistente“ Anteilseigner aus freiem Vermögen abzufinden (siehe Rn. 52 ff). 2.

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Keine Differenzierung nach Grad der Einzahlung

Erfasste Umwandlungsfälle

Privilegiert werden bei der GmbH155) die nationale Verschmelzung bei veränderter Rechtsform oder Vinkulierung (§ 29 UmwG), die internationale Hinausverschmelzung (§ 122i UmwG), die Spaltung mit Ausnahme der Ausgliederung156) (§ 125 Satz 1 UmwG) und der (bloße) Formwechsel (§ 207 Abs. 1 UmwG).157) Die zwingenden Voraussetzungen, auf denen § 33 Abs. 3 aufbaut, werden zum Teil gesondert, zum _____________ 151) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 35; ScholzH. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 31; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 64; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 23 ff. 152) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 3; Überblick zu § 33 Abs. 3 bei Geißler, GmbHR 2008, 1018; Lieder, GmbHR 2014, 232. 153) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 30; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 51; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 70; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 4. 154) Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 100. 155) Zum begrenzten Anwendungsbereich des § 33 Abs. 3 Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 68 f; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 98. 156) Zum Hintergrund Simon in: KölnKomm-UmwG, § 29 Rn. 8, 10, § 125 Rn. 14, 18; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 8, 70. 157) Einzelheiten bei Simon in: KölnKomm-UmwG, § 29 Rn. 11 f, 15 ff, 25 ff; Simon/Rubner in: KölnKomm-UmwG, § 122i Rn. 5 ff; Semler/Stengel-Kalss, UmwG, § 29 Rn. 6 ff, § 207 Rn. 7 ff; Semler/Stengel-Drinhausen, UmwG, § 122i Rn. 5 ff.

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§ 33

Erwerb eigener Geschäftsanteile

Teil durch Verweis auf das Verschmelzungsrecht definiert.158) Gemeinsame Voraussetzung ist, dass der betroffene Anteilsinhaber dem strukturändernden Beschluss zur Niederschrift des Versammlungsprotokolls widersprochen hat oder durch Ladungsmängel (§ 29 Abs. 2 UmwG) daran gehindert war.159) Sind die Inhaber von Geschäftsanteilen ausnahmsweise unbekannt (vgl. § 35 UmwG), ist zur Wahrung der Rechte der unbekannten Gesellschafter ein Pfleger zu bestellen.160) Im Ergebnis treten die betroffenen Gesellschafter durch fristgerechte Annahme des Abfindungsangebots (§§ 31, 209 UmwG) aus der Gesellschaft aus.161) Anders als bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen (§ 305 AktG), bei der Eingliederung (§ 320b AktG) und beim Squeeze Out (§§ 327a ff AktG) erfolgt der Anteilserwerb jedoch nicht durch das herrschende Unternehmen bzw. durch den Hauptaktionär, sondern durch die Gesellschaft selbst, d. h. je nach Gestaltung den übernehmenden, übertragenden oder formwechselnden Rechtsträger. Anders als beim Aktienkonzernrecht ist nur die Barabfindung vorgesehen.162) Wären die Anteilsinhaber mit einer Beteiligung an einem neuen Rechtsträger einverstanden, hätten sie den strukturändernden Beschluss akzeptiert. 3.

52

Fristgerechter Erwerb aus freiem Vermögen

Die Abfindung darf nach dem Maßstab des Absatzes 2 Satz 1 (siehe Rn. 27 ff) nur aus freiem Vermögen erfolgen. Die Gesellschaft muss hypothetisch in der Lage sein, i. H. d. Abfindung eine Rücklage zu bilden, ohne das Stammkapital oder eine statutarisch gebundene Rücklage anzutasten.163) Die Formulierung in Absätzen 2 und 3 ist seit dem BilMoG synchron; insbesondere fehlt in Absatz 2 die tautologische Voraussetzung, dass der Erwerb aus freiem Vermögen erfolgen kann, was den früher erwogenen Umkehrschluss für Absatz 3 – die Zahlung dürfe aus gebundenem Vermögen erfolgen – obsolet macht.164)

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Die Höhe der Abfindung richtet sich nach dem Pflichtangebot, das sich im Spruchverfahren erhöhen kann (§§ 34, 212 UmwG).165) Das Spruchverfahren kann aufgrund seiner Dauer erhebliche Unsicherheit und Kosten verursachen.166) Mit der Fälligkeit des nachzuzahlenden Betrags kann sich die der Gesellschaft in Absatz 3 eingeräumte

54

_____________ 158) Simon in: KölnKomm-UmwG, § 29 Rn. 6 ff; Semler/Stengel-Kalss, UmwG, § 29 Rn. 1, 5, § 207 Rn. 2. 159) Simon in: KölnKomm-UmwG, § 29 Rn. 28 ff; Semler/Stengel-Kalss, UmwG, § 29 Rn. 21 f; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 71; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 98. 160) OLG Bremen, DB 2003, 1498 = DStR 2003, 1311 = BB 2003, 1525. 161) Simon in KölnKomm-UmwG, § 31 Rn. 3 f, 13; Semler/Stengel-Kalss, UmwG, § 29 Rn. 28, § 31 Rn. 5 f, 9. 162) Hierzu Semler/Stengel-Kalss, UmwG, § 29 Rn. 2, 23 ff. 163) Näher Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 97, 102 f. 164) Zu diesem Meinungsstreit Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 51; Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 41. 165) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 31; Löwisch in: MünchKommGmbHG, § 33 Rn. 101. 166) Semler/Stengel-Kalss, UmwG, § 29 Rn. 28, § 31 Rn. 1.

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§ 33

Erwerb eigener Geschäftsanteile

Erwerbsfrist und damit auch der für Zulässigkeit maßgebliche Beurteilungszeitpunkt verschieben. 55

Die sechsmonatige Erwerbsfrist – das privilegierte Zeitfenster (siehe Rn. 56) – beginnt mit der Registereintragung des Umwandlungsvorgangs (§§ 20, 131, 202 UmwG) bzw. mit der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung im Spruchverfahren. Länge und Beginn der Erwerbsfrist sind nicht identisch mit Länge und Beginn der Frist zur Annahme des Abfindungsangebots (§§ 31, 209 UmwG).167) Diese dauert nur zwei Monate, beginnt aber erst mit der Bekanntmachung der Registereintragung bzw. der gerichtlichen Entscheidung.168) Geht man davon aus, dass sich die Bekanntmachung nicht erheblich verzögert, hat die Gesellschaft im Regelfall jeweils mehrere Monate Zeit, den Erwerb gemäß § 15 Abs. 3169) zu vollziehen.170) Die Abfindung wird erst mit Zugang171) der Annahme des entsprechenden Angebots fällig.172) Ihre Auszahlung muss noch bei Vollzug zulässig sein (siehe Rn. 35). 4.

Rechtsfolgen

a) Zulässiger Erwerb 56

Das Gesetz gestattet den Beteiligten, die Umwandlung innerhalb von längstens sechs Monaten dadurch abzuschließen, dass bei wirksamem Erwerb die Einlagepflicht des Gesellschafters durch Konfusion erlischt (aber siehe Rn. 57).173) Während dieser Ausschlussfrist tritt die Kapitalaufbringung zugunsten unternehmerischer Umstrukturierung zurück, ohne dass die Grenzen der Kapitalerhaltung gelockert werden.174) Gleichwohl wird die Kapitaldecke durch die Barabfindung dünner.175) Rechtspolitisch ist dieser Kompromiss insbesondere deshalb angreifbar, weil die nicht marktgängigen GmbH-Anteile mutmaßlich auf Dauer bei der GmbH verbleiben.176) Durch die Höhe der Abfindung (siehe Rn. 54, 57) wird Absatz 3 jedoch auch Fällen gerecht, in denen der Erwerb nicht allein das Umwandlungshindernis beseitigen soll, sondern auch dazu dient, einen notorisch säumigen Einlageschuldner, dessen Rechtsvorgänger und die Mitgesellschafter von der Haftung zu befreien.

_____________ 167) Zur Fristendifferenz auch Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 47; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 72. 168) Zur Unabhängigkeit der Fristen nach Bekanntmachung bzw. Entscheidung Simon in: KölnKomm-UmwG, § 31 Rn. 1, 10 f; Semler/Stengel-Kalss, UmwG, § 31 Rn. 3. 169) Simon in: KölnKomm-UmwG, § 29 Rn. 36. 170) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 18. 171) Zu den Erfordernissen Simon in: KölnKomm-UmwG, § 31 Rn. 6. 172) Semler/Stengel-Kalss, UmwG, § 29 Rn. 31, § 31 Rn. 9. 173) Eingehend auch zur Gegenansicht Lieder, GmbHR 2014, 232, 234 f. 174) Vgl. den RegE eines Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungsrechts (UmwBerG), BTDrucks. 12/6699, S. 175; Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 30; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 8, 73; Löwisch in: MünchKommGmbHG, § 33 Rn. 101. 175) Petersen in: KölnKomm-UmwG, § 207 Rn. 5. 176) Auch zum Folgenden Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 45, 47, der die ratio des § 71 Abs. 1 Nr. 3 AktG für nicht übertragbar hält, da es dort regelmäßig zu einem „Durchgangserwerb“ komme, so der RegE bei Kropff, Aktiengesetz, S. 91.

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§ 33

Erwerb eigener Geschäftsanteile

Erlischt die Einlagepflicht (siehe Rn. 56), kann auch die Weiterhaftung des Veräußerers (§ 16 Abs. 2) sowie die Haftung der Rechtsvorgänger (§ 22) und Mitgesellschafter (§ 24) nicht mehr begründet werden.177) Mit der Annahme des Angebots scheidet der Gesellschafter aus, der Anteil geht Zug um Zug gegen Zahlung der Abfindung auf die Gesellschaft über, die Einlagepflicht erlischt.178) Nur scheinbar kann sich der bereits säumige Gesellschafter dadurch seiner Zahlungspflicht und deren Folgen entziehen, dass er der Strukturänderung widerspricht, nachdem einer Haftung gemäß §§ 16 Abs. 2, 22, 24 bereits der Boden bereitet war. Jedoch orientiert sich die Barabfindung am Einzahlungsstatus.179) Der Gesellschafter wird also von seiner Einlagepflicht dadurch befreit, dass er weniger erhält. Für seine Weiterhaftung besteht daher so wenig ein Bedürfnis wie für eine Haftung des Rechtsvorgängers oder der Mitgesellschafter.

57

b) Unzulässiger Erwerb Ist der Erwerb gemäß Absatz 3 unzulässig, scheitert die Umwandlung.180) Soweit die Abfindung aus gebundenem Vermögen erfolgen müsste, kann die Strukturänderung nicht vollzogen werden.181) Allerdings sind die Rechtsfolgen des Absatzes 2 Satz 3 Halbs. 2 Alt. 1 bei der nationalen und internationalen Verschmelzung sowie bei der Spaltung suspendiert (§§ 29 Abs. 1 Halbs. 2, 122i Abs. 1 Satz 2, 125 Satz 1 UmwG). In diesen Fällen ist auch das schuldrechtliche Geschäft wirksam.182) Ändert sich nicht der Rechtsträger, sondern nur die Rechtsform, bleibt es nach dem Normtext bei der Unwirksamkeit des schuldrechtlichen Geschäfts, da § 207 UmwG für das GmbH-Recht keine Ausnahme vorsieht.183) Eine Analogie zu §§ 29 Abs. 1 Halbs. 2, 122i Abs. 1 Satz 2 UmwG erscheint hier angebracht (siehe Rn. 60).

58

In beiden Konstellationen kann der Gesellschafter die Abtretung verweigern bzw. die Rückabtretung verlangen. Bei Verschmelzung und Spaltung entsprechen die Rechtsfolgen denen der §§ 30, 31. Der Abfindungsanspruch bleibt erhalten und kann durchgesetzt werden, sobald freies Vermögen vorhanden ist (siehe § 31 Rn. 29 [Thiessen]). Bei internationaler Verschmelzung gelten die deutschen Kapitalerhaltungsregeln allerdings nur bis zur Wirksamkeit der Verschmelzung;184) mag die Registereintragung auch erfolgt sein, obwohl die Voraussetzungen des Absatzes 3 _____________

59

177) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 32; Löwisch in: MünchKommGmbHG, § 33 Rn. 61; a. A. Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 42; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 51. 178) Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 108. 179) Auch zum Folgenden Ulmer/Habersack/Löbbe-/Paura, GmbHG, § 33 Rn. 74; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 108. 180) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 16; Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 31. 181) Auch zum Folgenden Semler/Stengel-Kalss, UmwG, § 31 Rn. 7, § 207 Rn. 12; Lieder, GmbHR 2014, 232, 234; a. A. Simon in: KölnKomm-UmwG, § 29 Rn. 49; § 31 Rn. 15; eingehend zur Abgrenzung Aktien-/GmbH-Recht beim Formwechsel Petersen in: KölnKomm-UmwG, § 207 Rn. 6 f, 9 ff, 12 ff. 182) Zum Hintergrund Simon in: KölnKomm-UmwG, § 29 Rn. 49; Semler/Stengel-Kalss, UmwG, § 29 Rn. 34; Lieder, GmbHR 2014, 232, 236 f. 183) Semler/Stengel-Kalss, UmwG, § 207 Rn. 12. 184) Simon/Rubner in: KölnKomm-UmwG, § 31 Rn. 5; Semler/Stengel-Drinhausen, UmwG, § 122i Rn. 8.

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§ 33

Erwerb eigener Geschäftsanteile

nicht erfüllt waren. Beim Formwechsel ist der Erwerb dem Wortlaut nach gemäß Absatz 2 Satz 3 rechtsgrundlos und führt zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung (siehe Rn. 43 ff), sofern man den Formwechsel nicht analog den anderen Strukturänderungen behandelt (siehe Rn. 58, 60). 60

Eine doppelte Nichtigkeit bei nicht vollständig eingezahlten Anteilen entsprechend Absatz 1185) ist nur denkbar, soweit das Gesetz wie noch beim Formwechsel (§ 207 UmwG) allein § 71 Abs. 4 Satz 2 AktG außer Kraft setzt und über § 33 schweigt. Das Aktienrecht kennt seit 1978186) lediglich den Fall, dass das schuldrechtliche Geschäft nichtig, dessen dinglicher Vollzug aber wirksam ist. Das Zweite Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes hat aber für Verschmelzung und Spaltung die Parallele zu § 33 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 Alt. 1 gezogen und damit zum Ausdruck gebracht, dass in den umwandlungsrechtlich privilegierten Fällen die doppelte Nichtigkeit des Absatzes 1 als unangemessen ansieht.187) In § 207 UmwG wurde diese „redaktionelle Korrektur“ offenbar vergessen, obwohl das Gesetz – über die Verschmelzungsrichtlinie hinausgehend – auch einzelne Vorschriften zum Formwechsel geändert hat.188) V. Inpfandnahme

61

Seit der GmbH-Novelle 1980 wird die Inpfandnahme eigener Anteile wie deren Erwerb behandelt, unterliegt also den gleichen (Abs. 1) oder ähnlichen (Abs. 2 Satz 2) Voraussetzungen. Eine Parallele hierzu enthält der in Umsetzung der Kapitalrichtlinie (siehe Rn. 16) kurz zuvor eingefügte § 71e AktG. Nimmt die Gesellschaft ihre eigenen Anteile in Pfand, werden die Erwerbsvoraussetzungen umgangen, weil der Gesellschaft als Sicherheit nur eine Beteiligung an sich selbst zur Verfügung steht.189) Der Wert dieser Sicherheit wird umso geringer sein, je dringender die Gesellschaft darauf angewiesen ist, die Sicherheit zu verwerten. Das Inpfandnahmeverbot wirkt also im Vorfeld eines Erwerbs,190) der ohnehin an § 33 zu messen wäre.191) Für die Inpfandnahme gibt es kein Umwandlungsprivileg (Abs. 3),192) weil _____________ 185) So vor der Gesetzesänderung von 2007 Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 33 Rn. 73; Ulmer/Habersack/Winter-Hohner/Paura, GmbHG, 1. Aufl. 2006, § 33 Rn. 69, 71; nach der Reform Lieder, GmbHR 2014, 232, 235 f; krit. dazu Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 109 ff. 186) Gesetz zur Durchführung der Zweiten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts v. 13.12.1978, BGBl. I, 1959, 1960 f; anders noch § 71 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 AktG 1965, vgl. Kropff, Aktiengesetz, S. 91. 187) So auch Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 73, 75. 188) Vgl. den RegE eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Umwandlungsgesetzes, BTDrucks. 16/2919, S. 13, 16, 19. Für Erstreckung der Privilegierung auf § 207 UmwG auch Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 75. 189) Auch zum Folgenden RegE eines Gesetzes zur Änderungen des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 8/1347, S. 41 f. 190) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 13; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 29. 191) Krit. zur Erweiterung zumindest des § 33 Abs. 1 daher Ulmer/Habersack/Löbbe-/Paura, GmbHG, § 33 Rn. 14, zu Abs. 2 a. a. O., Rn. 44 a. E. 192) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 38; ScholzH. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 45; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 67; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 97.

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§ 33

Erwerb eigener Geschäftsanteile

dieses keine Verbindlichkeit der austrittswilligen Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft absichern helfen soll, sondern die Gesellschafter ihrerseits eine Barabfindung beanspruchen, deren Zahlung ohne das Privileg in Absatz 3 an den Absätzen 1 oder 2 scheitern könnte (siehe Rn. 49 ff). 1.

Rechtsgeschäftliche und gesetzliche Pfandrechte – sonstige Rechte

Sachenrechtlich begründet die Inpfandnahme des Geschäftsanteils ein Pfandrecht an einem Recht (§§ 1273 ff BGB). „Als Pfand nehmen“ meint zwar den rechtsgeschäftlichen Erwerb (§ 1274 Abs. 1 BGB i. V. m. § 15 Abs. 3). Unzulässig in den Grenzen des § 33 ist jedoch gleichermaßen der Erwerb einer Forderung, welche mit einem Pfandrecht an einem Geschäftsanteil gesichert ist (§§ 398, 401 Abs. 1, 1250 Abs. 1 BGB), da sich hier die gleiche Umgehungsgefahr verwirklicht, dass „gutes Geld“ für eine nicht marktgängige Sicherheit eingetauscht wird.193)

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Zulässig ist hingegen die Zwangsvollstreckung in den Geschäftsanteil.194) Hier versucht die Gesellschaft eine ausstehende Forderung zu realisieren, also einen Vermögensverlust zu verhindern. Mit der Gegenansicht eine Umgehung gerade darin zu sehen, dass sich der Gesellschafter gemäß § 795 Abs. 1 Nr. 5 ZPO der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat, überzeugt nicht, weil man umgekehrt dem Geschäftsführer vorwerfen könnte, auf sofortige Vollstreckbarkeit verzichtet zu haben. Handelt es sich freilich um die Einlageforderung, ist vorrangig das Kaduzierungsverfahren (§§ 21 ff) zu beschreiten,195) in welchem die Gesellschaft ebenso wenig wie bei einer sonstigen Zwangsversteigerung mitbieten darf (siehe Rn. 109).

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Andere Rechte als Pfandrechte an dem Anteil darf die Gesellschaft grundsätzlich erwerben.196) Die Einräumung eines Nießbrauchs oder die Abtretung eines Gewinnanteilsanspruchs führt weder zur Konfusion (Abs. 1), noch belastet sie das gebundene Vermögen,197) sofern die Gesellschaft hierfür nicht entgegen § 30 (siehe § 30 Rn. 34 ff [Thiessen]) eine Leistung ohne vollwertige Gegenleistung erbringt. Gleiches gilt für ein Ankaufs-, Wiederkaufs- oder Vorkaufsrecht, das aber dann, wenn es ausgeübt wird, an § 33 Abs. 1 und 2 zu messen ist.198) Sofern das Recht übertragbar ist (vgl. § 473 BGB), kann die Gesellschaft hierdurch die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises beeinflussen.199)

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_____________ 193) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 9; ScholzH. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 8; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 15 f; ebenso für Umgehungsgeschäft, sonst a. A. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 5. 194) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 5; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 21; insoweit a. A. Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 10; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 8; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 17; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 56. 195) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 5. 196) Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 57. 197) Michalski-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 11; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 22; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 20; Ulmer/Habersack/LöbbePaura, GmbHG, § 33 Rn. 19. 198) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 13. 199) Vgl. Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 20.

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§ 33 2. 65

Erwerb eigener Geschäftsanteile

Absatz 1

Einen nicht volleingezahlten Geschäftsanteil kann sich die Gesellschaft gemäß Absatz 1 nicht verpfänden lassen. Der Pfanderwerb ist schuldrechtlich und dinglich nichtig, wie es der Erwerb des Geschäftsanteils selbst wäre (siehe Rn. 21). Daran ändert es nichts, dass die Verwertung zum Erwerb durch einen Dritten führt, die Einlagepflicht anders als sonst bei Absatz 1 also weder bei Inpfandnahme noch bei Verwertung durch Konfusion erlischt.200) Solange der Anteil nicht eingezahlt ist, bleibt die Kapitalbasis der Gesellschaft unvollständig; umso weniger ist die der Inpfandnahme zugrunde liegende Forderung abgesichert (siehe Rn. 61). 3.

Absatz 2 Satz 2

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Ist der Geschäftsanteil vollständig eingezahlt, gilt die abgestufte Grenze des Absatzes 2 Satz 2. Solange der Anteil nicht verwertet ist, steht auch hier nicht fest, ob er ein Äquivalent für die gesicherte Forderung darstellt. Eine solche Ungewissheit hält der Gesetzgeber nur für akzeptabel, soweit die als Pfand genommenen Geschäftsanteile Forderungen bis zur Höhe des freien Vermögens (siehe § 30 Rn. 14 [Thiessen]) absichern. Ist der Wert der Anteile geringer als der Betrag der gesicherten Forderungen, darf der Anteilswert das freie Vermögen nicht übersteigen; maßgeblich ist also der Wert der Sicherheit.

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Daraus folgt das paradoxe Ergebnis, dass die Gesellschaft für die Inpfandnahme umso weniger freies Vermögen aufweisen muss, je weniger die ausstehenden Forderungen durch den verpfändeten Anteil gesichert sind.201) Dies ist jedoch deshalb hinzunehmen, weil die Restforderung bei unzureichender Verwertung des Anteils bestehen bleibt.202) Die Gesellschaft muss demnach in der Lage sein, die gesicherten Forderungen oder zumindest die Sicherheit vollständig abzuschreiben, ohne in eine Unterbilanz zu geraten.203) Um Bewertungsschwierigkeiten zu vermeiden, sollte die Gesellschaft stets auf den Betrag der gesicherten Forderungen abstellen.204)

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Übersteigt die Verpfändung eines Anteils das freie Vermögen oder sind mehrere Geschäftsanteile verpfändet, kann die Verpfändung (zum Erwerb siehe Rn. 39) entgegen der Regel des § 139 BGB teilweise wirksam sein, soweit das freie Vermögen reicht.205) Schuldner und Verpfänder müssen nicht identisch sein, da das Gesellschaftsvermögen durch die Inpfandnahme auch gefährdet ist, wenn sich die Gesellschaftsforderung gegen einen Dritten richtet.206) _____________ 200) Vgl. Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 8. 201) Hierzu Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 28. 202) Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 25; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 55; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 88. 203) Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 17. 204) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 29. 205) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, § 33 Rn. 31; zust. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 36; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 25; für Umdeutung (§ 140 BGB) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 56. 206) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 13; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 32; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 25; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 89.

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§ 33

Erwerb eigener Geschäftsanteile

Maßstab für die Zulässigkeit der Inpfandnahme ist nur das Stammkapital, während es für den Erwerb auch auf die statutarischen Rücklagen ankommt (siehe Rn. 28). Wie bei Absatz 2 Satz 1 n. F. (siehe Rn. 29) ist der Vergleich mit dem freien Vermögen nur eine Momentaufnahme, bezogen auf den Zeitpunkt der Inpfandnahme.207) Verschlechtert sich die Vermögenslage der Gesellschaft, wird die Inpfandnahme deshalb nicht unzulässig. Allerdings hat der Gesetzgeber dies seit jeher hingenommen; eine Gewinnrücklage für in Pfand genommene Anteile war auch nach § 272 Abs. 4 HGB a. F. nicht zu bilden. Ob die Gesellschaft eine fiktive Rücklage gemäß Absatz 2 Satz 1 bilden könnte, ist erst und nur dann zu prüfen, wenn die Gesellschaft den Anteil bei Pfandreife selbst erwerben will.208) 4.

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Rechtsfolgen

Die Rechtsfolgen der unzulässigen Inpfandnahme entsprechen denjenigen des Erwerbs.209) War der Anteil unvollständig eingezahlt, sind Sicherungsabrede und Pfanderwerb (Abs. 1) nichtig (siehe Rn. 21). War der Anteil vollständig eingezahlt, aber sein Wert oder der Wert der gesicherten Forderungen höher als das freie Vermögen, bleibt der Pfanderwerb gemäß Absatz 2 Satz 3 wirksam; jedoch ist die Sicherungsabrede nichtig (siehe Rn. 40).

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Die Rückabwicklung erfolgt nach Bereicherungsrecht (siehe Rn. 21 f, 43 ff). Ein konkurrierender Anspruch aus §§ 30, 31 kommt in Betracht, wenn die Gesellschaft eine Leistung erbringt, der keine – auch nicht durch Absicherung mit dem Geschäftsanteil – werthaltige Forderung gegenübersteht und hierdurch eine Unterbilanz herbeigeführt oder vertieft wird (siehe § 30 Rn. 34 ff, 63 [Thiessen]).

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VI. Rechte der Gesellschafterversammlung Ob dem Eigenanteilserwerb weitere Grenzen zu ziehen sind, richtet sich nach allgemeinem GmbH-Recht. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob der Anteilserwerb Geschäftsführungsmaßnahme ist210) oder eines Gesellschafterbeschlusses mit einfacher oder qualifizierter Mehrheit bedarf.211) Irrelevant ist dies – abgesehen vom Sonderfall der „Keinmann-GmbH“ (siehe Rn. 105 ff) – bei einer Einpersonengesellschaft, da hier Willensidentität von Gesellschaft und Gesellschafter besteht.212) Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof die Frage offengelassen.213) Die insoweit diskutierten Fragen ergeben sich unabhängig vom Kapitalschutzzweck des § 33, _____________ 207) RegE eines Gesetzes zur Änderungen des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 8/1347, S. 42. 208) Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 90. 209) Auch zum Folgenden Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 29; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 39, 65. 210) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 15, 28. 211) Angesichts der vielgestaltigen Innenverhältnisse gegen eine schematische Lösung ScholzH. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 27. 212) BGH, ZIP 2003, 2116 = GmbHR 2003, 1426 = NJW 2004, 365, dazu EWiR 2003, 1245 (Ziemons); krit. mit Blick auf die Kompetenzüberschreitung des nicht geschäftsführenden Alleingesellschafters Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 54. 213) BGH, ZIP 2003, 2116 = GmbHR 2003, 1426 = NJW 2004, 365, dazu EWiR 2003, 1245 (Ziemons); BGH, ZIP 2014, 615, 616 f Rn. 13 = GmbHR 2014, 421 = NZG 2014, 389, dazu EWiR 2014, 547 (Backhaus).

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§ 33

Erwerb eigener Geschäftsanteile

sind vielmehr nur mittelbare Folge davon, dass der Gesetzgeber in den Absätzen 2 und 3 einen Kompromiss zwischen dem Kapitalschutz und der Handlungsfreiheit von Gesellschaft und Gesellschaftern geschaffen hat (siehe Rn. 1). 73

Die Anteilsinhaber können unter den Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 die Kapitalbasis der Gesellschaft schmälern, indem sie ihre Geschäftsanteile der Gesellschaft übertragen. Da sich dies auf Mehrheitsverhältnisse und Gewinnverteilung auswirkt, spricht vieles dafür, dass der grundsätzlich weisungsabhängige Geschäftsführer (§§ 37 Abs. 1, 45 Abs. 1) in diesen Fällen auch Weisung einholen muss. Zwar muss jeder Gesellschafter selbst von seinem Auskunfts- und Einsichtsrecht (§ 51a) Gebrauch machen, was ohne Anlass aber nicht geschehen wird. Daher ist den Gesellschaftern durch vorherige Information Gelegenheit zu geben, von ihrem Einberufungsrecht gemäß § 50 Abs. 1 Gebrauch zu machen und über den Erwerb zu beschließen.214) Das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit (§ 53 Abs. 2) rechtfertigt sich durch die Nähe zur Kapitalherabsetzung.215) Sind die Anteile vinkuliert (§ 15 Abs. 5), ist ohnehin die Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich.216) Der Gesellschafter, über dessen Anteil beschlossen werden soll, hat als Betroffener in eigener Sache kraft Gesetzes kein Stimmrecht (§ 47 Abs. 4 Satz 2).217) Als Insider wird er zumeist auch erkennen, ob der Geschäftsführer seine Vertretungsmacht missbraucht hat und der Erwerb deshalb ungültig ist.218) Der gesellschaftsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz kann den Gesellschaftern ein Andienungsrecht geben, weshalb der Erwerb eigener Anteile diskriminierungsfrei zu erfolgen hat.219) VII. Keine Rechte und Pflichten der Gesellschaft aus wirksamem Erwerb

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Anders als § 71b AktG regelt das GmbH-Gesetz nicht, welche Folgen der gemäß § 33 wirksame Erwerb eigener Anteile hat.220) Die lapidare Regelung des Aktienrechts – aus eigenen Aktien stehen der Gesellschaft keine Rechte zu – lässt sich jedoch weitgehend auf die eigenen Geschäftsanteile einer GmbH übertragen, soweit das Gesetz nicht wie in § 57l positive Rechte der GmbH begründet.221) Eine dem § 71b AktG (zuvor § 71 Abs. 6 Satz 1 AktG 1965) entsprechende Regelung sah _____________ 214) Mit unterschiedlichen Akzenten Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 34; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 24; Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 27; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 33; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 27, 37. 215) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 45; zweifelnd Michalski/Heidinger/ Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 24; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 27; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 34. 216) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 35. 217) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 24; a. A. Ulmer/ Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 48. 218) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 27. 219) Einzelheiten bei Habersack, ZIP 2004, 1121, 1127; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 47 f; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 130 ff. 220) Zu möglichen dogmatischen Konstruktionen Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtSosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 54; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 76. 221) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 39.

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Erwerb eigener Geschäftsanteile

auch der RegE von 1977 vor,222) die jedoch vom Rechtsausschuss für die Novelle 1980 nicht übernommen wurde, da ohnedies anerkannt war, dass der Gesellschaft aus eigenen Anteilen keine Rechte zustehen.223) 1.

Kein Stimmrecht – kein Gewinnbezugsrecht

Der Bundesgerichtshof hat diese Rechtslage bestätigt.224) Die Mitgliedschaftsrechte der GmbH aus eigenen Anteilen ruhen. In der Gesellschafterversammlung hat sie kein Stimmrecht. Dies betrifft insbesondere Beschlüsse über Gewinnfeststellung und -verwendung (§ 29). Dementsprechend hat die Gesellschaft kein Recht, auszuschüttende Gewinne zu beziehen, da sich dieser Anspruch gegen sie selbst richten würde und die Gesellschaft nicht ihr eigener Schuldner sein kann.225)

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Gewinnanteile, die rechnerisch auf die eigenen Geschäftsanteile der GmbH entfallen, müssen daher nicht in die Rücklagen eingestellt werden; der gesamte Jahresgewinn kann sogleich und nicht erst mit dem Überschuss des folgenden Jahres unter den Gesellschaftern verteilt werden. Da die Gesellschaft Gewinnanteile nicht beziehen kann, hat der Rechtsvorgänger der Gesellschaft auch kein Recht, an den Früchten des Anteils gemäß § 101 Nr. 2 Halbs. 2 BGB beteiligt zu werden. Anders ist dies nur, soweit an dem Gewinnbezugsrecht für den betreffenden Anteil vorher ein Nießbrauch bestellt, ein Pfandrecht entstanden oder das Gewinnbezugsrecht226) selbst (rück-)abgetreten war. Während die Gesellschafterin den Anteil hält, kann sie derartige Rechte nicht begründen bzw. abtreten, da sie ihre eigenen ruhenden Rechte nicht in der Person eines anderen aufleben lassen kann, ohne den Geschäftsanteil abzutreten.

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Wie mit regulären Gewinnanteilen (siehe Rn. 76) ist mit Vorzugsanteilen (§ 29 Abs. 3 Satz 2), zurückzuzahlenden Nachschüssen (§ 30 Abs. 2) und Liquidationserlösen (§ 72) zu verfahren.227) Wiederum kann die Gesellschaft sich diese Beträge nicht selbst schulden. Der entsprechende Anspruch entsteht nicht oder geht nach einer „logischen Sekunde“ durch Konfusion unter. Der darauf entfallende Betrag steht zur Verteilung an die anderen Gesellschafter zur Verfügung. Der Verteilungsmaßstab richtet sich nach dem Gesellschaftsvertrag (§§ 29 Abs. 3 Satz 2, 72 Satz 2) und ist je nach Beschlusslage – Festbetrag oder Prozentsatz – absolut oder relativ auf die verbleibenden Gesellschafter zu übertragen.

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_____________ 222) RegE eines Gesetzes zur Änderungen des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 8/1347, S. 11, 43. 223) Beschlussempfehlung und Bericht des RA z. RegE eines Gesetzes zur Änderungen des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 8/3908, S. 19, 74. 224) Auch zum Folgenden BGH, ZIP 1995, 374, 375 f = GmbHR 1995, 291 = NJW 1995, 1027, dazu EWiR 1995, 369 (W. Müller); BGH, ZIP 1998, 384 = BB 1998, 1327 = NJW 1998, 1314. 225) Eingehend zu den Konfusionswirkungen Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 120 ff. 226) Insoweit a. A. Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 46. 227) Eingehend zum Folgenden Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 57 ff; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 34; Ulmer/Habersack/LöbbePaura, GmbHG, § 33 Rn. 79 ff.

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§ 33 78

Erwerb eigener Geschäftsanteile

Gegen die Rückzahlung von Nachschüssen spricht nicht, dass die verbliebenen Gesellschafter mehr bekommen, als sie eingezahlt haben.228) Der ausgeschiedene Gesellschafter ist entweder durch die Auseinandersetzung oder den Kaufpreis abgefunden – jeweils wenigstens mittelbar zulasten der anderen Gesellschafter. Ein potentieller Erwerber hat keine Nachschüsse eingezahlt. Liegen die Beschlussvoraussetzungen nach § 30 Abs. 2 vor, handelt es sich um Vermögen, das die Gesellschaft aktuell nicht benötigt und ausschütten, d. h. unter den verbliebenen Gesellschaftern verteilen kann. Daher ist es nicht nötig, einen bilanziellen Sonderposten für bei Weiterveräußerung rückzahlbare Nachschüsse auf Geschäftsanteile der Gesellschafter zu bilden.229) 2.

Kein Bezugsrecht bei effektiver Kapitalerhöhung

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Im Umkehrschluss aus § 57l ergibt sich, dass die Gesellschaft bei einer effektiven Kapitalerhöhung kein Bezugsrecht hat.230) Die Norm soll bei der nominellen Kapitalerhöhung gewährleisten, dass die Beteiligungsverhältnisse konstant bleiben, und ausgleichen, dass die Gesellschaft mangels Stimmrecht den Beschluss gemäß § 57h nicht mitfassen kann.231) Bei der effektiven Kapitalerhöhung könnte die Gesellschaft sich selbst gegenüber keine Verpflichtung zur Kapitalaufbringung übernehmen,232) die deshalb ohnehin nur aus Gesellschaftsmitteln erfüllt werden könnte, also gerade kein neues Kapital zuführt, obwohl der Kapitalerhöhungsbeschluss dies der Öffentlichkeit suggeriert.233) Bei der „echten“ nominellen Kapitalerhöhung ist eine solche Verpflichtung aufgrund der Umwandlung von Rücklagen in Einlagen entbehrlich (§ 57c). Im Übrigen ähnelt die Sperre für die Umwandlung von Rücklagen (§ 57d Abs. 2 und 3) der Begrenzung des § 33 Abs. 2, die einen Erwerb eigener Anteile im Wesentlichen (siehe Rn. 27 f) nur zulasten der freien Rücklagen zulässt.234)

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Da somit zwei transparente Wege zur Verfügung stehen, ist eine Teilnahme der Gesellschaft an einer „ineffektiven“ Kapitalerhöhung abzulehnen. Sollen bei der effektiven Kapitalerhöhung neue Anleger gewonnen werden, kann dies gemäß § 55 Abs. 2 zugelassen werden. Auch insoweit besteht also kein Bedürfnis, dass die Gesellschaft neue Anteile bzw. das Bezugsrecht darauf „bevorratet“, um diese(s) später an Dritte abzutreten.235) Um mehr Flexibilität bei der regulären Kapitalaus_____________ 228) A. A. Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 58; ScholzH. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 35. 229) So aber Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 58. 230) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 39; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 7; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 107 ff; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 126. 231) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 57l Rn. 1. 232) Vgl. BGHZ 15, 391, 392 f = NJW 1955, 222, allerdings vor § 57l gegen Bezug aus nomineller Kapitalerhöhung; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 55 Rn. 30. 233) Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 7; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtSosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 63. 234) Zur Differenzierung nach Kapital- und Gewinnrücklagen, Gewinnvortrag und Jahresüberschuss Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 57d Rn. 6. 235) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 63; Rowedder/SchmidtLeithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 48; insoweit a. A. Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 35.

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Erwerb eigener Geschäftsanteile

stattung zu erlangen (d. h. abseits der unpopulären Nachschüsse und der verbreiteten Gesellschafterdarlehen), steht seit dem MoMiG auch der GmbH das genehmigte Kapital (§ 55a) zur Verfügung. 3.

Keine Verwaltungsrechte

Verwaltungsrechte stehen der Gesellschaft gleichfalls nicht zu,236) wobei dies nichts mit der schuldrechtlichen Konfusion zu tun hat.237) Für Einberufungs- und Informationsrechte der Gesellschaft (§§ 50, 51a) besteht kein Bedürfnis. Da die Gesellschaft durch die Geschäftsführer vertreten wird (§ 5), ist „die Gesellschaft“ jederzeit informiert und hat Zugang zu allen Unterlagen. Soweit die Geschäftsführer es nach pflichtgemäßem Ermessen im Interesse der Gesellschaft für erforderlich halten, müssen sie ohnehin eine Versammlung der (übrigen) Gesellschafter einberufen (§ 49 Abs. 2).

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In allen Angelegenheiten, die den Gesellschaftern obliegen (insbesondere § 46 Nr. 5 und § 52 Abs. 1 i. V. m. § 101 Abs. 1 Satz 1 AktG), würde ein Mitwirkungsrecht „der Gesellschaft“ die Kompetenzverteilung zugunsten der Geschäftsführer verschieben. Darf die Gesellschaft an Gesellschafterbeschlüssen nicht mitwirken, steht ihr folgerichtig auch kein Anfechtungsrecht zu.

82

4.

Keine Pflichten

Ebenso wenig wie Rechte erwachsen der Gesellschaft Pflichten aus dem Anteil, da sie sich selbst nichts schulden kann.238) Da sie Geschäftsanteile mit ausstehenden Einlagen gemäß § 33 Abs. 1 nicht wirksam erwerben kann, kommt § 16 Abs. 2 nicht zur Anwendung. Der veräußerungswillige Gesellschafter bleibt automatisch alleiniger Schuldner, sofern nicht dessen Rechtsvorgänger oder ein Treuhänder der Gesellschaft (siehe Rn. 89 f) mithaftet. Bei unzulässigem Erwerb eines volleingezahlten Anteils aus gebundenem Vermögen entgegen § 33 Abs. 2 (siehe Rn. 26 ff) besteht wiederum die Einlageforderung nicht, für welche die Gesellschaft gemäß § 16 Abs. 2 mithaften könnte. Hier wie dort kann ein Gesamtschuldverhältnis zur Gesellschaft nicht entstehen, sodass es auf eine Differenzierung zwischen Veräußerer und Gesellschaft gemäß § 425 Abs. 2 BGB nicht ankommt. Erwirbt die Gesellschaft gemäß § 33 Abs. 3 ausnahmsweise wirksam einen nicht vollständig eingezahlten Anteil, erlischt die Einlagepflicht des Gesellschafters (siehe Rn. 56 f). Offene Nebenleistungs- und Nachschusspflichten (siehe Rn. 5), die einem zulässigen Erwerb gemäß § 33 Abs. 2 bei geleisteter Einlage (siehe Rn. 25) nicht entgegenstehen, gehen mit dem Erwerb durch Konfusion unter. Ist eine Nachschusspflicht im Gesellschaftsvertrag in Abhängigkeit vom Geschäftsanteil beschränkt (§§ 26 Abs. 3, 27 Abs. 4), kann der auf den Anteil der Gesellschaft entfallende Nachschussbetrag _____________ 236) Auch zum Folgenden Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 61; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 37; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 85 ff. 237) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 23. 238) Auch zum Folgenden (teilweise a. A.) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 60; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 49; ScholzH. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 36, 40; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 84; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 127 f.

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Erwerb eigener Geschäftsanteile

nicht ohne Satzungsänderung auf die anderen Gesellschafter verteilt werden, da sie sonst mehr leisten müssten als zugesagt. VIII. Weiterveräußerung erworbener Anteile 84

Veräußert die Gesellschaft zulässig erworbene eigene Anteile (zum gutgläubigen Erwerb siehe Rn. 22), kehren sich vereinfacht gesagt alle mit dem Erwerb verbundenen Vorgänge und Rechtsfolgen um.239) Die Veräußerung erfolgt regulär nach § 15 Abs. 3 und 4; der neue Gesellschafter ist – wie zuvor die Gesellschaft – in die Gesellschafterliste einzutragen (§§ 16 Abs. 1, 40). Es genügt anders als nach altem Recht240) also nicht mehr, dass die Gesellschaft den Erwerber ohnehin kennt.241)

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Die bilanziellen Folgen sind in § 272 Abs. 1b HGB n. F. geregelt.242) Der vom Stammkapital in der Vorspalte abgesetzte Betrag (siehe Rn. 31) wird wieder der Hauptspalte zugeschrieben, weil die Veräußerung eigener Anteile sich wirtschaftlich wie eine Kapitalerhöhung auswirkt.243) Ist der Veräußerungserlös höher als der Nennbetrag, wird die Differenz bis maximal in dem Umfang mit den frei verfügbaren Rücklagen verrechnet, in welchem bei Veräußerung die umgekehrte Verrechnung erfolgt war (siehe Rn. 31). Ein verbleibender Mehrerlös wird wie ein Agio in die Kapitalrücklage eingestellt (§§ 266 Abs. 3 Buchst. A. Ziff. II., 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB).

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Die Rechte aus den eigenen Anteilen leben zugunsten des Erwerbers ex nunc wieder auf.244) Der Erwerber ist also berechtigt, auf der Gesellschafterversammlung mitzustimmen und Gewinnanteile sowie neue Anteile aus einer effektiven Kapitalerhöhung zu beziehen. Ist eine ausstehende Einlage bei einem gemäß Absatz 3 ausnahmsweise zulässigen Erwerb nicht volleingezahlter Geschäftsanteile erloschen (siehe Rn. 56 f), könnte fraglich sein, ob ein Dritterwerber nicht doch wieder wie im Fall des § 16 Abs. 2 für die rückständige Einlage haftet. Anders als bei den nur ruhenden Mitgliedschaftsrechten ist der Einlageanspruch durch Konfusion untergegangen und lebt deshalb auch nicht wieder auf.245) Ist der nicht eingezahlte Anteil entgegen § 33 Abs. 1 erworben worden, kommt es wegen Nichtigkeit ohnehin nicht zur Konfusion. Insbesondere soweit man eine Heilung durch Weiterver_____________ 239) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 89. 240) Für gleiche Beurteilung nach neuem Recht jedoch Michalski-Sosnitza, GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 33 Rn. 71; wie hier nun Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 70. 241) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 28. 242) Hierzu Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 7, 27, 47; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 144 ff. 243) Auch zum Folgenden RegE eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts – BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 66. 244) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 28; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 55; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 53; ScholzH. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 39; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 95; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 134 ff. 245) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 28; Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 32; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 54; ScholzH. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 40, 47; a. A. Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtSosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 42, 69.

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Erwerb eigener Geschäftsanteile

äußerung zulässt,246) „erbt“ der Erwerber gemäß § 16 Abs. 2 auch die ausstehende Einlagepflicht. Die Informations- und Mitwirkungsrechte der Gesellschafterversammlung können bei Veräußerung nicht weitergehen als bei dem Erwerb (siehe Rn. 73).247) Die Geschäftsführer haben daher die Gesellschafter zu informieren, damit diese über Weisungen beschließen können. Wegen der Nähe zur Kapitalerhöhung ist eine qualifizierte Mehrheit zu fordern.248) Aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist bei der Veräußerung freiwerdender Anteile den Gesellschaftern oder nach Beschluss anderen Personen (vgl. § 55 Abs. 2 Satz 1) wie im Fall der Kapitalerhöhung ein Bezugsrecht einzuräumen.249)

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IX. Besondere Erwerbskonstellationen § 33 spricht nur davon, dass die Gesellschaft eigene Anteile nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen erwerben oder in Pfand nehmen kann. Jeder Dritte kann selbstverständlich Geschäftsanteile erwerben, sofern diese nicht vinkuliert sind (§ 15 Abs. 5). Umgekehrt kann die Gesellschaft sich grundsätzlich an anderen Gesellschaften beteiligen. Ähnlich wie bei § 30 (siehe § 30 Rn. 95 ff [Thiessen]) sind jedoch bestimmte Konstellationen in den Tatbestand des § 33 einzubeziehen, die wirtschaftlich zum selben Ergebnis führen. 1.

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Erwerb für Rechnung der Gesellschaft

Ein Erwerb durch Dritte mit Wirkung für die Gesellschaft (§ 164 Abs. 1 BGB) ist nur offen möglich – sonst wird der Dritte Gesellschafter (§ 164 Abs. 2 BGB) – und nur unter den Voraussetzungen des § 33.250) Erwirbt ein Dritter die Anteile für Rechnung der Gesellschaft, belastet dies das Gesellschaftsvermögen ähnlich wie ein direkter Erwerb durch die Gesellschaft (vgl. §§ 71a Abs. 2 Alt. 1, 71d AktG). Freilich erlischt eine offene Einlagepflicht nicht durch Konfusion (siehe Rn. 4), jedoch eröffnet der kommissionsähnliche (vgl. § 406 HGB), zumeist treuhänderische Erwerb eine Umgehungsgefahr, soweit der Gesellschaft hieraus eine Erwerbs-

_____________ 246) Bei einem Verstoß gegen § 33 Abs. 2: BGH, ZIP 1996, 1984, 1986 = GmbHR 1997, 171 = NJW 1997, 196, dazu EWiR 1997, 79 (W. Müller); ähnlich Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 19; für Beschränkung auf § 33 Abs. 2 wohl Michalski/Heidinger/ Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 70. 247) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 65 m. w. N. zu verbreiteten Differenzierungen; zust. Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 89. 248) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 91; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 131; a. A. Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 28; Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 54; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 52. 249) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 34; Ulmer/Habersack/LöbbePaura, GmbHG, § 33 Rn. 92 ff; i. E. auch Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 38; diff. nach Beschlusslage und Erwerberkreis Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 52. 250) Vgl. Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 19; Ulmer/Habersack/LöbbePaura, GmbHG, § 33 Rn. 18; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 113 f.

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Erwerb eigener Geschäftsanteile

pflicht erwächst.251) Daher stehen die wechselseitigen Rechte der Gesellschaft und des Dritten (§§ 670, 667 BGB) unter dem Vorbehalt, dass ein direkter Erwerb durch die Gesellschaft nicht gemäß Absätzen 1 und 2 nichtig bzw. rechtsgrundlos wäre. Andernfalls ist das zugrunde liegende Auftrags- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis – nicht der Erwerb selbst – als Umgehungsgeschäft gemäß § 134 BGB nichtig. 90

Ist demnach der Anteil nicht vollständig eingezahlt, eine Verpflichtung der Gesellschaft zum Aufwendungsersatz aus § 670 BGB entsprechend § 33 Abs. 1 also ausgeschlossen, bleibt der Veräußerer nach § 16 Abs. 2 neben dem Dritterwerber Schuldner der Einlage, soweit diese rückständig ist.252) Im Außenverhältnis ist der Dritte Gesellschafter. Er muss den vollständig eingezahlten Anteil nur dann nach § 667 BGB abtreten, wenn der Direkterwerb gemäß § 33 Abs. 2 zulässig wäre. Nur dann dürfte die Gesellschaft die Abtretung annehmen. Eine Verschaffungs- und Erstattungspflicht wie im Fall des § 71d Satz 5 und 6 AktG besteht nicht, ebenso wenig ein Veräußerungs- und Einziehungsgebot (§§ 71c, 71d Satz 4 AktG). Wie von § 33 Abs. 6 Satz 2 RegE 1977 vorgesehen, stehen dem Dritten und der Gesellschaft aus den für ihre Rechnung wirksam erworbenen Anteilen keine Rechte zu, geradeso als habe sie die Anteile selbst erworben (siehe Rn. 74 ff). Dem Dritten auch bei Verstoß gegen § 33 Abs. 1 oder 2 keine Rechte aus dem Anteil zuzugestehen, ist hingegen so zweifelhaft wie im Aktienrecht (§ 71b i. V. m. § 71d Satz 4 AktG), wenn hierdurch der Gesellschafter nach außen alle Pflichten, aber nach innen keine Rechte aus der Beteiligung hat.253) Ist die Abrede zwischen Gesellschaft und Drittem nichtig, muss der Erwerb so behandelt werden, als habe es diese Abrede nicht gegeben. Der erwünschte Erfolg des Umgehungsgeschäfts – der Dritte wird zunächst vorgeschoben, die Gesellschaft zahlt – tritt rechtlich gerade nicht ein. Wenig relevant dürfte ein entsprechend Absatz 3 privilegierter Erwerb durch Dritte für Rechnung der Gesellschaft sein, weil die Gesellschaft den Anteil des ausgetretenen und abgefundenen Gesellschafters ohnehin erwerben und dann abtreten könnte. 2.

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Anteilserwerb bei verbundenen Unternehmen

Anders als §§ 56, 71a Abs. 2 Alt. 2, 71d Satz 2 AktG regelt das GmbH-Recht nicht den Erwerb von Geschäftsanteilen durch ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen. Wie bei den (fehlenden) Rechten der Gesellschaft aus eigenen Anteilen (siehe Rn. 74)254) waren für die GmbH-Novelle 1980 entsprechende Normen zumin_____________ 251) Auch zum Folgenden umfassend Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 38; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 40 ff; übereinstimmend Lutter/ Hommelhoff-Lutter, GmbHG, § 33 Rn. 25; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 6; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 12; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 18 f; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 113 ff; Lieder, GmbHR 2014, 57, 65. 252) Insoweit einschränkend Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 18 gegenüber Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 38. 253) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 42; a. A. etwa Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 38 und die h. M. im Aktienrecht, zum Meinungsstand Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71d Rn. 15. 254) Zu ruhenden Rechten bei Erwerb von Anteilen verbundener Unternehmen Ulmer/ Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 117 f.

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dest für den derivativen Erwerb vorgesehen,255) welche der Rechtsausschuss hier für unnötig hielt, weil die Lösung derartiger Ausnahmefälle der Rechtsprechung zu überlassen sei.256) Diese hat freilich nur selten Gelegenheit zur Entscheidung. In der Literatur ist jedoch anerkannt, dass die Grenzen des § 33 auch für Fälle der mittelbaren Selbstbeteiligung gelten.257) Im Hintergrund steht die Gefahr einer „irrealen“ Kapitalaufbringung, wenn mit dem nur einmal vorhandenen Kapital mehrere Gesellschaften betrieben werden, indem das Gesellschaftsvermögen stets nur aus einer Beteiligung an der jeweils anderen Gesellschaft besteht.258) Im Interesse des Kapitalschutzes und einer homogenen Anwendung der Konzerntatbestände259) wird die Beteiligungsschwelle verbreitet jedoch nicht erst bei der Abhängigkeit (§ 17 Abs. 1 AktG), nach der Konzernvermutung regelmäßig also bei einer Mehrheitsbeteiligung (§ 17 Abs. 2 i. V. m. § 16 Abs. 1 AktG),260) sondern bereits bei der für wechselseitige Beteiligungen (§ 19 Abs. 1 AktG) geltenden Schwelle von mindestens 25 % angesetzt.261) Eine analoge Anwendung des § 33 ist ohne feste Anteilsschwelle nicht rechtssicher zu handhaben.262) Unterhalb dieser Schwelle schadet auch die Konzernierung durch Unternehmensverträge (§§ 291 ff AktG) nicht.263) a) Erwerb durch herrschendes Unternehmen Erwirbt ein herrschendes Unternehmen Anteile an einem abhängigen Unternehmen, so ist dies bei einfacher Abhängigkeit (§ 17 AktG) abseits der wechselseitigen Mehrheitsbeteiligung (§ 19 Abs. 2 und 3 AktG) kein Problem des § 33.264) Hier können sich _____________ 255) RegE eines Gesetzes zur Änderungen des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 8/1347, S. 11, 43. 256) Beschlussempfehlung und Bericht des RA z. RegE eines Gesetzes zur Änderungen des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 8/3908, S. 18 f, 74. 257) Zur Vorbildwirkung auch der nicht kodifizierten Vorschläge des RegE 1977: ScholzH. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 1a. 258) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 40; Michalski/Heidinger/ Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 47; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 110. 259) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 21; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 13. 260) So RegE eines Gesetzes zur Änderungen des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 8/1347, S. 11, 43. 261) Emmerich/Habersack-Emmerich, Konzernrecht, § 19 Rn. 20 ff; Lutter/Hommelhoff-Lutter/ Hommelhoff, § 33 Rn. 40; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 67; diff. nach Erwerb und Ausübung der Mitgliedschaftsrechte analog § 328 AktG Ulmer/Habersack/ Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 113 f, 120 f; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 163; für Mehrheitsbeteiligung Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 41. 262) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 21; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 13; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 163. 263) Lieder, GmbHR 2014, 57, 64. 264) OLG Jena, Beschl. v. 30.8.2018 – 2 W 260/18, juris, Rn. 8; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 48; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 61; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 115; Löwisch in: MünchKommGmbHG, § 33 Rn. 158 ff; Lieder, GmbHR 2014, 57, 64 f; a. A. Emmerich, NZG 1998, 622, 625.

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lediglich kartellrechtliche Grenzen bestehen (vgl. § 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB; Art. 3 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 2 Buchst. b Fusionskontrollverordnung Nr. 139/2004). b) Kapitalerhöhung 93

Unzulässig ist gemäß oder entsprechend § 56 Abs. 2 AktG der originäre Erwerb von Anteilen einer AG bzw. GmbH, die zu mehr als 25 % an der erwerbenden GmbH beteiligt ist, im Wege der effektiven Kapitalerhöhung.265) Die GmbH darf also keine Einlageverpflichtung eingehen, um sich mittelbar an sich selbst zu beteiligen.266) Wie im Fall des § 56 Abs. 2 Satz 2 AktG bleibt die Übernahme der Anteile wirksam, lässt jedoch analog § 71b AktG die mitgliedschaftlichen Rechte ruhen. Für die Geschäftsführer ist der Verstoß analog § 56 Abs. 4 AktG haftungsbewehrt. Für die nominelle Kapitalerhöhung geht § 57l vor. c) Unvollständig eingezahlte Anteile

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Bei Überschreitung der 25 %-Schwelle ist der derivative Erwerb eines nicht volleingezahlten Anteils einer AG gemäß § 71d Satz 2 AktG267) bzw. einer GmbH entsprechend § 33 Abs. 1 unzulässig.268) Anders als bei direkter Anwendung des Absatzes 1 (siehe Rn. 4) geht hier zwar der Einlageanspruch der Gesellschaft nicht durch Konfusion verloren. Die GmbH würde jedoch einen wertgeminderten Anteil erwerben, dessen Einzahlung zulasten ihres eigenen Vermögens ginge, das zusätzlich dem Einfluss der anderen – herrschenden oder wechselseitig beteiligten – Gesellschaft ausgesetzt ist.

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Wegen dieser gegenüber Absatz 1 geringeren, aber gleichwohl bestehenden Gefahr für das GmbH-Vermögen ließ der Entwurf zur Novelle 1980 das dingliche Geschäft wirksam werden und erklärte nur das schuldrechtliche Geschäft für nichtig.269) Diese nur im Interesse der gerichtlichen Rechtsfortbildungsfreiheit270) nicht ausdrücklich angeordnete, keinesfalls verworfene Rechtsfolge entspricht derjenigen des Absatzes 2 Satz 3. Im Übrigen ist es jedoch nicht angezeigt, das per se-Verbot des Absatzes 1 durch die milderen Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 1 zu ersetzen, _____________ 265) Auch zum Folgenden Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 49, 51; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 66; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 119; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 161; für Mehrheitsbeteiligung auch insoweit Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 44. 266) Sinngemäß für die Einheits-GmbH & Co. KG: LG Berlin, ZIP 1986, 1564 = GmbHR 1987, 395 = DNotZ 1987, 374, dazu EWiR 1986, 1215 (Gustavus). 267) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 49; Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 41; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 62; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 115. 268) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, § 33 Rn. 43; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 65; Lieder, GmbHR 2014, 57, 64; insoweit a. A. Michalski/Heidinger/ Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 49; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 116; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 158 ff, 164. 269) RegE eines Gesetzes zur Änderungen des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 8/1347, S. 11, 43. 270) Beschlussempfehlung und Bericht des RA z. RegE eines Gesetzes zur Änderungen des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 8/3908, S. 18 f, 74.

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Erwerb eigener Geschäftsanteile

nach denen es genügen würde, dass auch die ausstehende Einlage durch freies Vermögen aufgewogen ist.271) Die Gefährdung des GmbH-Vermögens lässt sich zwar systemkonform dadurch mindern, dass der Veräußerer des nicht volleingezahlten Anteils gemäß § 16 Abs. 2 weiterhaftet.272) Freilich müsste die Einlage bereits rückständig sein, da § 16 Abs. 2 nicht eingreift, wenn die Einlage noch nicht eingefordert ist.273) Außerdem setzt sich die Gefährdung des GmbH-Vermögens fort, falls der Veräußerer kein Dritter, sondern die andere Gesellschaft ist. Eine etwaige Haftung der Geschäftsführer der Untergesellschaft für Schäden aus dem unwirksamen Erwerb bleibt unberührt.274) d) Vollständig eingezahlte Anteile Zulässig ist hingegen entsprechend Absatz 2 Satz 1 auch oberhalb der 25 %Schwelle der derivative Erwerb eines volleingezahlten Anteils, wenn dies aus freiem Vermögen erfolgen kann (siehe Rn. 27 ff).275) Der auch insoweit verworfene RegE zur Novelle 1980 setzte zusätzlich voraus, dass auch die herrschende Gesellschaft die (dann eigenen) Anteile erwerben dürfte.276) Diese doppelte, an § 71d Satz 1 AktG (§ 71 Abs. 4 AktG 1965) angelehnte Absicherung ist jedoch unnötig, weil mangels verweisender Norm im GmbH-Recht ohnehin auf die Voraussetzungen von § 33 Abs. 2 Satz 1 abzustellen ist.277)

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Auch nach dem BilMoG muss die erwerbende – abhängige oder in Mehrheitsbesitz stehende – Gesellschaft gemäß § 272 Abs. 4 HGB eine Gewinnrücklage (§ 266 Abs. 3 Buchst. A. Ziff. III. 2. HGB) i. H. d. Erwerbskosten oder eines geringeren Werts tatsächlich bilden, um damit den entsprechenden Aktivposten zu neutralisieren.278) Damit gilt bei Erwerb von Anteilen an der Obergesellschaft fort (vgl. § 272 Abs. 4 Satz 4 HGB a. F.), was bis zum BilMoG beim Erwerb von volleingezahlten Einlagen vorgeschrieben war (siehe Rn. 30). Für wechselseitige Beteiligungen (siehe Rn. 91) ist die hypothetische Rücklage (siehe Rn. 29) gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 maßgeblich.

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_____________ 271) So aber Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 51; Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 43; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 116; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 164. 272) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 41; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 116. 273) Reichert/Weller, GmbH-Geschäftsanteil, § 16 Rn. 82; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 14 zur GmbH & Co. KG. 274) Als Rechtsfolge favorisiert von Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 43. 275) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 51; Rowedder/SchmidtLeithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 65. 276) RegE eines Gesetzes zur Änderungen des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 8/1347, S. 11, 43. 277) Ähnlich Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 21. 278) Hierzu RegE eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts – BilMoG, BT-Drucks. 16/ 10067, S. 66.

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§ 33 3. 98

Erwerb eigener Geschäftsanteile

GmbH & Co. KG

Je enger GmbH und KG verflochten sind, umso mehr wirkt sich die Änderung des KG-Vermögens auf das GmbH-Vermögen aus und umgekehrt (siehe § 30 Rn. 46 f [Thiessen]). Aus diesem Grund entstehen wie bei verbundenen Unternehmen (siehe Rn. 91) Gefahren für den Kapitalschutz.279) Häufig ist die KG alleinige Gesellschafterin der GmbH (Einheitsgesellschaft).280) Auf dem Weg dorthin kann § 33 direkt oder analog anwendbar sein (siehe Rn. 101 ff). a) § 172 Abs. 6 HGB

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Speziell geregelt ist der Fall, dass Kommanditisten ihre Kommanditeinlage dadurch leisten wollen, dass sie ihre Anteile an der alleinigen Komplementär-GmbH in die KG einbringen wollen. Hier ordnet § 172 Abs. 6 HGB an, dass die Einlage des Kommanditisten als nicht geleistet gilt, da – wenn von allen Kommanditisten praktiziert – den Gläubigern tatsächlich nur ein- und dieselbe Haftungsmasse zur Verfügung stünde.281) Da nach § 171 Abs. 1 HGB die Haftung nur ausgeschlossen ist, soweit die Einlage geleistet ist, haftet der Kommanditist den Gesellschaftsgläubigern (in der Insolvenz vertreten durch den Verwalter, § 172 Abs. 2 HGB) bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar mit seinem Privatvermögen.

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Ungeachtet dieser nachteiligen Rechtsfolge ist der Erwerb wirksam.282) Auf den Erwerbszeitpunkt kommt es grundsätzlich nicht an (siehe Rn. 102).283) Erwirbt aber die KG von ihren Kommanditisten GmbH-Anteile, ohne dass diese auf die Kommanditeinlage angerechnet werden sollen, haften die Kommanditisten nicht wegen § 172 Abs. 6 HGB, sondern gemäß § 16 Abs. 2, soweit die Einlage bei Erwerb rückständig war, und gemäß § 22, wenn die KG die eingeforderte Einlage nicht leisten kann.284) Die Anwendung des § 33 Abs. 1 ist hiervon aber unabhängig (siehe Rn. 7).285) Nach den allgemeinen Grundsätzen des § 30 haften zudem (auch) die (Nur-)Kommanditisten für die Kapitalbasis beider Gesellschaften (siehe § 30 Rn. 101 [Thiessen]).286) b) Absatz 1

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Erwirbt die KG von Außenstehenden Anteile an ihrer Komplementärin, wird die Komplementärin Gläubigerin der KG bezüglich einer ausstehenden Einlageforde_____________ 279) Zum Folgenden eingehend mit allen Nachweisen Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtSosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 44 ff; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 56 ff; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 14; Löwisch in: MünchKommGmbHG, § 33 Rn. 165 ff. 280) Hierzu Grunewald in: MünchKomm-HGB, § 161 Rn. 95 ff. 281) RegE eines Gesetzes zur Änderungen des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 8/1347, S. 58. 282) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 57. 283) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 46; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 122. 284) Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 14. 285) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 123; insoweit a. A. ScholzH. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 14. 286) Vgl. Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 14.

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rung.287) Da sie gleichzeitig für die Verbindlichkeiten der KG haftet (§§ 128, 161 Abs. 2 HGB), erhöht sich in dem Maße, wie das KG-Vermögen schwindet, die Gefahr für die Komplementärin, sich selbst „in Anspruch nehmen“ zu müssen.288) Nach Absatz 1 kann die GmbH aber nicht Gläubigerin ihrer eigenen Einlageforderung werden. Der Erwerb der GmbH-Anteile durch die KG ist daher gemäß Absatz 1 schuldrechtlich und dinglich nichtig.289) Dass die KG ihrer Komplementärin die Einlage weiter schuldet, nützt der GmbH nichts, wenn die KG nicht zahlen kann. Hier hilft ggf. wiederum nur die Haftung gemäß §§ 16 Abs. 2, 22.290) Dass sich die KG an einer GmbH beteiligt, die erst daraufhin ohne Zutun der KG deren Komplementärin wird, ist unwahrscheinlich, da eine GmbH & Co. KG in der Regel planmäßig entsteht.291) Eine Umgehung des Absatzes 1292) liegt etwa nahe, wenn die KG eine Vorratsgesellschaft oder einen „getragenen Mantel“ erwirbt,293) um zur GmbH & Co. KG zu werden, indem sie in der Gesellschafterversammlung der GmbH deren Eintritt als Komplementärin beschließt, während der bisherige Komplementär austritt oder zum Kommanditisten wird.294)

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c) Absatz 2 Erwirbt die KG volleingezahlte Anteile der Komplementär-GmbH, kann darin ein Verstoß gegen den zumindest analog anwendbaren § 33 Abs. 2 liegen.295) Je weniger Vermögen die KG hat, umso weniger kann die gemäß § 128 HGB beanspruchte GmbH ihren Freistellungsanspruch gegenüber der KG realisieren (§§ 110, 161 Abs. 2

_____________ 287) Zu den folgenden Konstellationen grundlegend Hunscha, Die GmbH & Co. KG als Alleingesellschafterin ihrer Komplementärin, S. 102 f. 288) Vgl. BGHZ 110, 342, 355 ff = ZIP 1990, 578 = NJW 1990, 1725, dazu EWiR 1990, 479 (Bergmann). 289) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 58; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 14; insoweit a. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 123; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 166. 290) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 47. 291) Vgl. etwa BayObLG, ZIP 2005, 164 = GmbHR 2005, 364 = DB 2005, 43; Grunewald in: MünchKomm-HGB, § 161 Rn. 56 ff; Staub-Casper, HGB, § 161 Rn. 100 ff. 292) Für Analogie Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 14; zur streitigen dogmatischen Herleitung des Umgehungsverbots Armbrüster in: MünchKomm-BGB, § 134 Rn. 11 ff. 293) Zu den Anforderungen an eine „wirtschaftliche Neugründung“ BGHZ 153, 158 = ZIP 2003, 251 = NJW 2003, 892, dazu Nolting, Registerrechtliche Gründungsprüfung beim Erwerb von Mantel- und Vorratsgesellschaften ZIP 2003, 651 und EWiR 2003, 327 (Keil); BGHZ 155, 318 = ZIP 2003, 1698 = NJW 2003, 3198, dazu Kesseler, Anwendung der Gründungsvorschriften der GmbH bei der Verwendung eines alten GmbH-Mantels, ZIP 2003, 1790 und EWiR 2003, 967 (Keil); zur Handelnden- und Geschäftsführerhaftung analog §§ 11 Abs. 2, 9a Abs. 1 BGH, ZIP 2011, 1761 = NZI 2011, 776 = DNotZ 2012, 151, dazu EWiR 2011, 639 (Nolting); zum Verhältnis von Unterbilanzhaftung und wirtschaftlicher Neugründung BGH, ZIP 2012, 817, 818 ff = GmbHR 2012, 630 = DB 2012, 1024, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer). 294) Zum Prozedere von Eintritt und Austritt K. Schmidt in: MünchKomm-HGB, § 105 Rn. 206 ff. 295) Für Analogie zu § 33 Abs. 2: Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 48; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 124; diff. Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 167; diff. Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 23.

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HGB).296) Werden hierdurch Abschreibungen bei der GmbH nötig, kann der Erwerb von GmbH-Anteilen durch die KG sich somit zulasten des gebundenen GmbHVermögens auswirken.297) Eine über § 30 hinausgehende Bedeutung hat dies dadurch, dass nicht allein der Erwerbspreis den GmbH-Gesellschaftern zulasten beider Gesellschaftern zufließt, sondern regelmäßig die In-Sich-Beteiligung zulasten des gebundenen GmbH-Vermögens verstärkt wird, wobei der Ausschüttungssperre gemäß oder analog Absatz 2 Satz 1 die statutarisch gebundenen Rücklagen hinzuzurechnen sind. Anders als in den von Absatz 2 erfassten Fällen verbundener Unternehmen (siehe Rn. 96 f) ist die GmbH hier zwar nicht Erwerberin, sondern „Erworbene“,298) haftet aber – wiederum anders als die Untergesellschaft im Konzern – kraft Gesetzes für die Verbindlichkeiten der KG. d) Kapitalerhöhung 104

Formal auf der Geschäftsführungskompetenz der Komplementär-GmbH beruht das Verbot, dass eine KG als alleinige Gesellschafterin einer GmbH, welche ihrerseits einzige persönlich haftende Gesellschafterin der KG ist (Einheitsgesellschaft), analog § 56 Abs. 2 AktG keine Geschäftsanteile aus einer Kapitalerhöhung übernehmen kann.299) Da die GmbH als einzige persönlich haftende Gesellschafterin auf die Geschicke der KG erheblichen Einfluss habe, sei sie als eine die KG beherrschende Gesellschaft zu bezeichnen, während jene ein abhängiges Unternehmen i. S. v. § 17 AktG sei. Diese Analogie sei umso mehr geboten, als die GmbHNovelle von 1980 das Verbot, eigene Anteile unmittelbar oder mittelbar zu erwerben, auch für die GmbH weiter verschärft habe. Im Hintergrund steht hier die gleiche Sorge, die den Erlass von § 172 Abs. 6 HGB motiviert hat, dass nämlich – insbesondere bei der Einheitsgesellschaft300) – nur eine Haftungsmasse den Gläubigern zur Verfügung steht (siehe Rn. 99). 4.

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Keinmann-GmbH

Eine „Keinmann-GmbH“ entsteht (theoretisch), wenn die Gesellschaft auch den letzten Geschäftsanteil selbst erwirbt.301) Dieser letzte Erwerb muss freilich vom Willen des letzten Gesellschafters getragen sein, der entweder mit dem Geschäftsführer, häufig also mit sich selbst (§ 181 BGB i. V. m. § 35 Abs. 3 Satz 1, siehe § 35 Rn. 39 f [Jacoby]), den Erwerb vereinbart oder aber – kaum vorstellbar – die Ge_____________ 296) BGHZ 60, 324, 328 f = GmbHR 1973, 163 = NJW 1973, 1036, 1038; BGHZ 69, 274, 279 = NJW 1978, 160, 161 = GmbHR 1978, 64; BGHZ 110, 342, 355 ff = ZIP 1990, 578 = NJW 1990, 1725, dazu EWiR 1990, 479 (Bergmann). 297) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 59. 298) Dies betont Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 48; vgl. Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 33 Rn. 21. 299) Auch zum Folgenden LG Berlin, ZIP 1986, 1564 f = GmbHR 1987, 395 = DNotZ 1987, 374, dazu EWiR 1986, 1215 (Gustavus). 300) Vgl. K. Schmidt, ZIP 2008, 481, 485. 301) Eingehend zum Folgenden Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 19; Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 52 f; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 29 f; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, § 33 Rn. 26 ff; ScholzH. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 44; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 125 ff; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 33 ff; Steding, NZG 2003, 57; DNotI-Report 2013, 13 f, jeweils m. w. N.

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Erwerb eigener Geschäftsanteile

sellschaft als Erbin des Geschäftsanteils einsetzt. Die Gesellschaft „implodiert“ also nicht einfach. Dass ein Fremdgeschäftsführer den letzten Gesellschafter „hinwegkaduziert“ (§ 21), liegt fern. Allenfalls mag ein Insolvenzverwalter so handeln, falls die Versteigerung des Anteils (§ 23) einen Ertrag verspricht. Dann ist aber ein Neugesellschafter vorhanden, der die Gesellschaft fortsetzen kann. Wollten die Gesellschafter durch kollektiven „Austritt“ ein stiftungsähnliches Sondervermögen ohne behördliche Anerkennung schaffen, wäre dies wegen Umgehung des § 80 BGB unzulässig.302) So werden sich bei der Keinmann-Gesellschaft allein Konstellationen ergeben, in denen entweder die Auflösung (§§ 60 Nr. 2, 61 Abs. 2 Satz 2) oder die Fortsetzung mit neuen, noch zu findenden Gesellschaftern vorgesehen ist. War zuvor ein Geschäftsführer ordnungsgemäß bestellt worden, kann er sowohl das Zwischenstadium als auch die Liquidation als auch die Veräußerung der Anteile an neue Gesellschafter begleiten. Die z. T. vorgeschlagene Analogie zu § 29 BGB trägt zudem eher die Bestellung eines Notgeschäftsführers als eines Notgesellschafters303) und erinnert somit an die Rolle eines Liquidators.304) Wie im Fall unbekannter Anteilsinhaber (siehe Rn. 51) können die Rechte der potentiellen künftigen Gesellschafter durch einen Pfleger gewahrt werden. Das Gesellschaftsvermögen ist entweder bereits – zulässigerweise oder nicht – verteilt, oder es bildet die Grundlage für eine etwaige Fortführung. Stellt man sich die Veräußerung sämtlicher Anteile an die Gesellschaft als atypische „Bestattung“ vor,305) dürfte die Löschung wegen Vermögenslosigkeit anstehen (§ 394 FamFG = § 141a FGG a. F.). Dass analog §§ 45 Abs. 3, 46 BGB überschüssiges Vermögen dem Fiskus anfällt, ist nicht zu erwarten.

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Liegt eine der genannten Konstellationen vor, sind wie auch sonst die Grenzen des § 33 zu beachten. Zulässigerweise können nur vollständig eingezahlte Anteile aus ungebundenem Vermögen erworben werden (Abs. 2 Satz 1). Nimmt die Gesellschaft den Anteil zulässigerweise als Pfand (Abs. 2 Satz 2), liegt schon keine Keinmann-Gesellschaft vor, da der Gesellschafter Inhaber des Anteils bleibt. Der umwandlungsrechtlich privilegierte Erwerb (Abs. 3) ist gleichfalls kein Anwendungsfall für die KeinmannGesellschaft – der alleinige oder letztstimmberechtigte Gesellschafter kann nicht gleichzeitig (z. B.) den Verschmelzungsbeschluss fassen und ihm widersprechen.

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X. Abgrenzung zu anderen Vorschriften § 33 gehört zu einem Komplex von Vorschriften, welche verhindern sollen, dass die Kapitalbasis der Gesellschaft verkürzt wird.306) Bei einem Verstoß gegen § 30 konkurriert der Erstattungsanspruch aus § 31 mit den Bereicherungsansprüchen, die bei _____________ 302) K. Schmidt, GesR, § 33 V 2 b, S. 996; zust. Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 127. 303) So aber Paulick, Die GmbH ohne Gesellschafter, S. 121 ff; vgl. Leuschner in: MünchKommBGB, § 29 Rn. 1, § 26 Rn. 7. 304) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 126, 129. 305) Zu den typischen Fällen Goette/Habersack-Kleindiek, MoMiG, Rn. 8.2 ff; Weller, ZIP 2009, 2029. 306) Zum Folgenden Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 Rn. 2; Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 3, 5, 7; Rowedder/Schmidt-LeithoffPentz, GmbHG, § 33 Rn. 77; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 3, 32; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 131; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 26 ff.

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Verstoß gegen § 33 entstehen (siehe Rn. 21 f, 43 ff, 59) und die bei gutem Glauben nicht gemäß § 31 Abs. 2, wohl aber gemäß § 818 Abs. 3 BGB ausgeschlossen sein können.307) 109

Bei der Kaduzierung (§ 21 Abs. 2, siehe § 21 Rn. 10 ff [Bartels]) wird der (vorübergehende) Erwerb durch die Gesellschaft308) hingenommen, weil der Einlageanspruch der Gesellschaft, der sonst durch Konfusion erlöschen müsste,309) durch die positive Anordnung des § 21 Abs. 3 erhalten bleibt. Was aber § 21 Abs. 2 als ultima ratio erlaubt, kann von § 33 Abs. 1 nicht verboten sein. Bei der Versteigerung gemäß § 23 darf die Gesellschaft jedoch im Interesse der Kapitalerhaltung nicht mitbieten, soweit § 33 verletzt wäre.310) Insoweit gilt nichts anderes als bei sonstiger öffentlicher Versteigerung.311) Die Gesellschaft ist nicht Schuldnerin der Fehlbetragshaftung gemäß § 24, da sie hierdurch – insoweit übereinstimmend mit dem Verbot des § 33 Abs. 1 – Mitschuldnerin der ihr geschuldete Einlage würde.312) Der sonst auf die Gesellschaft entfallende Haftungsbeitrag ist daher – wie bei § 31 Abs. 3 Satz 2 (siehe § 31 Rn. 67 f [Thiessen]) – gemäß § 24 Satz 2 auf die anderen Gesellschafter zu verteilen.313)

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Anders als bei der Einziehung (§ 34) bleibt beim Eigenerwerb (§ 33) der Anteil als solcher erhalten, wenngleich die Rechte und Pflichten aus dem Anteil ruhen. Bei der Einziehung, aber auch beim Austritt oder Ausschluss des Gesellschafter aus wichtigem Grund (siehe § 34 Rn. 23 f, 69 [Thiessen]) kann die Gesellschaft einen unvollständig eingezahlten Anteil wegen § 33 Abs. 1 nicht erwerben.314)

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Das Abandon (§ 27 Abs. 1) erlaubt dem Gesellschafter, sich von einer unbeschränkten Nachschusspflicht zu befreien. Er bleibt zunächst Anteilsinhaber, bis die Gesellschaft den Anteil durch Verkauf verwertet hat (§ 27 Abs. 2) oder der Verkauf scheitert (§ 27 Abs. 3). In diesem Fall erwirbt die Gesellschaft den (zunächst) unverkäuflichen Anteil, verwaltet ihn aber treuhänderisch für einen potentiellen Erwerber.315) Wie im Fall des _____________ 307) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 17; ScholzH. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 16; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 26. 308) Unklar RGZ 98, 276, 278, wonach mit der Ausschließung „der Anteil seinen Rechtsträger verloren“ habe – § 21 Abs. 2 ordnet seit jeher ausdrücklich an, dass der Gesellschafter seines Anteils „zugunsten der Gesellschaft verlustig zu erklären ist“, so auch Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 21 Rn. 19; wie das RG noch BGHZ 42, 89, 92 = NJW 1964, 1954; gleichfalls für treuhänderische Verwaltung eines vorübergehend subjektlosen Rechts Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 3; vgl. auch § 34 [Thiessen]. 309) Vgl. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 21 Rn. 20. 310) RGZ 98, 276, 278 f. Der Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1891, S. 71 geht selbstverständlich davon aus, dass die Gesellschaft befugt ist, den Anteil „für eigene Rechnung zu verkaufen“, nicht zu kaufen. 311) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 4; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 37; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 13. 312) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 24 Rn. 11; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtSosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 15; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 30. 313) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 60; ScholzH. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 6. 314) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 4; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtSosnitza, GmbHG, § 33 Rn. 5, 7; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 3, 9; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 27. 315) Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 3; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paura, GmbHG, § 33 Rn. 23.

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§ 21 Abs. 2 geht die ausdrückliche gesetzliche Erlaubnis dem Erwerbsverbot des § 33 Abs. 1 vor, zumal nur ein vollständig eingezahlter Anteil abandoniert werden kann.316) Bei einem gemäß Absatz 2 zulässigen Erwerb kann eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegen, wenn ein überhöhter Preis aus ungebundenem Vermögen gezahlt wird.317) Da die Vermögensbindung in Absatz 2 durch Einbeziehung der statutarischen Rücklagen sogar strenger ist als derjenige des § 30 Abs. 1 (siehe Rn. 28), liegt darin aber (auch) kein Verstoß gegen § 30 Abs. 1 (siehe § 30 Rn. 65 [Thiessen]), wohl aber gegen die Vorschriften zur Gewinnfeststellung und -verwendung sowie den Gleichbehandlungsgrundsatz.

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XI. Beweislast Verstößt ein Erwerb eigener Anteile gegen § 33, entstehen regelmäßig Bereicherungsansprüche (siehe Rn. 21 f, 43 ff, 59). Deren sämtliche Voraussetzungen muss der Bereicherungsgläubiger beweisen.318) Dies gilt insbesondere für das Fehlen eines rechtlichen Grundes319) und damit für jeden Verstoß gegen § 33. Selbst wenn der Erwerb – wie bei Absatz 1 – grundsätzlich verboten ist, ändert sich an dieser Beweislastverteilung nichts. Grundsätzlich können beide Seiten die erbrachten Leistungen zurückfordern. Regelmäßig wird der Verstoß aber erst vom Insolvenzverwalter der Gesellschaft geltend gemacht. Die Kenntnis der Nichtschuld (§ 814 BGB) – soweit einschlägig (siehe Rn. 46) – und die Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) muss der Schuldner,320) die positive Kenntnis der Rechtsgrundlosigkeit (§ 819 Abs. 1 BGB) muss der Gläubiger beweisen.321) Soweit Ansprüche aus § 31 konkurrieren, muss gleichfalls die Gesellschaft den Verstoß gegen § 30 beweisen (siehe § 31 Rn. 121 ff [Thiessen]).

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XII. Übergangsrecht Intertemporale Fragen ergeben sich für die Änderungen durch das BilMoG.322) Gemäß Art. 66 Abs. 5 EGHGB gilt das alte Bilanzrecht (siehe Rn. 30) nur für Jahres- und Konzernabschlüsse über Geschäftsjahre, die vor dem 1.1.2010 begonnen haben. Für alle folgenden Folgeabschlüsse ist gemäß Art. 66 Abs. 3 EGHGB das neue Recht maßgeblich (siehe Rn. 31). Der bilanzrechtliche Übergangsstichtag des Art. 66 EGHGB setzt sich gegenüber dem (früheren) Inkrafttreten der GmbHRechtsänderung durch.323) Gemäß Art. 66 Abs. 3 Satz 6 EGHGB können die neuen Vorschriften freiwillig auch schon auf nach dem 31.12.2008 beginnende Geschäftsjahre angewandt werden, jedoch nur insgesamt.324) _____________ 316) Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 9. 317) Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 33 Rn. 19. 318) Auch zum Folgenden BGH, ZIP 1996, 1984, 1986 = GmbHR 1997, 171 = NJW 1997, 196, dazu EWiR 1997, 79 (W. Müller). 319) Einzelheiten bei Schwab in: MünchKomm-BGB, § 812 Rn. 436 ff. 320) Schwab in: MünchKomm-BGB, § 814 Rn. 23; Jauernig-Stadler, BGB, § 818 Rn. 39. 321) Schwab in: MünchKomm-BGB, § 819 Rn. 24. 322) Hierzu Zwirner/Künkele, DB 2009, 1081; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 33 Rn. 11. 323) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 33 Rn. 10, 16. 324) Hierzu Beschlussempfehlung und Bericht des RA z. RegE eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts – BilMoG, BT-Drucks. 16/12407, S. 94; Petersen/Zwirner/Froschhammer, DB 2009, 2277.

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Einziehung von Geschäftsanteilen

§ 34 Einziehung von Geschäftsanteilen Jan Thiessen

(1) Die Einziehung (Amortisation) von Geschäftsanteilen darf nur erfolgen, soweit sie im Gesellschaftsvertrag zugelassen ist. (2) Ohne die Zustimmung des Anteilsberechtigten findet die Einziehung nur statt, wenn die Voraussetzungen derselben vor dem Zeitpunkt, in welchem der Berechtigte den Geschäftsanteil erworben hat, im Gesellschaftsvertrag festgesetzt waren. (3) Die Bestimmung in § 30 Abs. 1 bleibt unberührt. Literatur: Altmeppen, Wer schuldet die Abfindung bei Einziehung eines Geschäftsanteils in der GmbH?, NJW 2013, 1025; Altmeppen, Die Dogmatik des Abfindungsanspruchs und die offenen Fragen zum Ausscheiden aus der GmbH. Nachlese zu BGH v. 24.1.2012 – II ZR 109/11, ZIP 2012, 422, ZIP 2012, 1685; Altmeppen, Konzeptlosigkeit des II. Zivilsenats zum Abfindungsanspruch bei Einziehung des Geschäftsanteils in der GmbH, zugleich Besprechung BGH v. 10.5.2016 – II ZR 342/14, ZIP 2016, 1160, ZIP 2016, 1557; Bacher/v. Blumenthal, Die Verwertung von GmbH-Geschäftsanteilen bei Ausscheiden eines Gesellschafters, NZG 2008, 406; Battke, Der Ausschluss von Gesellschaftern aus der GmbH, GmbHR 2008, 850; Bayer, Zum Stimmverbot des Betroffenen bei Beschlussfassungen „aus wichtigem Grund“, GmbHR 2017, 665; Casper/Altgen, Gesellschaftsvertragliche Abfindungsklauseln – Auswirkungen der Erbschaftsteuerreform, DStR 2008, 2319; Dauner-Lieb, Abfindungsklauseln bei Personengesellschaften, ZHR 158 (1994) 271; Gehrlein, Die Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen als Mittel zum Ausschluß eines Gesellschafters, ZIP 1996, 1157; Gehrlein, Neue Tendenzen zum Verbot der freien Hinauskündigung eines Gesellschafters, NJW 2005, 1969; M. Goette, Der Exit der Minderheit aus der GmbH, 2014; W. Goette, Ausschließung und Austritt aus der GmbH in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, DStR 2001, 533, 535; Gubitz/ Nikoleyczik, Keine Haftung dissentierender GmbH-Gesellschafter bei Einziehung, NZG 2013, 727; Kleindiek, Die Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen und das Konvergenzgebot aus § 5 III 2 GmbHG, NZG 2015, 489; Kleindiek, Einziehung von GmbHGeschäftsanteilen, Legitimationswirkung der Gesellschafterliste und einstweiliger Rechtsschutz, GmbHR 2017, 815; Kolb, Wirksamkeit der Einziehung nur unter aufschiebender Bedingung der Abfindungszahlung? Pro und Contra zur so genannten „Bedingungslösung“ NZG 2007, 815; Kort, Die Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen im Lichte der aktuellen BGH-Rechtsprechung, DB 2016, 2098; Martinius/Stubert, Venture-CapitalVerträge und das Verbot der Hinauskündigung, BB 2006, 1977; Maier-Reimer, Zwangsabtretung von GmbH-Anteilen durch die Satzung?, GmbHR 2017, 1325; Oppermann/ Berthold, Korporativ wirkende Verfügungsermächtigungen? Zur Unwirksamkeit einer Ermächtigung zum Vollzug von Zwangsabtretungen gegenüber Rechtsnachfolgern, ZIP 2017, 1929; Pentz, Abhängigkeit der Einziehung von Geschäftsanteilen von der Abfindungsleistung?, in: Festschrift für Peter Ulmer, 2003, S. 451; Priester, Einziehungsbeschluss trotz Zahlungssperre aus § 30 GmbHG! Zugleich Besprechung BGH v. 24.1.2012 – II ZR 109/11, ZIP 2012, 422, ZIP 2012, 658; Priester, Anteilsaufstockung nach Einziehung – Pflicht zur Einlageleistung?, GmbHR 2016, 1065Römermann, Auflösung einer GmbH aufgrund der Einziehung eines GmbH-Geschäftsanteils? – Auswirkungen der Neufassung des § 5 Abs. 3 Satz 2 GmbHG für Alt- und Neufälle, DB 2010, 209; Römermann, Ausschließung von GmbH-Gesellschaftern und Einziehung von Anteilen: Ein Minenfeld, NZG 2010, 96; Sanders, Statischer Vertrag und dynamische Vertragsbeziehung. Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle von Gesellschafts- und Eheverträgen, 2008; Schirrmacher, Persönliche Haftung der GmbH-Gesellschafter für einen Abfindungsanspruch – ein Fall der allgemeinen Durchgriffshaftung, gleichzeitig Besprechung der Entscheidung des BGH vom 10.5.2016 – II ZR 342/14, GmbHR 2016, 1077; J. Schmidt,

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Einziehung von Geschäftsanteilen

Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen – Offene Fragen nach dem Grundsatzurteil des BGH vom 24.1.2012 – II ZR 109/11, GmbHR 2013, 953; S. H. Schneider/Hoger, Einziehung von Geschäftsanteilen und Gesellschafterhaftung, NJW 2013, 502; Schockenhoff, Rechtsfragen der Zwangseinziehung von GmbH-Geschäftsanteilen, NZG 2012, 449; Tröger, Anteilseinziehung und Abfindungszahlung. Teleologie und Dogmatik der Folgen sofort wirksamer Einziehungsbeschlüsse, in: VGR – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2013, Bd. 19, 2014, S. 23; Ulmer, Die Einziehung von GmbH-Anteilen – ein Opfer der MoMiG-Reform?, DB 2010, 321; Ulmer, Die Sicherung der GmbH gegen das Überfremdungsrisiko in der Insolvenz eines Gesellschafters, ZHR 149 (1985) 28; Ulmer/Schäfer, Die rechtliche Beurteilung vertraglicher Abfindungsbeschränkungen bei nachträglich eintretendem grobem Mißverhältnis, ZGR 1995, 134; H. P. Westermann, Einziehung und Abfindung (§ 34 GmbHG), in: Festschrift 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 447. Übersicht I. Zweck der Norm .................................. 1 II. Voraussetzungen der Einziehung ...... 3 1. Statutarische Zulassung (Abs. 1 und 2) ....................................... 3 a) Mehrheitserfordernisse .................. 4 b) Dinglich berechtigte Dritte ........... 7 2. Freiwillige Einziehung (Abs. 1) ........... 8 3. Zwangsweise Einziehung (Abs. 2) ..... 10 a) Formale Voraussetzungen ........... 10 b) Materielle Voraussetzungen – Überblick ...................................... 11 c) Einzelne Einziehungsgründe ....... 12 d) Einziehung nach freiem Ermessen ................................................. 16 e) Verwirkung ................................... 19 4. Kapitalschutz (Abs. 3) ........................ 20 a) Ausschüttungssperre ................... 20 b) Volleinzahlung ............................. 22 c) Eigene Anteile .............................. 23 d) Teileinziehung .............................. 25 5. (Un-)Entgeltliche Einziehung ........... 26 III. Durchführung der Einziehung ........ 29 1. Einziehungsbeschluss ......................... 29 a) Zuständigkeit ............................... 29 b) Stimmrechtsausschluss ................ 30 c) Einziehungsbeschluss und Abfindung .................................... 32 d) Gerichtliche Überprüfbarkeit ..... 40 2. Einziehungserklärung ......................... 43 3. Alternative Abtretungsverpflichtung ...................................................... 44 IV. Wirkungen der Einziehung .............. 48 1. Vernichtung des Geschäftsanteils ...... 48 2. Erlöschen und Fortbestand anteilsbezogener Rechte und Pflichten ........... 49 3. Veränderung der Beteiligungs- und Mehrheitsverhältnisse ......................... 51

I.

4.

Stammkapitalziffer und Summe der Nennbeträge (§ 5 Abs. 3 Satz 2) ........ 52 V. Ausschluss von Gesellschaftern ....... 56 1. Grundsätzliche Zulässigkeit ............... 56 2. Wichtiger Grund ................................. 57 3. Verfahren ............................................. 61 a) Ausschließungsklage – Urteil – Abfindung .................................... 62 b) Beschluss über Ausschließungsklage .................................... 64 c) Ausschluss durch satzungsmäßigen Gesellschafterbeschluss ..... 66 d) Gerichtliche Überprüfbarkeit ..... 67 e) Wirkung – Vollzug – Kapitalschutz ............................................ 68 VI. Austritt von Gesellschaftern ............ 70 1. Grundsätzliche Zulässigkeit ............... 70 2. Austrittsgrund ..................................... 71 3. Austrittserklärung und Vollzug ......... 74 VII. Abfindung .......................................... 78 1. Anteilsbewertung ................................ 79 2. Abfindungsklauseln ............................ 81 a) Grundsätzliche Zulässigkeit ........ 81 b) Gerichtliche Überprüfbarkeit ..... 83 c) Sittenwidrigkeit bei anfänglichem Missverhältnis .................. 86 d) Sittenwidrige Zahlungsmodalitäten ................................... 88 e) Ergänzende Vertragsauslegung/Ausübungskontrolle bei nachträglichem Missverhältnis .... 89 f) Gläubigerbenachteiligung ............ 91 3. Berechnungszeitpunkt ........................ 93 4. Fälligkeit und Verzinsung ................... 94 5. Steuern ................................................. 96 VIII. Beweislast .......................................... 97

Zweck der Norm

Der Geschäftsanteil verkörpert die Mitgliedschaft des Gesellschafters in der Gesellschaft. Wird die Mitgliedschaft beendet, betrachtet das Gesetz dies im Wesentlichen nur unter dem Aspekt der Kapitalausstattung der Gesellschaft. Geht es in §§ 21, Jan Thiessen

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27 f um die Aufbringung von Stamm- und Nachschusskapital, verringert die Einziehung (Amortisation) des Anteils die Kapitalbasis und berührt damit die Kapitalerhaltung.1) Demgemäß gehört § 34 in den Kontext der Auszahlung von Stammkapital (§ 30) und des Erwerbs eigener Anteile (§ 33). 2

Warum der Anteil eingezogen wird, definiert das Gesetz nicht. Es schreibt aber für eine wirksame Einziehung zwingend2) vor, dass die (freiwillige und zwangsweise) Einziehung als solche und die Voraussetzungen der unfreiwilligen Einziehung im Gesellschaftsvertrag zu regeln sind. Damit erkennt das Gesetz mittelbar an, dass Gesellschaft und Gesellschafter das mitgliedschaftliche Band nach selbstbestimmten Regeln lösen können, ohne dass der Gesellschafter seinen Anteil veräußern (§ 15) oder gar die Gesellschaft aufgelöst werden muss (§§ 60 f).3) Eine solche Trennung erfolgt seitens der Gesellschaft durch Ausschluss (siehe Rn. 56 ff), seitens des Gesellschafters durch Austritt (siehe Rn. 70 ff), grundsätzlich jeweils nur möglich aus wichtigem Grund. Da gesetzliche Regeln hierfür im GmbH-Recht fehlen, sind Ausschluss und Austritt durch Rechtsprechung und Wissenschaft konkretisiert worden. Die Einziehung ist eines von mehreren (siehe Rn. 44 ff) rechtstechnischen Instrumenten, um Ausschluss und Austritt umzusetzen.4) Sie kann sich an den zulässigen Erwerb eigener Anteile gemäß § 33 anschließen5) (siehe Rn. 23 f). Viele der für die (zwangsweise) Einziehung entwickelten Grundsätze gelten gleichermaßen für Ausschluss und Austritt und umgekehrt.6) Dies betrifft vor allem den Grund (siehe Rn. 11 ff, 57 ff, 71 ff) und den Zeitpunkt des Ausscheidens (siehe Rn. 32 ff, 62 ff, 66, 74 ff) sowie die dem ausscheidenden Gesellschafter zu leistende Abfindung (siehe Rn. 78 ff). II. Voraussetzungen der Einziehung 1.

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Statutarische Zulassung (Abs. 1 und 2)

Grundvoraussetzung der Einziehung ist eine diesbezügliche Vorkehrung im Gesellschaftsvertrag. Dies gilt unabhängig davon, ob die Einziehung freiwillig (siehe Rn. 8 f) oder zwangsweise (siehe Rn. 10 ff) erfolgen soll,7) wobei mit der Zwangseinziehung in der Regel auch die freiwillige Einziehung zugelassen ist.8) Die Einziehung kann _____________ 1) 2) 3) 4)

5) 6) 7) 8)

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Vgl. H. P. Westermann in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 447, 450 f. Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 7; Rowedder/SchmidtLeithoff-Görner, GmbHG, § 34 Rn. 7; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 7. Näher Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 6, Anh. § 34 Rn. 1 ff; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 60 Rn. 65 ff; Strohn in: MünchKommGmbHG, § 34 Rn. 4; Clevinghaus, RNotZ 2011, 449. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 34 Rn. 2; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, § 34 Rn. 3, 6; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 2; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 2; eingehend Gehrlein, ZIP 1996, 1157; Goette, DStR 2001, 533, 535; Römermann, NZG 2010, 96. Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 4. Vgl. BGH, GmbHR 1978, 131 = DB 1978, 77 = NJW 1977, 2316; zur Abgrenzung Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 2; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 3, 25; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 11. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 34 Rn. 3; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtSosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 8; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 7; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 8, 41. Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 11; a. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/ Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 15; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 34 Rn. 4.

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konkludent im Recht auf (entgeltliche) Ausschließung, Rücktritt oder Kündigung enthalten sein, während ein Erwerbsrecht der Gesellschaft (siehe Rn. 44 ff) das Recht zur Einziehung nicht einschließen soll.9) Diese Differenzierung ist allerdings zweifelhaft, da in keinem der genannten Fälle die mit der Einziehung verbundene Vernichtung des Anteils ausgedrückt ist. Eine konkludente Satzungsermächtigung ist daher zurückhaltend zu beurteilen.10) a) Mehrheitserfordernisse Bei Gründung der Gesellschaft müssen definitionsgemäß alle Gesellschafter mitwirken (§ 2 Abs. 1 Satz 2). Eine spätere Satzungsänderung11) muss gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 jedenfalls mit Dreiviertelmehrheit beschlossen werden. Ob der Beschluss darüber hinaus einstimmig gefasst werden muss, ist umstritten.12) Anknüpfungspunkt hierfür ist das Einstimmigkeitsprinzip bei Leistungsvermehrung (§ 53 Abs. 3). Einstimmigkeit ist danach zweifellos erforderlich, wenn den verbleibenden Gesellschaftern für den Fall der Einziehung Nebenleistungen abseits der Kapitalaufbringung (§ 3 Abs. 2 Alt. 2) auferlegt werden sollen.13) Die Rechtsprechung sieht die Leistungspflichten der verbleibenden Gesellschafter freilich schon dadurch vermehrt, dass nach Einziehung die Inanspruchnahme gemäß §§ 24, 31 Abs. 3 wahrscheinlicher wird.14) Diese Gefahr wird verstärkt durch die Verschiebung der Stimmgewichte (siehe Rn. 51),15) da der einzelne Gesellschafter nachteilige Beschlüsse und Weisungen weniger als vor der Einziehung beeinflussen kann. Jedoch lässt sich mit oder Einziehungsklausel jeder Gesellschafter auf eine dem Grunde nach (zur Höhe siehe § 31 Rn. 72 f [Thiessen]) unkalkulierbare Ausfallhaftung ein, wenn er der Gesellschaft beitritt. Daher genügt für die Zulassung der freiwilligen Einziehung wie bei der Kapitalerhöhung eine Dreiviertelmehrheit,16) sofern nicht nach dem Gesellschaftsvertrag jede personelle Veränderung gemäß § 15 Abs. 5 an die Zustimmung aller Gesellschafter geknüpft ist.17) _____________ 9) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 9; ScholzH. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 3, 7; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 15; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 10. 10) Krit. auch Rowedder/Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, § 34 Rn. 8. 11) Diese genügt nach allg. A., BGH, GmbHR 1978, 131 = DB 1978, 77 = NJW 1977, 2316; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 21; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 33; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 13, 41. 12) Umfassend zum Meinungsstand Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 13 ff. 13) Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 16. 14) BGHZ 9, 157, 160 = GmbHR 1953, 72 = NJW 1953, 780; BayObLGZ 1978, 227 = GmbHR 1978, 269. 15) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 19; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 7. 16) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 34 Rn. 5; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 34 Rn. 8; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 17; ebenso auch für die zwangsweise Einziehung Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 10; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 15; a. A. (Einstimmigkeit) auch für die freiwillige Einziehung Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 19; Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 11; Rowedder/Schmidt-LeithoffGörner, GmbHG, § 34 Rn. 10. 17) BGH, WM 1976, 204, 206; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 11; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 18; Strohn in: MünchKommGmbHG, § 34 Rn. 16.

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Einstimmigkeit ist jedoch zu fordern, wenn nachträglich die zwangsweise Einziehung gemäß § 34 Abs. 2 (siehe Rn. 10) zugelassen oder – etwa durch Abfindungsbeschränkungen (siehe Rn. 81 ff) – erleichtert werden soll.18) Die zwangsweise Einziehung berührt die Mitgliedschaft des ausscheidenden Gesellschafters, die nicht ohne Weiteres einer (auch qualifizierten) Mehrheit überantwortet werden kann.19) Ohne vorherige statutarische Zulassung müsste der ausscheidende Gesellschafter im Einzelfall der Einziehung zustimmen. Die statutarische Zulassung verlagert diese (grundsätzliche) Zustimmung zu den Voraussetzungen der zwangsweisen Einziehung auf einen früheren Zeitpunkt vor. Die Einstimmigkeit ist deshalb erforderlich, da potentiell jeder Gesellschafter betroffen sein kann20) und die Einziehungsmöglichkeit die Veräußerlichkeit der Anteile einschränkt.21) Fehlt es an der Zustimmung aller Gesellschafter, ist die Satzung nicht wirksam geändert, auch nicht gegenüber zustimmenden oder später hinzutretenden Gesellschaftern, sofern nicht ausdrücklich eine beschränkte Geltung gewollt ist.22) Eine satzungsändernde Dreiviertelmehrheit genügt nur, soweit die Einziehungsregelung auf neue, durch Kapitalerhöhung zu schaffende Anteile beschränkt ist.23) b) Dinglich berechtigte Dritte

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Sind Dritte am Anteil als Pfandgläubiger oder Nießbraucher dinglich berechtigt, ist analog §§ 1276 Abs. 2, 1071 Abs. 2 BGB, §§ 857 Abs. 1, 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO deren Zustimmung zur satzungsmäßigen Einführung oder Erleichterung der zwangsweisen Einziehung erforderlich.24) Analog § 407 BGB gilt dies jedoch nur, wenn sie der Gesellschaft bekannt sind. Die Situation ist hier ähnlich wie bei der freiwilligen Einziehung (siehe Rn. 9), jedoch wird auch insoweit (siehe Rn. 6) die Zustimmung auf den Zeitpunkt der Satzungsänderung vorverlagert, da die zwangsweise Einziehung _____________ 18) BGHZ 9, 157, 160 = GmbHR 1953, 72 = NJW 1953, 780; BGH, GmbHR 1978, 131 = DB 1978, 77 = NJW 1977, 2316; BGHZ 116, 359, 363 = ZIP 1992, 237, 238 = GmbHR 1992, 257, dazu EWiR 1992, 321 (Wiedemann). 19) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 34 Rn. 9. 20) So mit Blick auf die freiwillige Einziehung Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 10; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 16, einschränkend auf die gegenwärtigen von der Zulassung der Zwangseinziehung betroffenen Gesellschafter, a. a. O. Rn. 35. 21) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 34 Rn. 8; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtSosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 32. 22) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 29; Michalski/Heidinger/Leible/ J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 32 f; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 34 Rn. 9; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 22; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/ Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 36 f; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 15. 23) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 34 Rn. 8; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 34 Rn. 9; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 35; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 16. 24) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 29; Ulmer/Habersack/LöbbeUlmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 23, 35 a. E., 52, 58; a. A. Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 34 Rn. 8; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 34, die den Anteilsinhaber allein im Innenverhältnis an die Zustimmung des Dritten binden; zweifelnd, aber nur scheinbar anders Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 38, der die bereits bestehende statutarische Zulassung der Einziehung im Zeitpunkt des Drittrechtserwerbs genügen lässt; diff. nach vorhandener oder fehlender Verkehrswertklausel Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 17.

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als solche definitionsgemäß ohne Zustimmung des/der Betroffenen durchgeführt wird. – Zur Einziehung oder Abtretungsverpflichtung bei Pfändung und Insolvenz aufgrund entsprechender Einziehungsklausel siehe Rn. 91 f. 2.

Freiwillige Einziehung (Abs. 1)

Außer in den Fällen der zwangsweisen Einziehung (Abs. 2, siehe Rn. 10 ff) muss der Anteilsinhaber der (freiwilligen) Einziehung seines Anteils zumindest konkludent zustimmen (§§ 182 ff BGB). Die Zustimmung kann in einer Abfindungsvereinbarung oder einer Austrittserklärung25) liegen, nicht jedoch in der Abstimmung zu einem Gesellschafterbeschluss, welcher die Einziehung lediglich abstrakt, gewissermaßen „auf Vorrat“ zulässt.26) Die Zustimmung ist formlos möglich (§ 182 BGB), zumal mit der Einziehung der Anteil vernichtet (siehe Rn. 48) und nicht auf die Gesellschaft oder einen Dritten übertragen wird (dann § 15 Abs. 3 und 4, zur alternativen Abtretungsverpflichtung siehe Rn. 44). Sie kann nach allgemeiner Rechtsgeschäftslehre als Einwilligung oder Genehmigung, d. h. vor oder nach der Einziehung, jedoch nicht schon bei Gründung oder Beitritt erklärt werden. Für den Zugang genügt die Erklärung gegenüber einem Geschäftsführer (§ 35 Abs. 2 Satz 2), aber auch gegenüber der Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 4). Bei gemeinschaftlicher Berechtigung (§ 18) müssen die Mitberechtigten einstimmig zustimmen.27)

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Geht die Einziehung zulasten dinglich berechtigter Dritter (Pfandgläubiger, Nießbraucher), ist zwar deren Zustimmung einzuholen (analog §§ 1276 Abs. 2, 1071 Abs. 2 BGB, für das Pfändungspfandrecht analog §§ 857 Abs. 1, 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO).28) Erfolgt die Einziehung ohne Zustimmung, schadet dies analog § 407 BGB jedoch nur, soweit die Belastung der Gesellschaft bekannt war.29) Nach dem MoMiG können dingliche Belastungen nämlich nicht mehr formal bei der Gesellschaft angemeldet werden (vgl. § 16 Abs. 1 a. F.) und sind auch nicht in die Gesellschafterliste (§ 40) aufzunehmen.30) Wird das erforderliche Einverständnis nicht eingeholt, ist den Berechtigten durch Surrogation zu helfen (siehe Rn. 50). Bei der zwangsweisen Ein-

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_____________ 25) OLG Köln, NJW-RR 1997, 356, 357 = GmbHR 1996, 609 = BB 1996, 2059. 26) Auch zum Folgenden Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 13 f; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, § 34 Rn. 19; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 12; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 22; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 37 f. Zur satzungsmäßigen Zustimmung zu konkreten Voraussetzungen BGH, WM 1976, 204. 27) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 15; ScholzH. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 37; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 21; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 97. 28) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 15; Lutter/HommelhoffLutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 23; Wicke, GmbHG, § 34 Rn. 14; Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 34 Rn. 6; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 39. 29) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 23; auch zum Folgenden Ulmer/ Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 23; Wicke, GmbHG, § 34 Rn. 14; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 34 Rn. 6; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 40. 30) BGHZ 191, 84, 92 Rn. 19 = ZIP 2011, 2141 = GmbHR 2011, 1269, dazu EWiR 2011, 811 (Stamer). Zur alten Rechtslage Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 38, 68; Ulmer/ Habersack/Winter-Ulmer, GmbHG, 1. Aufl. 2006, § 34 Rn. 23.

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ziehung (siehe Rn. 10 ff) müssen die dinglich Berechtigten nach bestrittener Auffassung der entsprechenden Satzungsbestimmung zugestimmt haben (siehe Rn. 7). 3.

Zwangsweise Einziehung (Abs. 2)

a) Formale Voraussetzungen 10

Soll ein Geschäftsanteil ohne den Willen des Anteilsinhabers eingezogen werden können, muss der Gesellschafter die Voraussetzungen der Einziehung bereits vor seinem Beitritt kennen, jedenfalls aber, bevor er den zur Einziehung berechtigenden Tatbestand verwirklicht. Deshalb müssen die Gründe und Beschlusserfordernisse der Einziehung vor dem Anteilserwerb statutarisch präzise geklärt sein, sofern nicht der Gesellschafter an einer entsprechenden Satzungsänderung selbst mitgewirkt hat (siehe Rn. 4, 6). Wegen der tiefgreifenden Folgen sind die Voraussetzungen der Einziehung anhand der Satzungsurkunde einschränkend auszulegen und anzuwenden.31) So soll eine Ausschließungsklausel nicht ohne Weiteres zur Zwangseinziehung berechtigen.32) b) Materielle Voraussetzungen – Überblick

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Das Gesetz stellt keine materiellen Anforderungen. Stattdessen bietet die Rechtsprechung eine umfangreiche Kasuistik.33) Leitlinie ist, dass die Interessen von Gesellschaft und Gesellschafter ausgewogen zu berücksichtigen sind.34) Die Einziehung ist wie die Ausschließung (siehe Rn. 58) und der Austritt (siehe Rn. 71) ultima ratio,35) wenn mildere Mittel, etwa die Abberufung als Geschäftsführer,36) nicht zur Verfügung stehen. Die Satzung darf daher grundsätzlich (Ausnahmen siehe Rn. 16 ff) keine Einziehung im freien Ermessen zulassen.37) Eine zu weitgehende Klausel ist darauf zu reduzieren,38) dass ein wichtiger Grund gegeben sein muss.39) Dies ent_____________ 31) OLG Nürnberg, DStR 1993, 1266, 1267; OLG Hamburg, ZIP 1996, 962, 963 = GmbHR 1996, 610 = DB 1996, 1175; OLG Rostock, GmbHR 2013, 752, 755 = NotBZ 2014, 312 – Wettbewerbsverbot gegenüber nicht geschäftsführendem oder nicht beherrschendem Gesellschafter. 32) BGH, DStR 2001, 1898 m. Anm. Goette (Zurückverweisung zur Klärung); krit. Lutter/ Hommelhoff-Lutter, GmbHG, § 34 Rn. 28. 33) Überblicke bei Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 31; Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 5, 36 f; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 34 Rn. 40 ff; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, § 34 Rn. 30; ScholzH. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 13 ff; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 40; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 47 ff. 34) BGH, NJW-RR 1991, 1249, 1250 = GmbHR 1991, 362; OLG Frankfurt/M., DStR 1993, 923; OLG Celle, NJW-RR 1998, 175, 177 = GmbHR 1998, 140. 35) Hierzu OLG Celle, NJW-RR 1998, 175, 177 = GmbHR 1998, 140; OLG Rostock, NZG 2002, 294; KG Berlin, NZG 2008, 790, 791; OLG Naumburg, GmbHR 2014, 714, 716. 36) OLG Köln, Urt. v. 28.5.2015 – 18 U 181/14, juris, Rn. 39 f. 37) BGHZ 112, 103, 107 = ZIP 1990, 1057 = GmbHR 1990, 449, dazu EWiR 1990, 1209 (Priester); ebenso zur KG: BGHZ 81, 263 = ZIP 1981, 978 = DB 1981, 1974; krit. differenzierend zur freiwilligen Übernahme der Stellung eines „Gesellschafter minderen Rechts“ Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 34 Rn. 51, § 60 Rn. 74; dagegen Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 57. 38) Näher Gehrlein, NJW 2005, 1969, 1972 f; zweifelnd Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 13, 19. 39) Vgl. BGHZ 107, 351, 356 = NJW 1989, 2681, 2682 = ZIP 1989, 849. Enger Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 34 Rn. 9a; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 43 – satzungsmäßiger sachlicher Grund unterhalb der Schwelle des wichtigen Grundes genügt.

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spricht dem Maßstab beim Ausschluss und Austritt von Gesellschaftern (siehe Rn. 57 ff, 71 f). Der Gesetzgeber ist von einer im Vergleich zu Aktionären engeren persönlichen Verbundenheit der GmbH-Gesellschafter ausgegangen.40) Die von der Rechtsprechung akzeptierten personenbezogenen41) Gründe (siehe Rn. 12 ff) ähneln daher nicht zufällig den §§ 131, 133, 140 HGB.42) c) Einzelne Einziehungsgründe Generalklauseln, z. B. die Unzumutbarkeit weiterer Zusammenarbeit43) sowie die vorsätzliche oder grob fahrlässige44) Verletzung wesentlicher Gesellschafterpflichten,45) genügen als Einziehungsgrund, wenn sie durch die Praxis hinreichend konkretisiert sind.46) Von den satzungsgebenden Gesellschaftern verlangt die Rechtsprechung hier nicht mehr als vom Gesetzgeber47) (vgl. §§ 314 Abs. 1 Satz 2, 626 Abs. 1 Satz 2, 723 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB, § 133 Abs. 2 HGB).

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Zumeist enthalten die Satzungen aber (auch) konkrete Einziehungsgründe. Im Vordergrund stehen die Vermögensverhältnisse des Gesellschafters und das Vertrauensverhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter. Als Einziehungsgründe anerkannt48) sind daher vor allem Insolvenz49) (§§ 17, 19 InsO) oder Vermögensverfall des Gesellschafters (vgl. §§ 14 Abs. 2 Nr. 7, 15 Nr. 1 BRAO, § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG, § 21 Abs. 2 Nr. 8 PAO) oder die Pfändung des Geschäftsanteils.50)

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_____________ 40) Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1891, S. 35. 41) Maßgeblich ist die Person des (trotz Veräußerung Noch-)Gesellschafters (§ 16 Abs. 1), OLG Hamm, DStR 1993, 1032 m. Anm. Goette, auch wenn der Gesellschafter als Treuhänder handelt, OLGR München 1997, 70 = GmbHR 1997, 451 = BB 1997, 491. Bei Mitberechtigung (§ 18) schlägt der Einziehungsgrund zumeist auf die Gemeinschaft durch, Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 38; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 37. 42) Zu dieser Ähnlichkeit BGH, GmbHR 1978, 131 = DB 1978, 77 = NJW 1977, 2316; OLG Stuttgart, GmbHR 2013, 414, 417. 43) Hierzu Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 16. 44) Daran fehlte es in BGH, ZIP 2003, 759, 760 = GmbHR 2003, 583 = DB 2003, 1051, dazu EWiR 2004, 65 (Kiem); OLG Dresden, NZG 1999, 29, 30 = GmbHR 1999, 234 – unternehmerische Fehlentscheidung eines vermeintlich noch amtierenden Gesellschaftergeschäftsführers. Leichte Fahrlässigkeit genügt nicht, eine entsprechende Satzungsregelung ist gemäß § 138 BGB nichtig, OLGR Brandenburg 2006, 21 = GmbHR 2006, 204 = MDR 2006, 582. 45) OLG Dresden, NZG 1999, 1220, 1221 – Publizieren drohender Konkursgefahr der Gesellschaft; OLG Brandenburg, NZG 1999, 828, 832 – fehlende Unterrichtung der Gesellschaft über Untersuchungshaft des Geschäftsführers seitens informierter Gesellschafterin; ausreichend sind Pflichtverletzungen (Schwarzgeldpraktiken) in einer verbundenen Gesellschaft: BGH, ZIP 1995, 835, 837 = GmbHR 1995, 377 = NJW-RR 1995, 667, dazu EWiR 1995, 477 (Fleck); absehbare Interessenkonflikte durch Beteiligung an einer branchengleichen anderen Gesellschaft genügen nicht: OLG Karlsruhe, NZG 2004, 335, 336 = GmbHR 2003, 1004. 46) Gegenbeispiele bei Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 42. 47) So ausdrücklich BGH, GmbHR 1978, 131 = DB 1978, 77 = NJW 1977, 2316. 48) Zu vermögensbezogenen Einziehungsgründen übergreifend BGHZ 65, 22 = GmbHR 1975, 227 = NJW 1975, 1835. 49) OLG Frankfurt/M., ZIP 1998, 1107 = GmbHR 1998, 786 (LS). 50) OLG Hamburg, ZIP 1996, 962, 963 = GmbHR 1996, 610 = DB 1996, 1175.

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Hierdurch soll verhindert werden, dass Insolvenzverwalter oder Gläubiger Einfluss auf die gesellschaftsinterne Willensbildung nehmen können.51) Daher entfällt der Einziehungsgrund, wenn das Verfahren mangels Masse nicht eröffnet wird (§ 32 InsO),52) der Insolvenzgrund wegfällt (§ 212 InsO) oder die Vollstreckungsmaßnahme aufgrund einer Leistung des Gesellschafters aufgehoben worden ist; hierfür kann die Satzung dem Gesellschafter einer Frist setzen.53) Die Pfändung durch einen Mitgesellschafter genügt, wenn sie nicht angesichts mangelnder Vollstreckungsaussichten allein auf Verdrängung des missliebigen Anteilsinhabers gerichtet ist.54) Ein überwiegendes Interesse der Gesellschaft besteht auch, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft unzulässigen Wettbewerb macht,55) sich aus der Geschäftsführung oder sonstiger Mitarbeit zurückzieht56) oder sonst seine Tätigkeit, etwa als Manager oder sonstiger Mitarbeiter, endet (siehe Rn. 17), eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder bestimmte Eigenschaften (z. B. Anwaltszulassung, deutsche bzw. dienstleistungsoder niederlassungsfreiheitsgewährende europäische Staatsangehörigkeit) verliert.57) Dies gilt jedoch nur, wenn die in der Satzung definierten Umstände für den Gesellschaftszweck in irgendeiner Weise relevant sind, so etwa, wenn der Gesellschafter eine mangelhafte Sacheinlage in die Gesellschaft eingebracht hat.58) Folgerichtig werden die vorangehend genannten gesellschafterbezogenen Fallgruppen gleichermaßen bei der Frage berücksichtigt, ob die Gesellschaft aufgrund ihrer Betroffenheit den Anteil nach freiem Ermessen einziehen kann (siehe Rn. 16 ff.).

_____________ 51) Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 3, 14; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 53 f; Vorschläge zur Satzungsgestaltung bei Heckschen, NZG 2010, 521, 524 ff. 52) Vorbehaltlich der dann möglichen Einzelzwangsvollstreckung Strohn in: MünchKommGmbHG, § 34 Rn. 54. 53) OLG Hamburg, ZIP 1996, 962, 963 = GmbHR 1996, 610 = DB 1996, 1175. 54) OLG Hamm, GmbHR 2009, 1161; weitergehend zur Ausschließung OLG Hamm, DStR 2009, 1771, dazu Römermann, NZG 2010, 96, 97 f, insoweit nicht thematisiert im Revisionsurteil BGH, ZIP 2011, 1104 = NJW 2011, 2294 = DB 2011, 1517, dazu EWiR 2011, 537 (Schult/Wahl); gegen eine Beschränkung der Inanspruchnahme durch einen Mitgesellschafter als Zessionar BGH, ZIP 2011, 1103, 1104 = NZG 2011, 745 = DB 2011, 1518, dazu EWiR 2011, 523 (Schrautner). 55) OLG Nürnberg, DStR 1993, 1266, 1267; BGH, ZIP 1995, 567, 568 f = GmbHR 1995, 296 = DB 1995, 970 – abgelehnt, weil der wichtige Grund im Wesentlichen auf einen für nichtig erklärten Beschluss der Gesellschafterversammlung gestützt wurde; LG Hamburg. NZG 1998, 687, 688; OLG Rostock, GmbHR 2013, 752, 755 = NotBZ 2014, 312 – abgelehnt, weil der zusätzlich vereinbarte Maßstab des § 140 HGB nicht verletzt war; zu den tatbestandlichen, grundrechtlichen und kartellrechtlichen Grenzen des Wettbewerbsverbots: BGH, ZIP 1997, 2197, 2199 = DB 1998, 65 = NJW 1998, 1225 – § 112 HGB bei einer KG; BGH, ZIP 2009, 2263 = DB 2009, 2539 = DStR 2009, 2547; BGH, ZIP 2010, 324 = GmbHR 2010, 256 = DB 2010, 323, dazu EWiR 2010, 405 (Podewils) – § 138 BGB i. V. m. Art. 12 GG; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 4, 15. 56) Als satzungsmäßiger Ausschließungsgrund anerkannt bei BGH, NJW 1983, 2880, 2881 = GmbHR 1984, 74 = DB 1983, 1970; bei fehlender Satzungsregelung abgelehnt bei OLG Hamm, GmbHR 1998, 1081, 1082; zur Nichterfüllung schuldrechtlicher Verträge mit der GmbH OLG Hamm, DStR 1993, 1032 m. Anm. Goette; zur Unfähigkeit der Ausübung von Gesellschafterrechten bei einer OHG RGZ 105, 176, 177. 57) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 31. 58) So erwogen in RGZ 68, 271, 274 ff.

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Den Gesellschaftern ist nach dem Leitbild der GmbH (siehe Rn. 11) zuzugestehen, dass sie auf die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises Einfluss nehmen (vgl. § 15 Abs. 5). Dementsprechend kann ein Anteil eingezogen werden, wenn dessen Inhaber durch andere als im Gesellschaftsvertrag zugelassene Personen beerbt wird59) (siehe Rn. 82) oder wenn die Gesellschafteridentität beider Gesellschaften in einer GmbH & Co. KG gewahrt werden soll.60)

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Wer seine Gesellschafterrechte wahrnimmt, begeht in den Grenzen des § 242 BGB grundsätzlich keine Pflichtverletzung, sodass die Einziehung nicht an die Erhebung einer Anfechtungs- oder Auflösungsklage geknüpft werden darf.61) Eine Verletzung fremder Rechte genügt nur, wenn zugleich die Interessen der Gesellschaft verletzt sind.62)

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d) Einziehung nach freiem Ermessen Ausnahmsweise (siehe Rn. 11) darf nach der Rechtsprechung die Einziehung dem freiem Ermessen der Gesellschaft(-sorgane) überlassen werden, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen.63) Diese besonderen Umstände stellen letztlich nichts anderes dar als einen „wichtigen Grund“, der hier nicht (allein) in der Person des Gesellschafters (siehe Rn. 12 ff), sondern (zugleich) in den Belangen der Gesellschaft gegeben ist. Die bisher ergangenen Entscheidungen lassen sich auf den gemeinsamen Nenner bringen, dass die leitbildtypische (siehe Rn. 11) persönliche Bindung des Gesellschafters an die Gesellschaft (noch oder wieder) fehlt, weil dieser (bislang) wenig in die Gesellschaft eingebracht hat oder (inzwischen) kaum mehr zur Gesellschaft beiträgt.

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So lag es bei der Entfremdung von einem Gesellschafter, dem die Gesellschafterstellung aus persönlicher Verbundenheit unentgeltlich eingeräumt worden war;64) bei einem testamentarisch eingeräumten Einziehungsrecht, da der Erblasser ohnehin zulasten des betroffenen Gesellschafters hätte testieren können und diesem daher auch eine mit einem freien Kündigungsrecht belastete Gesellschafterstellung zuwenden konnte;65) bei einer Freiberuflergesellschaft bis zum Ablauf einer angemes-

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_____________ 59) OLG München, ZIP 1984, 1349. 60) Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 4, zu den Grenzen a. a. O. Rn. 45; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 5; vgl. auch OLG Frankfurt/M., Urt. v. 22.1.2008 – 5 U 140/07, 5 U 141/07, juris. 61) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 42. 62) OLGR Brandenburg 2006, 21 = GmbHR 2006, 204 = MDR 2006, 582 – Vorenthaltung von Baugeld entgegen § 1 BauFordSiG. 63) Eingehend Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 17 ff; Michalski/Heidinger/ Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 42; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 57 f, dort Rn. 141 f zur Ausschließung; Gehrlein, NJW 2005, 1969. 64) BGHZ 112, 103 = ZIP 1990, 1057 = GmbHR 1990, 449, dazu EWiR 1990, 1209 (Priester); Unentgeltlichkeit hätte allein nicht genügt; vgl. auch zur Familien-KG BGH, NJW 1973, 92 f. 65) Zur GmbH & Co. KG: BGHZ 105, 213 = ZIP 1989, 36 = GmbHR 1989, 117, dazu EWiR 1989, 377 (K. Müller); zur KG: BGH, ZIP 2007, 862, 863 f = GmbHR 2007, 644 = DB 2007, 1017. Der Erwerb der Beteiligung im Erbgang rechtfertigt allein keine freie Hinauskündigung, BGHZ 81, 263, 269 f = ZIP 1981, 978, 980 = DB 1981, 1974, dazu Bunte, ZIP 1983, 8; vgl. Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 3.

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senen Prüfungszeit, ob das notwendige Vertrauen hergestellt werden könne;66) bei ordentlicher Beendigung eines Kooperationsvertrages, dem gegenüber die gesellschaftsrechtliche Bindung von ganz untergeordneter Bedeutung ist;67) bei der Gesellschaftsbeteiligung von Managern68) und Mitarbeitern69) eines Elektronikmarkts, deren Anstellungs- bzw. Arbeitsverhältnis endete.70) Es ist jedoch nicht möglich, bei Streit über die Wirksamkeit der Kündigung des Vertragsverhältnisses zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft die wirksame Beendigung zu fingieren und hieraus einen Einziehungsgrund abzuleiten, da dies der Gesellschaftermehrheit ein sittenwidriges Disziplinierungsmittel verschaffen würde, sofern nicht der Gesellschafter trotz der ungeklärten Situation seinerseits die Mitarbeit faktisch einstellt.71) 18

Obiter hat der Bundesgerichtshof solchen Gesellschaftern freies (Ausschließungs-)Ermessen zugestanden, die aufgrund besonderer Fähigkeiten und Begabungen das Gesellschaftsunternehmen tragen, sodass dessen Bedeutung und Geltung und der innere Wert entscheidend von der Tätigkeit und dem Einsatz dieser Gesellschafter abhängen.72) In der Literatur wird im Anschluss an jene letztgenannten Entscheidungen erwogen, die Grundsätze der Rechtsprechung zugunsten von Wagniskapitalgebern anzuwenden und diesen im Gegenzug für das von ihnen übernommene Risiko weitreichende Hinauskündigungsrechte einzuräumen.73) Gleichfalls obiter hat der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs eine Einziehung des Anteils sogar den Ausschluss des Gesellschafters (aber siehe Rn. 60) erwogen, wenn durch den vorherigen Beitritt des Gesellschafters die Beteiligungsstruktur der Gesellschaft kartellrechtlich unzulässig wird.74) e) Verwirkung

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Das Einziehungsrecht ist mangels besonderer Satzungsklausel grundsätzlich zeitlich unbegrenzt.75) Den Gesellschaftern muss eine angemessene, nicht analog § 626

_____________ 66) BGH, ZIP 2004, 903, 905 = DB 2004, 1092 = NJW 2004, 2013; BGH, ZIP 2007, 1309 = DB 2007, 1521 = NJW-RR 2007, 1256, dazu EWiR 2007, 489 (Schodder) – verneint bei einer Frist von (mehr als) zehn Jahren. 67) BGH, ZIP 2005, 706, 708 = GmbHR 2005, 620 = DB 2005, 937, dazu EWiR 2005, 621 (Wagner). 68) BGHZ 164, 98, 102 ff = ZIP 2005, 1917, 1918 ff = GmbHR 2005, 1558; ebenso in einem Parallelverfahren OLG Düsseldorf, ZIP 2004, 1804 = GmbHR 2004, 1339 = DB 2004, 2575, rechtskräftig nach Beschluss, BGH, ZIP 2006, 382 = DB 2006, 499 = NJWRR2006, 630, dazu EWiR 2006, 639 (v. Buttlar). 69) BGHZ 164, 107, 112 ff = ZIP 2005, 1920, 1921 ff = GmbHR 2005, 1561. 70) Ebenso für die partnerschaftliche Mitarbeit in einer Unternehmensberatungsgesellschaft OLG München, GmbHR 2017, 40, 41 = ZIP 2016, 2472 = DStR 2017, 113, dazu EWiR 2017, 265 (Haase). 71) OLG München, GmbHR 2017, 40, 41 f. = ZIP 2016, 2472 = DStR 2017, 113, dazu EWiR 2017, 265 (Haase). 72) BGH, NJW 1979, 104 – zur KG. 73) Martinius/Stubert, BB 2006, 1977. 74) BGH, ZIP 2015, 678 (680) = GmbHR 2015, 532 (534) = DB 2015, 972, dazu EWiR 2015, 535 (Klingen/Grafunder). 75) OLG Frankfurt/M., ZIP 1998, 1107 = GmbHR 1998, 786 (LS).

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Abs. 2 BGB zu begrenzende Überlegungsfrist eingeräumt werden,76) bevor von Verwirkung gesprochen werden kann.77) Hat der Gesellschafter den Anteil im Erbgang erworben, ist das freie Ermessen der Gesellschaft auf eine angemessene Zeitspanne nach dem Tod des Mitgesellschafters beschränkt.78) 4.

Kapitalschutz (Abs. 3)

a) Ausschüttungssperre Absatz 3 stellt klar, dass die Einziehung nicht zulasten des nach § 30 Abs. 1 gebundenen Vermögens (siehe § 30 Rn. 13 ff [Thiessen]) gehen darf. Demnach darf die Zahlung einer Abfindung an den Gesellschafter (siehe Rn. 26 ff, 32 ff, 78 ff) eine Unterbilanz weder herbeiführen noch vertiefen. Daher muss spätestens im Zeitpunkt der Auszahlung freies Vermögen vorhanden sein.79) Wie bei §§ 30, 33 bereitet auch hier die Bestimmung des Auszahlungszeitpunkts Schwierigkeiten (siehe § 30 Rn. 40 ff und § 33 Rn. 34 ff [Thiessen]), sodass im Interesse der Rechtssicherheit für alle Seiten auf den Fälligkeitszeitpunkt (§ 271 BGB) abgestellt werden sollte.80) Eine unzulässige Umgehung des § 30 Abs. 1 liegt vor, wenn Mitgesellschafter die Abfindung vorstrecken und zulasten des gebundenen Vermögens Regress nehmen können (siehe Rn. 22).81)

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Verstößt die Einziehung gegen § 30 Abs. 1, treten die allgemeinen gesetzlichen Folgen ein (§§ 31 Abs. 1 und 3, 43 Abs. 3); – zur Auswirkung auf den Einziehungsbeschluss siehe Rn. 36 ff. Sofern noch Spielraum bis zur Mindestkapitalziffer besteht (§ 5 Abs. 1), können die Gesellschafter eine Kapitalherabsetzung beschließen, um

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_____________ 76) OLG München, ZIP 1984, 1349; OLG Frankfurt/M., ZIP 1998, 1107, 1108 = GmbHR 1998, 786 (LS). 77) BGH, ZIP 1995, 835, 836 f = GmbHR 1995, 377 = NJW-RR 1995, 667, dazu EWiR 1995, 477 (Fleck); OLG Celle, NZG 1999, 167, 168; OLG Düsseldorf, ZIP 2007, 2418, 2419 f = GmbHR 2008, 262 = DB 2007, 2308. 78) BGHZ 105, 213 = ZIP 1989, 36 = GmbHR 1989, 117, dazu EWiR 1989, 377 (K. Müller). Zum umgekehrten Fall, dass die Gesellschaft eine vom an der Abfindung interessierten Erben erwünschte Entscheidung verweigert, OLG Brandenburg, NZG 2000, 485 = GmbHR 1999, 540. 79) BGHZ 9, 157, 169 = NJW 1953, 780, 782 = GmbHR 1953, 72; zuletzt BGH, ZIP 2008, 1381 = DStR 2008, 2120, 2121 m. Anm. Goette = GmbHR 2008, 765; BGH, ZIP 2011, 1104, 1105 = NJW 2011, 2294 = DB 2011, 1517, dazu EWiR 2011, 537 (Schult/Wahl); zur Passivierung der Abfindungsverpflichtung und zur Bildung von Rückstellungen Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 55; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 75; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 79. 80) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 20, 76; Rowedder/SchmidtLeithoff-Görner, GmbHG, § 34 Rn. 24; a. A. RGZ 142, 268, 290; BGHZ 9, 157, 169 = NJW 1953, 780, 782 – zur Ausschließung; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 17; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 31. 81) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 34 Rn. 11; vgl. OLG Hamm, NZG 1999, 597, 598; OLG Dresden, GmbHR 2001, 1047; BGH, ZIP 2008, 1381 = DStR 2008, 2120 m. Anm. Goette = GmbHR 2008, 765; OLG Frankfurt/M., GmbHR 2011, 1320, 1322; einschränkend für den Fall, dass die Gesellschafterleistung als kapitalersetzend nicht zurückverlangt werden kann (§ 30 Rn. 124), BGH, ZIP 2003, 1544, 1545 = GmbHR 2003, 1062 = DB 2003, 2058, dazu EWiR 2003, 1087 (Weipert).

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nach Ablauf des Sperrjahres (§ 58 Abs. 1 Nr. 3) eine kapitalschutzkonforme Abfindung zu ermöglichen.82) b) Volleinzahlung 22

Wirksam eingezogen werden können nur voll eingezahlte Anteile, da mit der Einziehung die Pflichten aus dem Anteil erlöschen (siehe Rn. 49) und die Gesellschaft somit den Gesellschafter entgegen § 19 Abs. 2 Satz 1 von seiner Einlagepflicht befreien würde.83) Ein anders lautender Beschluss ist nichtig.84) Um die Einziehung zu ermöglichen, können jedoch Gesellschafter oder Dritte die ausstehende Einlage leisten; allerdings nur, soweit sie auf Regressansprüche gegen die Gesellschaft verzichten, da die Gesellschaft sogar aus freiem Vermögen die Einlage nicht anstelle des Gesellschafters erbringen könnte, ohne gegen § 19 Abs. 2 Satz 1 verstoßen.85) Ob eine solche – gleichheitswidrige und steuerwirksame – verdeckte Gewinnausschüttung ohne Verstoß gegen die Kapitalerhaltung möglich wäre (siehe § 30 Rn. 34 [Thiessen]), ist irrelevant, da der Kapitalaufbringungsvorgang noch nicht abgeschlossen ist (siehe § 30 Rn. 61 [Thiessen]). Leisten die Mitgesellschafter auf die Resteinlage, sind sie aber dadurch geschützt, dass die Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters entsprechend zu kürzen ist.86) Wegen § 19 Abs. 2 Satz 2 kann der Anteilsinhaber gegen die Resteinlageforderung auch nicht seinen etwaigen Abfindungsanspruch aufrechnen.87) Vielmehr kann die Resteinlagepflicht nach allgemeinen Regeln nur durch Kapitalherabsetzung aufgehoben werden. c) Eigene Anteile

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Eine Ausnahme vom Volleinzahlungsgebot (siehe Rn. 22) besteht nur im Fall des § 33 Abs. 388) (siehe § 33 Rn. 49 ff [Thiessen]). Eigene Anteile, welche die Gesellschaft zulässigerweise gemäß § 33 Abs. 2 oder 3 erworben hat, kann sie anschließend einziehen.89) Ein besonderes Verfahren ist anders als nach § 237 AktG hierfür nicht vorgesehen (zur Abgrenzung siehe § 33 Rn. 33 [Thiessen]). Erlaubt die Satzung den Erwerb zur Einziehung,90) kann auf dieser Grundlage die Einziehung auch direkt _____________ 82) Zur Verknüpfung von Einziehung und Kapitalherabsetzung Rowedder/Schmidt-LeithoffGörner, GmbHG, § 34 Rn. 24 f, 74. 83) BGHZ 9, 157, 169 = NJW 1953, 780, 782 = GmbHR 1953, 72. 84) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 34 Rn. 11; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 34 Rn. 10; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 30. 85) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, § 34 Rn. 20 f, 22. 86) Altmeppen, ZIP 2012, 1685, 1694. 87) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 19; Strohn in: MünchKommGmbHG, § 34 Rn. 30. 88) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 34 Rn. 13; a. A. insoweit Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 34 Rn. 10. 89) Näher Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 22 ff; ScholzH. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 39. 90) Eine entsprechende Satzungsklausel verlangen etwa Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtSosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 24; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 27; i. E. trotz Zweifeln auch Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 34 Rn. 6; a. A. Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 39; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 9.

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erfolgen.91) Einer (weiteren) Zustimmung des (vormaligen) Anteilsinhabers bedarf es nicht; ebenso wenig einer Zustimmung „der“ Gesellschaft, deren (Stimm-)Rechte aus eigenen Anteilen ruhen (siehe § 33 Rn. 75 [Thiessen]) und überdies durch den vorgreiflichen Gesellschafterbeschluss gewahrt sind.92) Auch nach MoMiG und BilMoG ist es unzulässig, bereits erworbene eigene Anteile bei bestehender Unterbilanz einzuziehen.93) Zwar hat die Einziehung keine weiteren (siehe § 33 Rn. 31 ff [Thiessen]) bilanziellen Auswirkungen.94) Jedoch hätte eine Verwertung des Anteils zur Reduzierung der Unterbilanz beitragen können (siehe § 33 Rn. 85 und § 30 Rn. 14, 65 [Thiessen]).

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d) Teileinziehung Sind die vorgenannten kapitalschutzrechtlichen Voraussetzungen gewahrt, ist bei entsprechender Satzungsklausel auch eine Teileinziehung von Anteilen zulässig.95) Eine formale Teilung ist nicht erforderlich. Der Anteil muss allerdings auch bei Teileinziehung volleingezahlt sein (siehe Rn. 22), weil er nicht in einen eingezahlten und einen nicht eingezahlten aufgespalten werden kann. Im Übrigen ist die Teilung von Geschäftsanteilen durch das MoMiG erleichtert worden (§ 5 Abs. 2 Satz 1; Streichung des § 17 a. F.; zu § 5 Abs. 3 Satz 2 siehe Rn. 52 ff), kann also bei Bedarf bis zur Grenze der 1 ¼-Stückelung erfolgen. 5.

25

(Un-)Entgeltliche Einziehung

Die Abfindung ist keine formale Voraussetzung der Einziehung.96) Das Gesetz geht in § 34 Abs. 3 allerdings davon aus, dass die Einziehung regelmäßig gegen Abfindung erfolgt, da nur eine entgeltliche Einziehung die Kapitalerhaltung berühren kann.

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Der Geschäftsanteil ist ein dem Gesellschafter zustehender Vermögenswert, der ihm grundsätzlich (Ausnahmen siehe Rn. 81 f) nicht unentgeltlich entzogen werden darf.97) Die Interessenlage ist hier ähnlich wie bei § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB. Bei der freiwilligen Einziehung gemäß § 34 Abs. 1 kann der Gesellschafter die Konditionen

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_____________ 91) OLG Hamm, NZG 1999, 599, 600, insoweit nicht aufgehoben durch BGHZ 144, 365 = ZIP 2000, 1294 = GmbHR 2000, 822, dazu EWiR 2000, 943 (Casper). 92) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 26. 93) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 34 Rn. 13; Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 17; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 25; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 39; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/ Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 25; zur alten Rechtslage Ulmer/Habersack/Winter-Ulmer, GmbHG, 1. Aufl. 2006, § 34 Rn. 25. 94) Daher a. A. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 34 Rn. 13; Strohn in: MünchKommGmbHG, § 34 Rn. 89. 95) Auch zum Folgenden Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 20 f; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 34 Rn. 39; Rowedder/Schmidt-LeithoffGörner, GmbHG, § 34 Rn. 74; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 40; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 24; Strohn in: MünchKommGmbHG, § 34 Rn. 90 f. 96) Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 46. 97) Auch zum Folgenden Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 25 f; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 46 ff; ScholzH. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 23 ff.

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Einziehung von Geschäftsanteilen

selbst aushandeln und hiervon seine Zustimmung (siehe Rn. 8) abhängig machen.98) Diese Möglichkeit fehlt bei der zwangsweisen Einziehung (siehe Rn. 10), der häufig ein Ausschluss oder Austritt aus wichtigem Grund vorausgeht (siehe Rn. 2). Hier kann der Gesellschafter abhängig von seiner Stellung in der Gesellschaft lediglich die Abfindungsklausel (siehe Rn. 81 ff) beeinflussen, die bereits im Zeitpunkt der Vereinbarung (siehe Rn. 86 ff), häufiger aber im Zeitpunkt der Einziehung (siehe Rn. 89 f) durch die wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft überholt sein kann. 28

Die Abfindungsklauseln sind (schieds-)gerichtlich überprüfbar (siehe Rn. 83 ff) und daher für vorsorgende Vertragsgestaltung ebenso wie für nachträgliche Konfliktbewältigung sehr praxisrelevant. Die Abfindungsklausel begründet indes nicht den ohnedies bestehenden Anspruch, sondern bestimmt lediglich seine Grenzen.99) Daher macht die etwaige Unwirksamkeit der Abfindungsklausel die Einziehungsklausel nicht automatisch unwirksam.100) Abfindungsklauseln können freilich nicht nur wegen Gesellschafterbenachteiligung, sondern auch wegen Gläubigerbenachteiligung unwirksam sein (siehe Rn. 91 f). Von der Unwirksamkeit der statutarischen Einziehungs- und Abfindungsklauseln zu unterscheiden ist die Frage, ob der Einziehungsbeschluss wegen Problemen bei der Abfindungszahlung schwebend unwirksam oder nichtig ist (siehe Rn. 32 ff). III. Durchführung der Einziehung 1.

Einziehungsbeschluss

a) Zuständigkeit 29

Die Einziehung liegt in der Kompetenz der Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 4), die gemäß § 47 Abs. 1 mit einfacher Mehrheit entscheidet, sofern die Satzung nicht andere Anforderungen stellt.101) Nach bestrittener Ansicht kann (§ 45 Abs. 2) die Einziehung auf gesetzlich oder statutarisch vorgesehene Organe (Geschäftsführer, Aufsichtsrat, Schiedsorgan),102) nicht aber auf außenstehende Personen übertragen werden, da diese abgesehen von deliktischer Verantwortlichkeit (§ 826 BGB) _____________ 98) Beispiel bei RGZ 150, 28, 29: Abfindung durch Grundstücksübereignung mit Wertausgleich seitens des Gesellschafters, zu den kapitalschutzrechtlichen Grenzen siehe § 30 [Thiessen]. 99) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 39. 100) BGHZ 65, 22, 29 = GmbHR 1975, 227 = NJW 1975, 1835; BGH, NJW 1977, 2316, 2317 = GmbHR 1978, 131 = DB 1978, 77; OLG Hamm, NZG 1999, 599, 600, insoweit nicht aufgehoben durch BGHZ 144, 365 = ZIP 2000, 1294 = GmbHR 2000, 822, dazu EWiR 2000, 943 (Casper); OLG Nürnberg, NJW-RR 2001, 403, 404 = GmbHR 2001, 108. 101) Zur Auslegung des satzungsmäßigen Einstimmigkeitserfordernisses OLG Hamm, NZG 1999, 599, insoweit nicht aufgehoben durch BGHZ 144, 365 = ZIP 2000, 1294 = GmbHR 2000, 822, dazu EWiR 2000, 943 (Casper). 102) Für den Aufsichtsrat einer genossenschaft(-sähn-)lich verfassten Gesellschaft LG Heilbronn, GmbHR 1994, 322; für ein „Schiedsgericht“ im untechnischen Sinne BGHZ 43, 261, 265 = DB 1965, 624 = NJW 1965, 1378; weitergehend auch für Geschäftsführer Lutter/ Hommelhoff-Lutter, GmbHG, § 34 Rn. 20 f; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 105 f; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 6, 41 ff; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 115; gegen Übertragung auf Geschäftsführer Rowedder/Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, § 34 Rn. 14 im Anschluss an Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rn. 5; diff. nach Einfluss der Gesellschafter Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 24 – 26.

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nicht zur Rücksicht auf die Interessen der Gesellschaft verpflichtet sind.103) Da die Wirkungen der Einziehung (siehe Rn. 48 ff) im Einzelfall abzuwägen sind, darf der Gesellschaftsvertrag selbst unter konkreten Voraussetzungen keine automatische Einziehung anordnen.104) Allerdings lässt sich ein Gesellschafterbeschluss über die „Beendigung der Gesellschafterstellung“ als Einziehungsbeschluss auslegen.105) b) Stimmrechtsausschluss Soll die zwangsweise Einziehung beschlossen werden, hat der betroffene106) Gesellschafter kein Stimmrecht in eigener Sache (§ 47 Abs. 4 Satz 2),107) muss aber vor dem Beschluss gehört werden, sodass er von der Teilnahme an der Gesellschafterversammlung nicht ausgeschlossen werden108) und sich eines Vertreters bedienen darf109),110) Von der Abstimmung ausgeschlossen sind zugleich alle Gesellschafter, denen ihrerseits ein zur Einziehung berechtigendes Verhalten vorgeworfen wird oder _____________ 103) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 115; weitergehend Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 106. 104) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 34 Rn. 17 sowie eingehend Michalski/Heidinger/ Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 101 f; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 49 f; einschränkend dafür Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 118 – Voraussetzungen: präzise Einziehungsgründe, Wirksamkeit unabhängig von Abfindung, Kapitalschutz; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 28; tendenziell a. A. OLG Hamm, GmbHR 1988, 308, 309, dazu EWiR 1988, 267 (Fleck); BGH, ZIP 2003, 1544, 1546 = GmbHR 2003, 1062, 1064 = DB 2003, 2058, dazu EWiR 2003, 1087 (Weipert); offen BGH, GmbHR 1977, 81, 82 = DB 1977, 342 = WM 1977, 192. Im Fall BGH, WM 1976, 204 stand die Einziehung unter dem Vorbehalt einer Satzungsänderung. 105) BGH, ZIP 1995, 835 = GmbHR 1995, 377 = NJW-RR 1995, 667, dazu EWiR 1995, 477 (Fleck). 106) Ebenso Anteilsinhaber, für die der Betroffene Stimmrechtsvollmacht hat, RGZ 146, 385, 391; a. A. für nicht rechtlich gebundene Konsorten des Betroffenen BGHZ 153, 285, 292 ff = ZIP 2003, 395, 397 f = GmbHR 2003, 351, dazu EWiR 2003, 329 (Wilhelmi); vgl. BGHZ 36, 296, 299 = DB 1962, 298 = WM 1962, 236; BGHZ 56, 47, 53 = GmbHR 1971, 254 = WM 1971, 595. 107) Zweifelnd an der unmittelbaren Anwendbarkeit des § 47 Abs. 4 Satz 2 auf die Einziehung als Rechtsgeschäft BGH, GmbHR 1977, 81, 82 = DB 1977, 342 = WM 1977, 192; zum ergebnisgleichen Verbot, als Richter in eigener Sache abzustimmen: BGHZ 9, 157, 176 = NJW 1953, 780, 784 = GmbHR 1953, 72 für Abstimmung über Erhebung einer Ausschließungsklage, bestätigt in: BGH, ZIP 2003, 435 = GmbHR 2003, 355 = DB 2003, 551; ebenso OLG Stuttgart, GmbHR 1989, 466 = WM 1989, 1252; OLG Celle, NJW-RR 1998, 175, 176 = GmbHR 1998, 140 m. w. N. 108) BGH, GmbHR 1971, 207 = DB 1971, 1855 = NJW 1971, 2225; OLG Dresden, GmbHR 1997, 946, dazu Goette, DStR 1997, 1257, 1259 (Urteilsanm.); OLG Hamm, NJW-RR 1998, 967, 969 = GmbHR 1998, 138 = DB 1998, 250; OLG München, NZG 1998, 383, 384; OLG Dresden, GmbHR 2016, 1149, 1150 f. = ZIP 2016, 2062 = DB 2016, 2222, dazu EWiR 2017, 139 (Trölitzsch/Haak); zur Genossenschaft BGHZ 132, 84, 89 ff = ZIP 1996, 674, 676 f = DB 1996, 1273; zur Erörterung der Einziehungsgründe in der Zweipersonengesellschaft OLG München, NJW-RR 1994, 496, 497 = GmbHR 1994, 251 = DB 1993, 2477; zum Nachschieben von Einziehungsgründen bei der Zweipersonengesellschaft OLG Nürnberg, NJW-RR 2001, 403, 404 = GmbHR 2001, 108. 109) BGH, ZIP 1989, 634 = GmbHR 1989, 120 = DB 1989, 272, dazu EWiR 1989, 271 (Roth); OLG Dresden, GmbHR 2016, 1149, 1151 = ZIP 2016, 2062 = DB 2016, 2222, dazu EWiR 2017, 139 (Trölitzsch/Haak). 110) Näher Bayer, GmbHR 2017, 665 ff.

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Einziehung von Geschäftsanteilen

in deren Person ein objektiver Einziehungsgrund gegeben ist.111) Relevant ist dies für die praktisch häufigen wechselseitigen Hinauskündigungsversuche.112) Ist ein Einziehungsgrund gegeben, dürfen sich die Mitgesellschafter einem Einziehungsbeschluss nicht verweigern.113) Ist bei allen oder mehreren Gesellschaftern ein Einziehungsgrund gegeben, darf die Einziehung nicht ohne sachlich gerechtfertigten Differenzierungsgrund nur gegen einen oder bestimmte Gesellschafter gerichtet werden.114) Soweit die Zwangseinziehung ausnahmsweise nicht ad personam motiviert ist, wird verbreitet ein Stimmrecht des Betroffenen befürwortet.115) Diese Differenzierung ist abzulehnen, weil der Betroffene auch in dieser Situation befangen ist, wenn über seinen Anteil abgestimmt wird. Daran fehlt es nur, wenn es um eine die Kapitalherabsetzung vermeidende Teileinziehung (siehe Rn. 25) geht, von der alle Gesellschafter betroffen sind.116) 31

Bei der freiwilligen Einziehung ist ein generelles Stimmverbot zweifelhaft,117) weil der Anteilsinhaber ohnehin zur Mitwirkung – wenn auch nicht notwendig am Einziehungsbeschluss118) – berufen ist.119) Von der Abstimmung ausgeschlossen ist der Anteilsinhaber aber jedenfalls, soweit es um seine Abfindung geht.120) Der Anteilsinhaber ist dadurch hinreichend geschützt, dass er seine Zustimmung zur Einziehung von einer zufriedenstellenden Abfindung abhängig machen kann (siehe Rn. 8, 27). c) Einziehungsbeschluss und Abfindung

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Die Abfindung (siehe Rn. 26 ff, 78 ff) muss nur dann im Einziehungsbeschluss (siehe Rn. 29 ff) festgesetzt sein, wenn der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht.121) Auch eine unwirksame Abfindungsklausel berührt nicht die Gültigkeit eines darauf gestützten Einziehungsbeschlusses.122) Umgekehrt kann die Satzung und dementsprechend _____________ 111) Vgl. BGHZ 16, 317, 322 = GmbHR 1955, 127 = NJW 1955, 667; BGHZ 80, 346, 351 = ZIP 1981, 985 = NJW 1981, 2302; BGH, NJW-RR 1990, 530, 531 = GmbHR 1990, 162 = DB 1990, 929, dazu EWiR 1990, 999 (Neis-Schiebner); zu § 46 Nr. 8: BGHZ 97, 28, 33 f = ZIP 1986, 429 = GmbHR 1986, 156, dazu EWiR 1986, 371 (Hommelhoff). 112) Eingehend zur Zweipersonengesellschaft Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 93 ff; siehe auch LG Heidelberg, Urt. v. 9.5.2018 – 12 O 19/18 KfH, juris, Rn. 33. 113) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 43; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 44. 114) OLG Naumburg, GmbHR 2014, 714, 716. 115) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 34 Rn. 14; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 34 Rn. 72 ff; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 43. 116) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 52. 117) Dagegen Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 43; Strohn in: MünchKommGmbHG, § 34 Rn. 19. 118) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 21. 119) So obiter selbst zur zwangsweisen Einziehung BGH, GmbHR 1977, 81 = DB 1977, 342 = WM 1977, 192. 120) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 108; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 51; tendenziell auch Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 34 Rn. 14 Fn. 79. 121) BGH, ZIP 1995, 835, 836 = GmbHR 1995, 377 = NJW-RR 1995, 667, dazu EWiR 1995, 477 (Fleck). 122) OLG Nürnberg, NJW-RR 2001, 403, 404 = GmbHR 2001, 108.

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Einziehung von Geschäftsanteilen

der Einsetzungsbeschluss vorsehen, dass die Einziehung unabhängig von einer etwaigen Abfindung sofort wirksam wird;123) ggf. unter einer aufschiebenden Bedingung, dass etwa der Anteilsinhaber einer Anteilsübertragung nicht innerhalb einer satzungsmäßigen Frist zustimmt.124) Grundsätzlich (aber siehe Rn. 36) ist die sofortige Wirksamkeit die rechtssicherste und effizienteste125) Lösung. Der Gesellschafter scheidet aus und kann um die Abfindung prozessieren,126) kann aber nicht mehr in das operative Geschäft der Gesellschaft eingreifen. Bei entsprechender Satzungsklausel wird der Gesellschafter hierdurch nicht benachteiligt, weil er sich entweder bereits bei seinem Beitritt oder aber bei einem nachträglichen Beschluss über eine zur Zwangseinziehung berechtigenden Satzungsänderung (siehe Rn. 4, 6) auf dieses Verfahren und damit auf das Verlustrisiko eingelassen hat.

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Aus Gründen der Rechtssicherheit ist der Einziehungsbeschluss entgegen der bisher wohl h. L.127) aber auch dann sofort wirksam, wenn die Satzung (und dementsprechend der Einziehungsbeschluss) zum Verhältnis von Einziehung und Abfindung schweigt.128) Die Einziehung steht dann nicht unter der aufschiebenden Bedin-

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_____________ 123) So für Austritt und Ausschluss eines Gesellschafters BGH, ZIP 2003, 1544, 1546 = GmbHR 2003, 1062 = DB 2003, 2058, dazu EWiR 2003, 1087 (Weipert); BGH, ZIP 2009, 314 = GmbHR 2009, 313 = DB 2009, 340, dazu EWiR 2009, 267 (Schodder); BGH, ZIP 2011, 1104, 1106 = NJW 2011, 2294 = DB 2011, 1517, dazu EWiR 2011, 537 (Schult/ Wahl); OLG Nürnberg, ZEV 2008, 604, 605 m. Anm. Langenfeld; OLG München, ZIP 2011, 2148, 2149 f = GmbHR 2011, 1040 = DStR 2011, 1673, dazu EWiR 2011, 747 (Lieder), insoweit nicht überholt durch BGH, ZIP 2014, 873 = GmbHR 2014, 534 = NZG 2014, 541, dazu EWiR 2014, 581 (Schodder). 124) OLG Dresden, NZG 2000, 429, 430 = GmbHR 2000, 435 = DB 2000, 267. 125) Eingehende transaktionenökonomische Effizienzanalyse bei Tröger in: VGR 19 (2014), S. 23, 31 ff. 126) So bereits BGH, NJW 1977, 2316, 2317 = GmbHR 1978, 131 = DB 1978, 77 unter Hinweis auf BGHZ 65, 22, 29 = GmbHR 1975, 227 = NJW 1975, 1835; BGH, NJW 1973, 1606, 1607; bestätigt in BGHZ 192, 236 = ZIP 2012, 422, 425 = GmbHR 2012, 387, dazu EWiR 2012, 177 (Lutter); ebenso für (aktienrechtliche) Beschlussmängelklage BGHZ 189, 32, 34 f = ZIP 2011, 1055, 1056 = DB 2011, 1212, dazu EWiR 2011, 329 (Goslar); zum Streit allein über die Höhe der Abfindung Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 34 Rn. 41. 127) Vgl. nur Michalski-Sosnitza, GmbHG, 2. Aufl. 2019, § 34 Rn. 79; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 51, 55; jeweils m. w. N.; siehe nun aber Michalski/Heidinger/Leible/ J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 83 f. 128) BGHZ 192, 236 = ZIP 2012, 422, 423 ff = GmbHR 2012, 387, dazu krit. EWiR 2012, 177 (Lutter), zust. Priester, ZIP 2012, 658; Grunewald, GmbHR 2012, 769; OLG Dresden, ZIP 2016, 720, 721 = GmbHR 2016, 56, 57 = NZG 2016, 385, dazu EWiR 2016, 231 (Wachter); ebenso zuvor bereits KG Berlin, ZIP 2006, 1098, 1099 = DB 2006, 1782 = NZG 2006, 437, Revision eingelegt unter II ZR 76/06; OLG München, ZIP 2011, 2148, 2150 = GmbHR 2011, 1040 = DStR 2011, 1673, dazu EWiR 2011, 747 (Lieder), insoweit nicht überholt durch BGH, ZIP 2014, 873 = GmbHR 2014, 534 = NZG 2014, 541, dazu EWiR 2014, 581 (Schodder); OLG Frankfurt/M., GmbHR 2011, 1320, 1323 f; Pentz in: FS Ulmer, S. 451, 471 f.

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Einziehung von Geschäftsanteilen

gung der Abfindungszahlung.129) Denn entweder findet der Gesellschafter die Einziehungsvoraussetzungen bei seinem Beitritt vor (Abs. 2), oder er hat an deren Änderung mitgewirkt (siehe Rn. 4, 6; ebenso siehe Rn. 37). Auch eine aufschiebende Bedingung erhält dem Gesellschafter nicht den ungeschmälerten Vermögenswert seiner Mitgliedschaft, die er nach der hier vertretenen Auffassung gegen eine im Hinblick auf § 30 unsichere Forderung gegen die Gesellschaft eintauschen müsse.130) Denn ist die Abfindungsforderung wegen einer Unterbilanz entwertet, dann ist es auch die Mitgliedschaft, soweit die Einziehung nicht von vornherein nichtig ist (siehe Rn. 36 f).131) 35

Soll hingegen nach der Satzung ausdrücklich die Einziehung erst mit Zahlung der Abfindung wirksam werden, ist auch dies eine rechtssichere Lösung. Sie führt allerdings dazu, dass der Gesellschafter formal bis zur Zahlung mit allen Rechten in der Gesellschaft verbleibt,132) jedoch seine Rechte als „Gesellschafter auf Abruf“ allein zur Erhaltung seiner Abfindung ausüben darf.133) Zum gleichen Ergebnis kommt die bisher h. L., wenn eine Satzungsklausel über die sofortige Wirksamkeit fehlt (siehe Rn. 34).

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Sämtliche Lösungen stehen unter dem Vorbehalt des Kapitalschutzes (Abs. 3; siehe Rn. 20 f). In keinem Fall darf nämlich die Abfindung zulasten des gebundenen Vermögens (§§ 30, 33) gehen. Daher ist der Einziehungsbeschluss nichtig134) – ebenso ein isolierter Abfindungsbeschluss –, wenn bereits bei der Beschlussfassung feststeht, dass die Abfindung zulasten des gebundenen Vermögen geht und der Beschluss nicht klarstellt, dass die Zahlung erst bei Vorhandensein ungebundenen Vermögens erfolgen darf.135) Dies gilt auch dann, wenn die Gesellschaft über stille Reserven _____________ 129) A. A. vor der Rechtsprechungsänderung zuletzt OLG Düsseldorf, ZIP 2007, 1064 = GmbHR 2007, 538 = DB 2007, 622, dazu offen der Hinweisbeschluss BGH, ZIP 2008, 1381 = GmbHR 2008, 765 = DStR 2008, 2120 m. Anm. Goette; wie das OLG Düsseldorf für die „entgeltliche Einziehung“ bereits RGZ 142, 286, 290 f; BGHZ 9, 157, 173 = NJW 1953, 780, 783 = GmbHR 1953, 72; OLG Frankfurt/M., ZIP 1997, 644, 645 f = GmbHR 1997, 171 = DB 1997, 219, dazu EWiR 1997, 301 (H. P. Westermann); OLG Zweibrücken, MittBayNot 1998, 195, 196 f, dazu der Nichtannahmebeschluss BGH, DStR 1997, 1336 m. Anm. Goette; OLG Köln, NZG 1999, 1222 f = GmbHR 1999, 712; OLG Schleswig, NZG 2000, 703, 704; OLG Dresden, GmbHR 2001, 1047; diff. nach Ausschließungsklage (durch Abfindung aufschiebend bedingte Wirkung) und Zwangseinziehung bzw. Ausschließungsbeschluss (unbedingte Wirkung) Heidinger/Blath, GmbHR 2007, 1184. 130) So aber OLG Köln, NZG 1999, 1222 = GmbHR 1999, 712. 131) Ähnlich bereits Kolb, NZG 2007, 815, 817. 132) OLG Frankfurt/M., ZIP 1997, 644, 645 = GmbHR 1997, 171 = DB 1997, 219, dazu EWiR 1997, 301 (H. P. Westermann) unter Hinweis auf BGHZ 88, 320, 325 = ZIP 1983, 1444 = GmbHR 1984, 93; KG Berlin, DNotZ 2006, 304, 305 zur Kombination von sofortiger Wirksamkeit mit dem Vorbehalt der Zahlbarkeit einer kapitalschutzkonformen Abfindung. 133) Zum Austritt, der durch Einziehung oder Anteilserwerb umgesetzt werden muss, BGH, ZIP 2010, 324, 326 = GmbHR 2010, 256 = DB 2010, 323, dazu EWiR 2010, 405 (Podewils), im Anschluss an BGHZ 88, 320, 328 = ZIP 1983, 1444 = GmbHR 1984, 93. 134) Anfechtbar nach OLG Celle, NJW-RR 1998, 175, 176 = GmbHR 1998, 140. 135) BGHZ 144, 365, 369 f = ZIP 2000, 1294, 1296 = GmbHR 2000, 822, dazu EWiR 2000, 943 (Casper); BGH, DStR 2001, 1898; BGH, DStR 2006, 1900, 1901; BGH, ZIP 2009, 314 = GmbHR 2009, 313 = DB 2009, 340, dazu EWiR 2009, 267 (Schodder); BGHZ 192, 236 = ZIP 2012, 422, 423 = GmbHR 2012, 387, dazu EWiR 2012, 177 (Lutter), insoweit krit. Priester, ZIP 2012, 658, 659 f; Altmeppen, ZIP 2012, 1685, 1691; Schockenhoff, NZG 2012, 449, 452; Tröger in: VGR 19 (2014), S. 23, 69 ff.

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verfügt, deren Auflösung ihr die Bezahlung des Einziehungsentgelts ermöglichen würde.136) Zeigt sich die Unterbilanz nach Beschlussfassung, aber noch vor Auszahlung, so ist der Einziehungsbeschluss nach der hier vertretenen Lösung (siehe Rn. 34) wirksam137) und auch nicht anfechtbar.138) Der ausgeschiedene Gesellschafter kann seinen – ggf. über eine zulässige Teilabfindung139) hinausgehenden – Zahlungsanspruch erst durchsetzen, wenn die Unterbilanz beseitigt ist (siehe § 31 Rn. 29, 117 [Thiessen]) – unter Umständen also nie.140) Zum sonstigen Rechtsschutz bei fehlerhafter Einziehung siehe Rn. 40 ff. Die Gläubiger werden somit zulasten der Gesellschaft und (bei isoliert wirksamer Einziehung) zulasten des Gesellschafters geschützt. Dies ist nach der klaren Aussage des Absatzes 3 hinzunehmen. Die Abfindung aus gebundenem Vermögen ist eine verbotene Zahlung, die der Gesellschafter, mag die Einziehung wirksam sein oder nicht, der Gesellschaft erstatten muss. Wie auch sonst bei § 30 ist der Geschäftsführer berechtigt und verpflichtet, eine solche Auszahlung zu verweigern (siehe § 30 Rn. 41 [Thiessen]). Das Risiko, stammkapitalrelevantes Gesellschaftsvermögen weder erhalten noch behalten zu dürfen, ist die für jeden GmbH-Gesellschafter erkennbare Geschäftsgrundlage seines Beitritts. Akzeptiert er eine statutarische Einziehungsklausel, ohne dass bei ausbleibender Abfindung zumindest die Mitgliedschaft gesichert ist (siehe Rn. 4, 6, 32 f), geht er das doppelte Verlustrisiko selbst ein.141) Kann umgekehrt eine statutarisch von der Abfindung abhängige Einziehung (siehe Rn. 35) wegen § 30 Abs. 1 nicht durchgeführt werden, ist dies gleichfalls ein für alle Beteiligten vorhersehbares Risiko, das den Abfindungsberechtigten nicht dazu berechtigt, die Auflösung der Gesellschaft zu betreiben,142) der er unter Umständen schon nicht mehr angehört.143) Der Gesellschafter ist daher im eigenen Interesse gehalten, seinen Abfindungsanspruch schnellstmöglich durchzusetzen, sofern die Vermögenslage der Gesellschaft dies zulässt, und im Übrigen rechtzeitig verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen.144) Unberührt bleibt die Möglich_____________ 136) BGH, GmbHR 2018, 961, 962 f. = ZIP 2018, 1540 = DB 2018, 1912, dazu EWiR 2018, 647 (Göretzlehner/Hempel). 137) So Pentz in: FS Ulmer, S. 451, 471 f; im Ausgangspunkt zust., jedoch mit alternativer Lösung (dazu unten Rn. 39) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 62 ff. 138) Insoweit a. A. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 34 Rn. 41. 139) Diese darf der Anteilsinhaber entgegen der h. M. behalten, Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl. 2012, § 34 Rn. 24. 140) Sehr krit. gegen die damit mögliche entschädigungslose Einziehung Ulmer/Habersack/ Winter-Ulmer, GmbHG, 1. Aufl. 2006, § 34 Rn. 64. 141) A. A. OLG Schleswig, NZG 2000, 703, 704 f; mit Blick auf die Gefahr ex post-opportunistischen Verhaltens der verbleibenden Gesellschafter Tröger in: VGR 19 (2014), S. 23, 33. 142) Eingehend krit. zu entsprechenden Vorschlägen mit allen Nachweisen ScholzH. P. Westermann, GmbHG, Bd. 1, 11. Aufl. 2012, § 34 Rn. 57 f. 143) Scholz-Seibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 22. 144) OLG München, ZIP 2011, 2148, 2150 = GmbHR 2011, 1040 = DStR 2011, 1673, dazu EWiR 2011, 747 (Lieder), insoweit nicht überholt durch BGH, ZIP 2014, 873 = GmbHR 2014, 534 = NZG 2014, 541, dazu EWiR 2014, 581 (Schodder); zur Verjährung des Abfindungsanspruchs und des Einsichtsrechts gemäß § 810 BGB (Rn. 97) OLG Hamm, DStR 2008, 1746.

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keit einer Kapitalherabsetzung (§ 58) und einer statutarischen Abtretungsverpflichtung ohne Belastung des Gesellschaftsvermögens (siehe Rn. 46). 38

Dieser strengen Trennung von Einziehung und Abfindung werden vielfach mildere Alternativlösungen entgegengehalten, die aber gleichfalls umstritten sind. So besteht entgegen der Ansicht des Bundesgerichtshofs145) ohne entsprechende Satzungsklausel146) weder Grund noch rechtliche Handhabe, die Mitgesellschafter für die gemäß § 30 unzulässige Zahlung pro rata persönlich haften zu lassen,147) gleichsam als sei der Gesellschafter der Gläubiger eines Anspruchs aus § 30 Abs. 1, für den die Mitgesellschafter gemäß § 31 Abs. 3 einstehen müssten.148) Bedenklich ist neben der Inhaftnahme dissentierender Gesellschafter149) insbesondere der damit verbundene Liquidationsanreiz.150) Den Gesellschaftern steht es selbstverständlich frei, den Inhaber des einzuziehenden Anteils auf eigene Kosten und ohne Regressvorbehalt gegenüber der Gesellschaft abzufinden.151) Entziehen die Mitgesellschafter einem der „ihren“ hingegen grundlos die Mitgliedschaft, so mag die mindestens fahrlässige Verletzung dieses sonstigen Rechts152) die Mitgesellschafter gemäß § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichten, falls dem Betroffenen nach erfolgreicher Klage (siehe Rn. 40 ff) ein Schaden verbleiben sollte. Spekulieren die verbliebenen Gesellschafter zu Lasten des Abfindungsanspruchs des ausgeschiedenen Gesellschafters, ist dieser nur über § 826 BGB geschützt.153) Dies ist insbesondere denkbar, wenn _____________ 145) BGHZ 192, 236 = ZIP 2012, 422, 424 f = GmbHR 2012, 387, dazu krit. EWiR 2012, 177 (Lutter); BGH, GmbHR 2018, 961, 963 = ZIP 2018, 1540 = DB 2018, 1912, dazu EWiR 2018, 647 (Göretzlehner/Hempel). 146) Eine solche wäre einstimmig zu beschließen, Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 18. 147) So aber Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 34 Rn. 24; Goette in: FS Lutter, S. 399, 405 ff, 410 f; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 77; krit. Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 34 Rn. 45 ff, Anh. § 34 Rn. 12; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 58; Scholz-Seibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 22, 44; Pentz in: FS Ulmer, S. 451, 469 ff; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 63. 148) Zur ungeklärten Haftungsgrundlage eingehend J. Schmidt, GmbHR 2013, 953, 954 ff, die selbst von offener Rechtsfortbildung ausgeht; krit. dazu Tröger in: VGR 19 (2004), S. 23, 35 mit umfassender Würdigung der divergierenden Begründungen, der selbst die Ausfallhaftung der Mitgesellschafter transaktionskostenökonomisch als Absicherung des Ausscheidenden gegen den Ex-post-Opportunismus der Mitgesellschafter begründet; zweifelnd auch Kort, DB 2016, 2098, 2102; für Übertragung des personengesellschaftlichen Anwachsungsprinzips auf die GmbH eingehend Altmeppen, ZIP 2012, 1685, 1689 f; so anscheinend auch BGHZ 192, 236 = ZIP 2012, 422, 424 f = GmbHR 2012, 387, dazu krit. EWiR 2012, 177 (Lutter), der aber die Haftung wegen Treuepflichtverletzung in den Vordergrund stellt; für Durchgriffshaftung Schirrmacher, GmbHR 2016, 1077, 1080 f. 149) Eingehend krit. zur h. M. Gubitz/Nikoleyczik, NZG 2013, 727, 728 ff; für Haftung aller Gesellschafter mit unterschiedlicher Begründung etwa Altmeppen, ZIP 2012, 1685, 1691; Altmeppen, NJW 2013, 1025, 1029; J. Schmidt, GmbHR 2013, 953, 957 f; Schneider/Hoger, NJW 2013, 502, 506; Schockenhoff, NZG 2012, 449, 451 f; Tröger in: VGR 19 (2014), S. 23, 57. 150) Vgl. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl. 2012, § 34 Rn. 30 a. E.; Tröger in: VGR, 19 (2014), S. 23, 62 f. Dies in Kauf nehmend BGHZ 192, 236 = ZIP 2012, 422, 425 = GmbHR 2012, 387, dazu EWiR 2012, 177 (Lutter). 151) BGH, ZIP 2008, 1381 = GmbHR 2008, 765 = DStR 2008, 2120 m. Anm. Goette. 152) Vgl. Wagner in: MünchKomm-BGB, § 823 Rn. 306 ff. 153) A. A. Tröger in: VGR, 19 (2014), S. 23, 46 ff.

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die Mitgesellschafter eine ohne Weiteres mögliche Auflösung stiller Reserven unterlassen, um dem Abfindungsanspruch des Ausgeschiedenen anhand der fortgeschriebenen Buchwerte (siehe § 30 Rn. 22 ff [Thiessen]) den Einwand des § 30 Abs. 1 entgegenzuhalten. Der Bundesgerichtshof sieht hingegen im Nichtauflösen stiller Reserven auch bei der freiwilligen Einziehung154) einen Treupflichtverstoß, der ohne die Beschränkungen des Deliktsrechts eine Pro-rata-Haftung der Mitgesellschafter begründet.155) Die persönliche Haftung der Mitgesellschafter ist in zeitlicher Hinsicht rechtsunsicher, weil die Haftung der Mitgesellschafter an deren subjektives – deliktisches oder treuwidriges – Verhalten geknüpft wird. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs wird sie weder bereits mit dem Einziehungsbeschluss fällig, noch entsteht sie allein deshalb, weil die Gesellschaft später die fällige Abfindung gemäß § 34 Abs. 3, § 30 Abs. 1 GmbHG nicht auszahlen darf oder zumindest die Zahlung aus diesem Grund verweigert. Vielmehr soll die Mithaftung erst entstehen, wenn die Fortsetzung der Gesellschaft ohne die mögliche Abfindung des ausgeschiedenen Gesellschafters als treuwidrig anzusehen ist. Daran fehlt es, wenn eine treuwidrige Fortsetzung wegen Insolvenz(-reife) der Gesellschaft nicht möglich ist.156) Eine vergleichsweise sichere Abhilfe liegt darin, die zunächst wirksame Einziehung unter die auflösende Bedingung eines unbehebbaren Zahlungsverbots (§ 30 Abs. 1) bei Fälligkeit zu stellen.157) Da die Bedingung ex nunc wirken soll,158) wird freilich auch nach dieser Lösung Rechtssicherheit mit Rechtsverlusten des Gesellschafters – während der Schwebezeit – erkauft. Der tatsächliche Schwebezustand wird zudem verlängert, wenn der Gesellschafter die Abfindung erhalten hat und gemäß § 31 Abs. 5 bis zehn Jahre lang auf Rückzahlung in Anspruch genommen werden kann.159) Praktikabel ist der Kompromissvorschlag, dass der Gesellschafter seine Mitgliedschaftsrechte nicht ausüben darf, der Anteil aber erst Zug um Zug gegen Erhalt der Abfindung der Gesellschaft anheimfällt.160) _____________ 154) BGHZ 210, 186 = GmbHR 2016, 754, 756 = ZIP 2016, 1160 m. krit. Anm. Altmeppen, S. 1557 ff, dazu EWiR 2016, 393 (Priester); a. A. LG Aachen, ZIP 2015, 1439, 1441 = GmbHR 2015, 1089, 1090 f. = RNotZ 2015, 522. 155) BGHZ 192, 236 = ZIP 2012, 422, 424 f = GmbHR 2012, 387, dazu krit. EWiR 2012, 177 (Lutter); BGH, GmbHR 2018, 961, 963 = ZIP 2018, 1540 = DB 2018, 1912, dazu EWiR 2018, 647 (Göretzlehner/Hempel). 156) BGHZ 210, 186 = GmbHR 2016, 754, 756 = ZIP 2016, 1160, dazu EWiR 2016, 393 (Priester); insoweit übereinstimmend LG Aachen, ZIP 2015, 1439, 1442 = GmbHR 2015, 1089, 1091 = RNotZ 2015, 522. 157) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 64; Ulmer in: FS Priester, S. 775 ff; zust. Lutter/Hommelhoff-Lutter, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 34 Rn. 48 (s. nun aber Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 48, 48a). Ähnlich der – allerdings nicht ipso iure verwirklichte – Wiederaufnahmeanspruch nach Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, S. 243, 277. 158) Unberechtigt daher die Kritik des OLG Köln, NZG 1999, 1222, 1223 = GmbHR 1999, 712 und des OLG Schleswig, NZG 2000, 703, 705, dass eine Rückabwicklung nicht möglich sei; dogmatische Bedenken gegen die ex nunc-Wirkung wegen § 161 Abs. 2 BGB bei Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 59. 159) Goette in: FS Lutter, S. 399, 408. 160) So Baumbach/Hueck-Hueck/Fastrich, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 34 Rn. 43; i. E. auch Rowedder/Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, § 34 Rn. 64.

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d) Gerichtliche Überprüfbarkeit 40

Die Einziehung ist gerichtlich überprüfbar.161) Häufige Streitpunkte betreffen das Fehlen des Einziehungsgrundes, der zwar bei Beschlussfassung bereits vorliegen, jedoch erst im Verfahren vom zuständigen Organ (siehe Rn. 29) geltend gemacht werden muss,162) und den Ausschluss des Stimmrechts.163) Fehlerhafte Abfindungsklauseln berühren die Einziehung regelmäßig nicht (siehe Rn. 28), sofern nicht zum Schutz der Gläubiger der Einziehungsbeschluss (siehe Rn. 36) oder die zugrunde liegende Einziehungsklausel nichtig ist (siehe Rn. 91). Der für die Abfindung maßgebliche Anteilswert (siehe Rn. 79 f) bestimmt jedoch den Streitwert bei Einziehungsmängeln.164)

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Fehler des Einziehungsbeschlusses sind analog §§ 241 ff AktG durch Nichtigkeits- und Anfechtungsklage angreifbar. Namentlich Kapitalschutzverstöße (siehe Rn. 20 f) führen zur Nichtigkeit analog § 241 Nr. 3 AktG. Sonstige Beschlussmängel können der Anteilsinhaber, die Gesellschaft und überstimmte Gesellschafter analog §§ 243 ff AktG anfechten.165) Vorläufiger Rechtsschutz gegen mutmaßlich nichtige oder anfechtbare Einziehungsbeschlüsse ist nur in engen Grenzen möglich. Grundsätzlich kann der seiner Ansicht nach nicht wirksam ausgeschiedene Gesellschafter im Verfügungsverfahren weder durchsetzen, dass eine Gesellschafterliste zum Handelsregister gereicht wird, die ihn weiterhin als Gesellschafter aufführt, noch dass er bis zur Entscheidung in der Hauptsache weiterhin als Gesellschafter zu behandeln sei, da hierdurch die Hauptsache unzulässigerweise vorweggenommen würde und die Gefahr eines irreversiblen Rechtsverlusts nur ausnahmsweise besteht.166) Erfolgt die Einziehung während einer schwebenden Veräußerung, d. h. vor Eintragung des Erwerbers in die Gesellschafterliste (§§ 16 Abs. 1, 40), ist nach Eintragung der Erwerber klagebefugt.167) Zu beachten sind die Fristen des § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG168) und (zumindest als Leitbild zur Bestimmung der Rechtsmissbrauchsgrenze) _____________ 161) Eingehend auch zum Folgenden Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 30, 46 ff; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 83 ff. 162) BGH, ZIP 1995, 835, 836 = GmbHR 1995, 377 = NJW-RR 1995, 667, dazu EWiR 1995, 477 (Fleck). 163) Zur (fehlenden) Kausalität des Abstimmungsverhaltens BGH, NJW-RR 1990, 530, 531 = GmbHR 1990, 162 = DB 1990, 929, dazu EWiR 1990, 999 (Neis-Schiebner). 164) BGH, ZIP 2001, 1734, 1735 = GmbHR 2001, 576 = DB 2001, 2438; BGH, NZG 2009, 518 = DStR 2009, 339. 165) OLG München, ZIP 2011, 2148, 2149 = GmbHR 2011, 1040 = DStR 2011, 1673, dazu EWiR 2011, 747 (Lieder), insoweit nicht überholt durch BGH, ZIP 2014, 873 = GmbHR 2014, 534 = NZG 2014, 541, dazu EWiR 2014, 581 (Schodder); zu Rechtsmissbrauchseinwänden beider Seiten BGHZ 101, 113, 120 = ZIP 1987, 1251, 1253 = GmbHR 1988, 18; OLG Hamm, GmbHR 1994, 256 (dagegen aber der Nichtannahmebeschluss BGH, DStR 1994, 368 m. Anm. Goette); BGH, ZIP 1995, 835, 836 f = GmbHR 1995, 377 = NJW-RR 1995, 667, dazu EWiR 1995, 477 (Fleck). 166) KG, ZIP 2016, 1166 ff. = GmbHR 2016, 416, 417 ff, dazu EWiR 2016, 555 (Vosberg/ Klawa): näher Kleindiek, GmbHR 2017, 815, 816 ff. 167) Zu § 16 a. F. OLG Hamm, DStR 1993, 1032, 1033 m. Anm. Goette; OLG Düsseldorf, NJWRR 1996, 607, 610 ff = GmbHR 1996, 443 = DB 1996, 568, dazu EWiR 1996, 361 (Dreher). 168) BGHZ 80, 212 = ZIP 1981, 609 m. Anm. K. Schmidt = GmbHR 1982, 67; BGH, WM 1984, 473 = AG 1984, 149; BGHZ 116, 359, 368 f = ZIP 1992, 237, 242 = GmbHR 1992, 257, dazu EWiR 1992, 321 (Wiedemann); BGHZ 144, 365, 367 = ZIP 2000, 1294, 1295 f = GmbHR 2000, 822, dazu EWiR 2000, 943 (Casper).

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§ 34

Einziehung von Geschäftsanteilen

des § 246 AktG.169) Wird der Beschluss nicht begründet, kann der Gesellschafter die Frist analog § 246 AktG dadurch wahren, dass er erst im Anfechtungsprozess nach Darlegung der Einziehungsgründe durch die Gesellschaft hierzu vorträgt.170) Die Heilung von Kapitalschutzverstößen analog § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG ist umstritten (siehe Rn. 92). Im Übrigen können der Gesellschafter bzw. die Gesellschaft feststellen lassen, dass die satzungsmäßigen Voraussetzungen der Einziehung (nicht) vorlagen.171) Der Beschluss ist dann für unwirksam zu erklären.172) Für Fehler bei der Beschlussdurchführung gilt § 256 ZPO,173) soweit nicht in Bezug auf die Abfindung die Leistungsklage Vorrang hat.174) Die allgemeine Feststellungsklage ist außerdem eröffnet für Einziehungsentscheidungen eines anderen Organs als der Gesellschafterversammlung (siehe Rn. 29). Nach den gleichen Grundsätzen angreifbar sind die zugrunde liegenden Mängel der ursprünglichen Satzung.175) Beschlussmängelstreitigkeiten sind bei hinreichender statutarischer Schiedsvereinbarung oder entsprechender einstimmiger Individualabrede und bei hinreichendem Rechtsschutz schiedsfähig.176) Wird ein fehlerhafter Beschluss vollzogen, ist der Beschluss nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft bis zur Nichtigerklärung als wirksam zu behandeln und der Gesellschafter erst ex nunc wieder aufzunehmen.177) _____________ 169) BGHZ 101, 113, 117 = ZIP 1987, 1251 = GmbHR 1988, 18; BGHZ 104, 66, 71 = ZIP 1988, 703 = GmbHR 1988, 304; BGH, ZIP 1989, 634, 637 = GmbHR 1989, 120 = DB 1989, 272, dazu EWiR 1989, 271 (Roth); BGHZ 111, 224, 225 = ZIP 1990, 784 = GmbHR 1990, 344, dazu EWiR 1990, 701 (Fleck); BGH, ZIP 1992, 1622 f = GmbHR 1992, 801 = DB 1992, 2491, dazu EWiR 1992, 1205 (Fleck); BGHZ 137, 378, 386 = ZIP 1998, 467, 470 = GmbHR 1998, 324; BGH, ZIP 2005, 706, 708 = GmbHR 2005, 620 = DB 2005, 937, dazu EWiR 2005, 621 (Wagner); OLG Jena, GmbHR 2002, 115. 170) OLG Hamm, GmbHR 2009, 1161. 171) Auch zum Folgenden Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 20 f, 51; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 43; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 87. Zur Verbindung von Anfechtungs- und allgemeiner Feststellungsklage BGHZ 88, 320 = ZIP 1983, 1444 = GmbHR 1984, 93; BGHZ 97, 28 = ZIP 1986, 429 = GmbHR 1986, 156, dazu EWiR 1986, 371 (Hommelhoff); zum fehlenden Rechtsschutzinteresse eines anderen Gesellschafters für eine Feststellungsklage über die Wirksamkeit der Einziehung BGH, GmbHR 1985, 214, 215 = WM 1985, 515. 172) BGH, ZIP 1999, 1843, 1844 = GmbHR 1999, 1194 = NJW 1999, 3779, dazu EWiR 1999, 1125 (Kort); anders Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 30 – anfechtbar, zust. OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.6.2008 – VI-U (Kart) 26/07, juris, insoweit nicht aufgehoben durch BGH, ZIP 2009, 2263 = DB 2009, 2539 = DStR 2009, 2547; OLG Stuttgart, GmbHR 2013, 414, 415. 173) Zur Abgrenzung zwischen § 249 AktG und § 256 ZPO Hüffer/Schäfer in: MünchKommAktG, § 249 Rn. 7. 174) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 48. 175) BGHZ 116, 359, 368 = ZIP 1992, 237, 240 = GmbHR 1992, 257, dazu EWiR 1992, 321 (Wiedemann); BGHZ 144, 365, 367 = ZIP 2000, 1294, 1295 = GmbHR 2000, 822, dazu EWiR 2000, 943 (Casper). 176) BGHZ 180, 221 = ZIP 2009, 1003 = GmbHR 2009, 705, dazu EWiR 2009, 477 (Dürr/ Wiggenhorn) unter teilweiser Aufgabe von BGHZ 132, 278 = ZIP 1996, 830 = GmbHR 1996, 437, dazu EWiR 1996, 481 (Timm/Witzorrek). 177) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 87; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 46, 64; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 86; Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 385 f.

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§ 34 2. 43

Einziehungserklärung

Die Einziehung ist ein Gestaltungsrecht der Gesellschaft.178) Dieses wird ausgeübt durch einseitige empfangsbedürftige, daher mit Zugang wirksame179) (§ 130 BGB) Willenserklärung der Gesellschaft, die durch den/die Geschäftsführer ordnungsgemäß – d. h. in diesem Fall: ermächtigt durch Gesellschafterbeschluss (§ 46 Nr. 4)180) – vertreten sein muss (§ 35). Da die Gesellschafterversammlung für die Einziehung zuständig ist, genügt es nach allgemeiner Rechtsgeschäftslehre für den Zugang, wenn der anwesende Betroffene den Beschluss vernimmt.181) Als Gestaltungserklärung ist die Einziehungserklärung grundsätzlich unwiderruflich und bedingungsfeindlich.182) Die Wirksamkeit der Einziehungserklärung ist allerdings davon abhängig, dass der zugrunde liegende Einziehungsbeschluss wirksam ist (siehe Rn. 36, 41). Andernfalls geht die Einziehungserklärung ins Leere. Da die Einziehungserklärung den Einziehungsbeschluss vollzieht und der Anteil hierdurch vernichtet wird (siehe Rn. 48), lässt sich die Einziehung als mehraktiger Verfügungstatbestand erklären.183) 3.

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Einziehung von Geschäftsanteilen

Alternative Abtretungsverpflichtung

Anstelle der Zwangseinziehung (siehe Rn. 10 ff) kann die Satzung nach Wahl der Gesellschafterversammlung die beteiligten Gesellschafter zur Abtretung an die Gesellschaft, an andere Gesellschafter oder an Dritte verpflichten, die Gesellschaft zur Verfügung gemäß § 185 BGB ermächtigen184) oder bereits die (aufschiebend bedingte) Abtretungserklärung vorwegnehmen.185) Ein ähnlicher Effekt kann durch eine Kombination von Vinkulierung (§ 15 Abs. 5) und Vorkaufsrecht der Gesellschaft _____________ 178) Auch zum Folgenden Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 24; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 6, 46; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/ Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 54 f; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 33 ff. 179) BFH, ZIP 2008, 2077 = GmbHR 2008, 1232 = DB 2008, 2289; vgl. zur Austrittserklärung des Gesellschafters OLG München, ZIP 2011, 2148, 2150 f = GmbHR 2011, 1040 = DStR 2011, 1673, dazu EWiR 2011, 747 (Lieder), insoweit nicht überholt durch BGH, ZIP 2014, 873 = GmbHR 2014, 534 = NZG 2014, 541, dazu EWiR 2014, 581 (Schodder). 180) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 34 Rn. 79; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 6; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, § 34 Rn. 15; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 55; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 34 f; a. A. Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 24. 181) Vgl. Einsele in: MünchKomm-BGB, § 130 Rn. 28; a. A. Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 36. 182) Zu Ausnahmen H. P. Westermann in: MünchKomm-BGB, § 158 Rn. 27 ff, 31. 183) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 4; Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 34 Rn. 68; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 5 f, jeweils auch zum weitergehenden Problem eines fehlenden Kausalgeschäfts. 184) BGH, NJW 1983, 2880, 2881 = GmbHR 1984, 74 = DB 1983, 1970; insoweit einschränkend Maier-Reimer, GmbHR 2017, 1325, 1327 ff; a. A. Oppermann/Berthold, ZIP 2017, 1929, 1930 ff. 185) Auch zum Folgenden mit Gestaltungsvorschlägen Bacher/v. Blumenthal, NZG 2008, 406, 408f; Bacher/v. Blumenthal, GmbHR 2009, 246, 247 f; Heckschen, NZG 2010, 521, 524 ff; Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 67 f; Michalski/Heidinger/ Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 3; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 34 Rn. 100; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 3; Ulmer/Habersack/LöbbeUlmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 119 ff; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 99 f; a. A. Oppermann/Berthold, ZIP 2017, 1929, 1930 ff; insoweit auch Maier-Reimer, GmbHR 2017, 1325, 1327 ff.

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§ 34

Einziehung von Geschäftsanteilen

(§§ 463 ff BGB) erreicht werden.186) Durch die Form des Gesellschaftsvertrags (§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Satz 1) ist zwar grundsätzlich die Form des § 15 Abs. 3 und 4 gewahrt.187) Derartige Klauseln sind jedoch unwirksam, soweit sie ohne Willen und (erneute) Mitwirkung des betroffenen Gesellschafters notariell und registergerichtlich vollzogen werden sollen.188) Die Abtretung eines Anteils ist ein Verfügungsgeschäft des bisherigen Anteilsinhabers, setzt also dessen Willenserklärung voraus, deren dinglicher Inhalt (welcher Anteil soll von wem an wen übertragen werden) hinreichend bestimmt oder bestimmbar sein muss. Eine Abtretung, die allein auf dem Beschluss der Mitgesellschafter beruht, geht folglich über die fehlende Willenserklärung des bisherigen Anteilsinhabers hinweg, sofern dieser nicht eine wirksame diesbezügliche Vollmacht erteilt oder der konkret ihn betreffenden Anteilsübertragung durch Satzung oder Gesellschafterbeschluss zugestimmt hat. Eine Abtretung, die bereits im Gesellschaftsvertrag vorweggenommen wird, ist aber häufig bezüglich der Anteile, Anteilsveräußerer und Anteilserwerber nicht bestimmt genug. Ebenso wenig kann ein Anteilserwerber, der am Beschluss über die ursprüngliche Satzung nicht beteiligt war, an eine darin enthaltene Zwangsabtretungsklausel gebunden werden.189) Im Übrigen gelten dieselben Voraussetzungen wie bei der Zwangseinziehung. Stellt die Gesellschafterversammlung durch Beschluss fest (siehe Rn. 29 f), dass die Voraussetzungen der zwangsweisen Abtretung gegeben sind, muss über die Abfindung nur dann mitbeschlossen werden, wenn die Satzung dies vorsieht (siehe Rn. 32). Ansonsten ist die (Verpflichtung zur) Abtretung weder von einem Abfindungsbeschluss noch von einer Abfindungszahlung abhängig190) (siehe Rn. 34).

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Für die Abtretungsverpflichtung gelten die allgemeinen Kapitalschutzgrenzen (§§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1, 33). Diese sind jedoch nicht berührt, wenn Gesellschafter ohne Regressanspruch191) oder Dritte den Anteil übernehmen. Anders als bei der Einziehung (siehe Rn. 22) können deshalb auch nicht volleingezahlte Anteile Gegenstand der Zwangsabtretung sein, weil auch der neue Inhaber für die ausstehende Einlage haftet (§ 16 Abs. 2).192) Trifft der wichtige Grund (siehe Rn. 11 ff) mit Säumnis bei Leistung der Einlage zusammen, kann die Satzung auf das Kaduzierungsverfahren verweisen.193) _____________

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186) OLG Brandenburg, NZG 1999, 828, 831; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 3 f. 187) Zum Formerfordernis BGH, ZIP 1986, 1046 = GmbHR 1986, 258 = DB 1986, 1513, dazu EWiR 1986, 687 (Günther); OLG München, NJW-RR 1994, 496, 497 = GmbHR 1994, 251 = DB 1993, 2477; BGH, ZIP 2003, 1544, 1546 = GmbHR 2003, 1062 = DB 2003, 2058, dazu EWiR 2003, 1087 (Weipert). 188) Zum Folgenden umfassend Oppermann/Berthold, ZIP 2017, 1929, 1930 ff; Maier-Reimer, GmbHR 2017, 1325, 1327 ff. 189) Tendenziell dafür, i. E. aber offen BGH, ZIP 2003, 1544, 1546 = GmbHR 2003, 1062, 1064 = DB 2003, 2058, dazu EWiR 2003, 1087 (Weipert); diesen Teil der Entscheidung relativierend Maier-Reimer, GmbHR 2017, 1325, 1327. 190) BGH, NJW 1983, 2880, 2881 = GmbHR 1984, 74 = DB 1983, 1970; BGH, ZIP 2003, 1544, 1546 = GmbHR 2003, 1062 = DB 2003, 2058, dazu EWiR 2003, 1087 (Weipert). 191) Zu dieser Einschränkung OLG Hamm, NZG 1999, 597, 598; OLG Dresden, GmbHR 2001, 1047. 192) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 67; Rowedder/Schmidt-LeithoffGörner, GmbHG, § 34 Rn. 99. 193) BGH, NJW 1983, 2880, 2881 = GmbHR 1984, 74 = DB 1983, 1970.

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§ 34 47

Einziehung von Geschäftsanteilen

Besteht der wichtige Grund darin, dass der Anteil gepfändet oder der Gesellschafter insolvent wird (siehe Rn. 13), so müssen Gläubiger und Insolvenzverwalter den Anteil so hinnehmen, wie sie ihn vorfinden.194) Daher wirkt die Abtretung gegenüber dem Gläubiger oder Insolvenzverwalter jedenfalls dann, wenn sie bereits in der Satzung aufschiebend bedingt erklärt wurde (siehe Rn. 44). Mit Bedingungseintritt wird die Gesellschaft bzw. der vorab bestimmte Gesellschafter oder Dritte Anteilsinhaber und ist zur Erhebung der Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO)195) und zur Aussonderung (§ 47 InsO)196) berechtigt. Allerdings setzt sich das Pfändungspfandrecht an einer etwaigen Abfindung fort (siehe Rn. 50) bzw. fällt die Abfindung in die Insolvenzmasse; entsprechendes gilt für den Abfindungsanspruch. Eine rein schuldrechtliche Abtretungsverpflichtung wäre hingegen weder vollstreckungs- noch insolvenzfest. Allerdings tritt hier eine verbandsrechtliche Komponente hinzu. Da die Abtretung an die Stelle der (außer bei gezielter Gläubigerbenachteiligung, siehe Rn. 91 f) vollstreckungs- und insolvenzfesten Einziehung tritt, spricht vieles dafür, auch bei noch unerfüllter Abtretungsverpflichtung den Anteil den Privatgläubigern des Gesellschafters vorzuenthalten. IV. Wirkungen der Einziehung 1.

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2. 49

Vernichtung des Geschäftsanteils

Wird ein Geschäftsanteil zulässigerweise eingezogen, so wird der Anteil hierdurch vernichtet.197) Anders als bei einer Kaduzierung (§ 21), einem Erwerb (§ 33) durch die Gesellschaft, einem Abandon durch den Gesellschafter (§ 27) oder eines Gesellschafterausschlusses (siehe Rn. 68) steht der Anteil damit nicht mehr zur Verfügung, um neue Mitglieder an der Gesellschaft zu beteiligen (zur Neubildung von Anteilen siehe Rn. 53). Denn der untergegangene Anteil kann weder übertragen noch geteilt werden.198) Der Anteil geht in dem Zeitpunkt unter, in welchem die Einziehung wirksam wird, d. h. entweder bereits mit Einziehungsbeschluss und -erklärung oder aber erst mit Zahlung der Abfindung (eingehend siehe Rn. 32 ff). Erlöschen und Fortbestand anteilsbezogener Rechte und Pflichten

Aus dem eingezogenen Anteil erwachsen keine neue Rechte oder Pflichten; bereits entstandene Rechte und Pflichten bestehen jedoch fort. Dies betrifft gleichermaßen die Gesellschaft, den Gesellschafter und Dritte. So können etwa Gewinnbezugsrechte des Gesellschafters durch Gewinnverwendungsbeschluss (§ 29) bereits ver_____________ 194) Eingehend zum Folgenden Ulmer, ZHR 149 (1985) 28, 35 ff; Ulmer/Habersack/LöbbeUlmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 45, 122; zust. Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 14; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 100. 195) Vgl. K. Schmidt/Brinkmann in: MünchKomm-ZPO, § 771 Rn. 4. 196) Vgl. Ganter in: MünchKomm-InsO, § 47 Rn. 30. 197) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 2; Michalski/Heidinger/Leible/ J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 121; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 6, 62; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 2 f, 59; tendenziell a. A. Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 34 Rn. 17a – Fortbestand als eigener Anteil der Gesellschaft; Meyer, NZG 2009, 1201, 1202 ff. 198) OLG Dresden, ZIP 2016, 720, 721 = GmbHR 2016, 56, 57 = NZG 2016, 385, dazu EWiR 2016, 231 (Wachter).

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§ 34

Einziehung von Geschäftsanteilen

selbständigt sein; der rein zeitliche Abschluss des Geschäftsjahres genügt hierfür nicht.199) Mit dem Anteil erlöschen auch kapitalbezogene Pflichten (§§ 24, 27 f, 31 Abs. 3),200) jedoch nur, soweit die jeweilige Leistung noch nicht fällig war.201) Hat der Inhaber des eingezogenen Anteils für eine Gesellschaftsverbindlichkeit eine Sicherheit gestellt, durchbricht dies die gesetzestypische Haftungsbeschränkung, sodass der ausscheidende Gesellschafter analog §§ 738 Abs. 1 Satz 2 und 3, 775 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Befreiung oder Sicherheitsleistung gegenüber der Gesellschaft und bei gemeinschaftlicher Besicherung gegenüber den Mitgesellschaftern202) hat.203) Nießbrauch- und Pfandrechte Dritter am Geschäftsanteil erlöschen, können sich aber durch dingliche Surrogation an der Abfindung fortsetzen (§§ 1075, 1287 BGB),204) soweit nicht die fehlende Zustimmung der Berechtigten bereits die Einziehung verhindert (siehe Rn. 7, 9). Schuldrechtliche Ansprüche Dritter können sich nach Einziehung auf die Abfindung bzw. den Abfindungsanspruch als stellvertretendes commodum (§ 285 BGB) erstrecken.205) In beiden Fällen müssen die Dritten allerdings damit rechnen, dass die Abfindung wegen §§ 34 Abs. 3, 30 nicht ausgezahlt werden darf oder gemäß § 31 Abs. 1 vom Abfindungsempfänger erstattet werden muss,206) ohne dass deshalb die Einziehung von vornherein unwirksam ist (siehe Rn. 36). Vorausabgetretene künftige Gewinnbezugsrechte erlöschen auch mit Wirkung gegenüber dem Zessionar.207) 3.

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Veränderung der Beteiligungs- und Mehrheitsverhältnisse

Die Vernichtung des Anteils (siehe Rn. 48) verändert die Beteiligungsverhältnisse und ist deshalb durch eine neue Gesellschafterliste dem Handelsregister mitzuteilen (§ 40).208) Intern verändert der Wegfall des eingezogenen Anteils die Beteiligungs_____________ 199) BGHZ 139, 299, 302 = ZIP 1998, 1836, 1837 f = GmbHR 1998, 1177 m. w. N. 200) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 2; Strohn in: MünchKommGmbHG, § 34 Rn. 59. 201) Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 65; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 61. 202) Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 62. 203) Für Gesellschafterbürgschaft BGH, WM 1974, 214, 215; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.7.2008 – I-3 U 15/08, juris; insoweit nicht beanstandet durch BGH, ZIP 2011, 1103, 1104 = NZG 2011, 745 = DB 2011, 1518, dazu EWiR 2011, 523 (Schrautner); für Mitbürgschaft (§ 769 BGB) OLG Hamburg, ZIP 1984, 707, 708 = GmbHR 1985, 58; vgl. für Schuldbeitritt BGH, ZIP 1985, 1192, 1194 f = GmbHR 1985, 389 = DB 1985, 2035, dazu EWiR 1985, 767 (K. Schmidt); für Bürgschaft des Alleingesellschafters einer GmbH & Co. KG OLG Zweibrücken, ZIP 1985, 1195, 1197 = GmbHR 1986, 119 = WM 1985, 1291, dazu EWiR 1985, 671 (K. Schmidt); zu beiden Entscheidungen Stolzenburg, ZIP 1985, 1189. 204) Für die Einziehung eines gepfändeten Anteils anerkannt in RGZ 142, 373, 378 f; BGHZ 104, 351 = ZIP 1988, 1546 = GmbHR 1989, 71, dazu EWiR 1988, 1207 (Frey). 205) Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 70. 206) Zum stellvertretenden commodum Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, Bd. I, 11. Aufl. 2012, § 34 Rn. 68. 207) Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 69. 208) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 5a; Strohn in: MünchKommGmbHG, § 34 Rn. 66.

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§ 34

Einziehung von Geschäftsanteilen

quote, die damit verbundenen Rechte und Pflichten209) und insbesondere das Stimmgewicht der anderen Anteile. Die Mehrheit kann zur Minderheit werden, wenn ein ausschlaggebendes „Fraktionsmitglied“ ausscheidet.210) 4.

Stammkapitalziffer und Summe der Nennbeträge (§ 5 Abs. 3 Satz 2)

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Anders als im Aktienrecht (§ 237 AktG) kann die Einziehung gemäß § 34 ohne Kapitalherabsetzung erfolgen, obwohl der eingezogene Anteil vernichtet wird (siehe Rn. 48). Nach außen bleibt damit die Ausschüttungssperre des § 30 konstant (vgl. § 237 Abs. 5 AktG), die nur unter den strengen gläubigerschützenden Voraussetzungen des § 58 reduziert werden darf.

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Umstritten ist, ob der Nennbetrag des eingezogenen Geschäftsanteils automatisch211) oder nur durch formlosen Mehrheitsbeschluss212) auf die verbliebenen Anteile verteilt wird.213) Ein Aufstockungsbeschluss kann unter Umständen durch Auslegung dem Einziehungsbeschluss entnommen werden.214) Für das Beschlusserfordernis spricht, dass die Nennwertaufstockung die Rechte und Pflichten der verbleibenden Gesellschafter zwar nicht verändert, insbesondere keine Einlagepflicht begründet,215) aber zumindest Klarheit über den durch die Einziehung veränderten Umfang der Rechte und Pflichten verschafft.216) Findet keine automatische Aufstockung statt, wird zudem die Neubildung von Anteilen217) erleichtert, da eine Teilabtretung und Zusammenlegung218) nicht erforderlich ist. Der Neubildungsbeschluss bedarf aber – anders als der Aufstockungsbeschluss219) – einer satzungsändernden Mehrheit,

_____________ 209) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 133; ScholzH. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 62; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 66; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 64. 210) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 2; Ulmer/Habersack/LöbbeUlmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 14. 211) So Lutter/Hommelhoff-Lutter, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 34 Rn. 2 f; Lutter, GmbHR 2010, 1177, Lutter in: FS Meilicke, S. 481 ff; zust. OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.2.2007 – I-15 U 130/06, juris; dagegen überzeugend Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 34 Rn. 17b. 212) So die h. M., etwa Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 6; Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 124; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 68, 70, übereinstimmend mit BayObLGZ 1991, 365 = GmbHR 1992, 42 = BB 1991, 2464, dazu EWiR 1992, 165 (Bokelmann); OLG Karlsruhe, GmbHR 2003, 1482 = MDR 2004, 581 gegen Anwendung des § 53 obiter bereits BGH, ZIP 1988, 1046 = GmbHR 1988, 337 = DB 1988, 1944, dazu EWiR 1988, 1209 (Priester). 213) Zum Folgenden eingehend Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 68 ff; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 66 ff. 214) OLG Saarbrücken, DB 2012, 507, 509 = ZIP 2012, 729 = GmbHR 2012, 209, dazu EWiR 2012, 205 (Niemeyer). 215) Priester, GmbHR 2016, 1065, 1067. 216) Näher Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 67. 217) Anerkannt in BayObLGZ 1991, 365 = GmbHR 1992, 42 = BB 1991, 2464, dazu EWiR 1992, 165 (Bokelmann). 218) Erforderlich nach der Lösung von Lutter/Hommelhoff-Lutter, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 34 Rn. 9. 219) Priester, GmbHR 2016, 1065, 1066 f.

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da es sich um eine Strukturentscheidung handelt.220) Der neue Anteil steht zunächst der Gesellschaft zu, kann aber veräußert werden (§ 15). Seit dem MoMiG schreibt § 5 Abs. 3 Satz 2 vor, dass die Summe der Nennbeträge aller Geschäftsanteile mit dem Stammkapital übereinstimmen muss (siehe § 5 Rn. 11 [Schäfer]). Nimmt man dies wörtlich, muss der Nennbetrag des eingezogenen Anteils zwingend verteilt werden, damit die Gleichung des § 5 Abs. 3 Satz 2 aufgeht. Demgegenüber hatte § 5 Abs. 3 Satz 3 a. F. formuliert, dass der Gesamtbetrag der Stammeinlagen mit dem Stammkapital übereinstimmen muss. Dies war gewährleistet, da ohnehin nur Anteile, auf welche die Einlage geleistet ist, eingezogen werden dürfen (siehe Rn. 22).221) Die Änderung der Bezugsgröße (Geschäftsanteil statt Stammeinlage) soll in §§ 3 Abs. 1 Nr. 4, 14 zwar vor allem redaktionell die Mitgliedschaft gegenüber der Beitragsleistung betonen,222) bewirkt aber nach Ansicht der Gesetzesverfasser bei § 5 Abs. 3 Satz 2 auch eine materielle Änderung. Künftig soll es unzulässig sein, dass nach Einziehung die Summe der Nennbeträge und der Nennbetrag des Stammkapitals auseinanderfallen; die Gesellschafter werden auf einen Beschluss zur Kapitalherabsetzung, Nennwertaufstockung der verbleibenden Anteile oder Bildung eines neuen Geschäftsanteils verwiesen.223) Nutzen die Gesellschafter keine dieser drei Optionen, ist die Einziehung nach dem Konzept der Gesetzesverfasser unwirksam, und zwar mangels Übergangsregelung auch in Altfällen.224) Dieses sog. Korrespondenzgebot ist rechtspolitisch äußerst zweifelhaft,225) von Teilen der instanzgerichtlichen Rechtsprechung jedoch anerkannt, vom Bundesgerichtshof aber verworfen worden.226) Bei der Verteilung der Nennwerte handelt es _____________ 220) Durchweg für Dreiviertelmehrheit wegen Nähe zur Kapitalerhöhung Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 123; Ulmer/Habersack/LöbbeUlmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 70 f; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 69; für Einstimmigkeit bei Veräußerung des neuen Anteils unter dem zuvor gezahlten Abfindungsbetrag Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 70; durchweg für Einstimmigkeit wegen Verlusts des durch die Einziehung erlangten Mehrwerts noch Rowedder/ Schmidt-Leithoff-Rowedder/Bergmann, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 34 Rn. 54; diff. nach Revalorisierung (einfache Mehrheit) und Veräußerung (qualifizierte Mehrheit) nun Rowedder/ Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, § 34 Rn. 28. 221) Zur alten Rechtslage Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 34 Rn. 62 f. 222) RegE eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), BT-Drucks. 16/6140, S. 28 = Seibert, MoMiG, S. 119 f. 223) RegE eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), BT-Drucks. 16/6140, S. 31 = Seibert, MoMiG, S. 127. 224) So zuletzt dezidiert Römermann, DB 2010, 209 m. w. N.; ebenso Michalski-Sosnitza, GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 34 Rn. 122; a. A. Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 65. 225) Auch zum Folgenden Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 34 Rn. 17b, 20; Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 34 Rn. 82; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 62 f; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 65; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/ Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 65a; Wicke, GmbHG, § 34 Rn. 3; Ulmer, DB 2010, 321, 322 f. 226) Klärend BGHZ 203, 303, 308 ff Rn. 22 ff = BGH, ZIP 2015, 579, 580 f = GmbHR 2015, 416, dazu EWiR 2015, 169 (Römermann); ebenso zuvor OLG Saarbrücken, DB 2012, 507, 509 = ZIP 2012, 729 = GmbHR 2012, 209, dazu EWiR 2012, 205 (Niemeyer); zust. LG Dortmund, ZIP 2012, 1247, 1248; OLG Rostock, GmbHR 2013, 752, 753 ff = NotBZ 2014, 312; a. A. LG Essen, NZG 2010, 867, 868 f = ZIP 2010, 2052 (LS) = GmbHR 2010, 1034, dazu EWiR 2010, 711 (Giedinghagen); LG Neubrandenburg, ZIP 2011, 1214 = GmbHR 2011, 823 (LS); OLG München, Beschl. v. 21.9.2011 – 7 U 2413/11, juris, Rn. 3; krit. Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 126.

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sich um reines Internum der Gesellschafter. Gläubigerinteressen werden durch die Einziehung anderweitig geschützt; bei der Kapitalaufbringung durch § 19 Abs. 2, bei der Kapitalerhaltung durch § 34 Abs. 3. Für Transparenz sorgt die zu ändernde Gesellschafterliste (siehe Rn. 51). Da aber Normtext und Gesetzesbegründung eine Diskrepanz zwischen der Summe der Nennwerte und der Stammkapitalziffer nicht hinnehmen,227) ist der Praxis zu raten,228) einen klärenden Gesellschafterbeschluss möglichst schnell herbeizuführen.229) Die Anteilsstückelung wird durch § 5 Abs. 2 Satz 1 erleichtert. Gleichwohl kann es geschehen, dass die Anteile nach Nennwertaufstockung nicht durch volle Euro teilbar sind. Ohne Veränderung des Stammkapitals (vgl. § 57 Abs. 2 Satz 2, § 58a Abs. 3) ist dies nicht zu ändern.230) V. Ausschluss von Gesellschaftern 1. 56

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Grundsätzliche Zulässigkeit

Anders als das Personengesellschaftsrecht (§§ 140, 133 HGB) enthält das GmbHRecht neben der Kaduzierung (§§ 21 ff) keinen ausdrücklichen Ausschließungstatbestand.231) Es ist jedoch auch für die GmbH allgemein als unabdingbar232) anerkannt, dass ein Gesellschafter aus wichtigem Grund ausgeschlossen werden kann.233) Praxisrelevant ist neben dem Ausschließungsgrund (siehe Rn. 57 ff) die Streitfrage, ob die dem Gesellschafter geschuldete Abfindung angemessen ist (hierzu siehe Rn. 78 ff). Wichtiger Grund

Angesichts der idealtypischen persönlichen Verbundenheit der GmbH-Gesellschafter (siehe Rn. 11) kann der Ausschluss wie im Fall des § 133 Abs. 1 Satz 1 HGB auf einen wichtigen Grund gestützt werden. Die Satzung kann und sollte die Ausschlussgründe vorab definieren (siehe Rn. 61). Dabei darf das Ausschließungsrecht weder faktisch abgeschafft (siehe Rn. 56), wenngleich zeitlich begrenzt,234) noch dem Be_____________ 227) A. A. Kleindiek, NZG 2015, 489, 492 ff. – Fehlinterpretation des Gesetzes durch die Begründung. 228) Eine Verpflichtung sieht Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 65. 229) Vgl. nur Römermann, DB 2010, 209, 210 ff; Braun, GmbHR 2010, 82, 83 f; Braun, NJW 2010, 2700, 2701 gegenüber Wanner-Laufer, NJW 2010, 1499, 1502, der den Gesellschaftern in Anlehnung an § 58 Abs. 1 Nr. 3 eine angemessene Frist zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes einräumen will; eine disquotale Aufstockung mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters hält Nolting, ZIP 2011, 1292, 1296 f für zulässig; dagegen Blath, GmbHR 2011, 1177, 1183. 230) Näher Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 68. 231) Zum Ganzen Goette, DStR 2001, 533 ff; zu Hintergründen und Reformüberlegungen Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 4 ff; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 3 ff; Strohn in: MünchKommGmbHG, § 34 Rn. 101 ff; zur Nähe zum Personengesellschaftsrecht ScholzH. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 3. 232) OLG Jena, NZG 2006, 36, 37 = GmbHR 2005, 1566 = DB 2006, 101; Goette, DStR 1997, 1257, 1259 (Urteilsanm.). 233) Grundlegend für die ständige BGH-Rspr. BGHZ 9, 157 = GmbHR 1953, 72 = NJW 1953, 780. Das scheinbar prinzipielle Urteil RGZ 169, 330 von 1942 instrumentalisierte juristische Dogmatik, um den Ausschluss eines jüdischen Gesellschafters zu rechtfertigen, und ist daher nicht zitierfähig. 234) Thüringer Oberlandesgericht, Urt. v. 7.1.2015 – 2 U 317/14, juris, Rn. 48.

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lieben der Mehrheit anheimgestellt werden (zur Einziehung siehe Rn. 11, 16 ff).235) Im Übrigen liegt ein wichtiger Grund in Anlehnung an § 133 Abs. 2 HGB236) regelmäßig vor, wenn der Gesellschafter vorsätzlich oder grob fahrlässig seine gesetzlichen oder satzungsmäßigen237) Pflichten nicht erfüllt oder ihm die Erfüllung seiner Pflichten unmöglich wird. Einerseits wird dieser Maßstab eng ausgelegt, da der Verlust der Mitgliedschaft ultima ratio bei der – sonst nur noch durch Auflösungsklage möglichen238) – Lösung eines innergesellschaftlichen Konflikts sein muss.239) Deshalb ist der Ausschluss unzulässig, wenn der Konflikt etwa dadurch gelöst werden kann, dass der betreffende Gesellschafter als Geschäftsführer abberufen wird.240) Andererseits ist die Bandbreite wichtiger Gründe außerordentlich weit. Erstens ist es einerlei, ob der Gesellschafter Leistungspflichten oder Treuepflichten verletzt.241) Zweitens muss die Pflichtverletzung nicht notwendig schuldhaft sein,242) da der Gesellschafter seine Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit auch dann nicht erfüllen kann, wenn das Vertrauensverhältnis zu den anderen Gesellschaftern zerrüttet243) und hierdurch der Geschäftsbetrieb gestört244) und der Gesellschaftszweck gefährdet245) ist. Der wichtige Grund liegt zwar in der Vergangenheit, muss aber die Unzumutbarkeit der Zusammenarbeit mit diesem Gesellschafter für die Zukunft begründen.246) Der auszuschließende Gesellschafter247) _____________ 235) Goette, DStR 2001, 533, 535; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 137, 139 ff; diff. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 60 Rn. 69. 236) Zum dortigen Maßstab Staub-Schäfer, HGB, § 133 Rn. 10 ff. 237) Vgl. die Nachweise in Fn. 56. 238) Zur Subsidiarität der Auflösung Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 114; zur Abwendung einer Auflösungsklage durch angemessenes Übernahmeangebot eines (im Fall des einzigen) anderen Gesellschafters BGH, NJW 1985, 1901 f = GmbHR 1985, 297 = WM 1985, 916. 239) BGHZ 16, 317, 323 = GmbHR 1955, 127 = NJW 1955, 667; KG Berlin, NZG 2008, 790, 791; Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 57; Michalski/Heidinger/Leible/ J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 18 f; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/ Habersack, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 17 f; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 108, 136 zu möglichen Auswegen. 240) OLG Rostock, NZG 2002, 294; OLG Stuttgart, GmbHR 2013, 414, 418; OLG Naumburg, GmbHR 2014, 714, 716. 241) OLG Dresden, NZG 2001, 809 im Anschluss an BGH, WM 1966, 31; BGHZ 80, 346, 349 f = ZIP 1981, 985 = NJW 1981, 2302; BGH, ZIP 1995, 567, 569 = GmbHR 1995, 296 = DB 1995, 970; BGH, ZIP 1997, 1919, 1920 = DB 1997, 2373 = NJW 1998, 146, dazu EWiR 1998, 181 (Strohn). 242) BGHZ 9, 157, 164 = NJW 1953, 780, 781 = GmbHR 1953, 72; BGHZ 80, 346, 349 = ZIP 1981, 985 = NJW 1981, 2302; a. A. wohl OLGR München, 1994, 114 = GmbHR 1994, 406 = DB 1994, 320. 243) OLG Dresden, NZG 2001, 809. 244) BGH, GmbHR 1987, 302. 245) BGH, NJW-RR 1991, 1249 = GmbHR 1991, 362; zur Familien-KG: BGH, NJW 1973, 92 f. 246) Zur GmbH & Co. KG BGH, ZIP 1997, 1919, 1920 = DB 1997, 2373 = NJW 1998, 146, dazu EWiR 1998, 181 (Strohn). 247) Zur Zurechnung von gesellschaftswidrigem Verhalten eines Rechtsvorgängers BGH, NJW-RR 1990, 530, 532 = GmbHR 1990, 162 = DB 1990, 929, dazu EWiR 1990, 999 (Neis-Schiebner) unter Hinweis auf BGH, WM 1958, 49, 50; BGHZ 32, 17, 31 = GmbHR 1960, 85 = NJW 1960, 866; zur Zurechnung von „Übergriffen“ des Vertreters eines OHG-Gesellschafters RGZ 105, 176, 177; zu Mitberechtigung und Treuhandverhältnissen Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 134 f.

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muss durch seine Person oder sein Verhalten zumindest die überwiegende Ursache gesetzt haben; das Verhalten der anderen Gesellschafter ist daher gleichfalls in die Beurteilung einzubeziehen.248) Kann keinem der Beteiligten ein überwiegender Vorwurf gemacht werden, genügt auch die vollständige Zerrüttung des persönlichen Verhältnisses der Gesellschafter untereinander nicht, um die Ausschließung eines bestimmten Gesellschafters zu rechtfertigen,249) sodass theoretisch die Einziehung unter Vernichtung des Anteils (siehe Rn. 48 ff), äußerstenfalls aber nur die Auflösung der Gesellschaft verbleibt. Mehrere einzeln belanglose Gründe können sich in ihrer Gesamtwertung zu einem Ausschließungsgrund kumulieren.250) 59

Je nach Struktur der Gesellschaft – kapitalistisch, personalistisch, familiär – kann dasselbe Verhalten mehr oder weniger (in-)tolerabel sein.251) Grundsätzlich besteht das Ausschließungsrecht aber unabhängig von der Verbandsstruktur.252) Zeitlich besteht es schon in der Vor-GmbH,253) und noch in der Phase zwischen Auflösung und Vollbeendigung, um die Liquidation sachgemäß durchführen zu können.254) Ein Noch-Nichtgesellschafter kann und muss nicht ausgeschlossen werden; der Veräußerer kann mit der Dolo-agit-Einrede gemäß § 242 BGB die geschuldete Abtretung verweigern, wenn sich zwischen Verpflichtungsgeschäft und Erfüllung zeigt, dass der Erwerber einen Ausschließungsgrund verwirklicht.255) _____________ 248) BGH, NJW-RR 1991, 1249, 1251 = GmbHR 1991, 362; BGHZ 32, 17, 31 = GmbHR 1960, 85 = NJW 1960, 866; BGHZ 80, 346, 351 = ZIP 1981, 985 = NJW 1981, 2302; BGH, NJW-RR 1990, 530, 531 = GmbHR 1990, 162 = DB 1990, 929, dazu EWiR 1990, 999 (Neis-Schiebner); BGH, ZIP 1999, 1843, 1845 = GmbHR 1999, 1194 = NJW 1999, 3779, dazu EWiR 1999, 1125 (Kort); BGH, ZIP 2013, 2310, 2311 Rn. 17 = GmbHR 2013, 1315 = NZG 2013, 1344, dazu EWiR 2014, 173 (Nikoleyczik/Gubitz); OLG Brandenburg, Urt. v. 30.11.2010 – 6 U 124/09, juris Rn. 44; OLG Stuttgart, GmbHR 2013, 414, 417. 249) OLG Brandenburg, GmbHR 2016, 357 = MDR 2016, 471 = RNotZ 2016, 419. 250) BGHZ 32, 17, 34 f = NJW 1960, 866, 868 = GmbHR 1960, 85; BGH, GmbHR 1987, 302, 303; OLG Brandenburg, NZG 1998, 263, 264; OLG Stuttgart, GmbHR 2013, 414, 417. 251) Zu § 142 HGB a. F.: BGHZ 51, 204, 206 = GmbHR 1969, 93 = NJW 1969, 794; BGHZ 4, 108, 115 = GmbHR 1952, 58 = NJW 1952, 461; zur gesetzestypischen KG: BGH, ZIP 1995, 113 = GmbHR 1995, 131 = DB 1995, 923, dazu EWiR 1995, 269 (Grunewald); zur GmbH & Co. KG BGH, ZIP 1997, 1919, 1921 = DB 1997, 2373 = NJW 1998, 146, dazu EWiR 1998, 181 (Strohn); Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 53, 55; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 16; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 14. 252) Scholz-Seibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 26 ff; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtSosnitza, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 7, 16; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 60 Rn. 82; Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 53, 55; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 14; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 104; diff. für die Alternative „Ausscheiden oder Sanieren“ Priester, ZIP 2010, 497, 501 f. 253) Soweit diese wirksam gegründet wurde, OLG Dresden, GmbHR 1997, 746, 747; weitergehend OLG Hamm, NJW-RR 1995, 550, 551. Ein Einziehungsrecht besteht bis zur Eintragung (§ 14) nicht, Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 6; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 98. 254) Ggf. im Wege der Einziehung, BGHZ 9, 157, 179 = NJW 1953, 780, 784 = GmbHR 1953, 72 unter Hinweis auf RGZ 125, 114 und BGHZ 1, 324 = NJW 1951, 650; ebenso OLG Frankfurt/M., NZG 2002, 1022, 1023 = GmbHR 2002, 974 = DB 2002, 2154, dazu EWiR 2003, 865 (v. Gronau). 255) BGHZ 35, 272, 280 ff = NJW 1961, 1769, 1770 f.

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Die Kasuistik ist naturgemäß sehr stark einzelfallbezogen.256) Die tatrichterliche Entscheidung, welche das Vorliegen der Ausschließungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung257) uneingeschränkt zu prüfen hat,258) ist nur im Hinblick auf Ermessensfehler revisibel,259) was eine Vereinheitlichung erschwert. Die von der Rechtsprechung anerkannten Gründe ähneln denjenigen der Zwangseinziehung260) (siehe Rn. 11 ff): Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Gesellschafter,261) finanzielle Verfehlungen des Gesellschafters,262) unzulässige Konkurrenz,263) leichtfertig oder vorsätzlich264) falsche Verdächtigung gegenüber einem Mitgesellschafter265) oder diesen nahestehende Personen,266) Infragestellung der Bonität von Mitgesellschaftern gegenüber deren Kreditgebern,267) Anstiftung von Mitarbeitern zum Geheimnisverrat,268) Belästigung einer Mitarbeiterin,269) nicht jedoch die legitime, nicht schikanöse Wahrnehmung bestehender Rechte270) oder das Versagen als Geschäftsführer.271) Im Anschluss an die neuere Rechtsprechung zu Personengesellschaften wird auch Sanierungsunwilligkeit als Ausschließungsgrund für möglich gehalten.272) Dies ist im Ausgangspunkt konsequent, da die Ausschließung von GmbH-Gesellschaftern auch sonst dem Personengesellschaftsrecht folgt. Hier orientiert sich der Bundesgerichtshof bislang freilich eng an den gesellschaftsvertraglichen Vorkehrungen.273) Die als Argument herangezogene Treuepflicht des _____________ 256) Goette, DStR 2001, 533, 535; guter Überblick bei OLG Stuttgart, GmbHR 2013, 414, 417 f. 257) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, § 34 Rn. 85; Scholz-Seibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 35. 258) Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 16, 20. 259) BGH, NJW-RR 1991, 1249 = GmbHR 1991, 362. 260) Zur inhaltlichen Nähe von Einziehung und Ausschließung Goette, DStR 2001, 533, 536. 261) Diese können auch von Mitgesellschaftern ausgehen, OLG Hamm, DStR 2009, 1771, insoweit nicht aufgehoben durch BGH, ZIP 2011, 1104 = GmbHR 2011, 761 = DB 2011, 1517, vgl. zur Einziehung OLG Hamm, GmbHR 2009, 1161. 262) BGHZ 16, 317, 319 = GmbHR 1955, 127 = NJW 1955, 667; BGHZ 32, 17, 31 = GmbHR 1960, 85 = NJW 1960, 866; BGH, ZIP 1999, 1843, 1845 = GmbHR 1999, 1194 = NJW 1999, 3779, dazu EWiR 1999, 1125 (Kort); OLG Düsseldorf, GmbHR 1999, 543, 546. 263) OLG Karlsruhe, NZG 2008, 785, 786; zu eng OLG Frankfurt/M., DB 1992, 2489, 2491 = GmbHR 1992, 668, Revision nicht angenommen, BGH, DStR 1992, 1661, 1662, vgl. zur Zwangseinziehung Rn. 13. 264) Daran fehlte es in BGH, ZIP 2003, 759 = GmbHR 2003, 583 = DB 2003, 1051, dazu EWiR 2004, 65 (Kiem). 265) OLG Jena, NZG 2006, 36, 38 = GmbHR 2005, 1566 = DB 2006, 101; zu § 142 HGB a. F. BGHZ 51, 204 = NJW 1969, 794 f = GmbHR 1969, 93. 266) OLG Hamm, GmbHR 1993, 743. 267) LG Köln, Urt. v. 8.8.2013 – 88 O 36/12, juris Rn. 61. 268) BGH, NJW-RR 1990, 530, 531 f = GmbHR 1990, 162 = DB 1990, 929, dazu EWiR 1990, 999 (Neis-Schiebner). 269) BGHZ 16, 317, 319 = GmbHR 1955, 127 = NJW 1955, 667. 270) BGH, NJW-RR 1991, 1249 f = GmbHR 1991, 362; OLG Frankfurt/M., GmbHR 1993, 656, 658 f; OLG Dresden, NZG 2001, 809. 271) OLG Hamm, GmbHR 1998, 1081. 272) Priester, ZIP 2010, 497, 499; ebenso für die AG Brand, KTS 2011, 481, 491 ff. 273) BGHZ 183, 1, 7 ff = ZIP 2009, 2289, 2291 ff = GmbHR 2010, 32, dazu EWiR 2009, 739 (Armbrüster); BGH, ZIP 2011, 768, 770 ff = GmbHR 2011, 529 = NJW 2011, 1667, dazu EWiR 2011, 417 (Binkowski).

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sanierungsunwilligen Gesellschafters genügt für sich genommen also nicht. Zweifelhaft ist der Ausschluss des Gesellschafters, wenn durch den vorherigen Beitritt des Gesellschafters die Beteiligungsstruktur der Gesellschaft kartellrechtlich unzulässig wird.274) Zwar ist ein Ausschluss auch möglich, wenn dem Auszuschließenden die Erfüllung seiner Pflichten schuldlos unmöglich wird (siehe Rn. 57). So kann gerade der betroffene Gesellschafter der kartellrechtlichen Freistellung einer Vereinbarung oder der Genehmigungsfähigkeit des Zusammenschlusses im Wege stehen. Die Gesellschaft mag dann ein Bedürfnis haben, etwa einen weniger marktmächtigen Wettbewerber zu beteiligen. Die fehlende kartellrechtliche Eignung als Mitgesellschafter passt jedoch nicht zu den sonstigen rechtsfortbildend entwickelten Fallgruppen, sodass die gesetzlich vorgesehene Einziehung vorgeht (siehe Rn. 18). 3. 61

Verfahren

Ein Gesellschafter kann auf zwei Wegen ausgeschlossen werden: mangels Satzungsregelung allein275) durch eine von den Gesellschaftern beschlossene Ausschließungsklage der Gesellschaft analog § 140 Abs. 1 HGB,276) bei vorhandener Satzungsregelung vorrangig277) durch Gesellschafterbeschluss. Beide Wege unterscheiden sich im Zeitpunkt, zu welchem der Ausschluss (un-)abhängig von der Festsetzung und Zahlung einer Abfindung wirksam wird. Satzungsmäßige Ausschließungsgründe278) sind regelmäßig jedoch nicht enumerativ gemeint und lassen die Ausschließungsklage aus wichtigem Grund unberührt.279) Der Geschäftsführer darf trotz § 35 nicht eigenmächtig handeln, d. h. ohne Gesellschafterbeschluss weder die Ausschließungsklage erheben280) noch gar die Ausschließung erklären. a) Ausschließungsklage – Urteil – Abfindung

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Aufgrund der Ausschließungsklage281) ergeht ein rechtsgestaltendes Urteil, durch das der Gesellschafter seine Mitgliedschaft verliert.282) Das Urteil ist aber nach der Rechtsprechung an die Bedingung zu knüpfen, dass der Gesellschafter innerhalb _____________ 274) So aber obiter BGH, ZIP 2015, 678 (680) = GmbHR 2015, 532 (534) = DB 2015, 972, dazu EWiR 2015, 535 (Klingen/Grafunder). 275) BGH, ZIP 1999, 1843, 1844 = GmbHR 1999, 1194 = NJW 1999, 3779, dazu EWiR 1999, 1125 (Kort); a. A. Altmeppen, ZIP 2012, 1685, 1692 f – Ausschließungsklage unnötig. 276) Zum dortigen Prozedere Staub-Schäfer, HGB, § 140 Rn. 35 ff. 277) OLG Stuttgart, GmbHR 1989, 466 = WM 1989, 1252; OLG Jena, NZG 2006, 36, 37 f = GmbHR 2005, 1566 = DB 2006, 101. 278) Eingehend mit Formulierungsvorschlag Battke, GmbHR 2008, 850. 279) Zu den damit verbundenen Auslegungsproblemen Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 60 Rn. 71; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, § 34 Rn. 80; Scholz-Seibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 55; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 19; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 138. 280) Scholz-Seibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 38; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 22; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, § 34 Rn. 90; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 144. 281) Zur Klageerhebung eingehend Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 32; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 157 ff. 282) BGH, ZIP 1999, 1843, 1844 = GmbHR 1999, 1194 = NJW 1999, 3779, dazu EWiR 1999, 1125 (Kort).

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angemessener Frist eine kapitalschutzkonforme (siehe Rn. 20 f) Abfindung erhält.283) Frist und Abfindung sind bereits im Urteil festzusetzen. Deshalb muss die klagende Gesellschaft, welche die Ausschließung erstrebt, substantiiert zu den Vermögensverhältnissen der Gesellschaft vortragen, damit das Gericht oder – im Regelfall – ein gerichtlich bestellter Sachverständiger die angemessene Höhe der Abfindung (siehe Rn. 79) ermitteln kann.284) Der betroffene Gesellschafter muss jedoch an der Wertermittlung mitwirken; verweigert er die Mitwirkung, ergeht das Ausschlussurteil, ohne die Abfindung festzusetzen.285) Die Berechtigung der Gesellschaft, den Gesellschafter ausschließen zu lassen, kann durch Zwischenurteil gemäß § 256 Abs. 2 ZPO festgestellt werden, wenn ein Ausschließungsurteil ohne aufwändige Beweisaufnahme zur Höhe der Abfindung nicht ergehen kann.286) Bis zur Zahlung der Abfindung behält der Gesellschafter seine Mitgliedsrechte, soweit sie nicht die Ausschließung betreffen;287) er darf jedoch wie bei schwebender Einziehung nur dann gegen die Gesellschaftermehrheit stimmen, wenn sein Abfindungsinteresse berührt ist (siehe Rn. 35). Insbesondere behält er ein anteiliges Gewinnbezugsrecht (§ 101 Nr. 2 Halbs. 2 BGB),288) das er im Gegenzug mit fortdauernden Pflichten aus §§ 24, 31 Abs. 3 „bezahlt“.289) Bis zum Bedingungseintritt darf er den Anteil weiter veräußern,290) während die Gesellschaft nur als Nichtberechtigte verfügen kann (§ 185 BGB).291) Diese von der Rechtsprechung anders als bei der Einziehung (siehe Rn. 34) beim Ausschluss noch292) praktizierte Lösung verzögert allerdings einen klaren Schnitt, da der Streit über die Abfindung den Ausschlussprozess verlängert und die gestaltende Wirkung erst mit Zahlung der Abfindung, unter Umständen also lange nach dem Urteilsspruch ober aber nie eintritt, weil die Gesellschaft gemäß § 30 Abs. 1 oder § 64 Satz 3 (str., siehe § 30 Rn. 33 [Thiessen]) nicht zahlen darf.293) Die ähnlich wie bei der Einziehung (siehe Rn. 38 f) erwogenen Alternativlösungen,294) um Aus_____________ 283) OLG Hamm, GmbHR 1992, 757; vgl. auch den Hilfswiderklageantrag in BGH, ZIP 1999, 1843, 1844 = GmbHR 1999, 1194 = NJW 1999, 3779, dazu EWiR 1999, 1125 (Kort). 284) OLG Hamm, GmbHR 1992, 757. 285) BGHZ 9, 157, 174 = NJW 1953, 780, 783 = GmbHR 1953, 72; BGHZ 16, 317, 324 ff = GmbHR 1955, 127 = NJW 1955, 667, 668. 286) OLGR Celle 1997, 189 = GmbHR 1997, 1003 = NJW-RR 1998, 613. 287) BGHZ 9, 157, 175 f = NJW 1953, 780, 783 = GmbHR 1953, 72. 288) Vgl. BGH, ZIP 1995, 374, 375 f = GmbHR 1995, 291 = DB 1995, 619, dazu EWiR 1995, 369 (W. Müller). 289) Scholz-Seibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 51. 290) BGHZ 9, 157, 170 = NJW 1953, 780, 782 = GmbHR 1953, 72. Zur (aus hiesiger Sicht unnötigen) Analogie zu § 161 BGB befürwortend Scholz-Seibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 51 m. w. N. Die Gesellschaft, nicht der Gesellschafter „verfügt“ durch Ausschließung aufschiebend bedingt über den Anteil. Die Gesellschaft muss gemäß § 15 Abs. 5 vorsorgen; der Gesellschafter wird vom Erwerber vergütet. 291) Scholz-Seibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 52 a. E. 292) Offen BGH, ZIP 2003, 1544, 1546 = GmbHR 2003, 1062 = DB 2003, 2058, dazu EWiR 2003, 1087 (Weipert); OLG Jena, NZG 2006, 36, 38 = GmbHR 2005, 1566 = DB 2006, 101. Den Unterschied zwischen Einziehung und Ausschluss betont BGHZ 192, 236 = ZIP 2012, 422, 424 = GmbHR 2012, 387, dazu EWiR 2012, 177 (Lutter); a. A. Altmeppen, ZIP 2012, 1685, 1692; Tröger in: VGR, 19 (2014), S. 23, 68 f. 293) Zu den hiermit verbundenen Problemen krit. Goette, DStR 2001, 533, 539. 294) Zum Meinungsstand Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 35 f; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 170 ff.

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schluss- und Abfindungsprozess voneinander zu trennen,295) sind jedoch gleichfalls problematisch. So ist eine das Verfahren abkürzende Schätzung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO im Ausschlussprozess nur hinzunehmen, wenn sie einen späteren Abfindungsprozess nicht präjudiziert, d. h. auf Antrag des Auszuschließenden eine vorläufige Abfindung zuspricht.296) Das Urteil sofort wirken zu lassen, es aber unter die auflösende Bedingung der Nichtzahlung binnen gerichtliche festgelegter Frist zu stellen,297) kehrt das Problem des systemfremden bedingten, wenn auch zulässigen298) Gestaltungsurteils nur um. Rechtspolitisch kaum lösbar ist nämlich der Konflikt, ob die Bedingung ex tunc oder ex nunc wirken soll. Lässt man die Bedingung ex tunc wirken, sind viele Veränderungen während der Schwebezeit Makulatur; bei Ex-nunc-Wirkung verliert der Gesellschafter, was ihm während der Schwebezeit an Vermögens- und Mitwirkungsrechten zugestanden hätte. Eine subsidiäre Haftung der Mitgesellschafter299) ist bei der Ausschließung ebenso wenig zu begründen wie bei der Einziehung (siehe Rn. 38). Mangels klarer Satzungsgrundlage (siehe Rn. 66) am ehesten praktikabel erscheint der Vorschlag, dass der Gesellschafter mit dem Ausschließungsurteil die Befugnis zur Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte verliert, den Anteil aber der Gesellschaft erst Zug um Zug gegen Zahlung der – ggf. vorläufigen – Abfindung zur Verfügung stellen muss.300) Auf diese Weise vermeidet man die sonst nötige Auflösungsklage, falls die – restliche – Abfindung wegen § 30 Abs. 1 nicht gezahlt werden kann.301) b) Beschluss über Ausschließungsklage 64

Wird ein Gesellschafter ausgeschlossen, ähnelt dies einer partiellen Auflösung der Gesellschaft. Für den Beschluss über die Erhebung einer Ausschließungsklage verlangt die Rechtsprechung daher mangels anderweitiger Satzungsbestimmung302) in Anlehnung an § 60 Abs. 1 Nr. 2 eine Dreiviertelmehrheit der abgegebenen Stimmen; der anzuhörende (siehe Rn. 30) Betroffene303) oder dessen Erbe304) ist von _____________ 295) Eingehender Vorschlag auf der Grundlage früherer Reformüberlegungen bei Rowedder/ Schmidt-Leithoff-Rowedder/Bergmann, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 34 Rn. 102 f. 296) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 31; Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 60 Rn. 98; Scholz-Seibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 46; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 38. 297) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 37 f. 298) Scholz-Seibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 48. 299) Eingehend dafür Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 173 f. 300) Baumbach/Hueck-Hueck/Fastrich, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 34 Rn. 14; krit. wegen des vom Gesellschafter zu tragenden Verlustrisikos Rowedder/Schmidt-Leithoff-Rowedder/ Bergmann, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 34 Rn. 104; Scholz-Seibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 45; vgl. auch die prozessuale Lösung von Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl. 2012, § 60 Rn. 98 f. 301) Zu dieser Konsequenz Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 44. 302) Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 151. 303) Die mit dem auszuschließenden Gesellschafter konsortial verbundenen und für seinen Verbleib in der Gesellschaft votierenden Gesellschafter sind von der Abstimmung nicht ausgeschlossen, wenn der Auszuschließende deren Abstimmungsverhalten rechtlich nicht vorgeben kann, BGHZ 153, 285, 292 f = ZIP 2003, 395, 397 f = GmbHR 2003, 351, dazu EWiR 2003, 329 (Wilhelmi). 304) Nicht der Nachlassverwalter, BGHZ 47, 293, 296 = NJW 1967, 1961, 1962 – zur OHG.

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der für jeden Auszuschließenden gesondert durchzuführenden305) Abstimmung ausgeschlossen (§ 47 Abs. 4 Satz 2).306) Die Gegenansicht lässt ausgehend von der einfachen Mehrheit beim satzungsmäßigen Einziehungsbeschluss (§ 34 Abs. 2) und vom Minderheitsrecht des § 61 Abs. 2 eine einfache Mehrheit genügen.307) Dem ist zuzugeben, dass die Ausschlussklage ebenso wie die Auflösungsklage gemäß § 61 Abs. 1 auf einen wichtigen Grund gestützt wird und dass der Gesellschaftszweck gefährdet sein kann, solange der auszuschließende Gesellschafter die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft behindert308) (siehe Rn. 58). Jedoch dient das Klagerecht gemäß § 61 Abs. 2 dem Minderheitenschutz, um den es beim Ausschluss aus Sicht der Gesellschaft nicht geht; hier ist umgekehrt eher die Minderheit vor übereilter Klageerhebung zu schützen. Eine qualifizierte Mehrheit trägt – selbst unter Berücksichtigung des ausgeschlossenen Stimmrechts der Auszuschließenden – dazu bei, eine Eskalation wechselseitiger Ausschließungsklagen zu vermeiden.309) Bei einer Zweipersonengesellschaft ist dies freilich nicht zu verhindern. Jeder der beiden Gesellschafter kann daher ohne Beschluss und ohne Anhörung des anderen Gesellschafters ein Ausschließungsverfahren in Gang setzen310) und im Prozess Ausschließungsgründe nachschieben.311) Wollte man hier einen Beschluss verlangen, könnten die beiden Gesellschafter einander blockieren, statt die bilateralen Probleme in einem einheitlichen Prozess untereinander zu klären.312) Verfügt der geschäfts_____________ 305) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 24; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 152. 306) So bereits BGHZ 9, 157, 177 = NJW 1953, 780, 782 = GmbHR 1953, 72; gegen die Vorinstanzen bestätigt von BGHZ 153, 285 = ZIP 2003, 395, 395 f = GmbHR 2003, 351, dazu EWiR 2003, 329 (Wilhelmi); BGH, ZIP 2003, 435 = GmbHR 2003, 355 = DB 2003, 551; zust. Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 60; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 26 f; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 150, 152 f; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, § 34 Rn. 90; näher Bayer, GmbHR 2017, 665 ff; vgl. Rowedder/Schmidt-Leithoff-Rowedder/Bergmann, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 34 Rn. 82 – bei satzungsmäßiger Delegation des Beschlusses (zur Einziehung Rn. 29) an ein Dreier-Gremium müsse 2/3-Mehrheit genügen. 307) Scholz-Seibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 39. 308) Anders insoweit, aber i. E. wie hier Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 60; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 25. 309) BGHZ 153, 285, 289 f = ZIP 2003, 395, 395 f = GmbHR 2003, 351, dazu EWiR 2003, 329 (Wilhelmi). 310) BGH, ZIP 1999, 1843, 1845 = GmbHR 1999, 1194 = NJW 1999, 3779, dazu EWiR 1999, 1125 (Kort); OLG Jena, NZG 2006, 36, 37 = GmbHR 2005, 1566 = DB 2006, 101; Goette, DStR 2001, 533, 534; a. A. OLG Köln, NZG 1999, 773; Lösung über Stimmrechtsausschluss des Auszuschließenden bei OLG Stuttgart, GmbHR 1989, 466 = WM 1989, 1252. 311) Zu Einziehungsgründen OLG Nürnberg, NJW-RR 2001, 403, 404 = GmbHR 2001, 108. 312) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 62 f; Michalski/Heidinger/Leible/ J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 28; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, § 34 Rn. 93; Scholz-Seibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 38; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 33; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 147, 163 f. Ob die Gesellschafter direkt gegeneinander prozessieren können oder die Ausschließungsklage von der GmbH, die Anfechtungsklage vom Auszuschließenden zu erheben ist, hat der BGH offengelassen, BGHZ 9, 157, 177 = NJW 1953, 780, 783 = GmbHR 1953, 72; zurückhaltend auch Goette, DStR 2001, 533, 534; vgl. zur Erörterung der wechselseitig behaupteten Einziehungsgründe in derselben Gesellschafterversammlung OLG München, NJW-RR 1994, 496, 497 = GmbHR 1994, 251 = DB 1993, 2477.

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führende Gesellschafter selbst über eine hinreichende Mehrheit, bedarf es (wohl auch in einer mehrgliedrigen Gesellschaft) zur Erhebung der Ausschließungsklage keines förmlichen Beschlusses.313) In mehrgliedrigen Gesellschaften ist es hingegen grundsätzlich unzulässig, Ausschließungsgründe nachzuschieben, zu denen sich die Gesellschafterversammlung noch nicht äußern konnte; allenfalls können später eingetretene Umstände, die mit den Ausschließungsgründen eng zusammenhängen, zur Abrundung des von der Versammlung gewürdigten Tatbestands vorgetragen werden.314) c) Ausschluss durch satzungsmäßigen Gesellschafterbeschluss 66

Der für alle Seiten kürzeste und sicherste Weg besteht darin, den Ausschluss per Gesellschafterbeschluss bereits in der Satzung zuzulassen und dort auch die Modalitäten der Abstimmung und der Abfindung sowie das Schicksal des Anteils zu klären.315) Insbesondere ist zu vermeiden, dass die Minderheit unberechtigt die vom Stimmrecht ausgeschlossene (§ 47 Abs. 4) Mehrheit „ausschließt“, was allerdings zu einer entsprechenden Reaktion der Mehrheit und letztlich zur Auflösung(-sklage) führen dürfte.316) Der Gesellschafter verliert bei entsprechender Satzungsklausel seine Gesellschafterstellung bereits durch den Beschluss, auch wenn noch keine Abfindung gezahlt ist.317) Der Beschluss selbst bewirkt keine Satzungsänderung und ist daher nicht gemäß § 53 Abs. 2 beurkundungsbedürftig.318) d) Gerichtliche Überprüfbarkeit

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Der jeweilige Gesellschafterbeschluss kann analog §§ 243, 246 AktG durch fristgerechte (siehe Rn. 41) Anfechtungsklage darauf überprüft werden, ob die formellen Voraussetzungen (z. B. erforderliche Mehrheit) bzw. die besonderen satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Ausschließung vorlagen.319) Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtungsklage des Auszuschließenden wird durch eine ggf. erhobe_____________ 313) Für eine Zweipersonengesellschaft mit einem Beteiligungsverhältnis 85:15: BGH, ZIP 1999, 1843, 1845 = GmbHR 1999, 1194 = NJW 1999, 3779, dazu EWiR 1999, 1125 (Kort), unter Hinweis auf BGH, ZIP 1992, 32, 36 = GmbHR 1992, 38 = DB 1992, 260, dazu EWiR 1992, 61 (Fleck). 314) BGH, NJW-RR 1991, 1249, 1250 = GmbHR 1991, 362; näher Strohn in: MünchKommGmbHG, § 34 Rn. 125. 315) BGHZ 9, 157, 160 = NJW 1953, 780, 780 = GmbHR 1953, 72; BGH, NJW-RR 1991, 1249 = GmbHR 1991, 362; näher Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 21, 40, die allerdings das Ausschließungsurteil wegen höherer Rechtssicherheit vorziehen; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 167, 176 f. 316) Vgl. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 60 Rn. 72, 91; OLG München, NJW-RR 1994, 496, 497 = GmbHR 1994, 251 = DB 1993, 2477 – zur Einziehung. 317) BGH, ZIP 2003, 1544, 1546 = GmbHR 2003, 1062 = DB 2003, 2058, dazu EWiR 2003, 1087 (Weipert); BGH, ZIP 2009, 314 = GmbHR 2009, 313 = DB 2009, 340, dazu EWiR 2009, 267 (Schodder); OLG Hamm, GmbHR 1993, 743; OLG Köln, NJW-RR 1997, 356 f = GmbHR 1996, 609 = BB 1996, 2059; OLG Nürnberg, ZEV 2008, 604, 605 m. Anm. Langenfeld; Goette, DStR 2001, 533, 540. 318) OLG Frankfurt/M., GmbHR 1980, 56. 319) Goette, DStR 2001, 533, 538; zu den satzungsmäßigen Voraussetzungen eines Ausschließungsbeschlusses BGH, NJW-RR 1991, 1249 = GmbHR 1991, 362; BGHZ 111, 224 = ZIP 1990, 784 = GmbHR 1990, 344, dazu EWiR 1990, 701 (Fleck); zu den formellen Voraussetzungen des Beschlusses über die Erhebung der Ausschließungsklage BGHZ 153, 285 = ZIP 2003, 395, 396 = GmbHR 2003, 351, dazu EWiR 2003, 329 (Wilhelmi).

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ne Ausschließungsklage der GmbH nicht berührt, da einerseits mangels satzungsmäßiger Grundlage nur im Rechtsstreit über die Ausschließungsklage festgestellt werden kann, ob spätestens bis zur letzten mündlichen Verhandlung (siehe Rn. 65) ein wichtiger Grund für die Ausschließung gegeben ist, während andererseits der Gesellschafter Mängel des der Ausschließungsklage zugrunde liegenden Beschlusses durch Anfechtungsklage angreifen muss.320) Fand der Ausschließungsantrag nicht die erforderliche Mehrheit, kann der wichtige Grund analog § 248 AktG positiv festgestellt werden; eine gegen einen positiven Gesellschafterbeschluss gerichtete negative Beschlussfeststellungsklage ist jedoch neben der Anfechtungsklage ebenso unzulässig wie eine allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO, wenn der stattgebende Beschluss vom Versammlungsleiter förmlich festgestellt worden ist.321) Bei sofortiger Wirksamkeit des Ausschlusses (siehe Rn. 66) kann der Gesellschafter vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch nehmen.322) e) Wirkung – Vollzug – Kapitalschutz Die Ausschließung eines Gesellschafters durch Beschluss oder Urteil führt zwar zum Verlust der Gesellschafterstellung, lässt aber anders als die anteilsvernichtende Einziehung (siehe Rn. 48) den Geschäftsanteil grundsätzlich unberührt.323) Rechtstechnisch wird der Ausschluss nach Wahl der Gesellschaft durch Anteilserwerb (§ 33), Einziehung (§ 34) oder Abtretung an Gesellschafter oder Dritte (§ 15) umgesetzt.324) Dogmatisch zweifelhaft ist die verbreitete Vorstellung des Anteils als eines „trägerlosen Rechts“, das der Gesellschaft lediglich zur Verwertung zugewiesen sei.325) Ein automatische dingliche Zuordnung etwa zur Gesellschaft326) ist allerdings aus kapitalschutzrechtlichen Gründen schwierig (siehe Rn. 69). Praktikabel erscheint eine Zug-um-Zug-Lösung (siehe Rn. 63).

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Die Kapitalschutzgrenzen (§§ 19 Abs. 2, 30, 33) müssen wie bei der Einziehung (siehe Rn. 20 ff, 36 f, aber ebenso siehe Rn. 46) spätestens zu dem Zeitpunkt gewahrt sein, zu dem die Ausschließung wirksam wird (siehe Rn. 62 f, 66).327) Wegen §§ 19 _____________

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320) BGHZ 153, 285, 287 = ZIP 2003, 395, 396 = GmbHR 2003, 351, dazu EWiR 2003, 329 (Wilhelmi); ebenso BGH, ZIP 2003, 435 = GmbHR 2003, 355 = DB 2003, 551. 321) BGH, ZIP 2003, 435 = GmbHR 2003, 355 = DB 2003, 551; vgl. auch OLGR München 1994, 114 = GmbHR 1994, 406 = DB 1994, 320, dazu EWiR 1994, 277 (Weipert). 322) Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 168. 323) St. Rspr., vgl. BGHZ 9, 157, 167 f = NJW 1953, 780, 782 = GmbHR 1953, 72; BGHZ 32, 17, 23 = GmbHR 1960, 85 = NJW 1960, 866; BGH, ZIP 1999, 1843, 1844 = GmbHR 1999, 1194 = NJW 1999, 3779, dazu EWiR 1999, 1125 (Kort); zu milderen Lösungen BGHZ 35, 272, 283 f = NJW 1961, 1769, 1771 f; Scholz-Seibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 34. 324) OLG Jena, NZG 2006, 36, 38 = GmbHR 2005, 1566 = DB 2006, 101. Zum Vollzug in der Gesellschafterliste DNotI-Report 2012, 167, 168. 325) So aber Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 60 Rn. 97; Scholz-Seibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 52; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 39; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 118; dagegen Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 10, § 21 Rn. 12; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 39; offen BGH, ZIP 2003, 1544, 1546 = GmbHR 2003, 1062 = DB 2003, 2058, dazu EWiR 2003, 1087 (Weipert). 326) BGHZ 9, 157, 178 = NJW 1953, 780, 784 = GmbHR 1953, 72. 327) Auch zum Folgenden Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 58; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 110 ff.

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Abs. 2, 33 Abs. 1 muss für nicht voll eingezahlte Anteile – außer im Fall des § 33 Abs. 3 – bereits ein neuer Einlageschuldner bereitstehen. Die Abfindung muss wegen § 30 Abs. 1 aus freiem Vermögen erbracht werden können. Ist in der Gesellschafterversammlung bzw. der letzten mündlichen Verhandlung bereits absehbar, dass eine oder beide Voraussetzungen nicht erfüllt werden können, kann die Ausschließung weder beschlossen noch durch Urteil bedingt ausgesprochen werden.328) Bei dauerhafter Unterbilanz können die Gesellschafter aufgrund der Treuepflicht aber gehalten sein, stille Reserven aufzulösen, wenn nur so der Abfindungsanspruch des ausgeschiedenen Gesellschafters ohne Verletzung des § 30 erfüllt werden kann.329) VI. Austritt von Gesellschaftern 1. 70

2. 71

Grundsätzliche Zulässigkeit

Spiegelbildlich zum Ausschließungsrecht der Gesellschaft hat jeder Gesellschafter das Recht, aus wichtigem Grund aus der Gesellschaft auszutreten, d. h. die Gesellschaft zu kündigen. Nach der Rechtsprechung gehört das Austrittsrecht zu den zwingenden, unverzichtbaren Mitgliedschaftsrechten, das dem Gesellschafter auch durch satzungsmäßige Beschränkungen (z. B. der Abfindung) weder rechtlich noch faktisch entzogen werden darf.330) Austrittsgrund

Gesetzlich ist der Austritt so wenig geregelt wie die Ausschließung, sieht man heute331) von den umwandlungsrechtlichen Regeln zur Barabfindung ab (§§ 29 ff, 207 ff UmwG), die gemäß § 33 Abs. 3 den Eigenanteilserwerb ermöglichen (siehe § 33 Rn. 49 ff [Thiessen]), sowie von § 225a Abs. 5 InsO, der ein Austrittsrecht aus wichtigem Grund voraussetzt. Das Abandonrecht, mit dem sich der Gesellschafter einer unbeschränkten Nachschusspflicht entziehen kann (§ 27), deutet aber den Maßstab an, der auch an das Austrittsrecht anzulegen ist. Ohne besondere statutarische Regelung332) oder die Zustimmung der Mitgesellschafter333) rechtfertigen nur erhebliche, geradezu existentielle Belastungen als ultima ratio334) den einseitigen Rückzug aus der Gesellschaft.335) So erkannte die erste einschlägige Reichsgerichtsentscheidung das Austrittsrecht eines Gesellschafters an, der die satzungsmäßigen Nebenleistun_____________ 328) BGH, ZIP 2011, 1104, 1105 = NJW 2011, 2294 = DB 2011, 1517, dazu EWiR 2011, 537 (Schult/Wahl); OLG Frankfurt/M., GWR 2011, 447; Scholz-Seibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 36, etwas anders a. a. O. Rn. 52. 329) Zur Hinauskündigung von atypisch stillen Gesellschaftern BGH, ZIP 2006, 703, 707 = GmbHR 2006, 531 = DB 2006, 832, dazu EWiR 2006, 653 (Kort). 330) BGHZ 116, 359, 369 = ZIP 1992, 237, 240 = GmbHR 1992, 257, dazu EWiR 1992, 321 (Wiedemann); BGH, ZIP 2014, 873 Rn. 12 = GmbHR 2014, 534 = NZG 2014, 541, dazu EWiR 2014, 581 (Schodder); obiter bereits BGHZ 9, 157, 162 f = NJW 1953, 780, 781 = GmbHR 1953, 72. Zu den einen Austritt motivierenden Interessen M. Goette, S. 9 ff. 331) Praktisch überholt ist das Sonderkündigungsrecht gemäß § 18 Abs. 3 5. VermBG, näher dazu Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 191. 332) Zu deren Zulässigkeit Goette, DStR 2001, 533, 541; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 194 f. 333) OLG Köln, NJW-RR 1997, 356, 357 = GmbHR 1996, 609 = BB 1996, 2059. 334) RGZ 128, 1, 17; OLG München, GmbHR 1990, 221 = DB 1990, 473 = WM 1990, 556. 335) Umfassender Überblick über die möglichen Austrittsgründe bei M. Goette, S. 29 ff, 100 ff.

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gen (§ 3 Abs. 2) nicht mehr erbringen konnte.336) Bloße Opportunitätserwägungen des Gesellschafters genügen jedoch gegenüber den Interessen der Gesellschaft nicht; das „außerordentliche Kündigungsrecht darf keinesfalls dazu führen, die Folgen einer mehr oder weniger missglückten Spekulation abzuschütteln“.337) Der Gesellschafter ist daher darauf verwiesen, den Anteil – soweit möglich (siehe Rn. 71) – zu veräußern oder etwa Rechtsschutz gegen ihn benachteiligende Gesellschafterbeschlüsse zu suchen.338) Mangels satzungsmäßiger Bestimmung besteht kein ordentliches Kündigungsrecht analog §§ 723 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 724 BGB.339) Jedoch kann die Gesellschaft durch qualifizierten Mehrheitsbeschluss wie im Fall der Ausschließungsklage (siehe Rn. 64 f) die Austrittserklärung eines Gesellschafters annehmen.340) Die Rechtsprechung ist uneinheitlich. Eine Vinkulierung gemäß § 15 Abs. 5 darf den Gesellschafter nicht durch Ausschluss des Abtretungsrechts gewissermaßen lebenslang an die Gesellschaft fesseln,341) jedoch stellen rechtliche oder tatsächliche Veräußerungshindernisse für sich genommen keinen Austrittsgrund dar.342) Das Verhalten der Mitgesellschafter,343) insbesondere eine missbräuchliche, allein gegen die Interessen eines Gesellschafters gerichtete Thesaurierungspolitik der Gesellschaft kann den betroffenen Gesellschafter zum Austritt berechtigen,344) nicht hingegen eine allein nach Auffassung des Gesellschafters zu geringe Gewinnausschüttung.345) Gerade vor dem Hintergrund dieser letzten Fallgruppe ist es zweifelhaft, dass eine unrichtig oder verspätet vorgelegte Bilanz für einen Vertrauensverlust eines Gesellschafters nicht genügen soll.346) Umstände außerhalb des Gesellschaftsverhältnisses, _____________ 336) RGZ 128, 1, 15 ff. 337) RGZ 128, 1, 18. 338) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 55 ff; ScholzSeibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 14; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 189 f. 339) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 49; Scholz-Seibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 2, 9; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 48, 67; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 178, 195; diff. nach der Gesellschaftsstruktur Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 60 Rn. 105; diff. nach der Leistungspflicht Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 7 IV. 2b, S. 402; Scholz-Seibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 4, 11. 340) Obiter BGH, ZIP 2010, 324, 325 = GmbHR 2010, 256, 257 = DB 2010, 323, dazu EWiR 2010, 405 (Podewils); ausdrücklich BGH, ZIP 2014, 873, 874 = GmbHR 2014, 534, 535 = NZG 2014, 541, dazu EWiR 2014, 581 (Schodder); näher Scholz-Seibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 14a ff; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 50. 341) OLG Karlsruhe, BB 1984, 2015, 2016; zu Namensaktien BGH, ZIP 1987, 291 = DB 1987, 679 = NJW 1987, 1019, dazu EWiR 1987, 107 (Priester); Lutter/Hommelhoff-Lutter/ Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 72; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 2; ScholzSeibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 7 f; näher M. Goette, S. 60 ff. 342) OLG Hamm, GmbHR 1993, 656, 657; diff. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 60 Rn. 109. 343) Umfassend hierzu Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 186 ff. 344) So OLG Köln, NZG 1999, 1222, 1223 = GmbHR 1999, 712; ebenso der nicht entscheidungserhebliche Klägervortrag in OLG Zweibrücken, MittBayNot 1998, 195, 196 f, dazu der Nichtannahmebeschluss BGH, DStR 1997, 1336 m. Anm. Goette; s. a. Goette, DStR 2001, 533, 541. 345) OLG München, GmbHR 1990, 221 = DB 1990, 473 = WM 1990, 556, 558. 346) OLG Hamm, GmbHR 1993, 656, 657; krit. Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 74 Fn. 11.

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etwa offene Forderungen aus einem Arbeitsverhältnis, können hingegen grundsätzlich den Austritt nicht rechtfertigen.347) Entgegen der h. M.348) ist ein Austrittsrecht abzulehnen, wenn der Gesellschafter aus privaten Gründen (Berufsunfähigkeit, chronische Krankheit, Umzug ins Ausland) seine Mitgliedschaftsrechte nicht ausüben kann, weil dies ebenso sein eigenes Risiko ist wie ein plötzlicher persönlicher Geldbedarf.349) Näher liegt in diesen Fällen, dass die Gesellschaft sich vom Gesellschafter trennen will (siehe Rn. 13).350) Neben solchen personenbezogenen Gründen können auch Veränderungen in der Gesellschafts- und Gesellschafterstruktur (vgl. § 61) zum Austritt berechtigen, so etwa beim Gesellschaftszweck, beim Umfang der Geschäftstätigkeit oder bei den Mehrheits- und Abhängigkeitsverhältnissen.351) 73

Das Austrittsrecht ist nicht auf personalistische Gesellschaften beschränkt,352) auch wenn es gerade hier wegen der verbreiteten Vinkulierungen besonders praxisrelevant ist. Gerade bei kapitalistisch strukturierten Gesellschaften können aber etwa die Risiken aus §§ 24, 31 Abs. 3 durch veränderte Geschäftspolitik (siehe Rn. 72) in erheblichem Maße zunehmen, ohne dass der einzelne Gesellschafter dies beeinflussen könnte. Der Austritt ist unter den allgemeinen Voraussetzungen (Satzungsklausel oder wichtiger Grund) bereits bei der Vor-GmbH möglich.353) 3.

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Austrittserklärung und Vollzug

Der Gesellschafter kann seinen Austritt formlos erklären.354) Die Austrittserklärung allein beendet jedoch nicht die Gesellschafterstellung. Der Austritt muss _____________ 347) Insoweit zutreffend OLG Hamm, GmbHR 1993, 656, 657. 348) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, § 34 Rn. 102; Scholz-Seibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 11; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 52; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 181. 349) A. A. zu vinkulierten Namensaktien BGH, ZIP 1987, 291 = DB 1987, 679 = NJW 1987, 1019, dazu EWiR 1987, 107 (Priester); zu dieser umstrittenen Fallgruppe mit unterschiedlichen Akzenten Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 52; Scholz-Seibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 12; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 52; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 181. 350) Deshalb bedarf es regelmäßig auch keines Kündigungsrechts des Insolvenzverwalters oder Gesellschaftergläubigers analog § 135 HGB, für eine Ausnahme als ultima ratio Ulmer/ Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 50; dem zust. Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 193; dagegen Scholz-Seibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 9; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt/Sosnitza, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 47 ff. 351) Hierzu Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 20; Lutter/HommelhoffLutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 73; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 54; Scholz-Seibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 13; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 53; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 182 ff. 352) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 51; Rowedder/ Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, § 34 Rn. 104; Scholz-Seibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 11, zur Ausschließung a. a. O. Rn. 22; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 180. 353) OLG Hamm, NJW-RR 1995, 550, 551. 354) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 75; Michalski/Heidinger/Leible/ J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 59; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 60 Rn. 112; Scholz-Seibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 16; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 197.

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vielmehr rechtstechnisch in gleicher Weise umgesetzt werden wie der Ausschluss (siehe Rn. 68 f).355) Hierzu kann die Gesellschaft – mangels spezieller Satzungsklausel nicht der Gesellschafter (siehe Rn. 77) – wählen, ob sie den Anteil innerhalb der kapitalschutzrechtlichen Grenzen (§§ 19 Abs. 2, 30 Abs. 1) selbst erwirbt (§ 33), einzieht (§ 34) oder an einen anderen Gesellschafter oder einen Dritten abtreten lässt.356) Das außerordentliche Austrittsrecht steht anders als die freiwillige Einziehung (siehe Rn. 9) nach h. M. nicht unter dem Zustimmungsvorbehalt dinglich Berechtigter,357) was allerdings dem Anteilsinhaber ein zweifelhaftes Recht einräumt, Rechte Dritter zu beseitigen, an deren Entstehung er außer beim Pfändungspfandrecht selbst mitgewirkt hat.358) Die Austrittserklärung lässt sich zwar als vorweggenommene, unwiderrufliche (§ 183 Satz 1 Halbs. 2 BGB) und bedingungsfeindliche359) Zustimmung zu dem beschriebenen (siehe Rn. 74) Verfahren interpretieren,360) nicht aber als Verzicht auf eine angemessene Abfindung (siehe Rn. 78 ff). Vielmehr entsteht bei einem Austritt aus wichtigem Grund mit Zugang der Austrittserklärung bei der Gesellschaft (zur freiwilligen Einziehung siehe Rn. 8) der Abfindungsanspruch sowie ein Auskunftsanspruch gemäß § 810 BGB (siehe Rn. 97).361) Nach der Rechtsprechung bleibt daher der Austritt ebenso wie der Ausschluss (siehe Rn. 62) in der Schwebe, bis die Abfindung Zug um Zug gegen Einziehung, Erwerb oder Abtretung gezahlt ist.362) Macht die Gesellschaft von ihrem Wahlrecht (siehe Rn. 74) keinen Gebrauch, ist sie unbedingt zur Zahlung der Abfindung zu verurteilen,363) ohne dass der Gesellschafter auf Auflösung der Gesellschaft klagen muss bzw. darf.364) Alternativ kann er die Gesellschaft auf Einziehung oder Benennung eines übernahmewilligen Dritten verklagen.365) Ist eine kapitalschutzkonforme Abfindung nicht möglich, bleibt dem Gesellschafter zwar nur die Auflösungsklage.366) Die Auflösungsklage ist jedoch _____________ 355) BGH, ZIP 2010, 324, 325 = GmbHR 2010, 256 = DB 2010, 323, dazu EWiR 2010, 405 (Podewils). 356) BGH, ZIP 1998, 605 = GmbHR 1998, 375 = NJW-RR 1997, 606; OLG Köln, NZG 1998, 779, 781; OLG Köln, NZG 1999, 1222, 1223 = GmbHR 1999, 712; OLG Celle, GmbHR 2002, 1063, 1064. 357) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 58. 358) Krit. auch Heuer, ZIP 1998, 405, 409. 359) Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 197. 360) OLG Köln, NJW-RR 1997, 356, 357 = GmbHR 1996, 609 = BB 1996, 2059. 361) OLG München, ZIP 2011, 2148, 2150 f = GmbHR 2011, 1040 = DStR 2011, 1673, dazu EWiR 2011, 747 (Lieder), insoweit nicht überholt durch BGH, ZIP 2014, 873 = GmbHR 2014, 534 = NZG 2014, 541, dazu EWiR 2014, 581 (Schodder). Nach dieser Entscheidung (Rn. 10 ff) wird der Abfindungsanspruch nach Austritt ohne wichtigen Grund erst fällig, wenn die Gesellschaft den Austritt annimmt. 362) OLG Köln, NZG 1999, 1222, 1223 = GmbHR 1999, 712. 363) OLG Köln, NZG 1998, 779, 781; OLG Celle, GmbHR 2002, 1063, 1064. 364) Für einen Vorrang der Zahlungsklage vor der Auflösungsklage OLG Celle, GmbHR 2002, 1063, 1064; zum Verhältnis beider Rechtsinstitute Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/ Habersack, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 56. 365) OLG Koblenz, ZIP 2005, 1873, 1874 = GmbHR 2005, 1568 = NZG 2006, 66; vgl. zuvor RGZ 125, 114, 118; BGHZ 32, 17, 23 = NJW 1960, 866, 867 = GmbHR 1960, 85; BGHZ 88, 320, 326 = ZIP 1983, 1444 = GmbHR 1984, 93. 366) OLG Düsseldorf, NZG 2005, 633, 635.

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abzuweisen, wenn die Ausschließung des Auflösungsklägers gerechtfertigt erscheint.367) 76

Der Ausgetretene bleibt demnach zunächst Gesellschafter, behält insbesondere ein anteiliges Gewinnbezugsrecht (§ 101 Nr. 2 Halbs. 2 BGB)368) und haftet für bereits fällige Leistungen (§§ 46 Nr. 2, 24, 31 Abs. 3),369) darf gegen die Mehrheit aber nur stimmen, soweit er damit die Auszahlbarkeit seiner (bereits ohne ihn beschlossenen, siehe Rn. 31) Abfindung sichert.370)

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Rechtssicherer wäre es auch hier, den Gesellschafter sogleich vollständig aus der Gesellschaft ausscheiden und um die Abfindung notfalls prozessieren zu lassen. Die von der Rechtsprechung akzeptierte – hier aber ebenso wie bei Einziehung und Ausschluss (siehe Rn. 32 ff, 62 f) unbefriedigende – Schwebesituation371) sollte daher durch kautelarjuristische Vorsorge in der Satzung vermieden werden, welche die Gründe und Modalitäten des Austrittsrechts bis hin zur antizipierten Abtretungserklärung regeln kann.372) In der Rechtsprechung anerkannt sind Bestimmungen über ein ordentliches Austrittsrecht,373) über das Ruhen der Mitgliedschaftsrechte374) und über Abfindungsbeschränkungen,375) die jedoch gerichtlich überprüfbar sind (siehe Rn. 83 ff). Dem Gesellschafter kann ein Andienungsrecht eingeräumt werden,376) das rechtstechnisch etwa als Recht auf Einziehung ausgestaltet werden kann.377) VII. Abfindung

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Verliert der Gesellschafter seine Mitgliedschaft, muss er hierfür grundsätzlich entschädigt werden (siehe Rn. 27). Über die Höhe sind sich Gesellschafter und Gesell_____________ 367) BGHZ 80, 346, 348 f = ZIP 1981, 985 = NJW 1981, 2302. 368) Scholz-Seibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 17; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 199; a. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 65; Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 60 Rn. 110; vgl. BGH, ZIP 1995, 374, 375 f = GmbHR 1995, 291 = DB 1995, 619, dazu EWiR 1995, 369 (W. Müller). 369) BGHZ 88, 320, 326 f = ZIP 1983, 1444 = GmbHR 1984, 93. 370) BGH, ZIP 2010, 324, 326 = GmbHR 2010, 256 = DB 2010, 323, dazu EWiR 2010, 405 (Podewils) im Anschluss an BGHZ 88, 320, 328 = ZIP 1983, 1444 = GmbHR 1984, 93; ebenso BGH, WM 1983, 1354, 1355; krit. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 60 f, die ein Ruhen des Stimmrechts befürworten. 371) Vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 62, der ähnlich wie bei Einziehung und Ausschließung die Gesellschafterstellung des Ausgetretenen nur dann aufleben lassen will, falls die Abfindung ausbleibt. 372) BGH, ZIP 2003, 1544, 1546 = GmbHR 2003, 1062 = DB 2003, 2058, dazu EWiR 2003, 1087 (Weipert); näher Goette, DStR 2001, 533, 541; M. Goette, S. 265 ff, 281 ff; Lutter/ Hommelhoff-Lutter, GmbHG, § 34 Rn. 76; Scholz-Seibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 24; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 67 f; Strohn in: MünchKommGmbHG, § 34 Rn. 203. 373) BGH, GmbHR 1969, 288 = DB 1969, 1884 = NJW 1969, 2049; BayObLG, WM 1975, 634. 374) Daran fehlte es in BGHZ 88, 320, 323 = ZIP 1983, 1444 = GmbHR 1984, 93. 375) BGHZ 116, 359, 368 f = ZIP 1992, 237, 240 = GmbHR 1992, 257, dazu EWiR 1992, 321 (Wiedemann). 376) Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 3. 377) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 27; Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 34 Rn. 89; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 28, 114; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 92.

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schaft – außer bei freiwilliger Einziehung (§ 34 Abs. 1) – aber nur selten einig. Hier liegt in der Praxis das größte Streitpotential, neben der vorgreiflichen Frage, ob ein wichtiger Grund für Einziehung, Ausschluss und Austritt vorliegt (siehe Rn. 11 ff, 57 ff, 71 ff). Streitig ist zum einen die Bewertung des Anteils (siehe Rn. 79 f), zum anderen die Frage, ob eine etwaige satzungsmäßige Abfindungsklausel dem Wert des Anteils (noch) gerecht wird und demgemäß (noch) Bestand haben kann. Da beides aus dem Gesetz nicht ablesbar ist, bestehen hier umfassende Beratungspflichten für Anwälte und Notare.378) Für die Gestaltungspraxis empfehlen sich schiedsfähige, differenzierte prozentuale Abschläge vom Zeitwert (zum maßgeblichen Zeitpunkt siehe Rn. 93), weil eine dynamische Anknüpfung das Auseinanderdriften von Abfindung und Anteilswert von vornherein verhindert.379) 1.

Anteilsbewertung

Der Gesellschafter hat grundsätzlich Anspruch auf den Marktwert (Verkehrswert) des Anteils;380) nicht anders, als würde er den Anteil freiwillig an einen Dritten veräußern.381) Dem gesetzlichen Leitbild entsprechend (§ 15) werden GmbH-Anteile jedoch anders als Aktien oder Kommanditbeteiligungen an einer Publikums-KG nicht marktmäßig gehandelt, zumindest nicht an einem organisierten Markt (§ 2 Abs. 5 WpHG), sondern allenfalls „grau“. Ebenso wenig gibt es einen transparenten Markt für ganze Unternehmen oder die Gesamtheit der Anteile. Der Anteil des Gesellschafters am Gesamtwert des von der Gesellschaft getragenen Unternehmens382) muss daher durch Sachverständige festgestellt werden.383) Bei Zweifeln hat das Gericht wie im Parallelfall des § 738 Abs. 2 BGB gemäß § 287 Abs. 2 ZPO die Höhe der Abfindung zu schätzen.384) Sachverständiger Bewertung und/oder Schätzung bedarf es in der Praxis in zwei Fällen: erstens, wenn die Satzung keine Vorkehrungen zur Berechnung der Abfindung trifft; zweitens, wenn die satzungsmäßige Höhe der Abfindung nach Ansicht des Betroffenen zur einer Unterbewertung führt. _____________ 378) Vgl. BGH, NJW 1994, 1472, 1474 = DB 1994, 873 = WM 1994, 1114 – Beratung über Bedeutung und Überwindung einer Buchwertklausel. 379) Vgl. Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 91 ff; ScholzH. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 33, 35. 380) St. Rspr., vgl. zur Ausschließung BGHZ 9, 157, 168 = NJW 1953, 780, 782 = GmbHR 1953, 72; BGHZ 16, 317, 322 = GmbHR 1955, 127 = NJW 1955, 667; BGHZ 32, 151 = GmbHR 1960, 125 = NJW 1960, 1293; zur Einziehung BGHZ 65, 22, 24 = GmbHR 1975, 227 = NJW 1975, 1835; BGHZ 116, 359, 370 = ZIP 1992, 237, 238 ff = GmbHR 1992, 257, dazu EWiR 1992, 321 (Wiedemann); zur Berechnung bei bereits realisierten Verkehrswerten KG Berlin, ZIP 2015, 1174, 1176 = GmbHR 2015, 754 = DB 2015, 1397. 381) BGHZ 116, 359, 370 = ZIP 1992, 237, 240 = GmbHR 1992, 257, dazu EWiR 1992, 321 (Wiedemann). 382) Umfassend hierzu Peemöller-Mandl/Rabel, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 1. Kap. Teil D. 383) Zur Maßgeblichkeit dieses Werts BGHZ 116, 359, 371 = ZIP 1992, 237, 240 = GmbHR 1992, 257, dazu EWiR 1992, 321 (Wiedemann), im Anschluss an BGHZ 17, 130, 136 = WM 1955, 802, 805 (zur OHG); BGH, GmbHR 1985, 113 = DB 1985, 167 = NJW 1985, 192 – zur KG. Vgl. zur Bewertung bei einer Anwalts-GbR BGH, ZIP 1995, 833, 834 f = DB 1995, 1121 = NJW 1995, 1551, dazu EWiR 1995, 559 (Aderhold). 384) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 54.

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Ein bestimmtes Bewertungsverfahren385) ist weder den Gesellschaftern386) noch den Gerichten vorgegeben.387) Der Nennwert ist für den Verkehrswert des Anteils nicht aussagekräftig (aber siehe Rn. 82). Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (§§ 238, 252 HGB) zwingen kraft Gesetzes zur Vorsicht und Stetigkeit. Die Buchwerte entsprechen daher häufig nicht den Marktwerten (aber siehe Rn. 87), da sie stille Reserven und den Firmenwert388) nicht abbilden,389) während Rücklagen in die Berechnung der Abfindung einfließen.390) In der Praxis dominieren bei unternehmenstragenden Gesellschaften Ertragswertverfahren.391) Der Ertragswert beruht auf der Kapitalisierung nachhaltig zu erwartender künftiger Ertragsüberschüsse, die anhand der gegenwärtigen Ertragslage des Unternehmens und absehbarer Entwicklungsfaktoren ermittelt werden.392) Schwebende Geschäfte sind hier bereits berücksichtigt, sodass der ausscheidende Gesellschafter daran nicht analog § 740 BGB gesondert beteiligt wird.393) Beim mit dem Ertragswertverfahren verwandten, sehr verbreiteten Discounted- Cash-Flow-Verfahren wird der zu erwartende Zahlungsmittelüberschuss unter Berücksichtigung der Investitionskosten und Unternehmenssteuern auf den Bewertungsstichtag abgezinst.394) Substanzwertverfahren kommen zur Anwendung bei Ideal-Vereinen in der Rechtsform der GmbH oder bei ertragsschwachen Unternehmen;395) ebenso, wenn die Gesellschaft im Laufe ihrer Geschäftstätigkeit überdurchschnittlich viel nicht betriebsnotwendiges Vermögen angehäuft hat396) oder wenn die Ertragskraft wie bei Freiberuflern mehr personen- als unter_____________ 385) Eingehend zu den einzelnen Bewertungsverfahren neben Peemöller-Mandl/Rabel, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 1. Kap. Teil D; Michalski/Heidinger/Leible/ J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 71 ff; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 209 ff; Ulmer/Schäfer in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 32 ff. 386) Zur Kombination mehrerer Bewertungsverfahren je nach Grund des Ausscheidens Lutter/ Hommelhoff-Lutter, GmbHG, § 34 Rn. 91; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 263. 387) BGH, NJW 1991, 1547, 1548 – Bewertung einer Arztpraxis; BGH, ZIP 1993, 1160 = GmbHR 1993, 505 = DB 1993, 1614 1162 – zur OHG, dazu EWiR 1993, 769 (H. P. Westermann). 388) Zum isolierten Ausschluss des Firmenwerts Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 84, 95. 389) BGH, NJW 1979, 104 – zur KG. 390) Zu § 6b EStG: OLG München, ZIP 1997, 240, 241 = GmbHR 1997, 167 = DB 1997, 271, in Bezug auf Sonderposten mit Rücklagenanteil (§§ 247 Abs. 3, 273 HGB a. F., Art. 66 Abs. 5, 67 Abs. 3 EGHGB) überholt, hierzu RegE eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts – BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 49. 391) So auch BGH, NJW 1985, 192, 193 = GmbHR 1985, 113 = DB 1985, 167; offen BGHZ 116, 359, 371 = ZIP 1992, 237, 240 f = GmbHR 1992, 257, dazu EWiR 1992, 321 (Wiedemann); BGH, ZIP 1993, 1160, 1162 = GmbHR 1993, 505 = DB 1993, 1614 – zur OHG, dazu EWiR 1993, 769 (H. P. Westermann). 392) OLG Köln, NZG 1998, 779, 780; Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 80; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 25; instruktives Beispiel zur Kommanditistenabfindung bei LG Konstanz, NJW-RR 1988, 1184, 1186. 393) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 73. 394) Hierzu Ulmer/Schäfer in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 36 m. w. N. 395) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 79 unter Hinweis u. a. auf Peemöller/Bömelburg, DStR 1993, 1036. 396) Um vorwiegend ausgebeutete Steinbruchgrundstücke ging es in BGH, ZIP 1993, 1160, 1162 = GmbHR 1993, 505 = DB 1993, 1614 – zur OHG, dazu EWiR 1993, 769 (H. P. Westermann).

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nehmensabhängig ist.397) Tendenziell wird das Gesellschaftsvermögen dann so bewertet, als solle es wiederbeschafft werden, was regelmäßig eine hypothetische Frage ist, weil niemand ein ertragsschwaches Unternehmen in unveränderter Form reproduzieren will.398) Der Liquidationswert, d. h. die Summe der Veräußerungspreise der einzelnen Vermögensgegenstände abzüglich Schulden und Liquidationskosten ist – namentlich bei ertragsschwachen Unternehmen – heranzuziehen, wenn er höher ist als der Fortführungswert399) und das Unternehmen nicht fortgeführt werden soll oder darf, also tatsächlich liquidiert wird.400) Ist dem Gesellschafter eine Abfindung „nach den Grundsätzen der Steuerbilanz“ versprochen, kann der Gesellschafter den tatsächlichen Ertragswert verlangen und ist nicht auf den früher401) nach dem sog. Stuttgarter Verfahren402) ermittelten „gemeinen Wert” i. S. d. §§ 9, 11 BewG beschränkt,403) sofern nicht eine solche Bewertung ausdrücklich vereinbart ist.404) Eine Ertragswertermittlung kann das Stuttgarter Verfahren nicht ersetzen.405) 2.

Abfindungsklauseln

a) Grundsätzliche Zulässigkeit Statutarische Vorsorge ist auch für die Höhe der Abfindung der sicherste Weg, um späteren Streit beim Ausscheiden des Gesellschafters zu vermeiden. Es steht den

_____________ 397) BGH, NJW 1991, 1547, 1548 – Bewertung einer Arztpraxis; ähnlich zum Stuttgarter Verfahren BGH, NJW-RR 1987, 21, 22 = GmbHR 1986, 425 = WM 1986, 1384, dazu EWiR 1987, 227 (Sieben). 398) Peemöller/Bömelburg, DStR 1993, 1036, 1038. 399) Zur Barabfindung gemäß § 305 AktG BayObLG, BB 1995, 1759, 1760 = GmbHR 1995, 662 = DB 1995, 1703, dazu EWiR 1995, 843 (Schulze-Osterloh); zur GbR: BGH, ZIP 2006, 851, 852 = DB 2006, 999 = DStR 2006, 1005; zur Berechnung: Peemöller/Bömelburg, DStR 1993, 1036, 1038. 400) BGH, NJW 1973, 509, 510 = DB 1973, 509 = WM 1973, 306 – zur Berechnung des Pflichtteils nach § 2311 BGB bei Liquidationsverpflichtung des Unternehmers gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten; BGH, NJW 1982, 2441 – zur Unternehmensbewertung im Zugewinnausgleich, ebenso i. V. m. dem „großen Pflichtteil“ BGH, NJW 1982, 2497, 2498; BGH, NJW-RR 1986, 1066, 1068 f zur Bewertung eines Landguts nach Beendigung der Gütergemeinschaft; insoweit a. A. BayObLG, BB 1995, 1759, 1760 = GmbHR 1995, 662 = DB 1995, 1703, dazu EWiR 1995, 843 (Schulze-Osterloh) – hypothetischer Liquidationswert als Untergrenze. 401) Zur Änderung des BewG Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, § 34 Rn. 86; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 211. 402) Eingehend Ulmer/Habersack/Winter-Ulmer, GmbHG, 1. Aufl. 2006, § 34 Rn. 86; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 261, 265. 403) OLG Köln, NZG 1998, 779, 780. 404) OLG München, NJW-RR 1988, 751, 752, dazu EWiR 1988, 373 (Miller); OLG Hamm, GmbHR 1994, 879 f. Die stichtagsbezogene Auslegung in BGH, DStR 1992, 1371 ist überholt, soweit sie an einen Vermögensteuerbescheid anknüpft. 405) Vgl. BVerfGE 117, 1, 37 ff = NJW 2007, 573, 583 = GmbHR 2007, 320; gegen Praxistauglichkeit des Stuttgarter Verfahrens zur Ermittlung der Abfindung Casper/Altgen, DStR 2008, 2319, 2322 ff, vgl. aber BGH, NJW-RR 1987, 21, 22 = GmbHR 1986, 425 = WM 1986, 1384, dazu EWiR 1987, 227 (Sieben).

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Gesellschaftern daher frei, Abfindungsklauseln zu vereinbaren.406) Der einzelne Gesellschafter hat ebenso wie die Gesellschaft ein Interesse daran, vorab verbindlich zu klären, dass der Anteil marktgerecht bewertet und in angemessener Frist (siehe Rn. 88) vergütet bzw. dass das Gesellschaftsvermögen nicht über Gebühr belastet wird.407) Ein für bestimmte (Ausschließungs-)Gründe vorgesehenes Abfindungsprozedere, lässt sich mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auf statutarisch ungeregelte Fälle übertragen, soweit es nicht um Fälle der Gläubigerbenachteiligung (siehe Rn. 91) geht.408) 82

Besondere Umstände, welche bereits eine Einziehung nach freiem Ermessen der Gesellschaft rechtfertigen können (siehe Rn. 16 ff), sind auch bei Abfindungsbeschränkungen zu beachten. Wie dort macht der unentgeltliche Erwerb für sich genommen den Gesellschafter nicht schutzlos.409) Jedoch kann eine besondere Gesellschafts- oder Gesellschafterstruktur Einschränkungen erfordern, etwa bei Mitarbeiterbeteiligungen, die keine volle, sondern lediglich eine treuhänderisch gebundene Gesellschafterstellung gewähren sollen.410) In derartigen Fällen sind ausnahmsweise Nennwertklauseln zulässig,411) während Abfindungen zum Nennwert bei deutlich höherem Verkehrswert grundsätzlich sittenwidrig sind.412) Weitgehende Beschränkungen413) und sogar ein Ausschluss der Abfindung414) sind zulässig bei Gesellschaften, die ideelle Zwecke verfolgen, der auch den Gesellschaftern unterstellt wird. Hat der Anteil des Gesellschafters keinen wirtschaftlichen Wert, ist die Ausschließung ohne Abfindung möglich.415) Wie bei Einziehungsklauseln (siehe Rn. 17) ist auch bei Abfindungsklauseln die Testierfreiheit des Erblassers zu berücksichtigen, _____________ 406) St. Rspr., vgl. BGHZ 65, 22, 24 = GmbHR 1975, 227 = NJW 1975, 1835; BGHZ 116, 359, 368 = ZIP 1992, 237, 239 f = GmbHR 1992, 257, dazu EWiR 1992, 321 (Wiedemann); BGH, ZIP 1993, 1160, 1161 = GmbHR 1993, 505 = DB 1993, 1614, dazu EWiR 1993, 769 (H. P. Westermann); zu in Frage kommenden Klauseln Kort, DStR 1995, 1961, 1962; zur Verbreitung Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 81; zu schenkungs- und erbschaftsteuerlichen Auswirkungen Ivens, GmbHR 2011, 465, vgl. unten Rn. 96. 407) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 82; Michalski/Heidinger/Leible/ J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 53; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 221. 408) BGH, ZIP 2002, 258, 259 = GmbHR 2002, 265 = DB 2002, 261, dazu EWiR 2002, 763 (Mutter). 409) BGHZ 81, 263 = ZIP 1981, 978 = DB 1981, 1974; BGH, ZIP 1989, 770 = GmbHR 1989, 508 = DB 1989, 1400, dazu EWiR 1989, 761 (Priester). 410) OLG Celle, DStR 1997, 336 m. Anm. Goette. 411) BGHZ 164, 107 = ZIP 2005, 1920, 1923 = GmbHR 2005, 1561 – „Mitarbeitermodell“; das zehnfache des Nennwerts wurde akzeptiert in BGHZ 164, 98 = ZIP 2005, 1917, 1919 = GmbHR 2005, 1558. 412) BGHZ 116, 359, 376 = ZIP 1992, 237, 242 = GmbHR 1992, 257, dazu EWiR 1992, 321 (Wiedemann); a. A. OLG Celle, ZIP 1985, 1392 = GmbHR 1986, 120 = WM 1986, 161, dazu EWiR 1985, 887 (v. Gerkan), für den Fall, dass der Gesellschaftsvertrag für alle Einziehungsgründe gleichermaßen Nennwertabfindung vorsieht. 413) Für eine gGmbH: OLG Hamm, GmbHR 1997, 942: Beschränkung auf Stammeinlage plus Verzinsung; der Überschuss sollte selbst bei Liquidation gemeinnützigen Zwecken zufließen. 414) Für eine GbR (alternatives Wohnprojekt): BGHZ 135, 387 = ZIP 1997, 1453, 1454 = GmbHR 1997, 939, dazu EWiR 1997, 883 (Wiedemann); zum Fortgang des Verfahrens nach Zurückverweisung BGH, DStR 1999, 1368 m. Anm. Goette. 415) OLG Brandenburg, ZIP 2002, 1806, 1807 = GmbHR 2002, 1066.

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der zulasten des Erben der Gesellschaft formwirksam (§§ 518 Abs. 1, 2301 Abs. 2 BGB, §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Satz 1) gestatten kann, den Anteil bei seinem Tod ohne (vollwertige) Abfindung einzuziehen.416) Ein Abfindungsausschluss sollte entgegen der Ansicht des Bundesgerichtshofs ferner möglich sein bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen, weil der Abfindungsausschluss hier als Vertragsstrafe (§§ 339 ff BGB) wirkt, die im Umfang flexibel ist (§ 343 BGB, § 348 HGB).417) b) Gerichtliche Überprüfbarkeit Die (zumindest schieds-)gerichtliche Überprüfbarkeit von Abfindungsklauseln ist nicht abdingbar.418) Wichtigster Prüfungsmaßstab ist § 138 BGB. Mängel der zugrunde liegenden Gesellschafterbeschlüsse werden analog §§ 241 ff AktG beurteilt. Bei der zur Prüfung der Beschlüsse erforderlichen Auslegung419) ist zu berücksichtigen, dass die Gesellschafter im Zweifel etwas Vernünftiges gewollt haben, nämlich eine auf Dauer wirksame und die Gesellschafter gleichbehandelnde Berechnung der Abfindung.420)

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Nur ausnahmsweise wird eine Abfindungsklausel nach § 138 Abs. 2 BGB nichtig sein, wenn etwa ein geschäftsunerfahrener Mitgesellschafter – praxisrelevant im Erbfall – von den anderen Gesellschaftern gezielt übervorteilt wird.421) Ein unausweichlicher Konflikt bei der Formulierung von Abfindungsklauseln ergibt sich jedoch dadurch, dass der Gesellschaftsvertrag statische Regeln für eine dynamische Vertragsbeziehung aufstellt.422) Prosperiert das von der Gesellschaft getragene Unternehmen in einem Umfang, den die Gesellschafter bei Gründung oder Beitritt nicht vorhersehen konnten, hat der Gesellschafter in der Regel einen Anspruch darauf, bei seinem Ausscheiden an einem zwischenzeitlichen Wertzuwachs beteiligt zu werden. Statutarische Abfindungsklauseln werden daher von der Rechtsprechung

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_____________ 416) BGH, GmbHR 1977, 81, 82 = DB 1977, 342 = WM 1977, 192; eingehend hierzu Habersack, ZIP 1990, 625; Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 98; ScholzH. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 3, 26 ff; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtSosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 69; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 101 f; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 246 ff; vgl. auch OLG Celle, DStR 1997, 336 m. Anm. Goette; OLGR Bremen 2003, 205 = GmbHR 2003, 717 = NotBZ 2003, 474. 417) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 67; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 104; zur Gültigkeit von Buchwertklauseln für diesen Fall Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 34 Rn. 58; tendenziell dafür noch BGH, NJW 1977, 2316 f = GmbHR 1978, 131 = DB 1978, 77; BGH, WM 1983, 1207, 1208; einschränkend nach Auslegung der Klausel Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 222; a. A. BGHZ 201, 65, 71 Rn. 15 = ZIP 2014, 1327 = GmbHR 2014, 811, dazu EWiR 2014, 509 (Seibt). 418) RGZ 57, 154, 156 f – zur Genossenschaft. 419) Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 223 f. 420) BGH, ZIP 2011, 2357, 2358 f = GmbHR 2012, 92 = DB 2011, 2765. 421) Hierzu BGH, WM 1975, 325, 327; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 61; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 93; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 233. 422) Grundlegend zu diesem Konflikt Sanders, Statischer Vertrag und dynamische Vertragsbeziehung. Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle von Gesellschafts- und Eheverträgen, S. 109 ff.

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darauf hin überprüft, ob sie den ausscheidenden Gesellschafter423) oder dessen Gläubiger424) bezüglich des absoluten Anteilswerts, im Verhältnis zu anderen Gesellschaftern425) oder im Vergleich zu anderen Abfindungssituationen entgegen dem Gleichbehandlungsgrundsatz von vornherein in willkürlicher426) und daher sittenwidriger Weise gemäß § 138 Abs. 1 BGB benachteiligen (siehe Rn. 86 f) oder ob eine solche Benachteiligung sich durch die Wertentwicklung des Unternehmensvermögens nachträglich ergibt (siehe Rn. 89 f). In beiden Fällen tritt an die Stelle der verabredeten eine angemessene Abfindung, wobei im Fall nachträglicher Wertveränderungen die Intentionen der Parteien berücksichtigt werden.427) – Zur Gläubigerbenachteiligung siehe Rn. 91 f. 85

Eine nichtige Abfindungsklausel macht den zugrundeliegenden Gesellschafterbeschluss nicht automatisch analog § 241 Nr. 4 AktG nichtig, wohl aber analog § 246 AktG anfechtbar, wenn der Beschluss nicht nach seinem Inhalt, sondern nach Beweggrund, Zweck oder der Art seines Zustandekommens die Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB erfüllt.428) Die Differenzierung beruht darauf, dass Abfindungsbeschränkungen grundsätzlich zulässig sind (siehe Rn. 81 f) und die im konkreten Fall anstößigen Umstände, welche die Versammlungsmehrheit zur Beschränkung veranlasst haben, nicht zum Inhalt des Beschlusses gehören, sondern als Beweggrund für die Regelung anzusehen sind, mit denen ein bestimmter Zweck verfolgt wird. Eine etwaige Nichtigkeit analog § 241 Nr. 4 AktG ist analog § 242 Abs. 2 AktG analog heilbar.429) Zur Anwendbarkeit der Frist analog § 246 AktG siehe Rn. 41. c) Sittenwidrigkeit bei anfänglichem Missverhältnis

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Ist die Abfindungsklausel von vornherein nicht geeignet, den Anteilswert angemessen zu erfassen, so ist diese Klausel gemäß § 138 Abs. 1 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig. In seinem Leading Case von 1991 hat der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs eine Abweichung vom Verkehrswert als „vollkommen unangemessen“ _____________ 423) BGHZ 116, 359, 365 ff, 374 = ZIP 1992, 237, 242 = GmbHR 1992, 257, dazu EWiR 1992, 321 (Wiedemann). 424) BGHZ 65, 22, 28 f = GmbHR 1975, 227 = NJW 1975, 1835; BGHZ 144, 365, 366 = ZIP 2000, 1294, 1296 = GmbHR 2000, 822, dazu EWiR 2000, 943 (Casper); LG Frankfurt/M., NJW 1978, 328; OLG Hamburg, ZIP 1982, 1327 = GmbHR 1983, 126 = DB 1982, 2344. 425) Vgl. BGH, DStR 1994, 368 m. Anm. Goette gegenüber OLG Hamm, GmbHR 1994, 256, 257. 426) Als zulässige Differenzierungskriterien anerkannt: Familienzugehörigkeit in Familiengesellschaft, BGH, GmbHR 1977, 81, 82 f = DB 1977, 342 = WM 1977, 192, krit. Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 30; Dauer der Gesellschaftszugehörigkeit, BGHZ 116, 359, 373 f = ZIP 1992, 237, 241 f = GmbHR 1992, 257, dazu EWiR 1992, 321 (Wiedemann). 427) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 34 Rn. 28, 32. 428) Auch zum Folgenden BGHZ 116, 359, 374 f = ZIP 1992, 237, 242 = GmbHR 1992, 257, dazu EWiR 1992, 321 (Wiedemann); vgl. auch BGH, ZIP 2011, 2357, 2358 = GmbHR 2012, 92 = DB 2011, 2765; BGHZ 201, 65, 69 Rn. 11 = ZIP 2014, 1327 = GmbHR 2014, 811, dazu EWiR 2014, 509 (Seibt); für Nichtigkeit Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/ Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 108. 429) BGHZ 116, 359, 368 = ZIP 1992, 237, 240 = GmbHR 1992, 257, dazu EWiR 1992, 321 (Wiedemann); BGHZ 144, 365, 367 f = ZIP 2000, 1294, 1295 f = GmbHR 2000, 822, dazu EWiR 2000, 943 (Casper).

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definiert, wenn die Beschneidung des Abfindungsrechts für den Fortbestand von Gesellschaft und Unternehmen nicht erforderlich erscheint und der am Unternehmenswert auszurichtende volle wirtschaftliche Anteilswert dessen Nennwert erheblich, möglicherweise um ein Vielfaches übersteigt, sodass sich die Abfindungsbeschränkung als willkürlich und bar jeder sachlichen Rechtfertigung darstellt.430) Eine geltungserhaltende Reduktion ist abzulehnen.431) Der Gesellschafter erhält in diesem Fall den vollen Verkehrswert.432) Ein anfängliches Missverhältnis von Anteilswert und Abfindung wird von der Rechtsprechung allerdings relativ selten angenommen, weil die Gesellschafter sich bei Vertragsschluss/Beitritt zumeist an den in diesem Moment gegebenen wirtschaftlichen Verhältnissen orientieren. Zumindest bei Gründung sind die grundsätzlich zulässigen433) Buchwertklauseln unbedenklich, weil eine Wertsteigerung außerhalb der Bücher zu diesem Zeitpunkt nicht stattgefunden hat.434) Anders ist dies, wenn ein Neugesellschafter bei späterem Beitritt auf die zu diesem Zeitpunkt bereits überholten Buchwerte verwiesen wird. Zumeist dürften die Buchwerte die Untergrenze für Abfindungsklauseln vorgeben, da zwar Wertsteigerungen als stille Reserven nicht sichtbar sind, jedoch Wertverluste sich durch Abschreibungen (§ 253 Abs. 3 bis 5 HGB) in der Bilanz niederschlagen. Jedenfalls sittenwidrig sind daher Abfindungsklauseln, welche die Buchwerte deutlich – z. B. um die Hälfte – unterschreiten.435)

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d) Sittenwidrige Zahlungsmodalitäten Auch zu weit gestreckte Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarungen436) ohne ausgleichende marktkonforme Verzinsung437) können die Abfindungsklausel nichtig machen.438) So wurde eine gesellschaftsvertragliche Regelung, die eine Auszahlung des Abfindungsguthabens in fünfzehn gleichen Jahresraten vorsieht, für sittenwidrig gehalten;439) ebenso eine Zahlung in drei Raten nach fünf, acht und zehn Jahren.440) Innerhalb von fünf bis sieben Jahren nach der regulären Fälligkeit (§ 271 BGB) sollte

_____________ 430) Auch zum Folgenden BGHZ 116, 359, 376 = ZIP 1992, 237, 242 = GmbHR 1992, 257, dazu EWiR 1992, 321 (Wiedemann). 431) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 110. 432) BGH, ZIP 2011, 2357, 2358 = GmbHR 2012, 92 = DB 2011, 2765. 433) LG Frankfurt/M., NJW 1978, 328, 329; OLG Hamburg, ZIP 1982, 1327 = GmbHR 1983, 126 = DB 1982, 2344; OLG München, NJW-RR 1994, 161 – zur stillen Gesellschaft; grundsätzlich positiv gegenüber Buchwertklauseln Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 97. 434) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 85; Strohn in: MünchKommGmbHG, § 34 Rn. 227, 255 ff; a. A. noch zur KG: BGH, NJW 1979, 104. 435) So für eine KG: BGH, ZIP 1989, 770 = GmbHR 1989, 508 = DB 1989, 1400, dazu EWiR 1989, 761 (Priester). 436) Zu Gestaltungsvorschlägen Lange, NZG 2001, 635, 637 (Urteilsanm.). 437) BayObLG, ZIP 1983, 57, 59 = GmbHR 1983, 270 = DB 1983, 99; zur KG: BGH, ZIP 1989, 770 = GmbHR 1989, 508 = DB 1989, 1400, dazu EWiR 1989, 761 (Priester). 438) Krit. und für geltungserhaltende Reduktion Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 34. 439) BGH, ZIP 1989, 770 = GmbHR 1989, 508 = DB 1989, 1400, dazu EWiR 1989, 761 (Priester). 440) OLG Dresden, NZG 2000, 1042, 2043 = GmbHR 2000, 718 = DB 2000, 1221.

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die Abfindung endgültig ausgezahlt sein, um Wirksamkeitszweifel zu vermeiden.441) Auch dann kann die Klausel jedoch sittenwidrig sein, wenn sie mit einer wertmäßigen Beschränkung zusammentrifft.442) e) Ergänzende Vertragsauslegung/Ausübungskontrolle bei nachträglichem Missverhältnis 89

Entspricht die Abfindungsklausel den wirtschaftlichen Verhältnissen bei Gründung oder Beitritt, so wird die Wirksamkeit dieser Klausel durch nachträgliche, konkret nicht vorhersehbare Veränderungen grundsätzlich nicht berührt.443) Wie nach allgemeinem Zivilrecht wird die Sittenwidrigkeit einer Vertragsklausel gemäß § 138 BGB (siehe Rn. 86) nach dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestimmt.444) Die Rechtsprechung reagiert auf Wertveränderungen durch ergänzende Vertragsauslegung und reduziert die Abfindungsbeschränkung auf das dem Gesellschafter zumutbare Maß,445) gewährt also nicht notwendig den vollen Verkehrswert.446) Den Parteien, die eine ursprünglich wirksame Klausel vereinbart haben, wird somit unterstellt, dass sie bei Kenntnis der späteren Entwicklung eine Anpassung an die veränderten Verhältnisse vereinbart hätten.

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Namentlich die grundsätzlich zulässigen (siehe Rn. 87) Buchwertklauseln sind angreifbar, soweit sie dem Gesellschafter erhebliche Marktwertsteigerungen vorenthalten.447) Diese Rechtsprechung ist zweifelhaft, weil den Gesellschaftern wie der Gesell_____________ 441) So Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 82; ähnlich Baumbach/HueckFastrich, GmbHG, § 34 Rn. 38; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 77: Obergrenze bei acht Jahren; enger Rowedder/Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, § 34 Rn. 53; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 92 – fünf Jahre; BayObLG, ZIP 1983, 57, 59 = GmbHR 1983, 270 = DB 1983, 99 – unverzinster Aufschub der Fälligkeit um sechs Jahre noch wirksam. 442) OLG Hamm, NZG 2003, 440, 441 = GmbHR 2003, 584 = DStR 2003, 1178. 443) Zur KG: BGHZ 123, 281, 284 = ZIP 1993, 1611, 1612 = GmbHR 1993, 806, dazu EWiR 1993, 1179 (Büttner); zur Innen-GbR: BGHZ 126, 226, 233 f = ZIP 1994, 1173, 1175 f = GmbHR 1994, 871, dazu EWiR 1994, 973 (Wiedemann); zur OHG: BGH, ZIP 1993, 1160, 1162 = GmbHR 1993, 505 = DB 1993, 1614, dazu EWiR 1993, 769 (H. P. Westermann); zweifelnd für GmbH bei Abfindungsbeschränkung im Fall der gesetzlich nicht vorgesehenen ordentlichen Kündigung OLG München, NZG 2001, 662, 663 = GmbHR 2001, 819; a. A. zuvor zur KG jeweils unter Hinweis auf den Rechtsgedanken des § 723 Abs. 3 BGB: BGH, NJW 1985, 192, 193 = GmbHR 1985, 113 = DB 1985, 167 – jedoch bereits mit dem Ausweg der ergänzenden Vertragsauslegung; BGH, ZIP 1989, 768 = GmbHR 1989, 289 = DB 1989, 1399; zur GmbH: BGHZ 116, 359, 369 = ZIP 1992, 237, 240 = GmbHR 1992, 257, dazu EWiR 1992, 321 (Wiedemann). 444) Palandt-Ellenberger, BGB, § 138 Rn. 9 f. 445) Grundlegend BGHZ 123, 281, 284 ff = ZIP 1993, 1611, 1612 ff = GmbHR 1993, 806, dazu EWiR 1993, 1179 (Büttner); BGHZ 126, 226, 241 ff = ZIP 1994, 1173, 1178 ff = GmbHR 1994, 871, dazu EWiR 1994, 973 (Wiedemann). 446) Dies betonen Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 35; Ulmer/Habersack/LöbbeUlmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 109. 447) BGHZ 123, 281, 283 ff = ZIP 1993, 1611, 1612 = GmbHR 1993, 806, dazu EWiR 1993, 1179 (Büttner); BGH, ZIP 2002, 258, 259 = GmbHR 2002, 265 = DB 2002, 261, dazu EWiR 2002, 763 (Mutter); zur OHG: BGH, ZIP 1993, 1160, 1161 = GmbHR 1993, 505 = DB 1993, 1614, dazu EWiR 1993, 769 (H. P. Westermann); zur vorausgegangenen Entwicklung der Rspr. im Personengesellschaftsrecht eingehend LG Konstanz, NJW-RR 1988, 1184, 1185.

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schaft bei Vertragsschluss an einer abschließenden, im Streitfall belastbaren Regelung liegt und der Vertrag daher keine Lücke enthält, die durch ergänzende Vertragsauslegung zu füllen wäre.448) Rechtssicher wäre es, die Beteiligten entweder an der wirksam vereinbarten Beschränkung trotz veränderter Verhältnisse festzuhalten oder aber die Klausel ganz zu ignorieren und dem Gesellschafter den vollen Verkehrswert zuzusprechen.449) Die neuere Rechtsprechung lehnt letzteres ab, gewährt eine Anpassung aber auch nur, wenn die eingetretene Veränderung nicht vorhersehbar war.450) Im Ergebnis ähnelt dies einer Anpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB).451) Eine Alternative besteht darin, der Gesellschaft gemäß § 242 BGB zu verwehren, sich auf die ihr günstige Klausel zu berufen,452) und bei der Höhe der Abfindung danach zu differenzieren, ob der Grund des Ausscheidens vom Gesellschafter oder von der Gesellschaft gesetzt wird.453) f)

Gläubigerbenachteiligung

Die Einziehungsklausel – nicht nur die Abfindungsklausel454) – ist wegen Gläubigerbenachteiligung gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig455) und analog § 241 Nr. 3 AktG nichtig, aber analog § 242 Abs. 2 AktG heilbar,456) wenn die Einziehung eines Geschäftsanteils bei dessen Pfändung (entsprechend bei Insolvenz, siehe Rn. 13) für ein unter dem Verkehrswert liegendes Entgelt oder gar ohne Entgelt zugelassen wird, obwohl für die Ausschließung eines Gesellschafters aus wichtigem Grund nicht dieselbe oder gar keine Entschädigungsregelung getroffen wird.457) Zweifelhaft ist demgemäß die Ansicht, dass der Anteil eines insolventen Gesellschafters aufgrund eines punktuell satzungsdurchbrechenden Beschlusses zu einem geringeren als dem satzungsgemäßen Betrag eingezogen werden dürfe, um einen Kapital-

_____________ 448) Grundlegende Kritik bei Dauner-Lieb, ZHR 158 (1994) 271, 283 ff. 449) Diff. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 34 Rn. 61 f. 450) BGH, ZIP 1993, 1160, 1161 = GmbHR 1993, 505 = DB 1993, 1614, dazu EWiR 1993, 769 (H. P. Westermann); BGH, ZIP 1994, 1173, 1175 = BGHZ 126, 226 = GmbHR 1994, 871, dazu EWiR 1994, 973 (Wiedemann). 451) Hierzu Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 98, 109. 452) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 34 Rn. 28; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, § 34 Rn. 47; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 35; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 99, 111; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 242 f; krit. Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 97. 453) Grundlegend hierzu Ulmer/Schäfer, ZGR 1995, 134, 144 ff, die (S. 153) im ersten Fall einen Abschlag vom Verkehrswert i. H. v. 50 %, im zweiten Fall von 30 % vorschlagen; zust. Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 90; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 35; ein Drittel des Zeitwerts ist zu gering nach OLG Hamm, NZG 2003, 440, 441 = GmbHR 2003, 584 = DStR 2003, 1178. 454) Dafür aber Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 45; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 53. 455) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 45, 94. 456) Str., zum Meinungsstand Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 239 (abl.). 457) BGHZ 144, 365, 366 = ZIP 2000, 1294, 1296 = GmbHR 2000, 822, dazu EWiR 2000, 943 (Casper); BGHZ 65, 22, 28 f = GmbHR 1975, 227 = NJW 1975, 1835; LG Frankfurt/M., NJW 1978, 328; OLG Hamburg, ZIP 1982, 1327 = GmbHR 1983, 126 = DB 1982, 2344.

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§ 34

Einziehung von Geschäftsanteilen

abfluss bei der Gesellschaft zu verhindern.458) Eine Ausnahme besteht, wenn die Gesellschaft analog § 268 BGB den Gläubiger befriedigt.459) 92

Einer Insolvenz- und Gläubigeranfechtung der ohnedies nichtigen Klauselbeschlüsse gemäß §§ 133 f InsO, §§ 3 f AnfG bedarf es grundsätzlich nicht.460) Insbesondere hat die Anfechtung keinen Vorrang gegenüber Inhaltskontrolle und Beschlussmängelverfahren.461) Zudem werden sogar gläubigerbenachteiligende Beschlüsse analog § 242 Abs. 2 Satz 1 und 2 AktG geheilt, wenn sie drei Jahre lang unbeanstandet im Handelsregister eingetragen waren. Nach heute überwiegender Ansicht wirkt die Heilung inter omnes, d. h. auch gegenüber den Gläubigern.462) Danach können sich die Gläubiger nur auf Nichtigkeit berufen, wenn der Klauselbeschluss analog § 242 Abs. 2 Satz 3 AktG gemäß § 398 FamFG (früher § 144 Abs. 2 FGG a. F.) von Amts wegen gelöscht wird.463) Anfechtbar gemäß § 133 Abs. 1 InsO, § 3 Abs. 1 AnfG bleibt aber als Rechtshandlung des Anteilsinhabers, dass dieser es vorsätzlich oder unentgeltlich unterlassen hat (§ 129 Abs. 2 InsO, § 1 Abs. 2 AnfG), den Beschluss anzufechten, welcher der Gesellschaft die Zahlung einer angemessenen Abfindung erspart hat.464) Anfechtbar ist also das Eintretenlassen der Heilung. Die Gesellschaft als Anfechtungsgegnerin muss sich daher gemäß § 143 Abs. 1 InsO, § 11 Abs. 1 AnfG so behandeln lassen, als sei die unterlassene Rechtshandlung vorgenommen, der Beschluss also erfolgreich angegriffen worden, und der Masse bzw. dem Gläubiger die (Differenz zur) angemessene(n) Abfindung leisten.465) 3.

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Berechnungszeitpunkt

Der maßgebliche Zeitpunkt für die Berechnung der angemessenen Abfindung hängt mangels besonderer Satzungsbestimmung davon ab, warum und wie der Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet. Bei Ausschließungsklage kommt es wie im Fall des § 140 Abs. 2 HGB auf den Zeitpunkt der Klageerhebung an.466) Erfolgt die Einziehung oder Ausschließung durch Beschluss, ist der Zeitpunkt maßgeblich, in _____________ 458) 459) 460) 461)

462)

463) 464) 465) 466)

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So aber Transfeld, GmbHR 2011, 298, 300 f. Rowedder/Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, § 34 Rn. 54. Vgl. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 34 Rn. 64. Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 63; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 45, 94; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 234. Dafür BGH, WM 1984, 473 = AG 1984, 149; BGHZ 80, 212, 217 = ZIP 1981, 609, 611 m. Anm. K. Schmidt = GmbHR 1982, 67; BGHZ 144, 365, 367 = ZIP 2000, 1294, 1296 = GmbHR 2000, 822, dazu EWiR 2000, 943 (Casper); Hüffer/Schäfer in: MünchKommAktG, § 242 Rn. 20; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 91; gegen Heilung nach außen Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 34 Rn. 31 f; MichalskiSosnitza, GmbHG, 2. Aufl. 2010; § 34 Rn. 86; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 34 Rn. 65; Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 96; Lange, NZG 2001, 635, 640 (Urteilsanm.). Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 108. Vgl. Kayser in: MünchKomm-InsO, § 129 Rn. 27 f, § 134 Rn. 10. Vgl. Kirchhof in: MünchKomm-InsO, § 143 Rn. 55. BGHZ 9, 157, 168 = NJW 1953, 780, 783 = GmbHR 1953, 72; BGHZ 16, 317, 322 = GmbHR 1955, 127 = NJW 1955, 667; BGHZ 32, 17, 23 = GmbHR 1960, 85 = NJW 1960, 866; OLG Düsseldorf, GmbHR 1999, 543, 547.

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§ 34

Einziehung von Geschäftsanteilen

welchem der wirksame Beschluss (siehe Rn. 32 ff, 66) dem Betroffenen zugeht.467) Kündigt der Gesellschafter, wird die Abfindung nach dem Zeitpunkt berechnet, in welchem die Austrittserklärung (siehe Rn. 74) des Gesellschafters der Gesellschaft zugeht.468) Tritt der wichtige Grund später ein oder wird ein zunächst unwirksamer Beschluss nachgeholt, verschiebt sich die Berechnung auf diesen Zeitpunkt.469) Die genannten Zeitpunkte gelten auch für die von der Rechtsprechung durchgeführte ergänzende Vertragsauslegung, während der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (Gründung oder Beitritt) über die etwaige Sittenwidrigkeit einer Abfindungsklausel entscheidet (siehe Rn. 89).470) 4.

Fälligkeit und Verzinsung

Die Abfindung wird gemäß § 271 BGB grundsätzlich sofort mit dem Zeitpunkt des Ausscheidens fällig. Genügt für Einziehung oder Ausschließung ein Beschluss (siehe Rn. 32 ff, 66), löst dessen Zugang beim Anteilserwerber die Fälligkeit aus. Entsprechendes gilt für den Zugang der Austrittserklärung bei der Gesellschaft, weil der Gesellschafter ab diesem Zeitpunkt den Vollzug des Austritts verlangen kann (siehe Rn. 74). Erfolgt die Ausschließung durch Urteil, entscheidet die Rechtskraft des Gestaltungsurteils, soweit nicht im Urteil eine Frist zur Zahlung der (ggf. vorläufigen, siehe Rn. 63) Abfindung festgesetzt wird (siehe Rn. 62). Könnte die Abfindung entgegen § 30 Abs. 1 nur aus gebundenem Vermögen geleistet werden, ist der Anspruch allerdings nicht durchsetzbar. Dies spricht dafür, die Fälligkeit durch Auslegung der Abfindungsklausel nach den Umständen (§ 271 Abs. 1 BGB)471) generell um die Zeitspanne aufzuschieben, welche die Gesellschaft zur Berechnung und Beschaffung der kapitalschutzkonformen Abfindung benötigt.472) Gegen eine Hinhaltetaktik der Gesellschaft ist der Gesellschafter analog § 162 BGB zu schützen.473) Gegenüber der sofortigen Fälligkeit führt dieser Aufschub allerdings zu Rechtsunsicherheit.474) Die Fälligkeit sollte daher ausdrücklich in der Satzung bestimmt werden, wobei die Grenzen der Sittenwidrigkeit zu beachten sind (siehe Rn. 88). Hängt die Höhe und Fälligkeit der Abfindung von einer Auseinandersetzungsbilanz ab, kann _____________ 467) BGHZ 9, 157, 168 = NJW 1953, 780, 783 = GmbHR 1953, 72; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 78. 468) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 62; Scholz-Seibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 22 – allerdings Fälligkeit erst mit Vollzug; Ulmer/Habersack/LöbbeUlmer/Habersack, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 65; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 215; vgl. BGH, ZIP 1994, 1173, 1175 = BGHZ 126, 226 = GmbHR 1994, 871, dazu EWiR 1994, 973 (Wiedemann); a. A. RGZ 125, 114, 121 f – Einziehungsbeschluss. 469) BGH, GmbHR 1972, 177; Scholz-Seibt, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 53. 470) Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 31. 471) Vgl. Krüger in: MünchKomm-BGB, § 271 Rn. 5. 472) BayObLG, ZIP 1983, 57, 58 = GmbHR 1983, 270 = DB 1983, 99; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 80, Anh. § 34 Rn. 43; diff. nach Einziehung/ Ausschluss (Abfindung sofort fällig) und Austritt (Aufschub) Strohn in: MünchKommGmbHG, § 34 Rn. 218 f; zum Personengesellschaftsrecht Schäfer in: MünchKomm-BGB § 738 Rn. 19 ff; Staub-Schäfer, HGB, § 131 Rn. 144 f; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, § 34 Rn. 117. 473) OLG Brandenburg, NZG 2000, 485, 486 f = GmbHR 1999, 540, vgl. auch Rn. 75. 474) Gegen einen Aufschub daher Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 52; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 34 Rn. 24.

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§ 34

Einziehung von Geschäftsanteilen

der ausscheidende Gesellschafter von der Gesellschaft verlangen, dass deren Geschäftsführer eine solche Bilanz aufstellen, durch die bisherigen Mitgesellschafter feststellen lassen und dem ausgeschiedenen Gesellschafter übermitteln.475) Zur Fälligkeit eines Anspruchs gegen die Mitgesellschaft siehe Rn. 38. 95

Die Abfindung ist nach den allgemeinen Regeln zu verzinsen (§§ 288, 291 BGB).476) Fälligkeitszinsen ohne Verzug sind nur als vereinbart anzusehen, wenn der ausscheidende Gesellschafter für die Schwebezeit keinen Gewinnanspruch mehr haben soll.477) Einen besonderen Zinsanspruch gewährt § 225a Abs. 5 Satz 3 InsO für den Debt Equity Swap im Insolvenzplanverfahren. 5.

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Steuern

Für den Gesellschafter ist die Abfindung steuerrelevant,478) wenn sie von den Aufwendungen für den Erwerb des Anteils abweicht. Bei Überschreitung fällt Einkommensteuer an. Über- und Unterschreitungen wirken sich bei unternehmerisch tätigen Gesellschaftern in der Gewinn- und Verlustrechnung aus. Für die Mitgesellschafter fällt Schenkungssteuer an, wenn die Abfindung den Anteilswert unterschreitet.479) Die Abfindungsverpflichtung belastet den Jahresabschluss480) und reduziert so die Körperschaftsteuer. Bei Weiterveräußerung ist ein etwaiger, im Verhältnis zur Abfindung erzielter Mehrerlös körperschaftsteuerpflichtig.481) VIII. Beweislast

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Die Voraussetzungen von Einziehung und Ausschließung muss die Gesellschaft beweisen,482) die Voraussetzungen seines Austrittsrechts der Gesellschafter.483) Kann der Gesellschafter erst mit Zahlung einer Abfindung ausgeschlossen werden, muss die Gesellschaft zur Höhe der im Urteil festzusetzenden Abfindung vortragen; der Gesellschafter muss jedoch an der Wertermittlung mitwirken (siehe Rn. 62). Prozessiert der Gesellschafter hingegen um eine (höhere) Abfindung, muss er den Wert seines Geschäftsanteils als Voraussetzung seines (unter Umständen von einer ver_____________ 475) LG Koblenz, GmbHR 2014, 652. 476) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 34 Rn. 38; näher Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 53, Anh. § 34 Rn. 35. 477) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 42; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 220; Staub-Schäfer, HGB, § 131 Rn. 146; Rowedder/ Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, § 34 Rn. 116. 478) Näher hierzu Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 34 Rn. 100; Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 34 Rn. 98, § 60 Rn. 76 – zum Besteuerungszeitpunkt; Scholz-H. P. Westermann, GmbHG, § 34 Rn. 6; Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 81, 122; zur Erbschaftsteuerreform Casper/Altgen, DStR 2008, 2319, 2321 ff; umfassend zu den steuerrechtlichen Implikationen auf Gesellschafterebene Scholz-Crezelius, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 34 Rn. 74 ff, nach dem BilMoG Scholz-Crezelius, GmbHG, § 33 Rn. 52; speziell für Kapitalbeteiligungsgesellschaften Loschelder/Uterhark, DB 2009, 2282. 479) Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 82, 265; Ivens, GmbHR 2011, 465; Felten, BB 2011, 1621, 1626; Weigl, notar 2011, 62. 480) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 75. 481) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, § 34 Rn. 124. 482) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl. 2012, § 34 Rn. 27. 483) Strohn in: MünchKomm-GmbHG, § 34 Rn. 180.

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§ 34

Einziehung von Geschäftsanteilen

traglichen Abfindungsklausel abweichenden) Abfindungsanspruchs beweisen; allerdings muss die Gesellschaft ihre inneren Verhältnisse darlegen, soweit der Anspruch hiervon abhängt und der Gesellschafter darin keinen Einblick (mehr) hat.484) Um den Wert ermitteln zu können, muss daher dem Gesellschafter gemäß § 810 BGB Einsicht in die Rechnungslegung einschließlich des bei seinem Ausscheiden laufenden Geschäftsjahres gewährt werden,485) selbst wenn sein Recht aus § 51a etwa bei sofortiger Wirksamkeit der Einziehung (siehe Rn. 32 ff) bereits erloschen (siehe Rn. 49) sein sollte.486)

_____________ 484) BGH, ZIP 2002, 258, 259 = GmbHR 2002, 265 = DB 2002, 261, dazu EWiR 2002, 763 (Mutter); Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sosnitza, GmbHG, § 34 Rn. 58; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Ulmer/Habersack, GmbHG, § 34 Rn. 76; Strohn in: MünchKommGmbHG, § 34 Rn. 225. 485) BGH, GmbHR 1977, 151, 152 f = DB 1977, 1248 = WM 1977, 781 im Anschluss an BGH, WM 1968, 1245 – zur stillen Gesellschaft; BGH, ZIP 1989, 768 = GmbHR 1989, 289 = DB 1989, 1399 – zur KG; ebenso zur GmbH BayObLG, ZIP 1993, 1162 = GmbHR 1993, 741 = DB 1993, 1763, dazu EWiR 1993, 989 (Petzoldt); OLG Hamm, DStR 2008, 1746. 486) Str., für einen Fortbestand des Informationsrechts aus § 51a: KG Berlin, GmbHR 1999, 1202, 1203, vgl. allerdings KG Berlin, ZIP 2006, 1098, 1099 = DB 2006, 1782 = NZG 2006, 437, Revision eingelegt unter Az. II ZR 76/06; a. A. BGH, GmbHR 1977, 151, 152 f = DB 1977, 1248 = WM 1977, 781 im Anschluss an BGH, WM 1968, 1245 – zur stillen Gesellschaft; BGH, ZIP 1989, 768 = GmbHR 1989, 289 = DB 1989, 1399 – zur KG; ebenso zur GmbH BayObLG, ZIP 1993, 1162 = GmbHR 1993, 741 = DB 1993, 1763, dazu EWiR 1993, 989 (Petzoldt); OLG Hamm, DStR 2008, 1746.

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Abschnitt 3 Vertretung und Geschäftsführung § 35 Vertretung der Gesellschaft Florian Jacoby

(1) 1Die Gesellschaft wird durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten. 2Hat eine Gesellschaft keinen Geschäftsführer (Führungslosigkeit), wird die Gesellschaft für den Fall, dass ihr gegenüber Willenserklärungen abgegeben oder Schriftstücke zugestellt werden, durch die Gesellschafter vertreten. (2) 1Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, sind sie alle nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt, es sei denn, dass der Gesellschaftsvertrag etwas anderes bestimmt. 2Ist der Gesellschaft gegenüber eine Willenserklärung abzugeben, genügt die Abgabe gegenüber einem Vertreter der Gesellschaft nach Absatz 1. 3An die Vertreter der Gesellschaft nach Absatz 1 können unter der im Handelsregister eingetragenen Geschäftsanschrift Willenserklärungen abgegeben und Schriftstücke für die Gesellschaft zugestellt werden. 4Unabhängig hiervon können die Abgabe und die Zustellung auch unter der eingetragenen Anschrift der empfangsberechtigten Person nach § 10 Abs. 2 Satz 2 erfolgen. (3) 1Befinden sich alle Geschäftsanteile der Gesellschaft in der Hand eines Gesellschafters oder daneben in der Hand der Gesellschaft und ist er zugleich deren alleiniger Geschäftsführer, so ist auf seine Rechtsgeschäfte mit der Gesellschaft § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuwenden. 2Rechtsgeschäfte zwischen ihm und der von ihm vertretenen Gesellschaft sind, auch wenn er nicht alleiniger Geschäftsführer ist, unverzüglich nach ihrer Vornahme in eine Niederschrift aufzunehmen. Literatur: Altmeppen, In-sich-Geschäfte der Geschäftsführer in der GmbH, NZG 2013, 401; Bauer/Arnold, AGG-Probleme bei vertretungsberechtigten Organmitgliedern, ZIP 2008, 993; Blasche/König, Möglichkeiten der einzelfallbezogenen Erweiterung der Vertretungsbefugnis des gesamtvertretungsberechtigten GmbH-Geschäftsführers zur Einzelvertretungsbefugnis, NZG 2013, 1412; Fischer, Die Fremdgeschäftsführerin und andere Organvertreter auf dem Weg zur Arbeitnehmereigenschaft; NJW 2011, 2329; Fleischer/ Schmolke, Faktische Geschäftsführung in der Sanierungssituation, WM 2011, 1009; Gasteyer/ Goldschmidt, Der schwebend unwirksam bestellte Geschäftsführer nach einem Gesellschafterwechsel – Wirksamkeit seiner Rechtshandlungen nach § 16 Abs. 1 GmbH i. d. F. des MoMiG, ZIP 2008, 1906; Gehrlein, Die Behandlung von Gesellschafterdarlehen durch das MoMiG, BB 2008, 846; Gundlach/Müller, Der Insolvenzantrag des faktischen GmbHGeschäftsführers, ZInsO 2011, 1055; Haas, Die Rechtsfigur des „faktischen Geschäftsführers“, NZI 2006, 494; Herrler/König, Aktuelle Praxisfragen zur GmbH-Gründung im vereinfachten Verfahren (Musterprotokoll), DStR 2010, 2138; Hohenstatt/Naber, Diskriminierungsschutz für Organmitglieder – Konsequenzen für die Vertragsgestaltung, ZIP 2012, 1989; Horstkotte, Die führungslose GmbH im Insolvenzantragsverfahren, ZInsO 2009, 209; Jacoby, Öffentliche Zustellung statt Auslandszustellung? Kritische Anmerkungen zum Entwurf des § 185 Nr. 2 ZPO durch das MoMiG, in: Festschrift für Jan Kropholler, 2008, S. 819; Kleindiek, Ordnungswidrige Liquidation durch organisierte Firmenbestattung, ZGR 2007, 276; Kögel, Neues bei der GmbH-Notgeschäftsführung?, GmbHR 2012,

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§ 35

Vertretung der Gesellschaft

772; Krause, Auswirkungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auf die Organbesetzung, AG 2007, 392; Leuering/Stein, Wann erstarkt die Gesamt- zur Einzelvertretungsbefugnis?, NJW-Spezial 2014, 527; Lohr, Zur Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot bei der GmbH, RNotZ 2001, 403; Lunk/Rodenbusch, Der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff und seine Auswirkungen auf das deutsche Recht, GmbHR 2012, 188; Moll, Außerordentliche Kündigung – Geschäftsführer, GmbHR 2008, 1261; Römermann, Insolvenzrecht im MoMiG, NZI 2008, 641; Ch. Schmitt, Praktische Probleme der Mehrfachvertretung, § 181 Alt. 2 BGB, in Unternehmen, WM 2009, 1784; Schmitt-Rolfes, (Ex-)Abteilungsleiter als GmbH-Geschäftsführer, NZA, Beilage Heft 1/2014, 37; Strohn, Faktische Organe – Rechte, Pflichten, Haftung, DB 2011, 158; van Venrooy, Die GmbH im Betriebsverfassungsrecht, GmbHR 2007, 449; Werner, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Zivil- und Arbeitsrecht, StBW 2013, 379. Übersicht I.

Organstellung des Geschäftsführers ................................................... 1 1. Organzurechnung ................................. 2 a) Grundlagen der Zurechnung ......... 3 b) Insbesondere Wissenszurechnung ..................................... 6 2. Begründung der Geschäftsführerstellung durch Bestellung ..................... 9 3. Persönliche Rechtsstellung des Geschäftsführers ................................. 12 4. Arten von Geschäftsführern; Abgrenzungen ..................................... 16 II. Vertretung .......................................... 20 1. Offenlegungsgrundsatz ...................... 21 2. Mehrheit von Geschäftsführern ......... 22 a) Ausnahmen von der Gesamtvertretung ..................................... 23 b) Vertretung durch Gesamtvertreter ........................................ 26

I. 1

Organstellung des Geschäftsführers

Die Organstellung des Geschäftsführers ist entsprechend seiner Bezeichnung mit der Befugnis zur Geschäftsführung verbunden, die die Vertretung nach außen,1) aber auch alle internen Maßnahmen zur Verfolgung des Gesellschaftszwecks umfasst.2) Allerdings ist der Geschäftsführer – anders als der Vorstand einer AG (§ 76 Abs. 1 AktG) – gegenüber den Gesellschaftern grundsätzlich weisungsgebunden (§ 37 Abs. 1). Nur bestimmte Geschäftsführungsaufgaben weist das Gesetz dem Geschäftsführer dagegen – wie etwa §§ 43 Abs. 3 Satz 3, 64, 84 zeigen – zur Erfüllung in eigener Verantwortung zu (Näheres siehe § 37 Rn. 12 [Jacoby]). 1.

2

c) Wegfall eines Gesamtgeschäftsführers ........................................... 31 3. Passivvertretung, Zugangs- und Zustellungserleichterungen ................ 32 a) Die Erleichterung des Absatzes 2 Satz 3 ............................................. 33 b) Sonstige Erleichterungen ............. 35 4. Beschränkung der Vertretungsmacht bei Insichgeschäften (§ 181 BGB) ......................................... 36 a) Mehrgliedrige Gesellschaft .......... 37 b) Einpersonengesellschaft .............. 39 5. Beschränkbarkeit und Beschränkung der Vertretungsmacht ................ 41 III. Führungslosigkeit .............................. 43 1. Tatbestand der Führungslosigkeit ..... 45 2. Rechtsfolgen der Führungslosigkeit ........................................................ 47

Organzurechnung

Als juristische Person kann die GmbH nicht im natürlichen Sinne selbst im Rechtsverkehr auftreten. Mit dem Geschäftsführer schaffen §§ 6, 35 ff daher ein Organ,

_____________ 1) 2)

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BGHZ 119, 379, 381 = ZIP 1993, 35 = DB 1993, 219, dazu EWiR 1993, 337 (Grunewald). Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 4.

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§ 35

Vertretung der Gesellschaft

dessen Tun, Dulden, Unterlassen und Wissen der GmbH im rechtlichen Sinne als eigenes zugerechnet wird (Organtheorie):3) a) Grundlagen der Zurechnung § 35 begründet die organschaftliche Vertretungsmacht, die den Geschäftsführer allerdings nur zur Abgabe von Willenserklärungen für die Gesellschaft entsprechend § 164 BGB befugt (dazu siehe Rn. 20). Andere Intellektbetätigungen als Willenserklärungen bedürfen anderer Zurechnungstatbestände, die allerdings nur teilweise ausdrücklich normiert sind.

3

Hervorzuheben ist § 31 BGB, der rechtswidriges Verhalten zurechnet. Diese dem Vereinsrecht entstammende Norm ist auf alle rechtsfähigen Verbände und juristische Personen, mithin auch auf die GmbH anzuwenden.4) Die Zurechnung aus dieser Norm ermöglicht die Haftung der Gesellschaft nicht nur außerhalb von Schuldverhältnissen (bspw. aus § 823 BGB), sondern auch innerhalb (insbesondere also aus § 280 Abs. 1 BGB).5) Einer Heranziehung von § 278 BGB bedarf es somit nicht.6)

4

Für die Zurechnung von Besitz existiert zwar keine eigenständige Zurechnungsnorm, auch für diesen Bereich ist aber eine spezifische Organzurechnung anerkannt.7) Sie hat zum Inhalt, dass die Gesellschaft unmittelbare Besitzerin wird, während der Organwalter keinerlei Besitzposition innehat. Die Organzurechnung unterscheidet sich so von den besitzrechtlichen Instituten des BGB in Gestalt von mittelbarem Besitz und Besitzdienerschaft.

5

b) Insbesondere Wissenszurechnung Zur Wissenszurechnung hat die Rechtsprechung herkömmlich eine „absolute Wissenszurechnung“ vertreten, nach der das Wissen aller ausgeschiedenen und gegenwärtigen Geschäftsführer der Gesellschaft zuzurechnen ist.8) Heute öffnet sie sich zu Recht mehr einer differenzierenden Betrachtungsweise.9) Richtigerweise ist nämlich zwischen der Organzurechnung einerseits und den subsidiär greifenden normativen Zurechnungsgrundsätzen innerhalb arbeitsteiliger Organisationen andererseits zu unterscheiden.10)

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Die Organzurechnung ist nur in der Lage, das aktuelle Wissen der aktuellen Geschäftsführer der Gesellschaft zuzurechnen. Im Falle von Alleingeschäftsführung weiß die Gesellschaft also das, was der Alleingeschäftsführer weiß, gleich ob er dieses Wissen aufgrund seiner Organstellung oder privat erworben hat.11) Bei einer Mehrheit von Geschäftsführern ist es notwendig, unter den an Wissen anknüpfenden Tatbe-

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_____________ 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9) 10) 11)

Dazu Jacoby, Das private Amt, S. 263 ff; K. Schmidt, GesR, S. 250 ff. Palandt-Ellenberger, BGB, § 31 Rn. 3. Vgl. BGH, NJW 1973, 456, 457; ferner Bork, BGB AT, Rn. 213. A. A. BGH, NJW 1977, 2259, 2260 f = WM 1977, 994. BGHZ 57, 166, 167 f = NJW 1972, 43 = WM 1971, 1434. BGHZ 109, 327, 330 f = DB 1990, 931 = WM 1990, 524. BGHZ 132, 30, 34 ff = ZIP 1996, 548 = GmbHR 1996, 373, dazu EWiR 1996, 585 (Taupitz). Näher Jacoby, Das private Amt, S. 277 ff. BGH, WM 1955, 830, 832; einschränkend indessen BGH, ZIP 1990, 636, 637 = DB 1990, 1126 = NJW 1990, 2544, dazu EWiR 1990, 661 (Roth).

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ständen zwischen handlungsabhängigen (etwa § 932 BGB) oder handlungsunabhängigen (etwa § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB) zu unterscheiden. Bei handlungsunabhängigen Tatbeständen schadet die Kenntnis schon eines einzelnen Geschäftsführers, wie auch bei der Passivvertretung nach Absatz 2 Satz 2 der Zugang an einen Gesamtvertreter ausreicht (siehe Rn. 32). Bei handlungsabhängigen Tatbeständen kommt es wie bei § 166 BGB auf den Handelnden an, wenn nicht der Wissende den Handelnden beeinflussen kann. 8

Zusätzlich greifen die Grundsätze über die Wissenszurechnung innerhalb von arbeitsteiligen Organisationen.12) Diese Zurechnung trägt der Organisationspflicht Rechnung. Es wird aus Verkehrsschutzgründen das Wissen zugerechnet, dessen Speicherung und Abrufung bzw. dessen Weitergabe erwartet werden darf. Diese Zurechnungsgrundsätze beziehen sich freilich nicht nur auf das Wissen von Geschäftsführern, sondern auch auf das Wissen von sonstigen Mitarbeitern der Organisation GmbH. 2.

Begründung der Geschäftsführerstellung durch Bestellung

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Die organschaftliche Rechtsstellung des Geschäftsführers wird durch seine Bestellung begründet. Sie ist nach § 39 Abs. 1 zur (deklaratorischen) Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Zuständigkeit der Gesellschafter für die Bestellung ergibt sich aus § 46 Nr. 5, die des Aufsichtsrats in einer mitbestimmten GmbH aus § 31 Abs. 1 Satz 1 MitbestG/§ 12 MontanMitbestG/§ 13 Satz 1 MonMitbestErgG i. V. m. § 84 AktG. Vorbehaltlich der zwingenden mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften13) kann auch die Kompetenz für die Bestellungsentscheidung durch Satzungsbestimmung an einen Organausschuss oder ein anderes Organ, etwa einen Beirat oder einen fakultativen Aufsichtsrat übertragen werden,14) nicht aber an einen außerhalb der GmbH stehenden Dritten,15) etwa einen Prokuristen, der keinerlei organschaftliche Rechtsstellung innehat. Bestellt der Erwerber von GmbH-Anteilen einen neuen Geschäftsführer, so ist die Bestellung so lange schwebend unwirksam, bis der Erwerber in die im Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste eingetragen ist (§ 16 Abs. 1); die vom schwebend unwirksam berufenen Geschäftsführer vorgenommenen Rechtsgeschäfte werden mit der Änderung der Gesellschafterliste ex tunc wirksam, die einseitigen Rechtsgeschäfte allerdings nach Maßgabe des § 180 BGB (dazu siehe § 16 Rn. 17 f [Brandes]).16)

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Die Bestellungsentscheidung erfolgt durch Beschluss oder ist bereits in der Satzung enthalten (§ 6 Abs. 3 Satz 2), sei es durch anfängliche Bestimmung oder durch satzungsändernden Beschluss. Weil die Bestellung zum Geschäftsführer Pflichten

_____________ 12) BGHZ 132, 30, 34 ff = ZIP 1996, 548 = GmbHR 1996, 373, dazu EWiR 1996, 585 (Taupitz); BGHZ 140, 54 = ZIP 1998, 2162 = DB 1999, 213. 13) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 46 Rn. 34; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 37. 14) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 46 Rn. 34a; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 6 Rn. 30; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, Vor § 35 Rn. 3. 15) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 72; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 46 Rn. 34a; a. A. Baumbach/Hueck-Fastrich, § 6 Rn. 31. 16) Gasteyer/Goldschmidt, ZIP 2008, 1906.

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mit sich bringt, bedarf sie der Zustimmung des Betroffenen (Annahme der Bestellung).17) Der Bestellungsakt ist unwirksam, wenn der Bestellte den Anforderungen des § 6 Abs. 2 nicht genügt oder wenn der Bestellungsbeschluss aufgrund sonstiger materieller oder formeller Fehler nichtig ist oder auf eine Anfechtungsklage hin für nichtig erklärt worden ist.18) Nimmt der unwirksam Bestellte gleichwohl mit Wissen und Wollen der Gesellschafter seine Tätigkeit nach außen hin auf, so ist er faktischer Geschäftsführer mit den sich daraus ergebenden Verantwortlichkeiten (siehe Rn. 19). 3.

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Persönliche Rechtsstellung des Geschäftsführers

Mit der Bestellung des Geschäftsführers wird ein Rechtsverhältnis zwischen dem Geschäftsführer persönlich und der GmbH begründet, das den Geschäftsführer zur Geschäftsführung berechtigt und verpflichtet.19) Dieses Rechtsverhältnis kommt im GmbH-Recht nur unvollkommen in Gestalt der Haftungsregelung in § 43 zum Ausdruck. Einen gesetzlichen Anhaltspunkt bietet das Vereinsrecht für den Vorstand in § 27 Abs. 3 BGB mit seinem Verweis auf das Auftragsrecht. Nach dem Rechtsgedanken des § 612 BGB ist die Amtsführung des Geschäftsführers freilich im Zweifel entgeltlich. Von Bedeutung ist der Inhalt dieses gesetzlichen Schuldverhältnisses vor allem für den Notgeschäftsführer (zu diesem siehe Rn. 17).

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Der ordentliche Geschäftsführer schließt regelmäßig noch einen Anstellungsvertrag, der neben das Organverhältnis tritt. In diesem Anstellungsvertrag werden typischerweise auch Fragen der Geschäftsführervergütung wie Höhe und Zusammensetzung geregelt.20) Dies gilt insbesondere für den Fremdgeschäftsführer, während beim Gesellschafter-Geschäftsführer die Tätigkeit etwa durch die mitgliedschaftlichen Bezüge abgegolten sein kann.21) § 87 Abs. 1 AktG findet auf den GmbH-Geschäftsführer keine Anwendung.22) Die Bezüge müssen im Rahmen des Üblichen und Angemessenen bleiben, um nicht als verdeckte Gewinnausschüttung qualifiziert zu werden.23) Die Ansprüche unterliegen der Regelverjährung24), sind abtretbar – § 85 steht dem nur ausnahmsweise entgegen –25) und genießen für alle Geschäftsführer Pfän-

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_____________ 17) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, Vor § 35 Rn. 6. 18) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, Vor § 35 Rn. 7; Marsch-Barner/Diekmann in: Münch-Hdb. GesR, Bd. 3, § 42 Rn. 40. 19) Näher Jacoby, Das private Amt, S. 476 ff. 20) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, Anh. § 6 Rn. 31; näher zu erfolgsbezogenen Vergütungen Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, Anh. § 6 Rn. 32; weiter zu Wertsicherungsklauseln bzw. der Erhöhung und Herabsetzung von Bezügen Lutter/HommelhoffKleindiek, GmbHG, Anh. § 6 Rn. 33 ff. 21) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 60; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, Anh. § 6 Rn. 31. 22) Scholz-Schneider/Hohenstatt, GmbHG, § 35 Rn. 351; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, Anh. § 6 Rn. 31. 23) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 183 ff; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, Anh. § 6 Rn. 31a. 24) Scholz-Schneider/Hohenstatt, GmbHG, § 35 Rn. 374. 25) BGH, GmbHR 1996, 612 = ZIP 1996, 1341 = NJW 1996, 2576; Scholz-Schneider/Hohenstatt, GmbHG, § 35 Rn. 372.

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dungsschutz nach §§ 850 ff ZPO26).27) Organverhältnis und Anstellung bedingen sich gegenseitig nicht.28) So kann ein Geschäftsführer zum Organ bestellt sein, ohne über eine Anstellung zu verfügen, und ein anderer kann Angestellter bleiben, auch wenn er vom organschaftlichen Amt des Geschäftsführers schon lange abberufen ist (ebenso siehe § 38 Rn. 7 f [Jacoby]).29) Es handelt sich also um zu trennende Rechtsverhältnisse (Trennungstheorie).30) So kann aus dem Anstellungsvertrag überhaupt erst die Pflicht der Gesellschaft, den Vertragspartner zum Geschäftsführer zu bestellen, und umgekehrt die Pflicht, die Bestellung anzunehmen, folgen. Bei wirksamer Bestellung kommt dem Anstellungsvertrag regelmäßig vor allem die Funktion zu, das Organrechtsverhältnis zu konkretisieren und zu ergänzen. 14

Das Anstellungsverhältnis ist – sofern entgeltlich – ein Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter (§§ 675, 611 ff BGB),31) der den Geschäftsführer zum Angestellten der GmbH macht, nicht aber zu ihrem Arbeitnehmer i. S. d. ArbGG.32) Ebenso wenig wird der Geschäftsführer in der Insolvenz zum Arbeitnehmer des Insolvenzverwalters.33) Denkbar ist auch die Anstellung bei einem Dritten, etwa einer Muttergesellschaft (Drittanstellungsvertrag),34) typisch ist jedoch die Beschäftigung bei der GmbH selbst. Bei der Erhebung eines Arbeitnehmers zum Geschäftsführer wird die einvernehmliche Beendigung seines bisherigen Arbeitsverhältnisses vermutet, sodass es nach dem Ausscheiden aus der Geschäftsführung nicht wieder auflebt.35) Auch wird durch die Abberufung nicht automatisch ein Arbeitsverhältnis begründet bzw. das bisherige Dienstverhältnis nicht automatisch in ein Arbeitsverhältnis umgewandelt.36) Europäische Richtlinien und Verordnungen unterliegen einer auto_____________ 26) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack GmbHG § 35 Rn. 192; Scholz-Schneider/Hohenstatt, GmbHG, § 35 Rn. 373. 27) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, Anh. § 6 Rn. 35. 28) BGH, ZIP 2003, 485 = GmbHR 2003, 472 = DB 2003, 657, dazu EWiR 2003, 325 (Bork). 29) Ring/Grziwotz-Ring, GmbH-Recht, § 6 Rn. 44; Spörlein/Tausend/Ballreich, Hdb. Geschäftsführer, Rn. H134. 30) BGHZ 89, 48, 51 ff = ZIP 1984, 55 = GmbHR 1984, 151; näher Jacoby, Das private Amt, S. 540 f, 544 ff. 31) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 230; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, Anh § 6 Rn. 3; Spörlein/Tausend/Ballreich, Hdb. Geschäftsführer, Rn. H134. 32) BAG, ZIP 2003, 1722 f = GmbHR 2003, 1208 = DB 2003, 2183, dazu EWiR 2003, 1171 (Reiserer); Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 245 ff; Arbeitnehmereigenschaft außerhalb des Verfahrensrechts aber bei einer über § 37 hinausgehenden Weisungsgebundenheit möglich: BAG, ZIP 1999, 1854, 1855 = GmbHR 1999, 925 = DB 1999, 1906, dazu EWiR 2000, 69 (T. Keil); BAG, ZIP 2007, 1917 = GmbHR 2007, 1219 = DB 2007, 2093, dazu EWiR 2008, 77 (Nimmerjahn); BGH, ZIP 2003, 485 = GmbHR 2003, 472 = DB 2003, 657, dazu EWiR 2003, 325 (Bork); zu Fragen des ursprünglichen Anstellungsvertrags und zur Arbeitnehmereigenschaft des Geschäftsführers Schmitt-Rolfes, NZA, Beilage Heft 1/2014, 37; zur Frage der Anwendung einzelner arbeitsrechtlicher Vorschriften vgl. etwa Werner, StBW 2013, 379, 380 f. 33) LAG Rheinland-Pfalz, NZG 2009, 195 = NZI 1009, 159 (LS). 34) Scholz-Schneider/Hohenstatt, GmbHG, § 35 Rn. 308 ff; Jula, GmbH-Geschäftsführer, S. 179 ff. 35) BAG, GmbHR 2008, 1259 = NJW 2008, 3514 = BB 2009, 612, dazu Moll, GmbHR 2008, 1261. 36) LAG Hamm, Beschl. v. 10.5.2017 – 2 Ta 497/16, juris Rn. 30.

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nomen Auslegung.37) Allerdings existiert auch insoweit keine allgemeine Definition des Arbeitnehmerbegriffs.38) Der Europäische Gerichtshof hat in der „DanosaEntscheidung“39) die Geschäftsführerin einer lettischen Kapitalgesellschaft als mögliche Arbeitnehmerin i. S. d. sog. Mutterschutzrichtlinie (RL 92/85/EWG) angesehen. Arbeitnehmer ist danach, wer es übernimmt, (1) eine Leistung für einen anderen nach dessen Weisung zu erbringen, (2) für eine bestimmte Zeit, (3) gegen Entgelt.40) Letztlich muss allerdings im jeweiligen Kontext über die Arbeitnehmerstellung anhand von Zweck und Zielrichtung der jeweiligen europäischen Norm entschieden werden.41) Das ArbG Verden hatte Fragen der notwendigen Ausgestaltung der Weisung gegenüber dem Geschäftsführer i. S. d. Danosa Rechtsprechung dem EuGH vorgelegt.42) Der EuGH hat auf den Vorlagebeschluss hin entschieden, dass die Stellung als Mitglied eines Leitungsorgans der Gesellschaft ein Unterordnungsverhältnis zur Gesellschaft nicht ausschließt.43) Das AGG ist auf Geschäftsführer anwendbar, die Arbeitnehmer i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 1 AGG sind.44) Entgegen Absatz 1 Satz 1 wird die Gesellschaft bei Abschluss des Anstellungsvertrags nicht von den übrigen Geschäftsführern vertreten, sondern nach dem Gedanken des § 46 Nr. 5 von den Gesellschaftern,45) in der mitbestimmten GmbH vom Aufsichtsrat (§ 112 AktG, § 52).46) Vorbehaltlich der mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften kann die Satzung diese Zuständigkeit auch auf ein anderes Organ übertragen. 4.

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Arten von Geschäftsführern; Abgrenzungen

Zu Geschäftsführern können Gesellschafter, aber auch andere Personen bestellt werden (§ 6 Abs. 3). Erstere nennt man Gesellschafter-Geschäftsführer, letztere Fremdgeschäftsführer. Die Unterscheidung hat insbesondere Bedeutung bei der _____________ 37) EuGH, NJW 2015, 2481 Rn. 33 = NZG 2015, 963 = GmbHR 2015, 979 zur einheitlichen und autonomen Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs innerhalb der Unionsrechtsordnung; Lunk/Rodenbusch, GmbHR 2012, 188, 189; Scholz-Schneider/Hohenstatt, GmbHG, § 35 Rn. 263. 38) So etwa auch EuGH, NJW 1983, 1249; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, Anh. § 6 Rn. 5; Fischer, NJW 2011, 2329, 2330. 39) EuGH, ZIP 2010, 2414 = DB 2011, 2270 = NZA 2011, 143, dazu EWiR 2011, 28 (Wank). 40) EuGH, ZIP 2010, 2414, 2415 = DB 2011, 2270 = NZA 2011, 143, dazu EWiR 2011, 28 (Wank); EuGH, NJW 2015, 2481 Rn. 34 = NZG 2015, 963 = GmbHR 2015, 979. 41) Fischer, NJW 2011, 2329, 2330; Schmitt-Rolfes, NZA, Beilage Heft 1/2014, 37, 40. 42) ArbG Verden v. 6.5.2014, NZA 2014, 665 = NJW 2014, 2064; dazu Hohenstatt/Naber, NZA 2014, 637. 43) EuGH, NJW 2015, 2481 Rn. 38 = NZG 2015, 963 = GmbHR 2015, 979. 44) Hohenstatt/Naber, ZIP 2012, 1989 f; Scholz-Schneider/Hohenstatt, GmbHG, § 35 Rn. 326 ff; a. A. noch Bauer/Arnold, ZIP 2008, 993. 45) BGH, NJW 1995, 1750, 1751 = ZIP 1995, 643 = GmbHR 1995, 373, dazu EWiR 1995, 893 (Weipert); BGH, ZIP 2000, 1442, 1443 = GmbHR 2000, 876 = DB 2000, 1807, dazu EWiR 2001, 119 (Günther); Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 46 Rn. 23; Jula, GmbHGeschäftsführer, S. 182. 46) BGHZ 89, 48, 51 ff = ZIP 1984, 55 = GmbHR 1984, 151; Rowedder/Schmidt-LeithoffBaukelmann, GmbHG, § 35 Rn. 20; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 328 ff; Tillmann/Mohr, GmbH-Geschäftsführer, Rn. 27; Scholz-Schneider/Hohenstatt, GmbHG, § 35 Rn. 317 ff.

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Einpersonen-GmbH (Abs. 3). Gerade in personalistisch geprägten Gesellschaften wird einzelnen Gesellschaftern oftmals ein satzungsmäßiges Sonderrecht auf die Teilhabe an der Geschäftsführung eingeräumt, das nur durch Satzungsänderung und Zustimmung des Betroffenen (§ 35 BGB analog) aufgehoben werden kann. Wie viele Personen zu Geschäftsführern einer GmbH bestellt werden, steht vorbehaltlich satzungsmäßiger Regelungen und mitbestimmungsrechtlicher Vorschriften im Belieben der Gesellschafter (dazu siehe § 6 Rn. 3 [Schäfer]). 17

Der Notgeschäftsführer47) ist Geschäftsführer i. S. v. §§ 35 ff. Er unterscheidet sich von dem ordentlichen Geschäftsführer allein durch die Art und Weise sowie die Umstände seiner Bestellung: Fehlen erforderliche Mitglieder der Geschäftsführung, so bestellt das Amtsgericht auf Antrag in dringenden Fällen einen oder mehrere Notgeschäftsführer (§ 29 BGB analog,48) bei der mitbestimmten GmbH: § 31 Abs. 1 Satz 1 MitbestG i. V. m. § 85 AktG), die die Leitung der GmbH übernehmen, bis sie vom Gericht abberufen werden oder ordentlich bestellte Geschäftsführer ihr Amt (wieder-)aufnehmen.49) Die Einsetzung eines Notgeschäftsführers setzt jedoch anders als die Führungslosigkeit i. S. d. Absatzes 1 Satz 2 (dazu siehe Rn. 43 f) nicht die Vakanz der Geschäftsführung voraus. Neben der Amtsniederlegung, dem Versterben oder der Abberufung kann das Fehlen von Geschäftsführern daher auch auf einer Verhinderung nach § 181 BGB, auf Krankheit, Unerreichbarkeit oder einer vorübergehenden Handlungsverweigerung beruhen,50) solange sich letztere nicht lediglich auf die Ausführung eines bestimmten Geschäfts beschränkt und sich damit als Mittel zur Austragung des innergesellschaftlichen Streits um eine einzelne Sachentscheidung erweist.51)

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Eine ähnliche Rechtsstellung wie der Geschäftsführer nimmt der Liquidator (§ 66) ein. Gleichwohl handelt es sich bei ihm nicht etwa um einen Geschäftsführer mit der besonderen Aufgabe der Abwicklung der GmbH, sondern um ein eigenständiges Organ der GmbH, dessen Rechtsstellung durch besondere Vorschriften ausgestaltet ist. Insbesondere lassen die Verweisungen in §§ 66 Abs. 4, 71 Abs. 4 erkennen, dass die Vorschriften über den Geschäftsführer nicht schon ohne weiteres auf den Liquidator Anwendung finden. Gleiches gilt für den Abwickler, den die BaFin nach § 37 Abs. 1 Satz 2 KWG bei gravierenden Verstößen gegen das Kreditwesengesetz bestellt und mit den Befugnissen eines Geschäftsführers ausstattet; er ist kein Geschäftsführer, auch wenn ihm kraft öffentlich-rechtlicher Bestellung die Vertretungsmacht im Umfang des § 37 zukommt und seine Berufung ebenso wie die eines Geschäftsführers in das Handelsregister einzutragen ist.52) _____________ Überblick bei Kögel, GmbHR 2012, 772. Palandt-Ellenberger, BGB, § 29 Rn. 1. Marsch-Barner/Diekmann in: Münch-Hdb. GesR, Bd. 3, § 42 Rn. 37. Palandt-Ellenberger, BGB, § 29 Rn. 2; Staudinger-Weick, BGB, § 29 Rn. 7; Marsch-Barner/ Diekmann in: Münch-Hdb. GesR, Bd. 3, § 42 Rn. 33; Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 19 f. 51) BayObLG, ZIP 1997, 1785, 1786 = GmbHR 1997, 1002 = DB 1998, 68; Lutter/ Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, Vor § 35 Rn. 14; Palandt-Ellenberger, BGB, § 29 Rn. 2. 52) OLG Hamm, ZIP 2007, 682 (LS) = DB 2007, 278 = DNotZ 2007, 313. 47) 48) 49) 50)

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Auch der faktische Geschäftsführer,53) der, ohne (wirksam) bestellt worden zu sein, mit Wissen und Wollen der Gesellschaft nach außen54) hin erkennbar typische Geschäftsführungshandlungen vornimmt,55) ist kein Geschäftsführer.56) Dennoch kommen ihm bei der Ausübung seiner Tätigkeit Pflichten eines Geschäftsführers zu. Das Institut des faktischen Geschäftsführers ist so Haftungsfigur. Welche Pflichten im Einzelnen den faktischen Geschäftsführer treffen, ist für jede Geschäftsführerpflicht gesondert zu ermitteln.57) Maßgeblich ist dabei die Überlegung, dass derjenige, der die typischen Handlungen eines Geschäftsführers vornimmt, auch die typischen Pflichten und Verantwortlichkeiten eines Geschäftsführers zu tragen hat.58) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt dies insbesondere für die Haftung aus § 64 und die Insolvenzantragspflicht (§ 15a InsO).59) Mit dieser Pflicht geht aber nicht die Befugnis des faktischen Geschäftsführers einher, selbst Insolvenzantrag zu stellen.60) Die Voraussetzungen für das Vorliegen der Antragsbefugnis wären für den Insolvenzrichter sonst nur schwer zu prüfen. Zutreffend erwähnen §§ 14, 15 InsO den faktischen Geschäftsführer nicht, der eben nur Haftungsfigur ist; dieses Institut begründet lediglich Verantwortlichkeit, erzeugt aber keine Rechte. Die mögliche Insolvenzverschleppungshaftung des faktischen Geschäftsführers beruht darauf, dass er seine faktischen Einflussnahmemöglichkeiten nicht dazu genutzt hat, eine antragsberechtigte Person zur Antragsstellung zu veranlassen.61) Die Person, die faktischer Geschäftsführer ist, kann freilich antragsbefugt nach Maßgabe des § 15a Abs. 3 InsO sein, wenn sie gleichzeitig Gesellschafter einer führungslosen GmbH ist. Faktischer Geschäftsführer ist allerdings nicht schon, wer nach seinem Ausscheiden aus der Geschäftsführung auf Weisung weiterhin die Geschäftskonten

_____________ 53) Zur Begriffsbestimmung eingehend Strohn, DB 2011, 158. 54) BGHZ 104, 44, 48 = ZIP 1988, 771 = GmbHR 1988, 299, dazu EWiR 1988, 905 (K. Schmidt); zuletzt auch OLG München, ZIP 2010, 2295 = WM 2011, 40, dazu EWiR 2011, 317 (Kleinschmidt/Dinh Van); vgl. ferner Strohn, DB 2011, 158, 160 ff; für eine eingeschränkte Anwendung des Merkmals der Außenwirkung Haas, NZI 2006, 494; ähnlich auch Fleischer/Schmolke, WM 2011, 1009, 1011; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 3 ff. 55) BGHZ 104, 44 = ZIP 1988, 771, 772 = GmbHR 1988, 299, dazu EWiR 1988, 905 (K. Schmidt); BGHZ 150, 61 = ZIP 2002, 848, 850 f = GmbHR 2002, 549, dazu EWiR 2002, 679 (Blöse); BGH, ZIP 2005, 1550 f = GmbHR 2005, 1187 = DB 2005, 1897, dazu EWiR 2005, 731 (Bork); Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, Vor § 35 Rn. 11. 56) BGHZ 104, 44 = ZIP 1988, 771, 772 = GmbHR 1988, 299, dazu EWiR 1988, 905 (K. Schmidt). 57) Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 6 Rn. 115; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, Vor § 35 Rn. 12; Marsch-Barner/Diekmann in: Münch-Hdb GesR, Bd. 3, § 42 Rn. 41. 58) BGHZ 104, 44 = ZIP 1988, 771, 772 = GmbHR 1988, 299, dazu EWiR 1988, 905 (K. Schmidt). 59) BGHZ 104, 44 = ZIP 1988, 771, 772 = GmbHR 1988, 299, dazu EWiR 1988, 905 (K. Schmidt); BGHZ 150, 61 = ZIP 2002, 848, 851 = GmbHR 2002, 549, dazu EWiR 2002, 679 (Blöse); BGH, ZIP 2015, 218 = WM 2015, 252 = NJW 2015, 712. 60) Für ein Antragsrecht des faktischen Geschäftsführers Gundlach/Müller, ZInsO 2011, 1055; einschränkend nur für den fehlerhaft bestellten Geschäftsführer Müller in: MünchKommGmbHG, § 64 Rn. 51. 61) Vgl. Klöhn in: MünchKomm-InsO, § 15 Rn. 11; Strohn, DB 2011, 158, 164 f.

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verwaltet, ohne der Bank sein Ausscheiden aus der Organstellung offenzulegen,62) oder wer die Geschäftsführung lediglich von innen steuert.63) Die Rechtsprechung verlangt neben der Einflussnahme im Innenverhältnis ein nach außen hervortretendes, üblicherweise der Geschäftsführung zuzurechnendes Handeln (kritisch Klöhn, siehe § 43 Rn. 12). Liegt ein solches vor, lassen sich Restriktionen allein aufgrund der Motivation des faktischen Geschäftsführers, ein angeschlagenes Unternehmen retten zu wollen, kaum rechtfertigen.64) II. Vertretung 20

§ 35 gestaltet die Vertretungsmacht des Geschäftsführers aus, die es ihm ermöglicht, i. S. d. § 164 BGB mit Wirkung für und gegen die GmbH zu handeln. Seine Vertretungsmacht ist eine organschaftliche, nicht eine rechtsgeschäftliche; sie erwächst unmittelbar aus der organschaftlichen Rechtsstellung des Geschäftsführers und muss ihm nicht erst auf rechtsgeschäftlichem Wege – etwa als Vollmacht – erteilt werden.65) Mit Ausnahme des Abschlusses von Anstellungsverträgen mit (Mit-)Geschäftsführern (siehe Rn. 14) erstreckt sich die Vertretungsbefugnis auf sämtliche außergerichtliche und gerichtliche Handlungen. Im Zivilprozess nimmt der Geschäftsführer die Rolle des gesetzlichen Vertreters ein (§§ 51, 170 ZPO) mit der Folge, dass er grundsätzlich nicht als Zeuge, sondern als Partei zu vernehmen ist (§ 455 Abs. 1 Satz 1 ZPO).66) In Prozessen, die die GmbH gegen einen amtierenden oder ehemaligen Geschäftsführer führt, ist die Vertretungsmacht der Mitgeschäftsführer beschränkt.67) Besteht ein Aufsichtsrat, ist dieser schon nach § 112 AktG, § 52 zur Vertretung berufen. Sonst ist es nach § 46 Nr. 8 Sache der Gesellschafter über die Vertretung zu bestimmen (siehe § 46 Rn. 33 ff [Masuch]). 1.

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Offenlegungsgrundsatz

Die Wirkung der Vertretung hängt vom offenkundigen Handeln des Geschäftsführers in fremdem Namen, nämlich dem der GmbH, ab (§ 164 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 2 BGB). Bei schriftlichen Willenserklärungen wird dies typischer-, aber nicht notwendigerweise durch die Zeichnung als Geschäftsführer unter Angabe der Firma sichergestellt.68) Bis zum Inkrafttreten des MoMiG enthielt § 35 in Absatz 3 a. F. die Bestimmung „Die Zeichnung geschieht in der Weise, daß die Zeichnenden zu der Firma der Gesellschaft ihre Namensunterschrift beifügen“. Sie wurde aus Gründen der Deregulierung nicht beibehalten, denn ihrem Ordnungszweck wird durch den Offenlegungsgrundsatz des § 164 BGB bereits hinreichend Rechnung getragen.69) Bezeichnet der _____________ 62) BGH, ZIP 2008, 1026, 1027 = GmbHR 2008, 702 = DB 2008, 1202, dazu EWiR 2009, 237 (A. Kleinschmidt/Lau). 63) BGHZ 150, 61 = ZIP 2002, 848, 850 f = GmbHR 2002, 549, dazu EWiR 2002, 679 (Blöse). 64) Anders aber OLG München, ZIP 2010, 2295 = WM 2011, 40, dazu EWiR 2011, 317 (Kleinschmidt/Dinh Van); zu Recht krit. zu diesem „Sanierungsprivileg“ Fleischer/Schmolke, WM 2011, 1009, 1013 ff. 65) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 35 Rn. 1. 66) Zöller-Greger, ZPO, § 373 Rn. 6. 67) Vgl. OLG Zweibrücken, GmbHR 2015, 1047, 1048. 68) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 35 Rn. 7. 69) BT-Drucks. 16/6140, S. 43.

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§ 35

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Geschäftsführer die Firma der GmbH ungenau, unrichtig oder überhaupt nicht, so wird nach den Grundsätzen des unternehmensbezogenen Geschäfts gleichwohl die GmbH als Unternehmensträgerin vertreten, wenn der Geschäftsführer jedenfalls den Unternehmensbezug des Geschäfts offengelegt hat.70) Der Geschäftsführer haftet aber für die dabei begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft aus Rechtsschein, soweit er die Haftungsbeschränkung im schriftlichen und mündlichen Geschäftsverkehr trotz berechtigter Interessen des Vertragspartners nicht kenntlich macht.71) 2.

Mehrheit von Geschäftsführern

Sind mehrere zu Geschäftsführern bestellt, können sie nach dem Grundsatz von Absatz 2 Satz 1 die Gesellschaft nur gemeinschaftlich vertreten.

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a) Ausnahmen von der Gesamtvertretung Der Grundsatz der Gesamtvertretung gilt allerdings nur, wenn der Gesellschaftsvertrag keine abweichenden Regelungen enthält. Dies kann entweder in der Form geschehen, dass der Gesellschaftsvertrag selbst die Vertretungsregelung trifft, oder dieser ermächtigt ein Gesellschaftsorgan,72) etwa die Gesellschafterversammlung.73) Als solche bieten sich vielfache Gestaltungsmöglichkeiten. Die Gesellschafter können jedem oder einzelnen Geschäftsführern Einzelvertretungsmacht verleihen;74) dabei macht es weder materiell-rechtlich noch registerrechtlich einen Unterschied, ob sie den Begriff „Einzelvertretung“ oder die bedeutungsgleiche Bezeichnung „Alleinvertretung“ verwenden.75)

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Der Gesellschaftsvertrag kann die Gesamtvertretung auf das Zusammenwirken von zwei Geschäftsführern beschränken. Auch Kombinationen von Einzel- und Gesamtvertretungsmacht sind denkbar: Geschäftsführer A soll nur gemeinsam mit Geschäftsführer B handeln, der B die Gesellschaft aber auch allein vertreten können (halbseitige Gesamtvertretung). Auch das Zusammenwirken von Geschäftsführern und Prokuristen (unechte Gesamtvertretung) kann Gegenstand gesellschaftsvertraglicher Vertretungsbestimmungen sein. Nicht möglich ist jedoch eine sachliche Beschränkung,76) etwa dahingehend, dass Geschäftsführer A nur bei Geschäften unter 100.000 € Einzelvertretungsmacht zukommt. Eine solche Gestaltung würde der Rechtssicherheit schaden und ist mit § 37 Abs. 2 nicht vereinbar (siehe Rn. 41).77)

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_____________ 70) OLG Hamm, GmbHR 1998, 890, 890 f = NJW-RR 1998, 1253; OLG Saarbrücken, GmbHR 2009, 209, 210 = NJW-RR 2009, 179; Staudinger-Schilken, BGB, § 164 Rn. 1. 71) OLG Saarbrücken, GmbHR 2009, 209, 210 f = NJW-RR 2009, 179; Lutter/HommelhoffKleindiek, GmbHG, § 35 Rn. 7. 72) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 35 Rn. 37. 73) BGH, NJW 1975, 1741 = MDR 1975, 913 = WM 1975, 790; OLG Düsseldorf, GmbHR 1991, 20, 21. 74) Dies kann sogar schon für die Zukunft geschehen, wenn also zur Zeit des Beschlusses erst ein Geschäftsführer vorhanden ist, aber die Satzung die Bestellung weiterer erlaubt, vgl. OLG Zweibrücken, NZG 2013, 1069, 1070 = GmbHR 2013, 1094 = RNotZ 2014, 64. 75) BGH, ZIP 2007, 1103, 1104 = GmbHR 2007, 704 = DB 2007, 1244, dazu EWiR 2007, 401 (Terner). 76) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 35 Rn. 36; Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 109. 77) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 99.

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Die Gestaltungsfreiheit wird allerdings dadurch begrenzt, dass den Mitgliedern der Geschäftsführung die Vertretungsautonomie nicht aus den Händen genommen werden darf. Die Vertretung der Gesellschaft muss allein durch Handeln von Geschäftsführern möglich sein, ohne dass sie auf die Beteiligung eines Prokuristen oder sonstigen Dritten angewiesen sind.78) Ebenso wenig kann einem einzelnen Geschäftsführer die organschaftliche Vertretungsmacht zur Gänze entzogen werden;79) allerdings bleibt die Möglichkeit, ihm durch Weisung nach § 37 Abs. 1 zu untersagen, von seiner Vertretungsmacht Gebrauch zu machen, was freilich nur im Innenverhältnis wirkt (dazu siehe Rn. 41 ff). Die hiernach gewählte Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer ist in das Handelsregister einzutragen (§ 10 Abs. 1 Satz 2). b) Vertretung durch Gesamtvertreter

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Die Durchführung der Gesamtvertretung setzt voraus, dass jeder der zu beteiligenden Geschäftsführer und Prokuristen eine eigene Willenserklärung abgibt.80) Drei Wege sind denkbar:81) Die eigentliche Gesamtvertretung erfolgt dadurch, dass die Gesamtvertreter – einzeln oder gemeinsam – gleichlautende und aufeinander bezogene Teilerklärungen gegenüber dem Erklärungsempfänger abgeben.

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Eine zweite Möglichkeit besteht in der gegenseitigen Ermächtigung i. S. d. Rechtsgedankens der §§ 125 Abs. 2 Satz 2, 150 Abs. 1 Satz 1 HGB, §§ 78 Abs. 4 Satz 1, 269 Abs. 4 Satz 1 AktG.82) Dieser Weg ist allerdings nicht unbegrenzt zulässig, denn anderenfalls drohte die mit dem Gesamtvertretungsprinzip einhergehende Kontrollfunktion ins Leere zu laufen.83) Die Ermächtigung ist daher stets widerruflich und auf einzelne Rechtsgeschäfte oder Arten von Rechtsgeschäften zu beschränken.84) Eine alle Rechtsgeschäfte des jeweiligen Ressorts umfassende Artermächtigung ist jedenfalls zu weitgehend.85)

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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine Ermächtigung auch derjenige Mitgeschäftsführer erteilen, der selbst nach § 181 BGB von der Mitwirkung an der Vertretung ausgeschlossen ist,86) nicht aber soll seine nach § 181 BGB vollmachtlos abgegebene Teilerklärung ohne weiteres in eine vom Vertretungsver_____________ 78) 79) 80) 81) 82)

83) 84) 85)

86)

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Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 35 Rn. 39. Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 35 Rn. 36. Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 59. Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 91 ff. BGHZ 64, 72, 75 f = GmbHR 1975, 131 = DB 1975, 876; BGH, ZIP 1991, 1582, 1582 f = GmbHR 1992, 107 = DB 1992, 83, dazu EWiR 1991, 1167 (Schlechtriem); ScholzSchneider/Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 93; zur Frage, ob eine Einzelermächtigung durch Gesellschafterbeschluss möglich ist vgl. Blasche/König, NZG 2013, 1412, 1414 ff. BGH, GmbHR 1979, 271, 272 = DB 1978, 2118 = WM 1978, 1047. Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 94 f. BGH, ZIP 1988, 370, 371 = GmbHR 1988, 101 = DB 1988, 386, dazu EWiR 1988, 375 (K. Müller); Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 35 Rn. 33; a. A. Scholz-Schneider/ Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 95; so auch OLG München, ZIP 2013, 1955, 1956 = GmbHR 2013, 1208 = DB 2013, 2260, für den Fall, dass die Geschäftsführer zugleich alleinige Gesellschafter der GmbH sind, dazu EWiR 2014, 111 (Schaller). BGHZ 64, 72, 75 f = GmbHR 1975, 131 = DB 1975, 876; a. A. Lutter/HommelhoffKleindiek, GmbHG, § 35 Rn. 51.

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Vertretung der Gesellschaft

bot unberührte Ermächtigung umgedeutet werden.87) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist verfehlt.88) Denn sie läuft dem Kontrollgedanken des Gesamtvertretungsprinzips zuwider: Ermächtigt ein Gesamtvertreter den anderen zur alleinigen Vornahme eines Rechtsgeschäfts, so verbleibt dem ermächtigenden Gesamtvertreter die Kontrollverantwortung nicht als Gesamtvertreter, sondern als Ermächtigungsgeber. § 181 BGB aber bestimmt, dass sich der selbstkontrahierende Geschäftsführer nicht als Gesamtvertreter eignet, und deshalb eignet er sich auch nicht dazu, die Kontrollaufgabe des Gesamtvertreters als Ermächtigungsgeber fortzuführen. Dem den Beschränkungen des § 181 BGB unterliegenden Geschäftsführer bleibt nichts, womit er zur Befugniserweiterung des zu ermächtigenden Gesamtvertreters beitragen kann.89) Als dritte Möglichkeit kann sich der Handelnde seine Vertretung von den übrigen zur Mitwirkung berufenen Gesamtvertretern genehmigen lassen (§ 177 Abs. 1 BGB). Bei einseitigen Rechtsgeschäften ist § 180 BGB zu beachten. Die Genehmigung kommt auch für Prozesshandlungen in Betracht (§ 89 Abs. 2 ZPO), es sei denn, dass vor dem Wirksamwerden der heilenden Erklärung eine abschließende Entscheidung ergangen ist.90) Der Weg über eine Genehmigung unterscheidet sich von demjenigen über die Teilerklärung dadurch, dass im letzteren Fall eine Gesamt-Willenserklärung erst mit Abgabe der letzten Teilerklärung zustande kommt und Wirkung für und gegen die GmbH entfalten kann. Die Genehmigung der Mitgeschäftsführer und Prokuristen wirkt dagegen schon auf den Zeitpunkt des Zugangs der vom falsus procurator abgegebenen Willenserklärung zurück.91)

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Handelt ein gesamtvertretungsbefugter Geschäftsführer ohne die notwendige Mitwirkung der übrigen, so kommt eine Duldungs-Einzelvertretungsmacht in Betracht. Sie ist anzunehmen, wenn bereits einer der Mitgeschäftsführer von dem Handeln des Betroffenen weiß und sich entschließt, nicht dagegen einzuschreiten.92)

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c) Wegfall eines Gesamtgeschäftsführers Reduziert sich die Zahl der Geschäftsführer auf einen einzigen, so kommt dem Verbliebenen Einzelvertretungsmacht zu, denn die Gesellschaft verfügt dann nicht mehr über mehrere Geschäftsführer i. S. d. Absatzes 2 Satz 1. Dies gilt auch dann, wenn der nunmehr einzige Geschäftsführer zuvor als einer von mehreren nie alleinvertretungsberechtigt gewesen ist.93) Eine Ausnahme ist nur zu machen, falls die Satzung den Gesellschaftern aufträgt, eine Mehrzahl von Geschäftsführern zu bestimmen, für die keine Einzelvertretungsmacht vorgesehen ist. Hier ist durch Auslegung zu _____________ 87) BGH, ZIP 1991, 1582, 1583 = GmbHR 1992, 107 = DB 1992, 83, dazu EWiR 1991, 1167 (Schlechtriem). 88) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 135; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 35 Rn. 51. 89) Zum Ganzen Jacoby, Das private Amt, S. 366 f. 90) OLG Hamburg, ZIP 1987, 1319, 1320 = GmbHR 1988, 67 = DB 1987, 2037, dazu EWiR 1987, 1101 (Meyer-Landrut). 91) Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 100. 92) BGH, ZIP 1988, 370, 371 = GmbHR 1988, 101 = DB 1988, 386, dazu EWiR 1988, 375 (K. Müller). 93) OLG Schleswig, ZIP 2011, 662 = GmbHR 2011, 253 = DStR 2011, 684.

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ermitteln, ob dem einzig Verbliebenen Einzelvertretungsmacht zufallen sollte.94) Im Zweifel ist anzunehmen, dass eine so starke Rechtsposition für einen einzelnen nicht gedacht war.95) Solange kein weiterer Geschäftsführer bestellt wird, ist eine organschaftliche Vertretung dann nur durch die Einsetzung eines Notgeschäftsführers zu erreichen;96) denkbar ist daneben aber eine Einzelvertretungsmacht kraft Rechtsscheins.97) Gleiches gilt, wenn ein für die Gesamtvertretung notwendigerweise zu beteiligender Geschäftsführer verhindert ist.98) 3. 32

Passivvertretung, Zugangs- und Zustellungserleichterungen

Die Unterscheidung von Gesamt- und Einzelvertretung hat nur für die Abgabe von Erklärungen (Aktivvertretung) Relevanz. Für den Empfang von Erklärungen (Passivvertretung i. S. d. § 164 Abs. 3 BGB) schreibt Absatz 2 Satz 2 zwingend die Einzelvertretungsmacht vor. a) Die Erleichterung des Absatzes 2 Satz 3

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Seit dem Inkrafttreten des MoMiG enthält Absatz 2 Satz 3 1. Fall eine Erleichterung des Zugangs von Willenserklärungen gegenüber der GmbH: Unter der im Handelsregister angegebenen Geschäftsanschrift (§ 8 Abs. 4 Nr. 1) können an die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft Willenserklärungen abgegeben werden. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs tritt als Rechtsfolge dieser Bestimmung die unwiderlegliche Vermutung ein, dass ein gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft unter der Geschäftsadresse die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat,99) was bereits – anders als erst die tatsächliche Kenntnisnahme – den Zugang der dorthin übermittelten Willenserklärungen bewirkt.100) Nach Absatz 2 Satz 3 2. Fall gelten die Vertreter unter der Geschäftsadresse auch für die Zustellung von Schriftstücken als erreichbar.

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Die unwiderlegliche Vermutung des Absatzes 2 Satz 3 zur Erleichterung von Zugang und Zustellung gilt unabhängig davon, ob der Erklärende von einem tatsächlichen Fehlen der Möglichkeit der Kenntnisnahme weiß, etwa weil ihm bekannt ist, dass sich der Geschäftsführer dauerhaft im Ausland aufhält.101) Irrelevant ist auch, ob er den oder die Vertreter der GmbH richtig oder überhaupt bezeichnet hat.102) Ent_____________ 94) Klarstellend BGH, ZIP 2007, 1406 = GmbHR 2007, 824 = DB 2007, 2028 gegenüber BGHZ 121, 263, 264 = ZIP 1993, 706 = GmbHR 1993, 508, dazu EWiR 1993, 615 (Vollkommer); OLG Hamburg, ZIP 1987, 1319, 1320 = GmbHR 1988, 67 = DB 1987, 2037, die die Einzelvertretungsmacht eines Liquidators jeweils abgelehnt haben, dazu EWiR 1987, 1101 (Meyer-Landrut). 95) Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 119; so wohl auch OLG Hamburg, ZIP 1987, 1319, 1320 = GmbHR 1988, 67 = DB 1987, 2037, dazu EWiR 1987, 1101 (Meyer-Landrut). 96) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 35 Rn. 38. 97) OLG Rostock, GmbHR 2002, 974. 98) Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 117; zur Frage, ob rechtliche und tatsächliche Verhinderung zu unterscheiden sind, vgl. Leuering/Stein, NJW-Spezial 2014, 527 f. 99) RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 43. 100) Staudinger-Singer/Benedict, BGB, § 130 Rn. 39. 101) RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 43. 102) Vgl. BGHZ 107, 296, 299 = ZIP 1989, 980 = DB 1989, 1664, dazu EWiR 1989, 843 (Hirte); BGH, NJW 1993, 2811, 2813 = WM 1993, 1818 = BB 1993, 1836; BGHZ 134, 343 = NJW 1997, 1584, 1586 = ZIP 1997, 685; OLG München, GmbHR 2004, 584, 586 = ZIP 2004, 1778 (LS) = NZG 2004, 422.

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scheidend ist allein, dass die Willenserklärung gegenüber der Gesellschaft abgegeben wird. Die unter der Geschäftsadresse abgegebenen Willenserklärungen gehen daher auch dann mit Wirkung für und gegen die GmbH zu, wenn nach Absatz 1 Satz 2 infolge der Führungslosigkeit die Gesellschafter in die Rolle der organschaftlichen Passivvertreter nachgerückt sind (dazu siehe Rn. 43 ff).103) Einzige Voraussetzung für die Zugangs- und Zustellungserleichterungen des Absatzes 3 Satz 2 ist, dass sich unter der Geschäftsadresse ein Geschäftslokal befindet oder zumindest der zurechenbare Anschein eines Geschäftslokals gesetzt wird.104) Daran fehlt es, wenn das unter der Adresse ursprünglich eingerichtete Geschäft nicht mehr betrieben wird oder sich dort keinerlei Zustellungseinrichtungen (z. B. Briefkasten) befinden. b) Sonstige Erleichterungen Sind für die Gesellschaft empfangsberechtigte Personen i. S. d. § 10 Abs. 2 Satz 2 bestimmt, so können unter der für sie eingetragenen inländischen Anschrift ebenfalls Willenserklärungen abgegeben und Schriftstücke zugestellt werden (Abs. 2 Satz 4). Dies gilt unabhängig davon, ob auch eine Abgabe oder Zustellung an die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft unter der Geschäftsadresse möglich wäre.105) Der Gesetzgeber bietet den Gesellschaften mit dieser Bestimmung die Möglichkeit, einer öffentlichen Zustellung nach § 185 Nr. 2 ZPO vorzubeugen, insbesondere wenn die Gesellschaft über kein Geschäftslokal im Inland verfügt. Nach der – europa- und verfassungsrechtlich bedenklichen106) – Bestimmung des § 185 Nr. 2 ZPO ist eine öffentliche Zustellung auch bei bekanntem Auslandssitz möglich, wenn die Gesellschaft über keine Zustellanschrift im Inland verfügt. Trifft das Prozessgericht die Anordnung der öffentlichen Zustellung, so ist die Gesellschaft den Rechtsfolgen der Zustellung ausgesetzt, ohne tatsächlich Gelegenheit zur Kenntnisnahme des Schriftstücks erhalten zu haben. 4.

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Beschränkung der Vertretungsmacht bei Insichgeschäften (§ 181 BGB)

Vertritt ein Geschäftsführer die Gesellschaft gegenüber sich selbst oder wird er bei einer Vertretungshandlung gleichzeitig als Vertreter eines Dritten – etwa einer Konzerngesellschaft – tätig, ist § 181 BGB zu beachten.107) Für die Mehrpersonen-GmbH besteht ohnehin der Interessenkonflikt, dem § 181 BGB Rechnung tragen will; bei der Einpersonen-GmbH stellt Absatz 3 Satz 1 die Anwendbarkeit des § 181 BGB klar, auch wenn dieser Interessenkonflikt materiell wegen der wirtschaftlich gleichgerichteten Interessen von Gesellschaft und Alleingesellschafter-Geschäftsführer nicht besteht.108) Diese Anordnung soll der Transparenz und dem Gläubigerschutz die_____________ 103) 104) 105) 106) 107)

RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 43; Goette/Habersack-Kleindiek, MoMiG, Rn. 8.46. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 43. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 43. Zu Bedenken gegen diese Bestimmung Jacoby in: FS Kropholler, S. 819 ff. Zu diesen zwei Arten OLG Nürnberg, ZIP 2015, 522 = GmbHR 2015, 486 = MDR 2015, 411. 108) BGHZ 114, 167, 171 f = ZIP 1991, 650 = GmbHR 1991, 261, dazu EWiR 1992, 137 (Reithmann); BGHZ 75, 358, 361 = GmbHR 1980, 166 = DB 1980, 630; BGHZ 56, 97, 101 = DB 1971, 955 = NJW 1971, 1355; eingehend Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 147 ff.

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Vertretung der Gesellschaft

nen.109) Vorschläge des Bundesrates110) und der Bundesregierung,111) den Geschäftsführer mit Erlass des MoMiG nunmehr gänzlich von den Beschränkungen des § 181 BGB zu befreien, haben sich im Gesetzgebungsverfahren nicht durchgesetzt. Jedoch sehen die in der Anlage zu § 2 Abs. 1a normierten Musterprotokolle für die Gründung von Einpersonen- und Mehrpersonengesellschaft jeweils in Nummer 4 Satz 2 die Befreiung des Geschäftsführers von den Beschränkungen des § 181 BGB vor.112) Dies soll aber als besondere Vertretungsregelung nur für den Gründungsgeschäftsführer gelten; für die Befreiung eines späteren Geschäftsführers bedarf es demnach einer entsprechenden Satzungsbestimmung.113) Wird später ein weiterer Geschäftsführer neben dem Gründungsgeschäftsführer bestellt, entfällt damit die Befreiung des Gründungsgeschäftsführers vom Verbot von Insichgeschäften.114) Im vereinfachten Gründungsverfahren darf von diesen Musterklauseln nicht abgewichen werden (§ 2 Abs. 1a Satz 3). a) Mehrgliedrige Gesellschaft 37

Für den Geschäftsführer einer mehrgliedrigen GmbH bewirkt § 181 BGB eine Beschränkung der Vertretungsmacht, wenn das in Rede stehende Rechtsgeschäft nicht lediglich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht oder es der Gesellschaft lediglich einen rechtlichen Vorteil verschafft.115) Ein dem Vertretungsverbot zuwider bewirktes Rechtsgeschäft ist schwebend unwirksam und kann von einem vertretungsberechtigten Mitgeschäftsführer oder durch Gesellschafterbeschluss genehmigt werden.

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Der Geschäftsführer einer Mehrpersonen-GmbH kann auch von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit werden. Eine Befreiung kann bereits im Gesellschaftsvertrag festgelegt oder von demjenigen Organ beschlossen werden,116) das für die Entlastung des Geschäftsführers zuständig ist, in der Regel also der Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 5). Die Bedenken des KG Berlin117) gegen eine Befreiung, die nur auf einen Beschluss, nicht aber auf eine Satzungsbestimmung zurückgeht, sind unbegründet. Der Minderheitsgesellschafter bedarf des Schutzes nicht, der ihm _____________ 109) 110) 111) 112) 113)

114) 115)

116)

117)

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Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 149 ff. BR-Drucks. 354/07, S. 16. Gegenäußerung der BReg, BT-Drucks. 16/6140, S. 76. Dazu Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 35 Rn. 52. OLG Hamm, ZIP 2011, 1011 = GmbHR 2011, 87 m. Anm. Dignas; OLG Düsseldorf, ZIP 2011, 2468 = GmbHR 2011, 1319 = DStR 2011, 2106; zum Ganzen Herrler/König, DStR 2010, 2138 ff. OLG Nürnberg, ZIP 2016, 74, dazu EWiR 2016, 299 (Schodder). Zu Letzterem BGHZ 59, 236, 239 f = DB 1972, 2159 = NJW 1972, 2262; PalandtEllenberger, BGB, § 181 Rn. 9; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 35 Rn. 51; ScholzSchneider/Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 142. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 132; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 35 Rn. 52; Lohr, RNotZ 2001, 403; a. A. KG Berlin, ZIP 2006, 2085, 2086 f = GmbHR 2006, 658 = DB 2006, 1261 m. w. N., dazu EWiR 2006, 683 (Theusinger/Liese); für generelle und nicht lediglich einzelfallbezogene Befreiungen ebenfalls eine satzungsmäßige Grundlage fordernd: Schmitt, WM 2009, 1784, 1785. KG Berlin, ZIP 2006, 2085, 2086 f = GmbHR 2006, 658 = DB 2006, 1261, dazu EWiR 2006, 683 (Theusinger/Liese).

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durch das Erfordernis einer Satzungsänderung zuteilwerden soll. Denn schon dem Wortlaut nach erhält er mit der Anwendbarkeit des § 181 BGB lediglich einen Schutz, der unter dem Vorbehalt der „Gestattung“ des Vertretenen, hier des zuständigen Willensbildungsorgans der GmbH, steht. Strebt der Minderheitsgesellschafter einen darüber hinausgehenden Schutz an, muss er ihn sich im Gesellschaftsvertrag verbriefen lassen. Die Befreiung ist zum Handelsregister anzumelden (§ 10 Abs. 1 Satz 2, § 39).118) – Zum Ausschluss eines Gesamtgeschäftsführers nach § 181 BGB siehe Rn. 28. b) Einpersonengesellschaft Für den Gesellschafter-Alleingeschäftsführer einer Einpersonen-GmbH (Abs. 3 Satz 1) gilt das Vorstehende mit einigen Modifikationen. Eine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB muss auf den Gesellschaftsvertrag zurückgehen, sei es auf eine unmittelbar befreiende Satzungsbestimmung,119) sei es auf eine satzungsmäßige Ermächtigung zur Befreiung durch den einfachen Beschluss eines anderen Organs, der allerdings nach § 10 Abs. 1 Satz 2 zum Handelsregister anzumelden ist.120) Gleiches gilt für die Genehmigung eines nach § 181 BGB vollmachtlos ausgeführten Insichgeschäfts.121) Bei üblicher notarieller Satzungsgestaltung soll die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot vermutet werden;122) dagegen spricht jedoch die Eintragungsbedürftigkeit der Befreiung sowie die Aufwertung, die das Selbstkontrahierungsverbot als Regelfall dadurch erfahren hat, dass der Bundestag sich gegen die Aufnahme der Befreiung in das gesetzliche Regelstatut ausgesprochen hat (dazu siehe Rn. 36). Wird eine GmbH nachträglich zur Einpersonengesellschaft i. S. d. Absatzes 3 Satz 1, so bleibt eine vormals ausgesprochene Befreiung dann wirksam, wenn sie auf den Gesellschaftsvertrag zurückgeht, nicht aber, wenn sie mit einfachem Gesellschafterbeschluss erteilt worden ist, sofern der Gesellschaftsvertrag keine entsprechende Ermächtigung enthält.123)

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Nimmt ein Alleingesellschafter, der auch Geschäftsführer ist, mit der GmbH ein Rechtsgeschäft vor, so ist darüber unverzüglich eine Niederschrift anzufertigen (Abs. 3 Satz 2). Dies gilt unabhängig davon, ob er alleiniger Geschäftsführer ist oder

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_____________ 118) BGHZ 87, 59 = ZIP 1983, 568 = GmbHR 1983, 269; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 133; gegen eine Eintragungspflicht Altmeppen, NZG 2013, 401, 408. 119) BGHZ 87, 59, 60 f = ZIP 1983, 568 = GmbHR 1983, 269; OLG Köln, GmbHR 1993, 37, 37 f = NJW 1993, 1018. 120) OLG Hamm, GmbHR 1998, 682, 683 = DB 1998, 1457 = NJW-RR 1998, 1193, dazu EWiR 1998, 701 (Bokelmann); Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 35 Rn. 53; krit. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 140; a. A. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 35 Rn. 80. 121) BGH, ZIP 2000, 131, 132 = GmbHR 2000, 136 = DB 2000, 412, dazu EWiR 2000, 675 (Kornblum); OLG Köln, GmbHR 1993, 37 f = NJW 1993, 1018; Baumbach/HueckZöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 140; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 35 Rn. 55; Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 166. 122) BGH, ZIP 2004, 1285, 1286 = GmbHR 2004, 949 = DB 2004, 1418. 123) BGHZ 114, 167, 170 ff = ZIP 1991, 650 = GmbHR 1991, 261, dazu EWiR 1992, 137 (Reithmann); BFH, NJW 1991, 2039, 2040 = BStBl. II 1991, 597 = GmbHR 1991, 332; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 35 Rn. 54; Schmitt, WM 2009, 1784, 1785; a. A. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 35 Rn. 106.

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Vertretung der Gesellschaft

nicht. Die Niederschrift muss den Inhalt des Rechtsgeschäfts nicht in allen Einzelheiten wiedergeben; die Dokumentation der wesentlichen Bestimmungen und des Zeitpunkts der Vornahme des Rechtsgeschäfts genügen.124) Eine Missachtung dieser Dokumentationsvorschrift zieht nicht die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nach sich, kann aber möglicherweise Schadensersatzansprüche auslösen.125) 5.

Beschränkbarkeit und Beschränkung der Vertretungsmacht

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Die Vertretungsmacht der Geschäftsführer lässt sich mit Wirkung Dritten gegenüber nicht beschränken (§ 37 Abs. 2). Werden dem Geschäftsführer einschränkende Weisungen für Vertragsabschlüsse oder für die Vornahme sonstiger Rechtsgeschäfte auferlegt, wirken sich diese allein auf die Geschäftsführungsbefugnis im Innenverhältnis (§ 37 Abs. 1), nicht aber auf die Vertretungsmacht im Außenverhältnis aus. Ausgenommen von diesem Grundsatz sind gesellschaftsinterne (sozialrechtliche) Rechtsgeschäfte, wie etwa die Genehmigung der Abtretung von Geschäftsanteilen nach § 15 Abs. 5 durch die von ihrem Geschäftsführer vertretene Gesellschaft,126) die Kündigung eines Prokuristen, der gleichzeitig Gesellschafter ist, durch den Geschäftsführer ohne die dazu erforderliche Zustimmung der Gesellschafterversammlung127) oder die Vereinbarung mit dem Betriebsrat.128) In diesen Ausnahmefällen ist der Anwendungsbereich des § 37 Abs. 2 zu reduzieren, weil gesellschaftsangehörige Vertragspartner im Unterschied zu den übrigen Teilnehmern des Rechtsverkehrs in ihrem Vertrauen auf den Umfang der Vertretungsmacht des Geschäftsführers nicht schützenswert sind.129) Gleiches gilt, wenn der Geschäftsführer mit einem gesellschaftsfremden Dritten ein Rechtsgeschäft unter dem Vorbehalt der Zustimmung eines anderen Gesellschaftsorgans schließt, da der Dritte den Zustimmungsvorbehalt selbst mitträgt.130)

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Ebenfalls wegen der fehlenden Schutzbedürftigkeit des Geschäftspartners ist § 37 Abs. 2 in den Fällen des sog. Missbrauchs der Vertretungsmacht teleologisch zu reduzieren, sodass auch hier die Vertretungsmacht entfällt.131) Der Zurechnung nach § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB steht es entgegen, wenn der Geschäftsführer bei der Vornahme einer Vertretungshandlung objektiv und nicht notwendigerweise bewusst132) die Grenzen seines Vertretungsauftrags, die ihm im Innenverhältnis auferlegt sind (dazu siehe § 37 Rn. 1, 7 f, 10 ff [Jacoby]), überschreitet und dies der anderen Partei _____________ 124) 125) 126) 127)

128) 129) 130) 131) 132)

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Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 144. Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 35 Rn. 57. BGH, GmbHR 1988, 260 = DB 1988, 1587 = WM 1988, 704. BAG, ZIP 1998, 1693, 1695 f = GmbHR 1998, 931 = DB 1998, 1922, dazu EWiR 1998, 786 (Goette); Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 35 Rn. 25; Baumbach/HueckZöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 39. van Venrooy, GmbHR 2007, 449, 458. BGH, ZIP 1997, 1419 f = GmbHR 1997, 836 = NJW 1997, 2678; BAG, ZIP 1998, 1693, 1695 f = GmbHR 1998, 931 = DB 1998, 1922, dazu EWiR 1998, 786 (Goette). BGH, ZIP 1997, 1419 f = GmbHR 1997, 836 = NJW 1997, 2678. Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 27; dazu auch BGH, ZIP 1997, 1419, 1420 = GmbHR 1997, 836 = NJW 1997, 2678. BGH, ZIP 2006, 1391 = GmbHR 2006, 876 = DB 2006, 1722; OLG Hamm, NZG 2006, 827, 828; OLG Zweibrücken, NZG 2001, 763; OLG Stuttgart, NZG 1999, 1009, 1010 = GmbHR 1999, 1295; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 35 Rn. 23.

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§ 35

Vertretung der Gesellschaft

entweder positiv bekannt133) oder offensichtlich134) ist.135) Offensichtlich kann das Fehlen der Vertretungsbefugnis insbesondere bei besonders nachteiligen Rechtsgeschäften werden, wobei die Nachteilhaftigkeit keine Voraussetzung für die Annahme eines Missbrauchsfalls ist.136) Anders ist dies bei der Frage der Unwirksamkeit eines Insichgeschäfts gemäß § 181 BGB, dort muss das Insichgeschäft für den Vertretenen nachteilig sein.137) Bloß fahrlässige Unkenntnis des Geschäftspartners schadet mangels einer Pflicht zur Erkundigung über die Befugnisse des Geschäftsführers nicht.138) Handelt es sich bei dem Geschäftspartner um einen Gesellschafter oder ein Organmitglied, entfällt die Vertretungsmacht schon, wenn sich die Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis des Geschäftsführers aus der Satzung ergeben.139) Ein kollusives Zusammenwirken von Geschäftsführer und Dritten steht dem gleich.140) Das Rechtsgeschäft ist in all diesen Fällen schwebend unwirksam und kann nach § 177 Abs. 1 BGB von den vertretungsbefugten Mitgeschäftsführern oder der Gesellschafterversammlung genehmigt werden.141) III. Führungslosigkeit Der Geschäftsführer ist notwendiges Organ der Gesellschaft (§ 6 Abs. 1), denn nur durch ihn ist die GmbH handlungsfähig und die Erfüllung der ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben möglich.142) Hat eine GmbH keinen Geschäftsführer, so steht ihre Existenz freilich nicht in Frage,143) die Gesellschaft ist aber, wie Absatz 1 Satz 2 definiert, führungslos. Dieser Zustand lässt sich durch die Neubestellung eines Geschäftsführers überwinden, wobei auch analog § 29 BGB die Bestellung eines Notgeschäftsführers in Betracht kommt (siehe Rn. 17). Beschränkt auf gerichtliche Verfahren ist die Bestellung eines Prozesspflegers möglich (§ 57 ZPO). _____________ 133) OLG Zweibrücken, NZG 2001, 763; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 47; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 35 Rn. 24. 134) OLG Stuttgart, DB 2009, 445, 446 = ZInsO 2009, 1368 (LS); dafür reicht eine bloße Erkennbarkeit nicht aus, LG Wuppertal, BeckRS 2012, 12827. 135) BGH, ZIP 2004, 111 = DB 2004, 181 = NJW-RR 2004, 484, dazu EWiR 2004, 95 (Koller); BGH, ZIP 1996, 68, 69 = GmbHR 1996, 111 = DB 1996, 266, dazu EWiR 1996, 121 (Crezelius); BGHZ 113, 315, 320 = DB 1991, 1567 = NJW 1991, 1812; BGH, WM 1988, 704, 706 = GmbHR 1988, 260 = DB 1988, 1587; OLG Hamm, NZG 2006, 827, 828; OLG Zweibrücken, NZG 2001, 763. 136) BGH ZIP 2018, 214 Rn. 22 = NZG 2018, 221 = GmbHR 2018, 251; BGH, ZIP 2006, 1391 = GmbHR 2006, 876 = DB 2006, 1722. 137) BGH ZIP 2018, 214 Rn. 25 = GmbHR 2018, 251. 138) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 47; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 35 Rn. 24; zur Funktion des § 37 Abs. 2, den Rechtsverkehr gerade von der Überprüfung des Umfangs der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers zu entlasten BGH, ZIP 1984, 310, 311 = GmbHR 1984, 96 = DB 1984, 661; OLG Stuttgart, NZG 1999, 1009, 1010 = GmbHR 1999, 1295. 139) OLG Zweibrücken, NZG 2001, 763. 140) OLG Hamm, BB 1997, 1062, 1063 = GmbHR 1997, 999 = NJW-RR 1997, 737. 141) OLG Stuttgart, NZG 1999, 1009, 1010 = GmbHR 1999, 1295; Lutter/HommelhoffKleindiek, GmbHG, § 35 Rn. 22. 142) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 35 Rn. 1; Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 3; K. Schmidt, GesR, S. 1070. 143) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbH, § 6 Rn. 6; Marsch-Barner/Diekmann in: Münch-Hdb. GesR, Bd. 3, § 41 Rn. 7 ff.

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Vertretung der Gesellschaft

Nach dem MoMiG knüpfen nun eine Reihe von Rechtsfolgen ausdrücklich an die Führungslosigkeit an. Alle Regelungen haben insbesondere das Ziel gemein, der missbräuchlichen Abberufung von Geschäftsführern entgegenzuwirken:144) Nach Absatz 1 Satz 2 können der Gesellschaft gegenüber auch bei Führungslosigkeit Willenserklärungen abgegeben und Schriftstücke zugestellt werden, weil die Gesellschafter zu Passivvertretern – allerdings nicht zu Ersatzgeschäftsführern – werden. Daher kann der Gesellschaft etwa eine Klageschrift zugestellt werden. Da den Gesellschaftern aber die Befugnis zur Aktivvertretung fehlt, ist die GmbH bei Führungslosigkeit nicht mehr prozessfähig;145) eine gegen die Gesellschaft gerichtete Klage ist folglich mangels gesetzlicher Vertretung unzulässig.146) Der Vorschlag des Regierungsentwurfs,147) stattdessen die Mitglieder eines etwaigen Aufsichtsrats zu Passivvertretern zu bestimmen, wurde verworfen. So ist ein Gleichlauf mit § 15a Abs. 3 InsO erreicht, der die Insolvenzantragspflicht im Falle der Führungslosigkeit ebenfalls den Gesellschaftern auferlegt.148) Neben dieser Bestimmung knüpfen auch die neuen Regelungen in § 10 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 InsO zur Anhörung des Schuldners im Insolvenzverfahren und in § 15 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 InsO zum Insolvenzantragsrecht an die Führungslosigkeit an. 1.

Tatbestand der Führungslosigkeit

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Der Begriff der Führungslosigkeit ist in einem rechtlichen, nicht in einem tatsächlichen Sinne zu verstehen. Führungslos ist die Gesellschaft, wenn sie über keinen wirksam bestellten Geschäftsführer (mehr) verfügt; maßgeblich ist dabei in erster Linie die materielle Rechtslage, nicht die Registerlage.149) Ist allerdings die die Führungslosigkeit beseitigende Bestellung eines Geschäftsführers nicht im Handelsregister eingetragen, muss die Gesellschaft die Passivvertretung eines Gesellschafters unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 HGB gegen sich gelten lassen. Dass ein sog. faktischer Geschäftsführer im Pflichtenkreis der Gesellschaft tätig wird, steht ihrer Führungslosigkeit nicht entgegen.150) Denn diese Rechtsfigur soll in erster Linie zum Nachteil des faktischen Geschäftsführers dessen Haftung begründen. Es liegt aber kein Tatbestand vor, der die wirksame Bestellung eines Geschäftsführers ersetzt. Freilich können Zugang und Zustellung an den faktischen Geschäftsführer nach Rechtsscheinsgrundsätzen der Gesellschaft gegenüber wirksam sein.

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Die bloße Unerreichbarkeit der amtierenden Geschäftsführer genügt dagegen nicht, um die Führungslosigkeit zu begründen. Denn anderenfalls wäre es für die Betroffenen und den Rechtsverkehr kaum erkennbar, in welchem Augenblick die Gesellschafter _____________ 144) BT-Drucks. 16/6140, S. 42; zum Missbrauch durch „Firmenbestattungen“ Goette/HabersackKleindiek, MoMiG, Rn. 8.2. ff; Kleindiek, ZGR 2007, 276. 145) BFH, GmbHR 2013, 167, auch keine analoge Anwendung von § 35 Abs. 1 Satz 2 auf die Aktivvertretung. 146) BGH, ZIP 2010, 2444 = DB 2010, 2719 = WM 2010, 2362, dazu EWiR 2011, 17 (Zarth). 147) BT-Drucks. 16/6140, S. 42. 148) BT-Drucks. 16/9737, S. 56; für den Fall, dass eine ebenfalls führungslose GmbH Gesellschafterin ist vgl. LG München, ZInsO 2014, 1166 = ZIP 2013, 1739 = PStR 2014, 144. 149) Horstkotte, ZInsO 2009, 209, 210 f. 150) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 35 Rn. 44.

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Vertretung der Gesellschaft

zu Passivvertretern und strafbewährt zu Insolvenzantragspflichtigen werden.151) Zudem stellen sich die bisherigen, mit Absatz 1 Satz 2 zu lösenden Zugangs- und Zustellungsprobleme wegen § 185 Nr. 2 ZPO nur bei einer Ämtervakanz im rechtlichen Sinne, denn solange überhaupt ein Geschäftsführer wirksam bestellt ist, bleibt eine öffentliche Zustellung möglich.152) Ebenso wenig kann schon in dem bloßen Untertauchen eines Geschäftsführers eine konkludente Amtsniederlegung gesehen werden,153) denn es fehlt insoweit regelmäßig an einer auf das Amt bezogenen Erklärung des Amtswalters.154) Auf die Kenntnis der Gesellschafter von der Führungslosigkeit kommt es – anders als für die Insolvenzantragspflicht (§ 15a Abs. 3 InsO) – nicht an.155) 2.

Rechtsfolgen der Führungslosigkeit

Auf Rechtsfolgenseite macht die Vorschrift die Gesellschafter zu Passivvertretern, nicht aber etwa zu Ersatzgeschäftsführern. Aktivvertretungsmacht fällt ihnen mit der Führungslosigkeit nicht zu, auch nicht zu dem Zweck, im Namen der GmbH gerichtliche Rechtsbehelfe einzuleiten.156) Wenn auch Absatz 1 Satz 2 „die Gesellschafter“ in ihrer Mehrzahl zu Passivvertretern bestimmt, so genügt nach Absatz 2 Satz 2 doch die Empfangs- bzw. Zustellungsbeteiligung eines einzigen von ihnen. In Insolvenzverfahren auf Eigenantrag kommt den Gesellschaftern einer führungslosen GmbH aus § 15 Abs. 1 Satz 2 InsO die volle Rechtsstellung eines gesetzlichen Vertreters einschließlich der Rechtsbehelfsbefugnis zu; bei Fremdantrag treten sie dagegen lediglich als Passivvertreter (§ 35 Abs. 1 Satz 2) auf, die allerdings anzuhören sind (§ 10 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 InsO).157) Im Übrigen ist die Gesellschaft mangels gesetzlicher Vertretung auch im Passivprozess nicht prozessfähig.158)

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Wer als Gesellschafter bei Führungslosigkeit berufen ist, soll sich nach verbreiteter Auffassung allein aus der Gesellschafterliste (§§ 16 Abs. 1, 40) ergeben, und zwar auch dann, wenn diese seit Einführung des MoMiG mit unrichtigem Inhalt unverändert geblieben ist.159) Dem ist insoweit zuzustimmen, als dass die Rechtsscheinswirkung der Gesellschafterliste jedenfalls auch für die Frage Anwendung finden muss, wem im Falle der Führungslosigkeit als Gesellschafter Erklärungen übermittelt und Schriftstücke zugestellt werden können. Der Erklärende kann sich aber neben der Gesellschafterliste gleichermaßen auf die tatsächliche materielle Rechtslage stützen.

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_____________ 151) AG Hamburg, ZIP 2009, 333 = NZI 2009, 63 = NJW 2009, 304; Römermann, NZI 2008, 641, 645 f; dazu krit. Mock, EWiR 2009, 245. 152) Dazu BT-Drucks. 19/6140, S. 42. 153) So aber wohl Gehrlein, BB 2008, 846, 848. 154) AG Hamburg, ZIP 2009, 333 = NZI 2009, 63 = NJW 2009, 304, dazu EWiR 2009, 245 (Mock); Römermann, NZI 2008, 641, 645 f. 155) BT-Drucks. 16/6140, S. 42. 156) LG Bonn, NJW-RR 2009, 1342 = NZG 2009, 1077. 157) Horstkotte, ZInsO 2009, 209, 212 f. 158) BGH, GmbHR 2011, 83 Rn. 12 = ZIP 2010, 2444; für den Fall, dass die Gesellschafter sich weigern, einen neuen Geschäftsführer zu bestellen AG Oldenburg, ZIP 2016, 1936 = ZInsO 2016, 1712 = NZI 2016, 925; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 35 Rn. 43. 159) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 35 Rn. 43; Goette/Habersack-Kleindiek, MoMiG, Rn. 8.44; Horstkotte, ZInsO 2009, 209, 212 ff.

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Angaben auf Geschäftsbriefen

Denn nach der Regelung in Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 2 taugt jeder Gesellschafter, der eine vollwertige Mitgliedschaft innehat, zum Passivvertreter und Zustellungsempfänger. Von dieser Regelung kann aufgrund des Rechtsscheinstatbestands Gesellschafterliste nicht zum Nachteil des Erklärenden abgewichen werden, weil dieser für den Inhalt der Gesellschafterliste nicht verantwortlich ist. 49

Für den Geschäftspartner, der eine Erklärung gegenüber der Gesellschaft abgeben will, kommt es vielfach ohnehin nicht auf die richtige Bezeichnung des Vertreters an. Das folgt für den Zugang im Geschäftslokal aus Absatz 2 Satz 3 (siehe Rn. 34) und auch für die öffentliche Zustellung (§ 185 Nr. 2 ZPO) ist in Anknüpfung an die herkömmliche Rechtsprechung160) zur Zustellung an juristische Personen die Angabe der Person des Vertreters entbehrlich.161) Zustellungsadressat i. S. v. § 186 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 ZPO ist die Gesellschaft selbst. _____________ 160) Vgl. BGHZ 107, 296, 299 = ZIP 1989, 980 = DB 1989, 1664, dazu EWiR 1989, 843 (Hirte); BGH, NJW 1993, 2811, 2813 = WM 1993, 1818 = BB 1993, 1836; BGHZ 134, 343 = NJW 1997, 1584, 1586 = ZIP 1997, 685; OLG München, GmbHR 2004, 584, 586 = ZIP 2004, 1778 (LS) = NZG 2004, 422. 161) A. A. Häublein in: MünchKomm-ZPO, § 185 Rn. 10; unentschieden Goette/HabersackKleindiek, MoMiG, Rn. 8.50.

§ 35a Angaben auf Geschäftsbriefen Florian Jacoby

(1) 1Auf allen Geschäftsbriefen gleichviel welcher Form, die an einen bestimmten Empfänger gerichtet werden, müssen die Rechtsform und der Sitz der Gesellschaft, das Registergericht des Sitzes der Gesellschaft und die Nummer, unter der die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist, sowie alle Geschäftsführer und, sofern die Gesellschaft einen Aufsichtsrat gebildet und dieser einen Vorsitzenden hat, der Vorsitzende des Aufsichtsrats mit dem Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen angegeben werden. 2Werden Angaben über das Kapital der Gesellschaft gemacht, so müssen in jedem Fall das Stammkapital sowie, wenn nicht alle in Geld zu leistenden Einlagen eingezahlt sind, der Gesamtbetrag der ausstehenden Einlagen angegeben werden. (2) Der Angaben nach Absatz 1 Satz 1 bedarf es nicht bei Mitteilungen oder Berichten, die im Rahmen einer bestehenden Geschäftsverbindung ergehen und für die üblicherweise Vordrucke verwendet werden, in denen lediglich die im Einzelfall erforderlichen besonderen Angaben eingefügt zu werden brauchen. (3) 1Bestellscheine gelten als Geschäftsbriefe im Sinne des Absatzes 1. 2Absatz 2 ist auf sie nicht anzuwenden. (4) 1Auf allen Geschäftsbriefen und Bestellscheinen, die von einer Zweigniederlassung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz im Ausland verwendet werden, müssen das Register, bei dem die Zweigniederlassung geführt wird, und die Nummer des Registereintrags angegeben werden; im übrigen gelten die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 für die Angaben bezüglich der Haupt- und 802

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Angaben auf Geschäftsbriefen

der Zweigniederlassung, soweit nicht das ausländische Recht Abweichungen nötig macht. 2Befindet sich die ausländische Gesellschaft in Liquidation, so sind auch diese Tatsache sowie alle Liquidatoren anzugeben. Literatur: Einmahl, Die erste gesellschaftsrechtliche Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften und ihre Bedeutung für das deutsche Aktienrecht, AG 1969, 131; Leuering/Rubel, Pflichtangaben in E-Mails: Der Link ins Internet als Alternative, NJWSpezial 2008, 47; Maaßen/Orlikowski-Wolf, Stellt das Fehlen von Pflichtangaben in Geschäftskorrespondenz einen Wettbewerbsverstoß dar?, BB 2007, 561. Übersicht I.

Bedeutung und Anwendungsbereich der Vorschrift ......................... 1 II. Tatbestand ............................................. 2 1. Geschäftsbriefe und Bestellscheine ...... 2 2. Pflichtangaben ....................................... 5

I.

3.

Ausnahme bei bestehender Geschäftsverbindung ............................ 7 III. Rechtsfolgen eines Verstoßes ............. 8 IV. Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften ......................... 9

Bedeutung und Anwendungsbereich der Vorschrift

Mit § 35a und seinen Parallelvorschriften in §§ 37a, 125a, 177a HGB, § 80 AktG und § 25a GenG setzt der Gesetzgeber verschiedene Richtlinien1) um. Es soll den Teilnehmern am Rechtsverkehr ermöglicht werden, sich bereits aus der Korrespondenz mit der GmbH über ihre grundlegenden Verhältnisse zu informieren, ohne erst den mühsamen Weg über das Handelsregister zu beschreiten; die Angabe der Registernummer erleichtert die weiterführende Einsichtnahme in das Handelsregister. Daran wird deutlich, dass die Vorschrift nicht auf die innergesellschaftliche oder -betriebliche Korrespondenz anzuwenden ist,2) etwa die Einberufung der Gesellschafterversammlung, die Weisungen an einen Arbeitnehmer,3) wohl aber auf dessen Kündigung.4) Angesichts ihres Zwecks ist die Bestimmung als Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB einzuordnen (siehe Rn. 8).

1

II. Tatbestand 1.

Geschäftsbriefe und Bestellscheine

Als Geschäftsbriefe i. S. d. Vorschrift sind sämtliche nicht-mündlichen Äußerungen anzusehen, die seitens der GmbH im Geschäftsverkehr abgegeben werden. Nicht darunter fallen rein private Mitteilungen wie Glückwünsche, die keinen unmittelbar geschäftlichen Bezug haben.5) Die Äußerungen müssen nicht zwangsläufig in Form eines Briefes übermittelt werden. Dem Zweck der Vorschrift entsprechend müssen auch E-Mails und Faxe die für Geschäftsbriefe vorgesehenen Angaben enthalten (Geschäftsbriefe „gleichviel welcher Form“).6) Das gilt aber mangels der ihnen inne_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)

Art. 4 der 1. Richtlinie v. 9.3.1968, 68/151/EWG; Art. 6 und 10 der 11. Richtlinie v. 21.12.1989, 89/666/EWG; Art. 1 Nr. 5 der Richtlinie v. 15.7.2003, 2003/58/EG. BGH, GmbHR 1997, 547, 548 = NJW-RR 1997, 669 = DStR 97, 459. Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 35a Rn. 2. Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 35a Rn. 2; Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 35a Rn. 4; Baumbach/Hueck-Noack, GmbHG, § 35a Rn. 21. Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 35a Rn. 4; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 35a Rn. 17. Dazu Maaßen/Orlikowski-Wolf, BB 2007, 561, 561 f.

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Angaben auf Geschäftsbriefen

wohnenden Mitteilungsfunktion nicht für Schecks.7) Ausgenommen sind ferner SMSMitteilungen,8) weil die Kapazität der zu übermittelnden Informationen bei ihnen typischerweise so gering ist, dass der Rechtsverkehr Angaben i. S. d. § 35a nicht erwarten kann. Dasselbe dürfte auch für Twitter-Mitteilungen gelten, hingegen wird man zumindest unternehmensseitig betriebene Blogs Geschäftsbriefen gleichzustellen haben.9) Bei einer E-Mail können die Pflichtangaben auch über einen Link zur Verfügung gestellt werden, statt in die E-Mail selbst aufgenommen zu werden.10) 3

Die Geschäftsbriefe müssen an einen bestimmten Empfänger gerichtet sein. Damit will der Gesetzgeber Werbeschriften, Postwurfsendungen und Anzeigen von dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausnehmen. Sobald jedoch ein Adressat individualisiert wird, ist § 35a zu beachten, und zwar selbst dann, wenn das (Werbe-)Schreiben seinem Inhalt nach als Massenschreiben versandt wird.11)

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Nach Absatz 3 Satz 1 sind Bestellscheine den Geschäftsbriefen gleichgestellt. Anders als andere Geschäftsbriefe haben sie die nach Absatz 1 vorgeschriebenen Angaben auch dann wiederzugeben, wenn sie i. R. einer bestehenden Geschäftsverbindung i. S. d. Absatzes 2 (dazu siehe Rn. 7) übermittelt werden (Abs. 3 Satz 2). 2.

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Pflichtangaben

Auf dem Geschäftsbrief oder Bestellscheinen sind notwendigerweise, die in Absatz 1 Satz 1 aufgezählten Angaben zu machen. Dazu gehört die Angabe der Rechtsform der Gesellschaft, sei es in ausgeschriebener Form oder unter Verwendung der allgemein bekannten Abkürzung „GmbH“ (vgl. § 4). Befindet sich die Gesellschaft in Liquidation, bedarf es eines entsprechenden Hinweises („in Liquidation“ oder „i. L.“),12) wie sich aus § 71 Abs. 5 ergibt. Als Sitz ist der satzungsmäßige Sitz i. S. d. § 4a anzugeben, der auch für die Bestimmung des Gerichtsstands nach § 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO maßgeblich ist.13) Das Registergericht des Sitzes der Gesellschaft bestimmt sich nach § 8 Abs. 1 HGB, § 23a Abs. 2 Nr. 3 GVG, §§ 376 Abs. 1, 374 Nr. 1, 377 Abs. 1 FamFG und ist mit der Registernummer der Gesellschaft anzugeben. Überdies sind sämtliche Geschäftsführer mit Nach- und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen zu nennen. Gleiches gilt für den Vorsitzenden eines etwaigen Aufsichtsrats und auch für den Vorsitzenden eines Beirats, wenn diesem, typische Kontrollaufgaben eines Aufsichtsrats zukommen.14) _____________ 7) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 35a Rn. 2 gegen LG Detmold, GmbHR 1991, 23 = NJW-RR 1990, 995 = WM 1990, 1872. 8) Wie hier: Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 35a Rn. 6; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 35a Rn. 5; a. A. Heybrock-Heindl, GmbHG, § 35a Rn. 8. 9) Saenger/Inhester-Lücke/Simon, GmbHG, § 35a Rn. 3. 10) Leuering/Rubel, NJW-Spezial 2008, 47; a. A. Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 35a Rn. 6. 11) Heybrock-Heindl, GmbHG, § 35a Rn. 9; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 35a Rn. 20. 12) Baumbach/Hueck-Noack, GmbHG, § 35a Rn. 5; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 35a Rn. 32. 13) Zöller-Vollkommer, ZPO, § 17 Rn. 9. 14) Baumbach/Hueck-Noack, GmbHG, § 35a Rn. 9; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 35a Rn. 3.

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Angaben auf Geschäftsbriefen

Werden auf dem Geschäftsbrief freiwillig Angaben über das Kapital der GmbH gemacht, so sind das Stammkapital und die noch ausstehenden Geldeinlagen mitzuteilen. Diese Pflicht entsteht aber nicht bereits dann, wenn lediglich der Inhalt der Korrespondenz Bezüge zur Kapitalausstattung der Gesellschaft aufweist, weil die Vorschrift Angaben „auf“ Geschäftsbriefen zum Gegenstand hat, nicht Angaben „in“ Geschäftsbriefen. Der Gesetzeswortlaut bezieht sich nur auf Einlagen, die in Geld bestehen, nicht auf Sacheinlagen, denn letztere müssen nach § 7 Abs. 3 bereits bei der Anmeldung der GmbH zum Handelsregister vollständig erbracht sein. Werden Sacheinlagen dennoch einmal aus irgendeinem Grund ausstehen, so wird dieser Umstand angesichts des klaren Wortlauts der Vorschrift nicht von der Mitteilungspflicht umfasst.15) 3.

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Ausnahme bei bestehender Geschäftsverbindung

Von der Angabepflicht sieht Absatz 2 eine Ausnahme vor, die nach Absatz 3 Satz 2 allerdings nicht für Bestellscheine gilt. Voraussetzung für die Ausnahme ist, dass der Geschäftsbrief i. R. einer bestehenden Geschäftsverbindung verwendet wird. Denn der Geschäftspartner wird dann in der Regel bereits über Angaben i. S. d. Absatzes 1 verfügen.16) Aus diesem Grund kann von einer bestehenden Geschäftsverbindung dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn der letzte geschäftliche Kontakt so lange zurückliegt, dass dem Geschäftspartner der aktuelle Stand der angabepflichtigen Verhältnisse der GmbH nicht mehr bekannt sein wird.17) Zudem müssen in dem Geschäftsbrief Informationen mitgeteilt oder berichtet werden, für die der Geschäftsverkehr üblicherweise Vordrucke verwendet, in denen lediglich die im Einzelfall erforderlichen besonderen Angaben (z. B. Menge, Preis und Lieferzeit) eingefügt zu werden brauchen. So etwa bei Lieferscheinen und Rechnungen.18)

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III. Rechtsfolgen eines Verstoßes Ein Verstoß gegen die Angabenpflicht aus § 35a zieht nicht die Nichtigkeit einer im Geschäftsbrief enthaltenden Erklärung nach § 125 BGB nach sich. Die Geschäftsführer und Liquidatoren, die die Vorschrift nicht beachten, setzen sich jedoch der Gefahr der Festsetzung eines Zwangsgeldes durch das Registergericht aus (§§ 378 ff FamFG, § 79 Abs. 1). Allerdings kann ein solches Zwangsgeld nicht zur Durchsetzung der Vorlage eines Musters des aktuellen Geschäftsbriefbogens festgesetzt werden.19) Zudem ist eine Haftung nach Rechtsscheinsgrundsätzen,20) aus culpa in contrahendo21) _____________ 15) Baumbach/Hueck-Noack, GmbHG, § 35a Rn. 10; a. A. Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 35a Rn. 15. 16) Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 35a Rn. 19; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 35a Rn. 24; Einmahl, AG 1969, 131, 136. 17) Baumbach/Hueck-Noack, GmbHG, § 35a Rn. 24; Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 35a Rn. 19. 18) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 35a Rn. 3; Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 35a Rn. 18. 19) OLG Frankfurt, GmbHR 2016, 366; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 35a Rn. 6. 20) LG Heidelberg, GmbHR 1997, 446, 447 = NJW-RR 1997, 355 – fehlender Hinweis auf die Rechtsform der GmbH. 21) LG Frankfurt/M., NJW-RR 2001, 1423, 1425.

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und – wegen des Schutzgesetzcharakters des § 35a – nach § 823 Abs. 2 BGB22) möglich. Verzögert sich durch falsche oder unvollständige Angaben die Erhebung einer Klage gegen die Gesellschaft, so kann ihr nach Treu und Glauben die Berufung auf eine etwaige Verjährung verwehrt sein.23) Verstöße gegen § 35a sind in der Regel allenfalls Bagatellfälle i. S. v. § 3 UWG,24) es sei denn, der GmbH erwächst aus der Verletzung der Angabenpflicht aufgrund besonderer Umstände ein ungerechtfertigter Wettbewerbsvorteil, so etwa, wenn den Vertragspartnern keinerlei Identifizierung der Gesellschaft zum Zweck der Rechtsverfolgung ermöglicht wird.25) IV. Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften 9

Absatz 4 enthält keine Regelung für die deutsche GmbH, sondern für inländische (deutsche) Zweigniederlassungen von solchen Auslandsgesellschaften, die der deutschen GmbH26) gleichstehen.27) Für diese Zweigniederlassungen gelten die vorstehenden Mitteilungspflichten und Sanktionen entsprechend, soweit nicht das ausländische Recht Abweichungen nötig macht. Infolge der Neufassung durch das MoMiG sind die notwendigen Angaben sowohl zur ausländischen Haupt- als auch zur inländischen Zweigniederlassung zu machen.28) Anzugeben ist zudem das Register, bei dem die Zweigniederlassung nach § 13g HGB geführt wird, samt Registernummer. Nach Absatz 4 Satz 2 ist auf eine etwaige Liquidation hinzuweisen und es sind die Liquidatoren zu nennen. _____________ 22) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 35a Rn. 63; LG Detmold, GmbHR 1991, 23 = NJW-RR 1990, 995 = WM 1990, 1872. 23) LG Frankfurt/M., NJW-RR 2001, 1423, 1425. 24) OLG Hamburg, OLGR 2008, 76; dazu auch KG Berlin, GmbHR 1991, 470 = DB 1991, 1510. 25) LG Berlin, WM 1991, 1615, 1616 = MDR 1991, 857; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2004, 41, 42; weitergehender LG Bonn, Urt. v. 22.6.2006 – 14 O 50/06, juris; Maaßen/OrlikowskiWolf, BB 2007, 561, 563 ff. 26) Eine entsprechende Vorschrift enthält § 80 Abs. 4 AktG. 27) Dazu Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, Anh. I zu § 4a Rn. 9. 28) BT-Drucks. 16/6140, S. 43.

§ 36 Zielgrößen und Fristen zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern Volker Rieble

Die Geschäftsführer einer Gesellschaft, die der Mitbestimmung unterliegt, legen für den Frauenanteil in den beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsführer Zielgrößen fest. Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Gleichzeitig sind Fristen zur Erreichung der Zielgrößen festzulegen. Die Fristen dürfen jeweils nicht länger als fünf Jahre sein. Literatur: Bayer/Hoffmann, Frauenquote: Ja – Mitbestimmung: Nein, GmbHR 2017, 441; Arbeitsrechtsausschuss, Genderausschuss, Handelsrechtsausschuss und Verwaltungsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins (DAV), Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungsposi-

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tionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst, NZG 2014, 1214; Göpfert/ Rottmeier, Frauenquote aus arbeitsrechtlicher Sicht, ZIP 2015, 670; Habersack/Kersten, Chancengleiche Teilhabe an Führungspositionen in der Privatwirtschaft – Gesellschaftsrechtliche Dimensionen und verfassungsrechtliche Anforderungen, BB 2014, 2819; Hohmann-Dennhardt, Berufliche Gleichstellung von Frauen – Notwendigkeit und Formen einer Regulierung, in: Festschrift für Heide Pfarr, 2010, S. 235; Jung, Herausforderung Frauenquote, DStR 2014, 960; Kempter/Koch, Frauenquote im Arbeitsrecht – Verfassungsrechtliche und AGG-rechtliche Aspekte, BB 2012, 3009; Körner, Frauen in die Aufsichtsräte – die skandinavischen Regelungen verbindlicher Teilhabe als Modell für Deutschland, in: Festschrift für Heide Pfarr, 2010, S. 218; Löwisch, Zielgrößen für den Frauenanteil auf Führungsebenen: Beteiligung von Betriebsrat und Sprecherausschuss, BB 2015, 1909; Mense/Klie, Die Quote kommt – aber wie? Konturen der geplanten Neuregelungen zur Frauenquote, GWR 2015, 1; Mense/Klie, Update zur Frauenquote – Wie die Besetzungsziele für Aufsichtsrat, Geschäftsleitung und Führungsebenen in der Praxis umzusetzen sind, GWR 2015, 441, 442; Müller-Bonanni/Forst, Frauenquoten in Führungspositionen der GmbH, GmbHR 2015, 621; Ohmann-Sauer/Langemann, Der Referentenentwurf zur Einführung einer „gesetzlichen Frauenquote“, NZA 2014, 1120; Rieble, Schutz vor paritätischer Unternehmensmitbestimmung, BB 2006, 2018; Röder/Arnold, Zielvorgaben zur Förderung des Frauenanteils in Führungspositionen, NZA 2015, 1281; Stüber, Der Referentenentwurf zum Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst im Überblick, CCZ 2014, 261; Teichmann/Rüb, Der Regierungsentwurf zur Geschlechterquote in Aufsichtsrat und Vorstand, BB 2015, 259; Wasmann/Rothenburg, Praktische Tipps zum Umgang mit der Frauenquote, DB 2015, 291. Übersicht I.

Kontext: Gesetzliche Geschlechterquote und Zielgrößen ..................... 1 II. Anwendungsbereich: Mitbestimmte GmbH .................................... 3 III. Anforderungen an die Zielgrößen ..... 8 1. Zuständigkeit des Geschäftsführers ..... 8 2. Bezugspunkt: Führungsebenen unterhalb der Geschäftsführung ........ 11 3. Keine Mindestzielgröße ...................... 12

I.

4. Betriebliche Mitbestimmung .............. 14 5. Umsetzungsfristen .............................. 19 IV. Berichts- und Veröffentlichungspflichten .............................................. 20 V. Sanktionen .......................................... 23 VI. Frauenquote und AGG ..................... 26 1. Quotenverstoß als Diskriminierung? .................................................... 26 2. Vollzug als AGG-Verstoß? ................ 27

Kontext: Gesetzliche Geschlechterquote und Zielgrößen

Das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (BGBl. I 2015, 642), in Kraft seit dem 1. Mai 2015, hat § 36 in das GmbHG eingefügt. Das Gesetz zielt zuerst auf den Frauenanteil im Aufsichtsrat und betrifft insoweit nur solche GmbHs, die gesetzlich mitbestimmt sind, nicht aber den nur fakultativen Aufsichtsrat. Für sie sind nach § 52 Abs. 2 vom Aufsichtsrat Zielgrößen für den Frauenanteil unter den Geschäftsführern und Aufsichtsräten festzulegen (siehe § 52 Rn. 111 [Rieble]). Die zweite Zielvorgabe betrifft die hier geregelten „Führungskräfte“. Auch insoweit sind nur solche GmbHs betroffen, die gesetzlich mitbestimmt sind, nicht aber solche mit einem fakultativen Aufsichtsrat.

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§ 36 ist Teil eines Maßnahmenpakets zur Förderung der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen, da die freiwilligen Ansätze zur Steigerung des Anteils weiblicher Führungskräfte in Spitzenpositionen (freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen, Empfehlungen im Deutschen Corporate Go-

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vernance Kodex)1) aus Sicht des Gesetzgebers nicht die gewünschte Wirkung erzielt haben.2) Während die fixe Geschlechterquote geschlechtsneutral ist und gleichermaßen für Männer und Frauen gilt, beziehen sich die Zielgrößen nach § 36 nach dem Gesetzeswortlaut und entgegen der täuschenden Überschrift allein auf den Frauenanteil. Das verstößt gegen Art. 3 Abs. 2 GG3) – wird indes vom gendergerechten BVerfG schwerlich beanstandet werden. II. Anwendungsbereich: Mitbestimmte GmbH 3

Satz 1 verpflichtet die Geschäftsführer einer mitbestimmten GmbH, Zielgrößen für den Frauenanteil in den beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsführung festzulegen. Betroffen sind Gesellschaften, die von der gesetzlichen Unternehmensmitbestimmung nach dem MitbestG, dem Montan-MitbestG, dem MitbestErgG oder dem DrittelbG zwingend erfasst werden.4) Nach dem MgVG kraft Mitbestimmungsvereinbarung mitbestimmte Gesellschaften sind dagegen quotenfrei, was aus der Gesetzesbegründung5) und einem Vergleich zu § 52 Abs. 2 und § 96 Abs. 3 AktG folgt.6) Freiwillige Mitbestimmung schadet nicht. Vielmehr ist ungeachtet des unterschiedlichen Wortlauts in § 36 einerseits und § 52 Abs. 2 andererseits dasselbe gemeint: Die verpflichtende Frauenquote knüpft an die verbindliche Mitbestimmung an. Dieses verquaste und wenig sachlogische Junktim von Frauenquote und Unternehmensmitbestimmung bedeutet: Wer aus der Mitbestimmung flieht (siehe § 52 Rn. 86 ff [Rieble]), entledigt sich damit auch der Frauenquote, auf allen Ebenen.

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Die zentrale und von § 36 nicht beantwortete Frage lautet: Was geschieht, wenn eine Gesellschaft aus der Mitbestimmung herauswandert? Verliert dann die autonom festgesetzte Quote ihre Wirkung oder bleibt die einmal festgesetzte Zielquote gültig? Das Problem des nachträglichen „Herauswanderns“ aus der Mitbestimmung ist dem Gesetzgeber bekannt: In der Unternehmensmitbestimmung führt eine Änderung der maßgeblichen Verhältnisse, insbesondere das Absinken der Arbeitnehmerzahl,7) nicht automatisch zu einer anderen Besetzung des Aufsichtsrats; stattdessen ist ein Statusverfahren nach §§ 97 – 99 AktG durchzuführen (§ 27 EGAktG, § 6 Abs. 2 Satz 1 MitbestG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 DrittelbG). Diese Regelungen lassen sich auf die Zielgrößen des § 36 nicht übertragen. Das Kontinuitätsprinzip des § 96 Abs. 4 AktG will die Handlungsfähigkeit des Aufsichtsrats gewährleisten und damit für Rechtssicherheit sorgen,8) es passt indes für Zielgrößen nach § 36 nicht, da die Besetzung von Führungspositionen die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft nicht berührt. Für _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)

7) 8)

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Dazu Körner in: FS Pfarr, S. 218, 225 f. Begr. zum RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 42, 48 zu § 76 Abs. 4 AktG-E. Habersack/Kersten, BB 2014, 2819, 2828. Begr. zum RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 134; Mense/Klie, GWR 2015, 1, 4; Teichmann/Rüb, BB 2015, 259, 262 f; Stüber, CCZ 2014, 261, 265 zum Referentenentwurf. Begr. zum RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 134. Baumbach/Hueck-Noack, GmbHG, § 36 Rn. 3; Müller-Bonanni/Forst, GmbHR 2015, 621, 622; a. A. Henssler/Strohn-Oetker, GesR, § 36 GmbHG Rn. 3; Wasmann/Rothenburg, DB 2015, 291, 294; Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 67; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rn. 45. OLG Frankfurt, NZG 2011, 353; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 97 Rn. 13. Henssler/Strohn-Henssler, GesR, § 96 AktG Rn. 9.

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die mitbestimmte SE sehen die §§ 34 ff SEBG als gesetzliche Auffanglösung zwar die Besitzstandswahrung vor: Eine schrumpfende SE fällt nicht aus der zementierten Mitbestimmung heraus, wenn ihre Arbeitnehmerzahl unter die Schwellenwerte sinkt.9) Eine vergleichbare Anordnung ist in § 36 unterblieben. § 36 Satz 2 regelt seiner systematischen Stellung nach ein Verschlechterungsverbot nur für mitbestimmte Gesellschaften – und auch das ausdrücklich nur zum Zeitpunkt der Festlegung der Zielgrößen. Richtigerweise kann eine einmal festgesetzte Zielquote nach Herauswandern aus der Mitbestimmung keine dauerhafte Bindung beanspruchen. Die in der Regierungsbegründung für die Anknüpfung der fixen Geschlechterquote an die Mitarbeiterzahl bemühte Vorbildfunktion und die gesteigerte Sozialbindung der betroffenen Unternehmen10) entfallen mit dem Absinken der Arbeitnehmerzahl. Die QuotenFestsetzung entfällt aber nicht automatisch, weil sie nicht rechtswidrig wird; der Geschäftsführer kann sie aufheben.

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Ist unklar, ob die Gesellschaft der Unternehmensmitbestimmung unterfällt, kann der Geschäftsführer die Zielgrößen vorsorglich unter der gesetzlichen Bedingung der Mitbestimmung festlegen, bis die Mitbestimmungspflicht/-freiheit im Statusverfahren nach §§ 97 – 99 AktG, § 27 EGAktG, § 6 Abs. 2 Satz 1 MitbestG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 DrittelbG verbindlich geklärt ist. Andernfalls drohen Sanktionen (siehe Rn. 24 ff). Anders die h. L. Sie stellt auf den sog. Ist-Zustand ab und erspart dem Geschäftsführer Zielgrößen festzulegen, bis ein Statusverfahren durchgeführt wurde.11) Grund hierfür soll das Kontinuitätsprinzip des § 96 Abs. 4 AktG sein,12) wogegen aber die o. g. Gründe (siehe Rn. 4) sprechen. Darüber hinaus ging der Gesetzgeber davon aus, dass ca. 3.500 Unternehmen Zielgrößen festlegen müssen.13) Diese Zahl ist realitätsfern, wenn § 36 entsprechend der h. L. ausgelegt würde.14)

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Geschäftsführer, die Zielgrößen nach § 36 bekannt machen, ohne dass die Gesellschaft der Mitbestimmung unterliegt, laden zu einem Statusverfahren nach § 27 EGAktG, §§ 98 f AktG ein.15) Für die Geschäftsführung kann das Statusverfahren Haftung bedeuten, weil sie bei bestehender Mitbestimmungspflicht ein Verfahren nach § 27 EGAktG, § 97 AktG hätte einleiten müssen und dann der Gesellschaft die Prozesskosten des gerichtlichen Statusverfahrens nicht entstanden wären.16) Ihr Verschulden, wenn nicht gar ihren Vorsatz haben die Geschäftsführer in der Erklärung zur Unternehmensführung bzw. zur Frauenquote (siehe Rn. 21 f) dokumentiert. § 36 Satz 1 provoziert solche Selbstbelastung freilich nur, wenn er ohne vorheriges Statusverfahren greift (Soll-Zustand).

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_____________ 9) Rieble, BB 2006, 2018, 2021. 10) Begr. zum RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 120. 11) Baumbach/Hueck-Noack, GmbHG, § 36 Rn. 3; Hüffer/Koch, § 76 Rn. 67; Bayer/Hoffmann, GmbHR 2017, 441, 443 m. w. N. 12) Röder/Arnold, NZA 2015, 1281, 1283. 13) Begr. zum RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 46. 14) Mense/Klie, GWR 2015, 441, 442. 15) Bayer/Hoffmann, GmbHR 2017, 441, 448. 16) Bayer/Hoffmann, GmbHR 2017, 441, 445.

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III. Anforderungen an die Zielgrößen 1.

Zuständigkeit des Geschäftsführers

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Zur Festlegung der Zielgrößen verpflichtet ist der GmbH-Geschäftsführer.17) Wurden mehrere Geschäftsführer bestellt (§ 6 Abs. 1), gilt – vorbehaltlich einer abweichenden Satzungsregelung – das Prinzip der Gesamtgeschäftsführung:18) Der Zielgrößenbeschluss ist einstimmig zu fassen. Die Satzung kann auch Einzelgeschäftsführung vorsehen, mit der Folge, dass den übrigen Geschäftsführern analog § 115 HGB ein Widerspruchsrecht zusteht, oder Mehrheitsbeschlüsse zulassen.19)

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Der Zielgrößenbeschluss lässt sich am ehesten als personalpolitische Geschäftsführungsmaßnahme begreifen, weil er das künftige Einstellungs- und Beförderungsverhalten der GmbH zwar unverbindlich, aber doch „regelt“. Die einseitige zukunftsgerichtete Selbstbindung der GmbH ist gesellschaftsrechtlich systemfremd, aber gleichstellungspolitisch zu begreifen: „Vorwärts immer, rückwärts nimmer!“ Der Regierungsentwurf sieht darin fälschlich ein Comply-or-Explain-Verfahren20), vergleichbar § 161 AktG. Nur: Hier fehlt es an einem fremd gesetzten „softlaw“ wie dem DCGK – zu dem sich die Gesellschaft verhalten müsste.

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Die Gesellschafterversammlung kann den Geschäftsführer nicht gesetzwidrig anweisen, keine Zielgröße festzusetzen, wohl aber eine bestimmte Zielgröße vorgeben. Sie hat zwar ein umfassendes Weisungsrecht (siehe § 37 Rn. 10 [Jacoby]). Das Weisungsrecht findet seine Grenze an zwingenden rechtlichen Hindernissen (entgegenstehende Vorgaben der Satzung, gesellschaftsrechtliche Treuepflichten der Gesellschafter untereinander, Minderheitenschutz, zwingende Normen des Gesellschaftsrechts).21) § 36 ist hinsichtlich des „Ob“ der Zielgrößenfestlegung zwingend ausgestaltet (Satz 1: „legen“, Satz 3: „sind … festzulegen“) und insoweit „weisungsfest“, wenn und soweit die Gesellschaft gesetzlich mitbestimmt ist. Hinsichtlich des „Wie“, d. h. der Höhe der Zielgröße, genießt die Geschäftsführung indes – in den Grenzen des Satzes 2 – einen Gestaltungsspielraum (siehe Rn. 12 f), weswegen innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens Weisungen der Gesellschafterversammlung zulässig sind. Insofern ist es anders als nach § 52 Abs. 2 Satz 2: Dort ist dem Aufsichtsrat die originäre Zuständigkeit für die Frauenquote im Aufsichtsrat und unter den Geschäftsführern zugewiesen – das schließt die Gesellschafterweisung aus.

_____________ 17) Der Arbeitsrechtsausschuss, Genderausschuss, Handelsrechtsausschuss und Verwaltungsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins (DAV), NZG 2014, 1214, 1228 fordert, § 46 GmbHG um eine Verweisung auf § 36 GmbHG zu ergänzen. Angesichts der Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung für wesentliche Geschäftsführungsmaßnahmen, zu denen gemäß § 46 Nr. 7 GmbHG selbst die Bestellung von Prokuristen und Generalhandlungsbevollmächtigten zählt, solle auch die Zielgrößenfestlegungen nach § 36 GmbHG nicht ohne Zustimmung der Gesellschafterversammlung erfolgen. 18) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 29. 19) Oppenländer/Trölitzsch, GmbH-Geschäftsführung, § 16 Rn. 9 ff. 20) Begr. zum RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 119 f. 21) OLG Frankfurt, NJW-RR 1997, 736.

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2.

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Bezugspunkt: Führungsebenen unterhalb der Geschäftsführung

§ 36 regelt die Festlegung von Zielgrößen für den Frauenanteil in den beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsführung. Gemeint sind nicht die Führungsebenen nach betriebswirtschaftlichen Lehren, sondern die tatsächlich im konkreten Unternehmen eingerichteten Hierarchieebenen unterhalb des Geschäftsführers.22) Bezugspunkt ist allein die GmbH. Führungsebenen im Konzern oder in der GmbH & Co. KG werden der GmbH-Mutter oder -Komplementärin nicht zugerechnet (h. M.),23) weil sonst die Führungsebenen zu intransparent und vage würden.24) Zwar zielt das Gesetz auf Positionen mit Einfluss und Verantwortung,25) doch ist der Wortlaut eindeutig. Zudem sind nur inländische Führungsebenen relevant, weil die Gleichberechtigung in Deutschland gestärkt werden soll.26) Eine Hierarchieebene erfasst alle organisatorischen Einheiten, welche zueinander gleichberechtigt, aber einer gemeinsamen Führung untergeordnet sind.27) Indizien für eine gemeinsame Führung sind Weisungsverhältnisse und Handlungsvollmachten.28) Besteht in dem Unternehmen eine ausgeprägte Hierarchie, bezieht sich die Pflicht zur Festlegung von Zielgrößen nur auf die beiden Ebenen, die der Geschäftsführung unmittelbar nachfolgen. Für den umgekehrten Fall einer flachen Hierarchie, bei der unterhalb der Geschäftsführung nur eine weitere Führungsebene besteht, sind Zielgrößen auch nur für diese festzulegen.29) Allerdings wird es schwierig, Führungsebenen von jenen des untergeordneten operativen Managements abzugrenzen. Die Verwendung der Pluralform („Zielgrößen“) und das „jeweils“ in Satz 2 sprechen dafür, dass die Zielgrößen einschließlich der Umsetzungsfristen nicht einheitlich, sondern für beide Führungsebenen gesondert festzulegen sind.30) 3.

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Keine Mindestzielgröße

§ 36 schreibt keine Mindestzielgröße vor. Die Geschäftsführung ist befugt, die Zielgröße nach eigenem Ermessen festzusetzen und an der konkreten Unternehmensstruktur auszurichten. Nach dem Willen des Gesetzgebers besteht die Zielgröße üblicherweise in einem Prozentsatz.31) Liegt der tatsächliche Frauenanteil in einer Führungsebene im Moment der Festlegung der Zielgröße unter 30 Prozent, darf die Zielgröße den vorhandenen Anteil nicht unterschreiten, § 36 Satz 2; der status quo bildet die Untergrenze. Hingegen kann die festzulegende Zielgröße hinter dem tatsächlichen Frauenanteil zurückbleiben, wenn dieser zur Zeit der Festlegung 30 Pro_____________ 22) Begr. zum RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 134 i. V. m. S. 119. 23) Baumbach/Hueck-Noack, GmbHG, § 36 Rn. 7 m. w. N. 24) Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BTDrucks. 18/4227, S. 21 f. 25) Begr. zum RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 1 f. 26) Begr. zum RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 134 i. V. m. S. 119. 27) Teichmann/Rüb, BB 2015, 259, 263. 28) Müller-Bonanni/Forst, GmbHR 2015, 621, 623. 29) Mense/Klie, GWR 2015, 1, 4; Göpfert/Rottmeier, ZIP 2015, 670, 671. 30) Arbeitsrechtsausschuss, Genderausschuss, Handelsrechtsausschuss und Verwaltungsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins (DAV), NZG 2014, 1214, 1223. 31) Begr. zum RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 134 i. V. m. S. 119.

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zent oder mehr beträgt;32) das folgt im Umkehrschluss aus Satz 2 und dem Wortlaut des Satzes 1, der Zielgrößen „für den Frauenanteil“ und nicht „für die Erhöhung des Frauenanteils“ fordert.33) Eine Sperre bildet stets das Verschlechterungsverbot in Satz 2: Sinkt der Frauenanteil später auf unter 30 Prozent, darf die nächste Zielgröße diesen Prozentsatz nicht mehr unterschreiten. Damit kann der Frauenanteil von über 30 auf null Prozent gesenkt und dort gehalten werden. In allen Fällen muss der Geschäftsführer den Frauenanteil auf der jeweiligen Führungsebene zunächst präzise ermitteln, bevor eine Zielgröße festgelegt werden kann.34) § 36 schweigt zu der Frage, auf welche Mitarbeiterzahl für die Ermittlung des vorhandenen Frauenanteils innerhalb der Führungsebene abzustellen ist. In Anlehnung an § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG ist die „in der Regel“ vorhandene Mitarbeiterzahl maßgeblich. Damit bleiben zufällige und vorübergehende Fluktuationen im Mitarbeiterstand außer Betracht.35) Stichtag für die Berechnung des vorhandenen Frauenanteils ist der Tag der erstmaligen oder erneuten Festlegung der Zielgröße.36) Nach dem Gesetzeswortlaut „bei der Festlegung“ (§ 36 Satz 2) ist eine zwischenzeitlich erreichte, aber zum Stichtag der Festlegung nicht mehr vorhandene Quote von 30 Prozent unbeachtlich. 13

Die Geschäftsführung genießt – in Ermangelung gesetzlicher Vorgaben – bei der Ausgestaltung der Zielgrößen großen Gestaltungsspielraum: Sie kann eine Endzielgröße festlegen, die stufenweise zu erfüllen ist, oder die Erhöhung des Frauenanteils Stufe um Stufe neu planen. Sind Frauen in den beiden oberen Führungsebenen ausreichend vertreten, kann die Geschäftsführung von einer weiteren Erhöhung absehen. 4.

14

Betriebliche Mitbestimmung

Eine Frauenquote wird von der personellen Zuständigkeit des Betriebsrats für „Arbeitnehmer“ erfasst, sobald sie über Organmitglieder und leitende Angestellte hinausreicht, § 5 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Die Begriffe Führungsebene und leitender Angestellter divergieren, weil § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG spezifisch auf die Arbeitsaufgabe abstellt.37) Jedenfalls die zweite Ebene unterhalb der Geschäftsführung, vielfach auch die erste Ebene (ohne Prokuristen) wird unter diesen betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff fallen. Für leitende Angestellt greift das SprAuG. Da Quoten unternehmensweit gelten, ist ein etwaig gebildeter Gesamtbetriebsrat oder Gesamtsprecherausschuss zuständig, § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bzw. § 18 Abs. 1 Satz 1 SprAuG. Im Sinne loyaler Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG, _____________ 32) Begr. zum RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 134 i. V. m. S. 119. 33) Baumbach/Hueck-Noack, GmbHG, § 36 Rn. 11. 34) Teichmann/Rüb, Der Regierungsentwurf zur Geschlechterquote in Aufsichtsrat und Vorstand, BB 2015, 259, 263. 35) Arbeitsrechtsausschuss, Genderausschuss, Handelsrechtsausschuss und Verwaltungsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins (DAV), NZG 2014, 1214, 1223. 36) Arbeitsrechtsausschuss, Genderausschuss, Handelsrechtsausschuss und Verwaltungsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins (DAV), NZG 2014, 1214, 1223; a. A. Müller-Bonanni/Forst, GmbHR 2015, 621, 623, die auf den Durchschnitt im bilanzrechtlichen Berichtszeitraum abstellen. 37) Löwisch, BB 2015, 1909, 1909.

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§ 2 Abs. 1 Satz 1 SprAuG) muss die Geschäftsführung beide Organe koordiniert, soweit möglich, zusammen beteiligen.38) Betriebsrat und Sprecherausschuss haben darüber zu wachen, dass § 36 eingehalten wird, § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, § 25 Abs. 1 Satz 1 SprAuG. Allerdings fehlt ihnen die Macht zur Rechtsdurchsetzung. Sie können nur verlangen, über die Anwendung von § 36 informiert zu werden, § 80 Abs. 2 BetrVG, § 25 Abs. 2 Satz 1 SprAuG.

15

Frauenquoten sind – gerade wenn sie unverbindlich gemeint sind – personelle Auswahlrichtlinien für Einstellung und Beförderung i. S. v. § 95 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, weil sie darauf zielen, dass das Geschlecht bei individuellen Personalentscheidungen berücksichtigt werden kann oder soll. Die Gegenmeinung stützt sich darauf, dass die abstrakte Quote keine Wirkung auf konkrete Einstellungs- und Beförderungsentscheidungen habe39) – das ist Wunschdenken. Daneben ist die Quotenfestlegung ein mitbestimmungspflichtiger Akt der Personalplanung, § 92 Abs. 3 BetrVG.40) Die Verletzung des Informationsrechts aus dieser Vorschrift verwirklicht den Bußgeldtatbestand des § 121 Abs. 1 BetrVG. Verändert die Geschäftsführung die Führungsebenen im Zuschnitt, kann das als Änderung der Betriebsorganisation nach § 106 Abs. 3 Nr. 9 BetrVG ein Beratungsrecht des Wirtschaftsausschusses auslösen.

16

Damit aber darf die Geschäftsführung für diesen Mitarbeiterkreis die gesetzlich geforderte weiche Quote nicht einseitig einführen, wenn in auch nur einem betroffenen Betrieb ein Betriebsrat gewählt ist. Vielmehr darf die Geschäftsführung eine solche Quote erst nach einer Einigung mit dem Betriebsrat „erlassen“. Da die Quote unternehmensweit gilt, ist ein etwa bestehender Gesamtbetriebsrat zuständig, § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Diese Einigung kann vor der betriebsverfassungsrechtlichen Einigungsstelle erzwungen werden. Da Betriebsräte bislang nicht als sonderlich quoteneuphorisch bekannt sind (auch wenn in ihnen das Minderheitengeschlecht quotal repräsentiert sein muss), konnte sich ein solcher Einigungsprozess auch über die Einführungsfrist des § 5 Satz 1 EGGmbHG hinziehen. Der Geschäftsführer verhält sich nicht pflichtwidrig, wenn er die Mitbestimmung achtet; die weiche Frauenquote setzt Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht außer Kraft.

17

Bislang wurden betriebliche Frauenquoten arbeitsrechtlich als unzulässig angesehen, weil § 95 BetrVG auf fachliche und persönliche Voraussetzungen und hiernach auf soziale Gesichtspunkte abstellt – und weil das AGG nebst den zugrundliegenden EU-Richtlinien eine pauschale Bevorzugung von Frauen verbietet (siehe Rn. 28). Über den Betriebsverfassungsstreit lässt sich insoweit Rechtssicherheit erzielen – wenn zuguterletzt ein Arbeitsgericht über die Wirksamkeit der Quoten-Auswahlrichtlinie entscheidet.

18

Der Sprecherausschuss hat in Ansehung der Leitenden nur ein Beratungs- und Informationsrecht. Obwohl Letzteres in § 25 Abs. 2 Satz 1 SprAuG nicht ausdrücklich

19

_____________ 38) Löwisch, BB 2015, 1909, 1911. 39) Löwisch, BB 2015, 1909, 1910; Röder/Arnold, NZA 2015, 1281, 1288; GK-BetrVG-Raab, § 95 Rn. 41; Ohmann-Sauer/Langemann, NZA 2014, 1120, 1125. 40) Löwisch, BB 2015, 1909, 1910; a. A. Röder/Arnold, NZA 2015, 1281, 1288.

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genannt wird, folgt es doch daraus, weil dem Sprecherausschuss die Information wenig nützte, wenn er zu ihr nichts vortragen könnte.41) 5. 20

Umsetzungsfristen

Die Zielgrößen waren gemäß § 5 Satz 1 EGGmbHG erstmals bis 30. September 2015 festzulegen. Mit den Zielgrößen sind Fristen zu deren Erreichung festzusetzen, § 36 Satz 3. Die Geschäftsführung bestimmt die Umsetzungsfristen – wie die Zielgrößen insgesamt – grundsätzlich frei. Sie entscheidet anhand der Umstände im Einzelfall, in welchen Schritten und über welchen Zeitraum der Frauenanteil auf den oberen Führungsebenen erhöht werden soll. Das Gesetz verlangt nicht, dass die Zielgröße zum Abschluss eines jeden Geschäftsjahres neu festzulegen ist, sodass auch langfristige Planungen über einen Zeitraum von mehreren Jahren zulässig sind. Der zeitliche Gestaltungsspielraum ist allerdings in zweierlei Hinsicht eingeschränkt: Nach § 5 Satz 2 EGGmbHG darf die erstmals festzulegende Frist „nicht länger als bis zum 30. Juni 2017 dauern“. § 36 Satz 4 schreibt vor, dass weitere Umsetzungsfristen jeweils nicht mehr als fünf Jahre betragen dürfen. Das sind nur Höchstfristen; die Geschäftsführung darf auch während laufender Umsetzungsfrist veränderte Quoten festsetzen.42) IV. Berichts- und Veröffentlichungspflichten

21

22

Gesellschaften, die nach § 36 (und parallel nach § 52 Abs. 2 hinsichtlich der Quote für Aufsichtsrat und Geschäftsführung) verpflichtet sind, Zielgrößen für den Frauenanteil und Fristen für deren Erreichung festzulegen, haben in ihrem Lagebericht als gesonderten Abschnitt eine Erklärung zur Unternehmensführung mit den Festlegungen und Angaben nach § 289f Abs. 2 Nr. 4 HGB aufzunehmen, § 289f Abs. 4 Satz 1 HGB. Aufzuführen sind gemäß § 289f Abs. 2 Nr. 4 HGB i. V. m. §§ 76 Abs. 4, 111 Abs. 5 AktG im Einzelnen: –

die festgelegten Zielgrößen für den Frauenanteil in den beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsführung,



die zum Erreichen der Zielgrößen festgelegten Fristen,



die Angabe, ob die festgelegten Zielgrößen während des Bezugszeitraums erreicht worden sind,



wenn die Zielgrößen nicht innerhalb des Bezugszeitraums erreicht worden sind, Angaben zu den Gründen.

Der Lagebericht ist einschließlich der Erklärung nach § 289f Abs. 4 Satz 1 HGB im elektronischen Bundesanzeiger bekannt zu machen, § 325 Abs. 1 Satz 1, 2 HGB. Die Erklärung zur Unternehmensführung kann gemäß § 289f Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 HGB i. V. m. § 289f Abs. 1 Satz 2 und 3 HGB auch auf der Internetseite der Gesellschaft öffentlich zugänglich gemacht werden, wenn im Lagebericht eine Bezugnahme auf die auf der Internetseite zugänglichen Angaben enthalten ist. _____________ 41) Löwisch, BB 2015, 1909, 1911; Henssler/Willemsen/Kalb-Annuß/Girlich, § 25 SprAuG Rn. 1 m. w. N. 42) Arbeitsrechtsausschuss, Genderausschuss, Handelsrechtsausschuss und Verwaltungsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins (DAV), NZG 2014, 1214, 1223.

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Gesellschaften, die nicht gemäß § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB zur Erstellung eines Lageberichts i. S. v. § 289 HGB verpflichtet sind, können entweder eine eigenständige Erklärung mit den Festlegungen und Angaben nach § 289f Abs. 2 Nr. 4 HGB erstellen, die auf der Internetseite der Gesellschaft zu veröffentlichen ist, oder freiwillig einen Lagebericht nach Maßgabe des § 289a Abs. 4 Satz 1 HGB offenlegen, § 289 Abs. 4 Satz 2, 3 HGB. Damit werden kleine Kapitalgesellschaften i. S. v. § 267 Abs. 1 HGB von den Berichts- und Veröffentlichungspflichten erfasst.43)

23

V. Sanktionen § 36 regelt keine speziellen Sanktionen für den Fall, dass der Geschäftsführer seiner Pflicht zur Festsetzung von Zielgrößen und deren Umsetzungsfristen nicht nachkommt. Daneben gelten allgemeine Haftungstatbestände, insbesondere die Binnenhaftung des Geschäftsführers für sorgfaltswidriges Verhalten nach § 43,44) wobei der Nachweis eines kausalen Schadens problematisch sein dürfte.

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Das Nichterreichen der selbst gesteckten Zielgröße innerhalb des Bezugszeitraums ist gesetzlich (bewusst) nicht sanktioniert.45) Das Absehen von Sanktionen ist getragen von der Befürchtung, scharfe gesetzliche Sanktionen könnten Fehlanreize geben, sich vorsichtige und wenig ehrgeizige Ziele zu stecken – und damit kontraproduktiv wirken.46) Der Gesetzgeber ging bei der Schaffung des § 36 davon aus, dass die Berichts- und Veröffentlichungspflichten nach § 289f Abs. 4 HGB hinreichend Druck auf die Unternehmen ausüben, ambitionierte Zielgrößen und kurze Umsetzungsfristen festzulegen. Das lehnt sich an das „Comply or Explain“-Prinzip des § 161 AktG an.47)

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Verstößt der Geschäftsführer als vertretungsberechtigtes Organ gegen die Berichtsund Veröffentlichungspflichten nach § 289f Abs. 4 HGB (siehe Rn. 21 f), begeht er eine Ordnungswidrigkeit nach § 334 Abs. 1 Nr. 3 HGB, die mit einer Geldbuße bis zu 50.000 € (§ 334 Abs. 3 HGB) geahndet werden kann. Ist die Erklärung zur Unternehmensführung mit den Festlegungen und Angaben nach § 289f Abs. 2 Nr. 4 HGB Teil des Lageberichts (siehe Rn. 21), ist dem Geschäftsführer außerdem ein Ordnungsgeld zwischen 2.500 und 25.000 € anzudrohen und – für den Fall, dass er seinen gesetzlichen Berichts- und Veröffentlichungspflichten innerhalb von sechs Wochen nach dem Zugang der Androhung nicht nachkommt und die Unterlassung nicht mittels Einspruch gerechtfertigt hat – festzusetzen, § 335 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 4, Abs. 4 Satz 1 i. V. m. § 325 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 HGB.

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_____________ 43) Begr. zum RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 133. 44) Habersack/Kersten, BB 2014, 2819, 2820; in der Begr. zum RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 123 wird auf die Haftung des Aufsichtsrats nach §§ 93 Abs. 2 Satz 1, 116 AktG verwiesen, falls dieser seine Pflicht zur Festlegung von Zielgrößen und Fristen zur Erhöhung des Frauenanteils im Aufsichtsrat verletzt. 45) Hohmann-Dennhardt in: FS Pfarr, S. 235, 247 schlägt ein Bußgeld vor, dessen Höhe z. B. proportional am Ausmaß der Unterschreitung eines bestimmten Frauenanteils in den jeweiligen Unternehmensetagen bemessen werden könnte. 46) Begr. zum RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 134 i. V. m. S. 119 f. 47) Ohmann-Sauer/Langemann, NZA 2014, 1120, 1125 zu den Festlegungspflichten nach dem Referentenentwurf in der Fassung v. 9.9.2014; Jung, DStR 2014, 960, 964.

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VI. Frauenquote und AGG 1. 27

2. 28

Quotenverstoß als Diskriminierung?

Göpfert und Rottmeier befürchten, dass der Verstoß gegen die selbst gewählte Quote von Arbeitsgerichten als Diskriminierungsindiz gemäß § 22 AGG gewertet werden kann, mit der Folge einer Beweislastumkehr, die denjenigen Frauen, die sich zur Einstellung oder Beförderung auf eine solche Führungsposition bewerben, einen Entschädigungsanspruch nach § 15 AGG verschaffen kann – wenn nicht der Arbeitgeber beweisen kann, dass die Entscheidung gegen die Bewerberin und für einen Bewerber von Sachgründen getragen ist.48) Rechtlich spricht alles dagegen: Eine starre Frauenquote ist diskriminierungsrechtlich als „positive Maßnahme“ i. S. v. § 5 AGG zu sehen. Sie will Männer diskriminieren, um die bisherigen Nachteile für Frauen auszugleichen. Das kann auch eine anteilswahrende Zielgröße, weil sie einen diskriminierenden Trend aufhält. Die Nichtgewährung einer positiven Maßnahme, zu der sich der Arbeitgeber selbst verpflichtet hat, ist ihrerseits keine Diskriminierung der begünstigten Personengruppe (hier der Frauen): Die konkret von einer Auswahlentscheidung betroffene Frau wird beim Quotenverstoß nicht wegen ihres Geschlechtes diskriminiert, also benachteiligt, ihr wird vielmehr eine formale Bevorzugung nicht gewährt. Die Vorenthaltung eines solchen Vorzugsrechts ist keine Diskriminierung. Allerdings können Arbeitsgerichte das aus sozialpolitischen Gründen anders sehen. Argumentativ ist dem dadurch zu begegnen, dass der Gesetzgeber die Frauenquote bewusst sanktionslos gestellt hat und eine solche Indizwirkung ihrerseits diskriminierend wirkte. Vollzug als AGG-Verstoß?

Die Erfüllung der selbst gesteckten Zielgrößen kann für die betroffenen Unternehmen infolge der Berichts- und Informationspflichten zum Bumerang werden: § 7 Abs. 1 i. V. m. § 1 AGG verbietet Benachteiligungen wegen des Geschlechts, auch bei Beförderungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG). Verstöße gegen das Benachteiligungsverbot können Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche nach § 15 AGG auslösen. Nach der Rechtsprechung des EuGH49) sind Frauen begünstigende Ungleichbehandlungen als positive Maßnahmen nur zulässig, wenn sie der Beseitigung tatsächlich bestehender Defizite dienen und dem Geschlecht bei gleicher Qualifikation kein automatischer und unbedingter Vorrang eingeräumt wird, d. h. im Rahmen einer objektiven Beurteilung die besondere persönliche Lage aller Bewerber berücksichtigt wird (sog. „weiche Quoten“). Diese Rechtsprechung hat der EuGH in der Rechtssache „Abrahamsson“50) dahingehend präzisiert, dass eine Bevorzugung des unterrepräsentierten Geschlechtes nach o. g. Kriterien zulässig sei, wenn die Ver-

_____________ 48) Göpfert/Rottmeier, ZIP 2015, 670. 49) EuGH, NZA 1995, 1095 „Kalanke“; EuGH, NZA 1997, 1337 „Marschall“; EuGH, NZA 2000, 473 „Badeck“; dem folgend BAG, NZA 2003, 1036; ArbG Düsseldorf, NZA-RR 2008, 511, 513; AG Frankfurt/Oder, NJW-RR 2014, 164, 165 im Hinblick auf „weiche“ Frauenquote für die verantwortliche Leitung von Insolvenzverfahren. 50) EuGH, NZA 2000, 935.

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Beschränkungen der Vertretungsbefugnis

dienste der Bewerber als gleichwertig oder fast gleichwertig anzusehen sind.51) Wird eine Führungsposition mit einer Frau besetzt und dadurch der Frauenanteil der Zielgröße angenähert, kann dies ein Indiz i. S. d. § 22 AGG sein, dass der männliche Bewerber wegen des Geschlechts diskriminiert worden ist.52) Unternehmen sollten strikt darauf achten, bei der Beförderung oder Einstellung von Frauen in Führungspositionen trotz vergleichbarer Qualifikation mit ihren männlichen Konkurrenten nicht allein das Geschlecht zu berücksichtigen – und dies vor Gericht notfalls beweisen zu können. Die Quotenzielgröße allein darf keine Einstellungsautomatik bewirken. _____________ 51) Der Arbeitsrechtsausschuss, Genderausschuss, Handelsrechtsausschuss und Verwaltungsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins (DAV), NZA 2014, 1214, 1217 fordert daher, der Gesetzgeber müsse das Vorliegen einer vergleichbaren Qualifikation als Voraussetzung für eine Anwendbarkeit der Frauenquote in das Gesetz aufnehmen. 52) So Ohmann-Sauer/Langemann, NZA 2014, 1120, 1125, die eine gesetzliche Klarstellung, dass die Erfüllung der Zielgrößen keine Benachteiligung wegen des Geschlechts indiziere, fordern; Kempter/Koch, BB 2012, 3009, 3014.

§ 37 Beschränkungen der Vertretungsbefugnis Florian Jacoby

(1) Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche für den Umfang ihrer Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, durch den Gesellschaftsvertrag oder, soweit dieser nicht ein anderes bestimmt, durch die Beschlüsse der Gesellschafter festgesetzt sind. (2) 1Gegen dritte Personen hat eine Beschränkung der Befugnis der Geschäftsführer, die Gesellschaft zu vertreten, keine rechtliche Wirkung. 2Dies gilt insbesondere für den Fall, dass die Vertretung sich nur auf gewisse Geschäfte oder Arten von Geschäften erstrecken oder nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten stattfinden soll, oder dass die Zustimmung der Gesellschafter oder eines Organs der Gesellschaft für einzelne Geschäfte erfordert ist. Literatur: Deilmann, Abgrenzung der Überwachungsbefugnis von Gesellschafterversammlung und Aufsichtsrat einer GmbH unter besonderer Berücksichtigung des mitbestimmten Aufsichtsrats, BB 2004, 2253; Ebert, Folgepflicht und Haftung des GmbHGeschäftsführers beim Erhalt und bei der Ausführung von Weisungen, GmbHR 2003, 444; Fleischer, Kompetenzüberschreitungen von Geschäftsführern im Personen- und Kapitalgesellschaftsrecht, DStR 2009, 1204; Henssler, Die Ernennung des Vorsitzenden der Geschäftsführung in der mitbestimmten GmbH, GmbHR 2004, 312; Leuering/Dornhegge, Geschäftsverteilung zwischen GmbH-Geschäftsführern, NZG 2010, 13; Leuering/Rubner, Geschäftsverteilung zwischen GmbH-Geschäftsführern, NJW-Spezial 2009, 239; Peters, Ressortverteilung zwischen GmbH-Geschäftsführern und ihre Folgen, GmbHR 2008, 682; Mennicke, Zum Weisungsrecht der Gesellschafter und der Folgepflicht des GF in der mitbestimmungsfreien GmbH, NZG 2000, 622; Sitzenfrei/Tischer, Gesellschafterbeschluss als Voraussetzung für die Wirksamkeit der Kündigung von Arbeitsverhältnissen?, DB 2008, 1307; van Venrooy, Zwingende Zustimmungsvorbehalte der Gesellschafterversammlung gegenüber der Geschäftsführung, GmbHR 2005, 1243; van Venrooy, Einstimmigkeitsprinzip oder Mehrheitsprinzip in der Geschäftsführung?, GmbHR 1999, 685; Wicke, Aktuelle Fragen der GmbH-Praxis, MittBayNot 2014, 13.

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§ 37

Beschränkungen der Vertretungsbefugnis Übersicht

I. Allgemeines .......................................... II. Verteilung der Geschäftsführungsbefugnis ................................................. 1. Gesetzliche Verteilung .......................... 2. Mehrere Geschäftsführer ...................... 3. Abweichende Satzungsregelungen ....... a) Schwächung der Geschäftsführer .............................................. b) Stärkung der Geschäftsführer .......

I.

1 3 3 4 7 7 9

III. 1. 2. 3. 4. 5. IV.

Weisungsgebundenheit ..................... 10 Weisungsbefugnis ................................ 10 Inhalt des Weisungsrechts .................. 12 Umfang des Weisungsrechts .............. 15 Rechtsfolgen einer Weisung ............... 17 Sanktionen ........................................... 19 Beschränkungen der Vertretungsmacht ................................................... 20

Allgemeines

1

§ 37 regelt die Beschränkbarkeit der Geschäftsführungsbefugnis und die Unbeschränkbarkeit der Vertretungsmacht: Absatz 1 stellt die Weisungsgebundenheit der Geschäftsführer gegenüber den Gesellschaftern heraus (Innenverhältnis) und Absatz 2, dass diese Weisungen Dritten gegenüber (im Außenverhältnis) keinerlei Wirkung entfalten, insbesondere also nicht die Vertretungsmacht der Geschäftsführer berühren. Anders gewendet: Was die Geschäftsführer Dritten gegenüber bewirken können (ihre Vertretungsmacht), steht nicht zur Disposition der Gesellschafter (Abs. 2), wohl aber, welche Handlungen die Geschäftsführer nach innen und nach außen vornehmen dürfen und insbesondere wie sie mit ihrer unbeschränkbaren Vertretungsmacht umzugehen haben (Abs. 1).

2

Die Geschäftsführung umfasst alle Handlungen der Geschäftsführer in Angelegenheiten der Gesellschaft. Deshalb ist auch die Vornahme von Vertretungshandlungen Teil der Geschäftsführung, nämlich diejenige Geschäftsführung, die im Außenverhältnis stattfindet.1) Auch wenn Absatz 1 seinem Wortlaut nach die Weisungsmacht der Gesellschafter über die Geschäftsführer nur auf Vertretungshandlungen bezieht, gilt die Bestimmung doch für sämtliche Geschäftsführungshandlungen (dazu siehe Rn. 12).2) II. Verteilung der Geschäftsführungsbefugnis 1.

3

Gesetzliche Verteilung

Die Geschäftsführung obliegt den Geschäftsführern. Bestimmte Geschäftsführungsaufgaben weist das Gesetz allerdings der Gesellschafterversammlung zu. Dazu zählen die Feststellung des Jahresabschlusses, die Verwendung des Ergebnisses, die Einforderung von Einlagen, die Bestellung, Anstellung, Überwachung und Abberufung von Geschäftsführern, die Entscheidung über die Bestellung von Prokuristen sowie über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Geschäftsführer und Gesellschafter (§ 46). Die Gesellschafter und nicht die Geschäftsführer sind auch für die Festlegung der Grundzüge der Unternehmenspolitik der GmbH3) und ihrer

_____________ 1) 2) 3)

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BGHZ 119, 379, 381 = ZIP 1993, 35 = DB 1993, 219, dazu EWiR 1993, 337 (Grunewald). Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 1. BGH, ZIP 1991, 509, 510 m. Anm. Kort, S. 1274 = GmbHR 1991, 197 = DB 1991, 904, dazu EWiR 1991, 469 (Meyer-Landrut); Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 8; Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 10; a. A. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 13; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Baukelmann, GmbHG, § 37 Rn. 8.

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Beschränkungen der Vertretungsbefugnis

§ 37

Tochterunternehmen4) sowie für die Entscheidung über ungewöhnliche Maßnahmen,5) wie den Verkauf des Unternehmens der Gesellschaft6) oder die Kündigung eines im Innenverhältnis mit umfassenden Kompetenzen ausgestatteten Prokuristen,7) zuständig; allerdings sind diese Entscheidungen von den Geschäftsführern als Vertretungsorgan auszuführen. 2.

Mehrere Geschäftsführer

Ist durch den Gesellschaftsvertrag nichts bestimmt und liegt auch kein Weisungsbeschluss der Gesellschafterversammlung über die Verteilung und Durchführung von Geschäftsführungsaufgaben vor, sind sämtliche Geschäftsführer nur zur gemeinsamen Geschäftsführung berufen. Geschäftsführungsmaßnahmen bedürfen dann einstimmiger Entscheidungen.8) § 35 Abs. 2 Satz 1 gilt für die Geschäftsführungsbefugnis entsprechend, ebenso wie das zur Einzel- und Gesamtvertretungsmacht Ausgeführte (dazu siehe § 35 Rn. 23 f [Jacoby]). Ist in der Satzung die Einzelvertretungsmacht eines Geschäftsführers vorgesehen, so ist im Zweifel auch anzunehmen, dass ihm Einzelgeschäftsführungsbefugnis zukommen soll.9)

4

Vorbehaltlich entgegenstehender Satzungsbestimmungen oder Gesellschafterbeschlüsse (siehe Rn. 14) dürfen sich die gesamtvertretungsbefugten Geschäftsführer mit Zustimmung aller einen Geschäftsverteilungsplan geben; für ihr Ressort kommt ihnen dann Einzelgeschäftsführungsbefugnis zu.10) Soweit vom Gesamtgeschäftsführungsprinzip abgewichen wird, verbleibt dem nicht an dem Entscheidungsprozess beteiligten Geschäftsführer ein Widerspruchsrecht nach § 115 HGB analog.11)

5

Jeder Gesellschafter trägt Verantwortung für die gesamte Geschäftsführungstätigkeit (Prinzip der Gesamtverantwortung).12) Sind sachliche Zuständigkeitsbereiche in einem idealerweise schriftlich niedergelegten13) Geschäftsverteilungsplan hinreichend bestimmt festgelegt,14) so verbleibt dem Geschäftsführer für Angelegenhei-

6

_____________ 4) Dazu Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 77 ff; a. A. Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 12. 5) BGH, ZIP 1984, 310, 311 = GmbHR 1984, 96 = DB 1984, 661; BAG, ZIP 1998, 1693, 1695 = GmbHR 1998, 931 = DB 1998, 1922, dazu EWiR 1998, 786 (Goette); OLG Karlsruhe, NZG 2000, 264, 266 m. Anm. Waldner; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 10 f; Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 15 ff. 6) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 11. 7) BAG, ZIP 1998, 1693, 1695 = GmbHR 1998, 931 = DB 1998, 1922, dazu EWiR 1998, 786 (Goette); Sitzenfrei/Tischer, DB 2008, 1307. 8) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 29; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 28; a. A. van Venrooy, GmbHR 1999, 685. 9) BGHZ 119, 379, 381 f = ZIP 1993, 35 = DB 1993, 219, dazu EWiR 1993, 337 (Grunewald). 10) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 29; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 29; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 33; Leuering/ Dornhegge, NZG 2010, 13 f. 11) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 30; Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 30. 12) BGHZ 133, 370, 377 f = ZIP 1996, 2017 = GmbHR 1997, 25, dazu EWiR 1997, 37 (U. H. Schneider). 13) BayVGH, DB 2007, 2083; Leuering/Dornhegge, NZG 2010, 13, 14 f. 14) Zu den Anforderungen im Steuerrecht s. nur BFH, GmbHR 2006, 274 = BFH/NV 2006, 246.

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§ 37

Beschränkungen der Vertretungsbefugnis

ten außerhalb seines Ressorts jedenfalls eine Überwachungsverantwortlichkeit, der er nötigenfalls mit Hilfe eines Informations-15) und Vorlageanspruchs gegen die Mitgeschäftsführer sowie mit einer ressortübergreifenden Interventionsbefugnis gerecht werden kann.16) Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, jedenfalls bei einer nicht mitbestimmten GmbH,17) durch Satzung oder Gesellschafterbeschluss einen Vorsitzenden oder auch Sprecher der Geschäftsführung zu ernennen.18) Diesem können in der GmbH, mangels Verbotsnorm entsprechend § 77 Abs. 1 Satz 2 AktG, weitreichende Kompetenzen, etwa in Form eines Stichentscheids oder auch Vetorechts, zugebilligt werden.19) 3.

Abweichende Satzungsregelungen

a) Schwächung der Geschäftsführer 7

Die Gesellschafter können Aufgaben der Geschäftsführer im Wege der Satzungsgestaltung20) auch auf ein anderes Organ – mit Ausnahme eines nach mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften zu bildenden Aufsichtsrats (§ 111 Abs. 4 Satz 1 AktG i. V. m. § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG bzw. § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG) – übertragen.21) Möglich ist auch die Übertragung von Geschäftsführungsaufgaben aufgrund eines Schuldvertrags auf einen gesellschaftsfremden Dritten zur Erfüllung für Rechnung der GmbH (sog. „Betriebsführungsvertrag“).22)

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Unzulässig ist die Übertragung solcher Aufgaben, die der Gesetzgeber den Geschäftsführern zur Erfüllung in eigener Verantwortung weisungsfest auferlegt (siehe Rn. 12). Soweit die Ausführung von Geschäftsführungsentscheidungen eine Vertretungshandlung nötig macht, obliegt auch diese den Geschäftsführern als Vertretungsorgan.23) Streitig ist, ob der Geschäftsführung und jedem einzelnen Geschäftsführer neben diesen unübertragbaren Aufgaben ein weitergehender Kernbereich an Geschäftsführungszuständigkeiten verbleiben muss. Das ist zu verneinen.24) Einer atypischen Gestaltung der Geschäftsführungsorganisation stehen weder Gesetzesvorschriften noch Strukturprinzipien des GmbH-Rechts entgegen, sodass sogar ein sog. „Zöllibats_____________ 15) OLG Karlsruhe, NZG 2000, 264, 266 m. Anm. Waldner; OLG Koblenz, GmbHR 2008, 37, 38 ff = ZIP 2008, 272 (LS) = DB 2008, 571; Peters, GmbHR 2008, 682, 685. 16) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 32; Leuering/Dornhegge, NZG 2010, 13, 15 f; Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2009, 239, 239 f; Peters, GmbHR 2008, 682, 685 f. 17) Zur mitbestimmten GmbH vgl. Henssler, GmbHR 2004, 312. 18) Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 35; allerdings ist dieser „Titel“ nicht ins Handelsregister einzutragen OLG München, ZIP 2012, 672 = GmbHR 2012, 750 = NZG 2012, 429, dazu EWiR 2012, 485 (Blasche); so auch Wicke, MittBayNot 2014, 13, 18. 19) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 30. 20) Nicht etwa im Anstellungsvertrag, so auch Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 26 und mit Verweis darauf LSG Berlin-Brandenburg NZG 2018, 387. 21) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 12 ff. 22) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, Anh. zu § 13 Rn. 75 f, § 37 Rn. 15; K. Schmidt, GesR, S. 502, 949 f. 23) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 12. 24) OLG Nürnberg, NZG 2000, 154, 155 = GmbHR 2001, 73 = NJW-RR 2001, 104; OLG Düsseldorf, ZIP 1984, 1476, 1478; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 12; Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 44 ff; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 28; a. A. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 18.

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§ 37

Geschäftsführer“ bestellt werden kann, dem über den unten (siehe Rn. 12) genannten zwingenden Aufgaben, Auskunfts- und Interventionsrechten hinaus keinerlei Geschäftsführungsbefugnisse verbleiben.25) b) Stärkung der Geschäftsführer Umgekehrt können den Geschäftsführern über ihren gesetzlich vorgesehenen Zuständigkeitsbereich hinaus durch Satzungsbestimmung Aufgaben übertragen werden, die nach dem dispositiven Gesetzesrecht eigentlich den Gesellschaftern zukommen.26) So kann der Gesellschaftsvertrag etwa vorsehen, dass sie die Grundzüge der Unternehmenspolitik festlegen, den Jahresabschluss nicht nur auf-, sondern auch feststellen und über die Verwendung des Ergebnisses entscheiden. Den Gesellschaftern muss aber die Zuständigkeit für solche Entscheidungen verbleiben, die mit tiefen Eingriffen in ihre Mitgliedschaftsrechte verbunden sind.27)

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III. Weisungsgebundenheit 1.

Weisungsbefugnis

Anders als der Vorstand einer AG (§ 76 Abs. 1 AktG) unterliegen die Geschäftsführer einer GmbH den Weisungen der Gesellschafter (Abs. 1). Weisungen können bereits im Gesellschaftsvertrag festgelegt worden sein oder in Beschlüssen der Gesellschafterversammlung ausgesprochen werden (Abs. 1). Nicht weisungsbefugt sind indessen einzelne Gesellschafter,28) sofern sie dazu nicht durch Satzung oder Beschluss ermächtigt sind oder es sich um den Gesellschafter einer Einpersonen-GmbH handelt.29) Auch in der mitbestimmten GmbH steht das Weisungsrecht allein den Gesellschaftern und nicht etwa (auch) dem Aufsichtsrat zu.30)

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Durch Satzungsbestimmung kann die Weisungskompetenz jedoch einem anderen Organ übertragen werden, mit Ausnahme eines nach mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften zu bildenden Aufsichtsrats (§ 111 Abs. 4 Satz 1 AktG i. V. m. § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG bzw. § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG).31) Allerdings kann dem mitbestimmten Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG ein Zustimmungsvorbehalt für bestimmte Maßnahmen eingeräumt werden (näher siehe Rn. 13). Auch für Dritte oder für ein aus Dritten bestehendes Gremium kann die Satzung ein Weisungsrecht vorsehen, solange ihre Tätigkeit auf die Interessen der Gesellschaft aus-

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_____________ 25) OLG Karlsruhe, NZG 2000, 264, 269 m. Anm. Waldner; Mennicke, NZG 2000, 622, 624 f. 26) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 51. 27) BGHZ 83, 122, 131 = ZIP 1982, 568 = DB 1982, 795; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 25; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 53. 28) BGHZ 119, 257, 261 f = ZIP 1992, 1734 = GmbHR 1993, 38, dazu EWiR 1992, 1203 (Kort). 29) BGHZ 119, 257, 261 f = ZIP 1992, 1734 = GmbHR 1993, 38, dazu EWiR 1992, 1203 (Kort); Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 15; Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 38; zum Weisungsrecht des Alleingesellschafters: BGHZ 31, 258, 278 = GmbHR 1960, 43 = NJW 1960, 285. 30) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 30 f; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 31; Deilmann, BB 2004, 2253. 31) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 19; Rowedder/Schmidt-LeithoffBaukelmann, GmbHG, § 37 Rn. 30; Deilmann, BB 2004, 2253, 2254.

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gerichtet ist und ihnen damit eine Organstellung zukommt.32) Sieht eine Satzung die Übertragung des Weisungsrechts vor, so ist durch Auslegung zu ermitteln, inwieweit daneben der Gesellschafterversammlung eine Weisungsbefugnis verbleiben soll.33) Eine Bestimmung, die den Gesellschaftern dauerhaft jeden Einfluss auf die Geschäftsführung vorenthält, stünde jedenfalls im Widerspruch zum Grundsatz der Verbandssouveränität.34) 2.

Inhalt des Weisungsrechts

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Weisungen können sich grundsätzlich auf alle Angelegenheiten der Geschäftsführung beziehen, wenn der Gesetzeswortlaut in Absatz 1 auch lediglich die Vertretungshandlungen benennt.35) Ausgenommen sind allerdings Aufgaben, deren Erfüllung der Gesetzgeber den Geschäftsführern in eigener Verantwortlichkeit zuweist.36) Zu ihnen zählen – wie § 43 Abs. 3 Satz 1 zeigt – das Unterbinden unzulässiger Auszahlungen zulasten des Stammkapitals (§ 30) und das Unterbinden des unzulässigen Erwerbs eigener Geschäftsanteile, aber auch die ordnungsgemäße Buchführung (§ 41), das Einreichen einer Gesellschafterliste (§ 40), die Aufstellung und Vorlage des Jahresabschlusses (§§ 42, 42a i. V. m. § 264 Abs. 1 HGB) und nötigenfalls das Stellen von Insolvenzanträgen (§ 15a Abs. 1 InsO).

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Weisungen können generell oder einzelfallbezogen formuliert sein. Mit ihnen können bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen oder Arten von Geschäftsführungsmaßnahmen auch unter den Vorbehalt der Zustimmung der Gesellschafterversammlung,37) eines anderen Organs (etwa des Aufsichtsrats, § 52 i. V. m. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG) oder eines Dritten gestellt werden.38) In mitbestimmten Gesellschaften kann sich der Aufsichtsrat Zustimmungsvorbehalte selbst einräumen, um seiner Überwachungsfunktion gerecht zu werden (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG); in nicht mitbestimmten Gesellschaften kann dies der – dort fakultative – Aufsichtsrat nur, soweit die Satzung nichts anderes festlegt (näher siehe § 52 Rn. 3 ff [Rieble]).39)

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Weisungen müssen nicht zwangsläufig ein Handlungsge- oder -verbot enthalten. Auch etwa die Aufstellung eines Geschäftsverteilungsplans obliegt den Gesellschaftern als Folge ihres Weisungsrechts. Soweit sie von ihrer Befugnis keinen Gebrauch machen, können sich die Geschäftsführer selbst eine Geschäftsverteilungsordnung geben (§ 77 Abs. 2 AktG entsprechend).40) Für die Geschäftsverteilung besteht weit_____________ 32) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 20; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 36. 33) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 19; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 35. 34) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 19; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 36. 35) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 1. 36) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 5. 37) Dazu van Venrooy, GmbHR 2005, 1243. 38) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Baukelmann, GmbHG, § 37 Rn. 20. 39) Scholz-Schneider, GmbHG, § 52 Rn. 138 ff; Deilmann, BB 2004, 2253, 2254. 40) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 29; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 34; Leuering/Dornhegge, NZG 2010, 13, 14.

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gehende Gestaltungsfreiheit. Üblich ist die Aufteilung nach inhaltlichen Ressorts.41) In einer mitbestimmten GmbH kommt die – nicht notwendigerweise alleinige – Zuständigkeit für Personal- und Sozialangelegenheiten zwingend dem Arbeitsdirektor zu (§ 33 MitbestG, § 13 MontanMitbestG).42) 3.

Umfang des Weisungsrechts

Der Umfang der Weisungsmacht steht zur Disposition der Gesellschafter. So können die Geschäftsführer durch Satzungsbestimmung43) auch von der Weisungsgebundenheit befreit werden, sei es umfassend oder auf bestimmte Geschäftsführungsbereiche beschränkt.44) Inwieweit die Gesellschafter von ihrem gesetzlichen oder statutarisch verbliebenen Weisungsrecht Gebrauch machen, steht ihnen vorbehaltlich anderslautender Satzungsbestimmungen frei.45) Die Gesellschafter können ihre Weisungsbefugnis so weitgehend ausüben, dass den Geschäftsführern – über die oben (siehe Rn. 12) genannten gesetzlichen Aufgaben hinaus – keinerlei eigene Entscheidungskompetenzen mehr verbleiben und sie auf ein reines Exekutivorgan reduziert werden. Einer Satzungsänderung bedarf es insoweit nicht.46)

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Die Gegenauffassung sieht in der umfassenden lückenlosen Ausübung des Weisungsrechts eine Umgestaltung der Unternehmensverfassung, weil die Geschäftsführungskompetenz dabei zu einem wesentlichen Teil auf die Gesellschafterversammlung verlagert werde. Ohne das Erfordernis einer Satzungsänderung könnte ein Mehrheitsgesellschafter, dem es jedoch an einer qualifizierten Mehrheit fehlt, die Verlagerung der Geschäftsführungskompetenz bereits mit einfacher Mehrheit über Weisungsbeschlüsse erreichen.47) Die Minderheitsgesellschafter bedürfen aber des Schutzes nicht, der ihnen damit zuteilwerden soll. Denn wenn sie es schon hinnehmen müssen, dass der Mehrheitsgesellschafter mit einfacher Mehrheit Geschäftsführer abberufen und ihm wohl gesonnene Personen oder gar sich selbst bestellen kann, dann müssen es die Minderheitsgesellschafter erst recht hinnehmen, dass der Mehrheitsgesellschafter dem immerhin gemeinsam getragenen Organwalter Weisungen erteilt, die den zulässigen Umfang bis zur Grenze der weisungsfesten Angelegenheiten (siehe Rn. 12) ausschöpfen.

16

4.

Rechtsfolgen einer Weisung

Die Geschäftsführer haben die ihnen erteilten Weisungen zu beachten. Das gilt auch für wirtschaftlich nachteilhafte Weisungen48) und für Weisungen, die gegen den Anstellungsvertrag des Geschäftsführers verstoßen. Dessen Bestimmungen wirken sich _____________ 41) 42) 43) 44) 45) 46)

47) 48)

Näher Peters, GmbHR 2008, 682, 683 f; Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2009, 239. Gach in: MünchKomm-AktG, § 33 MitbestG Rn. 29 ff. Nicht etwa lediglich durch den Anstellungsvertrag, SG München, BeckRS 2014, 65213. Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 51; Schmiegelt/Gerber in: Beck’sches Hdb. GmbH, § 3 Rn. 7. Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 55. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 4; Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 45; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 46; Mennicke, NZG 2000, 622, 623. Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 18a. OLG Frankfurt/M., ZIP 1997, 450, 451 = GmbHR 1997, 346 = NJW-RR 1997, 736.

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nur auf das Anstellungsverhältnis, nicht aber auf der organisationsrechtlichen Ebene aus, der die Weisungen zuzurechnen sind (zur Unterscheidung der beiden Ebenen siehe § 35 Rn. 12 ff [Jacoby]).49) Allerdings haben die Geschäftsführer zur Meidung eigener Haftung die Weisungsbefugten auf die Nachteilhaftigkeit, die Unzweckmäßigkeit einer Weisung oder auf andere Bedenken hinzuweisen. 18

Nicht befolgen müssen Geschäftsführer Weisungen, die nichtig oder aufgrund einer Anfechtungsklage für unwirksam erklärt worden sind.50) Fehlerhaften, aber wirksamen Weisungen brauchen die Geschäftsführer nicht nachzukommen, solange keine Unanfechtbarkeit eingetreten ist und sofern sie nach pflichtgemäßem Ermessen davon ausgehen dürfen, dass der Weisungsbeschluss noch mit Erfolg angefochten wird.51) Nichtig sind Weisungen insbesondere, wenn sie zu einem verbotswidrigen Verhalten auffordern. Anfechtbar sind sie, wenn sie, ohne nichtig zu sein, gegen statutarische oder gesetzliche Bestimmungen verstoßen oder den Geschäftsführern ein treuwidriges Verhalten gegenüber der GmbH aufgeben.52) 5.

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Sanktionen

Missachtet der Geschäftsführer die statutarischen oder weisungsbedingten Beschränkungen seiner Geschäftsführungsbefugnis, so haftet er der Gesellschaft u. U. nach § 43 Abs. 2 auf Schadensersatz.53) Daneben setzt er sich dem Risiko einer Abberufung vom Amt des Geschäftsführers – ggf. aus wichtigem Grund i. S. d. § 38 Abs. 2 (näher siehe § 38 Rn. 29 f [Jacoby])54) – sowie der Kündigung seines Anstellungsverhältnisses aus. Hält das für die Abberufung zuständige Organ an dem Geschäftsführer fest – etwa weil ihm in der Satzung ein Sonderrecht auf die Teilhabe an der Geschäftsführung eingeräumt ist –, so kann die Gesellschaft die angewiesene Handlung oder Unterlassung mit der Leistungsklage oder im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erwirken.55) IV. Beschränkungen der Vertretungsmacht

20

Die Beschränkung der Vertretungsmacht steht grundsätzlich nicht zur Disposition der Gesellschafter (Abs. 2). Anderes gilt lediglich für innergesellschaftliche Rechtsgeschäfte. – Dazu und zu den gesetzlichen Schranken der Vertretungsmacht des Geschäftsführers siehe § 35 Rn. 41 f [Jacoby].

_____________ 49) OLG Düsseldorf, ZIP 1984, 1476, 1478 f. 50) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 239. 51) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 22; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 23; Ebert, GmbHR 2003, 444, 447; Mennicke, NZG 2000, 622, 624. 52) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 20; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 22; Ebert, GmbHR 2003, 444, 447. 53) Einzelheiten bei Fleischer, DStR 2009, 1204. 54) OLG München, DB 2009, 1231, 1232 f. 55) OLG Frankfurt/M., GmbHR 1992, 608 = DB 1992, 1878 = NJW-RR 1992, 1513, dazu EWiR 1992, 1003 (R. Eckert); Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 40; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 64; a. A. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 29.

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Widerruf der Bestellung

§ 38 Widerruf der Bestellung Florian Jacoby

(1) Die Bestellung der Geschäftsführer ist zu jeder Zeit widerruflich, unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen. (2) 1Im Gesellschaftsvertrag kann die Zulässigkeit des Widerrufs auf den Fall beschränkt werden, dass wichtige Gründe denselben notwendig machen. 2Als solche Gründe sind insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung anzusehen. Literatur: Fleischer, Zur Abberufung von Vorstandsmitgliedern auf Druck Dritter, DStR 2006, 1507; Freund, Abberufung und außerordentliche Kündigung des Geschäftsführers, GmbHR 2010, 117; Grunewald, Die Abberufung von Gesellschaftsgeschäftsführern in der GmbH, in: Festschrift für Wolfgang Zöllner, 1998, Bd. I, S. 177; Heller, Die Rechtsverhältnisse der GmbH nach streitiger Abberufung des Geschäftsführers, GmbHR 2002, 1227; Pentz, Die Abberufung des Gesellschafter-Geschäftsführers – Umsetzung, Beschlussmehrheiten, Abberufungsbeschränkungen, GmbHR 2017, 801; Thiessen, Der unkündbare Geschäftsführer – Kündigungsschutz durch anstellungsvertragliche Verweisung auf arbeitsrechtliche Vorschriften, ZIP 2011, 1029; Tschöpe/Wortmann, Der wichtige Grund bei Abberufungen und außerordentlichen Kündigungen von geschäftsführenden Organvertretern, NZG 2009, 161; Tschöpe/Wortmann, Abberufung und außerordentliche Kündigung von geschäftsführenden Organvertretern – Grundlagen und Verfahrensfragen, NZG 2009, 85. Übersicht I.

Beendigung des Geschäftsführeramtes ...................................................... 1 1. Beendigungsgründe ............................... 2 a) Ohne Mitwirkung des Geschäftsführers ................................. 2 b) Unter Mitwirkung des Geschäftsführers ................................. 4 c) Keine Beendigungsgründe ............. 6 2. Beendigung des Anstellungsverhältnisses ........................................... 7 3. Verhältnis zwischen Abberufung und Kündigung ...................................... 8 II. Formelle Voraussetzungen des Widerrufs ...................................... 10 1. Zuständigkeit ....................................... 10 a) Abweichende Regelung ............... 11 b) Sonderregelungen ........................ 13 2. Beschlussfassung ................................. 15 III. Die materiellen Voraussetzungen des Widerrufs (Grund) ...................... 19 1. Beschränkungen der freien Widerruflichkeit .................................. 20 a) Vertragliche Beschränkungen ..... 21 b) Gesetzliche Beschränkungen ...... 25

I.

2.

Wichtiger Grund ................................. 26 a) Grobe Pflichtverletzung .............. 29 b) Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung ......... 31 c) Weitere wichtige Gründe ............. 32 d) Keine wichtigen Gründe .............. 35 3. Frist ...................................................... 37 IV. Wirkungen des Widerrufsbeschlusses ........................................... 38 1. Grundlagen der Beschlusswirksamkeit ......................................... 39 2. Streit um Existenz eines wichtigen Grundes ............................................... 42 a) Grundsatz: Bloße Anfechtbarkeit ........................................... 45 b) Ausnahme 1: Schwebelage abhängig vom tatsächlichen Vorliegen ...................................... 48 c) Ausnahme 2: Wirksamkeit erst mit gerichtlicher Feststellung ...... 51 V. Rechtsschutz ....................................... 52 1. Hauptsache .......................................... 53 2. Einstweiliger Rechtsschutz ................. 56 3. Vertretung ............................................ 59

Beendigung des Geschäftsführeramtes

§ 38 regelt mit dem Widerruf der Bestellung nur die rechtsgeschäftliche Beendigung des Geschäftsführeramtes mit Wirkung ex nunc (daher besser als Abberufung des Geschäftsführers bezeichnet). Daneben existieren noch weitere Möglichkeiten für die Florian Jacoby

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1

§ 38

Widerruf der Bestellung

Beendigung der Geschäftsführerstellung, die nicht durch das GmbHG geregelt werden. Zu trennen von der Beendigung des Amtes des Geschäftsführers ist die Beendigung des Anstellungsverhältnisses. 1.

Beendigungsgründe

a) Ohne Mitwirkung des Geschäftsführers 2

Ohne Mitwirkung des Geschäftsführers endet das Geschäftsführeramt bei Verlust der Eignungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 (Verlust der unbeschränkten Geschäftsfähigkeit oder bei Eintritt der Situationen des § 6 Abs. 2 Sätze 2 und 3). Der Verlust tritt automatisch ein, wie sich bereits aus der Formulierung des § 6 Abs. 2 ergibt.1) Auch der Tod des Geschäftsführers führt zur Beendigung,2) wobei ein automatischer Übergang des Amtes auf die Erben des Geschäftsführers auch bei Bestehen eines Sonderrechts nicht ohne eine entsprechende Regelung in der Satzung in Betracht kommt.3)

3

Die Bestellung des Geschäftsführers ist auch unter einer auflösenden Bedingung mit der Rechtsfolge des § 158 Abs. 2 BGB zulässig.4) Die dagegen erhobenen Rechtssicherheitsbedenken5) greifen nicht durch, da die Belange der Rechtssicherheit nicht in stärkerem Maße berührt werden als bei anderen Formen der Beendigung des Geschäftsführeramtes. Schutz bietet zudem § 15 Abs. 1 HGB. Ebenso ist eine Befristung der Bestellung möglich, wobei diese sowohl durch die Satzung als auch durch den Bestellungsbeschluss begründet werden kann.6) Bereits durch das Gesetz ergibt sich eine Befristung in Fällen der Mitbestimmung dort, wo kraft eines Verweises auf § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG eine Bestellung des Geschäftsführers auf höchstens fünf Jahre erfolgt (vgl. § 31 Abs. 1 MitbestG, § 12 MontanMitbestG, § 13 Satz 1 MontanMitbestErgG, anders § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 DrittelbG). Durch formwechselnde Umwandlung und Verschmelzung endet die Geschäftsführerstellung ebenfalls.7) b) Unter Mitwirkung des Geschäftsführers

4

Als Beendigung der Geschäftsführerstellung unter Mitwirkung des Geschäftsführers kommt neben der einvernehmlichen Aufhebung8) vor allem die Amtsniederlegung durch den Geschäftsführer in Betracht. Diese Niederlegung ist vorbehaltlich etwaiger Beschränkungen in der Satzung, die sich allerdings nicht allein daraus herleiten lassen, dass die Abberufung beschränkt ist, im Grundsatz jederzeit möglich.9) Ins_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9)

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Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 38 Rn. 84; Jacoby, Das private Amt, S. 518. Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 38 Rn. 40; Wicke, GmbHG, § 38 Rn. 14. Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 38 Rn. 4; gegen die Zulässigkeit einer solchen Satzungsregelung Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 38 Rn. 83. BGH, ZIP 2005, 2255, 2256 = GmbHR 2006, 46 = DB 2006, 41, dazu EWiR 2006, 113 (Theusinger/Liese). So z. B. Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 38 Rn. 3; Diekmann/Marsch-Barner in: Münch-Hdb. GesR, Bd. 3, § 42 Rn. 39. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 38 Rn. 81; Wicke, GmbHG § 38 Rn. 14. Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 38 Rn. 40. Bartl u. a.-Fichtelmann/Schmitt, GmbHG, § 38 Rn. 10; Rowedder/Schmidt-LeithoffBaukelmann, GmbHG, § 38 Rn. 38. Jacoby, Das private Amt, S. 531 f.

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§ 38

Widerruf der Bestellung

besondere ist ein wichtiger Grund nicht erforderlich.10) Fehlt es an einem solchen Grund, kann die Niederlegung freilich eine Verletzung des Anstellungsverhältnisses darstellen und somit eine Pflicht zum Schadensersatz begründen.11) Die Niederlegung erfolgt durch formfreie Erklärung gegenüber dem zur Bestellung zuständigen Organ,12) also im Regelfall der Gesellschafterversammlung. In entsprechender Anwendung von § 35 Abs. 2 Satz 2 (siehe § 35 Rn. 32 [Jacoby]) genügt der Zugang der Erklärung gegenüber nur einem Gesellschafter.13) Die Niederlegung ist unwirksam, wenn sie zur Unzeit erklärt wird,14) wobei dies durch eine Niederlegung mit Frist verhindert werden kann. Vor Inkrafttreten des MoMiG wurde es auch für rechtsmissbräuchlich und daher für unwirksam gehalten, wenn der einzige Geschäftsführer, der zugleich Alleingesellschafter oder Mehrheitsgesellschafter ist, sein Amt niederlegt, ohne einen neuen Geschäftsführer zu bestellen oder ohne dass ein wichtiger Grund vorliegt.15) Daran ist jedenfalls angesichts der durch das MoMiG geschaffenen Regelungen zur Führungslosigkeit nicht mehr festzuhalten (§ 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG, § 15a Abs. 3 InsO).16) Denn diese Regelungen tragen den schützenswerten Belangen von Dritten hinreichend Rechnung. So ist die führungslose GmbH zwar prozessunfähig (siehe § 35 Rn. 44 [Jacoby]), ihr kann aber die Klage zugestellt werden, um dann die Prozessunfähigkeit mittels eines Prozesspflegers (§ 57 ZPO) oder eines Notgeschäftsführers (siehe § 35 Rn. 17 [Jacoby]) zu überwinden.

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c) Keine Beendigungsgründe Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt nicht zur Beendigung der Geschäftsführerstellung, weil der Geschäftsführer Vertretungsorgan des Insolvenzschuldners bleibt, was sich etwa bei der Zustellung des Eröffnungsbeschlusses (§ 30 Abs. 2 InsO) auswirkt. Für die Anstellung gilt freilich § 108 InsO. Gleichfalls führt die (unberechtigte) Bestellung eines Notgeschäftsführers (siehe § 35 Rn. 17 [Jacoby]) durch das Gericht nicht dazu, dass das Amt des unerkannt amtierenden Geschäftsführers _____________ 10) BGHZ 121, 257 = ZIP 1993, 430, 431 f = GmbHR 1993, 216, dazu EWiR 1993, 461 (Miller); OLG Düsseldorf GmbHR 2015, 1271, 1272. 11) BGHZ 121, 257 = ZIP 1993, 430, 432 = GmbHR 1993, 216, dazu EWiR 1993, 461 (Miller). 12) BGHZ 149, 28 = ZIP 2001, 2227, 2229 = GmbHR 2002, 26, dazu EWiR 2002, 67 (F. Wagner); s. a. OLG Düsseldorf, ZIP 2005, 1741 = GmbHR 2005, 932 = DB 2005, 1451. 13) BGHZ 149, 28 = ZIP 2001, 2227, 2228 = GmbHR 2002, 26, dazu EWiR 2002, 67 (F. Wagner); OLG Düsseldorf, ZIP 2005, 1741 = GmbHR 2005, 932 = DB 2005, 1451; OLG Düsseldorf GmbHR 2015, 1271, 1272; s. a. Jacoby, Das private Amt, S. 530. 14) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 38 Rn. 42; Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 38 Rn. 90; offengelassen durch BGHZ 121, 257 = ZIP 1993, 430, 432 = GmbHR 1993, 216, dazu EWiR 1993, 461 (Miller). 15) OLG Köln, ZIP 2008, 646 f = GmbHR 2008, 544 = DStR 2008, 834; OLG Zweibrücken, ZIP 2006, 950 = GmbHR 2006, 430 = DB 2006, 662; BayOblG, ZIP 1999, 1599, 1600 = GmbHR 1999, 980 = DB 1999, 1748. 16) S. a. Wicke, GmbHG, § 38 Rn. 15; a. A. OLG Bamberg, GmbHR 2017, 1144, 1145 = ZIP 2017, 1466, wobei hingegen die Niederlegung durch den Fremd-Geschäftsführer wirksam sein soll, da es dort die Gesellschafter in der Hand hätten, die Führungslosigkeit zu überwinden; OLG Düsseldorf, GmbHR 2015, 1271, 1273 = ZInsO 2015, 1578; OLG München, ZIP 2011, 866 = DB 2011, 760 = GmbHR 2011, 486, dazu EWiR 2011, 499 (Kohl) – bzgl. des Beschlusses des Alleingesellschafters über seine Abberufung als einziger Geschäftsführer.

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beendet wird. Die Wahl des Geschäftsführers in den Aufsichtsrat beendet das Geschäftsführeramt ebenfalls nicht, sondern ist ihrerseits unwirksam.17) Schließlich wirken die Geschäftsführer auch nach Auflösung der Gesellschaft nach § 66 als geborene Liquidatoren fort, sofern nicht andere Liquidatoren bestellt werden.18) 2. 7

Beendigung des Anstellungsverhältnisses

Neben der Möglichkeit der Befristung und Bedingung des Anstellungsverhältnisses spielt die Beendigung durch Kündigung die größte Rolle. Die ordentliche Kündigung richtet sich für die Gesellschaft beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer in der Regel nach § 621 Nr. 3 BGB.19) Für alle anderen Geschäftsführer kommt ungeachtet ihrer fehlenden Arbeitnehmereigenschaft, wegen der dennoch vergleichbaren Interessenlage § 622 BGB analog mit den längeren Kündigungsfristen zur Anwendung.20) Mangels eines Arbeitsverhältnisses (zur fehlenden Arbeitnehmereigenschaft des Geschäftsführers siehe § 35 Rn. 14 [Jacoby]) finden die Vorschriften des KSchG zwar keine Anwendung. Dies schließt aber eine Parteivereinbarung über die entsprechende Geltung der materiellen Vorschriften des KSchG nicht aus.21) Ein abberufener Geschäftsführer hat allerdings bei Fortbestehen des Dienstverhältnisses keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung in einer seiner früheren Tätigkeit vergleichbaren, leitendenden Position.22) Die außerordentliche Kündigung richtet sich nach § 626 BGB, wobei keine Abmahnung erforderlich ist.23) 3.

Verhältnis zwischen Abberufung und Kündigung

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Das Anstellungsverhältnis und die Organstellung als Geschäftsführer sind getrennt voneinander zu beurteilen (siehe § 35 Rn. 13 [Jacoby]). Die Beendigung eines dieser Rechtsverhältnisse lässt den Bestand des anderen grundsätzlich unberührt. So besteht auch grundsätzlich nach Abberufung ein Vergütungsanspruch des Geschäftsführers aus § 611 Abs. 1 i. V. m. § 615 Satz 1 BGB.24) Allerdings kann der Akt der Abberufung je nach Einzelfall auch als Kündigung des Anstellungsverhältnisses ausgelegt werden,25) genauso wie regelmäßig eine Kündigung des Anstellungsverhältnisses als Abberufung auszulegen ist.26)

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Diese grundsätzliche Trennung kann auf zwei unterschiedlichen Wegen gelockert werden: Zum einen können die Parteien eine Koppelungs- oder auch Gleichlaufklausel _____________ 17) 18) 19) 20) 21) 22) 23) 24) 25) 26)

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Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 38 Rn. 95. Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 38 Rn. 40. BGHZ 91, 217, 220 = ZIP 1984, 1088 = GmbHR 1984, 312. BGHZ 91, 217, 219 f = ZIP 1984, 1088 = GmbHR 1984, 312; OLG Düsseldorf, NZG 2004, 478, 481. BGH, ZIP 2010, 1288 = GmbHR 2010, 808 = DB 2010, 1518, dazu EWiR 2010, 613 (Joost); weiterführend Thiessen, ZIP 2011, 1029 ff. BGH, ZIP 2011, 122 m. Anm. Thiessen, S. 1029 = GmbHR 2011, 82 = DB 2011, 49. BGH, ZIP 2007, 1566 (LS) = GmbHR 2007, 936 = DB 2007, 1865 (LS); a. A. wohl OLG München, Urt. v. 29. 7. 2015 – 7 U 39/15, juris, Rn. 49. OLG München, GmbHR 2016, 875, 876 f. Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 38 Rn. 34; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 38 Rn. 5 f. BGHZ 79, 38 = ZIP 1981, 45, 46 = DB 1981, 308.

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vereinbaren. Je nach Ausgestaltung wird dabei die Abberufung als Kündigung des Anstellungsverhältnisses definiert27) oder aber die Abberufung als wichtiger Grund für eine Kündigung.28) Zum anderen können die Parteien den Anstellungsvertrag auch unter der auflösenden Bedingung der Abberufung schließen.29) In beiden Fällen endet dann aber der Anstellungsvertrag erst mit Ablauf der Kündigungsfristen der §§ 621 f BGB, sofern kein wichtiger Grund (§ 626 BGB) gegeben ist.30) Ein sofortiges Ende tritt jedoch dann ein, wenn der Geschäftsführer seiner Abberufung selbst zugestimmt hat.31) II. Formelle Voraussetzungen des Widerrufs 1.

Zuständigkeit

Mangels gesellschaftsvertraglicher Regelung ist für die Abberufung die Gesellschafterversammlung zuständig (§ 46 Nr. 5). Der einzelne Gesellschafter ist auch bei Gefahr im Verzug nicht zur Abberufung berechtigt.32)

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a) Abweichende Regelung Durch den Gesellschaftsvertrag oder auch durch Beschluss der Gesellschafterversammlung kann die Kompetenz zur Abberufung auf andere Organe der Gesellschaft übertragen werden (z. B. fakultativer Aufsichtsrat oder Beirat). Wenn ausdrücklich nur die Kompetenz zur Bestellung des Geschäftsführers übertragen wurde, so ist zu vermuten, dass diese Kompetenzzuweisung auch für die Abberufung gilt.33) In jedem Fall ist die Übertragung aber nur auf Gesellschaftsorgane, nicht auf gesellschaftsfremde Dritte möglich.34) Denn Dritte sind nicht Regelungsadressat des Gesellschaftsvertrages, womit die Grenzen der satzungsmäßigen Gestaltungsfreiheit erreicht sind.

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Ungeachtet einer solchen Übertragung kann der Gesellschafterversammlung eine Ersatzzuständigkeit zur Abberufung verbleiben. Anerkannt ist diese Zuständigkeit, wenn das betraute Organ funktionsunfähig wird.35) Eine Ersatzzuständigkeit für die Abberufung aus wichtigem Grund bedarf indessen einer entsprechenden Bestimmung

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_____________ 27) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 38 Rn. 253 f; BGH, ZIP 1999, 1669, 1670 f = GmbHR 1999, 1140 = DB 1999, 2103; OLG Hamm, GmbHR 2007, 442, 443. 28) Tschöpe/Wortmann, NZG 2009, 85, 86. 29) Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 38 Rn. 36; BGH, ZIP 1995, 1334, 1335 = GmbHR 1995, 653 = DB 1995, 1852, dazu EWiR 1995, 1099 (Miller). 30) OLG Hamm, GmbHR 2007, 442, 443; grundlegend – aber für den Vorstand – BGH, ZIP 1989, 1190, 1192 = GmbHR 1989, 415 = DB 1989, 1865, dazu EWiR 1989, 1051 (Zimmermann); s. a. Freund, GmbHR 2010, 117, 118. 31) BGH, ZIP 2008, 757, 759 Rn. 35 = GmbHR 2008, 426 = DB 2008, 754. 32) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 38 Rn. 4; Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 38 Rn. 20. 33) OLG Düsseldorf, GmbHR 1990, 219, 220 = WM 1990, 265; s. a. Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 38 Rn. 12; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 38 Rn. 24. 34) Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 38 Rn. 25; a. A. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 38 Rn. 12. 35) BGHZ 12, 337, 340 = GmbHR 1954, 58 = DB 1954, 303; BGH, DB 1970, 389, 390 = GmbHR 1970, 132 = WM 1970, 251.

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im Gesellschaftsvertrag.36) Denn dann haben die Gesellschafter auch die Kompetenz, über das Vorliegen eines wichtigen Grundes zu befinden, auf dieses andere Organ übertragen. b) Sonderregelungen 13

Nach Mitbestimmungsrecht kann der Aufsichtsrat bereits kraft gesetzlicher Verweisung für die Abberufung zuständig sein. Dies gilt über die Verweisungen der § 31 Abs. 1 Satz 1 MitbestG, § 12 MontanMitbestG und § 13 Satz 1 MontanMitbestErgG auf § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG. Keine Zuständigkeit hat der Aufsichtsrat nach DrittelbG, wie sich aus einem Umkehrschluss aus § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 DrittelbG ergibt.

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Für die GmbH & Co. KG wird teilweise eine Zuständigkeit der Kommanditisten für die Abberufung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH aus wichtigem Grund analog §§ 117, 127 HGB vertreten.37) Dies widerspricht aber der Trennung von Angelegenheiten der KG und der Komplementär-GmbH, wie sie auch vom BGH anerkannt ist.38) Im Einzelfall mag sich freilich aus den gesellschaftsvertraglichen Regelungen ergeben, dass die Abberufung des Geschäftsführers der Zustimmung der Kommanditisten bedarf.39) 2.

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Beschlussfassung

Die Gesellschafterversammlung entscheidet nach § 47 Abs. 1 durch Beschluss. Stimmberechtigt ist grundsätzlich jeder Gesellschafter, auch der abzuberufende Gesellschafter-Geschäftsführer, der hier nur zulässigerweise seine mitgliedschaftlichen Interessen wahrnimmt.40) Eine Ausnahme hiervon gilt allerdings nach § 47 Abs. 4, wenn über die Abberufung aus wichtigem Grund zu entscheiden ist.41) Dabei greift dieser Ausschluss bereits, wenn der wichtige Grund nur substantiiert und ohne Treuwidrigkeit zum Beschlussgegenstand gemacht wird.42) Der wichtige Grund braucht also nicht

_____________ 36) Für eine zwingende Ersatzzuständigkeit indessen Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 38 Rn. 13, Rowedder/Schmidt-Leithoff-Baukelmann, GmbHG, § 38 Rn. 17; wie hier Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 38 Rn. 25; Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 38 Rn. 22. 37) Raiser/Veil, KapG, § 54 Rn. 13. 38) BGH, DB 1970, 389, 390 = GmbHR 1970, 132 = WM 1970, 251; s. a. Volmer, EWiR 2004, 1229, 1230 – Anm. zu EuGH, ZIP 2004, 2134 = GmbHR 2004, 1463 = DB 2004, 2413 – Axel Springer. 39) OLG München, NZG 2004, 374, 375 = GmbHR 2004, 587 = DB 2004, 866, dazu EWiR 2004, 1227 (Trölitzsch/Leinekugel). 40) BGH, ZIP 1992, 760, 761 = GmbHR 1992, 299 = DB 1992, 983, dazu EWiR 1992, 1001 (Bork); BGH, GmbHR 1969, 154 = DB 1969, 1140 = NJW 1969, 1483; OLG Düsseldorf, GmbHR 2000, 1050, 1053 = DB 2000, 1956 = NZG 2000, 1135. 41) BGH, ZIP 2009, 1158, 1161 Rn. 29 f = GmbHR 2009, 770 = DB 2009, 1227; BGH, ZIP 1992, 760, 761 = GmbHR 1992, 299 = DB 1992, 983, dazu EWiR 1992, 1001 (Bork); BGHZ 86, 177, 178 = ZIP 1983, 155 = GmbHR 1983, 149; BGH, NJW 1969, 1483, 1484 = GmbHR 1969, 154 = DB 1969, 1140. 42) BGHZ 86, 177, 181 = ZIP 1983, 155 = GmbHR 1983, 149; BGH, NJW 1987, 1889 = NJWRR 1987, 990; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 38 Rn. 17; Diekmann/MarschBarner in: Münch-Hdb. GesR, Bd. 3, § 42 Rn. 62; K. Schmidt, GmbHR 2017, 670, 672 f.

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tatsächlich vorzuliegen.43) – Zu den daraus folgenden Problemen der Beschlusswirksamkeit siehe Rn. 42 ff, insbesondere Rn. 48. Der Ausschluss erstreckt sich auch auf andere Gesellschafter, wenn der wichtige Grund auf einer Pflichtverletzung beruht, die diese Gesellschafter mit dem abzuberufenden Gesellschafter-Geschäftsführer gemeinsam begangen haben sollen.44) Unberührt vom Ausschluss bleibt allerdings das Recht des Gesellschafter-Geschäftsführers, auch in solchen Fällen an der Gesellschafterversammlung teilzunehmen und dort zu reden.45) Die Widerrufsentscheidung ergeht, soweit im Gesellschaftsvertrag nichts anderes geregelt ist, nach § 47 Abs. 1 mit einfacher Mehrheit.46) Zwar kann grundsätzlich im Gesellschaftsvertrag das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit aufgestellt werden. Für die Abberufung aus wichtigem Grund ist eine solche Erschwerung aber ausgeschlossen.47) Kraft Gesetzes gilt ein qualifiziertes Mehrheitserfordernis im Mitbestimmungsrecht gemäß § 31 Abs. 2 und Abs. 5 MitbestG, wonach der dort zuständige Aufsichtsrat (siehe Rn. 13) mit einer Mehrheit von 2/3 entscheiden muss. Nach § 12 MontanMitbestG und § 13 MontanMitbestErgG gibt es hingegen keine Besonderheiten.

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Die Gesellschafter sind in ihrer Entscheidung über die Abberufung im Grundsatz frei. Eine Abberufungspflicht (aus gesellschaftsrechtlicher Treuepflicht) kommt aber zum einen dann in Betracht, wenn eine Abberufung wegen eines tatsächlich vorliegenden wichtigen Grundes angestrebt wird.48) Zum anderen besteht eine Pflicht zur Abberufung immer dann, wenn einem anderen Gesellschafter ein Recht zur Benennung eines Geschäftsführers zusteht (Präsentationsrecht, nicht bloßes Vorschlagsrecht) und er dieses geltend macht, da anderenfalls sein Recht nicht durchgesetzt werden könnte. Eine Ausnahme besteht in diesem Fall nur dann, wenn ein wichtiger Grund gegen die Abberufung spricht.49)

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Die Abberufungsentscheidung muss dem Geschäftsführer zugehen, wobei hierfür ebenfalls grundsätzlich die Gesellschafterversammlung zuständig ist.50) Diese Mit-

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_____________ 43) A. A. Bayer, GmbHR 2017, 665, 668 f; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 38 Rn. 35; offengelassen von BGH, ZIP 2017, 1065 = GmbHR 2017, 701 Rn. 14 m. w. Nachw. zum Streitstand in Rn. 12 f. 44) BGH, ZIP 2009, 1158, 1161 Rn. 30 = GmbHR 2009, 770 = DB 2009, 1227; OLG Karlsruhe, ZIP 2007, 1319, 1320 (LS); OLG Düsseldorf, GmbHR 2000, 1050, 1053 = DB 2000, 1956 = NZG 2000, 1135. 45) BGH, GmbHR 1985, 256, 257 = WM 1985, 567 = AG 1985, 188, dazu EWiR 1985, 301 (Miller); OLG Hamm, GmbHR 1992, 466, 467 = DB 1992, 263. 46) Zur Möglichkeit der Auslegung einer Abberufung als nachhaltige Änderung der hergebrachten Organisation, für die der Gesellschaftsvertrag eine qualifizierte Mehrheit fordert, OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 245, 246; a. A. BGH, DStR 1994, 214, 215. 47) BGHZ 86, 177, 179 = ZIP 1983, 155 = GmbHR 1983, 149; a. A. Baumbach/HueckZöllner/Noack, GmbHG, § 38 Rn. 30. 48) BGH, ZIP 1991, 23, 24 = GmbHR 1991, 62 = DB 1991, 486, dazu EWiR 1991, 171 (Günther). 49) OLG Saarbrücken, GmbHR 2007, 143, 149 = ZIP 2007, 870 (LS); OLG Düsseldorf, GmbHR 1990, 219, 220 f = WM 1990, 265. 50) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 38 Rn. 43.

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teilung ist regelmäßig entbehrlich, wenn der Geschäftsführer bereits bei der Abstimmung über die Abberufung anwesend gewesen ist.51) III. Die materiellen Voraussetzungen des Widerrufs (Grund) 19

Das Widerrufsrecht besteht nach Absatz 1 im Grundsatz frei und unabhängig von irgendwelchen Gründen, sodass es auch einer Begründung nicht bedarf.52) Schranken enthalten nur §§ 226, 826 BGB.53) Dieser Grundsatz ist Ausdruck der einseitigen Machtverteilung zugunsten der Gesellschafter, die auch dem Weisungsrecht des § 37 Abs. 1 zugrunde liegt. 1.

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Beschränkungen der freien Widerruflichkeit

Ausnahmen von diesem Grundsatz der freien Widerruflichkeit können sich aus verschiedenen Rechtsgründen ergeben: a) Vertragliche Beschränkungen

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Die Abberufung kann durch den Gesellschaftsvertrag eingeschränkt werden, wie sich bereits aus Absatz 2 Satz 1 ergibt. Die Beschränkung auf einen wichtigen Grund ist dabei allein als Obergrenze anzusehen,54) womit weniger strenge Voraussetzungen wie z. B. das Vorliegen eines sachlichen Grundes ebenfalls möglich sind. Formulierungen im Gesellschaftsvertrag, die die Möglichkeit der Abberufung aus wichtigem Grund einschränken würden (z. B. Bestellung auf Lebenszeit, unwiderrufliche Bestellung), sind geltungserhaltend dahin zu reduzieren, dass die Abberufung auf einen wichtigen Grund beschränkt ist.55)

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Bei einem satzungsmäßigen Sonderrecht zur Geschäftsführung ist der Geschäftsführer nur mit seiner eigenen Zustimmung abzuberufen (§ 35 BGB analog), wobei aber das Widerrufsrecht aus wichtigem Grund unberührt bleibt (Näheres siehe Rn. 51).56) Wann ein solches echtes/statutarisches Sonderrecht vorliegt, ist durch Auslegung der Satzung zu ermitteln.57) Dabei reicht freilich die einfache Bestellung zum Geschäftsführer durch die Satzung nicht aus, ein solches Recht anzunehmen.58) Das Sonderrecht braucht aber auch nicht zwingend ausdrücklich in der Satzung geregelt zu sein.

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Eine Beschränkung der freien Widerruflichkeit außerhalb des Gesellschaftsvertrags macht eine abredewidrige Abberufung ohne wichtigen Grund nicht fehlerhaft.59) Ent_____________ 51) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 38 Rn. 22; allgemein zu Gesellschafterbeschlüssen BGH, ZIP 2003, 1293, 1294 = GmbHR 2003, 954 = DB 2003, 1619, dazu EWiR 2004, 23 (Kleindiek). 52) Daran ändert auch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH nichts, BGH, GmbHR 2016, 587 Rn. 19 = NZG 2016, 552 = NZI 2016, 702. 53) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 38 Rn. 3b. 54) BGH, GmbHR 1969, 154 = DB 1969, 1140 = NJW 1969, 1483. 55) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 38 Rn. 7. 56) BGH, WM 1962, 201; BGHZ 18, 207 = GmbHR 1969, 38 = WM 1968, 1350; Beschluss ist sonst unwirksam, vgl. BGHZ 48, 141, 143 = DB 1967, 1539 = NJW 1967, 2159. 57) BGH, WM 1981, 438, 439 = GmbHR 1982, 129; OLG Naumburg, NZG 2000, 608, 609. 58) BGHZ 18, 207 = GmbHR 1969, 38 = WM 1968, 1350; s. a. OLG Naumburg, NZG 2000, 608, 609. 59) OLG Hamm, GmbHR 2007, 442, 443; vgl. aber für eine Abrede mit sämtlichen Gesellschaftern in Bezug auf eine bestimmte Satzungsauslegung BGH, ZIP 1987, 293, 295 = GmbHR 1987, 94 = DB 1987, 323, dazu EWiR 1987, 53 (Riegger).

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sprechende schuldrechtliche Vereinbarungen (z. B. im Anstellungsvertrag) mit der Gesellschaft oder auch den Gesellschaftern sind zwar wirksam,60) verpflichteten den Vertragspartner bei vertragswidriger Abberufung aber nur zum Schadensersatz, der wegen des Vorrangs des Organisations- vor dem Vertragsrecht aber nicht auf Wiederbestellung gerichtet sein kann.61) Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht allein kann indessen eine Einschränkung des freien Widerrufs auch gegenüber dem Gesellschafter-Geschäftsführer nicht begründen.62) Der Gesellschafter-Geschäftsführer muss sich durch entsprechende Regelungen im Gesellschafts- oder Anstellungsvertrag vor den Nachteilen der Abberufung schützen. Die Rechtsprechung hat freilich in Einzelfällen anders entschieden.63)

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b) Gesetzliche Beschränkungen Insbesondere das Mitbestimmungsrecht verweist in § 31 Abs. 1 Satz 1 MitbestG, § 12 MontanMitbestG, § 13 Satz 1 MontanMitbestErgG für die Abberufung des Geschäftsführers auf § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG, sodass in den betroffenen Gesellschaften eine Abberufung nur aus wichtigem Grund möglich ist. 2.

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Wichtiger Grund

Ein wichtiger Grund für die Abberufung als Geschäftsführer liegt immer dann vor, wenn der weitere Verbleib des Geschäftsführers in seinem Amt der Gesellschaft bei Würdigung der Gesamtumstände nicht mehr zugemutet werden kann.64) Erforderlich ist jedenfalls eine umfassende Interessenabwägung, in die auch sämtliche amtsbezogene Interessen des Geschäftsführers am Verbleib in der Position zu berücksichtigen sind (z. B. Folgen der Abberufung, bisherige Verdienste).65) Für einen wichtigen Grund ist weder ein schuldhaftes Verhalten des Geschäftsführers erforderlich, noch muss der Gesellschaft ein Schaden entstanden sein.66) In der Gesamtabwägung können diese Umstände aber für das Vorliegen eines wichtigen Grundes sprechen, ebenso wie ein langjähriges, einwandfreies Verhalten des Geschäftsführers67) und eine nur noch kurze Laufzeit des Amtes bei befristeter Bestellung dagegen sprechen können.68) _____________ 60) BGH, ZIP 1983, 432 f. 61) Vgl. Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, Anh. § 6 Rn. 15 f. 62) Vgl. aber auch Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 38 Rn. 2 ff; für eine „Treuepflichtkontrolle“ auch Pentz, GmbHR 2017, 801, 812. 63) OLG Stuttgart, GmbHR 2013, 803, 807 = ZIP 2013, 2108 = NZG 2013, 1146; BGH, DStR 1994, 214, 216; eher abl. noch BGH, ZIP 1987, 293, 295 = GmbHR 1987, 94 = DB 1987, 323, dazu EWiR 1987, 53 (Riegger); ferner OLG Saarbrücken, GmbHR 2007, 143, 150 = ZIP 2007, 870 (LS); OLG Zweibrücken, NZG 2003, 931, 932 = GmbHR 2003, 1206 = NJW-RR 2003, 1398, dazu EWiR 2004, 233 (Trölitzsch); OLG Zweibrücken, NZG 1998, 385, 386 = GmbHR 1998, 373 = MDR 1998, 123. 64) BGH, GmbHR 1985, 256, 258 = WM 1985, 567 = AG 1985, 188, dazu EWiR 1985, 301 (Miller). 65) BGH, DStR 1994, 1746, 1748; für die AG: KG Berlin, AG 2007, 745, 746; s. hierzu auch Tschöpe/Wortmann, NZG 2009, 161, 162. 66) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 38 Rn. 20; Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 38 Rn. 44 f. 67) OLG Stuttgart, NJW-RR 1995, 295, 296 = GmbHR 1995, 229. 68) Für die AG BGH, WM 1962, 811, 812.

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Mehrere, einzeln betrachtet noch nicht wichtige Gründe können in ihrer Kumulierung einen wichtigen Grund ergeben.69) Liegt der wichtige Grund nicht in der Person des Geschäftsführers begründet, sondern z. B. in äußeren Umständen, so kann dies zunächst die Anwendung milderer Mittel erforderlich machen, wenn dies der Gesellschaft zur Wahrung ihrer Interessen genügt.70) Die Vorrangigkeit milderer Mittel (z. B. Anordnung von Gesamtvertretung) kommt auch aus Gesichtspunkten der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht dann zum Tragen, wenn es um die Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers geht, insbesondere wenn diesem ein Sonderrecht zur Geschäftsführung zusteht.71)

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Absatz 2 Satz 2 nennt mit der groben Pflichtverletzung und der Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung nur zwei Beispiele, bei denen ein wichtiger Grund typischerweise vorliegt. Andere Fälle sind aber ebenso denkbar. a) Grobe Pflichtverletzung

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Eine grobe Pflichtverletzung liegt insbesondere dann vor, wenn dem Geschäftsführer ein besonders intensiver Verstoß gegen die in § 43 aufgestellten Verhaltensregeln vorgeworfen werden kann.72) Für die Schwere des Verstoßes sind sowohl die objektiven Umstände als auch der Schuldvorwurf erheblich.73) Bei der GmbH & Co. KG ist eine entsprechende Pflichtverletzung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH gegenüber der KG für die Abberufung aus der Geschäftsführung der KomplementärGmbH ausreichend.74) Eine Beweislastumkehr, wie sie analog § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG für den Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer aus § 43 Abs. 2 angenommen wird, gilt für das Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht.75)

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Beispiele: Bestechung und Bestechlichkeit; keine Einreichung der Jahresabschlüsse beim Finanzamt und Verletzung von Buchführungspflichten;76) Missachtung von Weisungen; Missbrauch der Vertretungsmacht; Straftaten gegen Gesellschafter, andere Geschäftsführer oder Mitglieder des Aufsichtsrats (z. B. Beleidigung, Tätlichkeiten, Erpressung);77) Rufschädigung; Schädigungen des Gesellschaftsvermögens gleich welcher Art;78) Verstoß gegen die Geschäftschancenlehre; Verstoß gegen die Kompetenzordnung der Gesellschaft;79) Verstoß gegen die Pflicht zur Einberufung der _____________ 69) OLG Naumburg, NZG 2000, 44, 46. 70) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 38 Rn. 35. 71) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 38 Rn. 19; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 38 Rn. 67; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 38 Rn. 23; für die Ausschließung eines Gesellschafters einer OHG und die Übernahme dessen Anteils auch BGHZ 4, 108, 112 = GmbHR 1952, 58 = DB 1952, 184; a. A. Rowedder/Schmidt-LeithoffBaukelmann, GmbHG, § 38 Rn. 11. 72) OLG Saarbrücken, GmbHR 2007, 143, 146 f = ZIP 2007, 870 (LS). 73) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 38 Rn. 37. 74) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Baukelmann, GmbHG, § 38 Rn. 40; a. A. KG Berlin, BeckRS 2014, 16706. 75) Tschöpe/Wortmann, NZG 2009, 161, 163. 76) BGH, ZIP 2009, 513, 514 = GmbHR 2009, 434 = DB 2009, 557. 77) BGH, DStR 1994, 1746, 1748. 78) OLG Düsseldorf, GmbHR 1999, 543, 546. 79) OLG München, DB 2009, 1231, 1233.

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Widerruf der Bestellung

Gesellschafterversammlung; Verstoß gegen Wettbewerbsverbote; Vorbereitung einer Kapitalerhöhung zum Nachteil der herrschenden Gesellschaft.80) b) Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung Die Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung kann sich aus allen nur erdenklichen Gründen ergeben. In Betracht kommt z. B. mangelnde Eignung für die Geschäftsführung. Diese kann auf mangelnden Kenntnissen, andauernder Krankheit oder auch auf mangelnder persönlicher Eignung beruhen.

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c) Weitere wichtige Gründe Einen wichtigen Grund stellt bei Existenz mehrerer Geschäftsführer ein tiefgreifendes Zerwürfnis zwischen den Geschäftsführern dar. Ein solches liegt dann vor, wenn die Zusammenarbeit unter diesen nicht mehr möglich erscheint, wobei jeder abberufen werden kann, der zu diesem Zerwürfnis einen Beitrag geleistet hat, der weder schuldhaft noch überwiegend für das Zerwürfnis ausschlaggebend gewesen sein muss.81)

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Ernsthafte Verdachtsmomente in Bezug auf einen Sachverhalt (etwa eine Pflichtverletzung), der bei seinem Vorliegen einen wichtigen Grund darstellen würde (sog. „Verdachtsabberufung“), begründen ebenfalls einen wichtigen Grund.82) Ähnlich wie bei der Verdachtskündigung muss es sich aber um hinreichend schwere Verstöße handeln und eine Aufklärung darf nicht zu erreichen sein. Erforderlich ist zwingend eine vorherige Anhörung des Geschäftsführers zu diesem Verdacht.83)

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Auch der Druck durch Dritte, die auf eine Abberufung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft drängen, kann dazu führen, dass dieser aus einem hierin liegenden wichtigen Grund abberufen werden kann.84) Allerdings kann hierzu aus Missbrauchsgründen nicht jeder kleine Nachteil genügen, der der Gesellschaft im Falle der Nichtabberufung in Aussicht gestellt wird. Vielmehr sind erhebliche Nachteile wie etwa die Gefährdung der Existenz der Gesellschaft zu fordern.85)

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d) Keine wichtigen Gründe In der AG stellt nach § 84 Abs. 3 Satz 2 Fall 3 AktG der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung einen wichtigen Grund zur Abberufung des Vorstands dar. Diese Regelung lässt sich nicht auf die GmbH übertragen. Der Entzug des Vertrauens durch die Gesellschafterversammlung stellt selbst dann keinen wichtigen Grund dar, _____________ 80) OLG Nürnberg, NZG 2000, 700, 703. 81) OLG Stuttgart, GmbHR 2013, 414, 422 f = ZWH 2013, 416; BGH, ZIP 2009, 513, 515 Rn. 15 = GmbHR 2009, 434 = DB 2009, 557; BGH, ZIP 1992, 760, 761 = GmbHR 1992, 299 = DB 1992, 983, dazu EWiR 1992, 1001 (Bork); OLG Brandenburg, NZG 2009, 269, 270; gilt aber nicht bei Zerwürfnis mit anderen Gesellschaftern, die nicht Geschäftsführer sind, Grunewald in: FS Zöllner, S. 177, 182. 82) OLG Stuttgart, GmbHR 2006, 1258, 1260 = DB 2007, 48. 83) Tschöpe/Wortmann, NZG 2009, 161, 163. 84) Für AG bei Druck durch die Bank und Insolvenzreife der Gesellschaft BGH, ZIP 2007, 119 = DB 2007, 158 = NJW-RR 2007, 389, dazu EWiR 2007, 161 (S. Krüger/Achsnick); insgesamt zur Abberufung auf Druck Dritter s. a. Fleischer, DStR 2006, 1507 ff. 85) Für die AG vgl. Fleischer, DStR 2006, 1507, 1511 f.

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wenn sachliche Gründe hierfür vorliegen. Anders liegt es nur in der mitbestimmten GmbH, wenn für die Abberufung des Geschäftsführers auf § 84 AktG verwiesen wird (§ 31 Abs. 1 MitbestG, § 12 MontanMitbestG und § 13 Satz 1 MontanMitbestErgG). Eine Anerkennung als wichtiger Grund würde einer freien Widerruflichkeit gleichkommen.86) Ein wichtiger Grund ist vielmehr nur dann gegeben, wenn die Gründe für den Vertrauensentzug selbst wichtige Gründe darstellen.87) 36

Ebenso wenig liegt ein wichtiger Grund zur Abberufung in Verfehlungen des Geschäftsführers im persönlichen Lebensbereich (z. B. Überschuldung), es sei denn, diese haben ausnahmsweise Auswirkungen auf den geschäftlichen Bereich der Gesellschaft und beeinträchtigen die Aufgabenerfüllung des Geschäftsführers.88) Eine Nebentätigkeit des Geschäftsführers ohne entsprechende Genehmigung durch die Gesellschaft reicht regelmäßig nicht für einen wichtigen Grund aus.89) 3.

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Frist

Die Abberufung aus wichtigem Grund unterfällt nicht wie die Kündigung des Anstellungsverhältnisses der starren Frist des § 626 Abs. 2 BGB.90) Vielmehr unterfällt sie keiner Frist, sondern kann nur aufgrund Verwirkung ausgeschlossen sein. Hierfür ist jedenfalls ein Verhalten der Gesellschaft erforderlich, aufgrund dessen der Geschäftsführer nach Treu und Glauben annehmen durfte, die Gesellschaft werde ihn nicht wegen des ihr bekannten wichtigen Grundes abberufen.91) Die Phase der Untätigkeit der Gesellschaft muss zur Annahme einer Verwirkung aber deutlich länger als die zwei Wochen des § 626 Abs. 2 BGB sein. Im Regelfall müssen zum Verstreichen von Zeit auch noch weitere besondere Umstände hinzutreten, die eine entsprechende Annahme stützen können.92) Ein Widerruf ist außerdem aus dem gleichen Grund dann ausgeschlossen, wenn der Gesellschaft bei Bestellung, Wiederbestellung oder erneuter Bestellung (nach vorübergehendem Ausscheiden) der wichtige Grund bereits bekannt war und die Bestellung trotzdem erfolgte.93) IV. Wirkungen des Widerrufsbeschlusses

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Durch die wirksame Abberufung verliert der Geschäftsführer seine Stellung als Geschäftsführer und somit seine Geschäftsführungsbefugnis und auch Vertretungsmacht mit Wirkung ex nunc (insbesondere zur Gesamtvertretung siehe § 35 Rn. 31 [Jacoby]). Mit Ausnahme der Verschwiegenheitspflicht und Auskunftspflicht in Sachverhalten, _____________ 86) OLG Saarbrücken, GmbHR 2007, 143, 147 = ZIP 2007, 870 (LS); OLG Hamm, GmbHR 1989, 257, 258. 87) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 38 Rn. 22. 88) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 38 Rn. 14; s. a. für die OHG BGHZ 4, 108, 114 = GmbHR 1952, 58 = DB 1952, 184. 89) Für die AG KG Berlin, AG 2007, 745, 746. 90) OLG Stuttgart, GmbHR 2006, 1258, 1260; OLG Naumburg, NZG 2000, 44, 47; OLG Düsseldorf, GmbHR 2000, 1050, 1055 = DB 2000, 1956 = NZG 2000, 1135. 91) BGH, ZIP 1993, 1228, 1229 = GmbHR 1993, 579 = DB 1993, 1814, dazu EWiR 1993, 1209 (Günther); BGH, ZIP 1992, 32, 33 = GmbHR 1992, 38 = DB 1992, 260, dazu EWiR 1992, 61 (Fleck). 92) BGH, ZIP 1992, 32, 36 = GmbHR 1992, 38 = DB 1992, 260, dazu EWiR 1992, 61 (Fleck). 93) BGH, ZIP 1993, 1228, 1229 f = GmbHR 1993, 579 = DB 1993, 1814 dazu EWiR 1993, 1209 (Günther).

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in denen nur der abberufene Geschäftsführer Auskunft gegeben kann, wird er von den Verpflichtungen eines Geschäftsführers frei. Die Abberufung bedarf der – freilich nur deklaratorischen – Eintragung in das Handelsregister (§ 39 Abs. 1). Solange die Abberufung noch nicht eingetragen wurde, kann sich ein Geschäftspartner der GmbH gemäß § 15 Abs. 1 HGB auf die Vertretungsberechtigung berufen. Dies soll auch dann gelten, wenn dem Geschäftspartner die Abberufung durch die Gesellschafterversammlung bekannt war, er sich aber ihrer Wirksamkeit wegen einer erhobenen Klage nicht gewiss sein konnte.94) 1.

Grundlagen der Beschlusswirksamkeit

Die Wirksamkeit des Widerrufbeschlusses und damit die Entscheidung, wann die Wirkungen der Abberufung eintreten, richtet sich im Grundsatz nach den zwar gesetzlich nicht geregelten, aber anerkannten Grundsätzen der Lehre von den Beschlussmängeln (siehe § 47 Rn. 62 ff [Casper]). Diese Grundsätze gehen dahin, die Regelungen des Aktienrechts über die Beschlussmängel (§§ 241 ff AktG) analog anzuwenden.95)

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Die Existenz eines Beschlusses verlangt dementsprechend zunächst, dass ein Beschlussergebnis eindeutig feststellbar ist.96) Diese Voraussetzung erfüllt insbesondere die förmliche Feststellung des Beschlussergebnisses durch einen feststellungsberechtigten Versammlungsleiter.97) Wenn indessen das Beschlussergebnis durch den Versammlungsleiter nicht förmlich festgestellt wurde und Streit über dieses besteht, kann die Abberufung erst wirksam werden, wenn die Feststellung (im Wege der positiven Beschlussfeststellungsklage)98) nachgeholt wird.

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Festgestellte Beschlüsse sind wirksam, wenn sie nicht nichtig oder im Anfechtungsklageverfahren (siehe Rn. 53) für unwirksam erklärt worden sind.99) Insoweit gelten, was die Beschlussfehler betrifft, die allgemeinen Grundsätze.

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2.

Streit um Existenz eines wichtigen Grundes

Ist die Abberufung vom Vorliegen eines wichtigen Grundes abhängig, ist diese Abberufungsvoraussetzung innerhalb der allgemeinen Beschlussfehlerlehre zu verorten.100) Drei Möglichkeiten bestehen.101) Der wichtige Grund kann erstens eine selbstständige Voraussetzung des Abberufungstatbestands darstellen, ohne dessen Vorliegen die Abberufung nicht wirksam ist. Die Wirksamkeit des Abberufungsbeschlusses hängt _____________ 94) OLG Oldenburg, ZIP 2011, 175 = GmbHR 2010, 1093 = ZInsO 2010, 1611, dazu EWiR 2011, 283 (Schodder). 95) BGHZ 104, 66, 69 ff = ZIP 1988, 703, 704 = GmbHR 1988, 304. 96) BGH, ZIP 2008, 757, 758 Rn. 24 = GmbHR 2008, 426 = DB 2008, 754. 97) BGH, ZIP 2008, 757, 758 Rn. 24 = GmbHR 2008, 426 = DB 2008, 754; OLG Köln, GmbHR 2002, 913, 914 f = NZG 2003, 40. 98) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 1. 99) BGHZ 104, 66, 69 ff = ZIP 1988, 703, 704 = GmbHR 1988, 304; BGH, ZIP 2008, 757, 758 Rn. 24 = GmbHR 2008, 426 = DB 2008, 754; BGH, ZIP 1995, 1982 m. Anm. Kort, ZIP 1996, 109 = GmbHR 1996, 47 = NJW 1996, 259. 100) Jacoby, Das private Amt, S. 520 ff. 101) Grundlegend BGHZ 86, 177 ff = ZIP 1983, 155 = GmbHR 1983, 149.

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dann davon ab, ob der wichtige Grund tatsächlich vorliegt.102) In vielen Fällen wird diese Frage allerdings zwischen den Beteiligten umstritten sein. Folge ist damit Rechtsunsicherheit, ob die Abberufung Wirkungen entfaltet oder nicht. 43

Um indessen Rechtssicherheit zu gewährleisten, bieten sich zwei Alternativen an: Entweder macht zweitens nach dem Modell des § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG das Fehlen des wichtigen Grundes die Entscheidung nur anfechtbar. Der festgestellte Beschluss ist dann also wirksam, solange er nicht im Anfechtungsklageverfahren wegen Fehlens eines wichtigen Grundes für unwirksam erklärt wird. Oder drittens kann umgekehrt nach dem Modell von §§ 117, 127 HGB für die Wirksamkeit der Abberufung notwendig sein, dass der wichtige Grund gerichtlich festgestellt wird. Dann bleibt der Abberufungsbeschluss zunächst ohne Wirkung, bis das Gericht festgestellt hat, dass die Abberufung aufgrund eines wichtigen Grundes erfolgte.

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Die Konstellationen in der GmbH sind so vielgestaltig, dass eine pauschale Lösung nach einer der dargestellten Möglichkeiten ausscheidet. Vielmehr ist nach der Verfassung der GmbH und der Rechtsstellung des Geschäftsführers wie folgt zu unterscheiden: a) Grundsatz: Bloße Anfechtbarkeit

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Im Grundsatz macht das Fehlen eines wichtigen Grundes den Beschluss nur fehlerhaft und damit anfechtbar. Der Beschluss ist also auch bei objektivem Fehlen des hinreichenden Grundes wirksam, solange er nicht auf eine Anfechtungsklage hin für unwirksam erklärt wird.

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Diese Rechtsfolge kann sich zunächst für Abberufungsbeschlüsse des Aufsichtsrats aus § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG ergeben, wenn diese Regelung wie insbesondere in der mitbestimmten GmbH nach § 31 Abs. 1 MitbestG, § 12 MontanMitbestG und § 13 Satz 1 MontanMitbestErgG entsprechend anwendbar ist. Zwar sind die §§ 241 ff AktG auf Beschlüsse des Aufsichtsrats jedenfalls nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht analog anwendbar, sodass fehlerhafte Aufsichtsratsbeschlüsse grundsätzlich unwirksam sind.103) Von diesem Grundsatz macht § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG aber im Interesse der Rechtssicherheit eine Ausnahme für den Abberufungsbeschluss.

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Im Interesse der Rechtssicherheit gilt dieser Grundsatz indessen auch darüber hinaus. Denn die Bindung der Abberufung an einen wichtigen Grund wirkt – von Ausnahmen abgesehen – nur im Verhältnis der Gesellschafter untereinander. In diesem trägt aber die allgemeine Beschlussmängellehre gerade dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit in der Weise Rechnung, dass Mängel des Beschlusses nur Anfechtbarkeit, nicht aber Nichtigkeit nach sich ziehen. Folglich gilt der Grundsatz der Anfechtbarkeit insbesondere für den Fremdgeschäftsführer,104) aber auch für den Gesellschafter-Geschäftsfüh_____________ 102) Beschrieben wird diese Möglichkeit vielfach dahin, dass die materielle Rechtslage maßgeblich sei, s. insbesondere BGHZ 86, 177 ff = ZIP 1983, 155 = GmbHR 1983, 149. 103) BGHZ 122, 342, 346 ff = ZIP 1993, 1079 = DB 1993, 1609, dazu EWiR 1993, 809 (Rittner); BGHZ 164, 249 = ZIP 2005, 2207 = NJW 2006, 374, dazu EWiR 2006, 65 (Hirte). 104) OLG Hamm, NZG 2002, 50, 51 = GmbHR 2002, 327; so auch Lutter/HommelhoffKleindiek, GmbHG, § 38 Rn. 27; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 38 Rn. 52; i. E. Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 38 Rn. 209.

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rer, der nicht mindestens die Hälfte der Geschäftsanteile hält (sonst siehe Rn. 48 ff)105) und dem ein Sonderrecht auf die Geschäftsführung nicht eingeräumt wurde (sonst siehe Rn. 51). b) Ausnahme 1: Schwebelage abhängig vom tatsächlichen Vorliegen Einen Ausnahmefall hat der Bundesgerichtshof in seiner Grundsatzentscheidung vom 20.12.1982 für den Fall angenommen, dass der abberufene Gesellschafter-Geschäftsführer wie sein Mitgesellschafter je zur Hälfte an der Gesellschaft beteiligt war.106) Zu dieser Ausnahme zwingen die Folgen des Stimmverbots, das jeden Gesellschafter trifft, wenn über seine Abberufung aus wichtigem Grund abgestimmt wird (siehe Rn. 15). Angesichts dieses Stimmverbots würde allein die Behauptung eines wichtigen Grundes die Möglichkeit eröffnen, den Gesellschafter-Geschäftsführer abzuberufen, obwohl er angesichts der aus seiner Beteiligung folgenden Stimmkraft vor einer Abberufung geschützt ist.

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Zu Recht formuliert der Bundesgerichtshof den Ausnahmetatbestand dahin, dass die Wirksamkeit der Abberufung davon abhängt, ob der wichtige Grund besteht oder nicht.107) Die dadurch eintretende Rechtsunsicherheit ist hinzunehmen. Die Gesellschafter können das Verhältnis untereinander durch die Inanspruchnahme eiligen Rechtsschutzes (siehe Rn. 56 ff) einstweilen regeln. Der Rechtsverkehr ist durch § 15 Abs. 1 HGB geschützt. Zu einer Eintragung der Abberufung wird es während der Schwebephase nicht kommen.108) Zwar ist die Stellung des Eintragungsantrags möglich, das Registergericht wird aber das Verfahren über den Eintragungsantrag bis zur Klärung der Streitigkeit unter den Gesellschaftern nach §§ 381, 21 FamFG aussetzen (siehe § 39 Rn. 12 [Jacoby]).109)

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Der vom Bundesgerichtshof beschriebene Ausnahmetatbestand ist nicht auf die Zweipersonengesellschaft beschränkt.110) Jeder Gesellschafter-Geschäftsführer, der mindestens über die Hälfte der Stimmen verfügt, ist in der bezeichneten Weise bedroht, durch die bloße Behauptung des wichtigen Grundes entmachtet zu werden. Daher muss in solchen Konstellationen stets gelten, dass die Wirksamkeit der Abberufung vom Bestehen eines wichtigen Grundes abhängt.

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c) Ausnahme 2: Wirksamkeit erst mit gerichtlicher Feststellung Noch stärker ist die Stellung, wenn dem Gesellschafter-Geschäftsführer ein Sonderrecht auf die Geschäftsführung durch den Gesellschaftsvertrag eingeräumt wurde. Hier ist wie bei §§ 117, 127 HGB von einem einstweiligen Fortbestand der Geschäfts_____________ 105) OLG Hamm, NZG 2002, 50, 51 = GmbHR 2002, 327; so auch Lutter/HommelhoffKleindiek, GmbHG, § 38 Rn. 30; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noak, GmbHG, § 38 Rn. 66; i. E. auch Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 38 Rn. 210; a. A. für den Gesellschafter-Geschäftsführer egal welcher Beteiligungshöhe Grunewald in: FS Zöllner Bd. 1, S. 171, 185 f, die in Anlehnung an §§ 117, 127 HGB die Abberufung erst mit entspr. Urteil sieht. 106) BGHZ 86, 177, 181 f, = ZIP 1983, 155 = GmbHR 1983, 149. 107) BGHZ 86, 177, 182 = ZIP 1983, 155 = GmbHR 1983, 149. 108) Vgl. Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 38 Rn. 31. 109) Vgl. Bork/Jacoby/Schwab-Müther, FamFG, § 381 Rn. 5. 110) Heller, GmbHR 2002, 1227, 1228.

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führerstellung bis zu einer gerichtlichen Entscheidung über das Vorliegen des wichtigen Grundes auszugehen.111) Dieses Ergebnis trägt dem Umstand Rechnung, dass der Gesellschafter ohne seine Zustimmung sein Recht nicht verliert (§ 35 BGB), seine Zustimmung aber wie im Falle des § 894 ZPO erst durch gerichtliche Entscheidung gegen seinen Willen fingiert werden kann. V. Rechtsschutz 52

In Bezug auf die Abberufung von GmbH-Geschäftsführern kann um Rechtschutz sowohl im Hauptsacheverfahren als auch durch einstweilige Verfügung nachgesucht werden. 1.

Hauptsache

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Gegen einen festgestellten Abberufungsbeschluss ist grundsätzlich die Anfechtungsund Nichtigkeitsklage gemäß §§ 246, 249 AktG analog statthaft. Diese Klage steht jedem Gesellschafter zu. Der Fremdgeschäftsführer ist indessen nicht anfechtungsbefugt, sofern nicht ein von § 245 Nr. 5 AktG analog erfasster Ausnahmefall gegeben ist.112) Die Klagefrist des § 246 Abs. 1 AktG von einem Monat gilt grundsätzlich auch im GmbH-Recht, wenn nicht in der Satzung etwas anderes bestimmt ist.113)

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Wurde kein Beschluss festgestellt (siehe Rn. 40) scheidet mangels Klagegegenstand die Anfechtungsklage aus.114) Es besteht aber die Möglichkeit, im Wege der Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO den Inhalt des gefassten Beschlusses feststellen zu lassen.115) Diese Klage verlangt nur Feststellungsinteresse, sodass sie auch dem Fremdgeschäftsführer zusteht. Sie kann auch ohne jede Frist erhoben werden, da nur ihre Verwirkung droht.116)

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Bei einer Abberufung aus wichtigem Grund können wie bei der außerordentlichen Kündigung des Anstellungsverhältnisses seitens der Gesellschaft im Prozess noch weitere wichtige Gründe nachgeschoben werden, wenn diese bereits zum Zeitpunkt der Abberufung des Geschäftsführers vorgelegen haben.117) Dies gilt allerdings ohne erneuten Beschluss durch die Gesellschafterversammlung nur dann, wenn die die Ge_____________ 111) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 38 Rn. 34; Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 38 Rn. 66; Tschöpe/Wortmann, NZG 2009, 161, 167. 112) BGH, ZIP 2008, 757, 759 Rn. 26, 34 = GmbHR 2008, 426 = DB 2008, 754. 113) BGH, ZIP 2009, 1880 = GmbHR 2009, 1101 = DStR 2009, 2113. 114) BGH, ZIP 2008, 757, 758 Rn. 22 = GmbHR 2008, 426 = DB 2008, 754; BGH, ZIP 1999, 656 m. krit. Anm. Schantl, S. 657, 658 = GmbHR 1999, 477 = DB 1999, 956, dazu EWiR 1999, 753 (Kirberger). 115) BGH, ZIP 2008, 757, 758 Rn. 22 = GmbHR 2008, 426 = DB 2008, 754; BGH, ZIP 1999, 656 m. krit. Anm. Schantl, S. 657 = GmbHR 1999, 477 = DB 1999, 956, dazu EWiR 1999, 753 (Kirberger). 116) BGH, ZIP 1999, 656, 657 m. krit. Anm. Schantl, S. 657 = GmbHR 1999, 477 = DB 1999, 956, dazu EWiR 1999, 753 (Kirberger); für Notwendigkeit zeitnaher Erhebung noch OLG Zweibrücken, GmbHR 1999, 79, 80 f. 117) BGH, ZIP 1992, 32, 35 = GmbHR 1992, 38 = DB 1992, 260, dazu EWiR 1992, 61 (Fleck); für das Anstellungsverhältnis s. a. BGHZ 157, 151 = ZIP 2004, 92, 93 f = GmbHR 2004, 182, dazu EWiR 2004, 97 (Ziemons); zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt sowie der Darlegungs- und Beweislast BGH GmbHR 2017, 701 Rn. 14 = WM 2017, 1014 = NZG 2017, 700.

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§ 38

Widerruf der Bestellung

sellschaft im Prozess vertretenden Personen mit denen der abstimmungsberechtigten Personen in der Gesellschafterversammlung identisch sind, wie z. B. in der Zweimann-GmbH.118) 2.

Einstweiliger Rechtsschutz

Die Zulässigkeit einstweiligen Rechtsschutzes wird in großem Umfang bejaht. Insbesondere zur Überwindung der oft entstehenden Schwebelagen (siehe Rn. 49) ist der einstweilige Rechtsschutz unverzichtbar. Inhaltlich kann die einstweilige Verfügung, erwirkt durch die Gesellschaft oder die (anderen) Gesellschafter,119) vor allem auf Tätigkeitsverbote, Zutrittsverbote, Einsichtsverbote, Herausgabe oder den Entzug der Geschäftsführungs- oder Vertretungsbefugnisse gerichtet sein.120) Auch die Abberufung selbst kann einstweilig erwirkt werden, dies freilich jedoch nur dann, wenn weniger gravierende Maßnahmen nicht wirkungsvoll genug sind, um Schaden von der GmbH fernzuhalten.121) Sucht hingegen der Geschäftsführer einstweiligen Rechtsschutz, so kann er seine weitere Tätigkeit als Geschäftsführer etwa durch Zugangserlaubnisse, Einsichtsrechte oder aber auch das Verbot der Anmeldung der Abberufung in das Handelsregister absichern.122)

56

Denkbar ist einstweiliger Rechtsschutz in allen Phasen des Abberufungsverfahrens, wobei teilweise unterschiedlich strenge Anforderung bestehen. So wird zwar mittlerweile die Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes gegen ein bestimmtes Abstimmungsverhalten im Vorfeld der Beschlussfassung akzeptiert (Verbot in einer bestimmten Weise abzustimmen), jedoch nur dann, wenn eine eindeutige Rechtslage gegeben ist oder eine besonders schwerwiegende Beeinträchtigung des Verfügungsklägers droht.123) Bereits vor Beschlussfassung ist auch eine einstweilige Verfügung gegen den noch amtierenden Geschäftsführer möglich, gerichtet auf ein Geschäftsführungs- und Vertretungsverbot.124) Dagegen ist einstweiliger Rechtsschutz nicht mit dem Ziel möglich, bereits die Gesellschafterversammlung zu verhindern, in der über die Abberufung entschieden werden soll.125)

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Einschränkungen des einstweiligen Rechtsschutzes bestehen für den Fremdgeschäftsführer.126) Da dieser in der Hauptsache nicht klagebefugt ist (siehe Rn. 53), steht ihm auch der einstweilige Rechtsschutz nicht zu. Das gilt selbst dann, wenn in der Hauptsache ein Gesellschafter gegen die Abberufung vorgegangen ist, dieser aber

58

_____________ 118) BGH, ZIP 1992, 32, 35 f = GmbHR 1992, 38 = DB 1992, 260, dazu EWiR 1992, 61 (Fleck). 119) OLG Karlsruhe, NJW-RR 1993, 1505, 1506 = GmbHR 1993, 154. 120) OLG Jena GmbHR 2015, 1267, 1268; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 38 Rn. 75; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 38 Rn. 37. 121) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 38 Rn. 75; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 38 Rn. 37; Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 38 Rn. 80. 122) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 38 Rn. 37. 123) OLG München, NZG 1999, 407 = GmbHR 1999, 718; OLG Frankfurt/M., GmbHR 1993, 161, 162. 124) OLG Frankfurt/M., NZG 1999, 213 = GmbHR 1998, 1126; s. a. Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 38 Rn. 72. 125) OLG Jena, NZG 2002, 89, dazu EWiR 2002, 411 (Werner). 126) OLG Hamm, NZG 2002, 50 = GmbHR 2002, 327.

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§ 39

Anmeldung der Geschäftsführer

kein einstweiliges Verfahren eingeleitet hat.127) Nicht möglich ist außerdem einseitiger einstweiliger Rechtsschutz, wenn sich die Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, an der diese je hälftig beteiligt sind, gegenseitig aus wichtigem Grund abberufen haben und der wichtige Grund voraussichtlich bei beiden Geschäftsführern vorlag.128) 3. 59

Vertretung

Die GmbH wird sowohl im Hauptsacheverfahren als auch im einstweiligen Rechtsschutz bei Bestehen eines Aufsichtsrats durch diesen vertreten (§ 52 Abs. 1 i. V. m. § 112 AktG).129) Ansonsten besteht zwar die Möglichkeit für die Gesellschafterversammlung, nach § 46 Nr. 8 selbst bzw. durch einen besonderen Prozessvertreter tätig zu werden, eine Pflicht hierzu existiert jedoch nicht.130) Wenn die Gesellschafterversammlung diese Möglichkeit nicht nutzt, wird die GmbH durch ihre Geschäftsführer vertreten, und zwar durch diejenigen, die bei Obsiegen der GmbH als Geschäftsführer anzusehen wären.131) _____________ 127) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 38 Rn. 226. 128) OLG Düsseldorf, NJW 1989, 172, 173 = GmbHR 1988, 484 = WM 1988, 1532; s. a. Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 38 Rn. 38. 129) OLG München, NZG 2003, 634, 635 = GmbHR 2003, 841 = NJW-RR 2003, 983. 130) BGH, ZIP 1992, 760, 761 = GmbHR 1992, 299 = DB 1992, 983, dazu EWiR 1992, 1001 (Bork); a. A. OLG Karlsruhe, NJW-RR 1993, 1505, 1506 = GmbHR 1993, 154. 131) OLG Köln, NZG 2003, 395, 396 = NJW-RR 2003, 758 = NZI 2003, 464; OLG Hamm, GmbHR 1993, 743, 745.

§ 39 Anmeldung der Geschäftsführer Florian Jacoby

(1) Jede Änderung in den Personen der Geschäftsführer sowie die Beendigung der Vertretungsbefugnis eines Geschäftsführers ist zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. (2) Der Anmeldung sind die Urkunden über die Bestellung der Geschäftsführer oder über die Beendigung der Vertretungsbefugnis in Urschrift oder öffentlich beglaubigter Abschrift beizufügen. (3) 1Die neuen Geschäftsführer haben in der Anmeldung zu versichern, dass keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 sowie Satz 3 entgegenstehen und dass sie über ihre unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht belehrt worden sind. 2§ 8 Abs. 3 Satz 2 ist anzuwenden. Literatur: van Venrooy, Bestellung und Funktion von Stellvertretenden Geschäftsführern, GmbHR 2010, 169. Übersicht I.

Anmeldepflichtige Ereignisse (Abs. 1) .................................................. 1. Änderungen in den Personen der Geschäftsführer ..................................... 2. Beendigung der Vertretungsbefugnis ..... 3. Ausnahmen ............................................ II. Der Anmeldevorgang ..........................

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1 2 4 5 6

1. 2. 3. 4. 5.

Anmeldebefugnis .................................. 6 Einzureichende Unterlagen (Abs. 2) .................................................. 8 Versicherung nach Abs. 3 ................... 10 Prüfungskompetenz des Registergerichts ................................................. 11 Rechtsschutz ....................................... 13

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§ 39

Anmeldung der Geschäftsführer

I.

Anmeldepflichtige Ereignisse (Abs. 1)

§ 39 setzt die Anmeldepflichten von § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 Nr. 2, § 10 Abs. 1 in Bezug auf das Geschäftsführeramt fort und soll dafür sorgen, dass das Handelsregister auch nach Gründung korrekte Angaben über die Personen der Geschäftsführer und ihrer Vertretungsbefugnisse macht. Die Eintragung wirkt nur deklaratorisch.1) Wird die Anmeldung unterlassen, können sich Geschäftspartner auf die Wirkungen der negativen Publizität des Handelsregisters nach § 15 Abs. 1 HGB gegenüber der eintragungspflichtigen Gesellschaft berufen. 1.

1

Änderungen in den Personen der Geschäftsführer

Anmeldepflichtig ist sowohl die Neubestellung zum Geschäftsführer als auch die Beendigung des Geschäftsführeramtes. Unter Neubestellung fällt mangels Änderung bei den relevanten Aspekten nicht die Wiederbestellung bei vorher befristeter Bestellung,2) jedoch die Bestellung eines Notgeschäftsführers3) und die Bestellung von Stellvertretern nach § 44.4) Nicht möglich ist eine Anmeldung für die Zukunft bei noch nicht erfolgter Bestellung,5) zulässig aber eine Anmeldung nach erfolgter Bestellung unter Nennung des Amtsbeginns.6) Die Beendigung, gleich durch welches Ereignis eingetreten (siehe § 38 Rn. 2 ff [Jacoby]), ist immer einzutragen. Dies gilt selbst dann, wenn die Bestellung vorher (pflichtwidrig) nicht eingetragen wurde.7) Keine Pflicht zur Anmeldung besteht, wenn die eingetragene Bestellung von Anfang an nichtig war.8)

2

Auch Änderungen, die bloß die Person des Geschäftsführers betreffen, können anmeldepflichtig sein. Dies gilt unstrittig für Namensänderungen inkl. Namensbestandteil bildender Titel.9) Nur eintragungsfähig sind hingegen alle anderen Titel sowie der Beruf und der Wohnort des Geschäftsführers.10)

3

2.

Beendigung der Vertretungsbefugnis

Die vom Wortlaut des Absatzes 1 geforderte Beendigung der Vertretungsbefugnis tritt wegen § 37 Abs. 2 Satz 1 nur bei Beendigung des Geschäftsführeramtes ein. Es _____________ 1) BGH, ZIP 1995, 1983, 1985 = GmbHR 1996, 49 = DB 1996, 31, dazu EWiR 1996, 75 (Kort). 2) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 39 Rn. 24, Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbH, § 39 Rn. 2; Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 39 Rn. 1a. 3) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbH, § 39 Rn. 2; Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 39 Rn. 2. 4) Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 39 Rn. 2; van Venrooy, GmbHR 2010, 169, 175 f. 5) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 39 Rn. 2; s. a. OLG Düsseldorf, NZG 2000, 262, 263 = GmbHR 2000, 232 = DB 2000, 316. 6) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, § 39 Rn. 3. 7) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbH, § 39 Rn. 2; OLG Köln, ZIP 2015, 1831 = GmbhR 2015, 1156; in die gleiche Richtung schon BayObLG, GmbHR 1992, 304, 306 = DB 1991, 1976 = BB 1991, 1729, dazu EWiR 1991, 991 (Winkler); bloße Empfehlung hierzu Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 39 Rn. 3. 8) KG Berlin, NJW-RR 1999, 1341, 1342 = GmbHR 1999, 861 = BB 1999, 1291 mit Verweis auf das Amtslöschungsverfahren (§ 395 FamFG). 9) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 39 Rn. 2; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbH, § 39 Rn. 3; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, § 39 Rn. 5. 10) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 39 Rn. 4; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbH, § 39 Rn. 3; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, § 39 Rn. 5.

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§ 39

Anmeldung der Geschäftsführer

besteht jedoch Einigkeit darüber, dass auch bloße Änderungen in der Reichweite der Vertretungsbefugnis anmeldepflichtig sind.11) Daher sind eintragungspflichtig namentlich Änderungen bestehender Gesamt- oder Einzelvertretungsbefugnisse und Befreiungen vom Verbot des Selbstkontrahierens.12) Indessen ist eine Ermächtigung unter Gesamtvertretern (siehe § 35 Rn. 27 [Jacoby]) nicht eintragungsfähig.13) 3. 5

Ausnahmen

Eine die Vertretungsbefugnis betreffende Veränderung unterfällt ausnahmsweise nicht der Anmeldepflicht, wenn diese wie bei Anordnung von Einzel- oder Gesamtvertretung auf einer Satzungsänderung beruht. Dann verdrängt die nach § 54 Abs. 1 erforderliche Anmeldung dieser Satzungsänderung eine Anmeldung nach Absatz 1. Diese Ausnahme setzt allerdings voraus, dass sich die Vertretungsänderung unmittelbar aus dem ausdrücklichen Inhalt der Satzungsänderung ergibt.14) II. Der Anmeldevorgang 1.

Anmeldebefugnis

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Anmeldepflichtig ist die Gesellschaft. Die Anmeldung wird durch die Geschäftsführer durchgeführt, die aber nach § 78 Fall 1 nicht alle, sondern nur in vertretungsberechtigter Zahl handeln müssen. Auch ist unechte Gesamtvertretung mit einem Prokuristen zulässig,15) ein Prokurist allein kann hingegen keine Anmeldung vornehmen.16) Der Insolvenzverwalter kann nur dann selbst anmelden, wenn keine Geschäftsführer mehr existieren.17) Die Geschäftsführer bleiben auch nach der Insolvenzeröffnung verpflichtet und berechtigt, können sich also nicht etwa auf die für die Insolvenzmasse entstehenden Kosten berufen.18) Andere Personen können vertreten, benötigen dafür aber eine gesonderte, nach § 12 Abs. 1 Satz 2 HGB öffentlich beglaubigte Vollmacht.

7

Da die Eintragung nur deklaratorisch ist, kann ein neu bestellter Geschäftsführer bereits die Anmeldung selbst durchführen. Ein ausgeschiedener Geschäftsführer ist hingegen nicht mehr zur Anmeldung befugt, sofern nicht die Beendigung seines Amtes bis zur Anmeldung der Eintragung oder einem späteren Ereignis hinausgeschoben wurde.19) Jedoch steht dem ausgeschiedenen Geschäftsführer ein Anspruch gegen _____________ 11) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 39 Rn. 2, 5; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 39 Rn. 5; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbH, § 39 Rn. 4. 12) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 39 Rn. 5; Rowedder/Schmidt-LeithoffGörner, GmbHG, § 39 Rn. 6. 13) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbH, § 39 Rn. 4; Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 39 Rn. 9; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, § 39 Rn. 7. 14) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbH, § 39 Rn. 4; Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 39 Rn. 9; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Görner, GmbHG, § 39 Rn. 7. 15) So z. B. BayObLG, ZIP 2003, 2361, 2362 = GmbHR 2003, 1356 = DB 2003, 2432. 16) OLG Düsseldorf, GmbHR 2012, 690 = ZIP 2012, 969 = NZG 2012, 1223. 17) Vgl. aber auch die Ausführungen Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 39 Rn. 7, § 78 Rn. 9; s. a. OLG Köln, ZIP 2001, 1553, 1554 f = GmbHR 2001, 923 = DB 2001, 1982. 18) OLG Hamm, GmbHR 2017, 648 = ZIP 2017, 820 = DB 2017, 1082. 19) OLG Zweibrücken, ZIP 2006, 950 = GmbHR 2006, 430 = DB 2006, 662; OLG Zweibrücken, GmbHR 1999, 479; OLG Frankfurt/M., NJW-RR 1994, 105 f = GmbHR 1993, 738 = WM 1994, 2250.

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§ 39

Anmeldung der Geschäftsführer

die Gesellschaft auf die entsprechende Anmeldung zu.20) Eine Ausnahme ist auch nicht für den alleinigen Geschäftsführer zu machen, selbst wenn er in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit einer Amtsniederlegung sein Ausscheiden anmeldet.21) Ein Bedürfnis für eine solche Ausnahme besteht schon deswegen nicht, weil der Geschäftsführer die Wirkung seiner Niederlegung bis zur Anmeldung hätte aufschieben können. 2.

Einzureichende Unterlagen (Abs. 2)

Die Anmeldung muss nach § 12 Abs. 1 HGB elektronisch in öffentlich beglaubigter Form (§ 129 BGB) erfolgen. Außerdem sind nach Absatz 2 Urkunden in Urschrift oder öffentlich beglaubigter Abschrift einzureichen, die die einzutragende Änderung belegen. Dies erfolgt nach den Vorgaben des § 12 Abs. 2 HGB ebenfalls elektronisch. Infrage kommende Urkunden sind etwa ein Protokollauszug über die Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung, das Schreiben, in dem die Amtsniederlegung erklärt wird, oder auch eine Sterbeurkunde.

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Problematisch ist, ob der Anmeldende auch den Zugang der jeweiligen Erklärungen nachzuweisen hat. Weitgehend Einigkeit besteht darüber, dass der Zugang der Abberufungserklärung nicht nachgewiesen werden muss.22) In Bezug auf die Amtsniederlegung verlangen die Gerichte den Nachweis des Zugangs der Niederlegung indessen weithin.23)

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3.

Versicherung nach Abs. 3

Die von den neuen Geschäftsführern nach Absatz 3 abzugebenden Versicherungen entsprechen denen, die die Geschäftsführer bei Anmeldung der Gesellschaft nach § 8 Abs. 3 Satz 1 abzugeben haben (siehe § 8 Rn. 64 ff [Wachter]).24) Gleiches gilt für die Modalitäten der Belehrung in § 8 Abs. 3 Satz 2, auf den in Absatz 3 Satz 2 verwiesen wird. Die Versicherung hinsichtlich des Bestellungsverbots aus § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 wegen strafrechtlicher Verurteilung hat sich nicht auf den Zeitpunkt der Verurteilung, sondern auf den des Eintritts der Rechtskraft des Urteils zu beziehen.25) _____________ 20) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 39 Rn. 9; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 39 Rn. 7. 21) OLG Bamberg, ZIP 2012, 2058 = GmbHR 2012, 1241 = NZG 2012, 1106; OLG Frankfurt/M., ZIP 2006, 1769, 1770 = GmbHR 2006, 1151 = DB 2006, 2003, dazu EWiR 2007, 109 (Theusinger/Liese); OLG Zweibrücken, GmbHR 1999, 479; a. A. LG Berlin, ZIP 1993, 197 = GmbHR 1993, 291; Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 39 Rn. 14; Thiergart, jurisPR-HaGesR 9/2012 Anm. 5. 22) OLG Hamm, ZIP 2003, 481 f = DB 2003, 331 = BB 2002, 2571. 23) OLG Frankfurt/M., ZIP 2006, 1769, 1770 = GmbHR 2006, 1151 = DB 2006, 2003 dazu EWiR 2007, 109 (Theusinger/Liese); OLG Düsseldorf, NZG 2004, 1068, 1069 = ZIP 2004, 2007 (LS) = GmbHR 2004, 1532; OLG Naumburg, NZG 2001, 853, 854 = GmbHR 2001, 569 = NJW-RR 2001, 1183; a. A. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 39 Rn. 16a; Scholz-Schneider/Schneider, GmbHG, § 39 Rn. 18; offengelassen von BGH, ZIP 2011, 1562, 1564 = DB 2011, 1798 = GmbHR 2011, 925, dazu EWiR 2011, 641 (Wachter). 24) Wie diese Versicherung auszugestalten ist, wird von den OLG unterschiedlich beurteilt: für das Ausreichen einer bloßen Wiedergabe des Gesetzestext OLG Stuttgart, ZIP 2013, 671, 672 = GmbHR 2013, 91; dagegen OLG Schleswig, GmbHR 2014, 1095, 1097 = NotBZ 2014, 392. 25) BGH, ZIP 2011, 1305 = GmbHR 2011, 864 = NZG 2011, 871, dazu EWiR 2011, 599 (Melchior).

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§ 39 4.

Anmeldung der Geschäftsführer

Prüfungskompetenz des Registergerichts

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Das Registergericht überprüft neben der Eintragungsfähigkeit der angemeldeten Änderung auch, ob die eingereichten Urkunden vollständig sind und diese die begehrte Änderung inhaltlich tragen.26) Gleiches gilt für die Einhaltung der formellen Voraussetzungen des Antrags.27)

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Zu differenzieren ist in Bezug auf die Frage, inwieweit das Registergericht die der Änderung zugrunde liegenden Gesellschafterbeschlüsse überprüfen kann. Zumindest in der Rechtsprechung weitgehend geklärt ist, dass das Registergericht prüft, ob die Beschlüsse formell ordnungsgemäß zustande gekommen sind.28) Dies beinhaltet z. B. auch eine Prüfung, ob die abstimmenden Gesellschafter wirklich Gesellschafter der GmbH sind, wofür nach § 16 Abs. 1 die Gesellschafterliste maßgeblich ist. In Bezug auf die materielle Rechtmäßigkeit der Beschlüsse ist das Prüfungsrecht im Regelfall zu verneinen, da für die Klärung entsprechender Fragen das streitige Zivilverfahren vorgesehen ist.29) Im Ermessen des Gerichts steht es dementsprechend, nach §§ 21, 381 FamFG das Eintragungsverfahren aus wichtigem Grund30) auszusetzen, um einen Rechtsstreit der Betroffenen abzuwarten. Das Registergericht kann allerdings die Eintragung wegen materieller Fehler ablehnen, wenn die Unwirksamkeit oder Nichtigkeit des Beschlusses eindeutig ist oder sich aufdrängt.31) Beschlussmängel, die einen Beschluss nur anfechtbar, aber nicht unwirksam machen, hindern das Registergericht freilich angesichts der Wirksamkeit des Beschlusses nicht daran, diesen einzutragen.32) 5.

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Rechtsschutz

Gegen eine ablehnende Entscheidung ist nach § 58 Abs. 1 FamFG die Beschwerde statthaft. Beschwerdeberechtigt ist nach § 59 Abs. 1 FamFG jeder, der zur Anmeldung berechtigt und verpflichtet ist.33) Gegen eine Zwischenverfügung, mit der die Unvollständigkeit der Antragsunterlagen gerügt wird, ist ebenfalls die Beschwerde statthaft (§ 382 Abs. 4 FamFG). Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens sind dann allerdings nur die in der Zwischenverfügung gerügten Beanstandungen, nicht der Eintragungsantrag.34) _____________ 26) KG Berlin, ZIP 2012, 2208 = GmbHR 2012, 907 = NotBZ 2012, 382; BayObLG, ZIP 2001, 70 = GmbHR 2001, 72 = DB 2001, 87; OLG Naumburg, NZG 2001, 853, 854 = GmbHR 2001, 569 = NJW-RR 2001, 1183. 27) BayObLG, ZIP 2001, 70 = GmbHR 2001, 72 = DB 2001, 87; BayObLG, GmbHR 1992, 304, 305 = DB 1991, 1976 = BB 1991, 1729, dazu EWiR 1991, 991 (Winkler). 28) OLG Köln, ZIP 2002, 621, 623 = GmbHR 2002, 492 = DB 2002, 1494, dazu EWiR 2002, 381 (Fabis); OLG Köln, GmbHR 1990, 82, 83. 29) KG, GmbHR 2016, 927 (Leitsatz) = ZIP 2016, 1772 = NZG 2016, 836; OLG Frankfurt/M., GmbHR 2009, 378, 379 = ZIP 2009, 1930 = DB 2009, 611; OLG Naumburg, NZG 2001, 853, 854 = GmbHR 2001, 569 = NJW-RR 2001, 1183. 30) Vgl. dazu etwa KG Berlin, GmbHR 2016, 1159, 1163 = WM 2017, 141. 31) OLG Frankfurt/M., GmbHR 2009, 378, 379 = ZIP 2009, 1930 = DB 2009, 611; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 39 Rn. 19; Rowedder/Schmidt-LeithoffGörner, GmbHG, § 39 Rn. 14. 32) OLG Frankfurt/M., GmbHR 2009, 378, 379 = ZIP 2009, 1930 = DB 2009, 611. 33) OLG Köln, ZIP 2001, 1553, 1554 = GmbHR 2001, 923 = DB 2001, 1982; Bork/Jacoby/Schwab-Müther, FamFG, § 59 Rn. 33. 34) Bork/Jacoby/Schwab-Müther, FamFG, § 382 Rn. 7.

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Liste der Gesellschafter, Verordnungsermächtigung

§ 40

§ 40 Liste der Gesellschafter, Verordnungsermächtigung Thomas Wachter

(1) 1Die Gesellschafter haben unverzüglich nach Wirksamwerden jeder Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung eine von ihnen unterschriebene Liste der Gesellschafter zum Handelsregister einzureichen, aus welcher Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort derselben sowie die Nennbeträge und die laufenden Nummern der von einem jeden derselben übernommenen Geschäftsanteile sowie die durch den jeweiligen Nennbetrag eines Geschäftsanteils vermittelte jeweilige prozentuale Beteiligung am Stammkapital zu entnehmen sind. 2Ist ein Gesellschafter selbst eine Gesellschaft, so sind bei eingetragenen Gesellschaften in die Liste deren Firma, Satzungssitz, zuständiges Register und Registernummer aufzunehmen, bei nicht eingetragenen Gesellschaften deren jeweilige Gesellschafter unter einer zusammenfassenden Bezeichnung mit Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort. 3Hält ein Gesellschafter mehr als einen Geschäftsanteil, ist in der Liste der Gesellschafter zudem der Gesamtumfang der Beteiligung am Stammkapital als Prozentsatz gesondert anzugeben. 4Die Änderung der Liste durch die Geschäftsführer erfolgt auf Mitteilung und Nachweis. (2) 1Hat ein Notar an Veränderungen nach Absatz 1 Satz 1 mitgewirkt, hat er unverzüglich nach deren Wirksamwerden ohne Rücksicht auf etwaige später eintretende Unwirksamkeitsgründe die Liste anstelle der Geschäftsführer zu unterschreiben, zum Handelsregister einzureichen und eine Abschrift der geänderten Liste an die Gesellschaft zu übermitteln. 2Die Liste muss mit der Bescheinigung des Notars versehen sein, dass die geänderten Eintragungen den Veränderungen entsprechen, an denen er mitgewirkt hat, und die übrigen Eintragungen mit dem Inhalt der zuletzt im Handelsregister aufgenommenen Liste übereinstimmen. (3) Geschäftsführer, welche die ihnen nach Absatz 1 obliegende Pflicht verletzen, haften denjenigen, deren Beteiligung sich geändert hat, und den Gläubigern der Gesellschaft für den daraus entstandenen Schaden als Gesamtschuldner. (4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates nähere Bestimmungen über die Ausgestaltung der Gesellschafterliste zu treffen. (5) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, dass bestimmte in der Liste der Gesellschafter enthaltene Angaben in strukturierter maschinenlesbarer Form an das Handelsregister zu übermitteln sind, soweit nicht durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz nach § 387 Absatz 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechende Vorschriften erlassen werden. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. Literatur: Bayer, Gesellschafterliste: Einreichungspflichtige Veränderungen der Beteiligungsverhältnisse, GmbHR 2012, 1; Birkefeld/Schäfer, Die neue Gesellschafterliste nach § 40 Abs. 1 GmbHG – „Prozente, Prozente, Prozente!“ und am Ende hafte der Geschäftsführer?, BB 2017, 2755; Böhringer, Neue Pflichtangaben für Gesellschafterlisten einer GmbH, BWNotZ 2017, 61; Cramer, Das Prüfungsrecht des Registergerichts bei fehlen-

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§ 40

Liste der Gesellschafter, Verordnungsermächtigung

den oder fehlerhaften Prozentangaben in der GmbH-Gesellschafterliste, NZG 2018, 721; Damm, Die GmbH-Gesellschafterliste acht Jahre nach MoMiG, BWNotZ 2017, 2; Dittert, Einstweiliger Rechtsschutz gegen falsche GmbH-Gesellschafterliste, NZG 2015, 221; Eickelberg/Ries, Bedingt listenfähig – Aktuelles von der GmbH-Gesellschafterliste, NZG 2015, 1103; Frank/Schaub, Standardisierung der GmbH-Gesellschafterliste – Die Vorgaben der Gesellschafterlistenverordnung, DStR 2018, 1822; Freier, Die neue Gesellschafterlistenverordnung, notar 2018, 292; Götze/Mörtel, Zulässigkeit der Einreichung der GmbHGesellschafterliste durch einen ausländischen Notar, NZG 2014, 369; Hasselmann, Keine Einreichung einer Gesellschafterliste durch ausländischen Notar, NZG 2013, 325; Hauschild, Die Pflichten des Notars bei Erstellung der Gesellschafterliste: Mittelbare Verschärfung der Formerfordernisse?, ZIP 2012, 660; Heidinger, Zusätzliche Angaben in der Gesellschafterliste und ihre Wirkungen nach § 16 Abs. 1 GmbHG, in: Festschrift für Eberhard Stilz, 2014, S. 253 ff; Heidinger, Der Tod des Gesellschafters bei der GmbH, ZNotP 2012, 449; Kalbfleisch/Glock, Freiwillige Zusatzangaben in der GmbH-Gesellschafterliste, GmbHR 2015, 847; Kleindiek, Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen, Legitimationswirkung der Gesellschafterliste und einstweiliger Rechtsschutz, GmbHR 2017, 815; Lieder, Einstweiliger Rechtsschutz gegen die Gesellschafterliste, GmbHR 2016, 271; Lieder, Rechtsschutz gegen die Gesellschafterliste im Hauptsacheverfahren, GmbHR 2016, 189; Lieder/Becker, Die Gesellschafterlistenverordnung, NotBZ 2018, 321; Löbbe, Die GmbH-Gesellschafterliste, Eine Bestandsaufnahme sieben Jahre nach dem MoMiG, GmbHR 2016, 141; Mayer, Dieter, Probleme rund um die Gesellschafterliste, MittBayNot 2014, 24 (Teil I) und MittBayNot 2014, 114 (Teil II); Melchior, GmbH-Gesellschafterliste und das Transparenzregister – eine Arbeitshilfe, NotBZ 2017, 281; Melchior/Böhringer, Sportwettbetrug, Gesellschafterliste und Eintragungsbescheinigung: Drei (Groß-)Baustellen im Handelsregister, GmbHR 2017, 1074; Menkel, Die Funktion der Gesellschafterliste nach Einziehung eines Geschäftsanteils mit nachfolgender Kapitalerhöhung, NZG 2018, 891; Miller, Gesellschafterlistenverordnung – Sinn und Unsinn gegenwärtiger Rechtsetzung, NJW 2018, 2518; Punte/Stefanink, Risiken veralteter GmbH-Gesellschafterlisten, DB 2018, 364; Schaub, Peter, Überblick über die neue GmbH-Gesellschafterliste, GmbHR 2017, 727; Schmich/Schnabelrauch, Die Relevanz der GmbH-Gesellschafterliste für die steuerliche Zurechnung bei Anteilsübertragungen, GmbHR 2015, 516; Schumacher/Frühwirt, Neue Gesellschafterliste bei Umfirmierung der GmbH?, GmbHStB 2016, 237; Seibert/Bochmann/Cziupka, „Scharfschaltung“ des Transparenzregisters: Kein Grund zur Beunruhigung!, GmbHR 2017, 1128; Szalai, Neuigkeiten zur GmbH. Die Gesellschafterlistenverordnung (GesLV) kommt!, GWR 2018, 250; Tebben, Geschäftsführer oder Notar – wer darf die Gesellschafterliste einreichen?, DB 2014, 585; Wegener, Neue Anforderungen an die GmbH-Gesellschafterliste, notar 2017, 299; Wicke, GmbHGesellschafterliste und Transparenzregister, DB 2017, 2528. Übersicht I. 1. 2. 3. II. 1. 2.

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Überblick .............................................. 1 Hintergrund .......................................... 1 Aufbau ................................................... 5 Entwicklung ........................................ 12 Inhalt der Gesellschafterliste (§ 40 Abs. 1 Satz 1) ............................. 14 Überblick ............................................. 14 Person der Gesellschafter ................... 18 a) Natürliche Personen (§ 40 Abs. 1 Satz 1) ...................... 18 b) Juristische Personen (§ 40 Abs. 1 Satz 2) ...................... 25 aa) Überblick ...................................... 25 bb) Eingetragene Gesellschaften (§ 40 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1) ....... 32

3.

cc) Nicht eingetragene Gesellschaften (§ 40 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2) ....................................... 39 (1) Überblick ...................................... 39 (2) Angaben zur Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ............... 43 (3) Angaben zu den Gesellschaftern der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ........................................... 47 Umfang der Beteiligung ...................... 55 a) Nennbeträge der Geschäftsanteile (§ 40 Abs. 1 Satz 1) .......... 55 b) Nummern der Geschäftsanteile (§ 40 Abs. 1 Satz 1) ...................... 57

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Liste der Gesellschafter, Verordnungsermächtigung c) Prozentangaben (§ 40 Abs. 1 Sätze 1 und 3) ............................... aa) Überblick ...................................... bb) Prozentuale Angabe der Höhe des einzelnen Geschäftsanteils (§ 40 Abs. 1 Satz 1) ...................... cc) Prozentuale Angabe der Höhe der gesamten Beteiligung (§ 40 Abs. 1 Satz 3) ...................... III. Veränderungen in der Gesellschafterliste (§ 40 Abs. 1 Satz 1) ....... 1. Überblick ............................................. 2. Veränderungen in der Person der Gesellschafter ...................................... a) Veränderung des Inhabers des Geschäftsanteils ........................... b) Veränderung in der Person des Inhabers des Geschäftsanteils ..... c) Mittelbare Veränderung in der Person des Inhabers des Geschäftsanteils ................................ 3. Veränderungen im Umfang der Beteiligung ........................................... 4. Keine relevanten Veränderungen ....... IV. Gesellschafterlisten der Geschäftsführer (Abs. 1) .................................... 1. Zuständigkeit der Geschäftsführer .... 2. Veränderung in den Beteiligungsverhältnissen ........................................ a) Wirksamwerden einer Veränderung ............................................... b) Mitteilung und Nachweis der Veränderung (Abs. 1 Satz 3) ....... 3. Pflichten der Geschäftsführer ............ a) Erstellen einer neuen Gesellschafterliste ..................................

I.

Überblick

1.

Hintergrund

59 59 64 69 73 73 75 75 76 77 86 87 89 89 94 94 95 98 98

§ 40

b) Einreichen zum Handelsregister ........................................ 102 4. Aufnahme der neuen Gesellschafterliste ........................................ 104 5. Berichtigung einer Gesellschafterliste ........................................ 108 V. Gesellschafterliste mit Notarbescheinigung (Abs. 2) .................... 109 1. Zuständigkeit des Notars (Abs. 2 Satz 1) ................................... 109 2. Mitwirkung des Notars an einer Veränderung der Beteiligungsverhältnisse ........................................ 113 a) Mitwirkung des Notars ............. 113 b) Wirksamwerden einer Veränderung ......................................... 122 3. Pflichten des Notars ......................... 124 a) Erstellen einer neuen Gesellschafterliste ................................. 124 b) Erstellen „unverzüglich“ nach Wirksamwerden ................. 127 c) Listenbescheinigung des Notars (Abs. 2 Satz 2) ............... 129 d) Einreichen von Liste und Bescheinigung zum Handelsregister ........................................ 135 e) Übersendung einer Abschrift an die Gesellschaft ..................... 136 4. Aufnahme der neuen Gesellschafterliste in den Registerordner ................ 141 5. Berichtigung einer Gesellschafterliste ..................................................... 143 VI. Haftung ............................................. 144 1. Haftung des Geschäftsführers (Abs. 3) .............................................. 144 2. Haftung des Notars .......................... 145

Im GmbH-Recht hat die Liste der Gesellschafter über einhundert Jahre ein Schattendasein gefristet und keine große praktische Bedeutung erlangt. Mit dem Inkrafttreten des MoMiG1) im Jahr 2008 hat sich die Rechtslage auf einen Schlag grundlegend geändert. Die Gesellschafterliste wurde zur allgemeinen Legitimations- und Rechtsscheingrundlage und damit erheblich aufgewertet. Die Liste der Gesellschafter gehört heute (neben der Satzung) zu den wichtigsten Dokumenten der GmbH.2)

1

§ 40 ist heute (zusammen mit § 8 Abs. 1 Nr. 3 und § 16) die zentrale Vorschrift zur Gesellschafterliste. Die Vorschrift regelt vor allem den Inhalt der Gesellschafterliste, die Zuständigkeit für die Erstellung und Einreichung der Gesellschafterliste und die Notwendigkeit der Aktualisierung bei späteren Veränderungen. Die Vorgaben gelten _____________

2

1) 2)

Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 40 Rn. 1.

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auch für die erste Liste bei Neugründung einer GmbH; § 8 Abs. 1 Nr. 3 verweist heute nur noch auf § 40 und enthält selbst keine Regelungen mehr zum Inhalt der Liste. Die rechtliche Bedeutung der Liste ergibt sich aus § 16. Als Gesellschafter „gilt“ im Verhältnis zur Gesellschaft demnach nur derjenige, der in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist (§ 16 Abs. 1). Die Liste ist darüber hinaus die Grundlage für einen gutgläubigen Erwerb von Geschäftsanteilen vom Nichtberechtigten (§ 16 Abs. 3).3) 3

Ziel der Vorschrift ist die Gewährleistung der möglichst vollständigen Transparenz der Beteiligungsverhältnisse und damit die Sicherheit des Rechtsverkehrs.4)5)

4

Die Bedeutung der Liste der Gesellschafter hat im Jahr 2017 erneut erheblich an praktischer Bedeutung gewonnen. Die Mitteilungen an das Transparenzregister (§§ 18 ff GwG) gelten grundsätzlich als erfüllt, wenn sich die Angaben zu den wirtschaftlichen Berechtigten bereits aus der im Handelsregister aufgenommen Gesellschafterliste ergeben.6) Der Gesetzgeber wollte mit dieser Mitteilungsfiktion (bürokratische) „Doppelmeldungen“ vermeiden Mit einer aktuellen, vollständigen und richtigen Gesellschafterliste wird damit sowohl den Transparenzvorgaben des Gesellschaftsrechts als auch des Geldwäscherechts Rechnung getragen (zumindest dann, wenn die rechtlichen und wirtschaftlichen Berechtigten übereinstimmen). 2.

Aufbau

5

In der Liste sind inhaltlich die Gesellschafter und der Umfang ihrer Beteiligung anzugeben (§ 40 Abs. 1 Satz 1).

6

Die Gesellschafter sind dabei (sofern es sich um natürliche Personen handelt) jeweils mit Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Wohnort aufzuführen (§ 40 Abs. 1 Satz 1). Sind die Gesellschafter der GmbH ihrerseits „eingetragene Gesellschaften“ sind in der Liste die Firma, der Satzungssitz, das zuständige Register und die Registernummer anzugeben (§ 40 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1). Sind die Gesellschafter „nicht eingetragene Gesellschaften“ (z. B. Gesellschaften des bürgerlichen Rechts) müssen diese unter einer zusammenfassenden Bezeichnung mit Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Wohnort aufgeführt werden (§ 40 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2).

7

Aus der Liste müssen die Nennbeträge und die laufenden Nummern der von jedem Gesellschafter übernommenen Geschäftsanteile sowie die (durch den jeweiligen Nennbetrag eines Geschäftsanteils vermittelte) jeweilige prozentuale Beteiligung am Stammkapital zu entnehmen sein (§ 40 Abs. 1 Satz 1). Bei Gesellschaftern, die mehrere _____________ 3)

4) 5) 6)

850

Grundlegend dazu BGH, ZIP 2011, 2141 = EWiR 2011, 811 (Stamer). – Ausführlich dazu Bayer, GmbHR 2011, 1254; Brandes, GmbHR 2012, 545; Herrler, NZG 2011, 1321; Jeep, NJW 2012, 658; Kort, DB 2011, 2897; Wicke, DStR 2011, 2356. S. dazu zuletzt BGH, ZIP 2018, 1591 (im Zusammenhang mit der zeitlichen Anwendbarkeit von § 40 Abs. 1 GmbHG n. F. 2017). BT-Drucks. 16/6140, S. 89. Ausführlich zum Transparenzregister u. a. Bochmann, DB 2017, 1310; Friese/Brehm, GWR 2017, 271; Kotzenberg/Lorenz, NZG 2017, 1325; Kotzenberg/Lorenz, NJW 2017, 2433; Longrée/Pesch, NZG 2017, 1081; Pelka/Hettler/Weinhausen, DStR 2018, 1303; Rieg, BB 2017, 2310; Schaub, Peter, DStR 2018, 871; Schaub, Peter, DStR 2017, 1438; Seibert, GmbHR 2017, R 97; Seibert/Bochmann/Cziupka, GmbHR 2017, 1128; Wicke, DB 2017, 2528.

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Liste der Gesellschafter, Verordnungsermächtigung

§ 40

Geschäftsanteile halten, muss in der Liste zudem der Gesamtumfang der Beteiligung am Stammkapital als Prozentsatz gesondert angegeben werden (§ 40 Abs. 1 Satz 3). Nach dem Wirksamwerden jeder Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung haben die Geschäftsführer der Gesellschaft eine neue Gesellschafterliste zu erstellen, zu unterschreiben und zum Handelsregister einzureichen (§ 40 Abs. 1 Satz 1). Die Veränderungen sind den Geschäftsführern mitzuteilen und nachzuweisen (§ 40 Abs. 1 Satz 3). Geschäftsführer, die ihre Pflichten verletzen, haften den betroffenen Gesellschaftern und den Gläubigern der Gesellschaft auf Schadensersatz (§ 40 Abs. 3).

8

In den Fällen, in denen ein Notar an den Veränderungen mitgewirkt hat (z. B. bei der Beurkundung von Anteilsübertragungen nach § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG), hat der Notar (anstelle der Geschäftsführer) die neue Gesellschafterliste zu erstellen, zu unterschreiben und zum Handelsregister einzureichen (§ 40 Abs. 2 Satz 1). Der Notar hat die Liste zudem mit einer Bescheinigung bezüglich der Vollständigkeit und Richtigkeit zu versehen (§ 40 Abs. 2 Satz 2). Eine Abschrift der neuen Gesellschafterliste hat der Notar der Gesellschaft zu übermitteln.

9

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ist ermächtigt, durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen über die Ausgestaltung der Gesellschafterliste zu treffen (§ 40 Abs. 4). Die Gesellschafterlistenverordnung (GesLV)7) ist am 1.7.2018 in Kraft getreten.8)

10

Darüber hinaus wurden die Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, dass bestimmte in der Liste der Gesellschafter enthaltene Angaben in strukturierter maschinenlesbarer Form an das Handelsregister zu übermitteln sind (§ 40 Abs. 5). Von dieser Möglichkeit wurde bislang (Stand: September 2018) noch kein Gebrauch gemacht.

11

3.

Entwicklung

Die heutige Fassung des § 40 geht maßgeblich auf das MoMiG9) aus dem Jahr 2008 zurück.

12

Im Jahr 2017 wurde die Vorschrift durch das Gesetz zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie10) erheblich geändert.11) Die Änderungen betreffen zunächst

13

_____________ 7) BGBl. I 2018, 870. – Zur amtlichen Begründung der Verordnung s. BR-Drucks. 105/18 sowie die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der FDP, BT-Drucks. 19/2973. 8) Ausführlich zur Gesellschafterlistenverordnung u. a. Cziupka, GmbHR 2018, R 180; Frank/Schaub, DStR 2018, 1822; Freier, notar 2018, 292; Lieder/Becker, NotBZ 2018, 321; Miller, NJW 2018, 2518; Seibert/Kell, GmbHR 2018, R 212; Szalai, GWR 2018, 250. 9) Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026. 10) BGBl. I 2017, 1822. 11) Ausführlich zu der Neuregelung u. a. Birkefeld/Schäfer, BB 2017, 2755; Bochmann, GmbHR 2018, R 164; Böhringer, BWNotZ 2017, 61; Cramer, NZG 2018, 721; Melchior, NotBZ 2017, 281; Melchior/Böhringer, GmbHR 2017, 1074; Schaub, Peter, GmbHR 2017, 727; Seibert, GmbHR 2017, R 97; Seibert/Bochmann/Cziupka, GmbHR 2017, 1128; Seibert/Bochmann/ Cziupka, GmbHR 2017, R 289; Seibert/Bochmann/Cziupka, GmbHR 2017, R 241; Wegener, notar 2017, 299; Wicke, DB 2017, 2528.

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§ 40

Liste der Gesellschafter, Verordnungsermächtigung

den Inhalt der Liste in Fällen, in denen es sich bei den Gesellschaftern nicht um natürliche Personen, sondern um andere (eingetragene bzw. nicht eingetragene) Gesellschaften handelt. Darüber hinaus wurde für alle Gesellschafter erstmals vorgesehen, dass die Beteiligung des einzelnen Geschäftsanteils und der Gesamtumfang der Beteiligung jeweils auch in Prozenten anzugeben ist. Das Gesetz ist am 26.6.2017 in Kraft getreten (§ 8 EGGmbHG).12) II. Inhalt der Gesellschafterliste (§ 40 Abs. 1 Satz 1) 1.

Überblick

14

Der Inhalt der Liste der Gesellschafter wird im Gesetz für alle Fälle einheitlich bestimmt (§ 40 Abs. 1). Die inhaltlichen Vorgaben gelten sowohl für die erste Liste der Gesellschafter bei Neugründung einer GmbH (§ 8 Abs. 1 Nr. 3) als auch für alle späteren Listen bei Veränderungen in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung (§ 40 Abs. 1).

15

Die Liste muss danach Angaben zu den Gesellschaftern (siehe Rn. 18 ff) und deren Beteiligung (siehe Rn. 55 ff) enthalten.

16



Bei den Angaben zu den Gesellschaftern unterscheidet das Gesetz seit 2017 zwischen natürlichen Personen als Gesellschaftern (§ 40 Abs. 1 Satz 1) und anderen (eingetragenen bzw. nicht eingetragenen) Gesellschaften als Gesellschaftern (§ 40 Abs. 1 Satz 2). Bis 2017 (siehe Rn. 13)13) hat die gesetzliche Regelung unmittelbar nur den Fall erfasst, dass es sich bei den Gesellschaftern um natürliche Personen handelt.14) Für andere Personen (insbesondere Gesellschaften und sonstige juristische Personen) fehlte es an einer gesetzlichen Reglung zu den erforderlichen Angaben in der Gesellschafterliste.



Hinsichtlich der Beteiligung der einzelnen Gesellschafter sind in der Liste zunächst die Nennbeträge und die laufenden Nummern der Geschäftsanteile anzugeben (§ 40 Abs. 1 Satz 1). Seit 2017 (siehe Rn. 13)15) ist zusätzlich stets auch die durch den jeweiligen Nennbetrag eines Geschäftsanteils vermittelte prozentuale Beteiligung am Stammkapital der Gesellschaft anzugeben (§ 40 Abs. 1 Satz 1). In den Fällen, in denen der Gesellschafter mehr als einen Geschäftsanteil hält, ist zudem der Gesamtumfang der Beteiligung am Stammkapital als Prozentsatz gesondert anzugeben (§ 40 Abs. 1 Satz 3).

Der Gesetzgeber hat das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz im Jahr 2017 erstmals ermächtigt, durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen über die Ausgestaltung der Gesellschafterliste zu treffen (§ 40 Abs. 4). Von dieser Ermächtigung wurde zwischenzeitlich Gebrauch gemacht. Die Gesellschafterlistenverordnung ist am 1.7.2018 in Kraft getreten.16)

_____________ 12) 13) 14) 15) 16)

852

S. dazu BGH, ZIP 2018, 1591. S. dazu die Übergangsregelung in § 8 EGGmbHG. S. BT-Drucks. 18/11555, S. 172 („auf natürliche Personen zugeschnitten“). S. dazu die Übergangsregelung in § 8 EGGmbHG. BGBl. I 2018, 870, s. dazu Fn. 8.

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Liste der Gesellschafter, Verordnungsermächtigung

§ 40

Der gesetzlich vorgesehene Inhalt der Gesellschafterliste ist – nach Auffassung des BGH17) – abschließend. Geschäftsführer bzw. Notar können den Inhalt der Liste nicht (freiwillig) um zusätzliche Angaben ergänzen. Dies gilt auch dann, wenn die Angaben die Transparenz der Beteiligungsverhältnisse verbessern würde (wie etwa die Aufnahme eines Testamentsvollstreckervermerks). Einer solchen Erweiterung der Liste steht der Grundsatz der Registerklarheit entgegen. Bei einer Ergänzung der Liste um gesetzlich nicht vorgesehene Angaben besteht die Gefahr der Unübersichtlichkeit und Unverständlichkeit. – Diese restriktive Haltung der Rechtsprechung kann indes nicht vollständig überzeugen. Der Rechtsverkehr hat ein legitimes Interesse an solchen Informationen. Dabei handelt es sich um wenige Einzelfälle, sodass die Gefahr von Irreführungen und Missverständnissen nicht besteht. Zumindest Eintragungen, die bei Personengesellschaften im Handelsregister möglich sind,18) sollten (freiwillig) auch in der Liste der Gesellschafter einer GmbH zulässig sein. 2.

17

Person der Gesellschafter

a) Natürliche Personen (§ 40 Abs. 1 Satz 1) Die Personen der Gesellschafter sind in der Liste mit Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Wohnort anzugeben (§ 40 Abs. 1 Satz 1).

18

Name meint den Nachnamen bzw. Familiennamen (§§ 21 Abs. 1 Nr. 4, 31 Abs. 1 Nr. 1 PStG). Die Angabe eines Geburtsnamens ist nicht zwingend erforderlich. Die bloße Angabe von Spitznamen, Berufsnamen oder Künstlernamen genügt nicht. Adelsbezeichnungen und akademische Titel sollten (müssen aber nicht) angegeben werden.

19

Vorname ist der Name, der einem Kind von den Inhabern der Personensorge erteilt wird (§§ 12, 1616 ff BGB). Maßgebend ist grundsätzlich der im Geburtsregister eingetragene Vorname (§§ 18 ff PStG). Bei mehreren Vornamen genügt die Angabe eines Vornamens. Die bloße Angabe eines Rufnamens ist nicht ausreichend.

20

Das Geburtsdatum des Gesellschafters ist vollständig anzugeben. Die Angabe des Geburtsorts ist dagegen nicht erforderlich.

21

Die Angabe des Wohnorts soll die Erreichbarkeit des Gesellschafters gewährleisten. Wohnort meint die politische Gemeinde, in der der Gesellschafter (tatsächlich) wohnt. Bei größeren Gemeinden kann eine Konkretisierung durch die Angabe eines Stadtoder Ortsteils sinnvoll sein; notwendig ist dies allerdings nicht. Die Angabe der vollständigen (Wohn-)Anschrift mit Ort, Postleitzahl, Straße und Hausnummer ist nicht erforderlich. Vielmehr ist die Angabe des (privaten) Wohnorts ausreichend. Nicht genügend ist dagegen die Angabe des Ortes eines Unternehmens. Der Wohnort muss nicht im Inland liegen. Die Angabe eines Wohnorts im Ausland (auch außerhalb der EU-/EWR-Mitgliedsstaaten) ist ohne Weiteres zulässig; ein inländischer Empfangsbevollmächtigter muss in diesem Fall nicht benannt werden. _____________

22

17) S. dazu BGH, ZIP 2015, 732 = EWiR 2015, 303 (Heckschen/Strnad) = GmbHR 2015, 526 mit Anm. Bayer (keine Aufnahme des Testamentsvollstreckervermerks in GmbHGesellschafterliste). 18) Zur Zulässigkeit der Eintragung eines Testamentsvollstreckervermerks im Handelsregister bei Anordnung von Dauertestamentsvollstreckung über den Nachlass eines Kommanditisten s. BGH, ZIP 2012, 623 = EWiR 2012, 627 (Floeth) = GmbHR 2012, 510 mit Anm. Werner, ausführlich dazu Roth, NZG 2012, 499.

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23

Nicht anzugeben sind in der Liste der Gesellschafter u. a. der Beruf (§ 52 Abs. 2 Satz 1 GmbHG i. V. m. § 37 Abs. 4 Nr. 3a AktG), der Güterstand, die Staatsangehörigkeit und die Steuernummer.

24

In der Liste ist ferner nicht anzugeben, ob der Geschäftsanteil zum Privatvermögen des Gesellschafters oder zum Betriebsvermögen eines Unternehmens gehört. Ein Kaufmann (§ 18 HGB) wird grundsätzlich wie jede andere natürliche Person (mit Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Wohnort) in der Gesellschafterliste eingetragen. Ein klarstellender Hinweis in der Gesellschafterliste, dass der Geschäftsanteil zum Vermögen des Kaufmanns gehört, ist möglich, aber nicht zwingend. Die Regeln für Gesellschaften (in § 40 Abs. 1 Satz 2) gelten für Kaufleute weder unmittelbar noch entsprechend. b) Juristische Personen (§ 40 Abs. 1 Satz 2) aa) Überblick

25

Die Angaben zu den Personen in der Liste der Gesellschafter waren ursprünglich vor allem auf natürliche Personen zugeschnitten (§ 40 Abs. 1 Satz 1: Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort). Seit dem Jahr 2017 ist ausdrücklich auch geregelt, welche Angaben zu den Gesellschaftern in der Liste aufzunehmen sind, wenn es sich dabei nicht um natürliche Personen handelt (§ 40 Abs. 1 Satz 2; siehe Rn. 13).19) Der Gesetzgeber wollte damit vor allem die bis dahin bereits bestehende „Best Practice“ zur Gesellschafterliste in das GmbH-Gesetz übernehmen.20)

26

Die gesetzliche Regelung unterscheidet jetzt zwischen „eingetragenen Gesellschaften“ (§ 40 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1) und „nicht eingetragenen Gesellschaften“ (§ 40 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2).

27

Der Begriff der (eingetragenen) Gesellschaft umfasst grundsätzlich alle (in- und ausländischen) Personen- und Kapitalgesellschaften, die in einem (öffentlichen) Handelsregister eingetragen sind.

28

Ausländische Gesellschaften sind unabhängig davon erfasst, ob es sich um Gesellschaften aus EU- bzw. EWR-Mitgliedsstaaten oder aus Drittstaaten handelt.21) In der Liste der Gesellschafter ist demnach auch bei ausländischen Gesellschaften jeweils Firma, Satzungssitz, zuständiges Register und Registernummer anzugeben. In Fällen, in denen keine Informationen zum Register vorliegen, können hilfsweise andere Informationen (wie etwa die Steuernummer) angegeben werden. Aufgrund des Normzwecks sind möglichst präzise und vollständige Angaben zu machen, um den Gesellschafter zweifelsfrei identifizieren zu können.

29

Nicht zu den (eingetragenen) Gesellschaften gehören u. a. Einzelunternehmen, Partnerschaften, Genossenschaften, Vereine, Stiftungen, Trusts, Anstalten und Körperschaften. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung für solche Gesellschafter fehlt. Allerdings können die Vorschriften für (eingetragene) Gesellschaften auf andere (eingetragene) Körperschaften im Einzelfall sinngemäß angewendet werden. Bei einem _____________ 19) S. dazu die Übergangsregelung in § 8 EGGmbHG. 20) BT-Drucks. 18/11555, S. 173. 21) So auch BT-Drucks. 18/11555, S. 173.

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Liste der Gesellschafter, Verordnungsermächtigung

§ 40

eingetragenen Verein (§§ 21 ff BGB) sind in der Liste der Gesellschafter beispielsweise Name, Satzungssitz, Vereinsregister und die Registernummer (VR Nummer) anzugeben (entsprechend § 40 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1). Eine solche (erweiternde) Auslegung dient der Transparenz der Beteiligungsverhältnisse und ist daher vom Normzweck umfasst. Keine „(nicht eingetragenen) Gesellschaften“ sind Erbengemeinschaften (§§ 2032 ff BGB) und Gütergemeinschaften (§§ 1415 ff BGB). Dabei handelt es sich um Gesamthandgemeinschaften und nicht um Gesellschaften. Erbengemeinschaften und Gütergemeinschaften sind (anders als die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts) nicht rechtsfähig. In der Liste der Gesellschafter sind demnach Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Wohnort aller Gesamthänder aufzunehmen (§ 40 Abs. 1 Satz 1; vgl. auch § 18).22) Die Beteiligungsquoten der einzelnen Gesamthänder (z. B. Erbquoten) sind in der Liste nicht anzugeben. Eine „zusammenfassende Bezeichnung“ (§ 40 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2) ist bei Erbengemeinschaften und Gütergemeinschaften (nach deutschem oder ausländischem Recht) weder erforderlich noch ausreichend.

30

Die Gesellschafter einer GmbH können die Geschäftsanteile auch als Miteigentümer halten (§§ 1008 ff, 741 ff BGB). Eine solche Miteigentümergemeinschaft nach Bruchteilen ist keine „(nicht eingetragene) Gesellschaft“ (§ 40 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2). Demnach sind in Liste der Gesellschafter alle Miteigentümer anzugeben. Handelt es sich bei den Miteigentümern um natürliche Personen sind jeweils Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort anzugeben (§ 40 Abs. 1 Satz 1); handelt es sich bei den Miteigentümern dagegen um (eingetragene) Gesellschaften, sind Firma, Satzungssitz, Register und Registernummer anzugeben (§ 40 Abs. 1 Satz 2). Bei Miteigentümern ist (anders als bei Gesamthändern) zudem die Angabe des Miteigentumsanteils üblich, wenngleich nicht zwingend erforderlich.

31

bb) Eingetragene Gesellschaften (§ 40 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1) Bei „eingetragenen Gesellschaften“ sind in der Liste der Gesellschafter die Firma, der Satzungssitz, das Register und die Registernummer anzugeben (§ 40 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1).

32

Der Begriff der „eingetragenen Gesellschaften“ erfasst alle Gesellschaften, die im Handelsregister eingetragen sind (§§ 8 ff HGB). Dies gilt für alle Eintragungen, und zwar unabhängig davon, ob diese in Abteilung A (Abschnitt 40 ff HRV) oder Abteilung B (Abschnitt 43 ff HRV) erfolgen.

33

Die Vorschrift gilt nach ihrem Wortlaut nur für „eingetragene“ Gesellschaften. Die Identifizierung der Gesellschafter erfolgt in diesem Fall durch die Bezugnahme auf das Register (und die dortigen Eintragungen). Bei „nicht eingetragenen“ Gesellschaften ist eine solche Bezugnahme auf ein anderes Register nicht möglich, sodass in der Liste weitere Angaben notwendig sind (§ 40 Abs. 1 Satz 2). Ungeklärt ist die Rechtslage, bei noch nicht eingetragenen Gesellschaften, wie etwa bei einer Vor-GmbH. Diese Gesellschaften sind derzeit noch nicht eingetragen, sodass sie an sich in der Liste als „nicht eingetragene“ Gesellschaften zu behandeln wären. Dies erscheint aber wenig sachgerecht. Dabei bliebe unberücksichtigt, dass diese Gesellschaften nur _____________

34

22) So auch BT-Drucks. 18/11555, S. 173.

Thomas Wachter

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§ 40

Liste der Gesellschafter, Verordnungsermächtigung

derzeit noch nicht eingetragen sind und rechtlich mit der demnächst eingetragenen Gesellschaft identisch sind. Richtigerweise sollten die noch nicht eingetragenen Gesellschaften daher bereits wie eingetragene Gesellschaften behandelt werden. Dies entspricht auch der materiellen Rechtslage, wonach es sich bei der Vor-GmbH und der späteren GmbH um ein und denselben Rechtsträger handelt. Die im Moment noch nicht mögliche Angabe der Registernummer ist durch Angabe eines Aktenzeichens des Registers und/oder der Urkundenrollennummer des Notars zu ersetzen. Nach erfolgter Eintragung kann die Registernummer dann ergänzt werden. 35

Die Regelung gilt für Eintragungen in allen Registern und nicht nur für das Handelsregister (§ 40 Abs. 1 Satz 2: „Register“ und nicht Handelsregister). Damit sind grundsätzlich auch Eintragungen in allen anderen (öffentlichen) Registern, wie etwa Genossenschaftsregistern, Partnerschaftsregistern und Unternehmensregistern erfasst.

36

Die Vorschrift ist nicht auf Eintragungen in inländischen Registern beschränkt. Vielmehr werden auch Eintragungen in ausländischen Registern erfasst. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das ausländische Register mit dem deutschen Handelsregister vergleichbar ist (§ 15 HGB). Nach dem Normzweck kommt es vor allem darauf an, den Gesellschafter durch die Registerangabe zweifelsfrei zu identifizieren. Dafür genügt grundsätzlich jedes (verlässliche) Register.

37

Bei dem Register muss es sich um ein (öffentliches) Register handeln. Angaben aus privaten Verzeichnissen, Datenbanken oder Onlineregistern sollten dagegen regelmäßig nicht in die Liste der Gesellschafter aufgenommen werden. Die Angaben werden in die im Handelsregister aufgenommene Liste übernommen und bilden die Grundlage der Legitimations- und Rechtsscheinwirkung (§ 16).

38

Unklar ist die Situation insbesondere bei (deutschen) Stiftungen, die in keinem (öffentlichen) Register eingetragen sind (§§ 80 ff BGB). In den meisten Bundesländern werden von den Stiftungsaufsichtsbehörden sogenannte Stiftungsverzeichnisse geführt. Diese Stiftungsverzeichnisse sind indes keine (öffentlichen) Register. Ein öffentliches Stiftungsregister gibt es in Deutschland (bislang) nicht. Die Identifizierung von Stiftungen in der Liste der Gesellschafter sollte daher ersatzweise unter Bezugnahme auf die zuständige Aufsichtsbehörde („Register“) und deren Aktenzeichen („Registernummer“) erfolgen. Angaben zum Stifter, dem Stiftungsvorstand und/oder den Destinatären der Stiftung sind dagegen nicht erforderlich (auch nicht analog § 40 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 GmbHG). cc) Nicht eingetragene Gesellschaften (§ 40 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2) (1) Überblick

39

Bei „nicht eingetragenen Gesellschaften“ sind in der Gesellschafterliste „deren jeweilige Gesellschafter unter einer zusammenfassenden Bezeichnung mit Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort“ aufzuführen (§ 40 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2).

40

Der Begriff der „nicht eingetragenen Gesellschaft“ wird im Gesetz nicht näher erläutert. In der amtlichen Gesetzesbegründung wird in diesem Zusammenhang vor allem die „unternehmenstragende (Außen-)Gesellschaft des bürgerlichen Rechts“ erwähnt.23) _____________ 23) BT-Drucks. 18/11555, S. 173.

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Liste der Gesellschafter, Verordnungsermächtigung

§ 40

Unklar ist, welche anderen Gesellschaften (außer der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts) mit der Regelung noch erfasst werden sollen. Die Regelung gilt für alle Gesellschaften des bürgerlichen Rechts, unabhängig von Unternehmenszweck, Namen, Größe, Art und Anzahl ihrer Gesellschafter. Das Gesetz unterscheidet insbesondere nicht zwischen vermögensverwaltenden und gewerblichen Gesellschaften, zwischen Gesellschaften mit und ohne Namen und zwischen Familiengesellschaften und Publikumsgesellschaften. In der amtlichen Gesetzesbegründung wird ausdrücklich hervorgehoben, dass auch bei Publikumsgesellschaften mit großem Gesellschafterkreis stets alle Gesellschafter in der GmbHGesellschafterliste aufgeführt werden müssen.24)

41

Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gehört auch dann zu den „nicht eingetragenen Gesellschaften“, wenn diese im Einzelfall im Handelsregister (§ 162 Abs. 1 Satz 2 HGB) oder im Grundbuch (§ 47 Abs. 2 GBO) eingetragen ist. Eine solche mittelbare Eintragung im Handelsregister oder Grundbuch kann die unmittelbare Eintragung der Gesellschaft in einem Register nicht ersetzen. Eingetragene Gesellschaften sind nur solche, die selbst in einem eigenen Register eingetragen sind.

42

(2) Angaben zur Gesellschaft des bürgerlichen Rechts Bei einer (Außen-)Gesellschaft des bürgerlichen Rechts sind demnach (trotz Anerkennung von deren Teilrechtsfähigkeit) „alle Gesellschafter mit Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort unter einer zusammenfassenden Bezeichnung in der Gesellschafterliste aufzuführen“25) (§ 40 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2). Der Gesetzgeber hat den (früheren) Streit26) um die analoge Anwendung von § 162 Abs. 1 Satz 2 HGB auf die GmbH-Gesellschafterliste damit im Sinne der größtmöglichen Transparenz der Beteiligungsverhältnisse entschieden. Dies geschah auch aus Gründen der Geldwäscheprävention, nachdem es für Gesellschaften des bürgerlichen Rechts bislang an einem öffentlichen Register fehlt und diese (bislang) auch nicht vom Transparenzregister erfasst werden (§§ 18 ff GwG).

43

Der Gesetzgeber hat damit (nach § 162 Abs. 1 Satz 2 HGB und § 47 Abs. 2 GBO) das dritte Hilfsregister für Gesellschaften des bürgerlichen Rechts geschaffen. Der Wortlaut der einzelnen Regelungen stimmt nicht vollständig überein. Im Handelsgesetzbuch und in der Grundbuchordnung wird jeweils deutlich zum Ausdruck gebracht, dass bei Gesellschaften bürgerlichen Rechts „auch deren Gesellschafter“ einzutragen sind. Demgegenüber sollen in der GmbH-Gesellschafterliste „alle Gesellschafter (…) unter einer zusammenfassenden Bezeichnung“ aufgeführt werden (§ 40 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2). Der unterschiedliche Gesetzeswortlaut wird in den Gesetzesmaterialien nicht näher erörtert. Ein inhaltlicher Unterschied dürfte damit aber nicht verbunden sein.

44

_____________ 24) BT-Drucks. 18/11555, S. 173. 25) BT-Drucks. 18/11555, S. 173. 26) S. dazu BGH, ZIP 2018, 1591 (im Zusammenhang mit der zeitlichen Anwendbarkeit von § 40 Abs. 1 GmbHG n. F. 2017: maßgebend ist die Aufnahme der Liste in dem Registerordner des Handelsregisters und nicht der Zeitpunkt der Vorlage). – Vorinstanz: OLG Hamm, ZIP 2016, 2021 (Eintragung einer GbR als Gesellschafter in die GmbH-Gesellschafterliste), ausführlich dazu Hermanns, DB 2016, 2464; Huneke, GmbHR 2016, 1186.

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§ 40

Liste der Gesellschafter, Verordnungsermächtigung

45

Gesellschaften des bürgerlichen Rechts sind somit unter Angabe einer „zusammenfassenden Bezeichnung“ der Gesellschafter in die GmbH-Gesellschafterliste einzutragen. Die Rechtsform der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ist stets anzugeben. Gesellschaften mit einer entsprechenden (Namens-)Bezeichnung sind mit dieser in der Liste aufzuführen. Gesellschaften ohne eine solche (Namens-)Bezeichnung können auch ohne eine solche in der Liste aufgenommen werden. Die bloße Angabe der (Namens-)Bezeichnung ohne Angabe der Rechtsform (Gesellschaft des bürgerlichen Rechts) genügt in keinem Fall.

46

Bei Gesellschaften des bürgerlichen Rechts ist die Angabe von Sitz und/oder Anschrift nicht erforderlich (auch nicht analog § 40 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1). Das Gründungsdatum der Gesellschaft muss gleichfalls nicht angegeben werden. (3) Angaben zu den Gesellschaftern der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts

47

In der Liste der Gesellschafter sind alle Gesellschafter der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts mit Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Wohnort anzugeben (§ 40 Abs. 2 Satz 2 Halbs.).

48

Nicht ausdrücklich geregelt ist Fall, dass an der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts nicht nur natürliche Personen, sondern (andere) Gesellschaften oder Körperschaften beteiligt sind. In diesem Fall muss die Regelung des § 40 Abs. 2 Satz 2 entsprechend gelten. Für die notwendigen Angaben in der Liste macht es keinen Unterschied, ob eine Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar an einer GmbH beteiligt ist. Im Interesse der Transparenz der Beteiligungsverhältnisse sind die Angaben zu den hinter der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts stehenden natürlichen Personen in allen Fällen in gleicher Weise erforderlich.

49

Die Gesellschafter der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts sind in der GmbH-Gesellschafterliste stets vollständig anzugeben. Ausnahmen sind insoweit nicht vorgesehen.

50

Bei Publikumsgesellschaften mit einem großen Gesellschafterkreis sind auch dann alle Gesellschafter anzugeben, wenn diese häufig wechseln oder jeweils nur kleine Beteiligungen halten. In der amtlichen Gesetzesbegründung wird ausdrücklich hervorgehoben, dass etwaige Ausnahmen dem Transparenzgedanken zuwiderlaufen würden.27)

51

Für Gesellschafter von Familiengesellschaften bestehen gleichfalls keine Ausnahmen, auch nicht aus Gründen der Anonymität, der Vertraulichkeit oder des Datenschutzes. Die Eintragung in der Gesellschafterliste kann demnach allenfalls über Treuhandvereinbarungen verhindert werden.

52

Bei Gesellschaften des bürgerlichen Rechts, die bereits mittelbar im Handelsregister (§ 162 Abs. 1 Satz 2 HGB) oder Grundbuch (§ 47 Abs. 2 Satz 1 GBO) eingetragen sind, kann die Eintragung aller Gesellschafter nicht durch einen Verweis auf das Handelsregister oder Grundbuch ersetzt werden (auch nicht innerhalb ein und desselben Amtsgerichts). _____________ 27) BT-Drucks. 18/11555, S. 173.

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Liste der Gesellschafter, Verordnungsermächtigung

§ 40

In der Liste der Gesellschafter müssen keine Angaben zur Geschäftsführung und Vertretung bei der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts gemacht werden. Die Angabe eines geschäftsführungsberechtigten Gesellschafters oder eines gemeinsamen Vertreters (§ 18) ist weder erforderlich noch ausreichend.

53

Art und Umfang der Beteiligung der einzelnen Gesellschafter am Vermögen der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts sind in der GmbH-Gesellschafterliste nicht anzugeben.

54

3.

Umfang der Beteiligung

a) Nennbeträge der Geschäftsanteile (§ 40 Abs. 1 Satz 1) Neben den Gesellschaftern sind in der Liste auch „die Nennbeträge und die laufenden Nummern“ der von jedem Gesellschafter übernommenen Geschäftsanteile anzugeben (§ 40 Abs. 1 Satz 1).

55

Die Anzahl der Geschäftsanteile ist in der Liste dagegen nicht zwingend anzugeben (anders als im Gesellschaftsvertrag, § 3 Abs. 1 Nr. 4).

56

b) Nummern der Geschäftsanteile (§ 40 Abs. 1 Satz 1) Mit der laufenden Nummer soll die zweifelsfreie Identifizierung jedes einzelnen Geschäftsanteils sichergestellt werden. Bei Verfügungen über einen Geschäftsanteil sollte stets auch die in der Gesellschafterliste aufgeführte Nummer angegeben werden. Mangelnde Bestimmtheit kann die Nichtigkeit der Verfügung zur Folge haben.

57

Die laufenden Nummern werden von den Geschäftsführern bzw. dem Notar nach billigem Ermessen vergeben. Dabei sind die Vorgaben in der Gesellschafterlistenverordnung (vor allem § 1 zur Nummerierung) zu beachten. Entscheidend ist stets, dass die Gesellschafterliste die Beteiligungsverhältnisse für jedermann klar und übersichtlich darstellt

58

c) Prozentangaben (§ 40 Abs. 1 Sätze 1 und 3) aa) Überblick Seit 2017 (siehe Rn. 13)28) müssen in der Liste der Gesellschafter erstmals auch Angaben zur prozentualen Höhe der Beteiligung gemacht werden (§ 40 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3). Danach sind in der Liste zwei Angaben zu machen: zum einen zur prozentualen Höhe des einzelnen Geschäftsanteils (§ 40 Abs. 1 Satz 1 am Ende: „die durch den jeweiligen Nennbetrag eines Geschäftsanteils vermittelte jeweilige prozentuale Beteiligung am Stammkapital“) und zum anderen zur prozentualen Höhe der gesamten Beteiligung des Gesellschafters (§ 40 Abs. 1 Satz 3: „der Gesamtumfang der Beteiligung am Stammkapital (ist) als Prozentsatz gesondert anzugeben“).29)

59

Die prozentualen Angaben sind bei allen Gesellschaftern erforderlich.

60

_____________ 28) S. dazu die Übergangsregelung in § 8 EGGmbHG. 29) S. dazu OLG Nürnberg, ZIP 2018, 25 = GmbHR 2018, 86 mit Anm. Bochmann/Cziupka, ausführlich dazu Engel, NZG 2018, 175; OLG München, ZIP 2017, 2475 = EWiR 2018, 11 (Bochmann/Cziupka).

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§ 40

Liste der Gesellschafter, Verordnungsermächtigung

61

Auf Art und Höhe der Beteiligung des einzelnen Gesellschafters kommt es nicht an. Ohne Bedeutung ist auch, ob die Beteiligung die Schwellenwerte des Geldwäschegesetzes von 25 % (§ 3 Abs. 2 GwG) überschreitet oder nicht (einschränkend nur bezüglich der zulässigen Rundung der Prozentangaben § 4 GesLV).

62

Die prozentualen Angaben müssen sowohl bei natürlichen als auch bei juristischen Personen gemacht werden. Auf Wohnsitz, Staatsangehörigkeit oder Ansässigkeit des Gesellschafters kommt es nicht an. Die Angaben sind unabhängig davon zu machen, ob und inwieweit mit dem einzelnen Gesellschafter tatsächlich ein mögliches Geldwäscherisiko verbunden sein könnte (vgl. dazu § 14 GwG).

63

Zahlreiche Einzelheiten zu den Prozentangaben (u. a. zur Darstellung, zur Auf- und Abrundung und zu Rundungsdifferenzen), wurden in der Gesellschafterlistenverordnung näher geregelt (vgl. vor allem § 4 GesLV). bb) Prozentuale Angabe der Höhe des einzelnen Geschäftsanteils (§ 40 Abs. 1 Satz 1)

64

In allen Fällen ist in der GmbH-Gesellschafterliste „die durch den jeweiligen Nennbetrag eines Geschäftsanteils vermittelte jeweilige prozentuale Beteiligung am Stammkapital“ anzugeben (§ 40 Abs. 1 Satz 1). Nach der amtlichen Gesetzesbegründung30) dient dies der „Übersichtlichkeit der Gesellschafterliste“. Die prozentuale Angabe macht „die Gesellschafterliste für die Praxis leichter lesbar und verbessert die Auskunft über die maßgeblichen Gesellschafter“.

65

Diese Einschätzung des Gesetzgebers mag dann zutreffen, wenn die Gesellschafter nur einen (oder wenige) Geschäftsanteile übernommen haben. Bei einer GmbH mit einem Stammkapital von 25.000 €, an der ein Gesellschafter einen Geschäftsanteil im Nennbetrag zu 10.000 € hält, kann die zusätzliche Angabe von 40 % nützlich sein. Die Höhe der Beteiligung war aber auch früher schon (und ohne diese ausdrückliche Prozentabgabe) auf einen Blick zu erkennen.

66

Seit Inkrafttreten des MoMiG im Jahr 2008 übernehmen viele Gesellschafter aber regelmäßig Geschäftsanteile im Nennbetrag von jeweils 1,00 € (§ 5 Abs. 2 Satz 1). Der prozentuale Anteil des einzelnen Geschäftsanteils von 1,00 € am Stammkapital von 25.000 € beträgt 0,004 %. Diese Prozentangabe muss dann zwingend in der Gesellschafterliste angegeben werden. Eine solche Angabe war früher nicht üblich und erweist sich auch heute nicht als nützlich. Die Angabe ist eher verwirrend und trägt nicht zur Übersichtlichkeit der Gesellschafterliste bei.

67

Beispiel: Bei einem Gesellschafter, der 10.000 Geschäftsanteile im Nennbetrag zu jeweils 1,00 € hält, genügt somit allein die Angabe der Gesamtbeteiligung von 40 % nicht. Vielmehr sind zwei prozentuale Angaben erforderlich: 0,004 % für den einzelnen Geschäftsanteil (§ 40 Abs. 1 Satz 1) und 40 % für den Gesamtumfang der Beteiligung (§ 40 Abs. 1 Satz 3).

68

Die „Nutzerfreundlichkeit der Listen“31) wird mit diesen (doppelten) Prozentangaben nicht unbedingt gefördert. _____________ 30) BT-Drucks. 18/11555, S. 174. 31) S. dazu Seibert/Bochmann/Cziupka, GmbHR 2017, R 241.

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Liste der Gesellschafter, Verordnungsermächtigung

§ 40

cc) Prozentuale Angabe der Höhe der gesamten Beteiligung (§ 40 Abs. 1 Satz 3) In der Gesellschafterliste ist darüber hinaus auch der „Gesamtumfang der Beteiligung am Stammkapital als Prozentsatz gesondert“ anzugeben (§ 40 Abs. 1 Satz 3). Dies gilt jedenfalls dann, wenn „ein Gesellschafter mehr als einen Geschäftsanteil“ an der Gesellschaft hält.

69

Bei Gesellschaftern mit nur einem Geschäftsanteil ist nach dem Gesetzeswortlaut32) die zusätzliche prozentuale Angabe des Gesamtumfangs der Beteiligung nicht erforderlich. Beide Angaben sind identisch. Bei einem Gesellschafter, der einen Geschäftsanteil im Nennbetrag von 10.000 € an einer GmbH mit einem Stammkapital von 25.000 € hält, beträgt die prozentuale Angabe sowohl für den einzelnen Anteil als auch für die gesamte Beteiligung jeweils 40 %. In der Praxis dürfte die (freiwillige) Angabe beider Prozentangaben aber zulässig und sinnvoll sein.

70

Bei Gesellschaftern mit mehreren Geschäftsanteilen ist immer auch der prozentuale Gesamtumfang der Beteiligung gesondert anzugeben. Dies gilt unabhängig davon, ob die mehreren Geschäftsanteile den gleichen oder verschiedene Nennbeträge haben. Ein Gesellschafter, der 10.000 Geschäftsanteile im Nennbetrag zu jeweils 1,00 € hält, muss somit sowohl den Gesamtumfang seiner Beteiligung (hier: 40 %) als auch den Anteil des einzelnen Geschäftsanteile (hier: jeweils 0,004 %) angeben.

71

Die prozentuale Angabe des Gesamtumfangs der Beteiligung hat nach der amtlichen Gesetzesbegründung33) „vor allem den Sinn, dass Gesellschafter, die mehr als 25 Prozent der Anteile halten und damit als wirtschaftlich Berechtigte gelten, mit einem Blick in die Gesellschafterliste ausfindig gemacht werden können.“ Darüber hinaus soll die Angabe aber auch bei „Gesellschaftern, deren mehrere Anteile in der Summe diese Schwelle von 25 Prozent nicht überschreiten“ wichtig sein, „um gerade bei Beteiligungsketten und Zuhilfenahme ggf. mehrerer Gesellschafterlisten einfach ermitteln zu können, wer wirtschaftlicher Berechtigter ist“. Insgesamt sollen die prozentualen Angaben die „Verlinkung“ zwischen Gesellschafterliste und Transparenzregister vereinfachen. Dabei knüpft der Gesetzgeber an die neuen Meldepflichten an das Transparenzregister an (§§ 18 ff bis 26 GwG; vgl. dazu Fn. 6). Unternehmen sollen Daten, die bereits im Handelsregister abrufbar sind, nicht nochmals an das Transparenzregister melden müssen. Dies vermeide unnötige Bürokratie und entlaste die Unternehmen.34) Im Ergebnis soll die Mehrzahl der deutschen GmbHs35) auf diese Weise von ihren Meldepflichten an das Transparenzregister befreit werden.

72

III. Veränderungen in der Gesellschafterliste (§ 40 Abs. 1 Satz 1) 1.

Überblick

Die Gesellschafterliste soll eine umfassende Transparenz der Beteiligungsverhältnisse für jedermann gewährleisten. Dementsprechend haben die Geschäftsführer bzw. _____________ 32) Weitergehend möglicherweise die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 18/11555, S. 174 („Diese Angabe hat neben jener nach Satz 1 zu erfolgen.“). 33) BT-Drucks. 18/11555, S. 174. 34) Eingehend zu diesem Regelungskonzept Seibert, GmbHR 2017, R 97 und die amtliche Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 18/11555, S. 127 ff. 35) S. BT-Drucks. 18/11555, S. 128 (Vermeidung von Doppelmeldungen in Hunderttausenden von Fällen).

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73

§ 40

Liste der Gesellschafter, Verordnungsermächtigung

der Notar unverzüglich nach Wirksamwerden „jeder Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung“ eine neue Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen (Abs. 1 und 2; ebenso § 16 Abs. 1 Satz 1).36) 74

Die Veränderungen sollen zudem in der eigenen Veränderungsspalte eingetragen werden, die der Gesellschafterliste beigefügt wird (im Einzelnen dazu § 2 GesLV). 2.

Veränderungen in der Person der Gesellschafter

a) Veränderung des Inhabers des Geschäftsanteils 75

Eine „Veränderung in den Personen der Gesellschafter“ (Abs. 1 Satz 1) liegt zunächst dann vor, wenn sich die Person des Gesellschafters selbst ändert. Dies sind insbesondere die Fälle des Rechtsträgerwechsels aufgrund Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge. Beispiele dafür sind etwa: –

entgeltlicher, unentgeltlicher oder teilentgeltlicher Erwerb eines Geschäftsanteils (z. B. aufgrund von Kauf oder Schenkung);



Erwerb aufgrund (gesetzlicher oder gewillkürter) Erbfolge;37)



Umwandlung eines Gesellschafters (z. B. Verschmelzung oder Spaltung);



Erwerb aufgrund Anwachsung (s. § 738 BGB);



Begründung oder Aufhebung einer Gesamthandsgemeinschaft inländischen Rechts (z. B. Gesellschaft bürgerlichen Rechts,38) Gütergemeinschaft oder Erbengemeinschaft) oder vergleichbarer Gemeinschaften ausländischen Rechts (z. B. Errungenschaftsgemeinschaften);



Einziehung eines Geschäftsanteils;39)



Kaduzierung eines Geschäftsanteils;



Versteigerung eines Geschäftsanteils;



Kapitalerhöhungen oder -herabsetzungen.

b) Veränderung in der Person des Inhabers des Geschäftsanteils 76

Eine „Veränderung in den Personen der Gesellschafter“ (Abs. 1 Satz 1) liegt aber auch dann vor, wenn sich in der Person eines Gesellschafters etwas ändert. Maßgeblich ist dabei stets, wie der Gesellschafter in der zuletzt im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist bzw. eingetragen sein müsste. Beispiele für solche Veränderungen sind etwa: –

Änderung des Namens oder der Firma eines Gesellschafters;

_____________ 36) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 40 Rn. 7. 37) S. OLG Naumburg, ZIP 2016, 2217 = EWiR 2017, 267 (Staake) = GmbHR 2017, 86 mit Anm. Werner (Ausübung von Gesellschafterrechten durch Erben gegenüber Gesellschaft nur bei Eintragung in Gesellschafterliste). – Zur Erbfolge in GmbH-Geschäftsanteile ausführlich Heidinger, ZNotP 2012, 449; Lange, GmbHR 2014, 281; Lange, GmbHR 2013, 113; Lange, GmbHR 2012, 986. 38) Zur Eintragung der Gesellschafter einer GbR in der Gesellschafterliste s. BGH, ZIP 2018, 1591 (im Zusammenhang mit der zeitlichen Anwendbarkeit von § 40 Abs. 1 GmbHG n. F. 2017). 39) S. dazu Kleindiek, GmbHR 2017, 815.

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Thomas Wachter

Liste der Gesellschafter, Verordnungsermächtigung



§ 40

Änderung des Wohnortes oder des Sitzes des Gesellschafters (nicht der Wohnoder Geschäftsanschrift);



Änderung des Registers oder der Registernummer des Gesellschafters;



Veränderungen bei den Gesellschaftern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, zu deren Vermögen ein GmbH-Geschäftsanteil gehört;



Formwechsel eines Gesellschafters.

c) Mittelbare Veränderung in der Person des Inhabers des Geschäftsanteils Seit 2017 sind bei „nicht eingetragenen Gesellschaften“ in der Gesellschafterliste auch „deren jeweilige Gesellschafter unter einer zusammenfassenden Bezeichnung mit Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort“ aufzuführen (§ 40 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2; siehe Rn. 39 ff).

77

Die Neuregelung hat zur Folge, dass jede Änderung bei einer in der Liste aufgenommenen nicht eingetragenen Gesellschaft (z. B. einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts) auch eine „Veränderung“ auf Ebene der GmbH bewirkt, sodass eine neue Gesellschafterliste einzureichen ist (§ 40 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GmbHG).40)

78

Der wichtigste Fall einer solchen Änderung ist die Übertragung von Anteilen an einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (zu Lebzeiten oder von Todes wegen). Darüber hinaus sind aber beispielweise auch Änderung des Namens der Gesellschaft („Bezeichnung“) oder der Gesellschafter („Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort“) erfasst.

79

Keine relevante Änderung liegt dagegen vor, wenn die Anteile an der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts nicht übertragen, sondern lediglich belastet werden (z. B. Nießbrauchbestellung, Verpfändung) oder die Verfügungsbefugnis der Gesellschafter beschränkt wird (z. B. Insolvenzverwalter, Testamentsvollstreckung41). Für die Liste ohne Bedeutung sind ferner Änderungen von Sitz oder Anschrift der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts.

80

Nachdem in der GmbH-Gesellschafterliste Art und Umfang der Beteiligung der Gesellschafter an der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts nicht aufgenommen werden, muss bei entsprechenden Veränderungen auch keine neue Liste erstellt werden (z. B. Erhöhung oder Reduzierung einer bestehenden Beteiligung, Änderung in der Geschäftsführungs- oder Vertretungsbefugnis der Gesellschafter).

81

Die Übertragung von Anteilen an einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ist grundsätzlich formlos möglich. Dies gilt auch dann, wenn zum Vermögen der Gesellschaft Anteile an einer GmbH gehören; eine notarielle Beurkundung ist nicht erforderlich (auch nicht analog § 15 Abs. 3 GmbHG). Die Zuständigkeit für die Erstellung und Einreichung der neuen GmbH-Gesellschafterliste obliegt demnach den Geschäftsführern nach entsprechender Mitteilung und entsprechendem Nachweis (§ 40 Abs. 1 GmbHG).

82

_____________ 40) So ausdrücklich BT-Drucks. 18/11555, S. 173. 41) S. dazu BGH, ZIP 2015, 732 = EWiR 2015, 303 (Heckschen/Strnad) = GmbHR 2015, 526 mit Anm. Bayer (keine Aufnahme des Testamentsvollstreckervermerks in GmbH-Gesellschafterliste).

Thomas Wachter

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§ 40

Liste der Gesellschafter, Verordnungsermächtigung

83

Für die Legitimationswirkung der GmbH-Gesellschafterliste kommt es auf die Eintragung des Gesellschafters in der Liste an (§ 16 Abs. 1 Satz 1). Gesellschafter ist allein die (rechtsfähige) Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. Die Eintragung der Gesellschafter der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts dient somit ausschließlich der Information, nicht aber auch der Legitimation.42)

84

Entsprechendes gilt auch für die Gutglaubenswirkung der GmbH-Gesellschafterliste.43) Ein gutgläubiger Erwerber kann einen Geschäftsanteil von einem Nichtberechtigten erwerben, wenn der Veräußerer in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist (§ 16 Abs. 3 GmbHG). Grundlage des gutgläubigen Erwerbs ist der in der Liste eingetragene Gesellschafter. Dies ist hier die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. Der Gutglaubensschutz bezieht sich somit auch nur auf die in der Gesellschafterliste aufgenommene Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (und nicht auch auf deren Gesellschafter und deren Vertretungsbefugnisse).

85

Dieses Ergebnis wird auch durch einen Vergleich der Gutglaubensregelungen im GmbHG und in der GBO bestätigt. Im Grundbuchrecht wird bei Eintragung einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts in Ansehung des eingetragenen Rechts vermutet, dass diejenigen Personen Gesellschafter sind, die im Grundbuch eingetragen und darüber hinaus keine weiteren Gesellschafter vorhanden sind (§ 899a Satz 1 BGB, § 47 Abs. 2 Satz 1 GBO). Die Regeln zum gutgläubigen Erwerb gelten darüber hinaus bezüglich der Eintragungen der Gesellschafter entsprechend (§ 899a Satz 2 BGB). Im GmbHG fehlen vergleichbare Regelungen; § 899a BGB gilt insoweit weder unmittelbar noch analog. Ein gutgläubiger Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen von „falschen“ Gesellschaftern einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ist demnach unverändert nicht möglich.44) 3.

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Veränderungen im Umfang der Beteiligung

Schließlich liegt eine maßgebliche Veränderung in den Beteiligungsverhältnissen auch dann vor, wenn die Personen der Gesellschafter unverändert bleiben, es aber zu Änderungen „des Umfangs ihrer Beteiligung“ kommt (Abs. 1 Satz 1). Beispiele dafür sind etwa: –

Teilung oder Zusammenlegung von Geschäftsanteilen;



Aufstockung oder Herabsetzung eines Geschäftsanteils;



Kapitalerhöhungen oder -herabsetzungen.

4.

Keine relevanten Veränderungen

Keine Veränderung in den Beteiligungsverhältnissen liegt dagegen u. a. in folgenden Fällen vor: –

Belastung eines GmbH-Geschäftsanteils (z. B. Bestellung von Pfand-, Nießbrauchs- oder Vorkaufsrechten);

_____________ 42) Schaub, GmbHR 2017, 727, 729. 43) Schaub, GmbHR 2017, 727, 729. 44) So auch BT-Drucks. 18/11555, S. 173.

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Thomas Wachter

Liste der Gesellschafter, Verordnungsermächtigung

§ 40



Verfügungsbeschränkungen eines Gesellschafters (z. B. Testamentsvollstreckung,45) Nacherbenvermerk);



Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters.

Die Gesellschafterliste ist kein „kleines Grundbuch“.46) Alle Rechte, die im Grundbuch in Abteilung II oder III eingetragen werden, können in der Gesellschafterliste nicht eingetragen werden. Dementsprechend ist auch ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb von Geschäftsanteilen nicht möglich.

88

IV. Gesellschafterlisten der Geschäftsführer (Abs. 1) 1.

Zuständigkeit der Geschäftsführer

Die Verantwortlichkeit für die Einreichung der Gesellschafterliste richtet sich danach, ob an der Veränderung der Beteiligungsverhältnisse ein Notar mitgewirkt hat oder nicht.47)

89

Falls kein Notar an den Veränderungen der Beteiligungsverhältnisse mitwirkt, sind die Geschäftsführer für die Einreichung der Gesellschafterliste verantwortlich (Abs. 1). In diesem Fall müssen die Geschäftsführer die neue Gesellschafterliste erstellen (oder erstellen lassen), eigenhändig unterschreiben und (elektronisch) beim Registergericht einreichen.

90

Falls ein Notar an der Veränderung der Beteiligungsverhältnisse mitwirkt, hat er die Liste „anstelle der Geschäftsführer“ zu unterschreiben und zum Handelsregister einzureichen (Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1). Der Notar muss die Liste zudem mit der Bescheinigung versehen, dass die geänderten Eintragungen den Veränderungen entsprechen, an denen er mitgewirkt hat, und die übrigen Eintragungen mit dem Inhalt der zuletzt im Handelsregister aufgenommenen Liste übereinstimmen (Abs. 2 Satz 2). Eine Abschrift der geänderten Gesellschafterliste hat der Notar der Gesellschaft zu übermitteln (Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2).

91

Das neue Regelungsmodell ist abschließend und zwingend.48) Bei jeder Veränderung in den Beteiligungsverhältnissen muss entweder von den Geschäftsführern oder vom Notar eine neue Gesellschafterliste eingereicht werden.49) Ein Verzicht darauf ist nicht möglich.

92

Im Falle der Führungslosigkeit der Gesellschaft (§ 35 Abs. 1 Satz 2) läuft die Verpflichtung zur Einreichung einer neuen Gesellschafterliste ins Leere, sofern kein Notar an der Veränderung mitgewirkt hat. Ein Geschäftsführer ist nicht vorhanden _____________

93

45) S. dazu BGH, ZIP 2015, 732 = EWiR 2015, 303 (Heckschen/Strnad) = GmbHR 2015, 526 mit Anm. Bayer (keine Aufnahme des Testamentsvollstreckervermerks in GmbH-Gesellschafterliste 46) Vossius, DB 2007, 2299. 47) Eine ausschließliche Zuständigkeit des Notars wurde vielfach für vorzugswürdig angesehen, s. nur Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 40 Rn. 4, 20. 48) Anders aber wohl BGH, ZIP 2014, 216 = GmbHR 2014, 198 m. Anm. Bayer, dazu EWiR 2014, 205 (Paefgen/Franke) – im Zusammenhang mit der Korrektur einer unrichtigen Gesellschafterliste. Ausführlich dazu Leitzen, ZNotP 2014, 42; Seebach, DNotZ 2014, 413; Tebben, DB 2014, 585. 49) Zu den Folgen, wenn die Gesellschafterliste von einer unzuständigen Person eingereicht wird ausführlich Tebben, RNotZ 2008, 441, 453.

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§ 40

Liste der Gesellschafter, Verordnungsermächtigung

und die Gesellschafter treten insoweit (anders als beispielsweise bei der Insolvenzantragspflicht, § 15a Abs. 3 InsO) nicht an deren Stelle. Den Vorschlag,50) wonach die Verpflichtung zur Einreichung einer neuen Gesellschafterliste im Falle der Führungslosigkeit den Gesellschaftern obliegt, hat die Bundesregierung abgelehnt.51) 2.

Veränderung in den Beteiligungsverhältnissen

a) Wirksamwerden einer Veränderung 94

Die Geschäftsführer haben unverzüglich nach Wirksamwerden jeder Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung eine von ihnen unterschriebene Liste der Gesellschafter zum Handelsregister einzureichen (Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1). Dabei muss es sich um eine Veränderung handeln, an der kein Notar mitgewirkt hat (Abs. 2 Satz 1). Beispiele dafür sind etwa der Erwerb von Geschäftsanteilen aufgrund Erbfolge oder die Teilung bzw. Zusammenlegung von Geschäftsanteilen aufgrund eines privatschriftlichen Gesellschafterbeschlusses.52) b) Mitteilung und Nachweis der Veränderung (Abs. 1 Satz 3)

95

Die Geschäftsführer müssen die geänderte Gesellschafterliste nicht von sich aus beim Handelsregister einreichen. Eine Veränderung in den Beteiligungsverhältnissen ist den Geschäftsführern vielmehr zunächst mitzuteilen und nachzuweisen (Abs. 1 Satz 3; vgl. auch § 67 Abs. 3 AktG). Das Gesetz enthält zu Inhalt, Form und Umfang der erforderlichen Mitteilungen und Nachweise keinerlei nähere Angaben. Angesichts der großen Bedeutung der Gesellschafterliste (§ 16 Abs. 1 und 3) sollten die Geschäftsführer an die erforderlichen Mitteilungen und Nachweise jedoch strenge Anforderungen stellen.53) Bei ihrer Entscheidung müssen die Geschäftsführer auch berücksichtigen, dass sie für eine Verletzung der ihnen obliegenden Pflichten unter Umständen persönlich haften (Abs. 3).

96

Aus der Mitteilung muss die Veränderung der Beteiligungsverhältnisse an der Gesellschaft in jedem Fall klar, eindeutig und verständlich hervorgehen. Die Geschäftsführer sind insbesondere nicht verpflichtet, anhand der vorgelegten (unter Umständen umfangreichen) Unterlagen selbst zu ermitteln, welche Veränderung der Beteiligungsverhältnisse erfolgt ist. Diese ist den Geschäftsführern vielmehr ausdrücklich mitzuteilen. Eine bestimmte Form ist für die Mitteilung an die Geschäftsführung zwar nicht vorgesehen, doch ist schon aus Gründen der Nachweisbarkeit zumindest eine schriftliche Mitteilung zu verlangen.

97

Den Geschäftsführern ist die Veränderung der Beteiligungsverhältnisse darüber hinaus auch nachzuweisen. Der Nachweis muss sich (ebenso wie die Mitteilung) nicht nur darauf beziehen, dass eine Veränderung der Beteiligungsverhältnisse erfolgt ist, sondern auch darauf, dass diese wirksam geworden ist. Als Nachweise sind in der Regel Urkunden in Urschrift oder beglaubigter Abschrift (z. B. Gesellschafterbeschlüsse) in deutscher Sprache vorzulegen. Zum Nachweis der Erbfolge ist im Allgemeinen _____________ 50) 51) 52) 53)

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BR-Drucks. 354/07 (Beschluss) Nr. 18. BT-Drucks. 16/6140, Anlage 3, S. 10. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 40 Rn. 16. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 40 Rn. 19 f; Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 40 Rn. 86 ff.

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§ 40

die Ausfertigung eines Erbscheins oder eine Verfügung von Todes wegen in öffentlicher Urkunde samt Eröffnungsniederschrift vorzulegen (§ 35 Abs. 1 Satz 2 GBO analog). 3.

Pflichten der Geschäftsführer

a) Erstellen einer neuen Gesellschafterliste Die geänderte Gesellschafterliste ist von den Geschäftsführern persönlich zu unterschreiben (Abs. 1 Satz 1). Stellvertretung bei der Unterzeichnung der Gesellschafterliste ist ausgeschlossen.54) Die geänderte Gesellschafterliste ist nicht unbedingt von allen Geschäftsführern, sondern nur von den Geschäftsführern in vertretungsberechtigter Zahl zu unterzeichnen (§ 78). Eine Beglaubigung der Unterschriften der Geschäftsführer unter der Gesellschafterliste ist nicht erforderlich.55)

98

Aus dem Gesetz ergibt sich nicht ausdrücklich, dass die Gesellschafterliste von den Geschäftsführern auch zu erstellen ist. Gleichwohl ist das Erstellen der Gesellschafterliste eine originäre Aufgabe der Geschäftsführer, die der Einreichung der Liste zum Handelsregister notwendigerweise vorausgeht. Die Geschäftsführer müssen die Liste naturgemäß nicht selbst entwerfen, sondern werden damit – wie das auch bislang üblich und sinnvoll ist – einen Rechtsanwalt oder Notar beauftragen.

99

Für den Inhalt der geänderten Gesellschafterliste gelten die allgemeinen Vorschriften (§ 40 Abs. 1; siehe Rn. 14 ff). Die für einen Geschäftsanteil einmal vergebene Nummer ist auch nach einer Veränderung fortzuführen (Nummerierungskontinuität, § 1 Abs. 2 GesLV).

100

Die Veränderungen müssen aus der Liste grundsätzlich nicht ersichtlich sein. Im GmbHG ist eine Veränderungsspalte (anders als im Grundbuch nicht vorgesehen). In der am 1.7.2018 in Kraft getretenen Gesellschafterlistenverordnung ist jetzt aber erstmals eine Veränderungsspalte vorgesehen (§ 2 GesLV). Bestimmte Veränderungen sollen danach regelmäßig in die Veränderungsspalte eingetragen werden (§ 2 Abs. 2 GesLV) und damit besonders hervorgehoben werden. Dazu gehören die Teilung und Zusammenlegung von Geschäftsanteilen, die Einziehung von Geschäftsanteilen, die Kapitalerhöhung (sowohl bei Ausgabe neuer Geschäftsanteile als auch bei Aufstockung der bestehenden Geschäftsanteile), die Kapitalherabsetzung und der Anteilsübergang. Bei anderen Veränderungen (z. B. Änderung von Wohnort oder Sitz eines Gesellschafters) steht es dagegen im Ermessen des jeweiligen Listenerstellers, ob er die Veränderungen zusätzlich auch in einer besonderen Veränderungsspalte angibt (§ 2 Abs. 4 GesLV). Verfügungsbeschränkungen (z. B. Testamentsvollstreckung56) und Belastungen (z. B. Verpfändung) sind dagegen keine relevanten Veränderungen (siehe Rn. 87 f) und können daher nicht in der Veränderungsspalte aufgenommen werden.57)

101

_____________ 54) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 40 Rn. 17. S. OLG Jena, ZIP 2011, 1763 = GmbHR 2011, 980 m. Anm. Bayer – Unterzeichnung durch Geschäftsführer und Prokuristen nicht ausreichend. 55) Zur rechtspolitischen Kritik daran Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 40 Rn. 10 m. w. N. 56) S. Fn. 45. 57) Zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Gesellschafterlistenverordnung im Zusammenhang mit der Umnummerierung von Geschäftsanteilen s. BGH, ZIP 2011, 765 = GmbHR 2011, 474 mit Anm. Heidinger. Ausführlich dazu Herrler, NZG 2011, 536.

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§ 40

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b) Einreichen zum Handelsregister 102

Die von den Geschäftsführern eigenhändig unterschriebene Gesellschafterliste ist sodann elektronisch beim Registergericht der Gesellschaft einzureichen (§ 12 Abs. 2 HGB). Dabei ist dem Registergericht das Original oder eine beglaubigte Abschrift der geänderten Gesellschafterliste zu übermitteln.58)

103

Die Liste ist von den Geschäftsführern „unverzüglich nach Wirksamwerden jeder Veränderung“ in den Beteiligungsverhältnissen einzureichen (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB). 4.

Aufnahme der neuen Gesellschafterliste

104

Das Registergericht hat die geänderte Gesellschafterliste in den (elektronischen) Registerordner aufzunehmen. Aufgenommen ist die Gesellschafterliste sobald sie online eingesehen werden kann.

105

Nach der amtlichen Gesetzesbegründung nimmt das Registergericht die neue Gesellschafterliste lediglich entgegen und verwahrt diese; eine „inhaltliche Prüfungspflicht“ obliegt dem Registergericht dagegen nicht.59) Das Registergericht wird die neue Gesellschafterliste aber zumindest in formaler Hinsicht prüfen müssen (z. B. im Hinblick auf die Unterzeichnung der Gesellschafterliste durch die Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Zahl). Darüber hinaus erscheint auch eine gewisse Plausibilitätskontrolle zulässig (z. B. bei einem Widerspruch zwischen mehreren, sich inhaltlich widersprechenden Gesellschafterlisten). Allerdings darf eine solche Kontrolle sich stets nur auf offenkundige Mängel der Gesellschafterliste erstrecken, da der neue Gesellschafter ohne deren Aufnahme in das Handelsregister seine Gesellschafterrechte nicht ausüben kann.60)

106

Das Registergericht informiert weder die Geschäftsführer noch die Gesellschafter über die Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste in den Registerordner. Die Beteiligten müssen sich vielmehr selbst entsprechend informieren. Nachdem die Gesellschafterliste von jedermann online eingesehen werden kann, können Geschäftsführer und Gesellschafter problemlos prüfen, ob die neue Gesellschafterliste richtig und vollständig im Handelsregister aufgenommen worden ist.61)

107

Die Geschäftsführer müssen die Gesellschafter nach dem gesetzlichen Regelungsmodell nicht darüber informieren, dass sie beim Handelsregister eine neue Gesellschafterliste eingereicht haben (Umkehrschluss zu Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2). Abweichende Regelungen in der Satzung oder in einer Geschäftsordnung sind aber möglich.

_____________ 58) S. LG Gera, NotBZ 2009, 332. 59) BT-Drucks. 16/6140, S. 105. 60) Zur Prüfungsbefugnis des Registergerichts s. a. BGH, ZIP 2014, 317 = EWiR 2014, 171 (Seibt) (zum Prüfungsrecht des Registergerichts bezüglich einer neuen GmbH-Gesellschafterliste bei einer Beurkundung in der Schweiz); OLG Frankfurt/M., GmbHR 2011, 823 = NotBZ 2011, 68; OLG Frankfurt/M., GmbHR 2011, 198 m. Anm. Biebinger; OLG Köln, GmbHR 2011, 141 = NZG 2011, 556; OLG München, ZIP 2009, 1421 = GmbHR 2009, 825, dazu EWiR 2009, 713 (Blasche). 61) D. Mayer, ZIP 2009, 1037, 1044.

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5.

§ 40

Berichtigung einer Gesellschafterliste

Der Geschäftsführer ist berechtigt, eine fehlerhafte Gesellschafterliste zu berichtigen. Dies gilt aber nur dann, wenn er die fehlerhafte Liste auch selbst erstellt hat (§ 40 Abs. 1). Eine vom Notar erstellte Gesellschafterliste (§ 40 Abs. 2) kann dagegen nur der Notar (und nicht auch der Geschäftsführer) berichtigen.62)

108

V. Gesellschafterliste mit Notarbescheinigung (Abs. 2) 1.

Zuständigkeit des Notars (Abs. 2 Satz 1)

Hat ein Notar an der Veränderung der Beteiligungsverhältnisse mitgewirkt, muss er „anstelle der Geschäftsführer“ die neue Gesellschafterliste unterschreiben und zum Handelsregister einreichen (Abs. 2 Satz 1).63) Der Notar tritt in diesen Fällen in vollem Umfang an die Stelle der Geschäftsführer. Die Geschäftsführer sind von den ihnen sonst obliegenden Verpflichtungen (nach Absatz 1) befreit.64) Mit der verstärkten Einbindung des Notars in die Gesellschafterliste soll deren Richtigkeitsgewähr erhöht werden.65) Der Gesetzgeber bezeichnet dieses Verfahren als „besonders einfach und unbürokratisch“.66)

109

Die Verpflichtung des Notars zur Einreichung der neuen Gesellschafterliste ist zwingend. Die Beteiligten können den Notar von dieser Verpflichtung nicht entbinden oder freistellen. Die Verpflichtung des Notars entfällt auch nicht dadurch, dass sich die Geschäftsführer verpflichten, trotz der Mitwirkung des Notars an der Veränderung der Beteiligungsverhältnisse selbst eine neue Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen. Der Notar wird bei der Einreichung der Gesellschafterliste nicht als Vertreter der Geschäftsführer oder der Gesellschaft, sondern von Amts wegen tätig. Die Einreichung der Liste liegt „allein im Verantwortungsbereich des Notars“.67) Weisungen der Gesellschaft oder der Beteiligten in Bezug auf die Gesellschafterliste sind somit grundsätzlich unbeachtlich.

110

Das gesetzliche Regelungsmodell steht auch im umgekehrten Fall nicht zur Disposition der Beteiligten. Ein Notar, der nicht an der Veränderung der Beteiligungsverhältnisse mitgewirkt hat, kann somit nicht beauftragt werden, im eigenen Namen eine neue Gesellschafterliste einzureichen. Der Notar kann selbstverständlich im Auftrag der Geschäftsführer den Entwurf einer Gesellschafterliste erstellen und die von diesen unterschriebene Gesellschafterliste (als Bote) elektronisch zum Handelsregister einreichen. Der Notar kann die neue Gesellschafterliste in diesem Fall aber nicht selbst unterschreiben. Die Liste darf in diesem Fall auch nicht mit einer Bescheinigung des Notars versehen werden. Die Verantwortung für die Gesell-

111

_____________ 62) A. A. aber BGH, GmbHR 2017, 519 mit Anm. Lieder; BGH, ZIP 2014, 216 = EWiR 2014, 205 (Paefgen/Franke) = GmbHR 2014, 198 mit Anm. Bayer, ausführlich dazu Leitzen, ZNotP 2014, 42; Nodoushani, GmbHR 2015, 617; Seebach, DNotZ 2014, 413; Tebben, DB 2014, 585. 63) Zu den Aufgaben des Notars in diesem Zusammenhang Armbrüster/Preuß/RennerPreuß, BeurkG, Anh § 53 BeurkG, Rn. 41 ff. 64) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 40 Rn. 23 – „in Verdrängung der Geschäftsführung“. 65) BT-Drucks. 16/6140, S. 107. 66) BT-Drucks. 16/6140, S. 105. 67) BT-Drucks. 16/6140, S. 106.

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schafterliste kann und darf der Notar nur dann übernehmen, wenn er an der Veränderung der Beteiligungsverhältnisse auch selbst mitgewirkt hat. 112

Hat ein ausländischer Notar an einer Veränderung der Beteiligungsverhältnisse mitgewirkt,68) ist dieser zur Einreichung der neuen Gesellschafterliste zwar nicht verpflichtet, dazu aber durchaus berechtigt. 2.

Mitwirkung des Notars an einer Veränderung der Beteiligungsverhältnisse

a) Mitwirkung des Notars 113

Der Notar muss immer dann eine neue Gesellschafterliste zum Handelsregister einreichen, wenn er an Veränderungen in den Personen der Gesellschaft oder des Umfangs ihrer Beteiligung „mitgewirkt“ hat (Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1).69)

114

Eine solche Mitwirkung liegt unstreitig dann vor, wenn der Notar einen schuldrechtlichen Vertrag über die Veräußerung von Geschäftsanteilen (§ 15 Abs. 4 Satz 1) und die dingliche Abtretung (§ 15 Abs. 3) beurkundet. Eine Mitwirkung liegt auch dann vor, wenn im Einzelfall nur die dingliche Abtretung beurkundet werden sollte (§ 15 Abs. 4 Satz 2).70)

115

Bei einer Aufspaltung der Anteilsübertragung in Angebot und Annahme wirken zwei Notare an der Veränderung der Beteiligungsverhältnisse mit. In diesem Fall stellt sich die Frage, welchem der beiden Notare die Pflicht zur Einreichung der neuen Gesellschafterliste obliegt. Im Allgemeinen dürfte der die Annahme beurkundende Notar für die neue Gesellschafterliste verantwortlich sein, da die Veränderung mit der Annahme bzw. deren Zugang wirksam wird.

116

Bei Kapitalmaßnahmen ist die Mitwirkung eines Notars als solches weitgehend unstreitig.71) Zuständigkeitsprobleme können sich aber dann ergeben, wenn an der Kapitalmaßnahme mehrere Notare mitgewirkt haben (z. B. Beurkundung des Gesellschafterbeschlusses, Beglaubigung der Übernahmeerklärungen und der Handelsregisteranmeldung). In diesen Fällen ist grundsätzlich der Notar für die Einreichung der neuen Gesellschafterliste verantwortlich, der die Kapitalmaßnahme beim Registergericht angemeldet hat.72) _____________ 68) Zur Zulässigkeit einer Beurkundung im Ausland (hier Schweiz) s. BGH, ZIP 2014, 317 = EWiR 2014, 171 (Seibt); ausführlich dazu Götze/Mörtel, NZG 2014, 369; Herrler, GmbHR 2014, 225; Hermanns, RNotZ 2014, 229; Leitzen, ZNotP 2014, 42; Link, BB 2014, 579; Meichelbeck/Krauß, DStR 2014, 752; Müller, NJW 2014, 1994; Odendahl, RIW 2014, 189; Seebach, DNotZ 2014, 413; Stenzel, GmbHR 2014, 1024; Tebben, DB 2014, 585; Weller, ZGR 2014, 865. 69) S. OLG Rostock, GmbHR 2017, 523 mit Anm. Bayer (Befugnis des Geschäftsführers zur Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste trotz Mitwirkung eines Notars an den Veränderungen). – Umfassend zur umstrittenen Frage der Mitwirkung eines Notars Heidinger in: MünchKomm-GmbHG, § 40 Rn. 142 ff; Scholz-Seibt, GmbHG, § 40 Rn. 54 ff. 70) Zur Einreichungspflicht eines Notars bei Beurkundung eines Kauf- und Abtretungsvertrags, der erst später genehmigt wird s. OLG Hamm, GmbHR 2014, 424, dazu EWiR 2014, 477 (Cramer). 71) S. dazu OLG München, ZIP 2010, 2145 = GmbHR 2010, 921. 72) Zum Zeitpunkt der Erstellung der neuen Gesellschafterliste s. OLG Jena, ZIP 2010, 1795 = GmbHR 2010, 1038.

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§ 40

Noch weitgehend ungeklärt ist bislang die Frage, ob der Notar auch dann zur Einreichung einer neuen Gesellschafterliste verpflichtet ist, wenn er an der Veränderung der Beteiligungsverhältnisse nur mittelbar mitgewirkt hat.73) Eine mittelbare Mitwirkung ist beispielsweise bei folgenden Beurkundungen gegeben: Umwandlung, wenn zum Vermögen des übertragenden Rechtsträgers Anteile an einer GmbH gehören,74) Erbauseinandersetzung, wenn zum Nachlass Anteile an einer GmbH gehören, Ehevertrag, mit dem der Güterstand der Gütergemeinschaft begründet oder aufgehoben wird, wenn zum Vermögen eines der Ehegatten Anteile an einer GmbH gehören.75)

117

In allen diesen Fällen ist die Veränderung der Beteiligungsverhältnisse nicht unmittelbarer Gegenstand der notariellen Beurkundung. Die Veränderung der Beteiligungsverhältnisse ist vielmehr eine mittelbare Folge des beurkundeten Rechtsgeschäfts, die zwingend kraft Gesetzes eintritt. Eine Mitwirkung des Notars (i. S. v. Abs. 2 Satz 1) ist daher grundsätzlich nur dann anzunehmen, wenn dem Notar diese Veränderung im Einzelfall auch positiv bekannt ist. Denn ohne sichere Kenntnis von den Vermögensverhältnissen könnte eine neue Gesellschafterliste ohnehin nicht erstellt werden. Im Ergebnis ist der Notar in diesen Fällen somit nur dann für die Einreichung der Gesellschafterliste verantwortlich, wenn er von der Beteiligung an der GmbH positive Kenntnis hat (z. B. aufgrund einer entsprechenden Mitteilung der Beteiligten). Der Notar muss sich allerdings nicht von sich aus nach solchen Beteiligten erkundigen.

118

Bei einem Erwerb eines GmbH-Geschäftsanteils aufgrund (gesetzlicher oder gewillkürter) Erbfolge liegt keine Mitwirkung des Notars an der Veränderung der Beteiligungsverhältnisse vor. Dies gilt auch dann, wenn der Erwerb aufgrund einer notariell beurkundeten Verfügung von Todes wegen erfolgt.

119

Die Beurkundung eines Erbscheinsantrags beinhaltet gleichfalls keine Mitwirkung des Notars an der Veränderung der Beteiligungsverhältnisse, da der Erbschein allein dem Nachweis der bereits eingetretenen Erbfolge dient.

120

Eine Mitwirkung des Notars an der Veränderung der Beteiligungsverhältnisse liegt auch dann nicht vor, wenn er auftragsgemäß Entwürfe für (privatschriftliche) Gesellschafterbeschlüsse (z. B. über die Teilung oder Zusammenlegung von Geschäftsanteilen oder die Einziehung eines Geschäftsanteils) erstellt.76) Die Veränderung tritt

121

_____________ 73) S. dazu OLG Hamm, ZIP 2012, 425 = GmbHR 2012, 38 – Beurkundung der Firmenänderung bei einer Mutter-Gesellschaft begründet keine Mitwirkung an den Veränderungen bei der Tochter-GmbH. – Ausführlich zu Fragen der mittelbaren Mitwirkung Heilmeier, NZG 2012, 217; Roth, RNotZ 2014, 470. 74) S. dazu OLG Hamm, ZIP 2010, 128 m. Anm. Herrler/Blath = GmbHR 2010, 205 = DNotZ 2010, 214 m. Anm. Ising, dazu EWiR 2010, 251 (Omlor); ausführlich dazu Berninger, DStR 2010, 1292; Ries, NZG 2010, 135. 75) Zur Zulässigkeit der (vorsorglichen) Unterzeichnung der Gesellschafterliste durch Geschäftsführer und Notar (jedenfalls in zweifelhaften Fällen) s. OLG Hamm, ZIP 2010, 1394 = GmbHR 2010, 430 m. Anm. Herrler = BB 2010, 985 m. Anm. Leitzen, dazu EWiR 2010, 535 (Omlor). 76) Zum Erfordernis des Einreichens einer Zwischenliste bei Teilung eines GmbH-Geschäftsanteils und nachfolgender Übertragung eines Teilgeschäftsanteils s. OLG Köln, ZIP 2014, 779 = DNotZ 2014, 387 m. Anm. Heinemann; ausführlich dazu Berninger, GmbHR 2014, 449; Peetz, GmbHR 2014, 1289.

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in diesem Fall frühestens mit der Beschlussfassung ein, an der der Notar im Allgemeinen aber nicht mitwirkt. Eine Mitwirkung des Notars liegt in einem solchen Fall nur dann vor, wenn der entsprechende Gesellschafterbeschluss beurkundet wird (obwohl dies gesetzlich nicht zwingend vorgesehen ist) oder der Notar sonst an der Unterzeichnung und dem Vollzug des Gesellschafterbeschlusses mitwirkt. b) Wirksamwerden einer Veränderung 122

Die neue Gesellschafterliste ist vom Notar unverzüglich „nach Wirksamwerden“ der Veränderung zum Handelsregister einzureichen (Abs. 2 Satz 1). Dagegen muss der Notar nicht überwachen, ob die Anteilsübertragung auch wirksam bleibt. Ohne Bedeutung sind für den Notar insbesondere etwaige später eintretende Unwirksamkeitsgründe (z. B. Ausübung eines Rücktrittsrechts, Eintritt einer auflösenden Bedingung,77) Anfechtung des Vertrages).

123

Der Notar kann im Allgemeinen nicht selbst beurteilen, ob die Veränderung der Beteiligungsverhältnisse wirksam geworden ist (z. B. Zahlung des Kaufpreises bei einer aufschiebend bedingten Anteilsübertragung). Er ist vielmehr auf die Mitteilung und Nachweise der Beteiligten angewiesen. Die vorgelegten Unterlagen muss der Notar allerdings auf ihre Plausibilität prüfen. Hat der Notar trotz der vorgelegten Unterlagen Zweifel an der Wirksamkeit der Veränderung, kann er weitere Nachweise verlangen.78) Es obliegt allein dem mitwirkenden Notar, darüber zu entscheiden, welche Nachweise er für seine Überzeugungsbildung im jeweiligen Einzelfall für erforderlich ansieht.79) Der Notar darf und muss die neue Gesellschafterliste in jedem Fall erst dann beim Handelsregister einreichen, wenn er von der Wirksamkeit der Veränderung vollständig überzeugt ist.80) 3.

Pflichten des Notars

a) Erstellen einer neuen Gesellschafterliste 124

Nach dem Gesetzeswortlaut muss der Notar die neue Gesellschafterliste (nur) unterschreiben und zum Handelsregister einreichen (Abs. 2 Satz 1). Zuvor muss der Notar die Liste aber auch erstellen. Der Notar kann die Erstellung der Gesellschafterliste nicht den Geschäftsführern überlassen oder sonst von deren Mitwirkung abhängig machen. Die Pflichten des Notars sind zwingend und stehen nicht zur Disposition der Beteiligten.

125

Der Notar muss die neue Gesellschafterliste eigenhändig „unterschreiben“. Die fehlende Unterschrift des Notars unter der Liste kann aber durch eine Unterschrift unter der Bescheinigung ersetzt werden.81) Aufgrund der Abschluss- und Deckungsfunk_____________ 77) Zur Zuständigkeit für die Einreichung der Gesellschafterliste bei einer auflösend bedingten Geschäftsanteilsabtretung (hier: Beendigung eines Treuhandvertrages) s. OLG Brandenburg, ZIP 2013, 1073 = GmbHR 2013, 309 m. Anm. Peetz. 78) BT-Drucks. 16/6140, S. 106. 79) Instruktiv zu der erforderlichen Überzeugungsbildung des Notars Hauschild, ZIP 2012, 660. 80) Zur Aussetzung des Verfahrens über die Einstellung einer geänderten Gesellschafterliste bis zur Entscheidung über die Wirksamkeit der Änderung s. OLG Hamburg, ZIP 2014, 2296 = NJW-RR 2015, 234. 81) LG Dresden, NotBZ 2009, 285.

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tion umfasst eine Unterschrift unter der Bescheinigung regelmäßig auch die davor befindliche Gesellschafterliste. Eine doppelte Unterschrift des Notars unter Liste und Bescheinigung ist zulässig, aber nicht erforderlich.82) Hat ein Notar an den Veränderungen der Beteiligungsverhältnisse mitgewirkt, ist die neue Gesellschafterliste zwingend von ihm zu unterschreiben (Abs. 2 Satz 1). Eine Unterzeichnung der neuen Gesellschafterliste durch die Geschäftsführer ist in diesem Fall (anders als bei Absatz 1 Satz 1) weder erforderlich noch ausreichend.83) Eine (zusätzliche) Unterzeichnung der neuen Gesellschafterliste durch die Geschäftsführer ist aber unschädlich. Eine doppelte Unterzeichnung der neuen Gesellschafterliste durch Geschäftsführer und Notar kann beispielsweise sinnvoll sein, wenn im Einzelfall unklar ist, ob ein Notar an den Veränderungen mitgewirkt hat.

126

b) Erstellen „unverzüglich“ nach Wirksamwerden Der Notar muss die neue Gesellschafterliste „unverzüglich“ nach dem Wirksamwerden der Veränderung erstellen, unterschreiben und zum Handelsregister einreichen (Abs. 2 Satz 1). Der Notar muss daher ohne schuldhaftes Zögern handeln (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dabei ist dem Notar eine nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu bemessende Prüfungs- und Überlegungsfrist einzuräumen. Technische Schwierigkeiten bei der Übermittlung der Gesellschafterliste oder bei der Aufnahme in das Handelsregister begründen kein Verschulden und sind dem Notar nicht zuzurechnen.

127

Der Notar darf die neue Gesellschafterliste nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut stets erst „nach“ Wirksamwerden der Veränderung beim Handelsregister einreichen. Dagegen ist es nicht zulässig, bereits vor dem Wirksamwerden eine neue Gesellschafterliste einzureichen. Eine solche Liste würde einen falschen Rechtsschein erzeugen. Zudem wäre die mit der Liste verbundene Bescheinigung des Notars falsch. Dementsprechend erscheint es auch nicht möglich, im Falle einer künftigen Veränderung der Beteiligungsverhältnisse zunächst eine vorläufige Liste beim Handelsregister einzureichen, in der diese Veränderung lediglich angekündigt wird (z. B. bei einer aufschiebend bedingten Anteilsübertragung nach Beurkundung, aber vor Bedingungseintritt).84) Die neue Gesellschafterliste (mit der Notarbescheinigung) darf somit stets erst dann zum Handelsregister eingereicht werden, wenn die Veränderung tatsächlich wirksam geworden ist.

128

c) Listenbescheinigung des Notars (Abs. 2 Satz 2) Der Notar muss – anders als die Geschäftsführer – nicht nur eine einfache, sondern eine qualifizierte Gesellschafterliste zum Handelsregister einreichen. Die Gesellschafterliste muss mit der Bescheinigung versehen sein, dass die geänderten Ein_____________ 82) OLG München, ZIP 2009, 1421 = GmbHR 2009, 825, dazu EWiR 2009, 713 (Blasche); ausführl. dazu Gottschalk, NZG 2009, 896. 83) LG München I, BB 2009, 1774. 84) Zur Unzulässigkeit des sog. Zwei-Listen-Modells bei aufschiebend bedingten Geschäftsanteilsabtretungen BGH, ZIP 2011, 2141 = EWiR 2011, 811 (Stamer). – Ausführlich dazu Bayer, GmbHR 2011, 1254; Brandes, GmbHR 2012, 545; Herrler, NZG 2011, 1321; Jeep, NJW 2012, 658; Kort, DB 2011, 2897; Wicke, DStR 2011, 2356.

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Liste der Gesellschafter, Verordnungsermächtigung

tragungen den Veränderungen entsprechen, an denen der Notar mitgewirkt hat und die übrigen Eintragungen mit dem Inhalt der zuletzt im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste übereinstimmen (Abs. 2 Satz 2). Die neue „Listenbescheinigung“ ist der „Satzungsbescheinigung“ (nach § 54 Abs. 1 Satz 2) nachgebildet. 130

Es gibt damit zwei Arten von Gesellschafterlisten (im weiteren Sinn): zum einen die „einfachen“ Gesellschafterlisten der Geschäftsführer (Abs. 1) und zum anderen die „qualifizierten“ Gesellschafterlisten der Notare mit der Bescheinigung (Abs. 2). Rechtlich haben beide Gesellschafterlisten dieselbe Bedeutung. Legitimations- und Rechtsscheingrundlage ist in allen Fällen die im Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste (und nicht die Notarbescheinigung) (§ 16 Abs. 1 und 3).

131

Bei der Bescheinigung knüpft der Notar an die zuletzt im Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste an.85) Deren Richtigkeit muss er allerdings weder prüfen noch bescheinigen. Vielmehr kann er sich auf die zuletzt im Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste verlassen, und zwar auch dann, wenn diese falsch ist. Auf der Grundlage dieser Liste erstellt der Notar eine neue Gesellschafterliste. Der Notar bescheinigt dabei nur, dass die geänderten Eintragungen in der Gesellschafterliste den Veränderungen entsprechen, an denen er mitgewirkt hat. Ferner bescheinigt der Notar, dass der sonstige Inhalt der Liste unverändert geblieben ist. Die Bescheinigung des Notars gewährleistet somit nicht, dass die neue Gesellschafterliste insgesamt richtig ist. War die bislang im Handelsregister aufgenommene Liste falsch und erfolgt insoweit keine Veränderung, bleibt die Liste auch in Zukunft falsch. Die Notarbescheinigung ändert daran nichts. Hat der Notar positive Kenntnis davon, dass die frühere Liste falsch ist, kann er dies in seiner Bescheinigung vermerken, um einen falschen Rechtsschein zu verhindern. Eine Verpflichtung dazu besteht indes nicht.

132

Die Formulierung der Notarbescheinigung sollte sich möglichst am Gesetzeswortlaut orientieren.86) Dies gilt auch dann, wenn sich die Beteiligungsverhältnisse vollständig geändert haben und daher keinerlei Übereinstimmungen mehr mit der bisher im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste bestehen. Die Bescheinigung kann beispielsweise wie folgt lauten: „Die geänderten Eintragungen in der vorstehenden Gesellschafterliste entsprechen den Veränderungen, an denen ich als Notar mitgewirkt habe (Urkunde Nr. … vom … und stimmen im Übrigen mit dem Inhalt der zuletzt im Handelsregister aufgenommen Gesellschafterliste überein.“ (Ort, Datum, Unterschrift und Siegel des Notars)“.

133

Nach dem Gesetzeswortlaut muss der Notar nur die Gesellschafterliste (Abs. 2 Satz 1 GmbHG), nicht aber auch die Bescheinigung unterschreiben (Abs. 2 Satz 2). Im Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs sollte der Notar die Bescheinigung gleichwohl unterschreiben und mit seinem Siegel versehen.87) Eine Verpflichtung dazu besteht indes nicht. _____________ 85) Link, RNotZ 2009, 193, 204 ff; D. Mayer, ZIP 2009, 1037, 1048 f. 86) S. dazu OLG Stuttgart, ZIP 2011, 1106 = GmbHR 2011, 542; OLG Thüringen, ZIP 2010, 1393 = GmbHR 2010, 760 = DNotZ 2010, 793 m. Anm. Bettendorf/Mödl; OLG München, ZIP 2009, 1421 = GmbHR 2009, 825, dazu EWiR 2009, 713 (Blasche). 87) S. dazu LG Gera, NotBZ 2009, 332.

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Thomas Wachter

Liste der Gesellschafter, Verordnungsermächtigung

§ 40

Gesellschafterliste und Notarbescheinigung sind nicht zwei voneinander getrennte Dokumente, sondern notwendigerweise miteinander verbunden (Abs. 2 Satz 2: „versehen sein“). Die Bescheinigung des Notars bezieht sich gerade auf die geänderte Gesellschafterliste und ist ohne diese unvollständig und unverständlich. Die erforderliche Verbindung ist dann gegebenen, wenn sich Liste und Bescheinigung auf einem Blatt befinden oder die einzelnen Blätter durch Schnur und Siegel miteinander verbunden sind.

134

d) Einreichen von Liste und Bescheinigung zum Handelsregister Der Notar muss die neue Liste mit der Bescheinigung sodann elektronisch beim Handelsregister einreichen. Dabei genügt die Übermittlung einer elektronischen Aufzeichnung (§ 12 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 HGB).88) Ein elektronisches Zeugnis (§ 39a BeurkG) muss nicht beigefügt werden.

135

e) Übersendung einer Abschrift an die Gesellschaft Eine Abschrift der geänderten Gesellschafterliste hat der Notar an die Gesellschaft zu übermitteln (Abs. 2 Satz 1 a. E.). Ziel der Regelung ist es, die Gesellschaft zuverlässig über die Gesellschafterliste zu informieren, die der Notar beim Handelsregister eingereicht hat. Der Gesellschaft wird es dadurch zugleich ermöglicht, die neue Liste auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit hin zu überprüfen. Etwaige Fehler in der Liste können von der Gesellschaft somit zeitnah korrigiert werden.

136

Der Notar hat der Gesellschaft eine „Abschrift der geänderten Liste“ zu übersenden. Dabei handelt es sich nicht um die isolierte Gesellschafterliste, sondern um die neue Liste samt der Bescheinigung des Notars (Abs. 2 Satz 1). Allerdings ist es unschädlich, wenn die Bescheinigung im Einzelfall nicht mitübersandt wird, da stets die im Handelsregister aufgenommene Liste (und nicht die Notarbescheinigung) die entscheidende Legitimations- und Rechtsscheinsgrundlage darstellt (§ 16 Abs. 1 und 3).

137

Der Gesellschaft ist eine (einfache) Abschrift der Gesellschafterliste „zu übermitteln“. Eine förmliche Zustellung ist nicht notwendig. Eine Übersendung mit einfachem Brief ist ausreichend. Darüber hinaus genügt auch eine Übersendung per Telefax oder E-Mail, da die Gesellschaft auch auf diese Weise über die neue Liste ausreichend informiert wird.

138

Der Notar hat die Abschrift der neuen Liste „an die Gesellschaft“ zu übersenden. Die Liste sollte dabei an die im Handelsregister eingetragene inländische Geschäftsanschrift adressiert werden (§ 8 Abs. 4 Nr. 1 GmbHG, §§ 15a, 31 HGB und § 185 Nr. 2 ZPO). An die Gesellschafter oder andere Beteiligte muss der Notar die geänderte Gesellschafterliste dagegen nicht übersenden.

139

Der Notar muss die neue Liste bereits „unverzüglich“ nach dem Wirksamwerden der Veränderung in den Beteiligungsverhältnissen an die Gesellschaft übersenden. Die elektronische Einreichung der Liste beim Handelsregister und der Versand an die Gesellschaft erfolgen somit gewissermaßen zeitgleich. Der Notar darf mit dem Versand der Liste insbesondere nicht bis zu deren Aufnahme in das Handelsregister

140

_____________ 88) S. dazu KG Berlin, GmbHR 2011, 982 = NJW-RR 2012, 59; LG Gera, NotBZ 2009, 332.

Thomas Wachter

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§ 40

Liste der Gesellschafter, Verordnungsermächtigung

abwarten. Denn das Schreiben des Notars soll die Gesellschaft gerade in die Lage versetzen, die korrekte Aufnahme der Liste im Handelsregister zu überwachen und zu überprüfen. 4.

Aufnahme der neuen Gesellschafterliste in den Registerordner

141

Die neue Gesellschafterliste, die der Notar elektronisch beim Handelsregister eingereicht hat, wird dort in den Registerordner aufgenommen. Über die Aufnahme der Liste wird weder der Notar noch die Gesellschaft informiert. Der Notar ist auch dann nicht verpflichtet, die ordnungsgemäße Aufnahme der Gesellschafterliste zu überwachen, wenn er die Liste erstellt und eingereicht hat. Diese Verpflichtung trifft stets ausschließlich die Geschäftsführer.89) Nach Aufnahme kann die neue Gesellschafterliste (mit der Notarbescheinigung) von jedermann (auch ohne berechtigtes Interesse) online im Handelsregister abgerufen werden.

142

Für den Inhalt der Bescheinigung ist ausschließlich der Notar verantwortlich, der an der Veränderung der Beteiligungsverhältnisse mitgewirkt hat. Das Registergericht ist daher allenfalls berechtigt, zu überprüfen, ob die neue Gesellschafterliste überhaupt mit einer Notarbescheinigung versehen ist.90) Inhalt, Formulierung und sonstige Ausgestaltung der Bescheinigung dürfen vom Registergericht dagegen nicht überprüft werden. Angesichts der großen Bedeutung der Aufnahme der Gesellschafterliste (§ 16 Abs. 1 und 3) sollte das Registergericht die neue Liste mit der Notarbescheinigung daher stets unverzüglich in den elektronischen Registerordner aufnehmen. Etwaige Bedenken können dem Notar nach der Aufnahme informationshalber mitgeteilt werden. Die Aufnahme der Liste darf davon aber nicht abhängig gemacht werden. Verzögerungen bei der Aufnahme der Gesellschafterliste können auch Amtshaftungsansprüche zur Folge haben (§ 839 BGB). 5.

143

Berichtigung einer Gesellschafterliste

Der Notar ist berechtigt, eine fehlerhafte Gesellschafterliste zu berichtigen. Offensichtliche Unrichtigkeiten kann der Notar (auch) durch einen Nachtragsvermerk berichtigen (§ 44a BeurkG).91) Sonstige (inhaltliche) Fehler in einer (vom Notar erstellten Liste) kann der Notar jederzeit durch Einreichung einer neuen (berichtigten) Liste korrigieren.92) Der falsche Rechtsschein der fehlerhaften Liste wird damit zulässiger Weise zerstört. Der Rechtsverkehr hat ein legitimes Interesse an einer richtigen _____________ 89) S. BT-Drucks. 16/6140, S. 106. 90) Weitergehend aber OLG München, ZIP 2009, 1421 = GmbHR 2009, 825, dazu EWiR 2009, 713 (Blasche); ausführlich dazu Gottschalk, NZG 2009, 896; LG München I, BB 2009, 1774. 91) S. dazu OLG Nürnberg, ZIP 2018, 372 = BB 2018, 337 mit Anm. Otte-Gräbener; ausführlich dazu Lieder/Cziupka, GmbHR 2018, 231. – Zur Möglichkeit der Berichtigung einer Hauptversammlungsniederschrift nach § 130 AktG i. V. m. § 44a BeurkG s. BGH, ZIP 2017, 2245 = EWiR 2018, 38 (Seibt), ausführlich dazu Heckschen/Kreußlein, NZG 2018, 401; Herrler, NJW 2018, 585; Lubberich, DNotZ 2018, 324; Reger/Schilha, AG 2018, 65; Selter, ZIP 2018, 1161. 92) Zur Korrektur einer unrichtigen Liste durch den Geschäftsführer s. BGH, GmbHR 2017, 519 mit Anm. Lieder; BGH, ZIP 2014, 216 = EWiR 2014, 205 (Paefgen/Franke) = GmbHR 2014, 198 mit Anm. Bayer, ausführlich dazu Leitzen, ZNotP 2014, 42; Nodoushani, GmbHR 2015, 617; Seebach, DNotZ 2014, 413; Tebben, DB 2014, 585.

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Thomas Wachter

§ 41

Buchführung

Liste. Die korrigierte Liste ist der Gesellschaft zu übersenden (entsprechend § 40 Abs. 2 Satz 1). VI. Haftung 1.

Haftung des Geschäftsführers (Abs. 3)

Geschäftsführer, welche die ihnen obliegende Pflicht zur Einreichung der neuen Gesellschafterliste verletzen, haften für einen etwaigen Schaden persönlich und gesamtschuldnerisch (Abs. 3). Die Haftung besteht nicht nur (wie nach Abs. 2 a. F.) gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft, sondern auch gegenüber denjenigen, deren Beteiligung sich geändert hat. Bei einer Anteilsübertragung haften die Geschäftsführer somit sowohl gegenüber dem Veräußerer als auch gegenüber dem Erwerber. 2.

144

Haftung des Notars

Der Notar hat die Pflicht, nach Wirksamwerden einer Veränderung der Beteiligungsverhältnisse, an der er mitgewirkt hat, unverzüglich eine neue Gesellschafterliste einzureichen. Verletzt der Notar diese Pflicht schuldhaft, haftet er für einen etwaigen Schaden (§ 19 BNotO).93)

145

Die Haftung nach dem GmbH-Gesetz trifft dagegen nur die Geschäftsführer und nicht auch den Notar (Abs. 3: „Geschäftsführer“, Pflichten nach „Absatz 1“ und nicht nach Absatz 2).

146

_____________ 93) D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 414 f.

§ 41 Buchführung Carl-Heinz Witt

Die Geschäftsführer sind verpflichtet, für die ordnungsgemäße Buchführung der Gesellschaft zu sorgen. Literatur: Altmeppen, Die Auswirkungen des KonTraG auf die GmbH, ZGR 1999, 291; Biletzki, Außenhaftung des GmbH-Geschäftsführers, BB 2000, 521; Biletzki, Die deliktische Haftung des GmbH-Geschäftsführers für fehlerhafte Buchführung, ZIP 1997, 9; Fleischer, Buchführungsverantwortung des Vorstands und Haftung der Vorstandsmitglieder für fehlerhafte Buchführung, WM 2006, 2021; Gribbohm, Untreue zum Nachteil der GmbH, ZGR 1990, 1; Gross, Deliktische Außenhaftung des GmbH-Geschäftsführers, ZGR 1998, 551; Hommelhoff, Risikomanagement im GmbH-Recht, in: Festschrift für Otto Sandrock, 2000, S. 373; Hommelhoff/Priester, Bilanzrichtliniengesetz und GmbH-Satzung – Gestaltungsmöglichkeiten und Gestaltungsgrenzen, ZGR 1986, 463; Lutter, Haftung und Haftungsfreiräume des GmbH-Geschäftsführers, GmbHR 2000, 301; Müller/Kreipl, Rechnungslegungserleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften und Tochterunternehmen ausländischer Konzernmütter durch das MicroBilG, DB 2013, 73; Rodewald, Der maßgebliche Zeitpunkt für die Aufstellung von Eröffnungsbilanzen, BB 1993, 1693; Scharpf, Die Sorgfaltspflichten des Geschäftsführers einer GmbH, DB 1997, 737; Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, 2016; K. Schmidt, Zur Durchgriffsfestigkeit der GmbH, ZIP 1994, 837; Schnorr, Geschäftsleiteraußenhaftung für fehlerhafte Buchführung, ZHR 170 (2006) 9; Stapelfeld, Außenhaftung des Geschäftsführers bei Verletzung der Buchführungspflicht, GmbHR 1991, 94; Theile, Vereinfachte Jahresabschlüsse für Kleinstkapitalgesellschaften, GmbHR 2012, 1112; Wulf, Rechnungslegung nach MicroBilG und Befreiung von der Offenlegung nach §§ 264 Abs. 3 und 264b HGB, DStZ 2014, 22.

Carl-Heinz Witt

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§ 41

Buchführung Übersicht

I.

Gegenstand und Zweck der Regelung ............................................... 1 II. Überblick zur Buchführungs- und Rechnungslegungspflicht der GmbH ................................................... 3 1. Buchführung im engeren Sinne und Inventur ................................................. 3

I.

2. Rechnungslegung .................................. 5 III. Adressaten, Dauer und Inhalt der Pflicht zur Sorge für die Buchführung ................................................ 15 IV. Sanktionen bei Pflichtverletzung ................................................. 20

Gegenstand und Zweck der Regelung

1

Die Vorschrift ordnet die Sorge für die ordnungsgemäße Buchführung, zu der das Handelsrecht die GmbH als Handelsgesellschaft (§ 6 Abs. 1 HGB i. V. m. § 13 Abs. 3 GmbHG) unabhängig von ihrem Unternehmensgegenstand verpflichtet (§ 238 Abs. 1 HGB), dem Pflichtenkreis der Geschäftsführer zu. Zwar wird, seit die vormaligen Absätze 2 und 3 der Vorschrift im Zuge des Bilanzrichtlinien-Gesetzes (BiRiLiG) vom 19.12.19851) aufgehoben worden sind, die Aufstellung des Jahresabschlusses nicht mehr erwähnt. Aus den §§ 242 und 264 Abs. 1 HGB sowie aus dem untrennbaren Zusammenhang zwischen ordnungsgemäßer Buchführung und Abschlusserstellung (vgl. § 243 Abs. 1 HGB), aber auch aus der Vorlagepflicht nach § 42a, ergibt sich indes zwingend, dass nicht nur die Buchführung im engeren Sinne gemeint ist. Über die laufende Dokumentierung der Geschäftsvorfälle und der Vermögensentwicklung der Gesellschaft2) hinaus fallen vielmehr auch die Inventur sowie die Rechnungslegung, d. h. die Aufstellung von Eröffnungsbilanz und Jahresabschluss (bestehend aus Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und Anhang), außerdem die Erstellung eines Lageberichts und die Offenlegung des Jahresabschlusses, soweit die GmbH diesbezüglich verpflichtet ist, in die Zuständigkeit der Geschäftsführer.3)

2

Die Regelung besteht im öffentlichen Interesse insbesondere am Gläubigerschutz und dient nicht etwa dem Gesellschaftsinteresse.4) Vor diesem Hintergrund ist sie insofern zwingend, als weder der Gesellschaftsvertrag noch eine Vereinbarung oder ein Beschluss der Gesellschafter die Sorgepflicht für die ordnungsgemäße Buchführung der GmbH ausschließen, einschränken oder auf andere Organe oder Personen als die Geschäftsführer übertragen kann; entgegenstehende Bestimmungen bzw. Entschließungen sind rechtswidrig und unbeachtlich.5) Möglich sind indes ergänzende _____________ 1) 2) 3) 4)

5)

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BGBl. I 1985, 2355. Zum Begriff, aber auch zum Zweck der kaufmännischen Buchführungspflicht Winkeljohann/ Lewe in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 238 HGB Rn. 90 ff; Schiffers, in: Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rn. 4 ff; Graf in: MünchKomm-Bilanzrecht, § 238 HGB Rn. 2. Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sigloch/Keller/Meffert, GmbHG, § 41 Rn. 3; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 41 Rn. 5; Henssler/Strohn-Büteröwe, GesR, § 41 GmbHG Rn. 1. Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 41 Rn. 2; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 41 Rn. 14; Wicke, GmbHG, § 41 Rn. 1; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 41 Rn. 7; Saenger/Inhester-Viskorf, GmbHG, § 41 Rn. 1; Henssler/Strohn-Büteröwe, GesR, § 41 GmbHG Rn. 3; Gehrlein/Born/Simon-Winter/Marx, GmbHG, § 41 Rn. 1. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 41 Rn. 14; Wicke, GmbHG, § 41 Rn. 1; Lutter/ Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 41 Rn. 2; Saenger/Inhester-Viskorf, GmbHG, § 41 Rn. 8; Achilles/Ensthaler/Schmidt-Schmidt, GmbHG, § 41 Rn. 2; ebenso, indes ohne Rückgriff auf den öffentlich-rechtlichen Charakter der Buchführungspflicht Fleischer in: MünchKommGmbHG, § 41 Rn. 4.

Carl-Heinz Witt

§ 41

Buchführung

Regelungen zur näheren Ausgestaltung;6) finden sich solche, so kann ihre Missachtung die Haftung der Geschäftsführer nach § 43 Abs. 2 begründen.7) II. Überblick zur Buchführungs- und Rechnungslegungspflicht der GmbH 1.

Buchführung im engeren Sinne und Inventur

Als Handelsgesellschaft unterliegt die GmbH den Bestimmungen der §§ 238 bis 261 HGB, als Kapitalgesellschaft außerdem den ergänzenden Vorschriften der §§ 264 bis 335b HGB; beide Regelungskomplexe sind zuletzt im Zuge des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) vom 25.5.20098) substantiell und im Zuge des Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (BilRUG) vom 17.7.20159) noch einmal punktuell geändert worden. So ist die GmbH zur Buchführung im engeren Sinne verpflichtet; in den Büchern hat sie ihre Handelsgeschäfte und die Lage ihres Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung ersichtlich zu machen (§ 238 Abs. 1 Satz 1 HGB). Dazu gehört etwa, dass die Aufzeichnungen für einen sachverständigen Dritten nachvollziehbar sind und dass sie vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorgenommen werden (§§ 238 Abs. 1 Satz 2, 239 Abs. 2 HGB). Üblich ist heute das in § 239 Abs. 4 HGB zugelassene EDV-gestützte Buchführungsverfahren.10) Mit Recht wird angesichts des Erfordernisses einer Gewinn- und Verlustrechnung als Teil des zu erstellenden Jahresabschlusses (§ 242 Abs. 2 und 3 HGB) allgemein angenommen, dass die GmbH sich des Systems der doppelten Buchführung bedienen muss.11) Denn nur dieses System, in dem sämtliche Geschäftsvorfälle als „Tauschakte“ dargestellt werden, die zweiseitige Wertbewegungen auf den Bestands- und Erfolgskonten verursachen, ermöglicht die Ermittlung des Erfolges nicht nur durch Vermögensvergleich, sondern auch durch Vergleich von Aufwand und _____________ 6) BGH, WM 1974, 392, 393; Saenger/Inhester-Viskorf, GmbHG, § 41 Rn. 8; Henssler/ Strohn-Büteröwe, GesR, § 41 GmbHG Rn. 19. 7) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 41 Rn. 14; Saenger/Inhester-Viskorf, GmbHG, § 41 Rn. 8. 8) BGBl. I 2009, 1102. 9) BGBl. I 2015, 1245; zur Geltung der im Zuge des BilRUG neu gefassten HGB-Vorschriften vgl. die Übergangsvorschrift des Art. 75 Abs. 1 und 2 EGHGB: Danach muss die neue Fassung erstmals auf Jahres- und Konzernabschlüsse und auf (Konzern-)Lageberichte für ein nach dem 31.12.2015 und können die §§ 267, 267a Abs. 1, 277 Abs. 1 und 293 HGB – in ihrer Gesamtheit – bereits auf solche für ein nach dem 31.12.2013 beginnendes Geschäftsjahr angewendet werden. 10) Dazu Rowedder/Schmidt-Leithoff-Tiedchen, GmbHG, § 41 Rn. 62 ff; für das Steuerrecht vgl. auch BMF-Schreiben v. 14.11.2014 – IV A 4 – S 0316/13/10003, BStBl. I 2014, 1450 (Grundsätze zur ordnungsgemäßen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff – GoBD); dazu Goldshteyn/Thelen, DStR 2015, 326. 11) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 41 Rn. 9; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 41 Rn. 6; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 41 Rn. 23; ScholzCrezelius, GmbHG, § 41 Rn. 9; Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 41 Rn. 9; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 41 Rn. 6; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Tiedchen, GmbHG, § 41 Rn. 58; Saenger/Inhester-Viskorf, GmbHG, § 41 Rn. 7; Langseder in: Beck’sches Hdb. GmbH, § 9 Rn. 18; Bartl u. a.-Fichtelmann/Schmitt, GmbHG, § 41 Rn. 8; Achilles/ Ensthaler/Schmidt-Schmidt, GmbHG, § 41 Rn. 7; Schiffers, in: Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rn. 20 f; hingegen die doppelte Buchführung nur für zweckmäßig haltend Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Sigloch/Keller/Meffert, GmbHG, § 41 Rn. 7.

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§ 41

Buchführung

Ertrag, werden die Konten doch am Abschlussstichtag zur Bilanz bzw. zur GuVRechnung verdichtet.12) Weil sich die Bestandskonten dabei zu Beginn am tatsächlich ermittelten Bestand orientieren und zum jeweiligen Stichtag an einen evtl. abweichenden tatsächlichen Bestand angepasst werden, ist neben der Buchführung die Aufstellung eines Inventars vorgeschrieben, und zwar bei Geschäftsbeginn sowie zum Ende eines jeden Geschäftsjahres (§ 240 HGB). – Die Buchführungsunterlagen, d. h. namentlich Handelsbücher, Inventare und Buchungsbelege, aber auch die Rechnungslegungsdokumente, sind zehn Jahre lang aufzubewahren (§ 257 HGB). 4

Die Buchführungspflicht beginnt mit Entstehung der Vorgesellschaft, also nicht erst mit Eintragung der GmbH im Handelsregister nach §§ 10, 11, sondern bereits mit Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrages (bzw. bei Einpersonen-Gründungen mit der notariellen Beurkundung der Errichtungserklärung).13) Ein Abstellen auf die kaufmännische Qualifikation der Vorgesellschaft14) verkennt nicht nur die Kontinuität zwischen Vorgesellschaft und GmbH, sondern auch die anerkannte Rechtsnatur der Vorgesellschaft als einer eigenständigen Organisationsform, für die, wenn und solange die Gesellschafter die Eintragung beabsichtigen und ernsthaft betreiben, das GmbH-Recht und der Gesellschaftsvertrag gelten, soweit sie nicht die Rechtsfähigkeit voraussetzen.15) – Die Buchführungspflicht endet mit der Beendigung der Liquidation, also mit dem Erlöschen der GmbH.16) Anschließend müssen die Bücher der Gesellschaft von einem der Gesellschafter oder von einem Dritten für die Dauer von zehn Jahren verwahrt werden;17) wer aufbewahrungspflichtig ist, bestimmt vorrangig der Gesellschaftsvertrag oder ein Beschluss der Gesellschafter, ansonsten das zuständige Gericht (§ 74 Abs. 2). 2.

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Rechnungslegung

Jede GmbH hat zu Geschäftsbeginn eine Eröffnungsbilanz und zum Schluss jedes Geschäftsjahres eine Bilanz und eine Gewinn- und Verlustrechnung aufzustellen und den Jahresabschluss um einen Anhang zu erweitern, der die einzelnen Positionen erläutert und ergänzt (§§ 242, 264 Abs. 1 und 2, §§ 284 ff HGB). Für die Bilanz gibt § 266 Abs. 2 und 3 HGB ein Gliederungsschema zwingend vor (Kontoform mit _____________ 12) Dazu Winkeljohann/Lewe in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 238 HGB Rn. 119; Henssler/ Strohn-Büteröwe, GesR, § 41 GmbHG Rn. 9. 13) Gleichsinnig Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 41 Rn. 7; Ulmer/Habersack/LöbbePaefgen, GmbHG, § 41 Rn. 13; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Tiedchen, GmbHG, § 41 Rn. 44 f; Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 41 Rn. 7; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 41 Rn. 19; Wicke, GmbHG, § 41 Rn. 3; Saenger/Inhester-Viskorf, GmbHG, § 41 Rn. 5; Ensthaler/Füller/Schmidt-Schmidt, GmbHG, § 41 Rn. 4; Bartl u. a.-Fichtelmann/Schmitt, GmbHG, § 41 Rn. 11; Ring/Grziwotz-Wartenburger, GmbHG, § 41 Rn. 2; Gehrlein/Born/ Simon-Winter/Marx, GmbHG, § 41 Rn. 12; Römermann-Hamminger, Münch-Anwaltshdb. GmbH-Recht, § 16 Rn. 33; Biletzki, ZIP 1997, 9, 10; Rodewald, BB 1993, 1693, 1695. 14) So Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 41 Rn. 7. 15) Raiser/Veil, KapG, § 35 Rn. 100; Wilhelm, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 369, jeweils m. w. N.; aus der Rspr. nur BGHZ 117, 323, 326 f = ZIP 1992, 689, 690 f m. w. N.; dazu EWiR 1992, 673 (Kraft). 16) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 41 Rn. 7; Henssler/Strohn-Büteröwe, GesR, § 41 GmbHG Rn. 11; Langseder in: Beck’sches Hdb. GmbH, § 9 Rn. 14. 17) Gehrlein/Born/Simon-Winter/Marx, GmbHG, § 41 Rn. 16.

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Buchführung

Aktiva und Passiva); dabei sind für die GmbH die ergänzenden Sondervorschriften des § 42 zu beachten (siehe § 42 Rn. 14 ff [Witt]). Für die GuV-Rechnung besteht nach § 275 Abs. 1 Satz 1 HGB insofern ein Wahlrecht, als sie entweder nach dem Gesamtkostenverfahren oder nach dem Umsatzkostenverfahren aufgestellt werden kann.18) In § 275 Abs. 2 und 3 HGB finden sich für beide Alternativen wiederum zwingend einzuhaltende Gliederungsschemata (Erstellung in Staffelform). Was die Erstellung eines Lageberichts angeht, differenziert das Handelsrecht. Eine solche Darstellung des Geschäftsverlaufs und -ergebnisses sowie der Lage der Gesellschaft (§ 289 HGB) brauchen kleine GmbH19) und Kleinst-GmbH20) nicht aufzustellen (§ 264 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 1 und § 267a Abs. 2 HGB). Sogar beschränkt auf den Kreis großer GmbH i. S. des § 267 Abs. 3 Satz 1 HGB, die kapitalmarktorientiert i. S. des § 264d HGB sind und im Jahresdurchschnitt mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen, ist außerdem die seit 201721) in § 289b Abs. 1 und 3 HGB statuierte Pflicht zur sog. CSR-Berichterstattung, d. h. zur Erweiterung des Lageberichts um eine sog. nichtfinanzielle Erklärung oder zur Erstellung eines gesonderten nichtfinanziellen Berichts außerhalb des Lageberichts.22) Noch weiter beschränkt, näm_____________ 18) Die beiden Verfahren unterscheiden sich im Wesentlichen nach der Art, wie die Aufwendungen den Erträgen zugeordnet werden; näher S. Schmidt/Peun in: Beck’scher BilanzKommentar, § 275 HGB Rn. 26 ff; Kessler/Freisleben in: MünchKomm-Bilanzrecht, § 275 HGB Rn. 20 ff; Reiner/Haußer in: MünchKomm-HGB, § 275 Rn. 13 ff; Wiedmann/ Böcking/Gros-Böcking/Gros, Bilanzrecht, § 275 HGB Rn. 5 ff; Schiffers, in: Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rn. 932 ff. 19) Dies sind nach § 267 Abs. 1 HGB solche GmbH, die mindestens zwei der folgenden drei Merkmale nicht überschreiten: Bilanzsumme von 6 Mio. €; jährliche Umsatzerlöse von 12 Mio. €; im Jahresdurchschnitt 50 Arbeitnehmer; zur Geltung der im Zuge des BilRUG v. 17.7.2015 (s. Fn. 9) neu gefassten Vorschrift vgl. die Übergangsvorschrift des Art. 75 Abs. 2 EGHGB: Danach muss die neue Fassung erstmals auf Jahres- und Konzernabschlüsse und auf (Konzern-)Lageberichte für ein nach dem 31.12.2015 und kann – in der Gesamtheit der neuen Vorschriften, soweit sie Größenangaben enthalten – bereits auf solche für ein nach dem 31.12.2013 beginnendes Geschäftsjahr angewendet werden. – Eine kapitalmarktorientierte GmbH (zu diesem Begriff § 264d HGB und dazu in Fn. 37) gilt stets als große Gesellschaft (§ 267 Abs. 3 Satz 2 HGB), und neben dieser generellen Einordnung gelten für sie eine Reihe weiterer Sonderregeln (diese – nicht abschließend – aufzählend Langseder in: Beck’sches Hdb. GmbH, § 9 Rn. 66). 20) Der im Zuge des Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtsänderungsgesetzes (MicroBilG) v. 20.12.2012 (BGBl. I 2012, 2751) eingeführten Kategorie der Kleinstkapitalgesellschaften unterfallen nach § 267a Abs. 1 HGB solche (nicht kapitalmarktorientierte, vgl. Fn. 37) GmbH, die mindestens zwei der folgenden drei Merkmale nicht überschreiten: Bilanzsumme von 350.000 €; jährliche Umsatzerlöse von 700.000 €; im Jahresdurchschnitt zehn Arbeitnehmer; ausgenommen sind unter dem Regime des BilRUG (s. Fn. 9) Investment- und Unternehmenbeteiligungsgesellschaften sowie Unternehmen, deren einziger Zweck im Erwerb, der Verwaltung und Verwertung von Unternehmensbeteiligungen liegt (§ 267a Abs. 3 HGB). 21) Eingefügt im Zuge des CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes v. 11.4.2017 (BGBl. I 802); zur erstmaligen Anwendung auf die Rechnungslegung für 2017 beginnende Geschäftsjahre vgl. Art. 80 Satz 1 EGHGB. 22) Zu dieser Verpflichtung, dem Inhalt der Erklärung bzw. des gesonderten Berichts und der Möglichkeit, nachteilige Angaben ausnahmsweise wegzulassen, Kajüter, DB 2017, 617; Mock, ZIP 2017, 1195; Richter/Johne/König, WPg 2017, 566; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42 Rn. 21 f; zur Corporate Social Responsability durch Ausweitung der nichtfinanziellen Information von Unternehmen bereits vor Erlass des CSR-RichtlinieUmsetzungsgesetzes (s. Fn. 21) Roth-Mingram, NZG 2015, 1341.

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lich auf GmbH, die der Mitbestimmung unterliegen, ist die Verpflichtung, im Lagebericht als gesonderten Abschnitt eine Erklärung zur Unternehmensführung aufzunehmen, in der die Zielgrößen für den Frauenanteil in den beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsführer sowie in Aufsichtsrat und Geschäftsführung festgelegt werden und außerdem angegeben wird, ob die festgelegten Zielgrößen während des Berichtszeitraums erreicht worden sind (§ 289f Abs. 4 Satz 1 HGB i. V. m. §§ 36, 52 Abs. 2 GmbHG).23) 7

Kleine GmbH müssen zudem nur eine verkürzte, d. h. weniger tief gegliederte, Kleinst-GmbH sogar nur eine noch weiter verkürzte Bilanz aufstellen (§ 266 Abs. 1 Sätze 3 und 4 HGB; zur Nichtanwendung des § 268 Abs. 7 HGB auf kleine GmbH und Kleinst-GmbH siehe § 42 Rn. 6 mit Fn. 12 [Witt]).24) Soweit sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, ist die verkürzte Bilanz entsprechend, d. h. nach den gesondert aufzunehmenden Posten, zu gliedern. Kleinen GmbH wie Kleinst-GmbH kommen zusätzliche Erleichterungen zugute (§ 274a und § 267a Abs. 2 HGB): So brauchen sie u. a. bestimmte Forderungen und Verbindlichkeiten nicht im Anhang zu erläutern (§ 268 Abs. 4 Satz 2 bzw. Abs. 5 Satz 3 HGB) und sind auch von der Pflicht zur Steuerabgrenzung nach § 274 HGB (Ausweis aktiver bzw. passiver latenter Steuern) befreit.25)

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Außerdem können kleine GmbH und Kleinst-GmbH (ebenso wie mittelgroße GmbH)26) in der GuV-Rechnung bestimmte Positionen zu einem Sammelposten „Rohergebnis“ zusammenfassen (§ 276 Satz 1 HGB); sie brauchen darüber hinaus keine weiteren Positionen der Bilanz und der GuV-Rechnung im Anhang zu erläutern (§ 288 Abs. 1 HGB),27) und auch mittelgroße GmbH genießen diesbezüg_____________ 23) § 289f Abs. 4 HGB wurde – als damaliger § 289a Abs. 4 HGB – im Zuge des Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst v. 24.4.2015 (BGBl. I 2015, 642) eingefügt und im Zuge des CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes v. 11.4.2017 (s. Fn. 21) dann zu § 289f Abs. 4 HGB; zur Pflicht zur Festsetzung von Zielgrößen für den Frauenanteil und den Fristen für deren Erreichung sowie zur zugehörigen Berichtspflicht Schulz/Ruf, BB 2015, 1155, 1159 ff; Junker/Schmidt-Pfitzner, NZG 2015, 929, 933 ff; Schiffers, in: Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rn. 2578 ff. 24) Von der Verkürzungsoption darf vor dem Hintergrund des § 243 Abs. 2 HGB, der einen klaren und übersichtlichen Jahresabschluss verlangt, nur insgesamt Gebrauch gemacht werden (Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42 Rn. 4). 25) Auch ein sog. Anlagengitter, wie es nach § 268 Abs. 2 HGB a. F. bis zu dessen Aufhebung im Zuge des BilRUG (s. Fn. 9) in der Bilanz oder im Anhang darzustellen war und seitdem nach § 284 Abs. 3 HGB zwingend im Anhang darzustellen ist, brauchen kleine und Kleinst-GmbH nicht aufzustellen (§ 274a Nr. 1 HGB a. F. bzw. nunmehr § 288 Abs. 1 Nr. 1 HGB, jeweils i. V. m. § 267a Abs. 2 HGB). 26) Dies sind nach § 267 Abs. 2 HGB solche (nicht kapitalmarktorientierte, vgl. Fn. 37) GmbH, die mindestens zwei der folgenden drei Merkmale nicht überschreiten: Bilanzsumme von 20 Mio. €; jährliche Umsatzerlöse von 40 Mio. €; im Jahresdurchschnitt 250 Arbeitnehmer; zur Geltung der im Zuge des BilRUG (s. Fn. 9) neu gefassten Vorschrift vgl. die Übergangsvorschrift des Art. 75 Abs. 2 EGHGB (dazu soeben in Fn. 19). 27) Mit einer Auslistung der Pflichtangaben, die eine GmbH in ihrem Anhang zu machen hat, und derjenigen Pflichtangaben, die Klein- und Kleinst-GmbH nicht zu machen brauchen, Grottel in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 284 HGB Rn. 45 und § 288 HGB Rn. 10 ff; mit einer „Checkliste“ für den Anhang Schiffers, in: Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rn. 2386 f.

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lich Erleichterungen (§ 288 Abs. 2 HGB). Kleinst-GmbH ist zudem die Aufstellung einer noch weiter verkürzten GuV-Rechnung gestattet (§ 275 Abs. 5 HGB), und sie sind von der Pflicht zur Erweiterung des Jahresabschlusses um einen Anhang dann gänzlich befreit, wenn sie bestimmte Angaben unter der Bilanz machen (§ 264 Abs. 1 Satz 5 und Abs. 2 Sätze 4 und 5 HGB). Machen sie von der Möglichkeit des § 275 Abs. 5 HGB Gebrauch, so gelten die Erleichterungen des § 276 Satz 1 HGB für Kleinst-GmbH allerdings nicht (§ 276 Satz 2 HGB). Schließlich verlängert sich bei kleinen GmbH und Kleinst-GmbH die Frist, innerhalb derer der Jahresabschluss (und bei anderen GmbH auch der Lagebericht) aufgestellt werden muss, von drei auf bis zu sechs Monate, wenn dies einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entspricht (§ 264 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 2 und § 267a Abs. 2 HGB).

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Kleine GmbH und Kleinst-GmbH sind aber auch von einer besonders wichtigen Verpflichtung ausgenommen, die ansonsten jede Kapitalgesellschaft trifft, der Pflicht nämlich, Jahresabschluss und Lagebericht der Gesellschaft, und zwar unter Einbeziehung der Buchführung, von einem Abschlussprüfer prüfen zu lassen (§ 316 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 267a Abs. 2 sowie § 317 HGB). Was die nichtfinanzielle Erklärung bzw. den gesonderten nichtfinanziellen Bericht angeht, braucht nur geprüft zu werden, ob diese(r) vorgelegt wurde (§ 317 Abs. 2 Satz 4 HGB). Eine freiwillige externe Überprüfung des Inhalts der Erklärung bzw. des gesonderten Berichts ist möglich; wird sie durchgeführt, so ist – erstmals für das Geschäftsjahr 2019 – die Beurteilung des Prüfungsergebnisses in gleicher Weise wie die CSR-Berichterstattung selbst öffentlich zugänglich zu machen (§ 289b Abs. 4 HGB).

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Mit Blick auf die Offenlegung des geprüften Jahresabschlusses und des Lageberichts, zu der jede GmbH nach § 325 HGB verpflichtet ist, brauchen kleine GmbH und Kleinst-GmbH bestimmte Unterlagen, vor allem die GuV-Rechnung und die dazu gemachten Angaben im Anhang sowie den (freiwillig erstellten) Lagebericht, nicht zu publizieren (§ 326 Abs. 1 und § 267a Abs. 2 HGB). Mittelgroße GmbH müssen nur eine verkürzte Bilanz sowie gekürzte Angaben im Anhang offenlegen (§ 327 Nr. 1 und 2 HGB). Insofern erhalten also externe Adressaten der Rechnungslegung, namentlich Gläubiger, sonstige Dritte und die Allgemeinheit, weniger detaillierte Informationen als insbesondere die Gesellschafter. – Zum Zwecke der Offenlegung müssen die betreffenden Unterlagen auf elektronischem Wege beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers eingereicht und sodann unverzüglich im elektronischen Bundesanzeiger bekannt gemacht werden (§ 325 Abs. 1 bis 2 HGB); die Pflicht zur Einreichung beim Handelsregister ist im Zuge des Gesetzes über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) vom 10.11.200628) entfallen. – Kleinst-GmbH haben zudem die Möglichkeit, statt der Offenlegung die Bilanz in elektronischer Form zur dauerhaften Hinterlegung beim Betreiber des Bundesanzeigers einzureichen (§ 326 Abs. 2 HGB); die Einsichtnahme und damit die Antragstellung ist jedermann gestattet (vgl. § 9 Abs. 6 Satz 2 HGB).

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Sämtliche Erleichterungen, die exklusiv für Kleinst-GmbH bestehen (§§ 264 Abs. 1 Satz 5, 266 Abs. 1 Satz 4, 275 Abs. 5, 326 Abs. 2 HGB), können nur in Anspruch _____________

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28) BGBl. I 2006, 2553.

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genommen werden, wenn keine Bewertung der betreffenden Vermögensgegenstände zum beizulegenden Zeitwert erfolgt, sondern für diese die fortgeführten Anschaffungskosten angesetzt werden (vgl. § 253 Abs. 1 Satz 5 HGB). 13

Ist die GmbH Mutterunternehmen eines Konzerns, so muss sie nach Maßgabe der – im Zuge des BilMoG neu gefassten29) – §§ 290 ff HGB einen Konzernabschluss, bestehend aus Konzernbilanz, Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung, Konzernanhang, Kapitalflussrechnung, Eigenkapitalspiegel sowie fakultativ Segmentberichterstattung (§ 297 Abs. 1 HGB), und einen Konzernlagebericht aufstellen. Ist die Mutter-GmbH zudem kapitalmarktorientiert i. S. des § 264d HGB und gilt für die in den Konzernabschluss einzubeziehenden Unternehmen, dass sie die in § 293 HGB festgeschriebenen Voraussetzungen für eine größenabhängige Befreiung nicht erfüllen und bei ihnen insgesamt im Jahresdurchschnitt mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigt sind, so muss die Mutter-GmbH zudem gemäß § 315b Abs. 1 und 3 HGB30) ihren Konzernlagebericht um eine nichtfinanzielle Konzernerklärung erweitern oder einen gesonderten nichtfinanziellen Konzernbericht außerhalb des Lagebericht erstellen.31) Eine GmbH, die an der Spitze eines Kleinkonzerns32) steht, ist von alledem befreit (§ 293 HGB).33) Ist ein Konzernabschluss aufzustellen, so muss in ihm die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der einbezogenen Unternehmen so dargestellt werden, als ob es sich insgesamt um ein einziges Unternehmen handeln würde (§ 297 Abs. 3 Abs. 1 HGB; sog. Konsolidierung). Gegebenenfalls ist ein Konzernabschluss nach internationalen Rechnungslegungsstandards aufzustellen (§ 315e HGB). Der Konzernabschluss und der Konzernlagebericht sind von einem Abschlussprüfer zu prüfen (§§ 316 Abs. 2 Satz 1, 317 HGB) und müssen offengelegt werden (§ 325 Abs. 3 HGB). Mit Blick auf die nichtfinanzielle Konzernerklärung bzw. den gesonderten nichtfinanziellen Konzernbericht gilt dasselbe wie für die CSR-Berichterstattung im Einzelunternehmen (siehe Rn. 6).

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Besonderheiten gelten für eine GmbH, die als Tochterunternehmen in den (bestimmte Anforderungen erfüllenden und in deutscher Sprache offengelegten) Konzernabschluss und -lagebericht eines in einem EU- oder EWR-Staat oder in einem Drittstaat ansässigen, § 290 HGB oder § 11 PublG unterliegenden Mutterunternehmens einbezogen ist: Sie braucht, falls selbst Mutterunternehmen, grundsätz_____________ 29) Dazu Küting/Seel, DStR Beihefter Heft 26/2009, S. 37; Lüdenbach/Freiberg, BB 2009, 1230; Ernst/Seidler, BB 2009, 766, 768; Petersen/Zwirner, StuB 2009, 335; Schurbohm-Ebneth/ Zoeger, DB Beilage Heft 23/2009, S. 53. 30) Eingefügt im Zuge des CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes v. 11.4.2017 (s. Fn. 21); zur erstmaligen Anwendung auf die Rechnungslegung für 2017 beginnende Geschäftsjahre vgl. Art. 80 Satz 1 EGHGB. 31) Zu dieser Verpflichtung, dem Inhalt der Konzernerklärung bzw. des gesonderten Konzernberichts und der Möglichkeit, nachteilige Angaben ausnahmsweise wegzulassen, Kajüter, DB 2017, 617; Mock, ZIP 2017, 1195, 1200. 32) Die diesbezüglichen Schwellenwerte des § 293 Abs. 1 Nr. 1 und 2 HGB sind im Zuge des BilRUG (erneut) angehoben worden zur Geltung der im Zuge des BilRUG neu gefassten Vorschrift, vgl. die Übergangsvorschrift des Art. 75 Abs. 2 EGHGB (dazu soeben in Fn. 19). 33) Eine Befreiung scheidet indes dann aus, wenn die Mutter-GmbH oder eines der einzubeziehenden Tochterunternehmen kapitalmarktorientiert i. S. des § 264d HGB oder ein Kreditinstitut oder ein Versicherungsunternehmen ist (§ 293 Abs. 5 HGB); zu § 264d HGB sogleich in Fn. 37.

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lich keinen eigenen Konzernabschluss und -lagebericht aufzustellen (§§ 291, 292 HGB,34) § 11 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 PublG).35) Jahresabschluss und Lagebericht muss sie aufstellen, falls nicht eine der Erleichterungen des § 264 Abs. 3 (Einbeziehung in den Konzernabschlusses eines Mutterunternehmens mit Sitz in EU oder EWR) oder Abs. 4 HGB (Tochterunternehmen eines nach § 11 PublG zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichteten Mutterunternehmens) eingreift.36) Auch in den Fällen des § 264 Abs. 3 oder 4 HGB bleibt die Buchführungspflicht nach §§ 238 bis 261 HGB jedenfalls bestehen, ein vereinfachter Jahresabschluss nach § 242 HGB ohne Beachtung der für Kapitalgesellschaften ergänzend geltenden Vorschriften muss erstellt werden; Lagebericht, Prüfung und Offenlegung sind indes nicht erforderlich. – Handelt es sich bei der GmbH um eine kapitalmarktorientierte (§ 264d HGB),37) aber nicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtete Gesellschaft, so muss der Jahresabschluss um eine Kapitalflussrechnung und einen Eigenkapitalspiegel und kann um eine Segmentberichterstattung erweitert werden (§ 264 Abs. 1 Satz 2 HGB). III. Adressaten, Dauer und Inhalt der Pflicht zur Sorge für die Buchführung Zur Sorge für die ordnungsgemäße Buchführung der GmbH sind alle (auch stellvertretende) Geschäftsführer verpflichtet,38) und zwar jeder einzelne, nicht das Organ als Gesamtheit der Geschäftsführer.39) Die Verpflichtung besteht in dem Zeitraum, in dem die GmbH buchführungspflichtig ist (siehe Rn. 4). Im Falle der Liquidation der Gesellschaft trifft sie die Liquidatoren (§ 71 Abs. 4), bei Insolvenz geht sie auf den Insolvenzverwalter über (§ 155 Abs. 1 Satz 2 InsO).40) _____________ 34) Beachte aber die Rückausnahmen in §§ 291 Abs. 3, 292 Abs. 2 Satz 2 HGB (Inanspruchnahme eines organisierten Marktes seitens der GmbH oder Antrag einer qualifizierten Minderheit der Gesellschafter); dazu Theile, in: Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rn. 5103 f. 35) Zur Befreiung der GmbH, die zugleich Tochterunternehmen ist, von der Pflicht zur CSRBerichterstattung in ähnlichen Fällen vgl. §§ 289b Abs. 2, 315b Abs. 2 HGB. 36) Zur Neufassung der Erleichterungen für Tochterunternehmen nach § 264 Abs. 3 HGB durch das MicroBilG v. 20.12.2012 (s. Fn. 20) Wulf, DStZ 2014, 22, 28 ff; außerdem Beck, EWS 2014, 263; zur Neufassung des § 264 Abs. 3 und 4 HGB durch das BilRUG v. 17.7.2015 (s. Fn. 9) Kühne/Richter, BB 2015, 877; Bode, DB 2015, 816 (jeweils zum RegE). 37) Vor dem Hintergrund, dass § 264d HGB nicht auf Eigenkapital repräsentierende Wertpapiere begrenzt ist und damit Unternehmen jeglicher Rechtsform erfasst (so mit Recht Strieder, BB 2009, 1002; K. Wolf, DStR 2009, 920, 921), kann es bei der GmbH, weil deren Anteile nicht kapitalmarktgeeignet sind, nur um Fremdkapital gehen. 38) Zur Einbeziehung sog. faktischer sowie unwirksam bestellter Geschäftsführer Ulmer/ Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 41 Rn. 11; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 41 Rn. 11; Saenger/Inhester-Viskorf, GmbHG, § 41 Rn. 3; Gehrlein/Born/Simon-Winter/ Marx, GmbHG, § 41 Rn. 7, jeweils m. w. N.; Heybrock-Moeder/Theiselmann, GmbHG, § 41 Rn. 3; Bartl u. a.-Fichtelmann/Schmitt, GmbHG, § 41 Rn. 4; Ensthaler/Füller/ Schmidt-Schmidt, GmbHG, § 41 Rn. 4; differenzierend Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 41 Rn. 4 (Haftung nur nach Maßgabe des § 43 Abs. 3); offenlassend Ring/ Grziwotz-Wartenburger, GmbHG, § 41 Rn. 10. 39) BGH, ZIP 1985, 1135, 1136; dazu EWiR 1985, 787 (Fleck); Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 41 Rn. 2; Achilles/Ensthaler/Schmidt-Schmidt, GmbHG, § 41 Rn. 2; Gehrlein/ Born/Simon-Winter/Marx, GmbHG, § 41 Rn. 1 und 8; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 41 Rn. 1. 40) Dazu Henssler/Strohn-Büteröwe, GesR, § 41 GmbHG Rn. 7.

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Die persönliche Verpflichtung eines jeden Geschäftsführers (bzw. Liquidators) zur Sorge für die Buchführung der Gesellschaft bedeutet lediglich, dass für deren Erfüllung gesorgt werden muss, keineswegs aber, dass die Bücher eigenhändig geführt werden müssen. Somit ist weder die Zuweisung der Buchführungsaufgaben an einen bestimmten Geschäftsführer noch die Delegierung auf Mitarbeiter der GmbH oder auch auf Externe, etwa Steuerberater, ausgeschlossen.41) Sie ist sogar üblich. Jeden einzelnen Geschäftsführer trifft aber unabänderlich (und unabhängig von seiner persönlichen Qualifikation, namentlich seinen Buchführungskenntnissen) die Pflicht zur sachgerechten Auswahl sowie – auch im Hinblick auf die Insolvenzantragspflicht nach § 15a Abs. 1 InsO, die Pflicht nach § 49 Abs. 3 (Einberufung der Gesellschafterversammlung) und die Haftung nach § 64 – zur kontinuierlichen Überwachung der mit den Aufgaben der Buchführung betrauten Personen.42) Sollten sich dabei Ungereimtheiten oder Missstände offenbaren, so muss, ggf. auch durch Intervention im Ressortbereich eines Mitgeschäftsführers, Abhilfe geschaffen werden.43) – Die mit der Führung der Bücher betrauten Personen sind keine Erfüllungsgehilfen i. S. des § 278 Satz 1 BGB; vielmehr müssen die Geschäftsführer für deren Fehler nach den deliktsrechtlichen Grundsätzen des Organisationsverschuldens einstehen.44)

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Eine Parallele zu § 91 Abs. 2 AktG, der im Zuge des Gesetze zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27.4.199845) eingeführt _____________ 41) BGH ZIP 2018, 283 Tz. 25; dazu EWiR 2018, 179 (K. Schmidt); aus dem Schrifttum Wicke, GmbHG, § 41 Rn. 2; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 41 Rn. 3 und 5; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 41 Rn. 5; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 41 Rn. 18; Scholz-Crezelius, GmbHG, § 41 Rn. 6; Saenger/Inhester-Viskorf, GmbHG, § 41 Rn. 4; Heybrock-Moeder/Theiselmann, GmbHG, § 41 Rn. 4; Bartl u. a.Fichtelmann/Schmitt, GmbHG, § 41 Rn. 6; Ensthaler/Füller/Schmidt-Schmidt, GmbHG, § 41 Rn. 3; Ring/Grziwotz-Wartenburger, GmbHG, § 41 Rn. 3; Gehrlein/Born/SimonWinter/Marx, GmbHG, § 41 Rn. 10 f; Römermann-Hamminger, Münch-Anwaltshdb. GmbH-Recht, § 16 Rn. 29 f; Biletzki, ZIP 1997, 9, 10; zur Organisation der Buchführung außerdem Hommelhoff/Priester, ZGR 1986, 463, 465 f. 42) BGH, ZIP 1985, 1135, 1136; dazu EWiR 1985, 787 (Fleck); BGH, ZIP 1995, 1334, 1336; dazu EWiR 1995, 1099 (Miller) (zugleich Anerkennung des außerordentlichen Kündigungsrechts eines Geschäftsführers, dem die erforderlichen Informationen vorenthalten werden); allgemeiner BGH, ZIP 2012, 1557 Tz. 11; aus dem Schrifttum Saenger/InhesterViskorf, GmbHG, § 41 Rn. 4; Heybrock-Moeder/Theiselmann, GmbHG, § 41 Rn. 4; Bartl u. a.-Fichtelmann/Schmitt, GmbHG, § 41 Rn. 6; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 41 Rn. 19 f; Ensthaler/Füller/Schmidt-Schmidt, GmbHG, § 41 Rn. 3; Gehrlein/ Born/Simon-Winter/Marx, GmbHG, § 41 Rn. 11; Ring/Grziwotz-Wartenburger, GmbHG, § 41 Rn. 3; ausführlich Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 41 Rn. 12 ff. 43) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 41 Rn. 5; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 41 Rn. 3; Bartl u. a.-Fichtelmann/Schmitt, GmbHG, § 41 Rn. 18;, GmbHG, § 41 Rn. 5; Achilles/Ensthaler/Schmidt-Schmidt, GmbHG, § 41 Rn. 3; Hartmann, Das neue Bilanzrecht und der Gesellschaftsvertrag der GmbH, S. 20 f; zur Wahrnehmung der Buchführungspflicht bei der AG Fleischer, WM 2006, 2021, 2022 ff. 44) So mit Recht Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 41 Rn. 5; Wicke, GmbHG, § 41 Rn. 2; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 41 Rn. 5 a. E.; Rowedder/Schmidt-LeithoffTiedchen, GmbHG, § 41 Rn. 10; Scholz-Crezelius, GmbHG, § 41 Rn. 6 a. E.; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 41 Rn. 21; Saenger/Inhester-Viskorf, GmbHG, § 41 Rn. 4; Ensthaler/Füller/Schmidt-Schmidt, GmbHG, § 41 Rn. 3; Heybrock-Moeder/ Theiselmann, GmbHG, § 41 Rn. 5; Gehrlein/Born/Simon-Winter/Marx, GmbHG, § 41 Rn. 19. 45) BGBl. I 1998, 786.

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wurde und dem Vorstand einer AG die Pflicht zur Risikoüberwachung auferlegt, findet sich im GmbH-Recht nicht. Vor dem Hintergrund, dass sich der Gesetzgeber beim Erlass dieser Vorschrift, dem er selbst lediglich deklaratorische Bedeutung beimisst, von der gesetzlich ausgeprägten Organisationsverfassung der AG hat leiten lassen,46) muss mit Blick auf die GmbH gelten: Deren gesetzliche Konzeption einer hierarchischen Schichtung, die sich vom System der checks and balances im Aktienrecht grundlegend unterscheidet, verbietet es grundsätzlich, den Geschäftsführern von Gesetzes wegen die Pflicht aufzuerlegen, ein Risikokontrollsystem einzurichten. Eine Ausstrahlungswirkung des § 91 Abs. 2 AktG auf den Pflichtenrahmen der Geschäftsführer einer GmbH47) besteht nicht; allein die Gesellschafter können – und müssen – festlegen, wie sie die frühzeitige Erkennung von Risiken sicherstellen wollen, sei es durch Weisung an die Geschäftsführer, ein Überwachungssystem einzurichten, sei es durch eigene Überwachung der Risiken des Unternehmens. Lediglich in kapitalmarktorientierten GmbH (§ 264d HGB) sowie in solchen GmbH, die zur Bildung eines paritätisch besetzten Aufsichtsrats verpflichtet sind (§§ 1, 6, 7 MitbestG), müssen die Geschäftsführer ausnahmsweise ein Risikokontrollsystem analog § 91 Abs. 2 AktG einrichten.48) Solchenfalls besteht eine ressortübergreifende Verantwortung eines jeden einzelnen Geschäftsführers, wie sie mit Blick auf die Sorge für die ordnungsgemäße Buchführung der GmbH besteht (siehe Rn. 15 f). – Kapitalmarktorientierte GmbH müssen im Lagebericht die wesentlichen Merkmale des internen Kontroll- und des Risikomanagementsystems im Hinblick auf den Rechnungslegungsprozess beschreiben (§ 289 Abs. 4 HGB).49) Im Zusammenhang mit der Rechnungslegung haben die Geschäftsführer als organschaftliche Vertreter der GmbH ebenfalls dafür zu sorgen, dass deren Verpflichtungen erfüllt werden. Dies ist in § 264 Abs. 1 HGB für die Aufstellung des Jahresabschlusses nach § 242 HGB und für dessen Erweiterung um einen Anhang ausdrücklich festgelegt; in den §§ 290 und 325 HGB findet es sich außerdem für die Aufstellung des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts sowie für die Offen_____________ 46) Begr. des RegE zum KonTraG v. 28.1.1998, BT-Drucks. 13/9712, S. 15. 47) Eine solche Ausstrahlungswirkung herausstreichend die Begr. des RegE zum KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 27. 48) Gleichsinnig Hommelhoff in: FS Sandrock, S. 373, 376 ff; für umfassende Heranziehung des in § 91 Abs. 2 AktG Festgeschriebenen auch für die GmbH Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 96; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 41 Rn. 1 und § 43 Rn. 31; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 33; Henssler/Strohn-Büteröwe, GesR, § 41 GmbHG Rn. 20; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 41 Rn. 10; Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 41 Rn. 15; Altmeppen, ZGR 1999, 291, 301 f; Lutter, GmbHR 2000, 301, 305; für Heranziehung der allgemeinen Sorgfaltspflichten der Geschäftsführer Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 61; Saenger/Inhester-Lücke/ Simon, GmbHG, § 43 Rn. 27; Scharpf, DB 1997, 737; noch enger als hier, nämlich mit Beschränkung auf kapitalmarktorientierte GmbH, Lang/Wall-Daum, Risikomanagement nach dem KonTraG, § 6 Rn. 34 ff. 49) Zu den im Zuge des BilMoG eingeführten Berichtspflichten nach § 289 Abs. 4 (früher Abs. 5) HGB Lange in: MünchKomm-HGB, § 289 Rn. 153 ff; Kleindiek in: MünchKommBilanzrecht, § 289 HGB Rn. 97 ff; Wiedmann/Böcking/Gros-Böcking/Gros/Worret, Bilanzrecht, § 289 HGB Rn. 24; K. Wolf, DStR 2009, 920 f (letzterer auch zur den Konzernlagebericht betreffenden Parallelnorm des § 315 Abs. 2 Nr. 5 HGB a. F. [jetzt Abs. 4 der Vorschrift]).

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legung von Jahres- und Konzernabschluss bestimmt. Insofern besteht wiederum eine persönliche Verpflichtung sämtlicher Geschäftsführer; für sie gilt das zur Buchführungspflicht Ausgeführte (siehe Rn. 15 f) sinngemäß.50) 19

Besonders zu erwähnen ist die Pflicht aller – auch der nicht vertretungsbefugten und der stellvertretenden (§ 44) – Geschäftsführer zur Unterzeichnung des erweiterten Jahresabschlusses (§ 245 Satz 1 HGB),51) außerdem die Zuständigkeit der Geschäftsführer zur Erteilung des Prüfungsauftrags,52) die nach § 318 Abs. 1 Satz 4 HGB indes nur besteht, soweit kein Aufsichtsrat vorhanden oder die Verweisung des § 52 GmbHG auf § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG wirksam abbedungen ist.53) – Zu den Vorlagepflichten siehe § 42a Abs. 1. IV. Sanktionen bei Pflichtverletzung

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Gegenüber der GmbH haften Geschäftsführer, die schuldhaft ihre Pflicht zur Sorge für die ordnungsgemäße Buchführung (oder Rechnungslegung) der Gesellschaft verletzen, nach § 43 Abs. 2.54) Dabei können Fehlbeträge zu ersetzen sein, die infolge unordentlicher Buchführung nicht aufklärbar sind, während eine bloße Nichtverbuchung, solange der Verbleib des betreffenden Betrages geklärt ist, keinen Schaden begründet.55) Mehrere Schädiger haften als Gesamtschuldner. Daneben ist die Abberufung eines jeden gegen § 41 verstoßenden Geschäftsführers aus wichtigem Grund nach § 38 Abs. 2, ist aber auch die außerordentliche Kündigung seines Anstellungsvertrages nach § 626 BGB denkbar.56)

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Ob eine Haftung gegenüber Dritten, namentlich Gläubigern, nach § 823 Abs. 2 BGB in Betracht kommt, ist umstritten, mangels Schutzgesetzqualität des § 41 aber grund_____________ 50) Vgl. Winkeljohann/Schellhorn in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 264 HGB Rn. 12; Grottel, ebda, § 325 HGB Rn. 32; außerdem Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42 Rn. 18 f und 66. 51) Dazu Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42 Rn. 21; Schiffers, in: Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rn. 183 ff. 52) Hiervon ist die Zuständigkeit der Gesellschafter zur Wahl des Abschlussprüfers (§ 318 Abs. 1 Satz 1 HGB) scharf zu trennen; ob diese Zuständigkeit, die nach § 318 Abs. 1 Satz 2 HGB für abweichende Gestaltungen im Gesellschaftsvertrag offen ist, auf den oder die Geschäftsführer übertragen werden kann, ist umstritten (dagegen Lutter/HommelhoffKleindiek, GmbHG, Anh § 42 Rn. 16; Hommelhoff/Priester, ZGR 1986, 463, 485; dafür Rowedder/Schmidt-Leithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42a Rn. 26, allesamt m. w. N.). 53) Unterliegt die GmbH der Mitbestimmung und muss daher ein Aufsichtsrat gebildet werden, so ist § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG angesichts der einschlägigen Verweisungsnormen des Mitbestimmungsrechts (§ 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG bzw. § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbetG) zwingend anzuwenden; so mit Recht Ebke in: MünchKomm-HGB, § 318 Rn. 6; S. Schmidt/ Heinz in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 318 HGB Rn. 37. 54) BGHZ 165, 85 = NJW 2006, 1344 = ZIP 2006, 467 Tz. 15; BGH, NJW 1974, 1468; ausführlich Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 41 Rn. 26 m. w. N.; außerdem Henssler/ Strohn-Büteröwe, GesR, § 41 GmbHG Rn. 15. 55) BGH, NJW 1974, 1468; OLG Stuttgart, GmbHR 2000, 1048, 1050; Schnorr, ZHR 170 (2006), 9, 14. 56) BGH, ZIP 1995, 560, 561; dazu EWiR 1995, 785 (Wittkowski); OLG Rostock, NZG 1999, 216; Wicke, GmbHG, § 41 Rn. 13; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 41 Rn. 4; Saenger/Inhester-Viskorf, GmbHG, § 41 Rn. 9; Ensthaler/Füller/Schmidt-Schmidt, GmbHG, § 41 Rn. 41; Heybrock-Moeder/Theiselmann, GmbHG, § 41 Rn. 11; Bartl u. a.-Fichtelmann/ Schmitt, GmbHG, § 41 Rn. 16.

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sätzlich abzulehnen. Denn die ordnungsgemäße Buchführung und Rechnungslegung (und die Sorge der Geschäftsführer für sie) dienen zwar dem Schutz der Gläubiger, aber eben nur insgesamt, und sind nicht geeignet, das geschützte Interesse des einzelnen Gläubigers zu definieren.57) Vorstellbar ist hingegen, dass ein Geschäftsführer unrichtige Buchführungsunterlagen oder einen unzutreffenden Jahresabschlusses dazu verwendet, Dritte zur Gewährung eines Darlehens oder zu anderen Vermögensdispositionen zu veranlassen: Dann kommt eine Haftung nach § 826 BGB sowie nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 41, aber auch i. V. m. § 265b StGB (Kreditbetrug), in Betracht; darüber hinaus kann in einem solchen Fall § 311 Abs. 3 BGB eine persönliche Haftung des Geschäftsführers nach § 280 Abs. 1 BGB (früher: c. i. c.) begründen.58) Strafrechtliche Sanktionen drohen Geschäftsführern bei Verletzung der Buchführungs- oder der Bilanzierungspflichten nach Maßgabe der §§ 283, 283a, 283b, 266 StGB (Insolvenzstraftaten,59) Untreue60) sowie § 331 HGB, § 82 Abs. 2 Satz 2 GmbHG (unrichtige Darstellung, falsche Angaben).61) – Möglicherweise einschlägige _____________ 57) RGZ 73, 30, 34 ff; BGH, BB 1964, 1273 – zur KG; BGHZ 125, 366, 377 ff = ZIP 1994, 867, 871; dazu EWiR 1994, 681 (v. Gerkan); OLG Hamm, GmbHR 2014, 1044, 1045; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 41 Rn. 4; Wicke, GmbHG, § 41 Rn. 13 – jeweils mit zutreffendem Hinweis auf eine mögliche Haftung nach § 826 BGB; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 41 Rn. 27 ff; Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 41 Rn. 20a; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Tiedchen, GmbHG, § 41 Rn. 13 f; HeybrockMoeder/Theiselmann, GmbHG, § 41 Rn. 8; Ensthaler/Füller/Schmidt-Schmidt, GmbHG, § 41 Rn. 41; Gehrlein/Born/Simon-Winter/Marx, GmbHG, § 41 Rn. 22; Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 41 Rn. 12; Altmeppen, DZWIR 1994, 378, 380; Henssler/StrohnBüteröwe, GesR, § 41 GmbHG Rn. 16; letztlich ebenso Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 41 Rn. 29 ff; wohl auch Römermann-Hamminger, Münch-Anwaltshdb. GmbH-Recht, § 16 Rn. 35; a. A. Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 332; Bartl u. a.-Fichtelmann/ Schmitt, GmbHG, § 41 Rn. 14; Stapelfeld, GmbHR 1991, 94, 95 ff; Biletzki, ZIP 1997, 9, 10 ff; Biletzki, BB 2000, 521, 524 ff; Schnorr, ZHR 170 (2006) 9, 14 ff; wohl auch Gross, ZGR 1998, 551, 555; zweifelnd Scholz-Crezelius, GmbHG, § 41 Rn. 8; jedenfalls skeptisch gegenüber Rechtswidrigkeitszusammenhang K. Schmidt, ZIP 1994, 837, 842. 58) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 41 Rn. 4; Wicke, GmbHG, § 41 Rn. 13; Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 41 Rn. 12; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 41 Rn. 33; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 41 Rn. 32; Saenger/Inhester-Viskorf, GmbHG, § 41 Rn. 10; Heybrock-Moeder/Theiselmann, GmbHG, § 41 Rn. 9; Henssler/ Strohn-Büteröwe, GesR, § 41 GmbHG Rn. 17; ohne Stellungnahme zu einer Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 41 im angeführten Fall BGHZ 125, 366, 378 = ZIP 1994, 867, 871; dazu EWiR 1994, 681 (v. Gerkan); skeptisch gegenüber c. i. c. (nach altem Schuldrecht) BGHZ 126, 181, 183 ff = ZIP 1994, 1103, 1104 ff; dazu EWiR 1994, 791 (Wilhelm). 59) Die Schutzgesetzqualität der §§ 283 ff StGB i. S. des § 823 Abs. 2 BGB offenlassend BGH, ZIP 1985, 29, 30; dazu EWiR 1985, 111 (Priester); BGHZ 125, 366, 378 = ZIP 1994, 867, 871; dazu EWiR 1994, 681 (v. Gerkan); bejahend Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 41 Rn. 22; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Tiedchen, GmbHG, § 41 Rn. 17; verneinend Ensthaler/Füller/Schmidt-Schmidt, GmbHG, § 41 Rn. 42; differenzierend Fleischer, WM 2006, 2021, 2029; jedenfalls mit Blick auf § 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b StGB die Schutzgesetzqualität verneinend OLG Hamm, GmbHR 2014, 1044. 60) Zum Straftatbestand des § 266 StGB im Zusammenhang mit § 41 GmbHG Gribbohm, ZGR 1990, 1, 14 ff. 61) Eingehend Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 41 Rn. 22 ff.

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§ 42

Bilanz

Ordnungswidrigkeitstatbestände enthält § 334 HGB; die Festsetzung eines Ordnungsgeldes kann ggf. auf § 335 HGB gestützt werden. 23

Bei Verletzung der steuerrechtlichen Buchführungs- oder Bilanzierungspflichten nach §§ 140 ff AO, für die angesichts der grundsätzlichen Maßgeblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG)62) die handelsrechtlichen Sorgfaltsanforderungen konkretisierende Bedeutung haben können, droht den Geschäftsführern eine persönliche Haftung für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH nach §§ 34 Abs. 1, 69 AO.63) _____________ 62) Zur Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung für die steuerliche Gewinnermittlung nach dem durch das BilMoG geänderten § 5 Abs. 1 EStG BMF-Schreiben v. 12.3.2010 – IV C 6 – S 2133/09/10001, DB 2010, 642. 63) Wicke, GmbHG, § 41 Rn. 13; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 41 Rn. 13; Lutter/ Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 41 Rn. 4; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, § 41 Rn. 35; Scholz-Crezelius, GmbHG, § 41 Rn. 10; Henssler/Strohn-Büteröwe, GesR, § 41 GmbHG Rn. 18; Saenger/Inhester-Viskorf, GmbHG, § 41 Rn. 11; Ring/Grziwotz-Wartenburger, GmbHG, § 41 Rn. 9; Gehrlein/Born/Simon-Winter/Marx, GmbHG, § 41 Rn. 23.

§ 42 Bilanz Carl-Heinz Witt

(1) In der Bilanz des nach den §§ 242, 264 des Handelsgesetzbuchs aufzustellenden Jahresabschlusses ist das Stammkapital als gezeichnetes Kapital auszuweisen. (2) 1Das Recht der Gesellschaft zur Einziehung von Nachschüssen der Gesellschafter ist in der Bilanz insoweit zu aktivieren, als die Einziehung bereits beschlossen ist und den Gesellschaftern ein Recht, durch Verweisung auf den Geschäftsanteil sich von der Zahlung der Nachschüsse zu befreien, nicht zusteht. 2 Der nachzuschießende Betrag ist auf der Aktivseite unter den Forderungen gesondert unter der Bezeichnung „Eingeforderte Nachschüsse“ auszuweisen, soweit mit der Zahlung gerechnet werden kann. 3Ein dem Aktivposten entsprechender Betrag ist auf der Passivseite in dem Posten „Kapitalrücklage“ gesondert auszuweisen. (3) Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern sind in der Regel als solche jeweils gesondert auszuweisen oder im Anhang anzugeben; werden sie unter anderen Posten ausgewiesen, so muss diese Eigenschaft vermerkt werden. Literatur: Groh, Eigenkapitalersatz in der Bilanz, BB 1993, 1882; Klaus, Eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen in der Handelsbilanz der verpflichteten GmbH, BB 1994, 680; Küting/Weber, Die Darstellung des Eigenkapitals bei der GmbH nach dem Bilanzrichtlinien-Gesetz, GmbHR 1984, 165; Ortmann-Babel/Bolik/Gageur, Aktuelle Beratungsschwerpunkte bei der Bilanzierung von Gesellschafterdarlehen, BB 2009, 2414; Riepolt, Davon-Vermerke in der Bilanz von Kleinstunternehmen nach dem MicroBilG, DStR 2014, 113; Schiffers, BilRuG: Änderungen im Jahresabschluss der GmbH, GmbHR 2015, 1018; Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, 2016; Theile, Vorzeitige Anwendung neuer Schwellenwerte für den Jahres- und Konzernabschluss der GmbH, GmbHR 2015, 172; Theile, Der Jahres- und Konzernabschluss der GmbH und GmbH & Co. KG nach dem Regierungsentwurf eines Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (BilRuG), GmbHR 2015, 281.

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§ 42

Bilanz Übersicht I.

Gegenstand und Zweck der Regelung ............................................... 1 II. Für alle Kapitalgesellschaften geltende Bilanzierungsregeln ............. 2 1. Bilanzierung dem Grunde nach ............ 3 2. Bilanzierung der Höhe nach (Bewertung) ........................................... 8 III. Speziell für GmbH geltende Bilanzierungsregeln ........................... 14

I.

1. 2. 3.

Ausweis des Stammkapitals der Gesellschaft (Abs. 1) ........................... 14 Bilanzierung von Nachschussforderungen der Gesellschaft (Abs. 2) ................................................ 16 Gesonderter Ausweis von Geschäftsbeziehungen zu Gesellschaftern (Abs. 3) ................................ 19

Gegenstand und Zweck der Regelung

Die im Zuge des Bilanzrichtlinien-Gesetzes (BiRiLiG) vom 19.12.19851) neu gefasste Vorschrift enthält für die GmbH punktuelle Ergänzungen zu den allgemeinen Rechnungslegungsregeln der §§ 242 ff, 264 ff HGB (dazu siehe § 41 Rn. 5 ff [Witt]). Dabei geht es darum, wie bestimmte Positionen in der Bilanz der Gesellschaft auszuweisen sind; angesprochen sind der Ausweis des Stammkapitals (Abs. 1), die Bilanzierung von Nachschussforderungen der Gesellschaft (Abs. 2) sowie der gesonderte Ausweis von Geschäftsbeziehungen zu Gesellschaftern, namentlich Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten (Abs. 3). – Was die Gewinn- und Verlustrechnung sowie den Anhang als die weiteren Bestandteile des Jahresabschlusses (§ 242 Abs. 2 und 3, § 264 Abs. 1 HGB) angeht, gibt es keine GmbH-spezifischen Regeln. Gleiches gilt für den Lagebericht (§ 264 Abs. 1 HGB) sowie für den gesamten Bereich der Konzernrechnungslegung (§§ 290 ff HGB; zu beidem siehe § 41 Rn. 6 und 13 f [Witt]).

1

II. Für alle Kapitalgesellschaften geltende Bilanzierungsregeln Die Bilanzierungsregeln des Handelsgesetzbuchs, wie sie für die GmbH als eine Kapitalgesellschaft zur Anwendung kommen, also die für alle Kaufleute und Handelsgesellschaften anwendbaren §§ 242 bis 256 HGB sowie die speziell für Kapitalgesellschaften geltenden §§ 264 bis 274a HGB – beide Regelungskomplexe zuletzt im Zuge des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) vom 25.5.20092) substantiell und im Zuge des Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (BilRUG) vom 17.7.20153) noch einmal punktuell geändert –, folgen bestimmten Strukturprinzipien. Dabei geht es einerseits um die Bilanzierung dem Grunde nach, also den Ansatz selbst, aber auch die Gliederung der Bilanz, und anderseits um die Bilanzierung der Höhe nach, also die Bewertung. _____________ 1) 2) 3)

BGBl. I 1985, 2355. BGBl. I 2009, 1102. – Namentlich die Bewertungsvorschriften der §§ 279 bis 283 HGB a. F. gelten nicht mehr. BGBl. I 2015, 1245; zur Geltung der im Zuge des BilRUG neu gefassten HGB-Vorschriften vgl. die Übergangsvorschrift des Art. 75 Abs. 1 und 2 EGHGB: Danach muss die neue Fassung erstmals auf Jahres- und Konzernabschlüsse und auf (Konzern-)Lageberichte für ein nach dem 31.12.2015 und können die §§ 267, 267a Abs. 1, 277 Abs. 1 und 293 HGB – in ihrer Gesamtheit – bereits auf solche für ein nach dem 31.12.2013 beginnendes Geschäftsjahr angewendet werden. – Zu den Änderungen im Jahresabschluss der GmbH, zu denen es im Zuge des BilRuG gekommen ist, Schiffers, GmbHR 2015, 1018; bereits zum Regierungsentwurf für ein Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 7.1.2015 (BT-Drucks. 18/4050 v. 20.2.2015) Theile, GmbHG 2015, 172 und 281.

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§ 42 1.

Bilanz

Bilanzierung dem Grunde nach

3

Es entspricht den Grundsätzen der Bilanzvollständigkeit und der Bilanzklarheit, dass die Gegenstände des Umlauf- und des Anlagevermögens, das Eigenkapital, die Schulden und die Rechnungsabgrenzungsposten allesamt in der Bilanz auszuweisen und hinreichend aufzugliedern sind (§ 247 Abs. 1 HGB). Die Verrechnung von Posten der Aktivseite mit Posten der Passivseite verbietet § 246 Abs. 2 Satz 1 HGB. Unter dem Regime des BilMoG ist es freilich erlaubt, Vermögensgegenstände, die dem Zugriff aller übrigen Gläubiger entzogen sind4) und langfristig fälligen Verpflichtungen dienen,5) mit diesen Schulden zu verrechnen (§ 246 Abs. 2 Satz 2 HGB. Ein bei der Verrechnung entstehender Unterschiedsbetrag ist nach § 246 Abs. 2 Satz 3 HGB zu aktivieren (siehe Rn. 13).

4

Vermögensgegenstände werden, wie jetzt in § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB festgeschrieben ist, grundsätzlich dem Eigentümer bzw. demjenigen zugeordnet, dem die zivilrechtliche Inhaberschaft zusteht, ausnahmsweise demjenigen, dem sie (mit Blick auf die erwachsenden Risiken und Chancen) wirtschaftlich zuzurechnen sind.6) – Im Zuge des BilMoG hat man auch den entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert,7) für den zuvor ein Aktivierungswahlrecht bestand (§ 255 Abs. 4 HGB a. F.), im Wege der Fiktion zu einem zeitlich begrenzt nutzbaren Vermögensgegenstand erhoben (§ 246 Abs. 1 Satz 4 HGB).

5

Der Ausweis von (aktiven und passiven) Rechnungsabgrenzungsposten ordnet Einnahmen und Ausgaben dem Wirtschaftsjahr als Ertrag oder Aufwand zu, zu dem sie wirtschaftlich gehören (§ 250 Abs. 1 und 2 HGB); er ermöglicht damit eine periodengerechte Erfolgsermittlung (§ 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB) und verwirklicht das Verursachungsprinzip.

_____________ 4)

5)

6)

7)

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Dies ist dann der Fall, wenn die Vermögensgegenstände in einer Weise isoliert werden, dass sie im Falle einer Insolvenz des Unternehmens bzw. im Rahmen der Zwangsvollstreckung dem Zugriff aller Unternehmensgläubiger mit Ausnahme der Gläubiger der betreffenden Verpflichtungen vorenthalten sind (Beschlussempfehlung und Bericht des BT-Rechtsausschusses zum BilMoG, BT-Drucks. 16/12407, S. 110); vgl. auch S. Schmidt/Ries in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 246 HGB Rn. 123; Hopt/Merkt-Merkt, Bilanzrecht, § 246 HGB Rn. 26; Hennrichs in: MünchKomm-Bilanzrecht, § 246 HGB Rn. 237 ff. Das Gesetz nennt hier insbesondere Altersversorgungsverpflichtungen; die Vermögensgegenstände müssen jederzeit zur Erfüllung der Schulden verwertet werden können, was bspw. bei Vermögensgegenständen des Anlagevermögens, die zum Betrieb des Unternehmens notwendig sind, grundsätzlich nicht der Fall ist (Beschlussempfehlung und Bericht des BT-Rechtsausschusses zum BilMoG, BT-Drucks. 16/12407, S. 110). Zur wirtschaftlichen Zurechnung von Vermögensgegenständen, Schulden, Erträgen und Aufwendungen nach dem BilMoG Wiedmann/Böcking/Gros-Böcking/Gros, Bilanzrecht, § 246 HGB Rn. 6 ff; S. Schmidt/Ries in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 246 HGB Rn. 5 ff; außerdem Hennrichs in: MünchKomm-Bilanzrecht, § 246 HGB Rn. 156 ff und 225 ff; Ballwieser in: MünchKomm-HGB, § 246 Rn. 35 ff und 73 f; Schiffers, in: Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rn. 815 ff, 835 und 839 f. Dies ist nach der gesetzlichen Definition der Unterschiedsbetrag, um den die für die Übernahme eines Unternehmens bewirkte Gegenleistung den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände des Unternehmens abzüglich der Schulden im Zeitpunkt der Übernahme übersteigt.

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§ 42

Bilanz

Unter den Passiva sind nicht nur Schulden, also in Bestand und Höhe gewisse Verpflichtungen, auszuweisen, und zwar nach ihrer wirtschaftlichen Zurechnung (§ 246 Abs. 1 Satz 3 HGB). Passivierungspflichtig sind vielmehr auch alle in Bestand und Höhe noch ungewisse Verpflichtungen, wenn eine Inanspruchnahme hinreichend wahrscheinlich ist. Ob dies der Fall und damit eine sog. Verbindlichkeitsrückstellung zu bilden ist (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB), muss bei sorgfältiger Abwägung aller maßgeblichen Umstände entschieden werden.8) Auch für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften, die ansonsten grundsätzlich nicht zu bilanzieren sind, ist eine Rückstellung zu bilden. – Eine Passivierungspflicht besteht auch für den Ansatz passiver latenter Steuern (§ 274 Abs. 1 Satz 1 HGB), von Differenzen also, die zwischen den handelsrechtlichen Wertansätzen von Vermögensgegenständen, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten und ihren steuerlichen Wertansätzen vorübergehend bestehen und eine Steuerbelastung begründen. Hinsichtlich aktiver latenter Steuern, falls also eine Steuerentlastung begründet wird, besteht hingegen ein Aktivierungswahlrecht (§ 274 Abs. 1 Satz 2 HGB).9) Aktive und passive latente Steuern können, müssen aber nicht miteinander verrechnet werden (§ 274 Abs. 1 Satz 3 HGB). Die ausgewiesenen Bilanzpositionen sind aufzulösen, sobald die Steuerbe- bzw. -entlastung eintritt oder mit ihr nicht mehr zu rechnen ist (§ 274 Abs. 2 Satz 2 HGB).10) – Haftungsverhältnisse, aus denen eine Inanspruchnahme noch nicht hinreichend wahrscheinlich ist (Verbindlichkeiten aus Wechseln, Bürgschaften, Bestellung von Sicherheiten o. Ä.), sind nach §§ 251, 268 Abs. 7 HGB im Anhang zu vermerken.11) Sie müssen – außer bei kleinen GmbH und Kleinst-GmbH (zu diesen Begriffen sowie zur Geltung der sie betreffenden Änderungen im Zuge des BilRUG vom 17.7.2015 siehe § 41 Rn. 6 Fn. 19 und 20 [Witt]), da für sie die Erleichterungen des § 246 Abs. 1 Satz 3 bzw. Satz 4 sowie des § 264 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 HGB gelten12) – jeweils gesondert angegeben werden, und zwar auch dann, wenn ihnen gleichwertige Rückgriffsforderungen gegenüberstehen; Verpflichtungen betreffend die Altersvorsorge und gegenüber verbundenen oder assoziierten Unternehmen sind ihrerseits gesondert zu vermerken.

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Von den Bilanzierungsverboten und -wahlrechten, die den Grundsatz der Bilanzvollständigkeit ergänzen bzw. modifizieren, sind zuvörderst die Aktivierungsverbote des § 248 Abs. 1 HGB zu nennen: Danach dürfen Aufwendungen für die Gründung des Unternehmens, für die Beschaffung des Eigenkapitals sowie für den Abschluss von _____________

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8) BGH, ZIP 2003, 2068 f m. w. N.; dazu EWiR 2004, 383 (F. Wagner). 9) Bei der Berechnung aktiver latenter Steuern sind nach § 274 Abs. 1 Satz 4 HGB steuerliche Verlustvorträge in Höhe der innerhalb der nächsten fünf Jahre zu erwartenden Verlustverrechnung zu berücksichtigen. 10) Dazu Schiffers, in: Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rn. 1546 ff; zur Neuregelung der Abgrenzung latenter Steuern im Einzelabschluss durch das BilMoG Herzig/Vossel, BB 2009, 1174; Petersen/Zwirner, StuB 2009, 416; Wendholt/Wesemann, DB Beilage Heft 23/2009, S. 64, 65 ff; mit besonderem Blick auf den Fall der Organschaft Ellerbusch/Schlüter/ Hofherr, DStR 2009, 2443. 11) Dazu Schiffers, in: Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rn. 2365 ff. 12) So mit Blick auf kleine GmbH i. S. d. § 267 Abs. 1 HGB Reiner/Haußer in: MünchKommHGB, § 268 Rn. 39; Suchan in: MünchKomm-Bilanzrecht, § 268 HGB Rn. 78; mit Blick auch auf Kleinst-GmbH i. S. d. § 267a Abs. 1 und 3 HGB Grottel/Haußer in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 268 HGB Rn. 51 m. w. N.

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Versicherungsverträgen nicht aktiviert werden. Hingegen können seit dem BilMoG selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens als Aktivposten in die Bilanz aufgenommen werden (§ 248 Abs. 2 Satz 1 HGB), freilich nur in Höhe der Aufwendungen der Entwicklungs-, nicht aber der Forschungsphase (§ 255 Abs. 2a HGB). Dies gilt nicht für selbst geschaffene Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten oder dergleichen (§ 248 Abs. 2 Satz 2 HGB).13) Andere Aktivierungswahlrechte betreffen etwa die soeben erwähnten aktiven latenten Steuern oder das Disagio bei der Erfüllung von Verbindlichkeiten (§ 250 Abs. 3 HGB). – Die Passivierungswahlrechte für unversteuerte Rücklagen (§§ 247 Abs. 3, 273 HGB a. F.), für steuerrechtliche Mehrabschreibungen (§§ 254, 279 Abs. 2, 281 HGB a. F.) und für Aufwandsrückstellungen (§ 249 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 HGB a. F.) wurden im Zuge des BilMoG aufgehoben. Hiermit hat man die handelsrechtliche Rechnungslegung vereinfachen und an die internationale Rechnungslegung annähern und zugleich das Informationsniveau des Jahresabschluss anheben wollen.14) 2. 8

Bilanzierung der Höhe nach (Bewertung)

Was die Bewertung der bilanzierten Vermögensgegenstände und Schulden angeht, stellt § 252 Abs. 1 HGB allgemeine Grundsätze auf.15) Dazu gehört das Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB), das sich im Gebot der vorsichtigen Bewertung, dem Realisations- und dem Imparitätsprinzip konkretisiert findet. Bewertungsspielräume sind demnach mit Zurückhaltung wahrzunehmen, Gewinne dürfen erst im Falle ihrer Verwirklichung durch Umsatz ausgewiesen und Verluste müssen schon dann, wenn sie zum Bilanzstichtag zwar noch nicht verwirklicht, aber bereits vorhersehbar sind (etwa infolge Wertverlusten), antizipiert werden.16) Mit dem Prinzip der Bilanzstetigkeit, d. h. der Beibehaltung angewandter Bewertungsmethoden, das sich seit dem BilMoG in einer Muss-Vorschrift findet (§ 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB),17) korrespondieren der Grundsatz der Ansatzstetigkeit (§ 246 Abs. 3 Satz 1 HGB)18) und der für Kapitalgesellschaften geltende Grundsatz der Gliederungs- oder Ausweisstetigkeit nach § 265 Abs. 1 HGB.

_____________ 13) Zum erwähnten Aktivierungswahlrecht und der Bilanzierung von Entwicklungskosten nach dem BilMoG Hopt/Merkt-Merkt, Bilanzrecht, § 248 HGB Rn. 3 ff; Ballwieser in: MünchKomm-HGB, § 248 Rn. 13 ff; Hennrichs in: MünchKomm-Bilanzrecht, § 275 HGB Rn. 26 ff; Wiedmann/Böcking/Gros-Böcking/Gros, Bilanzrecht, § 248 HGB Rn. 8 ff. 14) Begr. des RegE zum BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 49, 50 und 59. 15) Der Grundsatz der periodengerechten Erfolgsermittlung (§ 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB) betrifft die Bilanzierung dem Grunde nach. 16) Zu Realisations- und Imparitätsprinzip vgl. nur Winkeljohann/Büssow in: Beck’scher BilanzKommentar, § 252 HGB Rn. 34 ff und 43 ff; Tiedchen in: MünchKomm-Bilanzrecht, § 252 HGB Rn. 55 ff und 62 ff; Ballwieser in: MünchKomm-HGB, § 252 Rn. 53 ff und 74 f; Schiffers, in: Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rn. 993 ff; außerdem Hommel/Bendt, BB 2009, 2190. 17) In der Ersetzung der Soll- durch eine Muss-Vorschrift wird indes lediglich eine Klarstellung gesehen, da bereits zuvor nur sachlich begründete Abweichungen anerkannt wurden (Begr. des RegE zum BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 52). 18) Von diesem im Zuge des BilMoG eingeführten Grundsatz darf nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden (§ 246 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 252 Abs. 2 HGB).

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Neben dem Bilanzzusammenhang (§ 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB) und dem sog. going concern concept, nach dem bei der Bewertung von einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen ist (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB), müssen der Grundsatz der Einzelbewertung und das Stichtagsprinzip beachtet werden, die beide in § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB kodifiziert sind. Die Vermögensgegenstände und Schulden sind demnach zum Abschlussstichtag einzeln zu bewerten. Dies bedeutet, dass keinesfalls Wertsteigerungen an der einen Stelle mit Wertminderungen an der anderen ausgeglichen werden dürfen19) und dass erst nach dem Stichtag eingetretene wertbeeinflussende Tatsachen keine Berücksichtigung finden dürfen.20)

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Zum Grundsatz der Einzelbewertung, aber auch zum zuvor erwähnten Realisationsund Imparitätsprinzip gibt es eine Ausnahme: Wie in dem im Zuge des BilMoG eingeführten § 254 Satz 1 HGB festgeschrieben, ist die bilanzielle Abbildung von Bewertungseinheiten erlaubt. Danach können Vermögensgegenstände, Schulden, schwebende Geschäfte oder mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartete Transaktionen zum Ausgleich gegenläufiger Wertänderungen oder Zahlungsströme aus dem Eintritt vergleichbarer Risiken mit Finanzinstrumenten21) zusammengefasst werden.22) Dies gilt,23) soweit und solange die gegenläufigen Wertänderungen oder Zahlungsströme sich ausgleichen; ob diese Voraussetzung gegeben ist, muss zu jedem Bilanzstichtag positiv festgestellt werden.24) – Generell gilt, dass Abweichungen von den allgemeinen Grundsätzen der Bewertung nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig sind (§ 252 Abs. 2 HGB). Sie müssen im Anhang angeben und begründet, ihr Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage muss gesondert dargestellt werden (§ 284 Abs. 2 Nr. 2 HGB).

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Was die Bewertung der Gegenstände des Anlage- und des Umlaufvermögens betrifft, bilden die Anschaffungs- oder Herstellungskosten25) den Ausgangspunkt (§ 253 Abs. 1 Satz 1 HGB); sie sind um Abschreibungen nach § 253 Abs. 3 bis 5 HGB zu vermindern. Dabei müssen nach § 253 Abs. 3 Sätze 1 und 2 HGB Gegenstände des Anlagevermögens, deren Nutzung zeitlich begrenzt ist, pro rata der Nutzungsdauer

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_____________ 19) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42 Rn. 41 mit dem zutreffenden Hinweis, dass hierin eine Entsprechung zum Verrechnungsverbot des § 246 Abs. 2 Satz 1 HGB liegt. 20) Hingegen sind bereits am Stichtag vorliegende, jedoch erst später bekannt gewordene sog. wertaufhellende Tatsachen zu berücksichtigen, wenn sie bis zur Bilanzaufstellung bekannt werden (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 HGB). 21) Als solche gelten Termingeschäfte über den Erwerb oder die Veräußerung von Waren (§ 254 Satz 2 HGB). 22) Zu den Bewertungseinheiten nach dem BilMoG S. Schmidt/Usinger in: Beck’scher BilanzKommentar, § 254 HGB Rn. 50 ff; Wiedmann/Böcking/Gros-Böcking/Gros/Wallek, Bilanzrecht, § 254 HGB Rn. 4 ff; Schiffers, in: Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rn. 1050 ff. 23) Und d. h. § 252 Abs. 1 Nr. 3 und 4, aber auch § 249 Abs. 1, § 253 Abs. 1 Satz 1 und § 256a HGB sind nicht anzuwenden. 24) Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des BT-Rechtsausschusses zum BilMoG, BTDrucks. 16/12407, S. 112. – Die Dokumentation von Bewertungseinheiten ist nicht Tatbestandsmerkmal des § 254 HGB; es sind aber umfangreiche Angaben im Anhang zu machen (§ 285 Nr. 23 HGB). 25) Zu diesen Begriffen § 255 Abs. 1 und 2 HGB; Absatz 2a der Vorschrift bestimmt die Herstellungskosten eines selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstands des Anlagevermögens, wie er seit dem BilMoG aktiviert werden kann (dazu siehe Rn. 7).

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planmäßig abgeschrieben werden;26) bei voraussichtlich dauernder Wertminderung sind unabhängig von der zeitlichen Begrenzung der Nutzung außerplanmäßige Abschreibungen vorzunehmen (§ 253 Abs. 3 Satz 5 HGB; Niederstwertprinzip). – Gegenstände des Umlaufvermögens sind auf den gegenüber den Anstellungs- oder Herstellungskosten niedrigeren Stichtagswert abzuschreiben (§ 253 Abs. 4 HGB); Abschreibungen wegen zukünftiger Wertschwankungen, wie sie § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB a. F. noch erlaubte, sind unter Geltung des BilMoG nicht mehr zulässig.27) Für die Fälle des § 253 Abs. 3 Satz 5 und Abs. 4 HGB enthält Absatz 5 Satz 1 der Vorschrift ein Wertaufholungsgebot. Stille Rücklagen können damit (jedenfalls auf diesem Wege, d. h. als Willkür- oder Ermessensreserven) nicht gebildet werden.28) – Finanzanlagen sind der einzige Vermögensgegenstand, bei dem nach § 253 Abs. 3 Satz 6 HGB im Falle voraussichtlich nur vorübergehender Wertminderung ein Abschreibungswahlrecht besteht.29) Indes gilt auch hier ein Wertaufholungsgebot (§ 253 Abs. 5 Satz 1 HGB). 12

Schulden – das Gesetz spricht hier von Verbindlichkeiten – sind nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB zu ihrem Erfüllungsbetrag anzusetzen, Rückstellungen in Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwenigen Erfüllungsbetrages. Geht es um Altersversorgungsverpflichtungen, die an bestimmte Wertpapiere gebunden sind, so richtet sich deren Höhe ausschließlich nach dem beizulegenden Zeitwert (§ 255 Abs. 4 HGB) der betreffenden Wertpapiere, und dieser Wert ist dann auch für die diesbezüglichen Rückstellungen maßgeblich, soweit er einen garantierten Mindestbetrag übersteigt (§ 253 Abs. 1 Satz 3 HGB).30) Die Abzinsung von Rückstellungen hat § 253 Abs. 2 HGB und der auf der Basis von dessen Satz 4 erlassenen Rechtsverordnung31) zu folgen.32) _____________ 26) Dabei fehlt es, was die Methode der Abschreibung angeht, auch nach dem BilMoG an Vorgaben. Folglich sind weiterhin die lineare, die degressive, die Leistungs- und die progressive Abschreibung als mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung vereinbar anzusehen, soweit sie den tatsächlichen Verlauf des Werteverzehrs abbilden; vgl. Begr. des RegE zum BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 56. 27) Das im Zuge des BilMoG abgeschaffte Wahlrecht zu weiteren Abschreibungen im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung nach § 253 Abs. 4 HGB a. F. galt für die GmbH nicht (§ 279 Abs. 1 Satz 1 HGB a. F.). 28) Vgl. Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 42 Rn. 42; Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 42 Rn. 29; mit Blick auf Abweichungen gegenüber der Steuerbilanz außerdem Schiffers, in: Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rn. 293 ff. – Ein Ausgleich für das Verbot der Bildung stiller Reserven liegt darin, dass das frühere Vollausschüttungsgebot durch den schlichten Mehrheitsbeschluss über die Ergebnisverwendung ersetzt worden ist. 29) Das Vorhaben, für zu Handelszwecken erworbene Finanzinstrumente die Bewertung mit dem Zeitwert zuzulassen (und dies über § 340e Abs. 3 Satz 1 HGB hinaus eben auch für die Realwirtschaft), hat man im Laufe des BilMoG-Gesetzgebungsverfahrens fallen lassen. 30) Zur Bilanzierung von Schulden bzw. Rückstellungen nach dem BilMoG Tiedchen in: MünchKomm-Bilanzrecht, § 253 HGB Rn. 18 ff; Wiedmann/Böcking/Gros-Böcking/Gros, Bilanzrecht, § 253 HGB Rn. 7 ff; Ballwieser in: MünchKomm-HGB, § 253 Rn. 62 ff; speziell mit Blick auf die Bewertung von Pensionsverpflichtungen Meier, BB 2009, 998 ff; Hasenburg/ Hausen, DB Beilage Heft 23/2009, S. 38. 31) Rückstellungsabzinsungsverordnung (RückAbzinsV) v. 18.11.2009, BGBl. I 2009, 3790; zur an die Deutsche Bundesbank übertragenen Aufgabe, Abzinsungssätze bereitzustellen, Stapf/Elgg, BB 2009, 2134. 32) Zur Neuregelung der handelsrechtlichen Bewertung von Pensionsrückstellungen im Zuge des Gesetzes zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften v. 11.3.2016 (BGBl. I 2016, 396) Zwirner, DStR 2016, 929).

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Im Fall der nach § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB zulässigen Verrechnung (siehe Rn. 3) sind die betreffenden Vermögensgegenstände mit ihrem beizulegenden Zeitwert zu bewerten (§ 253 Abs. 1 Satz 4 HGB). Übersteigt dieser nach § 255 Abs. 4 HGB zu bestimmende Wert den beizulegenden Zeitwert der verrechneten Schulden, so ist der Unterschiedsbetrag gesondert in der Bilanz zu aktivieren (§ 246 Abs. 2 Satz 3 HGB); es handelt sich um einen Verrechnungsposten,33) der nach Maßgabe des § 268 Abs. 8 HGB ausschüttungsgesperrt ist.34) Kleinst-GmbH i. S. d. § 267a Abs. 1 und 3 GmbHG (zu diesem Begriff – sowie zur Geltung der ihn betreffenden Änderungen im Zuge des BilRUG vom 17.7.2015 – siehe § 41 Rn. 6 Fn. 20 [Witt]) dürfen bei zulässiger Verrechnung nur dann mit dem beizulegenden Zeitwert bewerten, wenn sie von keiner der exklusiv für sie bestehenden Erleichterungen (§§ 264 Abs. 1 Satz 5, 266 Abs. 1 Satz 4, 275 Abs. 5, 326 Abs. 2 HGB) Gebrauch machen; anderenfalls, wenn also auch nur eine der Erleichterungen genutzt wird, sind für die betreffenden Vermögensgegenstände die fortgeführten Anschaffungskosten anzusetzen (§ 253 Abs. 1 Sätze 5 und 6 HGB). – Latente Steuern (siehe Rn. 6) sind mit den unternehmensindividuellen Steuersätzen im Zeitpunkt des Abbaus der Differenzen, die zwischen handelsrechtlichen und steuerlichen Wertansätzen bestehen, zu bewerten und nicht abzuzinsen (§ 274 Abs. 2 Satz 1 HGB).

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III. Speziell für GmbH geltende Bilanzierungsregeln 1.

Ausweis des Stammkapitals der Gesellschaft (Abs. 1)

Als gezeichnetes Kapital, wie es in der Bilanz der Kapitalgesellschaft eine eigene, und zwar die erste Position im Titel Eigenkapital bildet (§ 266 Abs. 3 Buchst. A. Ziff. I. HGB),35) ist bei der GmbH das Stammkapital auszuweisen, und zwar in Höhe des am Bilanzstichtag im Gesellschaftsvertrag festgelegten und im Handelsregister eingetragenen Nennbetrags (§ 272 Abs. 2 Satz 2 HGB). Das von den Gesellschaftern im Rahmen ihrer Einlagepflicht zu leistende Aufgeld (Agio) ist nach § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB zwingend der Kapitalrücklage zuzuweisen. – Ist eine Kapitalerhöhung oder Kapitalherabsetzung zum Bilanzstichtag schon beschlossen, aber noch nicht im Handelsregister eingetragen, so bleibt sie in der Bilanz unberücksichtigt.36) Wurden solchenfalls indes bereits Einlagen auf die Kapitalerhöhung geleistet, muss nach den Rücklagen ein entsprechend hoher (ein evtl. Agio einbeziehender) Passivposten ge-

_____________ 33) Vgl. § 266 Abs. 2 Buchst. E. HGB; Ernst/Seidler, BB 2009, 766, sprechen von einem Sonderposten sui generis. 34) Beschlussempfehlung und Bericht des BT-Rechtsausschusses zum BilMoG, BT-Drucks. 16/ 12407, S. 110. 35) Nach § 272 Abs. 2 Satz 1 HGB handelt es sich – in der Sache ungenau (vgl. § 13 Abs. 2) – um das Kapital, auf das die Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaft gegenüber den Gläubigern beschränkt ist. 36) Küting/Weber, GmbHR 1984, 165, 167; die beschlossene Kapitalmaßnahme muss allerdings im Lagebericht Erwähnung finden (Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42 Rn. 37; Gehrlein/Born/Simon-Winter/Marx, GmbHG, § 42 Rn. 33); hingegen für Bericht im Anhang Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 42 Rn. 14; Henssler/Strohn-Büteröwe, GesR, § 42 GmbHG Rn. 12; Winkeljohann/Hoffmann in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 272 HGB Rn. 51.

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bildet werden.37) Nicht anders ist dann zu verfahren, wenn die Kapitalerhöhung im Zeitraum zwischen Bilanzstichtag und Aufstellung der Bilanz eingetragen wird; denn am Bilanzstichtag hat eben kein Stammkapital im materiellen Sinne vorgelegen.38) 15

Was nicht eingeforderte ausstehende Einlagen auf das Stammkapital angeht, ist unter dem Regime des im Zuge des BilMoG neu gefassten § 272 Abs. 1 Satz 2 (früher Satz 3) HGB nur noch der sog. Nettoausweis möglich, d. h. der zwingende Ausweis auf der Passivseite der Bilanz.39) Demnach sind nicht eingeforderte ausstehende Einlagen vom Posten „Stammkapital“ offen abzusetzen, der verbleibende Betrag ist als Posten „Eingefordertes Kapital“ in der Hauptspalte der Passivseite auszuweisen. Der eingeforderte, aber noch nicht eingezahlte Betrag ist unter den Forderungen gesondert auszuweisen und entsprechend zu bezeichnen. Mit der Neuregelung hat man die Informationsfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses stärken wollen.40) 2.

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Bilanzierung von Nachschussforderungen der Gesellschaft (Abs. 2)

Haben die Gesellschafter der GmbH vor dem Bilanzstichtag Nachschüsse, d. h. die Einforderung weiterer Einzahlungen, beschlossen, wozu sie im Gesellschaftsvertrag ermächtigt werden können (§ 26 Abs. 1), so ist der nachzuschießende Betrag auf der Aktivseite der Bilanz unter den Forderungen (§ 266 Abs. 2 Buchst. B. Ziff. II. HGB) gesondert als „Eingeforderte Nachschüsse“ auszuweisen; zugleich muss derselbe Betrag im Passivposten „Kapitalrücklage“ (§ 266 Abs. 3 Buchst. A. Ziff. II. HGB) gesondert ausgewiesen werden. Die Aktivierung steht freilich unter dem Vorbehalt, dass mit der Zahlung gerechnet werden kann; folglich ist, soweit die Forderung

_____________ 37) Winkeljohann/Hoffmann in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 272 HGB Rn. 51; Reiner in: MünchKomm-HGB, § 272 Rn. 46; Kropff in: MünchKomm-Bilanzrecht, § 272 HGB Rn. 22; Scholz-Crezelius, GmbHG, § 42 Rn. 7; Saenger/Inhester-Viskorf, GmbHG, § 42 Rn. 36; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 42 Rn. 14; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42 Rn. 37; Gehrlein/Born/Simon-Winter/Marx, GmbHG, § 42 Rn. 33; Henssler/StrohnBüteröwe, GesR, § 42 GmbHG Rn. 12. 38) Scholz-Crezelius, GmbHG, § 42 Rn. 7; Schiffers, in: Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rn. 1405; hingegen für Einbeziehung in das gezeichnete Kapital, freilich mit Vermerk des Eintragungsdatums, Küting/Weber, GmbHR 1984, 165, 167; für Aufführung im Anschluss an das gezeichnete Kapital Reiner in: MünchKomm-HGB, § 272 Rn. 46; Rowedder/SchmidtLeithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42 Rn. 8; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42 Rn. 38; Saenger/Inhester-Viskorf, GmbHG, § 42 Rn. 36; Ring/Grziwotz-Wartenburger, GmbHG, § 42 Rn. 11; Gehrlein/Born/Simon-Winter/Marx, GmbHG, § 42 Rn. 33; offen Kropff in: MünchKomm-Bilanzrecht, § 272 HGB Rn. 23. 39) Saenger/Inhester-Viskorf, GmbHG, § 42 Rn. 37. – Zum früheren Ausweiswahlrecht nach § 272 Abs. 1 Satz 3 HGB a. F., das auch den sog. Bruttoausweis erlaubte, d. h. den gesonderten Ausweis und die entsprechende Bezeichnung der ausstehenden Einlagen auf der Aktivseite der Bilanz bei gleichzeitigem Vermerk der eingeforderten Einlagen, Lutter/ Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 42 Rn. 46. 40) Begr. des RegE zum BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 65. – Zum (seit dem BilMoG rechtsformneutralen) Ausweis eigener Anteile in der Handelsbilanz § 272 Abs. 1a und 1b HGB.

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infolge Zahlungsunfähigkeit uneinbringlich erscheint,41) die Wertberichtigung der Forderung erforderlich. – Liegt eine unbeschränkte Nachschusspflicht vor, so bestehen die bezeichneten Bilanzierungspflichten nur in dem Umfang, in dem die Gesellschafter vor dem Bilanzstichtag ihr Preisgaberecht (Abandonrecht) verloren haben, die Preisgabe der jeweiligen Anteile also nicht mehr möglich ist (§ 27 Abs. 1 Satz 1). Außerdem darf die GmbH ihr Verwertungsrecht nach § 27 Abs. 1 Satz 2 nicht ausgeübt haben. Von einem Verzicht auf dieses Recht ist im Falle der Aktivierung der entsprechenden Nachschussforderung regelmäßig auszugehen.42) Die Einzahlung der eingeforderten Nachschüsse hat zur Folge, dass der betreffende Aktivposten aufzulösen ist. Ob solchenfalls auf der Passivseite der Bilanz die Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB bestehen bleibt, ist umstritten.43) Angesichts einer möglichen Rückzahlung eingezahlter Nachschüsse (vgl. § 30 Abs. 2) erscheint es vorzugswürdig, jedenfalls die Kennzeichnung als Sonderposten beizubehalten.44)

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Die im Gesellschaftsvertrag festgeschriebene bloße Ermächtigung der Gesellschafter, die Einforderung von Nachschüssen zu beschließen, bleibt im Jahresabschluss unberücksichtigt, weil es an einem konkreten Anspruch fehlt.45)

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3.

Gesonderter Ausweis von Geschäftsbeziehungen zu Gesellschaftern (Abs. 3)

Vor dem Hintergrund, dass alle besonderen geschäftlichen Verbindungen der GmbH zu ihren Gesellschaftern sichtbar gemacht werden sollen, sind Rechtsbeziehungen zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft in deren Bilanz gesondert aus_____________ 41) Bereits Zahlungsunwilligkeit lassen Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42 Rn. 42; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 42 Rn. 15; Scholz-Crezelius, GmbHG, § 42 Rn. 16 genügen; in dieselbe Richtung Ensthaler/Füller/Schmidt-Schmidt, GmbHG, § 42 Rn. 17; Heybrock-Moeder/Theiselmann, GmbHG, § 42 Rn. 14; vgl. auch BGH ZIP 2017, 2368 Tz. 12 f (dazu EWiR 2018, 117 [H. Wagner]), wo es mit Blick auf das Insolvenzrecht heißt, es liege, wenn der Schuldner ein nach außen hervortretendes Verhalten zeige, in dem sich typischerweise ausdrücke, dass er nicht in der Lage sei, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen, auch dann Zahlungseinstellung (und damit nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO regelmäßig Zahlungsunfähigkeit) vor, wenn der Schuldner in Wirklichkeit nur zahlungsunwillig sei; hingegen wie hier allein auf die Zahlungsunfähigkeit abstellend Rowedder/SchmidtLeithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42 Rn. 14; Henssler/Strohn-Büteröwe, GesR, § 42 GmbHG Rn. 15 und 18; Saenger/Inhester-Viskorf, GmbHG, § 42 Rn. 43; wohl auch Gehrlein/ Born/Simon-Winter/Marx, GmbHG, § 42 Rn. 37. – Absatz 2 Satz 2 a. E. stellt eine Sonderregelung zur allgemeinen Wertberichtigung uneinbringlicher Forderungen dar, wie sie in der GuV-Rechnung nach § 275 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b und Abs. 3 Nr. 7 HGB abzubilden ist (Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42 Rn. 43). 42) Wicke, GmbHG, § 42 Rn. 5; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42 Rn. 42; ScholzCrezelius, GmbHG, § 42 Rn. 15; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42 Rn. 14. 43) Dafür Wicke, GmbHG, § 42 Rn. 5; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42 Rn. 43; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42 Rn. 16; Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 42 Rn. 10; Saenger/Inhester-Viskorf, GmbHG, § 42 Rn. 44; Henssler/StrohnBüteröwe, GesR, § 42 GmbHG Rn. 17; Ensthaler/Füller/Schmidt-Schmidt, GmbHG, § 42 Rn. 17; dagegen Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42 Rn. 56. 44) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 42 Rn. 16; Scholz-Crezelius, GmbHG, § 42 Rn. 17; Gehrlein/Born/Simon-Winter/Marx, GmbHG, § 42 Rn. 39, jeweils m. w. N.; ebenso Schiffers, in: Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rn. 1426.1. 45) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42 Rn. 56.

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zuweisen. Gesellschafter i. S. d. Absatzes 3 ist, wer am Bilanzstichtag materiellrechtlich Inhaber eines – sei es noch so kleinen – Geschäftsanteils ist.46) Angesichts des Informationszwecks der Rechnungslegung ist die Eintragung in die Gesellschafterliste nach § 16 Abs. 1 unbeachtlich und Kenntnis der Geschäftsführer von der Gesellschafterstellung (am Bilanzstichtag) ausreichend.47) – Ist ein Gesellschafter zugleich verbundenes Unternehmen i. S. d. § 271 Abs. 2 HGB, so gehen die diesbezüglichen Vorschriften vor; es kommt also zum (spezielleren und daher aussagekräftigeren) bilanziellen Ausweis nach § 266 Abs. 2 Buchst. A. Ziff. III. Nr. 2, Buchst. B. Ziff. II Nr. 2, Abs. 3 Buchst. C. Nr. 6 HGB.48) 20

Gesondert auszuweisen sind Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern. Dabei sind Ausleihungen solche Forderungen, die durch Hingabe von Geld entstanden und regelmäßig auf längere Zeit (regelmäßig ab vier Jahre) angelegt sind, vor allem Darlehen.49) Verbindlichkeiten sind alle Verpflichtungen der GmbH, die deren Vermögen belasten; sie müssen am Bilanzstichtag der Höhe, nicht aber der Fälligkeit nach feststehen.50)

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Für den Ausweis werden drei Wege genannt: Erstens der gesonderte, sachdienlich bezeichnete Ausweis (etwa „Ausleihungen an Gesellschafter“, § 266 Abs. 2 Buchst. A. Ziff. III. Nr. 6 HGB);51) zweitens die Eingliederung in eine allgemeine Bilanzposition mit gesondertem „davon“-Vermerk; drittens schließlich die Angabe im Anhang. Während bei kleinen GmbH i. S. d. § 267 Abs. 1 HGB und bei Kleinst-GmbH i. S. d. § 267a Abs. 1 und 3 HGB (zu diesen Begriffen – sowie zur Geltung der sie betreffenden Änderungen im Zuge des BilRUG vom 17.7.2015 [Fn. 3] – siehe § 41 Rn. 6 Fn. 19 und 20 [Witt])52) der zweite Weg obligatorisch ist, weil diese Gesellschaften _____________ 46) Die Gesellschafterstellung besteht auch bei ungeteilter Mitberechtigung an einem Geschäftsanteil (Henssler/Strohn-Büteröwe, GesR, § 42 GmbHG Rn. 21; Scholz-Crezelius, GmbHG, § 42 Rn. 21). 47) Gleichsinnig Wicke, GmbHG, § 42 Rn. 4; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42 Rn. 45; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42 Rn. 58; Rowedder/Schmidt-LeithoffTiedchen, GmbHG, § 42 Rn. 18; Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 42 Rn. 13; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 42 Rn. 19; Saenger/Inhester-Viskorf, GmbHG, § 42 Rn. 46; Gehrlein/Born/Simon-Winter/Marx, GmbHG, § 42 Rn. 48; Scholz-Crezelius, GmbHG, § 42 Rn. 22; Henssler/Strohn-Büteröwe, GesR, § 42 GmbHG Rn. 21; Bormann/Kauka/ Ockelmann-Kauka, Hdb. GmbHR, Kap. 14 Rn. 107. 48) Also Ausleihungen an, Forderungen gegen, Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen; gleichsinnig Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42 Rn. 63 f, der außerdem auf den Fall eingeht, dass es neben dem oder den verbundenen Unternehmen weitere Gesellschafter gibt (dann zwei Bilanzpositionen oder aber eine mit gesondertem „Davon“-Vermerk). 49) Wicke, GmbHG, § 42 Rn. 4 m. w. N.; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42 Rn. 59; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 42 Rn. 20; Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 42 Rn. 12; Saenger/Inhester-Viskorf, GmbHG, § 42 Rn. 47; Bartl u. a.-Fichtelmann/Schmitt, GmbHG, § 42 Rn. 18; Ring/Grziwotz-Wartenburger, GmbHG, § 42 Rn. 19. 50) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42 Rn. 59; Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 42 Rn. 12a; Saenger/Inhester-Viskorf, GmbHG, § 42 Rn. 48; Fleischer in: MünchKommGmbHG, § 42 Rn. 22. 51) Betreffend Forderungen und Verbindlichkeiten dann § 266 Abs. 2 Buchst. B. Ziff. II. Nr. 4 bzw. Abs. 3 Buchst. C. Nr. 8 HGB. 52) Für Kleinst-GmbH gelten die für kleine GmbH vorgesehenen besonderen Regelungen des HGB grundsätzlich entsprechend (§ 267a Abs. 2 HGB).

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Bilanz

zwar nur eine verkürzte bzw. eine weiter verkürzte Bilanz aufzustellen brauchen (§ 266 Abs. 1 Sätze 3 und 4 HGB), von der Verpflichtung nach Absatz 3 aber nicht befreit sind,53) ist das Rangverhältnis zwischen den drei Wegen ansonsten (angesichts des nicht ganz klaren Wortlauts des Gesetzes) umstritten. Richtigerweise bildet der Ausweis in der Bilanz, und zwar auf einem der beiden genannten Wege, den Regelfall; die Angabe im Anhang ist keinesfalls eine zweite Regellösung, sondern eine begründungsbedürftige Ausnahme.54) War vor dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.200855) streitig, ob eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen in der Bilanz mit einem besonderen Vermerk zu versehen sind,56) so gilt seit der gesetzlichen Neukonzipierung folgendes: Weil es die Kategorie „eigenkapitalersetzend“ nicht mehr gibt, sondern Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz nunmehr allesamt als nachrangig behandelt werden (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO), ist ein besonderer Vermerk entbehrlich;57) die Bilanzierung nach Absatz 3 reicht aus. Indes erscheint ein Vermerk angezeigt, wenn der Gesellschafter eine echte Rangrücktrittsvereinbarung akzeptiert hat, auf seine Forderung also nur aus künftigen Jahresüberschüssen, aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss oder aus weiterem, die Schulden der GmbH übersteigenden Vermögen geleistet werden muss,58) oder wenn ein Anwendungsfall des Sanierungs- oder des Kleinbeteiligtenprivilegs (§ 39 Abs. 4 Satz 2, Abs. 5 InsO) gegeben ist, außerdem in allen Fällen, in denen Drittkonstellationen vom Nachrang erfasst werden (Forderungen gegen gleichgestellte Dritte; Forderungen aus gesellschafterbesichertem Drittdarlehen). _____________ 53) Für kleine GmbH in diesem Sinne Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42 Rn. 61; solchenfalls für Anhangangabe Rowedder/Schmidt-Leithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42 Rn. 22. – Eine Ausweispflicht nach Absatz 3 für Kleinst-GmbH angesichts deren Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung eines Anhangs (§ 264 Abs. 1 Satz 5 HGB) ablehnend Gehrlein/Born/Simon-Winter/Marx, GmbHG, § 42 Rn. 42 (anders dann aber Fn. 52); Riepolt, DStR 2014, 113, 114; Kreipl/S. Müller, StuB 2013, 292, 295; Fey/Deubert/Lewe/Roland, BB 2013, 107, 109; a. A. Zwirner/Froschhammer, StuB 2013, 83, 85; dies., SteuK 2013, 23, 24; für Vermerk unter der Bilanz bei materiell bedeutsamen Positionen Küting/Eichenlaub, DStR 2012, 2615, 2617. Einen gesonderten „Davon“-Vermerk in der (verkürzten) Bilanz zu verlangen, verträgt sich auch mit dem Grundsatz der Maximalharmonisierung von Anhangangaben, wie er in Art. 16 Abs. 3 der neuen Bilanzrichtlinie für kleine GmbH festgeschrieben ist. 54) A. A. Scholz-Crezelius, GmbHG, § 42 Rn. 19; Saenger/Inhester-Viskorf, GmbHG, § 42 Rn. 49; Henssler/Strohn-Büteröwe, GesR, § 42 GmbHG Rn. 27; Bartl u. a.-Fichtelmann/ Schmitt, GmbHG, § 42 Rn. 24; Schiffers, in: Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rn. 2375; wie hier hingegen Rowedder/Schmidt-Leithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42 Rn. 22; Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42 Rn. 47; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42 Rn. 62; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 42 Rn. 23; Gehrlein/Born/SimonWinter/Marx, GmbHG, § 42 Rn. 50 f. 55) BGBl. I 2008, 2026. 56) Vgl. nur Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl. 2005, § 42 Rn. 47 ff; Lutter/ Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 42 Rn. 41 ff; Groh, BB 1993, 1882; Klaus, BB 1994, 680. 57) So mit Recht Wicke, GmbHG, § 42 Rn. 5 a. E.; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42 Rn. 49; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42 Rn. 60; Gehrlein/Born/SimonWinter/Marx, GmbHG, § 42 Rn. 45; außerdem Ortmann-Babel/Bolik/Gageur, BB 2009, 2414. 58) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42 Rn. 50 f m. w. N.

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Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts

§ 42a Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts Carl-Heinz Witt

(1) 1Die Geschäftsführer haben den Jahresabschluss und den Lagebericht unverzüglich nach der Aufstellung den Gesellschaftern zum Zwecke der Feststellung des Jahresabschlusses vorzulegen. 2Ist der Jahresabschluss durch einen Abschlussprüfer zu prüfen, so haben die Geschäftsführer ihn zusammen mit dem Lagebericht und dem Prüfungsbericht des Abschlussprüfers unverzüglich nach Eingang des Prüfungsberichts vorzulegen. 3Hat die Gesellschaft einen Aufsichtsrat, so ist dessen Bericht über das Ergebnis seiner Prüfung ebenfalls unverzüglich vorzulegen. (2) 1Die Gesellschafter haben spätestens bis zum Ablauf der ersten acht Monate oder, wenn es sich um eine kleine Gesellschaft handelt (§ 267 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs), bis zum Ablauf der ersten elf Monate des Geschäftsjahrs über die Feststellung des Jahresabschlusses und über die Ergebnisverwendung zu beschließen. 2Der Gesellschaftsvertrag kann die Frist nicht verlängern. 3Auf den Jahresabschluss sind bei der Feststellung die für seine Aufstellung geltenden Vorschriften anzuwenden. (3) Hat ein Abschlussprüfer den Jahresabschluss geprüft, so hat er auf Verlangen eines Gesellschafters an den Verhandlungen über die Feststellung des Jahresabschlusses teilzunehmen. (4) 1Ist die Gesellschaft zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts verpflichtet, so sind die Absätze 1 bis 3 entsprechend anzuwenden. 2Das Gleiche gilt hinsichtlich eines Einzelabschlusses nach § 325 Abs. 2a des Handelsgesetzbuchs, wenn alle Gesellschafter die Offenlegung eines solchen beschlossen haben. Literatur: Brete/Thomsen, Nichtigkeit und Heilung von Jahresabschlüssen der GmbH, GmbHR 2008, 176; Goerdeler, Die Zuziehung von Sachverständigen bei der Einsicht in die Bücher, in: Festschrift für Walter Stimpel, 1985, S. 125; Gutbrod, Vom Gewinnbezugsrecht zum Gewinnanspruch des GmbH-Gesellschafters, GmbHR 1995, 551; Hommelhoff, Die Ergebnisverwendung in der GmbH nach dem Bilanzrichtliniengesetz, ZGR 1986, 418; Hommelhoff/Priester, Bilanzrichtliniengesetz und GmbH-Satzung, ZGR 1986, 463; Kühnberger, Gesellschaftsrechtliche Implikationen des BilMoG, DStR 2012, 1149; Sagasser, Die Frist für die Beschlussfassung über die Ergebnisverwendung in § 42a Abs. 2 GmbHG, DB 1986, 2251; Theile, Neuerungen bei der GmbH durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz – TransPuG, GmbHR 2002, 231. Übersicht I.

Gegenstand und Zweck der Regelung ............................................... 1 II. Vorlagepflicht (Abs. 1) ........................ 4 1. Gegenstand der Vorlagepflicht und Adressat der Vorlage ............................. 4 2. Schuldner der Vorlagepflicht und Sanktionen bei Pflichtverletzung ......... 9 III. Feststellungs- und Ergebnisverwendungsbeschluss der Gesellschafter (Abs. 2) ................................. 12

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1. Beschlussgegenstände ......................... 12 2. Verfahren ............................................. 15 IV. Teilnahmepflicht des Abschlussprüfers auf Verlangen eines Gesellschafters (Abs. 3) .......................... 18 V. Sonderfälle (Abs. 4) ........................... 21 1. Zur Konzernrechnungslegung verpflichtete Gesellschaften ............... 21 2. Gesellschaften mit IAS/IFRSEinzelabschluss .................................... 24

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Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts

I.

§ 42a

Gegenstand und Zweck der Regelung

Die Vorschrift regelt einzelne wichtige Schritte hin zur Feststellung des Jahresabschlusses und zum Beschluss über die Ergebnisverwendung durch die Gesellschafter. Sie ermöglicht den Gesellschaftern damit die informierte Wahrnehmung der ihnen von § 46 Nr. 1 bis 1b zuerkannten Kompetenzen, stärkt sie aber zugleich in ihrer allgemeinen Überwachungsfunktion gegenüber der Geschäftsführung. Zugleich werden Verfahrensvorgaben statuiert.

1

Absatz 1 statuiert die Pflicht der Geschäftsführer, die für die Abschlussfeststellung und die Entscheidung über die Ergebnisverwendung erforderlichen Unterlagen den Gesellschaftern vorzulegen; hingegen ist die Aufstellung des Jahresabschlusses durch die Geschäftsführer,1) ist aber auch der Weg, den die Beschlussunterlagen bis zur Vorlage an die Gesellschafter nehmen müssen (dazu siehe Rn. 4 ff), nicht Gegenstand der Vorschrift. In Absatz 2 wird (in Abhängigkeit von der Größe der Gesellschaft) der Zeitraum bestimmt, innerhalb dessen die Gesellschafter über die Feststellung des Jahresabschlusses und die Ergebnisverwendung Beschluss zu fassen haben; zugleich werden dem Feststellungsbeschluss inhaltliche Grenzen gesetzt (Abs. 2 Satz 3). Absatz 3 begründet das Recht eines jeden Gesellschafters, die Teilnahme eines etwaigen Abschlussprüfers an den Verhandlungen der Gesellschafter über die Feststellung des Jahresabschlusses verlangen zu können. Nach Absatz 4, dessen Sätze 1 und 2 im Zuge des Transparenz- und Publizitätsgesetzes (TransPuG) vom 19.7.20022) bzw. des Bilanzrechtsreformgesetzes (BilReG) vom 4.12.20043) neugefasst bzw. eingefügt wurden, gelten die Absätze 1 bis 3 entsprechend, wenn die Gesellschaft zur Konzernrechnungslegung verpflichtet ist oder ihre Gesellschafter die (befreiende) Offenlegung eines IAS/IFRS-Einzelabschlusses (§ 325 Abs. 2a HGB) beschlossen haben.

2

§ 42a knüpft an die Kompetenznorm des § 46 Nr. 1 und 1a an, der die Feststellung des Jahresabschlusses und die Ergebnisverwendung, aber auch die Entscheidung über die Offenlegung eines IAS/IFRS-Einzelabschlusses der Bestimmung der Gesellschafter unterwirft. Diese Gesellschafterkompetenzen sind indes dispositiv (vgl. § 45 Abs. 2), im Gesellschaftsvertrag kann also eine abweichende Zuständigkeit festgeschrieben werden.4) Allein die Tatsache, dass die GmbH mitbestimmt ist oder nach dem Gesellschaftsvertrag ein Aufsichtsrat oder ein Beirat besteht, ändert an der Zuständigkeit der Gesellschafter freilich nichts.5) – Die Vorschrift ist insoweit nicht dispositiv, als zwingendes Rechnungslegungsrecht betroffen ist.6)

3

_____________ 1)

2) 3) 4) 5)

6)

Zur Aufstellung des Jahresabschlusses und zu dessen Erweiterung um einen Anhang, d. h. zur Errichtung des betreffenden Zahlenwerks und zu dessen Erläuterung, sind die Geschäftsführer nach §§ 242 Abs. 1 bis 3, 264 HGB verpflichtet. BGBl. I 2002, 2681. BGBl. I 2004, 3166. Zu den einzelnen Möglichkeiten Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 42a Rn. 16; Henssler/Strohn-Büteröwe, GesR, § 42a GmbHG Rn. 4, jeweils m. w. N. Grund ist, dass weder § 52 Abs. 1 GmbHG noch § 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG oder § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG als die einschlägigen Normen des Mitbestimmungsrechts auf § 172 AktG verweisen; so mit Recht Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 1. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42a Rn. 54; Bartl u. a.-Fichtelmann/Schmitt, GmbHG, § 42a Rn. 1.

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II. Vorlagepflicht (Abs. 1) 1. 4

Gegenstand der Vorlagepflicht und Adressat der Vorlage

Absatz 1 statuiert lediglich die Pflicht der Geschäftsführer, die zur Beschlussfassung über die Feststellung des Jahresabschlusses und über die Ergebnisverwendung erforderlichen Unterlagen den Gesellschaftern vorzulegen. Dies lässt unberührt, dass in Gesellschaften, deren Jahresabschluss geprüft wird und/oder die einen Aufsichtsrat7) haben, die Beschlussunterlagen zuvor bereits andere Wege nehmen müssen. So haben die Geschäftsführer von GmbH, die der Pflicht zur Abschlussprüfung unterfallen (oder sich freiwillig prüfen lassen),8) den Jahresabschluss, den Lagebericht und, sofern er erstellt wurde, den gesonderten nichtfinanziellen Bericht (zur CSR-Berichterstattung nach §§ 289b ff HGB, zu der der gesonderte nichtfinanzielle Bericht als Alternative zur nichtfinanziellen Erklärung gehört, die eine Erweiterung des Lagerberichts darstellt, siehe § 41 Rn. 6 [Witt]) unverzüglich nach der Aufstellung zunächst dem Abschlussprüfer vorzulegen (§ 320 Abs. 1 HGB); dieser legt seinen Prüfungsbericht dann den Geschäftsführern vor (§ 321 Abs. 5 Satz 1 HGB). Verfügt die GmbH über einen Aufsichtsrat, wird sie als kleine GmbH oder als KleinstGmbH aber nicht geprüft,9) so müssen die Geschäftsführer den Jahresabschluss, den Lagebericht und, sofern er erstellt wurde, den gesonderten nichtfinanziellen Bericht sowie in jedem Fall einen Vorschlag zur Ergebnisverwendung zunächst dem Aufsichtsrat vorlegen (§ 52 Abs. 1 GmbHG i. V. m. § 170 Abs. 1 und 2 AktG); dieser leitet den Bericht über seine Prüfung, die sich, sofern er erstellt wurde, auch auf den gesonderten nichtfinanziellen Bericht erstreckt, dann den Geschäftsführern zu (§ 52 Abs. 1 GmbHG i. V. m. § 171 Abs. 1 Satz 4 bzw. Abs. 3 AktG). Dieselbe Vorlagepflicht haben die Gesellschafter gegenüber dem Aufsichtsrat, wenn die Gesellschaft geprüft wird.10) Allerdings erteilt der Aufsichtsrat dem Abschlussprüfer den Prüfungsauftrag (§ 52 Abs. 1 GmbHG i. V. m. § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG, § 318 Abs. 1 Satz 4 HGB)11) und so wird der Prüfungsbericht dann auch dem Aufsichtsrat und gleichzeitig einem eingerichteten Prüfungsausschuss vorgelegt (§ 321 Abs. 5 Satz 2 HGB);12) der Aufsichtsrat leitet ihn nach Abschluss seiner eigenen Prüfung, die sich, sofern er erstellt wurde, auch auf den gesonderten nichtfinanziel_____________ 7) Mag es sich auch der Bezeichnung nach um einen Beirat handeln; denn dieser stellt, soweit seine Aufgabe im Wesentlichen in der Überwachung der Geschäftsführung besteht, einen fakultativen Aufsichtsrat dar (Ulmer/Habersack/Löbbe-Heermann, GmbHG, § 52 Rn. 17; Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 52 Rn. 4 und 109; Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 52 Rn. 3). 8) Letzteres gilt für kleine GmbH i. S. d. § 267 Abs. 1 und für Kleinst-GmbH i. S. d. § 267a Abs. 1 HGB; denn diese sind nach § 316 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 267a Abs. 2 HGB von der Prüfungspflicht befreit. 9) S. vorige Fußnote. 10) Weil die einschlägigen Normen des Mitbestimmungsrechts (s. Fn. 5) auf §§ 170, 171 AktG verweisen, gilt dies (und gilt die nachfolgende Zuleitungspflicht des Aufsichtsrats gegenüber den Geschäftsführern) auch im Falle der Mitbestimmung. 11) Der Aufsichtsrat kann zudem eine externe inhaltliche Überprüfung der nichtfinanziellen Erklärung oder des gesonderten nichtfinanziellen Berichts in Auftrag geben (§ 52 Abs. 1 GmbHG i. V. m. § 111 Abs. 2 Satz 4 AktG). 12) Die Vorschrift wurde insofern erweitert im Zuge des Abschlussprüfungsreformgesetzes v. 10.5.2016 (BGBl. I 2016, 1142).

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len Bericht erstreckt, dann den Geschäftsführern mitsamt seinem Prüfungsbericht zu (§ 52 Abs. 1 GmbHG i. V. m. § 171 Abs. 1 Satz 4 bzw. Abs. 3 AktG). Den Gesellschaftern sind nach Absatz 1 verschiedene Dokumente vorzulegen, und zwar zusammen, nicht etwa sukzessive (dazu siehe Rn. 10): Der Jahresabschluss, der nach §§ 242 Abs. 3, 264 Abs. 1 Satz 1 HGB aus Bilanz, Gewinn- und VerlustRechnung sowie Anhang besteht, und außerdem der Lagebericht (Abs. 1 Satz 1).13) Letzterer entfällt bei kleinen i. S. d. § 267 Abs. 1 HGB und bei Kleinst-GmbH i. S. d. § 267a Abs. 1 und 3 HGB (zu diesen Begriffen sowie zur Geltung der sie betreffenden Änderungen im Zuge des BilRUG vom 17.7.2015 siehe § 41 Rn. 6 Fn. 19 und 20 [Witt]), falls diese von der Befreiung nach § 264 Abs. 1 Satz 3 bzw. § 267a Abs. 2 HGB Gebrauch machen. Der Anhang entfällt bei Kleinst-GmbH, wenn sie die diesbezügliche Befreiung nach § 264 Abs. 1 Satz 5 und Abs. 2 Sätze 4 und 5 HGB nutzen. Hat eine Prüfung stattgefunden, so muss zudem der Prüfungsbericht des Abschlussprüfers vorgelegt werden (Abs. 1 Satz 2). Dies gilt – trotz des scheinbar entgegenstehenden Wortlauts des Gesetzes („Ist der Jahresabschluss durch einen Abschlussprüfer zu prüfen“) – auch im Falle freiwilliger Prüfung.14) Verfügt die Gesellschaft über einen Aufsichtsrat, so ist auch der Bericht über dessen Prüfung vorzulegen (Abs. 1 Satz 3), der sich, sofern er erstellt wurde, auch auf den gesonderten nichtfinanziellen Bericht erstreckt (§ 52 Abs. 1 GmbHG i. V. m. § 171 Abs. 1 Satz 4 AktG).

5

Wegen des engen Zusammenhangs zu der Pflicht, den Jahresabschluss aufzustellen, müssen die Geschäftsführer nicht nur dann, wenn die Gesellschaft über einen Aufsichtsrat verfügt,15) einen Vorschlag zur Ergebnisverwendung machen. Sie sind hierzu vielmehr stets verpflichtet, sofern sie nicht im Gesellschaftsvertrag oder durch einen Beschluss der Gesellschafter befreit sind.16) Die gesonderte Vorlage des Vorschlags ist indes nur dann erforderlich, wenn ausnahmsweise kein Anhang zu erstellen ist, da der Ergebnisverwendungsvorschlag anderenfalls in Letzterem enthalten ist

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_____________ 13) Der ggf. erstellte gesonderte nichtfinanzielle Bericht muss, weil für die Feststellung des Jahresabschlusses und über die Ergebnisverwendung nicht von Bedeutung, nicht vorgelegt werden. 14) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 3; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 42a Rn. 12; Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 42a Rn. 3; Rowedder/SchmidtLeithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42a Rn. 4; Scholz-Crezelius, GmbHG, § 42a Rn. 21; Henssler/ Strohn-Büteröwe, GesR, § 42a GmbHG Rn. 12; Bartl u. a.-Fichtelmann/Schmitt, GmbHG, § 42a Rn. 14. 15) Dann gilt § 52 Abs. 1 GmbHG i. V. m. § 170 Abs. 2 AktG, und auf die letztgenannte Vorschrift verweisen auch die einschlägigen Normen des Mitbestimmungsrechts (s. Fn. 5). 16) Gleichsinnig Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 6; Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 42a Rn. 33; a. A. Kühnberger, DStR 2012, 1149, 1152 f; für obligatorischen Ergebnisverwendungsbeschluss nur im Falle statutarischer Anordnung oder auf der Grundlage eines Gesellschafterbeschlusses Wicke, GmbHG, § 42a Rn. 7; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 42a Rn. 15; Henssler/Strohn-Büteröwe, GesR, § 42a GmbHG Rn. 8; Scholz-Crezelius, GmbHG, § 42a Rn. 16; Rowedder/SchmidtLeithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42a Rn. 2; Achilles/Ensthaler/Schmidt-Schmidt, GmbHG, § 42a Rn. 7; Saenger/Inhester-F. Bayer, GmbHG, § 42a Rn. 15; Gutbrod, GmbHR 1995, 551, 552 f; wohl auch Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 42a Rn. 3; offen Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 42a Rn. 8.

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(§ 285 Nr. 34 HGB).17) Hingegen muss den Gesellschaftern im Hinblick darauf, dass sie mit der Abschlussfeststellung auch über die Ausnutzung bilanzpolitischer Spielräume entscheiden und dabei das Dividendeninteresse der Gesellschafter gegen das wirtschaftliche Interesse der Gesellschaft abzuwägen haben, immer auch eine schriftliche Erklärung zur Bilanzpolitik zugeleitet werden.18) 7

Die Unterlagen sind den Gesellschaftern in ihrer Gesamtheit, d. h. als Organ, vorzulegen. Wie die Vorlage zu erfolgen hat, richtet sich danach, ob sich die Gesellschafter organisiert haben: Haben sie einen Sprecher gewählt oder einen Gesellschafterausschuss gebildet, so ist die Zusendung an den Sprecher bzw. den Ausschussvorsitzenden erforderlich.19) Anderenfalls genügt die Auslage zur Einsichtnahme in den Geschäftsräumen der Gesellschaft, verbunden mit entsprechender Mitteilung an jeden Gesellschafter.20) Der einzelne Gesellschafter darf bei der Einsichtnahme Dritte hinzuziehen, wenn es sich um sachkundige Personen mit beruflicher Schweigepflicht (Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Rechtsanwälte) handelt.21) Er kann zudem verlangen, dass ihm die Unterlagen per E-Mail übersandt oder dass ihm Kopien ausgehändigt werden.22)

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Regelt der Gesellschaftsvertrag die Zuständigkeit zur Feststellung des Jahresabschlusses und zur Entscheidung über die Ergebnisverwendung abweichend (was § 45 Abs. 2 zulässt), sind also nicht die Gesellschafter zuständig, so wird das Bestehen der Vorlagepflicht nach Absatz 1 gegenüber den Gesellschaftern mancherorts verneint; zur Begründung heißt es, diese Pflicht bestehe ausdrücklich nur „zum Zwecke der Feststellung des Jahresabschlusses“, und dem einzelnen Gesellschafter bleibe das Einsichts_____________ 17) Im selben Sinne Rowedder/Schmidt-Leithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42a Rn. 2. 18) A. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 42a Rn. 16; Rowedder/SchmidtLeithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42a Rn. 2; Henssler/Strohn-Büteröwe, GesR, § 42a GmbHG Rn. 8; Kühnberger, DStR 2012, 1149, 1152 f; wie hier hingegen Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 7 und 29; offen Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 42a Rn. 9. 19) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 8; Gehrlein/Born/Simon-Winter/ Marx, GmbHG, § 42a Rn. 38; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 42a Rn. 15. 20) Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 42a Rn. 9; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42a Rn. 14; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 42a Rn. 15; Lutter/HommelhoffKleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 8; Wicke, GmbHG, § 42a Rn. 10; hingegen für Pflicht zur Zusendung der Unterlagen (in Kopie) an die Gesellschafter Henssler/Strohn-Büteröwe, GesR, § 42a GmbHG Rn. 10; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42a Rn. 11; offen BGH, NJW 2015, 2261 = ZIP 2015, 778 Tz. 12. 21) So mit Recht Wicke, GmbHG, § 42a Rn. 10; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, § 42a Rn. 29; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42a Rn. 10; Baumbach/HueckHaas, GmbHG, § 42a Rn. 11; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 8; Achilles/ Ensthaler/Schmidt-Schmidt, GmbHG, § 42a Rn. 12; ausführlich Fleischer in: MünchKommGmbHG, § 42a Rn. 18; großzügiger Scholz-Crezelius, GmbHG, § 42a Rn. 12; Bartl u. a.Fichtelmann/Schmitt, GmbHG, § 42a Rn. 11; Gehrlein/Born/Simon-Winter/Marx, GmbHG, § 42a Rn. 42; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42a Rn. 15: jeder fachkundige Dritte; in dieselbe Richtung (über die GmbH hinaus) Goerdeler in: FS Stimpel, S. 125, 134 ff. 22) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42a Rn. 14, mit dem Hinweis, die Vorlagepflicht nach Absatz 1 könne nicht weniger bedeuten als die Regelung des § 175 Abs. 2 AktG; zum Aushändigungsrecht des einzelnen Gesellschafters ausführlich Lutter/HommelhoffKleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 15 ff; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 42a Rn. 30 ff; Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 42a Rn. 10; gegen ein solches Recht Achilles/ Ensthaler/Schmidt-Schmidt, GmbHG, § 42a Rn. 13.

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Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts

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recht nach § 51a.23) Das kann nicht überzeugen, solange die Gesellschafter die Geschäftsführung jedenfalls zu überwachen haben (§ 46 Nr. 6). Erst wenn auch diese Kompetenz einer anderen Stelle innerhalb der Gesellschaft, etwa einem Beirat, übertragen worden ist, besteht keine Pflicht zur Vorlage nach Absatz 1 gegenüber den Gesellschaftern.24) – Indes folgt aus der Verknüpfung von Vorlagepflicht und Feststellung des Jahresabschlusses in Absatz 1 Satz 1, dass die Stelle, die nach Gesellschaftsvertrag statt der Gesellschafter zur Abschlussfeststellung zuständig ist, selbst stets (zugleich) Adressat aller nach Absatz 1 vorzulegenden Unterlagen sein muss. Nichts anderes gilt mit Blick auf die (möglicherweise) dritte Stelle (z. B. Gesellschafterausschuss), der die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Ergebnisverwendung gesellschaftsvertraglich zugeordnet ist.25) – Die Vorlage an die zur Feststellung des Jahresabschlusses bzw. zur Entscheidung über die Ergebnisverwendung zuständige Stelle erfolgt in derselben Art und Weise wie gegenüber den Gesellschaftern (siehe Rn. 7). 2.

Schuldner der Vorlagepflicht und Sanktionen bei Pflichtverletzung

Zur Vorlage sind die Geschäftsführer verpflichtet, und zwar das Organ als Gesamtheit der Geschäftsführer.26) Damit ist nicht der einzelne Geschäftsführer verpflichtet.27) Dies schließt indes nicht aus, dass ein bestimmter Geschäftsführer mit der Durchführung der zur Vorlage erforderlichen Maßnahmen betraut wird.28) In der Liquidation trifft die Vorlagepflicht die Liquidatoren.29) Bei Insolvenz geht sie auf den Insolvenzverwalter über (§ 155 Abs. 1 Satz 2 InsO).30) _____________ 23) Scholz-Crezelius, GmbHG, § 42a Rn. 7; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42a Rn. 8; Bartl u. a.-Fichtelmann/Schmitt, GmbHG, § 42a Rn. 3 und 5; Ring/GrziwotzWartenburger, GmbHG, § 42a Rn. 4; tendenziell auch Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 42a Rn. 21; Ensthaler/Füller/Schmidt-Schmidt, GmbHG, § 42a Rn. 11. 24) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 9; Bormann/Kauka/Ockelmann-Kauka, Hdb. GmbHR, Kap. 14 Rn. 165; Hommelhoff/Priester, ZGR 1986, 463, 479; sogar stets für Vorlagepflicht gegenüber den Gesellschaftern bei entsprechendem Verlangen Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42a Rn. 32; Saenger/Inhester-F. Bayer, GmbHG, § 42a Rn. 18; Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 42a Rn. 5. 25) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 10; zum Feststellungsorgan wie hier Wicke, GmbHG, § 42a Rn. 10; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42a Rn. 8; Hommelhoff/Priester, ZGR 1986, 463, 479; wohl auch Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42a Rn. 32; ebenso, aber a. A. zum statutarischen Verwendungsorgan ScholzCrezelius, GmbHG, § 42a Rn. 7 ff; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, § 42a Rn. 22; Ensthaler/Füller/Schmidt-Schmidt, GmbHG, § 42a Rn. 11. 26) Wicke, GmbHG, § 42a Rn. 9; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 12; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 42a Rn. 10; Ensthaler/Füller/Schmidt-Schmidt, GmbHG, § 42a Rn. 9; Gehrlein/Born/Simon-Winter/Marx, GmbHG, § 42a Rn. 39; Bormann/ Kauka/Ockelmann-Kauka, Hdb. GmbHR, Kap. 14 Rn. 164. – Zu den Voraussetzungen einer Verweigerung der Vorlage ausführlich Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 23 ff; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42a Rn. 17. 27) A. A. Scholz-Crezelius, GmbHG, § 42a Rn. 5; Gehrlein/Born/Simon-Winter/Marx, GmbHG, § 42a Rn. 39; Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 42a Rn. 4; Bartl u. a.-Fichtelmann/ Schmitt, GmbHG, § 42a Rn. 6. 28) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 12; Saenger/Inhester-F. Bayer, GmbHG, § 42a Rn. 17; Henssler/Strohn-Büteröwe, GesR, § 42a GmbHG Rn. 5. 29) Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 42a Rn. 4; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 42a Rn. 17, beide mit zutreffendem Hinweis auf § 71 Abs. 2 Satz 1; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 42a Rn. 11; Wicke, GmbHG, § 42a Rn. 9. 30) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 42a Rn. 17.

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Die Vorlage hat in jedem Fall unverzüglich zu erfolgen, d. h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 BGB). Fristbeginn ist nach Absatz 1 Satz 1 grundsätzlich die Aufstellung des Jahresabschlusses, d. h. der Abschluss der Aufstellungsarbeiten. Dies bedeutet, dass nicht etwa die für die Aufstellung bestehende Drei- bzw. SechsMonats-Frist (§ 264 Abs. 1 Sätze 3 und 4 HGB) voll ausgeschöpft werden kann.31) Vielmehr haben die Geschäftsführer die zur Vorlage der Unterlagen erforderlichen technischen Maßnahmen (Zusammenstellung, Vervielfältigung, Benachrichtigung etc.) zügig durchzuführen, wofür ein Zeitraum von einer Woche regelmäßig auseichen dürfte.32) Im Falle der Prüfung ist der Eingang des Prüfungsberichts, bei Vorhandensein eines Aufsichtsrats (auch) dessen Bericht abzuwarten (Abs. 1 Sätze 2 und 3). Dass diese(r) Bericht(e) nachzureichen wäre(n), sich die Vorlagefrist also nicht verlängere,33) ist dem Gesetzestext nicht zu entnehmen; vielmehr sind in jedem Fall alle Dokumente zusammen vorzulegen, zumal sie erst in ihrer Gesamtheit eine sachgerechte Information gewährleisten.34) Die Geschäftsführer müssen gegenüber Abschlussprüfer bzw. Aufsichtsrat aber darauf hinwirken, dass die in Absatz 2 für die Feststellung des Jahresabschlusses und für die Beschlussfassung über die Ergebnisverwendung zwingend vorgegebene Frist eingehalten werden kann.35)

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Bei Nichtbeachtung der Vorlagepflicht können die Gesellschafter die Geschäftsführer gemäß § 37 Abs. 1 zur Vorlage anweisen. Ob sie die Vorlage ggf. mittels Auskunftserzwingungsverfahrens entsprechend § 51b oder im Wege der Leistungsklage durchsetzen können, ist umstritten.36) Die für die Praxis im Grunde nicht relevante Frage37) ist zugunsten der Leistungsklage zu beantworten; denn § 42a Abs. 1 regelt die Pflicht eines Gesellschaftsorgans gegenüber einem anderen, sodass im Konfliktfall ein Organstreit vorliegt, nicht das Individualbegehren eines einzelnen Gesellschaf_____________ 31) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42a Rn. 16. 32) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42a Rn. 6; vergleichbar Saenger/InhesterF. Bayer, GmbHG, § 42a Rn. 21: fünf bis zehn Werktage; Heybrock-Moeder/Theiselmann, GmbHG, § 42a Rn. 4; Gehrlein/Born/Simon-Winter/Marx, GmbHG, § 42a Rn. 43: ein bis zwei Wochen; großzügiger Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 13; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 42a Rn. 26; Henssler/Strohn-Büteröwe, GesR, § 42a GmbHG Rn. 9: zwei Wochen; offen Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 42a Rn. 7; Wicke, GmbHG, § 42a Rn. 9. 33) So Baumbach/Hueck-Schulze-Osterloh, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 42a Rn. 7; mit Blick auf den Bericht des Aufsichtsrats für vorherige Zuleitung von Abschriften aller anderen Unterlagen Rowedder/Schmidt-Leithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42a Rn. 5. 34) Allg. M.; statt vieler Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42a Rn. 13; Lutter/ Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 4; Scholz-Crezelius, GmbHG, § 42a Rn. 28; Ensthaler/Füller/Schmidt-Schmidt, GmbHG, § 42a Rn. 8. 35) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42a Rn. 16 a. E. 36) Für Auskunftserzwingungsverfahren Scholz-Crezelius, GmbHG, § 42a Rn. 19; für Leistungsklage LG München I, GmbHR 2005, 937 f; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 14; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 42a Rn. 19; Henssler/Strohn-Büteröwe, GesR, § 42a GmbHG Rn. 9; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 42a Rn. 27; Bartl u. a.-Fichtelmann/Schmitt, GmbHG, § 42a Rn. 4; offen Wicke, GmbHG, § 42a Rn. 9. 37) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42a Rn. 18, mit Hinweis auf die Möglichkeit der sofortigen Abberufung von Geschäftsführern, die einer Gesellschafterweisung nicht nachkommen; in dieselbe Richtung Rowedder/Schmidt-Leithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42a Rn. 13; Ring/Grziwotz-Wartenburger, GmbHG, § 42a Rn. 5.

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ters.38) Geht es hingegen tatsächlich um einen einzelnen Gesellschafter, dem die Aushändigung von Unterlagen zur Rechnungslegung zu Unrecht verweigert wird, so kann dieser entsprechend § 51b vorgehen.39) III. Feststellungs- und Ergebnisverwendungsbeschluss der Gesellschafter (Abs. 2) 1.

Beschlussgegenstände

Es ist Aufgabe der Gesellschafter (oder der im Gesellschaftsvertrag bestimmten anderen Stelle)40), über die Feststellung des Jahresabschlusses und über die Ergebnisverwendung zu beschließen. Dabei handelt es sich um zwei verschiedene und daher voneinander zu trennende Beschlussgegenstände: Feststellung bedeutet Anerkennung der Richtigkeit des von den Geschäftsführern aufgestellten Jahresabschlusses mit der Folge, dass letzterer im Innenverhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft sowie der Gesellschafter untereinander rechtsverbindlich wird.41) Ergebnisverwendung heißt verbindliche Festlegung dahingehend, wie der festgestellte Gewinn verwendet wird (Ausschüttung an die Gesellschafter; Einstellung in Gewinnrücklagen; Bildung eines Gewinnvortrags; Verrechnung mit einem Anspruch der Gesellschaft aus der Vorbelastungshaftung; Ausweis eines aufgrund des Beschlusses entstehenden Aufwands oder Ertrags).42) Weil beide Gegenstände funktional zusammenhängen, werden die beiden Beschlüsse, die bei der GmbH (anders als bei der AG) grundsätzlich in die Kompetenz desselben Organs fallen, in der Praxis häufig gemeinsam gefasst,43) wogegen keine Bedenken bestehen.44) Jedenfalls ist die Feststellung des Jahresabschlusses Voraussetzung für die Ergebnisverwendung, sodass über letztere nicht vor der Abschlussfeststellung entscheiden werden kann; anderenfalls ist der Verwendungsbeschluss unwirksam.45)

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Die Feststellung bezieht sich nur auf die Bilanz, die GuV-Rechnung sowie den Anhang als die Bestandteile des Jahresabschlusses, nicht aber auf den Lagebericht. Die Gesellschafter können freilich kraft ihres Weisungsrechts (§ 37 Abs. 1) auch auf den Inhalt des Lageberichts Einfluss nehmen, solange die Weisungen nicht ihrem

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_____________ 38) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 12 und 14. 39) Gehrlein/Born/Simon-Winter/Marx, GmbHG, § 42a Rn. 45; Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 42a Rn. 13; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 27. 40) Dazu ausführlich Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 42a Rn. 24. 41) BGH, ZIP 2009, 1111 Tz. 15; dazu EWiR 2009, 539 (Schult/Wahl); Baumbach/HueckHaas, GmbHG, § 42a Rn. 14; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42a Rn. 63; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 1; Henssler/Strohn-Büteröwe, GesR, § 42a GmbHG Rn. 16; vgl. auch Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42a Rn. 30. 42) Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 42a Rn. 36; ebenso mit Ausnahme des Ausweises eines Aufwands oder Ertrags Rowedder/Schmidt-Leithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42a Rn. 89; Henssler/Strohn-Büteröwe, GesR, § 42a GmbHG Rn. 21; Einzelheiten in der Kommentierung zu § 29 [Witt]. 43) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 28; Saenger/Inhester-F. Bayer, GmbHG, § 42a Rn. 23. 44) BFH/NV 2007, 1925 = GmbHR 2007, 1058. 45) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 28; Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 42a Rn. 37.

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Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts

Inhalt nach gegen die einschlägigen Rechnungslegungsvorschriften verstoßen.46) Nichts anderes muss mit Blick auf den gesonderten nichtfinanziellen Bericht gelten (zur CSR-Berichterstattung nach §§ 289b ff. HGB, zu der der gesonderte nichtfinanzielle Bericht als Alternative zur nichtfinanziellen Erklärung gehört, die eine Erweiterung des Lagerberichts darstellt, siehe § 41 Rn. 6 [Witt]). 14

Bei der Feststellung des Jahresabschlusses sind die Gesellschafter nicht an die von den Geschäftsführern aufgestellte Vorlage gebunden.47) Allerdings müssen sie bei Abänderung des aufgestellten Jahresabschlusses die Vorschriften beachten, wie sie auch schon für die Aufstellung gelten (Abs. 2 Satz 3). Die Feststellung kann aber – etwa in Verfolgung einer abweichenden bilanzpolitischen Linie – Wahlrechte und Ermessensspielräume anders wahrnehmen; außerdem können Bilanzansätze korrigiert werden, und wertaufhellende Umstände, die erst nach Aufstellung des Jahresabschlusses bekannt geworden sind, können Berücksichtigung finden. Indes hat, und das spricht für eine frühzeitige Erörterung mit den Geschäftsführern und ggf. für eine Weisung ihnen gegenüber, im Falle der Abänderung des vorgelegten Jahresabschlusses bei prüfungspflichtigen GmbH eine erneute Abschlussprüfung stattzufinden (§ 316 Abs. 3 HGB).48) – Der unter Abänderungen festgestellte Jahresabschluss muss, falls die aufgestellte Fassung nach § 325 Abs. 1 Satz 2 HGB beim elektronischen Bundesanzeiger eingereicht worden ist, ebenfalls dort eingereicht und bekannt gemacht werden (§ 325 Abs. 1b Satz 1 und Abs. 2 HGB). 2.

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Verfahren

Für die Beschlüsse der Gesellschafter über die Feststellung des Jahresabschlusses und über die Ergebnisverwendung gelten die §§ 47 ff. Die einfache Mehrheit der Kapitalanteile reicht also grundsätzlich aus (§ 47 Abs. 1 und 2), und nach Maßgabe des § 48 Abs. 2 ist Beschlussfassung außerhalb einer Versammlung im sog. Umlaufverfahren möglich. Letzteres setzt aber voraus, dass die nach Absatz 1 vorzulegenden Unterlagen den einzelnen Gesellschaftern vorab ausgehändigt worden sind; anderenfalls ist ein solcher Beschluss anfechtbar.49) Dass die Geschäftsführer gehalten sind, den Gesellschaftern die nach Absatz 1 vorgelegten Unterlagen zur Vorbereitung ihrer Beschlüsse zu erläutern, wird vereinzelt bestritten,50) überwiegend aber mit Recht bejaht.51) _____________ 46) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 42a Rn. 22; Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 42a Rn. 18; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 42a Rn. 34; Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 42a Rn. 34; Scholz-Crezelius, GmbHG, § 42a Rn. 38; Lutter/ Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 30, Letztere beide auch mit dem Hinweis, ein die Geschäftsführer bindendes Gebot, den Lagebericht nur mit Zustimmung der Gesellschafter zu veröffentlichen, sei nur bei entsprechender gesellschaftsvertraglicher Anordnung oder Gesellschafterweisung anzuerkennen. 47) Gutbrod, GmbHR 1995, 551, 554. 48) Zu alledem Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 44 f; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 42a Rn. 23; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42a Rn. 36; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 42a Rn. 38 f; Henssler/StrohnBüteröwe, GesR, § 42a GmbHG Rn. 20; Wicke, GmbHG, § 42a Rn. 11; Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rn. 13a. 49) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 34. 50) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42a Rn. 68. 51) Saenger/Inhester-F. Bayer, GmbHG, § 42a Rn. 16; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 33; Hommelhoff, ZGR 1986, 418, 423.

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Beide Beschlüsse müssen innerhalb von acht Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres gefasst werden; bei kleinen GmbH i. S. d. § 267 Abs. 1 HGB, aber auch bei Kleinst-GmbH i. S. d. § 267a Abs. 1 und 3 HGB (zu diesen Begriffen sowie zur Geltung der sie betreffenden Änderungen im Zuge des BilRUG vom 17.7.2015 siehe § 41 Rn. 6 Fn. 19 und 20 [Witt])52) beträgt die Frist elf Monate (Abs. 2 Satz 1). Beide Fristen können im Gesellschaftsvertrag nicht verlängert (Abs. 2 Satz 2), wohl aber verkürzt werden.53) Ihre Einhaltung muss bereits bei der Bestimmung des Zeitpunkts für die Ladung der Gesellschafter sichergestellt werden.54) – Die Nichtbeachtung der Frist, die voll ausgeschöpft werden kann,55) zieht keine Sanktionen nach sich (weder Nichtigkeit noch Anfechtbarkeit des betreffenden Beschlusses); geht mit ihr allerdings eine Verzögerung der Offenlegung nach § 325 HGB einher, so können sich daraus Sanktionen, namentlich die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 335 HGB, ergeben.56) Der Ergebnisverwendungsbeschluss kann nach Ablauf der Frist des Absatzes 2 vom einzelnen Gesellschafter im Klageweg erzwungen werden (ausführlich dazu siehe § 29 Rn. 15 ff [Witt]).

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Für Verstöße der Beschlüsse über die Feststellung des Jahresabschlusses und über die Ergebnisverwendung gegen Gesetz und Gesellschaftsvertrag gelten die allgemeinen Regeln über nichtige und anfechtbare Gesellschafterbeschlüsse.57) Vor dem Hintergrund, dass die Gesellschafter den Jahresabschluss feststellen (und nicht wie bei der AG die Verwaltung) und ihnen kein Recht auf Sonderprüfung zusteht, findet § 257 Abs. 1 Satz 2 AktG, nach dem die Anfechtung der Feststellung des Jahresabschlusses nicht darauf gestützt werden kann, dass dessen Inhalt gegen Gesetz oder Satzung verstoße, auf die GmbH nach allgemeiner Ansicht keine entsprechende Anwendung.58)

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_____________ 52) Während die für kleine GmbH vorgesehenen besonderen Regelungen des HGB für KleinstGmbH nur insoweit entsprechend gelten, als nichts anderes geregelt ist (§ 267a Abs. 2 HGB), müssen die außerhalb des HGB zu findenden Sonderregelungen für Kleinst-GmbH uneingeschränkt Geltung finden. 53) Allg. M.; vgl. nur Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 42a Rn. 19 und 38 (mit Hinweis auf Grenze der Verkürzung); Scholz-Crezelius, GmbHG, § 42a Rn. 44 f; Rowedder/SchmidtLeithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42a Rn. 69; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 42a Rn. 26; Wicke, GmbHG, § 42a Rn. 11; Ensthaler/Füller/Schmidt-Schmidt, GmbHG, § 42a Rn. 15; Bormann/Kauka/Ockelmann-Kauka, Hdb. GmbHR, Kap. 14 Rn. 176. 54) Zur Ladungsfrist LG Saarbrücken, GmbHR 2010, 762, 764; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42a Rn. 35; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 31. 55) So mit Recht Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 31. 56) Sagasser, DB 1986, 2251; Saenger/Inhester-F. Bayer, GmbHG, § 42a Rn. 27 und 37; Gehrlein/ Born/Simon-Winter/Marx, GmbHG, § 42a Rn. 55; näher dazu Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42a Rn. 39 und 50 f. 57) Einzelheiten bei Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 42a Rn. 24 ff und 41; Baumbach/ Hueck-Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 43 ff; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42a Rn. 77ff und 94 f; außerdem Lutter/Hommelhoff-W. Bayer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 24 und 57 f. 58) BGH, ZIP 2008, 1818 Tz. 14; BGHZ 137, 378, 386 = ZIP 1998, 467, 470; KG Berlin, NZG 2001, 845, 846; Mueller-Thuns, Gewinnbezugsrecht und bilanzpolitische Gestaltungsmöglichkeiten in der GmbH, 1989, S. 124; Lutter/Hommelhoff-W. Bayer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 57; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42a Rn. 38; Ulmer/Habersack/LöbbeRaiser, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 143; Henssler/Strohn-Büteröwe, GesR, § 42a GmbHG Rn. 28; Brete/Thomsen, GmbHR 2008, 176, 177; zurückhaltend Baumbach/Hueck-Zöllner, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 109.

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Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts

Die Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses hat analog § 253 Abs. 1 AktG stets die Nichtigkeit des Ergebnisverwendungsbeschlusses zur Folge; umgekehrt lässt die (auf Anfechtung folgende) Kassation des Verwendungsbeschlusses den zugehörigen Jahresabschluss und dessen Feststellung (nicht aber den Jahresabschluss des nachfolgenden Geschäftsjahres) unberührt.59) IV. Teilnahmepflicht des Abschlussprüfers auf Verlangen eines Gesellschafters (Abs. 3) 18

Nach Absatz 3 kann jeder Gesellschafter verlangen, dass der Abschlussprüfer, der den Jahresabschluss der Gesellschaft geprüft hat,60) an den Verhandlungen der Gesellschafter über die Feststellung des Jahresabschlusses teilnimmt. Bei diesem Recht, das auch im Falle freiwilliger Prüfungen besteht,61) handelt es sich um ein Individualrecht des einzelnen Gesellschafters, das im Gesellschaftsvertrag weder beschränkt noch beseitigt werden kann, auch nicht im Falle eines einstimmigen Beschlusses der Gesellschafter.62) Hingegen kann statutarisch bestimmt werden, dass der Prüfer unabhängig von einem Gesellschafterverlangen stets anwesend sein muss.63) – Das Recht des Gesellschafters nach Absatz 3 besteht auch in dem Fall, dass die Zuständigkeit zur Abschlussfeststellung einer anderen Stelle innerhalb der Gesellschaft übertragen worden ist; denn die Erörterung der Rechnungslegung ist stets wesentlicher Aspekt der Rechenschaft, welche die Geschäftsführer den Gesellschaftern schulden.64) Zugleich hat in einem solchen Fall allerdings auch jedes Mitglied des für die Feststellung zuständigen Organs das Recht aus Absatz 3.65)

_____________ 59) Zu Ersterem BFH, DStR 2007, 193, 194; Wicke, GmbHG, § 29 Rn. 16; Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 42a Rn. 37; zu Letzerem Hommelhoff, GmbHR 2010, 1328, 1332. 60) Bei Prüfungsgesellschaften ist dies der verantwortliche Prüfungsleiter (Baumbach/HueckHaas, GmbHG, § 42a Rn. 44; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 36). 61) So mit Recht Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 42a Rn. 42; Lutter/HommelhoffKleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 38; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42a Rn. 99; Scholz-Crezelius, GmbHG, § 42a Rn. 47; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 42a Rn. 44; Ring/Grziwotz-Wartenburger, GmbHG, § 42a Rn. 18; Bartl u. a.-Fichtelmann/ Schmitt, GmbHG, § 42a Rn. 71; Ensthaler/Füller/Schmidt-Schmidt, GmbHG, § 42a Rn. 16; Hommelhoff/Priester, ZGR 1986, 463, 496. 62) So aber Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 42a Rn. 45; Fleischer in: MünchKommGmbHG, § 42a Rn. 36; Ensthaler/Füller/Schmidt-Schmidt, GmbHG, § 42a Rn. 20; Gehrlein/ Born/Simon-Winter/Marx, GmbHG, § 42a Rn. 62; Hommelhoff/Priester, ZGR 1986, 463, 496; zweifelnd Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 37; wie hier hingegen Scholz-Crezelius, GmbHG, § 42a Rn. 48; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42a Rn. 99; Saenger/Inhester-F. Bayer, GmbHG, § 42a Rn. 41; offen Baumbach/HueckHaas, GmbHG, § 42a Rn. 42. 63) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 42a Rn. 36; Hommelhoff/Priester, ZGR 1986, 463, 496. 64) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 37; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 42a Rn. 36; wohl auch Wicke, GmbHG, § 42a Rn. 12; a. A. Rowedder/Schmidt-LeithoffTiedchen, GmbHG, § 42a Rn. 102; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 42a Rn. 46. 65) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, § 42a Rn. 46; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42a Rn. 102; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 36; ScholzCrezelius, GmbHG, § 42a Rn. 50; Heybrock-Moeder/Theiselmann, GmbHG, § 42a Rn. 8.

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Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts

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Das Verlangen ist weder form- noch fristgebunden, muss aber so rechtzeitig erfolgen, dass dem Prüfer eine Teilnahme noch möglich und zumutbar ist.66) Es kann auch noch in der laufenden Gesellschafterversammlung gestellt werden, die dann ggf. zu vertagen ist.67) Der Gesellschafter hat es nicht direkt an den Abschlussprüfer,68) sondern an die Geschäftsführer zu richten, die den Prüfer sodann unverzüglich zur Gesellschafterversammlung laden müssen.69) Der Prüfer ist dann zur Teilnahme an der Versammlung70) verpflichtet.71) Dies bezieht sich indes nur auf den Tagesordnungspunkt „Feststellung des Jahresabschlusses“, nicht hingegen auf den Beratungsgegenstand „Ergebnisverwendung“. Zwar ist wegen des engen Sachzusammenhangs auch diesbezüglich eine Teilnahme des Prüfers sinnvoll; sie kann jedoch angesichts des entgegenstehenden Wortlauts des Gesetzes nicht erzwungen werden.72)

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In der Gesellschafterversammlung (und nur dort)73) muss der Abschlussprüfer den Gesellschaftern – und zwar dem Organ, also allen Gesellschaftern, auch denen, die kein Teilnahmeverlangen geltend gemacht haben – Rede und Antwort stehen, soweit dies der Erläuterung oder Ergänzung des Prüfungsberichts dient; die Auskunfts-

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_____________ 66) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42a Rn. 25; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 42a Rn. 37. 67) Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 42a Rn. 44; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 39; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 42a Rn. 49; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 42a Rn. 37; Ensthaler/Füller/Schmidt-Schmidt, GmbHG, § 42a Rn. 17. 68) So Scholz-Crezelius, GmbHG, § 42a Rn. 50a; Bartl u. a.-Fichtelmann/Schmitt, GmbHG, § 42a Rn. 74. 69) Hartmann, Das neue Bilanzrecht und der Gesellschaftsvertrag der GmbH, S. 185; Rowedder/ Schmidt-Leithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42a Rn. 101; Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 42a Rn. 43; Wicke, GmbHG, § 42a Rn. 12; Ensthaler/Füller/Schmidt-Schmidt, GmbHG, § 42a Rn. 17; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 42a Rn. 37; Ulmer/Habersack/LöbbePaefgen, GmbHG, § 42a Rn. 48; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 39, letztere drei auch mit dem Hinweis, dass in dem Teilnahmeverlangen, falls sich alle Gesellschafter zuvor mit einer Beschlussfassung im Umlaufverfahren (§ 48 Abs. 2) einverstanden erklärt haben, zugleich der Widerruf dieses Einverständnisses seitens des Verlangenden zu sehen ist (sodass zur Gesellschafterversammlung geladen werden muss). 70) In GmbH, die über einen Aufsichtsrat verfügen, hat der Abschlussprüfer nach § 52 Abs. 1 bzw. den einschlägigen Normen des Mitbestimmungsrechts (s. Fn. 5), jeweils i. V. m. § 171 Abs. 1 Satz 2 AktG, schon an den Sitzungen des Aufsichtsrats teilzunehmen, wenn und soweit dort über den Jahresabschluss verhandelt wird. 71) Zu Sanktionen für den Fall, dass der Prüfer die Teilnahme verweigert, Lutter/HommelhoffKleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 42; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Tiedchen, GmbH, § 42a Rn. 103; Scholz-Crezelius, GmbHG, § 42a Rn. 54a; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 42a Rn. 52 ff; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 42a Rn. 39. 72) Wicke, GmbHG, § 42a Rn. 12; Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 42a Rn. 44; Lutter/ Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 37; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42a Rn. 27; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42a Rn. 98; Scholz-Crezelius, GmbHG, § 42a Rn. 53. 73) Außerhalb der Gesellschafterversammlung ist der Prüfer nur den Geschäftsführern verpflichtet; werden sie mit dem Auskunftsbegehren eines einzelnen Gesellschafters konfrontiert (§ 51a), so müssen die Geschäftsführer die betreffende Frage an den Prüfer weiterleiten (Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 40).

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§ 42a

Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts

pflicht ist also in ihrem Umfang durch die Prüfungsaufgabe beschränkt.74) Ein (eigenes) Auskunftsverweigerungsrecht hat der Prüfer nur, soweit die an ihn gerichteten Fragen die Interessen Dritter berühren; insoweit kann und muss er die Auskunft nach § 323 Abs. 1 HGB verweigern.75) Indes kann ihm die Gesellschafterversammlung durch Beschluss, für den der fragende Gesellschafter kein Stimmrecht hat, eine konkrete Auskunft untersagen, wenn zu besorgen ist, dass der betreffende Gesellschafter die erlangte Information zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden und so der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen wird; insofern gilt § 51a Abs. 2 analog.76) V. Sonderfälle (Abs. 4) 1. 21

Zur Konzernrechnungslegung verpflichtete Gesellschaften

Die Regeln der Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend, wenn die GmbH ein Mutterunternehmen ist, das (nach Maßgabe der §§ 290 ff HGB)77) zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts verpflichtet ist. Dies bedeutet zuvörderst, dass beide Dokumente, außerdem auch der Prüfungsbericht des Abschlussprüfers78) und ggf. derjenige des Aufsichtsrats,79) den Gesellschaftern in der

_____________ 74) Scholz-Crezelius, GmbHG, § 42a Rn. 52; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42a Rn. 104; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 42a Rn. 38; Lutter/HommelhoffKleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 40; Wicke, GmbHG, § 42a Rn. 12; Heybrock-Moeder/ Theiselmann, GmbHG, § 42a Rn. 9; Ensthaler/Füller/Schmidt-Schmidt, GmbHG, § 42a Rn. 18; Saenger/Inhester-F. Bayer, GmbHG, § 42a Rn. 42; Hommelhoff/Priester, ZGR 1986, 463, 496; Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 42a Rn. 45; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 42a Rn. 50 f, die beiden letzteren mit dem Hinweis, dass der Prüfer die Auskunft auf Fragen verweigern kann und muss, die sich auf Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse außerhalb seines Prüfungsauftrags beziehen. 75) Ring/Grziwotz-Wartenburger, GmbHG, § 42a Rn. 19; Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 42a Rn. 45. 76) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 41 (mit Recht ein Untersagungsrecht des Geschäftsführers verneinend); Wicke, GmbHG, § 42a Rn. 12; Rowedder/SchmidtLeithoff-Tiedchen, GmbHG, § 42a Rn. 104; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 42a Rn. 38; Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 42a Rn. 45; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 42a Rn. 51; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42a Rn. 28; HeybrockMoeder/Theiselmann, GmbHG, § 42a Rn. 9; Ensthaler/Füller/Schmidt-Schmidt, GmbHG, § 42a Rn. 18; Saenger/Inhester-F. Bayer, GmbHG, § 42a Rn. 42; Ring/Grziwotz-Wartenburger, GmbHG, § 42a Rn. 19; Gehrlein/Born/Simon-Winter/Marx, GmbHG, § 42a Rn. 64; a. A. Scholz-Crezelius, GmbHG, § 42a Rn. 54 (eigenes Auskunftsverweigerungsrecht des Abschlussprüfers analog § 51a Abs. 2). 77) Diese in der Fassung des BilMoG v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102; zur diesbezüglichen Neufassung Küting/Seel, DStR Beihefter Heft 26/2009, S. 37; Lüdenbach/Freiberg, BB 2009, 1230; Ernst/Seidler, BB 2009, 766, 768; Petersen/Zwirner, StuB 2009, 335; SchurbohmEbneth/Zoeger, DB Beilage Heft 23/2009, S. 53; zu den nachfolgenden Änderungen der §§ 290 ff HGB im Zuge des BilRUG v. 17.7.2015 (BGBl. I 2015, 1245) Lüdenbach/Freiberg, BB 2015, 363, 366 f (zum RegE). 78) Zu dessen Bestellung § 318 Abs. 1 und 2 HGB; außerdem § 52 Abs. 1 GmbHG i. V. m. § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG. 79) Zur Prüfungspflicht des Aufsichtsrats § 52 Abs. 1 GmbHG bzw. die einschlägigen Normen des Mitbestimmungsrechts (s. Fn. 5), jeweils i. V. m. § 171 Abs. 1 AktG.

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Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts

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von Absatz 1 vorgegebenen Weise (zusammen, nicht etwa sukzessive)80) vorzulegen sind.81) Bei der analogen Anwendung des Absatzes 2 tritt an die Stelle der Feststellung des Jahresabschlusses die (seit dem TransPuG82) erforderliche) förmliche Billigung des Konzernabschlusses. Die unterschiedliche Begrifflichkeit, die insbesondere in § 316 Abs. 2 Satz 2 HGB gegenüber Absatz 1 Satz 2 derselben Vorschrift und in § 46 Nr. 1b gegenüber Nr. 1 Ausdruck findet, verdeutlicht, dass dem Konzernabschluss nur eine Informationsfunktion zukommt und sonstige Rechtsfolgen mit ihm nicht verbunden sind.83) Daher gibt es keinen Beschluss über die Ergebnisverwendung. Der Konzernabschluss84) kann von den Gesellschaftern (oder der sonst berufenen Stelle)85) auch in einer abweichenden Fassung gebilligt werden.86) Dann sind sie nach Absatz 4 Satz 1 i. V. m. Absatz 2 Satz 3 indes an die gesetzlichen Normen zur Aufstellung des Konzernabschlusses (§§ 290 ff HGB) gebunden, und es muss eine erneute Abschlussprüfung stattfinden (§ 316 Abs. 3 HGB).87) Kommt es zu gar keiner Billigung, so bleibt dies angesichts der bloßen Informationsfunktion des Konzernabschlusses ohne Sanktion.88)

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Der Abschlussprüfer ist auf Verlangen eines Gesellschafters zur Teilnahme an der Gesellschafterversammlung verpflichtet, soweit diese über den Tagesordnungspunkt „Billigung des Konzernabschlusses“ berät. Absatz 3 gilt insofern entsprechend (siehe Rn. 18 bis 20).

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_____________ 80) Die Unterlagen, die den Konzernabschluss betreffen, sind indes gegenüber den Unterlagen, die nach Absatz 1 vorzulegen sind (Jahresabschluss usw.), ggf. nachzureichen (Baumbach/ Hueck-Schulze-Osterloh, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 42a Rn. 7). 81) Nicht vorzulegen sind die Einzelabschlüsse der in den Konzernabschluss einbezogenen Tochterunternehmen (Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 5). 82) Vom 19.7.2002, BGBl. I 2002, 2681; zur erstmaligen Anwendung des Absatzes 4 Satz 1 in der heute geltenden Fassung Art. 2 EGGmbHG. 83) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 48; Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 42a Rn. 47; Scholz-Crezelius, GmbHG, § 42a Rn. 57; Saenger/Inhester-F. Bayer, GmbHG, § 42a Rn. 45; Gehrlein/Born/Simon-Winter/Marx, GmbHG, § 42a Rn. 67; hingegen auch beim Konzernabschluss von Feststellung sprechend Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42a Rn. 52 und § 46 Rn. 13. 84) Zur Einflussnahme der Gesellschafter auf den Konzernlagebericht siehe Rn. 13. 85) §§ 46 Nr. 1b, 45 Abs. 2. 86) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 42a Rn. 41 m. w. N.; Theile, GmbHR 2002, 231, 234. 87) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 42a Rn. 56; Henssler/Strohn-Büteröwe, GesR, § 42a GmbHG Rn. 33; Baumbach/Hueck-Schulze-Osterloh, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 42a Rn. 51; Scholz-Crezelius, GmbHG, § 42a Rn. 57; Saenger/Inhester-F. Bayer, GmbHG, § 42a Rn. 45; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 42a Rn. 53; Lutter/HommelhoffKleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 48, Letztere beide auch mit Hinweis auf die ggf. nach § 325 Abs. 3 HGB erforderliche Offenlegung des unter Abänderungen gebilligten Konzernabschlusses. 88) Theile, GmbHR 2002, 231, 234; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 48; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 42a Rn. 41.

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§ 43 2.

Haftung der Geschäftsführer

Gesellschaften mit IAS/IFRS-Einzelabschluss

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Die Regeln der Absätze 1 bis 3 gelten auch entsprechend, wenn die Gesellschafter, deren diesbezügliche (dispositive) Zuständigkeit aus § 46 Nr. 1a folgt, die – befreiende89) – Offenlegung eines IAS/IFRS-Einzelabschlusses (§ 325 Abs. 2a HGB) beschlossen haben. Dieser Abschluss muss also den Gesellschaftern in der von Absatz 1 vorgegebenen Weise vorgelegt werden.90) Die Geschäftsführer können ihn gegenüber den Unterlagen, die auch in einem solchen Fall aufgestellt werden müssen und nach Absatz 1 vorzulegen sind (Jahresabschluss usw.), ggf. nachreichen.91)

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Der zur Offenlegung vorgesehene IAS/IFRS-Einzelabschlusses bedarf der Billigung analog Absatz 2.92) Die fehlende Billigung bleibt indes ohne Sanktion, weil dem Abschluss allein Informationsfunktion zukommt. Daher gibt es auch keinen Beschluss über die Ergebnisverwendung. – Der Abschlussprüfer ist auf Verlangen eines Gesellschafters zur Teilnahme an der Gesellschafterversammlung verpflichtet, soweit diese über den Tagesordnungspunkt „Billigung des IAS/IFRS-Einzelabschlusses“ berät. Absatz 3 ist insofern entsprechend anzuwenden (siehe Rn. 18 bis 20). _____________ 89) Die Befreiung von der Pflicht, den HGB-Jahresabschluss nach § 325 Abs. 2 HGB im elektronischen Bundesanzeiger bekannt zu machen, tritt freilich nur unter den Voraussetzungen des § 325 Abs. 2b HGB ein; insbesondere bleibt die Verpflichtung unberührt, den HGB-Jahresabschluss beim elektronischen Bundesanzeiger einzureichen (§ 325 Abs. 2b Nr. 3 HGB). 90) Gleichsinnig Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 42a Rn. 42. 91) So mit Recht Baumbach/Hueck-Schulze-Osterloh, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 42a Rn. 7. 92) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 42a Rn. 53; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 42a Rn. 42.

§ 43 Haftung der Geschäftsführer Lars Klöhn (1) Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. (2) Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden. (3) 1Insbesondere sind sie zum Ersatz verpflichtet, wenn den Bestimmungen des § 30 zuwider Zahlungen aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft gemacht oder den Bestimmungen des § 33 zuwider eigene Geschäftsanteile der Gesellschaft erworben worden sind. 2Auf den Ersatzanspruch finden die Bestimmungen in § 9b Abs. 1 entsprechende Anwendung. 3Soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist, wird die Verpflichtung der Geschäftsführer dadurch nicht aufgehoben, daß dieselben in Befolgung eines Beschlusses der Gesellschafter gehandelt haben. (4) Die Ansprüche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen verjähren in fünf Jahren.

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§ 43

Haftung der Geschäftsführer

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Haftung der Geschäftsführer

Anfechtung gegen Krankenkassen? § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV n. F. – ein Scheinriese!, ZIP 2008, 901; Brödermann, Risikomanagement in der internationalen Vertragsgestaltung, NJW 2012, 971; Brox/Walker, Die Einschränkung der Arbeitnehmerhaftung gegenüber dem Arbeitgeber, DB 1985, 1469; Brüggemeier, Organisationshaftung, AcP 191 (1991), 33; Buck-Heeb, Die Haftung von Mitgliedern des Leitungsorgans bei unklarer Rechtslage, BB 2013, 2247; Bunting, Konzernweite Compliance – Pflicht oder Kür?, ZIP 2012, 1542; Bunz, Die Business Judgment Rule bei Interessenkonflikten im Kollegialorgan, NZG 2011, 1294; Burgard, Die Förder- und Treupflicht des Alleingesellschafters einer GmbH, ZIP 2002, 827; Burgard, Garantie- und Verschuldenshaftung von Mitgesellschaftern einer GmbH, NZG 2002, 606; Burgard/Heimann, Haftungsrisiken des Alleingesellschafter-Geschäftsführers einer Ein-Personen-GmbH, NZG 2018, 601; Buyer, Die verdeckte Gewinnausschüttung bei Verletzung des Wettbewerbsverbots durch den GesellschafterGeschäftsführer oder den Nur-Gesellschafter einer GmbH, BB 1993, 2057; Cahn, Ausfallhaftung des GmbH-Gesellschafters, ZGR 2003, 298; Cahn, Die Haftung des GmbHGeschäftsführers für die Zahlung von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung, ZGR 1998, 367; Canaris, Die Rückgewähr von Gesellschaftereinlagen durch Zuwendung an Dritte, in: Festschrift für Robert Fischer, 1979, S. 31; Cichy/Cziupka, ComplianceVerantwortung der Geschäftsleiter bei Unternehmenstätigkeiten mit Auslandsbezug, BB 2014, 1482; Deilmann/Otte, Verteidigung ausgeschiedener Organmitglieder gegen Schadensersatzklagen – Zugang zu Unterlagen der Gesellschaft, BB 2011, 1291; Dollmann, Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen Geschäftsführer und Vorstände beim Abschluss nachteiliger Verträge, GmbHR 2005, 529; Dreher, Nicht delegierbare Geschäftsleiterpflichten, in: Festschrift für Klaus J. Hopt, Bd. I, 2010, S. 517; Dreher, Die kartellrechtliche Bußgeldverantwortlichkeit von Vorstandsmitgliedern, Vorstandshandeln zwischen aktienrechtlichem Legalitätsprinzip und kartellrechtlicher Unsicherheit, in: Festschrift für Horst Konzen, 2006, S. 85; Druey, Standardisierung der Sorgfaltspflicht? Fragen zur Business Judgment Rule, in: Festschrift für Wulf Goette, 2011, S. 57; T. Drygala, Die Pflicht des Managements zur Vermeidung existenzgefährdender Risiken, in: Festschrift für Klaus J. Hopt, Bd. I, 2010, S. 541; T. Drygala/A. Drygala, Wer braucht ein Frühwarnsystem?, ZIP 2000, 297; Ebenroth/Kemmer/Willburger, Die Auswirkungen des genuinelink Grundsatzes auf die Anerkennung US-amerikanischer Gesellschaften in Deutschland, ZIP 1995, 972; Ebenroth/Lange, Sorgfaltspflichten und Haftung des Geschäftsführers einer GmbH nach § 43 GmbHG, GmbHR 1992, 69; Ebert, Folgepflicht und Haftung des GmbH-Geschäftsführers beim Erhalt und bei der Ausführung von Weisungen, GmbHR 2003, 444; v. Einem, Haftung des GmbH-Geschäftsführers für nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge, BB 1986, 2261; Engels/Dahl, Aktuelle Entscheidungen des BFH zur Haftung des Geschäftsführers aus steuerrechtlicher Sicht, NZI 2018, 100; Erker, Die Business Judgment Rule im Haftungsstatut des Insolvenzverwalters, ZInsO 2012, 199; Erker/Freund, Verschwiegenheitspflicht von Aufsichtsratsmitgliedern bei der GmbH, GmbHR 2001, 463; v. Falkenhausen, Die Haftung außerhalb der Business Judgment Rule, NZG 2012, 644; Fest, Darlegungs- und Beweislast bei Prognoseentscheidungen im Rahmen der Business Judgment Rule, NZG 2011, 540; Fischer, Die Verjährung beim Gesamtschuldnerregress unter Organmitgliedern, ZIP 2014, 406; Fischer, Öffentliche Äußerungen von Organmitgliedern juristischer Personen als Gefährdung der Kreditwürdigkeit des Vertragspartners, DB 2006, 598; Fischer/Schucht, Organpflichten und Organhaftung im Produktsicherheits- und Produkthaftungsrecht, BB 2018, 67; Fleck, Vertrag, unerlaubte Eigengeschäftsführung und Anspruchsverjährung, ZIP 1991, 1269; Fleck, Zur Haftung des GmbH-Geschäftsführers, GmbHR 1974, 224; Fleischer, Reformperspektiven der Organhaftung: Empfiehlt sich eine stärkere Kodifizierung von Richterrecht?, DB 2014, 1971; Fleischer, Ruinöse Managerhaftung: Reaktionsmöglichkeiten de lege lata und de lege ferenda, ZIP 2014, 1305; Fleischer, Verjährung von Organhaftungsansprüchen: Rechtspraxis – Rechtsvergleichung – Rechtspolitik, AG 2014, 457; Fleischer, Regresshaftung von Geschäftsleitern wegen Verbandsgeldbußen, DB 2014, 345; Fleischer, Aktienrechtliche Compliance-Pflichten im Praxistest: Das Siemens/Neubürger-Urteil des LG München I,

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Haftung der Geschäftsführer

NZG 2014, 321; Fleischer, Expertenrat und Organhaftung, KSzW 2013, 3; Fleischer, Zur Einschränkbarkeit der Geschäftsführerhaftung in der GmbH, BB 2011, 2435; Fleischer, Das unternehmerische Ermessen des GmbH-Geschäftsführers und seine GmbH-spezifischen Grenzen, NZG 2011, 521; Fleischer, Zur rechtlichen Bedeutung der Fairness Opinion im deutschen Aktien- und Übernahmerecht, ZIP 2011, 201; Fleischer, Rechtsrat und Organwalterhaftung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, in: Festschrift für Uwe Hüffer, 2010, S. 187; Fleischer, Zum Inhalt des „Unternehmensinteresses“ im GmbHRecht, GmbHR 2010, 1307; Fleischer, Aktuelle Entwicklungen der Managerhaftung, NJW 2009, 2337; Fleischer, Vertrauen von Geschäftsleitern und Aufsichtsratsmitgliedern auf Informationen Dritter, ZIP 2009, 1397; Fleischer, Kompetenzüberschreitungen von Geschäftsleitern im Personen- und Kapitalgesellschaftsrecht – Schaden – rechtmäßiges Alternativverhalten – Vorteilsausgleichung, DStR 2009, 1204; Fleischer, Der Zusammenschluss von Unternehmen im Aktienrecht. Aktienrechtliche Problemfelder bei M&A-Transaktionen, ZHR 172 (2008), 538; Fleischer, Corporate Compliance im aktienrechtlichen Unternehmensverbund, CCZ 2008, 1; Fleischer, Zur Privatsphäre von GmbH-Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern: Organpflichten, organschaftliche Zurechnung und private Umstände, NJW 2006, 3239; Fleischer, Aktienrechtliche Legalitätspflicht und „nützliche“ Pflichtverletzungen von Vorstandsmitgliedern, ZIP 2005, 141; Fleischer, Die „Business Judgment Rule“: Vom Richterrecht zur Kodifizierung, ZIP 2004, 685; Fleischer, Zur aktienrechtlichen Verantwortlichkeit faktischer Organe, AG 2004, 517; Fleischer, Vorstandsverantwortlichkeit und Fehlverhalten von Unternehmensangehörigen – Von der Einzelüberwachung zur Errichtung einer Compliance-Organisation, AG 2003, 291; Florstedt, Cum/ex-Geschäfte und Vorstandshaftung, NZG 2017, 601; Forst, Haftung der Geschäftsleitung des Arbeitgebers wegen der Entscheidung für die regulierte Pensionskasse?, ZIP 2013, 253; Frege, Grundlagen und Grenzen der Sanierungsberatung, NZI 2006, 545; Beweislastverteilung und Einsichtsrecht bei Inanspruchnahme ausgeschiedener Organmitglieder, ZHR 176 (2012), 221; Freitag/Korch, Die Angemessenheit der Information im Rahmen der Business Judgment Rule, ZIP 2012, 2281; Freund, Organhaftung in der Bauwirtschaft, NJW 2013, 2545; Freund, Gesamtschuldnerregress in der Organhaftung, GmbHR 2013, 785; Freund, Organhaftung von Vorständen und Geschäftsführern, GmbHR 2009, 1185; Frind, Insolvenzliche Eigenverwaltung und öffentlich-rechtliche Forderungen: Zahlen oder nicht?, GmbHR 2015, 128; Fuchs, Die Haftung des organschaftlichen Vertreters für Steuerverbindlichkeiten nach § 69 AO, NZI 2018, 97; Gaul, Information und Vertraulichkeit der Aufsichtsratsmitglieder einer GmbH, GmbHR 1986, 296; Gehrlein, Rechtsprechungsübersicht zum GmbH-Recht in den Jahren 2001 – 2004: Eigenkapitalersatz, Veräußerung des Geschäftsanteils, Gesellschafterbeschluss sowie Rechtsstellung und Haftung des GmbH-Geschäftsführers, BB 2004, 2585; Gehrlein, Deliktische Haftung der Geschäftsleiter, ZInsO 2018, 1550; Gehrlein, Haftung von Gesellschaftern und Geschäftsführern im Rahmen der Eigenverwaltung, ZInSO 2017, 849; Geißler, Verhaltensmaßnahmen und Rechtspflichten des Geschäftsführers in der Krise der GmbH, DZWIR 2011, 309; Geißler, Die Haftung des faktischen Geschäftsführers, GmbHR 2003, 1106; v. Gerkan, Die Beweislastverteilung beim Schadensersatzanspruch der GmbH gegen ihre Geschäftsführer, ZHR 154 (1990), 39; Gloger/Goette/Japing, Existenzvernichtungshaftung und Unterkapitalisierung, ZInsO 2008, 1051; Gößwein/Hohmann, Modelle der Compliance-Organisation in Unternehmen – Wider den Chief Compliance Officer als „Überoberverantwortungsnehmer”, BB 2011, 963; C. Goette, Managerhaftung: Handeln auf Grundlage angemessener Information, DStR 2014, 1776; W. Goette, Gesellschaftsrechtliche Grundfragen im Spiegel der Rechtsprechung, ZGR 2008, 436; W. Goette, Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht – Aktuelle Rechtsprechung des II. Zivilsenats, KTS 2006, 217; W. Goette, Aktuelle Rechtsprechung zur GmbH – Kapitalschutz und Organhaftung, DStR 2003, 887; W. Goette, Leitung, Aufsicht, Haftung – zur Rolle der Rechtsprechung bei der Sicherung einer modernen Unternehmensführung, in: Festschrift 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, S. 123; W. Goette, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers in der Rechtsprechung des BGH, DStR 1998, 1308; W. Goette, Das Anstellungsverhältnis des

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GmbH-Geschäftsführers in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, DStR 1998, 1137; W. Goette, Das Organverhältnis des GmbH-Geschäftsführers in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, DStR 1998, 938; W. Goette, Zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast der objektiven Pflichtwidrigkeit bei der Organhaftung, ZGR 1995, 648; Götze, Auskunftserteilung durch GmbH-Geschäftsführer im Rahmen der Due Diligence beim Beteiligungserwerb, ZGR 1999, 202; Graumann, Gesellschaftsrechtliche Anforderungen an die Informationsgrundlage unternehmerischer Entscheidungen – Versuch einer Konkretisierung unter Einbeziehung betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse, CCZ 2010, 222; Groß, Deliktische Außenhaftung des GmbH-Geschäftsführers, ZGR 1998, 551; Gross/ Schork, Der GmbH-Geschäftsführer im Spannungsverhältnis des Zahlungsverbots nach § 6 II 1 GmbHG und der Strafbarkeit wegen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen, NZI 2004, 358; Grunewald, Interne Aufklärungspflichten von Vorstand und Aufsichtsrat, NZG 2013, 841; Grützner, Compliance 2.0 – LG München I verpflichtet Vorstände zu „Compliance“, BB 2014, 850; Haase, Haftung des Geschäftsführers einer GmbH für durch seinen Vorgänger vorenthaltene Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung, GmbHR 2002, 210; Habersack, Perspektiven der aktienrechtlichen Organhaftung, ZHR 177 (2013), 782; Habersack, Gedanken zur konzernweiten Compliance-Verantwortung des Geschäftsleiters eines herrschenden Unternehmens, in: Festschrift für Wernhard Möschel, 2011, S. 1175; Habersack, Die Legalitätspflicht des Vorstands der AG, in: Festschrift für Uwe H. Schneider, 2011, S. 429; Habersack, Managerhaftung, in: Karlsruher Forum 2009, S. 5; Habersack/Schürnbrand, Die Rechtsnatur der Haftung aus §§ 93 Abs. 3 AktG, 43 Abs. 3 GmbHG, WM 2005, 957; Hamann, Reflektierte Optimierung oder bloße Intuition, ZGR 2012, 817; Harbarth, Unternehmerisches Ermessen des Vorstands im Interessenkonflikt, in: Festschrift für Peter Hommelhoff, 2012, S. 323; Haß, Die persönliche Haftung des GmbH-Geschäftsführers bei Wettbewerbsverstößen und Verletzung gewerblicher Schutzrechte, GmbHR 1994, 666; Hasselbach, Der Verzicht auf Schadensersatzansprüche gegen Organmitglieder, DB 2010, 2037; Hauschka, Ermessensentscheidungen bei der Unternehmensführung, GmbHR 2007, 11; Heermann, Unternehmerisches Ermessen, Organhaftung und Beweislastverteilung, ZIP 1998, 761; Heil/Russenschuck, Die persönliche Haftung des GmbH-Geschäftsführers, BB 1998, 1749; Hellgardt, Die deliktische Außenhaftung von Gesellschaftsorganen für unternehmensbezogene Pflichtverletzungen – Überlegungen vor dem Hintergrund des Kirch/Breuer-Urteils des BGH, WM 2006, 1514; Herresthal, Die Wirksamkeit von Schiedsabreden mit Vorständen und Geschäftsführern bei Organhaftungsstreitigkeiten, ZIP 2014, 345; Himmelsbach/Krüger, Geschäftsführerhaftung wegen unterlassener Due Diligence, NZI 2007, 309; Hirte, Die Entwicklung des Unternehmens- und Gesellschaftsrechts im Jahr 2017, NJW 2018, 1221; Hoffmann-Becking, Zur rechtlichen Organisation der Zusammenarbeit im Vorstand einer AG, ZGR 1998, 497; v. Holleben/Menz, IT-Risikomanagement – Pflichten der Geschäftsleitung, CR 2010, 63; Hölzle, Gesellschafterfremdfinanzierung und Kapitalerhaltung im Regierungsentwurf des MoMiG, GmbHR 2007, 729; Hommelhoff, Risikomanagement im GmbH-Recht, in: Festschrift für Otto Sandrock, 2000, S. 373; Hoor, Die Präzisierung der Sorgfaltsanforderungen nach § 93 Abs. 1 AktG durch den Entwurf des UMAG, DStR 2004, 2104; Hopt, Die Verantwortlichkeit von Vorstand und Aufsichtsrat: Grundsatz und Praxisprobleme – unter besonderer Berücksichtigung der Banken, ZIP 2013, 1793; Hopt, ECLR Interessenwahrung und Interessenkonflikte im Aktien-, Bank- und Berufsrecht, ZGR 2004, 1; Horn, Die Haftung des Vorstands der AG nach § 93 AktG und die Pflichten des Aufsichtsrats, ZIP 1997, 1129; Janert, Rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten zur Beschränkung der Geschäftsführerhaftung, BB 2013, 3016; Janert, Neues zur Generalbereinigung?, GmbHR 2003, 830; Joussen, Der Sorgfaltsmaßstab des § 43 Abs. 1 GmbHG, GmbHR 2005, 441; Jungmann, Die Business Judgment Rule – ein Institut des allgemeinen Verbandsrechts?, in: Festschrift für Karsten Schmidt, 2009, S. 831; Jungmann, Die Business Judgment Rule im Gesellschaftsinsolvenzrecht – Wider eine Haftungsprivilegierung im Regelinsolvenzverfahren und in der Eigenverwaltung, NZI 2009, 80; Junker/Biederbick, Die Unabhängigkeit der Unternehmensjuristen, AG 2012,

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898; Kahlert, Vertreterhaftung für Steuerschulden, insbesondere in der Unternehmerkrise, ZIP 2009, 2368; Kebekus/Zenker, Business Judgment Rule und Geschäftsleiterermessen – auch in Krise und Insolvenz?, in: Festschrift für Georg Maier-Reimer, 2010, S. 319; Keßler, Die deliktische Eigenhaftung des GmbH-Geschäftsführers, GmbHR 1994, 429; Kessler, Der Einsatz komplexer Finanzinstrumente im Unternehmen – gesellschaftsrechtliche Anforderungen an das Risikomanagement, BB 2013, 1098; Kiefner/Krämer, Geschäftsleiterhaftung nach ISION und das Vertrauendürfen auf Rechtsrat, AG 2012, 498; Kindler, Pflichtverletzung und Schaden bei der Vorstandshaftung wegen unzureichender Compliance, in: Festschrift für Günther H. Roth, 2011, S. 367; Kindler, Vorstands- und Geschäftsführerhaftung mit Augenmaß – Über einige neuere Grundsatzentscheidungen des II. Zivilsenats des BGH zu §§ 93 AktG und 43 GmbHG, in: Festschrift für Wulf Goette, 2011, S. 231; Kindler, Die Begrenzung der Niederlassungsfreiheit durch das Gesellschaftsstatut, NJW 2007, 1785; Kleindiek, Geschäftsführerhaftung in der Krise, in: Festschrift für Uwe H. Schneider, 2011, S. 617; Kleindiek, Die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen die Geschäftsführer in der GmbH durch den Aufsichtsrat, in: Festschrift für Friedrich Graf v. Westphalen, 2010, S. 387; Klett/Lee, Vertraulichkeit des E-Mailverkehrs (Verschlüsselungspflichten), CR 2008, 644; Klöhn, Kollateralschaden und Haftung wegen fehlerhafter Ad-hoc-Publizität, ZIP 2015, 53; Klöhn, Geschäftsleiterhaftung und unternehmensinterner Rechtsrat, DB 2013, 1535; Klöhn, Die Herabsetzung der Vorstandsvergütung gem. § 87 Abs. 2 AktG in der börsennotierten Aktiengesellschaft, ZGR 2012, 1; Klöhn, Interessenkonflikte zwischen Aktionären und Gläubigern der Aktiengesellschaft im Spiegel der Vorstandspflichten, ZGR 2008, 110; Klöhn/Schmolke, Unternehmensreputation (Corporate Reputation) – Ökonomische Erkenntnisse und ihre Bedeutung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, NZG 2015, 689; Koch, Beschränkungen des Regressfolgen im Kapitalgesellschaftsrecht, AG 2012, 429; Koch, Die Anwendung der Business Judgment Rule bei Interessenkonflikten innerhalb des Vorstands, in: Festschrift für Franz Jürgen Säcker, 2011, S. 403; Koch, Geschäftsleiterpflicht zur Sicherstellung risikoadäquaten Versicherungsschutzes, ZGR 2006, 184; Kocher, Zur Reichweite der Business Judgment Rule, CCZ 2009, 215; Köhl, Die Einschränkung der Haftung des GmbH-Geschäftsführers nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs, DB 1996, 2597; König, Haftung für Cyberschäden, AG 2017, 262; Konzen, Geschäftsführung, Weisungsrecht und Verantwortlichkeit in der GmbH und GmbH & Co. KG, NJW 1989, 2977; Konzen, Gesellschafterpflicht und Abgeordnetenmandat, AcP 172 (1972), 317; Koppensteiner, GmbH-rechtliche Probleme des Management Buy-out, ZHR 155 (1991), 97; Kort, Compliance-Pflichten und Haftung von GmbH-Geschäftsführern, GmbHR 2013, 566; Krause, Managerhaftung und Strategien zur Haftungsvermeidung, BB 2009, 1370; Krieger, Wie viele Rechtsberater braucht ein Geschäftsleiter?, ZGR 2012, 496; Krieger, Beweislastumkehr und Informationsanspruch des Vorstandsmitglieds bei Schadensersatzforderungen nach § 93 Abs. 2 AktG, in: Festschrift für Uwe H. Schneider, 2011, S. 717; Krupna, IT-Compliance – Informationspflichten nach dem Bundesdatenschutzgesetz bei Hackerangriffen, BB 2014, 2250; Kübler/Waltermann, Geschäftschancen der Kommanditgesellschaft, ZGR 1991, 162; Kübler, Erwerbschancen und Organpflichten, in: Festschrift für Winfried Werner, 1984, S. 437; Kuntz, Geltung und Reichweite der BusinessJudgement-Rule in der GmbH, GmbHR 2008, 121; Kuntz, Sorgfaltspflicht und Business Judgement Rule, DB Sonderheft 2/2017, 37; Leithaus/Krings, Die fiktive Zuordnung der Sozialversicherungsbeiträge zum Vermögen des Arbeitnehmers gem. § 28e I 2 SGB IV n. F. – oder: Der misslungene Versuch des Gesetzgebers, die Sozialversicherungsträger im Insolvenzverfahren des Arbeitgebers zu privilegieren, NZI 2008, 393; Leuering, Organhaftung und Schiedsverfahren, NJW 2014, 657; Liebscher, Wider der Privilegierung von Abführungspflichten gegenüber der Massesicherungspflicht in der Insolvenz, ZInsO 2009, 1387; Lindacher, Haftung des GmbH-Geschäftsführers und Einwand des Auswahl- und Überwachungsmitverschuldens, JuS 1984, 672; Löbbe/Fischbach, Die Business Judgement Rule bei Kollegialentscheidungen des Vorstands, AG 2014, 717; Lohr, Die Beschränkung der Innenhaftung des GmbH-Geschäftsführers, NZG 2000, 1204; Lösler,

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Das moderne Verständnis von Compliance im Finanzmarktrecht, NZG 2005, 104; Lutter, Haftung und Verantwortlichkeit – Verantwortung von Organen und Beratern, DZWiR 2011, 265; Lutter, Interessenkonflikte und Business Judgment Rule, in: Festschrift für ClausWilhelm Canaris, Bd. II, 2007, S. 245; Lutter, Die Business Judgment Rule und ihre praktische Anwendung, ZIP 2007, 841; Lutter, Haftung und Haftungsfreiräume des GmbHGeschäftsführers – Zehn Gebote an den Geschäftsführer, GmbHR 2000, 301; Lutter, Due diligence des Erwerbs beim Kauf einer Beteiligung, ZIP 1997, 613; Lutter, Die Haftung von Organmitgliedern nach Deliktsrecht, ZHR 157 (1993), 464; Lutter, Rolle und Recht, in: Festschrift für Helmut Coing, 1982, S. 565; Lutter, Theorie der Mitgliedschaft, AcP 180 (1980), 84; Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 3. Aufl. 2006; Lutter/Banerja, Die Haftung des Geschäftsführers für existenzvernichtende Eingriffe, ZIP 2003, 2177; Maser/Sommer, Die Neuregelung der „Sanierenden Kapitalherabsetzung“ bei der GmbH, BB 1996, 65; Medicus, Deliktische Außenhaftung der Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer, ZGR 1998, 570; Medicus, Außenhaftung des GmbH-Geschäftsführers, GmbHR 1993, 533; Medicus, Zur deliktischen Eigenhaftung von Organpersonen, in: Festschrift für Werner Lorenz, 1991, S. 155; Meier, Déjà-vu im Insolvenzrecht – Die Privilegierung der Sozialversicherungsträger durch die Neuregelung des § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV, NZI 2008, 140; Mennicke, Zum Weisungsrecht der Gesellschafter und der Folgepflicht des Geschäftsführers in der mitbestimmungsfreien GmbH, NZG 2000, 622; Merkt, Compliance und Risikofrüherkennung in kleinen und mittleren Unternehmen, ZIP 2014, 1705; Merkt, Unternehmensleitung und Interessenkollision, ZHR 159 (1995), 423; Merkt/Mylich, Einlage eigener Aktien und Rechtsrat durch den Aufsichtsrat, NZG 2012, 525; Mertens, Die Geschäftsführung in der GmbH und das ITT-Urteil, in: Festschrift für Robert Fischer, 1979, S. 460; Mertens, Deliktsrecht und Sonderprivatrecht – Zur Rechtsfortbildung des deliktischen Schutzes von Vermögensinteressen, AcP 178 (1978), 227; Meyer, ComplianceVerantwortlichkeit von Vorstandsmitgliedern – Legalitätsprinzip und Risikomanagement, DB 2014, 766; Mielke/Sedlitz, Die Aporie des Geschäftsführers in der vorläufigen Eigenverwaltung wegen (nicht) abzuführender Steuerverbindlichkeiten, ZIP 2017, 1646; Möllers/ Beutel, Haftung für Äußerungen zur Bonität des Bankkunden: Der BGH zum Rechtsstreit Leo Kirch gegen Deutsche Bank und Breuer, NZG 2006, 338; Möslein, Digitalisierung im Gesellschaftsrecht: Unternehmensleitung durch Algorithmen und künstliche Intelligenz?, ZIP 2018, 204; H.-F. Müller, Sanierung nach der geplanten EU-Restrukturierungs-Richtlinie, ZGR 2018, 56; Nägele/Nestel, Entlastung des GmbH-Geschäftsführers und des AG-Vorstands – Chancen und Risiken in der Praxis, BB 2000, 1253; Nauheim/C. Goette, Managerhaftung im Zusammenhang mit Unternehmenskäufen – Anmerkungen zur Business Judgment Rule aus der M&A-Praxis, DStR 2013, 2520; Neusel, Die persönliche Haftung des Geschäftsführers für die Steuern der GmbH, GmbHR 1997, 1129; Nowak, Haftungsvermeidungsstrategien für den Geschäftsführer einer sich in der Krise befindenden GmbH, GmbHR 2012, 1294; Oechsler, Die Geschäftsleiteraußenhaftung nach § 826 BGB bei missbräuchlicher Ausnutzung eines Wissensvorsprungs, AG 2018, 388; Oppenheim, Die Pflicht des Vorstands zur Einrichtung einer auf Dauer angelegten Compliance-Organisation, DStR 2014, 1063; v. d. Osten, Das Wettbewerbsverbot von Gesellschaftern und Gesellschafter-Geschäftsführern in der GmbH, GmbHR 1989, 450; Paefgen, Organhaftung: Bestandaufnahme und Zukunftsperspektiven, AG 2014, 554; Paefgen, Kapitalerhaltungshaftung von GmbH-Geschäftsführern und Gesellschaftern, DZWiR 2009, 177; Paefgen, Existenzvernichtungshaftung nach Gesellschaftsdeliktsrecht, DB 2007, 1907; Paefgen, Dogmatische Grundlagen, Anwendungsbereich und Formulierung einer Business Judgment Rule im künftigen UMAG, AG 2004, 245; Peetz, Steuerhaftung des GmbH-Geschäftsführers und Mitwirkungspflichten, GmbHR 2009, 186; Peltzer/Bell, Besicherung von Gesellschafterkrediten mit dem GmbH-Vermögen?, ZIP 1993, 1757; Pelz, Die persönliche Haftung des Geschäftsführers einer GmbH, RNotZ 2003, 415; Peters, Angemessene Informationsbasis als Voraussetzung pflichtgemäßen Vorstandshandelns, AG 2010, 811; Plagemann, Die Beitragshaftung des Geschäftsführers im Lichte der neuen InsO, NZS 2000, 8; Poelzig/Thole, Kollidierende Geschäftsleiterpflichten, ZGR 2010, 836; Priester,

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Aktuelle Gestaltungsfragen bei GmbH-Verträgen, DStR 1992, 254; Primaczenko, Eigene Aktien der Gesellschaft können nicht als Sacheinlage eingebracht werden, GWR 2011, 518; Radtke, Nichtabführen von Arbeitnehmerbeiträgen (§ 266a StGB) in der Krise des Unternehmens – Beitragsstrafrecht zwischen Zivilrechts- und Sozialrechtsakzessorietät, GmbHR 2009, 673; Ranft, „Vorenthalten“ von Arbeitnehmerbeiträgen – Bemerkungen zur Auslegung des § 266a Abs. 1 StGB, DStR 2001, 132; Redeke, Zu den Voraussetzungen unternehmerischer Ermessensentscheidungen, NZG 2009, 496; Redeke, Zur gesellschaftsrechtlichen Beratung durch die Konzernrechtsabteilung, AG 2018, 381; Reese, Die Haftung von Managern im Innenverhältnis, DStR 1995, 532; Reichert, Corporate Compliance und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, in: Festschrift für Michael Hoffmann-Becking, 2013, S. 943; Reichert/Ott, Non Compliance in der AG – Vorstandspflichten im Zusammenhang mit der Vermeidung, Aufklärung und Sanktionierung von Rechtsverstößen, ZIP 2009, 2173; Reiff/Arnold, Unbeschränkte Konkursverschleppungshaftung des Geschäftsführers einer GmbH auch gegenüber gesetzlichen Neugläubigern?, ZIP 1998, 1893; Rodewald, Informationsmanagement im Unternehmen als Instrument zur Vermeidung von Organhaftung, GmbHR 2014, 639; Rodewald, Alte und neue Haftungsrisiken für GmbHGeschäftsführer vor und in der Krise oder Insolvenz, GmbHR 2009, 1301; Röhricht, Die GmbH im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher Dispositionsfreiheit ihrer Gesellschafter und Gläubigerschutz, in: Festschrift 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, S. 83; Röhricht, Das Wettbewerbsverbot des Gesellschafters und des Geschäftsführers, WPg 1992, 766; Roth, Die Haftung als faktischer Geschäftsführer im Konkurs der GmbH, ZGR 1989, 421; Saenger/Al-Wraikat, Insolvenzrecht versus Gesellschaftsrecht: Wer darf bei der GmbH wann den Schutzschirm öffnen?, NZG 2013, 1201; Sander/Schneider, Die Pflicht der Geschäftsleiter zur Einholung von Rat, ZGR 2013, 725; Schanze, Gesellschafterhaftung für unlautere Einflussnahme nach § 826 BGB: Die Trihotel-Doktrin des BGH, NZG 2007, 681; Schanze, Sanktionen bei Weglassen eines die Haftungsbeschränkung anzeigenden Rechtsformzusatzes im europäischen Rechtsverkehr, NZG 2007, 533; Schaub, Die Haftung des Geschäftsführers einer GmbH gegenüber der Gesellschaft und den Gesellschaftern (Teil 1), DStR 1992, 985; Schiessl, Die Wahrnehmung von Geschäftschancen durch den Geschäftsführer, GmbHR 1988, 53; Schirmer, Abschied von der „BaustoffRechtsprechung“ des VI. Zivilsenats?, NWJ 2012, 3398; Schluck-Amend/Walker, Neue Haftungsrisiken für GmbH-Geschäftsführer durch Pflicht zur Erstellung eines Insolvenzplans?, GmbHR 2001, 375; K. Schmidt, GmbH-Reform, Solvenzgewährleistung und Insolvenzpraxis – Gedanken zum MoMiG-Entwurf, GmbHR 2007, 1; K. Schmidt, Geltendmachung der Geschäftsführerhaftung in Insolvenz- und masseloser Liquidation, KTS 2005, 261; K. Schmidt, Die Vereinsmitgliedschaft als Grundlage von Schadensersatzansprüchen, JZ 1991, 157; K. Schmidt, Konkursverschleppungshaftung und Konkursverursachungshaftung, ZIP 1988, 1497; K. Schmidt, Konsistenzprobleme im gesellschafts- und insolvenzrechtlichen Pflichtenkreis, ZIP 2018, 853; Schmitt, Plädoyer für die Abschaffung des § 266a Abs. 1 StGB, NZI 2002, 146; Schmitt-Rolfes/Bergwitz, Beginn der Verjährung nach § 93 Abs. 6 AktG, § 43 Abs. 4 GmbHG und § 34 Abs. 6 GenG, NZG 2006, 535; Schmolke, Geschäftsleiterpflicht zur Offenlegung begangenen Fehlverhaltens?, RIW 2008, 365; S. H. Schneider, (Mit-)Haftung des Geschäftsführers eines wegen Existenzvernichtung haftenden Gesellschafters, GmbHR 2011, 685 und in: Festschrift für Uwe H. Schneider, 2011, S. 1177; S. H. Schneider, „Unternehmerische Entscheidungen“ als Anwendungsvoraussetzung für die Business Judgment Rule, DB 2005, 707; U. H. Schneider, Anwaltlicher Rat zu unternehmerischen Entscheidungen bei Rechtsunsicherheit, DB 2011, 99; U. H. Schneider, Die Haftung von Mitgliedern des Vorstands und der Geschäftsführung bei Vertragsverletzungen der Gesellschaft, in: Festschrift für Uwe Hüffer, 2010, S. 905; U. H. Schneider, Die Pflichten des Geschäftsführers in der Krise der GmbH, Zwölf Handlungsanweisungen an den Geschäftsführer zur Haftungsvermeidung, GmbHR 2010, 57; U. H. Schneider, Compliance als Aufgabe der Unternehmensleitung, ZIP 2003, 645; U. H. Schneider, Der Anstellungsvertrag des Geschäftsführers einer GmbH im Konzern – Überlegungen zum Vertragspartner, zur Rechtsnatur und zum Inhalt des Konzern-Anstellungsvertrags, GmbHR

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1993, 10; U. H. Schneider, Die Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Pflichten durch den Geschäftsführer, in: Festschrift 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 473; U. H. Schneider, Haftungsmilderung für Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer bei fehlerhafter Unternehmensleitung?, in: Festschrift für Winfried Werner, 1984, S. 795; U. H. Schneider/Brouwer, Die straf- und zivilrechtliche Verantwortlichkeit des Geschäftsführers für die Abführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung. Eine Herausforderung für die höchstrichterliche Rechtsprechung, ZIP 2007, 1033; U. H. Schneider/Brouwer, Die Verantwortlichkeit der Gesellschaft und ihrer Geschäftsleiter bei Delegation öffentlich-rechtlicher Pflichten, in: Festschrift für Hans-Joachim Priester, 2007, S. 713; U. H. Schneider/ S. H. Schneider, Konzern-Compliance als Aufgabe der Konzernleitung, ZIP 2007, 2061; Schoberth/Servatius/Thess, Anforderungen an die Gestaltung von internen Kontrollsystemen, BB 2006, 2571; Schön, GmbH-Geschäftsführerhaftung für Steuerschulden – zur Konkurrenz zwischen dem Fiskus und den privatrechtlichen Gläubigern einer GmbH, in: Festschrift für Harm Peter Westermann, 2008, S. 1469; Schroeder, Darf der Vorstand der Aktiengesellschaft dem Aktienkäufer eine Due Diligence gestatten?, DB 1997, 2161; Schulz, Compliance-Management im Mittelstand, CB 2015, 309; Seibt, Corporate Reputation Management: Rechtsrahmen für Geschäftsleiterhandeln, DB 2015, 171; Seibt, Pflichten der Geschäftsleitung bei Eingehung von Finanzierungsgeschäften – in Normalund Krisenzeiten des Unternehmens, ZIP 2013, 1597; Seibt/Cziupka, 20 Thesen zur Compliance-Verantwortung im System der Organhaftung aus Anlass des Siemens/Neubürger-Urteils, DB 2014, 1598; Selter, Haftungsrisiken von Vorstandsmitgliedern und von Aufsichtsratsmitgliedern bei vorhandenem Fachwissen, AG 2012, 11; Semler, Fehlerhafte Geschäftsführung in der Ein-Mann-GmbH, Bilanz- und Konzernrecht, in: Festschrift für Reinhard Goerdeler, 1982, S. 551; Sieger/Hasselbach, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers bei Unternehmenskäufen. Schadenersatzansprüche gegen den Geschäftsführer des „Targets“, GmbHR 1998, 957; Siegmann/Vogel, Die Verantwortlichkeit des Strohmanngeschäftsführers einer GmbH, ZIP 1994, 1821; Simon/Merkelbach, Organisationspflichten des Vorstands betreffend das Compliance-System – Der Neubürger-Fall, AG 2014, 318; Sina, Die Befreiung des GmbH-Geschäftsführers vom Wettbewerbsverbot, DStR 1991, 40; Sonnleitner/Winkelhog, Unternehmen saniert, Geschäftsführer pleite? – Zur steuerrechtlichen Haftung von Geschäftsführer und Vorstand in der Krise und im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung, BB 2015, 88; Spindler, Organhaftung in der AG – Reformbedarf aus wissenschaftlicher Perspektive, AG 2013, 889; Spindler, Angemessenheit und Zuständigkeit für Vergütungsfragen der Geschäftsführung einer GmbH nach dem VorstAG, in: Festschrift für Uwe H. Schneider, 2011, S. 1287; Spindler, Die Haftung von Vorstand und Aufsichtsrat für fehlerhafte Auslegung von Rechtsbegriffen, in: Festschrift für Claus-Wilhelm Canaris, Bd. II, 2007, S. 403; Spindler, Haftung der Geschäftsführung für IT-Sachverhalte, CR 2017, 715-724; Stapper/Jacobi, Insolvenzanfechtung und Gesetzgebung durch die Hintertür: Zum ersten Geburtstag von § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV, WM 2009, 1493; Stein, GmbH-Geschäftsführer: Goldesel für leere Sozialkassen?, DStR 1998, 1055; Stiller, Das Ende von § 28e I 2 SGB IV bei der Insolvenzanfechtung von Arbeitnehmeranteilen am Gesamtsozialversicherungsbeitrag, NZI 2010, 250; Streit/Bürk, Keine Entwarnung bei der Geschäftsführerhaftung im Insolvenzfall, DB 2008, 742; Strohn, Beratung der Geschäftsleitung durch Spezialisten als Ausweg aus der Haftung?, ZHR 176 (2012), 137; Strohn, Faktische Organe – Rechte, Pflichten, Haftung, DB 2011, 158; Sturm, Geschäftsführer-Innenhaftung: Dispositivität der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 43 Abs. 4 GmbHG, GmbHR 2003, 573; Thelen, Gläubigerschutz bei Insolvenz der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ZIP 1987, 1027; Thiele, Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung der GmbH-Geschäftsführung und die Pflicht zur Einführung von Krisenüberwachungssystemen, ZInsO 2014, 1882; Thole, Managerhaftung für Gesetzesverstöße, ZHR 173 (2009), 504; Thole, Der Konflikt zwischen Steuerpflicht und Massesicherung in der vorläufigen Eigenverwaltung, DB 2015, 662; Thümmel, Managerhaftung vor Schiedsgerichten, in Festschrift für Reinhold Geimer, 2002, S. 1331; Thümmel, Haftungsrisiken von Vorständen und Aufsichtsräten bei der Abwehr von Über-

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nahmeversuchen, DB 2000, 461; Tillmann, Wettbewerbsverbot des Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH, GmbHR 1991, 26; Timm, Wettbewerbsverbot und Geschäftschancenlehre im Recht der GmbH, GmbHR 1981, 177; Tröger/Dangelmayer, Eigenhaftung der Organe für die Veranlassung existenzvernichtender Leitungsmaßnahmen im Konzern, ZGR 2011, 558; Unmuth, Die Entwicklung der Corporate Compliance in Recht und Praxis, AG 2017, 249; Veil, Krisenbewältigung durch Gesellschaftsrecht – Verlust des halben Kapitals, Pflicht zu ordnungsgemäßer Liquidation und Unterkapitalisierung, ZGR 2006, 374; van Venrooy, Anspruch der GmbH auf sachkundige Geschäftsführung, GmbHR 2004, 237; Verse, Die actio pro socio im Personengesellschafts- und GmbH-Recht nach der Reform der derivativen Aktionärsklage, in: Festschrift für Uwe H. Schneider, 2011, S. 1325; Verse, Compliance im Konzern, Zur Legalitätskontrollpflicht der Geschäftsleiter einer Konzernobergesellschaft, ZHR 175 (2011), 401; Volkmann, Haftung des GmbHGeschäftsführers bei Planung Errichtung und Betrieb von Offshore Windparks insbesondere in Matrixstrukturen, GmbHR 2016, 1068; G. Wagner, Persönliche Haftung der Unternehmensleitung: die zweite Spur der Produkthaftung?, VersR 2001, 1057; J. Wagner, Die Rolle der Rechtsabteilung bei fehlenden Rechtskenntnissen der Mitglieder von Vorstand und Geschäftsführung, BB 2012, 651; Wassermeyer, Das Wettbewerbsverbot des Gesellschafters und des Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH, GmbHR 1993, 329; L. J. Weber, Analoge Anwendung der Haftungsnormen aus §§ 60, 61 InsO auf die Geschäftsleiter von eigenverwalteten Schuldnern, NZI 2018, 553; Weber/Lohr, Aktuelle Rechtsprechung zur Innenhaftung von GmbH-Geschäftsführern nach § 43 Abs. 2 GmbHG, GmbHR 2000, 698; Werner, Möglichkeiten einer privatautonomen Beschränkung der Geschäftsführerhaftung, GmbHR 2014, 792; Werner, Der Informationsanspruch des ausgeschiedenen GmbH-Geschäftsführers, GmbHR 2013, 68; Werner, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers für die Verletzung gewerblicher Schutzrechte, GRUR 2009, 820; Werner, Sorgfaltspflichten des Geschäftsführers bei Unternehmensakquisitionen – Due Diligence, Informationspflichten und Haftungsrisiken, GmbHR 2007, 678; Wiedemann, Verantwortung in der Gesellschaft – Gedanken zur Haftung der Geschäftsleiter und der Gesellschafter in der Kapitalgesellschaft, ZGR 2011, 183; Wiedemann, Juristische Person und Gesamthand als Sondervermögen, WM Beilage zu Heft 4/1975, 7; Wiersch, Geschäftsleiterpflichten bei Gewährung von Kulanzleistungen, NZG 2013, 1206; Wimmer, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, NJW 1996, 2546; Windbichler, Schadenersatzansprüche des stillen Gesellschafters, ZGR 1989, 434; Wollny, Fairness Opinion und Angemessenheitsprüfung des Kaufpreises – Lehren aus dem Fall EnBW, DStR 2013, 482; Ziegler, „Due Diligence“ im Spannungsfeld zur Geheimhaltungspflicht von Geschäftsführern und Gesellschaftern, DStR 2000, 249; Zipperer, Die Einflussnahme der Aufsichtsorgane auf die Geschäftsleitung in der Eigenverwaltung – eine Chimäre vom Gesetzgeber, Trugbild oder Mischwesen?, ZIP 2012, 1492; Zöllner, Die sog. Gesellschafterklagen im Kapitalgesellschaftsrecht, ZGR 1988, 392. Übersicht I.

Zweck und dogmatische Einordnung der Norm .................................... 1 II. Verhältnis zu anderen Haftungsgrundlagen ............................................ 6 III. Voraussetzungen der Haftung ........... 7 1. Geschäftsführer ..................................... 7 a) Bestellter Geschäftsführer ............. 7 b) Faktischer Geschäftsführer ......... 10 2. Pflichtverletzung ................................. 14 a) Sorgfaltspflicht ............................. 16 aa) Pflicht zur Einhaltung der Gesetze (Legalitätspflicht) .......... 17 bb) Sorgfaltspflicht i. e. S. .................. 24

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cc) Arbeitsteilung, Delegation, Überwachungspflicht, Compliance .................................. 27 dd) Unternehmerisches Ermessen und Business Judgment Rule ....... 36 b) Treuepflicht .................................. 42 aa) Förderpflichten ............................ 43 bb) Verbot der Ausnutzung der Organstellung ............................... 45 cc) Wettbewerbsverbot ...................... 47 dd) Geschäftschancenlehre ................ 52 ee) Verschwiegenheitspflicht ............ 57

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c) Handeln auf Weisung und mit Einverständnis ....................... 3. Verschulden ......................................... 4. Schaden ................................................ 5. Haftungsausfüllende Kausalität ......... 6. Mitverschulden .................................... 7. Beweislast ............................................. IV. Haftung mehrerer Geschäftsführer ... V. Privatautonome Modifikationen der Haftung ........................................ 1. Abdingbarkeit des § 43 und ihre Grenzen ............................................... 2. Verzicht und Vergleich ....................... 3. Entlastung ............................................ 4. Haftungsbefreiung und -erleichterung ......................................

I.

61 64 67 69 70 71 74 76 76 77 78

VI. Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs .................................. 80 VII. Verjährung (Abs. 4) .......................... 84 VIII. Haftung gegenüber den Gesellschaftern ................................... 87 IX. Haftung gegenüber Dritten .............. 90 1. Vertrag ................................................. 90 2. Rechtsscheinhaftung ........................... 91 3. Culpa in contrahendo ......................... 92 4. §§ 60, 61 InsO analog ......................... 96 5. Delikt ................................................... 97 6. Haftung für die Nichtabführung von Sozialversicherungsanteilen ....... 101 7. Steuerrechtliche Haftung des Geschäftsführers ............................... 111

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Zweck und dogmatische Einordnung der Norm

1

§ 43 regelt die Innenhaftung des Geschäftsführers für die Verletzung organschaftlicher Pflichten. Parallelnormen im Kapitalgesellschaftsrecht finden sich in § 93 AktG und § 34 GenG. Dogmatischer Ursprung der Haftung ist die Bestellung als Organ.1) Absatz 1 enthält den für den Geschäftsführer geltenden Sorgfaltsmaßstab. Die Vorschrift erfüllt eine Doppelfunktion: Einerseits legt sie den Verschuldensmaßstab des Geschäftsführers fest,2) andererseits regelt sie i. S. eines Auffangtatbestands den Inhalt seiner organschaftlichen Sorgfaltspflicht.3) Absatz 2 ist die Anspruchsgrundlage der GmbH.4) Absatz 3 enthält Sondervorschriften zugunsten der Gläubiger und eine spezielle Anspruchsgrundlage für die Verletzung der dort genannten Pflichten,5) Absatz 4 regelt die Verjährung des Anspruchs. Inwieweit diese Vorschriften zwingend oder dispositiv sind, ist sehr streitig (siehe Rn. 76).

2

Zweck des § 43 ist einerseits die Kompensation unrechtmäßig erlittener Einbußen (Wiedergutmachung), andererseits die Schadensvorbeugung (Verhaltenssteuerung).6) Kontrovers diskutiert wird die Frage, in wessen Interesse § 43 diese Funktionen erfüllt: im Interesse der Gesellschafter (interessenmonistisches Shareholder-Value_____________ 1)

2) 3)

4) 5)

6)

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Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 14 – „organschaftliche Sonderrechtsbeziehung“; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 4 – „ähnlich der Vertragshaftung auf privatautonomer Grundlage“. Unstr., s. nur Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 85 Rn. 3; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 15. KG Berlin, NZG 1999, 400; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 10; Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 53; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 11; Ebenroth/Lange, GmbHR 1992, 69, 70; Bellen/Stehl, BB 2010, 2579, 2580; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schnorbus, GmbHG, § 43 Rn. 14; a. A. Baumbach/ Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 8; Henssler/Strohn-Oetker, GesR, § 43 GmbHG Rn. 14; Heisse, Geschäftsführerhaftung, S. 15. Statt aller Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 1. S. etwa BGH, ZIP 2008, 2217, 2219 Rn. 17 = GmbHR 2008, 1319 = DB 2008, 2584, dazu EWiR 2009, 23 (Kort). Die genaue dogmatische Einordnung der Norm in das System der zivilrechtlichen Ansprüche ist str., s. dazu Habersack/Schürnbrand, WM 2005, 957, 958 f. Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 2; Saenger/Inhester-Lücke/Simon, GmbHG, § 43 Rn. 2; U. H. Schneider in: FS Werner, S. 795, 807.

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Modell) oder auch im Interesse Dritter, insbesondere Arbeitnehmer, Gläubiger und Öffentlichkeit (interessenpluralistisches Stakeholder-Value-Modell)? Diese Frage hat hohe Bedeutung: Rechtsdogmatisch kehrt sie i. R. vieler Einzelfragen zu § 43 wieder, etwa bei der Frage nach dem zulässigen Umfang haftungsbefreiender Gesellschafterweisungen (siehe Rn. 63) oder nach der Disponibilität der Geschäftsführerhaftung (siehe Rn. 76). Funktional geht es darum, inwieweit § 43 als gesellschaftsrechtliche Auffangregel zugunsten von Arbeitnehmer-, Gläubiger- und öffentlichen Interessen dient.7) Im Schrifttum tendiert man wohl überwiegend zu einem interessenpluralistischen Modell.8) Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich ausdrücklich auf kein Konzept festgelegt, tendiert aber zu einem interessenmonistischen Modell.9) Dies kommt vor allem in Entscheidungen zum Ausdruck, in denen die Interessen der Gesellschafter und Gläubiger konfligieren. Diese Rechtsprechung steht dogmatisch auf zwei Füßen: –

Dem Prinzip, dass ein vom Gesellschafterinteresse unabhängiges Gesellschaftsinteresse grundsätzlich nicht anzuerkennen ist, dass also das Kapital der GmbH oberhalb der Stammkapitalziffer zur freien Verfügung der Gesellschafter steht;10) und



dem § 43 Abs. 3 (e contrario) und § 46 Nr. 6 und 8 entnommenen Gedanken, dass die Geschäftsführerhaftung jenseits der von Absatz 3 erfassten Fälle zur Disposition der Gesellschafter steht.11)

Aus diesen Grundsätzen folgt zum einen, dass der auf Weisung handelnde Geschäftsführer außerhalb der Fälle der §§ 30, 33, 43 Abs. 3, § 15a InsO grundsätzlich _____________ 7) Vgl. Klöhn, ZGR 2008, 110, 117. 8) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 422 u. Rn. 368; Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 7 – Geschäftsführer ist auch auf das öffentliche Interesse verpflichtet und darf ihm Vorrang vor dem Gesellschaftsinteresse einräumen; wohl auch Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 10 – Pflichten gegenüber der Gesellschaft sind auch zum Schutz der Gläubiger auferlegt; unklar Baumbach/Hueck-Zöllner/ Noack, GmbHG, § 43 Rn. 20 – wo zwar auf das Konzept des Unternehmenswertes i. S. d. Art. 4.1.1. DCGK verwiesen, dieser aber i. S. eines Shareholder Value verstanden wird. Aus der oberlandesgerichtlichen Rspr. s. OLG Koblenz, NJW-RR 2000, 483, 484 = GmbHR 1999, 1201 = DStR 2000, 1447 – Wohl des Unternehmens; OLG Zweibrücken, NZG 1999, 506, 507 = GmbHR 1999, 715 – Unternehmensinteresse. 9) Deutlich BGH, ZIP 2003, 945, 946 = GmbHR 2003, 712 = DB 2003, 1107: „Nach der Rechtsprechung des Senates wird der Wille einer GmbH im Verhältnis zu ihrem Geschäftsführer grundsätzlich durch denjenigen ihrer Gesellschafter repräsentiert“, dazu EWiR 2004, 443 (Sinewe); ohne nähere Problematisierung auf das Unternehmensinteresse abstellend BGH, ZIP 1995, 738, 742 = NJW 1995, 738 = GmbHR 1995, 589, dazu EWiR 1995, 677 (H. P. Westermann) – Publikumsgesellschaft; BGH, ZIP 2007, 2331, 2333 = NJW 2008, 517 = DB 2007, 2647. 10) BGHZ 142, 92, 95 = ZIP 1999, 1352 = GmbHR 1999, 921, dazu EWiR 1999, 835 (Wilhelm); BGHZ 119, 257, 262 = ZIP 1992, 1734 = GmbHR 1993, 38, dazu EWiR 1992, 1203 (Kort); BGHZ 56, 97, 101 = DB 1971, 955 = NJW 1971, 1355; BGH, ZIP 2003, 945, 946 = GmbHR 2003, 712 = DB 2003, 1107, dazu EWiR 2004, 443 (Sinewe); BGH, ZIP 2000, 493 f = GmbHR 2000, 330 = NJW 2000, 1571; s. a. Gehrlein, BB 2004, 2585, 2593; Haas, NZG 1999, 1060, 1061 (Urteilsanm.). 11) BGH, ZIP 2002, 2128, 2129 = GmbHR 2002, 1197 = NJW 2002, 3777, dazu EWiR 2003, 119 (Blöse).

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nicht für eine Minderung des Gesellschaftsvermögens haftet (siehe Rn. 61 ff); zum anderen können die Gesellschafter außerhalb des Absatzes 3 grundsätzlich frei über die Haftung des Geschäftsführers verfügen (siehe Rn. 76 ff). 5

Diese Rechtsprechung überzeugt dogmatisch vor allem deshalb, weil es sich bei dem Geschäftsführer um ein von der Gesellschafterversammlung weisungsabhängiges Organ handelt.12) Sie ist auch aus rechtsvergleichender und rechtsökonomischer Sicht richtig.13) Sie sollte daher auf Interessenkonflikte zwischen Gesellschaftern und anderen Gruppen (Arbeitnehmer, Verbraucher, Öffentlichkeit etc.) übertragen werden und zu einem einheitlichen interessenmonistischen Modell führen.14) Der Geschäftsführer ist demnach grundsätzlich allein auf das Gesellschafts-(= Gesellschafter-)interesse verpflichtet, und zwar auch in der mitbestimmten GmbH.15) Doch sind auch die Grenzen dieses Konzepts zu beachten: –

Erstens sind Geschäftsführer zwar nicht verpflichtet, die Interessen anderer Stakeholder zu berücksichtigen; die Förderung solcher Interessen ist jedoch nicht verboten, weil sie gleichzeitig dem langfristigen Gesellschafterinteresse dienen kann.16)



Zweitens bedeutet die Bindung an das Gesellschafterinteresse nicht, dass das Gesellschafterinteresse grenzenlos schützenswert wäre (siehe Rn. 22 zur Problematik der „nützlichen Legalitätspflichtverletzung“).



Drittens ist mit dem vorstehenden Konzept kein Urteil darüber gefällt, ob die zwingend zu beachtenden Gläubigerbelange abschließend in § 15a InsO, § 43 Abs. 3 definiert sind (dazu siehe Rn. 63).17)



Viertens kommt es mit dem Eintritt der Insolvenzreife (§ 15a InsO) zu einem Wechsel des Bezugspunkts. Ab diesem Zeitpunkt muss sich der Geschäftsführer an den Gläubigerinteressen ausrichten, da diese das Residualrisiko tragen.18)

II. Verhältnis zu anderen Haftungsgrundlagen 6

Leges speciales zu § 43 finden sich in § 9a Abs. 1 und 3, § 57 Abs. 4, die in ihrem Anwendungsbereich § 43 verdrängen.19) § 64 Satz 3 geht § 43 vor, soweit seine Voraussetzungen erfüllt sind; im Übrigen bleibt § 43 anwendbar.20) Eine etwaige Haftung _____________ 12) Dazu bereits BGHZ 31, 258, 278 = GmbHR 1960, 43 = NJW 1960, 285. 13) Für die AG s. Klöhn, ZGR 2008, 110, 120 ff, 146 ff. 14) Ebenso Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 19; Bitter, ZInsO 2010, 1505, 1508 – kein vom Gesellschafterinteresse unabhängiges Gesellschaftsinteresse; Fleischer, GmbHR 2010, 1307, 1308 f. 15) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 20; Fleischer, GmbHR 2010, 1307, 1309 f. 16) Klöhn, ZGR 2008, 110, 155 Fn. 240; Fleischer, GmbHR 2010, 1307, 1309. 17) Etwa Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 64 f. 18) H.-F. Müller, ZGR 2018, 56, 84; Bitter, ZIP 2018, 986, 988; für die AG s. Klöhn, ZGR 2008, 110, 155 f; vgl. auch BGHZ 146, 264, 275 = ZIP 2001, 235 = GmbHR 2001, 190, dazu EWiR 2001, 329 (Priester) – freilich mit ausdrücklicher Bezugnahme nur auf § 64 Abs. 2 Satz 2 a. F. = § 64 Satz 2 n. F. 19) OLG Celle, NZG 2000, 1178, 1179 = GmbHR 2001, 243 – zu § 9a; OLG Rostock, GmbHR 1995, 658, 660 – zu § 9a; OLG Brandenburg, GmbHR 2018, 474, 475 – zu § 9a und § 57 Abs. 4; Wicke, GmbHG, § 43 Rn. 2. 20) K. Schmidt, GmbHR 2007, 1, 6; Hölzle, GmbHR 2007, 729, 731.

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des Geschäftsführers gegenüber der GmbH aus seinem Anstellungsvertrag kommt nach h. M. neben § 43 nicht in Betracht. Da es zu den organschaftlichen Pflichten des Geschäftsführers gehört, seinen Anstellungsvertrag zu beachten, „nimmt“ § 43 eine etwaige vertragliche Haftung „in sich auf“.21) Dies gilt aber nur für solche Vertragspflichten, die zugleich Organpflichten sind.22) Ist der Geschäftsführer gleichzeitig Gesellschafter und verletzt er seine mitgliedschaftliche Treuepflicht, konkurriert die hieraus resultierende Haftung mit der aus § 43 ideal.23) Gleiches gilt für eine etwaige deliktische Haftung des Geschäftsführers (§§ 823 ff BGB)24) und entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch für die Haftung aus angemaßter Eigengeschäftsführung (§ 687 Abs. 2 BGB).25) III. Voraussetzungen der Haftung 1.

Geschäftsführer

a) Bestellter Geschäftsführer Der Geschäftsführer muss grundsätzlich wirksam bestellt worden sein, auf die Wirksamkeit des Anstellungsverhältnisses kommt es nicht an.26) Bei fehlerhafter Bestellung ist § 43 anwendbar, wenn der Geschäftsführer geschäftsfähig ist und sein Amt annimmt27) oder ausübt.28) Fehlt es bereits an einem Bestellungsakt, kommt eine Haftung nur nach den Grundsätzen über den faktischen Geschäftsführer in Betracht (siehe Rn. 10). Fehlt dem Geschäftsführer die Amtsfähigkeit, scheidet eine Haftung gemäß § 43 aus,29) andere Bestellungshindernisse (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3) sind hin_____________ 21) BGH, ZIP 1997, 199, 200 = GmbHR 1997, 163 = DB 1997, 321, dazu EWiR 1997, 303 (Zimmermann); BGH, ZIP 1989, 1390, 1392 = GmbHR 1989, 365 = NJW 1989, 2697, dazu EWiR 1989, 779 (Gravenhorst); OLG Brandenburg, NZG 1999, 210, 211 = GmbHR 1999, 344; Goette, DStR 1998, 1308; a. A. (für Idealkonkurrenz) Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 18; K. Schmidt, GesR, § 36 II. 4. a); Hübner, Managerhaftung, S. 37 f; Fleck, ZIP 1991, 1269, 1270; wohl auch LG Berlin, GmbHR 2000, 234, 235. 22) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 10; Baumbach/HueckZöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 4; Henssler/Strohn-Oetker, GesR, § 43 GmbHG Rn. 3. 23) BGH, ZIP 1989, 1390, 1392 f = GmbHR 1989, 365 = NJW 1989, 2697, dazu EWiR 1989, 779 (Gravenhorst); OLG Köln, NZG 2000, 1137, 1138 = GmbHR 2001, 73 = DB 2001, 32; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 9. 24) BGH, ZIP 2005, 852, 853 = GmbHR 2005, 544 = DB 2005, 821; BGH, DStR 1997, 1735, 1736; BGH, NJW-RR 1992, 800, 801 = GmbHR 1992, 303 = DB 1992, 830; BGH, ZIP 1989, 1390, 1397 = GmbHR 1989, 365 = NJW 1989, 2697, dazu EWiR 1989, 779 (Gravenhorst); OLG Köln, ZInsO 2017, 1491 Rn. 66; LG Hannover, ZInsO 2016, 806 Rn. 31; ScholzU. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 19. 25) Im Ergebnis ebenso Fleck, ZIP 1991, 1269, 1272 f. Der BGH verneint demgegenüber grundsätzlich bereits das Vorliegen eines fremden Geschäfts, wenn der Geschäftsführer seine Geschäftsführungsbefugnis überschreitet, etwa BGH, ZIP 1989, 1390, 1393 f = GmbHR 1989, 365 = NJW 1989, 2697, dazu EWiR 1989, 779 (Gravenhorst). 26) BGHZ 41, 282, 287 = DB 1964, 802 = NJW 1964, 1367 – AG; BGH, NJW 1994, 2027 = GmbHR 1995, 128. 27) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 219; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 2; a. A. Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, Vor § 35 Rn. 11; ScholzU. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 22. 28) Vgl. BGHZ 41, 282, 287 = DB 1964, 802 = NJW 1964, 1367 – AG; Strohn, DB 2011, 158, 159. 29) BGHZ 150, 61, 68 = ZIP 2002, 848 = GmbHR 2002, 549, dazu EWiR 2002, 679 (Blöse) – juristische Person als Geschäftsführer; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 2.

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§ 43

Haftung der Geschäftsführer

gegen unschädlich.30) § 43 gilt auch in der Vor-GmbH31) und Unternehmergesellschaft (§ 5a).32) 8

Die Haftung beginnt mit der Bestellung des Geschäftsführers und endet mit der Beendigung der Organstellung, unabhängig davon, ob gleichzeitig das Anstellungsverhältnis endet.33) Die Eintragung im Handelsregister ist weder für die Bestellung noch für die Beendigung des Organverhältnisses konstitutiv.34) Nimmt der designierte Geschäftsführer die Tätigkeit vor der Bestellung auf, beginnt die Haftung mit der Aufnahme der Tätigkeit, unabhängig davon, ob die Voraussetzungen eines faktischen Geschäftsführers vorliegen.35) Entsprechendes gilt für die Fortsetzung der Geschäftsführertätigkeit nach der Abberufung.36) Soweit den Geschäftsführer nachwirkende Organpflichten nach Beendigung des Organverhältnisses treffen,37) greift § 43 bei Verletzung dieser Pflichten ein.38)

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§ 43 gilt auch für den stellvertretenden Geschäftsführer (§ 44), den gerichtlich bestellten Notgeschäftsführer, den Liquidator (§ 71 Abs. 4), den Nachtragsliquidator (§§ 66 Abs. 5, 71 Abs. 4)39) und den Arbeitsdirektor in mitbestimmten Gesellschaften.40) § 43 gilt für den Geschäftsführer in Eigenverwaltung (§ 270 InsO) und wird insbesondere nicht von der Haftung gemäß §§ 60, 61 InsO analog (siehe Rn. 97) verdrängt.41) § 43 gilt außerdem für den vorläufigen Insolvenzverwalter, der das Unternehmen im Insolvenzeröffnungsverfahren fortführt (§ 22 Abs. 1 Nr. 2 InsO), und den Insolvenzverwalter im eröffneten Insolvenzverfahren (§§ 27, 80 InsO). § 43 gilt hingegen nicht für Aufsichtsratsmitglieder42) (für diese gilt § 93 Abs. 1 und 2 AktG i. V. m. § 116 AktG i. V. m. § 52 Abs. 1 GmbHG) sowie für Prokuristen.43)

_____________ 30) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 2. 31) BGH, ZIP 1987, 1050 = GmbHR 1986, 302 = WM 1986, 789, dazu EWiR 1986, 587 (Weipert); OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 317, 318 = DB 1994, 371. 32) S. nur Rieder in: MünchKomm-GmbHG, § 5a Rn. 46. 33) BGHZ 47, 341, 343 = DB 1967, 1032 = NJW 1967, 1711 – AG; BGH, NJW 1994, 2027 = GmbHR 1995, 128. 34) BGH, ZIP 2003, 666, 667 = GmbHR 2003, 544 = DB 2003, 820; BGH, NJW 1994, 2027 = GmbHR 1995, 128. 35) BGH, ZIP 1987, 1050, 1051 = GmbHR 1986, 302 = WM 1986, 789, dazu EWiR 1986, 587 (Weipert); OLG München, GmbHR 2000, 732, 733 – GmbH & Co. KG. 36) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 217; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 17. 37) Monographisch Palzer, Fortwirkende organschaftliche Pflichten. 38) Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 219; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtZiemons, GmbHG, § 43 Rn. 48; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 2. 39) BGH, ZIP 2012, 1855 Rn. 17 = NZG 2012, 1076, dazu EWiR 2012, 793 (Bachmann) – Genossenschaft. 40) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 215; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtZiemons, GmbHG, § 43 Rn. 15. 41) Inzident BGH, ZIP 2018, 977 Rn. 30 ff; strengere Lesart des Urteils bei Bachmann/Becker, NJW 2018, 2235, 2237 („gibt keine Auskunft“). 42) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 39; Baumbach/HueckZöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 2. 43) BGHZ 148, 167, 169 f = ZIP 2001, 1458 = GmbHR 2001, 771, dazu EWiR 2001, 917 (Keil).

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§ 43

Haftung der Geschäftsführer

b) Faktischer Geschäftsführer Ohne Bestellungsakt kommt eine Haftung gemäß Absatz 2 analog44) unter dem Gesichtspunkt der faktischen Geschäftsführung in Betracht. Diese nicht unumstrittene Lehre45) steht dogmatisch auf dem Fundament dreier Wertungen: Ihr Haftungsgrund ist der Gedanke des Gleichlaufs von Herrschaft und Haftung.46) Begrenzend wirken zwei Umstände: zum einen die Tatsache, dass es – mit wenigen Ausnahmen (z. B. §§ 35, 41, 49 Abs. 3, § 15a InsO, § 34 AO) – keinen gesetzlich definierten Aufgabenbereich des Geschäftsführers gibt, sodass stets genau geprüft werden muss, ob jemand wie ein Geschäftsführer handelt;47) zum anderen das Prinzip der Allzuständigkeit der Gesellschafterversammlung, die dem Geschäftsführer dauerhaft Weisungen erteilen und die Geschäftsführung an sich ziehen kann, allein deswegen aber nicht dem Haftungsregime des Geschäftsführers unterworfen werden darf.48)

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Nach der Rechtsprechung ist faktischer Geschäftsführer, wer mit Wissen und Wollen der Gesellschaft49) nach dem Gesamterscheinungsbild des Auftretens die Geschicke der Gesellschaft – über die interne Einwirkung auf die satzungsmäßige Geschäftsführung hinaus – durch eigenes Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt, maßgeblich in die Hand genommen hat.50) Der faktische Geschäftsführer muss die Geschäftsführung tatsächlich übernommen haben, die bloße Möglichkeit der Geschäftsführung reicht nicht.51) Es ist nicht erforderlich, dass der faktische Geschäftsführer in allen Bereichen der Geschäftsführung tätig geworden ist; es genügt die Übernahme einzelner Geschäfts-

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_____________ 44) S. etwa BGHZ 119, 257, 261 = ZIP 1992, 1734 = GmbHR 1993, 38, dazu EWiR 1992, 1203 (Kort). 45) S. vor allem U. Stein, Das faktische Organ, S. 30 f; Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer, S. 99 f, 184 f. 46) BGHZ 104, 44, 47 f = ZIP 1988, 771 = GmbHR 1988, 299, dazu EWiR 1988, 905 (K. Schmidt) – Insolvenzantragspflicht; OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 317, 318 = DB 1994, 371. 47) BGH, NJW 1997, 1985, 1986 f = ZIP 1997, 978 = GmbHR 1997, 705; Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 24; Baumbach/Hueck-Zöllner/ Noack, GmbHG, § 43 Rn. 3. 48) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 25; Baumbach/HueckZöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 3. 49) BGHSt 31, 118, 122 = ZIP 1983, 173 = GmbHR 1983, 43; BGHSt 21, 101, 103 = NJW 1966, 2225 = BB 1966, 959; BGHSt 3, 32, 38; BGH, GmbHR 1990, 173 (LS); Lutter/ Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 3; a. A. Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 234; Schürnbrand, Organschaft, S. 306 f. 50) BGHZ 150, 61, 69 f = ZIP 2002, 848 = GmbHR 2002, 549, dazu EWiR 2002, 679 (Blöse); BGHZ 104, 44, 48 = ZIP 1988, 771 = GmbHR 1988, 299, dazu EWiR 1988, 905 (K. Schmidt) – Insolvenzantragspflicht; BGH, ZIP 2008, 1026, 1027 = GmbHR 2008, 702 = DB 2008, 1202, dazu EWiR 2008, 237 (Kleinschmidt/Lau); BGH, ZIP 2005, 1414, 1415 = GmbHR 2005, 1126 = DB 2005, 1787; BGH, ZIP 2005, 1550 = GmbHR 2005, 1187 = NZG 2005, 816, dazu EWiR 2005, 731 (Bork); OLG Brandenburg, NZG 2001, 807, 808 = ZInsO 2001, 76 – Insolvenzantragspflicht; OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 317, 318 = DB 1994, 371; OLG Köln, GmbHR 2012, 1358, 1360 – Insolvenzantragspflicht; OLG München, ZIP 2010, 2295, 2296 = NZI 2011, 52 = WM 2011, 40, dazu EWiR 2011, 317 (Kleinschmidt/ Dinh Van); OLG München, Urt. v. 22.6.2017 – 23 U 1099/17, juris, Rn. 33. 51) KG Berlin, NZG 2000, 1032, 1033 = GmbHR 2000, 1265 – Vorbereitung eines Kaufvertrags nicht ausreichend.

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§ 43

Haftung der Geschäftsführer

führungsaufgaben.52) Auch muss der faktische Geschäftsführer den oder die bestellten Geschäftsführer nicht verdrängen.53) Gleichwohl muss der faktische Geschäftsführer in dem Fall, dass neben ihm noch ein bestellter Geschäftsführer tätig ist, die Geschäftsführungsaufgabe „in maßgeblichem Umfang“ wahrnehmen.54) Entscheidend sind die Intensität der Unternehmensführung55) und die Dauer der Tätigkeit.56) 12

Umstritten ist das vom Bundesgerichtshof aufgestellte Erfordernis des Handelns im Außenverhältnis.57) Richtigerweise ist es kein zwingendes Erfordernis faktischer Geschäftsführung.58) Auch der hinter einem Strohmann-Geschäftsführer Stehende kann daher faktischer Geschäftsführer sein.59) Die Ausübung von Gesellschafterrechten (z. B. Weisungsrecht) begründet gleichwohl nie die Stellung als faktischer Geschäftsführer, selbst wenn die Gesellschafter Aufgaben an sich ziehen, die originär dem Geschäftsführer zugewiesen sind, und den bestellten Geschäftsführer zum „Befehlsempfänger“ degradieren.60) Insbesondere der Allein- oder herrschende Gesell-

_____________ 52) OLG Düsseldorf, NZG 2000, 312, 313 = AG 2000, 365. 53) BGHZ 150, 61, 69 f = ZIP 2002, 848 = GmbHR 2002, 549, dazu EWiR 2002, 679 (Blöse); BGHZ 104, 44, 48 = ZIP 1988, 771 = GmbHR 1988, 299, dazu EWiR 1988, 905 (K. Schmidt) – Insolvenzantragspflicht; OLG Düsseldorf, NZG 2000, 312, 313 = AG 2000, 365; OLG Köln, GmbHR 2012, 1358, 1360 – Insolvenzantragspflicht; OLG München, ZIP 2010, 2295, 2296 = NZI 2011, 52 = WM 2011, 40, dazu EWiR 2011, 317 (Kleinschmidt/Dinh Van); OLG München, Urt. v. 22.6.2017 – 23 U 1099/17, juris, Rn. 33; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 229; Strohn, DB 2011, 158, 159; a. A. BGHZ 75, 96, 106 = NJW 1979, 1823 = DB 1979, 1689 – Insolvenzantragspflicht in der KGaA; U. Stein, Das faktische Organ, S. 184 ff. 54) BGHZ 150, 61, 69 f = ZIP 2002, 848 = GmbHR 2002, 549, dazu EWiR 2002, 679 (Blöse); BGHZ 104, 44, 48 = ZIP 1988, 771 = GmbHR 1988, 299, dazu EWiR 1988, 905 (K. Schmidt) – Insolvenzantragspflicht; BGH, ZIP 2005, 1550 Rn. 8; OLG München, Urt. v. 22.6.2017 – 23 U 1099/17, juris, Rn. 33; Geißler, GmbHR 2003, 1106, 1112. 55) BGHZ 104, 44, 48 = ZIP 1988, 771 = GmbHR 1988, 299, dazu EWiR 1988, 905 (K. Schmidt) – Insolvenzantragspflicht; inzident OLG Brandenburg, NZG 2001, 807, 808 = ZInsO 2001, 76 – Insolvenzantragspflicht; s. ferner Roth, ZGR 1989, 421, 424 ff. 56) OLG Brandenburg, NZG 2001, 807, 808 = ZInsO 2001, 76 – Insolvenzantragspflicht; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 230. 57) Krit. etwa Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 117; Schürnbrand, Organschaft, S. 307 ff; Burgard, NZG 2002, 606, 608; Fleischer, AG 2004, 517, 525. 58) Ebenso etwa Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 231 ff; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 28c; Schürnbrand, Organschaft, S. 307 ff; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 117; Burgard, NZG 2002, 606, 608; Fleischer, AG 2004, 517, 525; diff. Strohn, DB 2011, 158, 161. 59) Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 28a; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 3. 60) BGHZ 150, 61, 69 f = ZIP 2002, 848 = GmbHR 2002, 549, dazu EWiR 2002, 679 (Blöse) – mit dem Argument, dies sei eine rein interne Einwirkung; BGH, ZIP 2005, 1414, 1415 f = GmbHR 2005, 1126 = DB 2005, 1787; BGH, GmbHR 1974, 7, 8 f = DB 1973, 234 = WM 1973, 1318 – zu § 64 GmbHG; Mertens in: FS Fischer, S. 461, 464 ff; Cahn, ZGR 2003, 298, 314 f; Konzen, NJW 1989, 2977, 2985; a. A. OLG Jena, ZIP 2002, 631, 632 = GmbHR 2002, 112 = Rpfleger 2002, 215, dazu EWiR 2002, 243 (Meyke) – Insolvenzverschleppungshaftung; schon konzeptionell anders Wilhelm, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 285 ff; ähnlich Flume, Die juristische Person, S. 61, 85 ff; Altmeppen, ZIP 2001, 1837, 1843 f; Altmeppen, NJW 2002, 321, 323 f; dagegen etwa Röhricht in: FS 50 Jahre BGH, S. 83, 103 f.

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§ 43

Haftung der Geschäftsführer

schafter wird durch die Wahrnehmung von Gesellschafterrechten nicht zum faktischen Geschäftsführer.61) Liegen die Voraussetzungen faktischer Geschäftsführung vor, so gelten auf Rechtsfolgenseite grundsätzlich alle für die Haftung aus Absatz 2 geltenden Regeln, insbesondere auch die Absätze 3 und 4. Der faktische Geschäftsführer darf keiner strengeren Haftung unterliegen als der bestellte Geschäftsführer.62) Selbst wenn daher das Verhalten eines Alleingesellschafters die Voraussetzungen faktischer Geschäftsführung erfüllt, haftet dieser daher nur, soweit die Grenzen der Weisungsbefugnis gemäß Absatz 3 erreicht sind, da er seine eigenen Weisungen ausführt (siehe Rn. 63).63) Eine juristische Person kann nicht faktischer Geschäftsführer sein (arg ex § 6 Abs. 2 Satz 1).64) 2.

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Pflichtverletzung

Der Geschäftsführer muss eine organschaftliche Pflicht gegenüber der Gesellschaft verletzt haben. Davon abzugrenzen sind nichtdienstliche, höchstens „bei Gelegenheit“ der Geschäftsführung ausgeführte Tätigkeiten, die nicht in der Organstellung „wurzeln“ (Standardbeispiel:65) der Unfall mit dem Dienstwagen auf einer privaten Autofahrt).66) In diesen Fällen greift nicht § 43 ein, es kann aber eine sonstige Pflicht gegenüber der Gesellschaft verletzt sein, z. B. aus dem Anstellungsvertrag (Vertretenmüssen nach § 276 BGB).

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In der Literatur finden sich verschiedene Ansätze zur Ordnung der Geschäftsleiterpflichten.67) Rechtsvergleichend68) und mittlerweile auch hierzulande hat sich die Unterscheidung zwischen Sorgfalts- („duty of care“) und Treuepflicht („duty of loyalty“) eingeschliffen, obwohl Letztere in § 43 Abs. 1 nicht ausdrücklich genannt wird.69) Nutzen bringt diese Unterscheidung vor allem deshalb, weil die auch im GmbH-Recht anerkannte „business judgment rule“ auf Treuepflichtverletzungen keine Anwendung findet (siehe Rn. 37).

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_____________ 61) BGHZ 31, 258, 277 f = GmbHR 1960, 43 = NJW 1960, 285; Michalski/Heidinger/ Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 32; a. A. Wilhelm, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 386 f. 62) BGHZ 119, 257, 261 = ZIP 1992, 1734 = GmbHR 1993, 38, dazu EWiR 1992, 1203 (Kort); KG Berlin, NZG 2000, 1032 = GmbHR 2000, 1265; Windbichler, JR 1994, 60, 61 (Urteilsanm.). 63) BGHZ 119, 257, 261 = ZIP 1992, 1734 = GmbHR 1993, 38, dazu EWiR 1992, 1203 (Kort); KG Berlin, NZG 2000, 1032 f = GmbHR 2000, 1265. 64) BGHZ 150, 61, 68 = ZIP 2002, 848 = GmbHR 2002, 549, dazu EWiR 2002, 679 (Blöse); a. A. Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 235. 65) Vgl. OLG Koblenz, GmbHR 1999, 344 = NJW-RR 1999, 911 = DB 1999, 522, dazu EWiR 1999, 607 (Zimmermann), das dies allerdings nicht problematisiert und offenbar von einer Dienstfahrt ausgeht. 66) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 56 f; Baumbach/HueckZöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 10; enger Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 15. 67) S. etwa die „10 Gebote an den Geschäftsführer“ von Lutter, GmbHR 2000, 301, 302 ff. 68) S. nur Kraakman et al., The Anatomy of Corporate Law, S. 161 ff. 69) Für eine Kodifizierung der Treuepflicht Fleischer, ZIP 2014, 1971, 1971 f.

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Haftung der Geschäftsführer

a) Sorgfaltspflicht 16

Die Sorgfaltspflicht hält den Geschäftsführer ganz allgemein dazu an, sein Amt mit der erforderlichen Obacht auszuüben. Diese Pflicht lässt sich weiter aufspalten in die Pflicht zur Einhaltung der Gesetze (siehe Rn. 17 ff), zur sorgfältigen Ausfüllung des eigenen Pflichtenkreises (siehe Rn. 24 f) und zur Überwachung anderer Geschäftsführer, nachgeordneter Unternehmensangehöriger und Dritter (siehe Rn. 27 ff), wobei die Abgrenzung dieser Pflichten nicht immer trennscharf möglich ist. aa) Pflicht zur Einhaltung der Gesetze (Legalitätspflicht)

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Der Geschäftsführer muss sich bei seiner Amtsführung gesetzestreu verhalten.70) Er muss alle Vorschriften einhalten, die seine Pflichten gegenüber der GmbH konkretisieren (interne Pflichtenbindung, siehe Rn. 18 ff), und dafür sorgen, dass die Gesellschaft in ihren Außenbeziehungen rechtmäßig handelt (externe Pflichtenbindung, siehe Rn. 21 ff).

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Die interne Pflichtenbindung wird durch einige Vorschriften des GmbHG (z. B. § 41), den Unternehmensgegenstand und weitere Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags sowie ggf. des Anstellungsvertrags71) konkretisiert. Die Bindung an den Unternehmensgegenstand begründet negativ die Pflicht, die Grenzen einzuhalten, die sich aus dem Gegenstand ergeben,72) positiv die Pflicht, den Unternehmensgegenstand nach besten Anstrengungen auszufüllen.73)

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Der Geschäftsführer hat darüber hinaus eine Pflicht zur Wahrung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung. Diese Pflicht hat wiederum zwei Dimensionen. Gegenüber anderen Organen ist der Geschäftsführer zur Beachtung einschlägiger Zuständigkeitsbeschränkungen verpflichtet,74) z. B. in Form von Zustimmungs- und Mitwirkungsvorbehalten.75) Weisungen sind zu befolgen (Folgepflicht).76) Einberufungs-, Vorbereitungs-, Berichts-, Auskunfts- und Beratungspflichten gegenüber anderen Organen (etwa § 49 Abs. 3)77) muss der Geschäftsführer nachkommen.78) Schließ_____________ 70) Umfassend hierzu Thole, ZHR 173 (2009), 504; zur konzernweiten Dimension etwa Verse, ZHR 175 (2011), 401. 71) Dazu etwa KG Berlin, GmbHR 2005, 477, 478; OLG München, GmbHR 2018, 733. 72) BGH, ZIP 2013, 455 Rn. 16 = NZG 2013, 293 – Corealcredit Bank, dazu EWiR 2013, 261 (E. Vetter) – AG; BGH, ZIP 1995, 738, 745 = NJW 1995, 1353 = GmbHR 1995, 589, dazu EWiR 1995, 677 (H. P. Westermann); BayObLG, GmbHR 1976, 38. 73) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 28; im Aktienrecht etwa OLG Köln, ZIP 2009, 1469, 1470 = AG 2009, 416 = BB 2009, 281, dazu EWiR 2009, 395 (Pluskat); Klöhn, Aktien- und umwandlungsrechtliche Abfindungsansprüche, S. 297; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 300 ff. 74) BGH, ZIP 1995, 560, 561 f = GmbHR 1995, 299 = BB 1995, 975, dazu EWiR 1995, 785 (Wittkowski); vgl. OLG München, ZIP 1998, 23, 24 = AG 1997, 575 = DB 1998, 255, dazu EWiR 1997, 917 (Reiff) – AG; OLG Naumburg, ZIP 2014, 1735; OLG Saarbrücken, ZIP 2014, 822, 823 = NZG 2014, 343, dazu EWiR 2014, 349 (Rahlmeyer) – AG; Freund, GmbHR 2009, 1185, 1189. 75) BGH, GmbHR 1995, 299, 301 = ZIP 1995, 560 = BB 1995, 975, dazu EWiR 1995, 785 (Wittkowski) – Zustimmungsvorbehalt; OLG München, NZG 2000, 741, 742 f = AG 2000, 426 = GmbHR 2000, 1205 – KGaA; OLG München, GmbHR 2018, 733 f. 76) Implizit OLG München, Urt. v. 1.12.2016 – 23 U 2755/13, BeckRS 2016, 20512, Rn. 28 ff. 77) BGH, ZIP 1995, 560, 561 f = GmbHR 1995, 299, 300 = BB 1995, 975, dazu EWiR 1995, 785 (Wittkowski). 78) Etwa BGHZ 20, 239, 246 = NJW 1956, 906 – AG.

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lich trifft den Geschäftsführer eine Pflicht zur vertrauensvollen und kollegialen Zusammenarbeit mit den anderen Gesellschaftsorganen;79) insbesondere darf der Geschäftsführer nicht andere Organe der Gesellschaft willkürlich ungleich behandeln.80) Im Verhältnis zu seinen Kollegen trifft den Geschäftsführer eine allgemeine Pflicht zur vertrauensvollen und kollegialen Zusammenarbeit,81) die freilich nicht verbietet, andere zuständige Organe von den Pflichtwidrigkeiten eines Mitgeschäftsführers zu unterrichten (siehe Rn. 30). Der Geschäftsführer muss dafür sorgen, dass die Zusammensetzung der Geschäftsführung dem Gesetz entspricht und die Geschäftsordnung eingehalten wird.82) Schließlich muss der Geschäftsführer darauf achten, dass die (sonstigen) gesetzlichen Vorgaben über die Unternehmensorganisation eingehalten werden, z. B. zur Schaffung eines Betriebsrats oder zur Einsetzung von Betriebsbeauftragten (etwa des Datenschutzbeauftragten oder Störfallbeauftragten). Auch gegenüber diesen Organen ist der Geschäftsführer verpflichtet, vertrauensvoll und kollegial zusammenzuarbeiten.83) Der Geschäftsführer muss dafür sorgen, dass die GmbH in ihren Außenrechtsbeziehungen rechtmäßig handelt.84) Eine Pflicht zur Einhaltung der Geschäftsmoral besteht entgegen anderslautenden Stellungnahmen85) abseits rechtlicher Verfestigungen dieser Moral (etwa gemäß §§ 138, 242 BGB, § 347 HGB) „nur“ insoweit, als ihre Verletzung zu einem Reputationsschaden der Gesellschaft führen kann und daher nicht im Gesellschaftsinteresse liegt.86) Die Entscheidung über die Einhaltung der Geschäftsmoral unterliegt daher ebenso grundsätzlich der „business judgment rule“ (siehe Rn. 36 ff) wie die Entscheidung darüber, ob die Gesellschaft ihre vertraglichen Pflichten erfüllen87) oder ihre vertraglichen Ansprüche durchsetzen88) soll. Selbstverständlich _____________ 79) Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 140 ff; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtZiemons, GmbHG, § 43 Rn. 84. 80) OLG München, GmbHR 1997, 1103, 1103 f = ZIP 1997, 1965 = BB 1997, 2341. 81) Vgl. BGH, NJW-RR 1998, 1409 = AG 1998, 519 = WM 1998, 1779, dazu EWiR 1998, 813 (Schneider) – AG; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 58; ScholzU. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 140. 82) BGH, ZIP 1995, 560, 561 f = GmbHR 1995, 299, 300 f = BB 1995, 975, dazu EWiR 1995, 785 (Wittkowski) – Einhaltung der Geschäftsordnung; OLG Hamm, ZIP 1995, 1263, 1268 = AG 1995, 512 – AG und zur Einhaltung der Geschäftsordnung. 83) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 90. 84) BGHZ 176, 204, 220 f Rn. 38 = ZIP 2008, 1232 = GmbHR 2008, 805 – Gamma, dazu EWiR 2008, 493 (Bruns); BGH, ZIP 1995, 1021, 1030 = DB 1995, 1902 = AG 1995, 379, dazu EWiR 1995, 781 (Henckel) – AG; BGH, ZIP 1988, 512, 514 = NJW 1988, 1321 = DB 1988, 698, dazu EWiR 1988, 887 (Loos); KG Berlin, NZG 1999, 400; BAGE 154, 162 Rn. 19. 85) Hachenburg-Mertens, GmbHG, § 43 Rn. 20; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 63. 86) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 32; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 51; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 77; für § 93 AktG: Fleischer, ZIP 2005, 141, 144. 87) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 40; Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 132 f; Windbichler, ZGR 1989, 434, 437; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 518 f; U. H. Schneider in: FS Hüffer, S. 905, 908 ff; Habersack in: FS U. H. Schneider, S. 429, 436 ff; a. A. Wiedemann, ZGR 2011, 183, 199. 88) BGH, ZIP 2013, 1712 Rn. 50 = GmbHR 2013, 1044, dazu EWiR 2013, 775 (Weipert) – GmbH & Co. KG (insoweit in BGHZ 197, 304 nicht abgedr.); Wiersch, NZG 2013, 1206, 1207.

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darf der Geschäftsführer keine Pflichten eingehen, die die Gesellschaft von vornherein nicht wird erfüllen können.89) 22

Während Gesetzesverstöße in Einzelfällen durch Rechtfertigungsgründe gedeckt sein mögen,90) ist eine allgemeine Ausnahme von der Legalitätspflicht bei „nützlichen“, d. h. im Gesellschaftsinteresse liegenden Gesetzesverstößen nicht anzuerkennen.91) Dies gilt auch nach dem hier vertretenen interessenmonistischen Konzept (siehe Rn. 5), weil ein anzuerkennendes Gesellschafterinteresse nur i. R. der allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen existiert.

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Ist die Rechtslage unklar, hat der Geschäftsführer grundsätzlich die Pflicht, fachkundigen internen oder externen Rechtsrat heranzuziehen, wobei man selbstverständlich nicht verlangen kann, dass der Geschäftsführer jedwede rechtlichen Implikationen seiner Entscheidungen vorhersieht.92) Unterliegt er dennoch einem Rechtsirrtum, scheidet seine Haftung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mangels Verschuldens aus (zu den Voraussetzungen siehe Rn. 66).93) Bei eilbedürftigen Entscheidungen genügt grundsätzlich eine summarische Prüfung.94) Schließlich steht dem Geschäftsführer die Möglichkeit offen, sich mit vertretbaren Gründen über Rechtsvorschriften hinwegzusetzen, um ihre Gültigkeit oder Auslegung durch Verwaltungsbehörden und Gerichte in Frage zu stellen.95) Ein darüber hinausgehender Beurteilungsspielraum, z. B. nach dem Vorbild der „business judgment rule“ (Legal Judgment Rule), ist de lege lata nicht anzuerkennen, weil ansonsten die Voraussetzungen des haftungsbefreienden Rechtsirrtums im Gesellschaftsrecht andere wären als im allgemeinen Zivilrecht und für eine solche Divergenz kein hinreichender Grund besteht.96) bb) Sorgfaltspflicht i. e. S.

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Der Geschäftsführer muss die ihm übertragenen Aufgaben mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes i. S. d. Absatzes 1 erfüllen. Geschuldet ist die Sorgfalt _____________ 89) BGHZ 176, 204, 220 Rn. 38 = ZIP 2008, 1232 = GmbHR 2008, 805 – Gamma, dazu EWiR 2008, 493 (Bruns); BGH, ZIP 1988, 512, 514 = NJW 1988, 1321 = DB 1988, 698, dazu EWiR 1988, 887 (Loos). 90) Hierzu Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 41. 91) LAG Düsseldorf, ZIP 2015, 829 Rn. 149; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 43; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 66; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 78; Bayer, GmbHR 2014, 897, 900; Fleischer, NJW 2009, 2337, 2338; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 516 f; vgl. auch BGHSt 52, 323, 333 Rn. 36 = ZIP 2008, 2315 = NJW 2009, 89 – Siemens, dazu EWiR 2009, 253 (Marxen/Taschner); BGHSt 55, 266, 275 f Rn. 29 = ZIP 2010, 1892 = GmbHR 2010, 1146 – Trieneken, dazu EWiR 2010, 797 (Wessing); a. A. Kocher, CCZ 2009, 215, 218 f. 92) Etwa Binder, AG 2012, 885, 890; Binder, ZGR 2012, 757, 770; weniger streng Bicker, AG 2014, 8, 10 (bei erheblicher Bedeutung der Sache). 93) Kritisch zu dieser dogmatischen Verankerung Sander/Schneider, ZGR 2013, 725, 731 ff – Geschäftsleiter handelt pflichtgemäß; ähnlich Taube, Business Judgment Rule und Geschäftsführer, S. 48 ff. 94) Fleischer, ZIP 2005, 141, 150. 95) Fleischer, ZIP 2005, 141, 150; Spindler in: FS Canaris 2007, S. 403, 414 f, 422 f. 96) Ebenso Bachmann, 70. DJT, 2014, S. E 45; Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2257; Fleischer, DB 2014, 1971, 1974; vermittelnd Spindler, AG 2013, 889, 892 – im Bereich des Rechtsirrtums anzusiedeln, Anforderungen entsprechen aber denen des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG; a. A. Taube, Business Judgment Rule und Geschäftsführer, S. 48 ff.

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eines selbständigen treuhänderischen Verwalters fremder Vermögensinteressen in verantwortlich leitender Position.97) Der Inhalt dieser Pflicht ist abhängig vom Einzelfall98) und kann nicht abschließend definiert werden.99) Entscheidende Faktoren sind insbesondere die übertragene Führungsaufgabe,100) die Art, Größe und Struktur des Unternehmens101) sowie des Industriezweigs und die Situation des Unternehmens,102) die Konjunkturlage,103) die Bedeutung der Geschäftsführungsmaßnahme104) und die Risikoeinstellung der Gesellschafter. Zur Konkretisierung der Geschäftsleiterpflichten können herangezogen werden: der Anstellungsvertrag, die jeweiligen Berufspflichten der einschlägigen Branche, betriebswirtschaftliche Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensplanung und -leitung, soweit sie in der Betriebswirtschaftslehre anerkannt sind und sich in der Praxis bewährt haben,105) nicht ohne Weiteres jedoch der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK).106) Zu den Sorgfaltspflichten i. e. S. gehört z. B. die Pflicht zur Unternehmensplanung und -steuerung, zur Überwachung der Liquiditäts- und Finanzlage,107) insbesondere zur Risikoüberwachung (inhaltlich abhängig von Größe, Komplexität, Risikoprofil und Fi_____________ 97) RGZ 64, 254, 257; OLG Brandenburg, NZG 2001, 756; OLG Bremen, GmbHR 1964, 8, 9; OLG Celle, NZG 2000, 1178, 1179 = GmbHR 2001, 243; OLG Düsseldorf, GmbHR 1995, 227; OLG Jena, NZG 1999, 121, 122 = GmbHR 1999, 346; OLG Koblenz, GmbHR 1991, 416, 417; OLG Naumburg, ZIP 2014, 1735; OLG Oldenburg, GmbHR 2006, 1263, 1264; OLG Zweibrücken, NZG 1999, 506, 506 f = GmbHR 1999, 715; Hopt, ZGR 2004, 1, 18. 98) BGH, ZIP 1995, 591, 592 = GmbHR 1995, 451 = NJW 1995, 1290. 99) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 48. 100) RGZ 163, 200, 208 f – Genossenschaft; OLG Rostock, BeckRS 2004, 30341685 sub B. II. 1. a); OLG Düsseldorf, ZIP 1997, 27, 32 = AG 1997, 231 – AG; Fleischer in: MünchKommGmbHG, § 43 Rn. 48. 101) OLG Zweibrücken, NZG 1999, 506, 507 = GmbHR 1999, 715; Fleischer in: MünchKommGmbHG, § 43 Rn. 48; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schnorbus, GmbHG, § 43 Rn. 13. 102) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 39; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 91 f; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 10. 103) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 48; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtZiemons, GmbHG, § 43 Rn. 414. 104) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 414; Baumbach/HueckZöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 9. 105) Zu dieser berechtigten Einschränkung Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 55. 106) Dies folgt zwar nicht schon aus dem Anwendungsbereich des DCGK (s. Präambel DCGK: „Der Kodex richtet sich in erster Linie an börsennotierte Gesellschaften und Gesellschaften mit Kapitalmarktzugang i. S. d. § 161 Abs. 1 Satz 2 des Aktiengesetzes. Auch nicht kapitalmarktorientierten Gesellschaften wird die Beachtung des Kodex empfohlen“). Ausweislich der Gesetzesmaterialien stellt der DCGK jedoch nur eine unverbindliche Verhaltensempfehlung dar (Begr. RegE BT-Drucks. 14/8769, S. 21). Er hat maßstabsbildende Funktion daher nur, soweit die Gesellschafter ihn mit Rechtswirkung zum Maßstab des Geschäftsführerhandelns machen (z. B. durch Bezugnahme im Gesellschaftsvertrag); ebenso Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 54. 107) BGH, GmbHR 1994, 539, 545 = ZIP 1994, 1103 = NJW 1994, 2220, dazu EWiR 1994, 791 (Wilhelm); BGH, GmbHR 1995, 299, 300 = ZIP 1995, 560 = BB 1995, 975, dazu EWiR 1995, 785 (Wittkowski); BGH, NZG 2012, 940 Rn. 11 – Insolvenzantragspflicht; OLG Celle, GmbHR 2000, 942 (1. LS) – zu § 64; OLG Düsseldorf, GmbHR 1993, 159, 160, dazu EWiR 1992, 1207 (Johlke) – zu § 64; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 63; Altmeppen, ZGR 1999, 291, 300 ff; Geißler, DZWiR 2011, 309, 310; Schoberth/Servatius/Thess, BB 2006, 2571, 2575; a. A. Hommelhoff in: FS Sandrock, S. 373, 376 f.

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nanzlage des Unternehmens),108) die Pflicht, sich laufend über alle wesentlichen Angelegenheiten des Unternehmens zu informieren und hierbei auch die Bücher einzusehen,109) sowie die Pflicht zur Geltendmachung der Forderungen der Gesellschaft, insbesondere auch gegenüber den Gesellschaftern.110) Kredite dürfen nicht ohne Bonitätsprüfung oder ausreichende Sicherheiten gewährt werden; das Kreditrisiko ist fortwährend zu überwachen.111) Dies gilt auch für Kredite an verbundene Unternehmen.112) Auch darf der Geschäftsführer den Angestellten keine unangemessene Vergütung gewähren,113) insbesondere keine Anerkennungsprämien, die ausschließlich belohnenden Charakter haben und der Gesellschaft keinen zukünftigen Nutzen stiften.114) Während die Verursachung der Insolvenz der GmbH für sich genommen nicht pflichtwidrig ist, handelt der Geschäftsführer jedenfalls dann sorgfaltswidrig, wenn er eine i. S. d. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 826 BGB existenzvernichtende Weisung der Gesellschafter ausführt, obwohl er die Folgen dieser Weisung erkennen konnte.115) Zur fehlenden haftungsbefreienden Wirkung einer entsprechenden Weisung siehe Rn. 63. Andererseits handelt der Geschäftsführer pflichtwidrig, wenn er vorzeitig einen Insolvenzantrag stellt, ohne dass ein Antragsrecht bestand.116) 26

Die rechtswissenschaftliche Literatur bietet zahlreiche Handreichungen zu den Sorgfaltspflichten in bestimmten Einzelbereichen, etwa – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – zur Haftung in der Bauwirtschaft,117) zum IT-Risikomanagement118) und zur Datensicherheit,119) zur Produktsicherheit,120) zum Reputationsmanagement,121) zur Pflichtenlage im Zusammenhang mit Kulanzleistungen,122) zum Einsatz komplexer Finanzinstrumente i. R. d. Risikomanagements,123) zur Sicherstellung eines risikoadäquaten Versicherungsschutzes,124) zum Risikomanagement in der internatio_____________ 108) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 61. 109) OLG München, GmbHR 2000, 732, 733 – GmbH & Co. KG; OLG Rostock, BeckRS 2004, 30341685 sub B. II. 1. a). 110) Vgl. LG Wiesbaden, ZIP 2013, 2060, 2061 = BB 2013, 1730 – Einlageforderung der Gesellschaft. 111) BGH, ZIP 2017, 971 Rn. 22. 112) BGHZ 179, 71 Rn. 14 = ZIP 2009, 70 = NJW 2009, 850, dazu EWiR 2009, 129 (Blasche) – MPS, zu § 93 AktG. 113) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 20. 114) Vgl. BGHSt 50, 331, 336 ff = ZIP 2006, 72 = NJW 2006, 522 – Mannesmann, dazu EWiR 2006, 187 (Reiner/Geuter). 115) BGHZ 176, 204, 220 f Rn. 38 f = ZIP 2008, 1232 = GmbHR 2008, 805 – Gamma, dazu EWiR 2008, 493 (Bruns); BGH, ZIP 1988, 512, 514 = NJW 1988, 1321 = DB 1988, 698, dazu EWiR 1988, 887 (Loos); Gloger/Goette/Japing, ZInsO 2008, 1051, 1058; Lutter/ Banerja, ZIP 2003, 2177, 2179; Ulrich, GmbHR 2008, 810, 813 (Urteilsanm.). 116) Vgl. OLG München, ZIP 2013, 1121, 1122 f = GmbHR 2013, 590, dazu EWiR 2013, 483 (T. Jakobs/P. Hoffmann) – GmbH & Co. KG; Saenger/Al-Wraikat, NZG 2013, 1201, 1204 ff. 117) Freund, NJW 2013, 2545, 2548 ff. 118) v. Holleben/Menz, CR 2010, 63; König, AG 2017, 262; Spindler, CR 2017, 715. 119) Bergt, CR 2014, 726; Klett/Lee, CR 2008, 644; Krupna, BB 2014, 2250. 120) Fischer/Schucht, BB 2018, 67. 121) Seibt, DB 2015, 171. 122) Wiersch, NZG 2013, 1206. 123) Kessler, BB 2013, 1098. 124) Koch, ZGR 2006, 184.

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nalen Vertragsgestaltung,125) zur Errichtung und zum Betrieb von Windparks,126) zum Einsatz von Algorithmen bei Leitungsaufgaben,127) zu Beobachtungspflichten und der Krisenfrüherkennung128) sowie zur Haftung in der Krise der Gesellschaft.129) cc) Arbeitsteilung, Delegation, Überwachungspflicht, Compliance Die Aufgaben der Geschäftsführung können einzelnen Geschäftsführern zugewiesen sein (Einzelaufgaben) oder der Geschäftsführung als Organ (Gesamtaufgaben). Innerhalb der Gesamtaufgaben unterscheidet man Pflichtaufgaben, die zwingend durch alle Geschäftsführer zu erfüllen sind (z. B. § 15a InsO130) oder Entscheidungen von besonderer Bedeutung für die Gesellschaft131)) sowie delegierbare Aufgaben, wobei als Delegatare einzelne Geschäftsführer, nachgeordnete Mitarbeiter und Unternehmensexterne (sog. Outsourcing) infrage kommen.132) Die Aufgaben der Geschäftsführung sind grundsätzlich delegierbare Gesamtaufgaben.133) Aufgrund seiner Organisationspflicht kann der Geschäftsführer sogar zur Delegation verpflichtet sein.134)

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Delegiert der Geschäftsführer Aufgaben, die er nicht delegieren darf, oder überschreitet er bei der Delegierung die formellen oder inhaltlichen Grenzen der Delegationsbefugnis, liegt bereits hierin eine Verletzung seiner Sorgfaltspflicht.135) Liegt eine zulässige Delegierung vor, hat der Geschäftsführer sich damit gleichwohl nicht von der Pflicht zur sorgfältigen Geschäftsführung befreit. Seine Organpflicht erhält einen anderen Inhalt. Er ist verpflichtet zur sorgfältigen Auswahl, Einweisung und Überwachung des Delegatars.136) Da es sich hierbei um gesicherte Erkenntnisse zur allgemeinen Verkehrspflichtsdogmatik handelt,137) gelten diese „Restpflichten“ sowohl für die Delegation innerhalb der Geschäftsführung als auch für die Aufgabenübertragung an nachgeordnete Mitarbeiter und an Unternehmensexterne.138)

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_____________ 125) 126) 127) 128) 129)

130) 131) 132) 133) 134) 135) 136)

137) 138)

Brödermann, NJW 2012, 971. Volkmann, GmbHR 2016, 1068. Möslein, ZIP 2018, 204 Schoberth/Servatius/Thees, BB 2006, 2571, 2574 ff; T. Drygala/A. Drygala, ZIP 2000, 297, 300 ff. Bellen/Stehl, BB 2010, 2579; Bork, ZIP 2011, 101; Frege, NZI 2006, 545, 546; Geißler, DZWIR 2011, 309; Thiele, ZInsO 2014, 1882; Kleindiek in: FS U. H. Schneider, S. 617; Nowak, GmbHR 2012, 1294; Rodewald, GmbHR 2009, 1301; U. H. Schneider, GmbHR 2010, 57; Schluck-Amend/Walker, GmbHR 2001, 375; Veil, ZGR 2006, 374, 376 ff. BGH, NJW 1994, 2149, 2150 = ZIP 1994, 891 = GmbHR 1994, 460, dazu EWiR 1994, 789 (U. H. Schneider). Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 116. Ausführl. Dreher in: FS Hopt, Bd. I, S. 517, 523 ff. S. nur Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 113. Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 349. Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 43; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 127. BGHZ 127, 336, 347 = ZIP 1994, 1934 = GmbHR 1995, 38, dazu EWiR 1995, 157 (H. P. Westermann); Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schnorbus, GmbHG § 43 Rn. 49; für § 93 AktG: Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rn. 101. Staudinger-Hager, BGB, § 823 Rn. E 59 ff. Dazu Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 45; Roth/Altmeppen-Altmeppen, § 43 Rn. 22; Krause, BB 2009, 1370, 1372 f; Dreher in: FS Hopt, Bd. I, S. 517, 536 – im Hinblick auf den Vorstand.

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§ 43

Haftung der Geschäftsführer

Die Intensität der Pflichtenbindung ist von ähnlichen Umständen abhängig wie die Sorgfaltspflicht i. e. S. (siehe Rn. 24), insbesondere der Größe und Art des Unternehmens, der Bedeutung des Vorgangs139) und dessen Nähe zum Aufgabenbereich des Geschäftsführers,140) den erkennbaren Anhaltspunkten für Pflichtverletzungen,141) der Qualifikation und den bisherigen Erfahrungen mit dem Delegierten.142) Bei der Ausübung seiner Organisationspflichten hat der Geschäftsführer grundsätzlich ein Organisationsermessen.143) 29

Der Geschäftsführer ist sowohl bei der Delegation an andere Geschäftsführer144) als auch an nachgeordnete Mitarbeiter145) und beim zulässigen Outsourcing zur sorgfältigen Auswahl des Delegatars verpflichtet. Dieser muss die persönliche und fachliche Qualifikation mitbringen, um seine Aufgaben zu erfüllen.146) Darüber hinaus muss der Geschäftsführer – gerade bei der vertikalen Arbeitsteilung – die Delegatare in den übertragenen Verantwortungsbereich einweisen und anleiten.147) Abhängig von den Entwicklungen im Unternehmensumfeld kann eine Pflicht zur fortlaufenden Schulung und Fortbildung von Mitarbeitern bestehen.148)

30

Der Geschäftsführer muss die Delegatare (andere Geschäftsführer,149) nachgeordnete Mitarbeiter150) oder Unternehmensexterne beim Outsourcing) überwachen. _____________ 139) OLG Koblenz, NZG 1998, 953, 954 – erhöhte Überwachungspflichten bei nicht beglichenen Rechnungen, sowie allg. Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 121. 140) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 121; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 23. 141) Etwa BGH, ZIP 1987, 1050, 1051 = GmbHR 1986, 302 = WM 1986, 789, dazu EWiR 1986, 587 (Weipert); OLG Koblenz, NZG 1998, 953, 954; OLG Köln, NZG 2001, 135, 136 = AG 2001, 363 – AG. 142) BGH, ZIP 1987, 1050, 1051 = GmbHR 1986, 302 = WM 1986, 789, dazu EWiR 1986, 587 (Weipert); Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 121. 143) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 68; Michalski/Heidinger/Leible/ J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 349; für § 93 AktG etwa: Spindler in: MünchKommAktG, § 93 Rn. 40; a. A. für Kontroll- und Überwachungspflichten OLG Koblenz, BeckRS 2008, 02728 sub C. II. 2. a, aa) = NZG 2008, 280 = DStR 2008, 687. 144) RGZ 91, 72, 77; U. H. Schneider in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 473, 484. 145) BGHZ 127, 336, 347 = ZIP 1994, 1934 = GmbHR 1995, 38, dazu EWiR 1995, 157 (H. P. Westermann); BFH, GmbHR 2000, 392, 393 – zu § 69 AO 1977; KG Berlin, NZG 1999, 400 m. Anm. Ebbing; OLG Zweibrücken, NZG 1999, 506, 508 = GmbHR 1999, 715; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 132. 146) BFH, GmbHR 2000, 392, 393; Hachenburg-Mertens, GmbHG, § 43 Rn. 34; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 353. 147) BGHZ 127, 336, 347 = ZIP 1994, 1934 = GmbHR 1995, 38, dazu EWiR 1995, 157 (H. P. Westermann); KG Berlin, NZG 1999, 400; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 133. 148) U. H. Schneider in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 473, 486. 149) BGHZ 148, 167, 170 = ZIP 2001, 1458 = GmbHR 2001, 771, dazu EWiR 2001, 917 (Keil); BGH, ZIP 1995, 560, 561 f = GmbHR 1995, 299, 300 = BB 1995, 975, dazu EWiR 1995, 785 (Wittkowski); BGH, ZIP 1987, 1050, 1051 = GmbHR 1986, 302 = WM 1986, 789, dazu EWiR 1986, 587 (Weipert); BVerwGE 156, 392 Rn. 28; OLG München, ZIP 2016, 621 Rn. 91. 150) BGHZ 148, 167, 170 = ZIP 2001, 1458 = GmbHR 2001, 771, dazu EWiR 2001, 917 (Keil); BGHZ 127, 336, 347 = ZIP 1994, 1934 = GmbHR 1995, 38, dazu EWiR 1995, 157 (H. P. Westermann); KG Berlin, NZG 1999, 400 f; OLG Düsseldorf, NZG 2001, 133, 135.

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§ 43

Haftung der Geschäftsführer

Er hat die Pflicht, sich laufend über die Aufgabenerfüllung zu erkundigen.151) Bei rechts- und zweckwidrigem Verhalten der Delegatare hat er eine Pflicht einzugreifen (Interventionspflicht).152) Soweit es um die Pflichterfüllung durch andere Geschäftsführer geht, wird diese Pflicht begrenzt durch das Gebot zur kollegialen Zusammenarbeit, gerade wenn es um die Zweckmäßigkeit des Verhaltens eines anderen Geschäftsführers geht.153) Daraus folgt eine abgestufte Interventionspflicht, wobei der Eingriff auf einer nächsten Stufe umso eher gerechtfertigt ist, je höher der drohende Schaden und je sicherer sein Eintritt ist: –

Auf der ersten Stufe muss der Geschäftsführer Zweifel anmelden, Beratungen verlangen oder Anregungen geben.154)



Auf der nächsten Stufe hat er die Pflicht, das Gesamtgremium zu verständigen, eine Aussprache zu suchen155) und im äußersten Fall darauf hinzuwirken, dass dem Geschäftsführer die Ressortzuständigkeit entzogen wird.156)



Auf der letzten Stufe muss der Geschäftsführer den Vorfall der Gesellschafterversammlung mitteilen, um den Kollegen so zu einem rechtmäßigen Verhalten anzuhalten.157)

Tolerieren die Gesellschafter das fragliche Verhalten, hat der Geschäftsführer jedoch keine Pflicht, von seinem Amt zurückzutreten,158) da seine Treuhänderstellung grundsätzlich allein im Gesellschafterinteresse besteht (siehe Rn. 5). Bei alledem kann sich der Geschäftsführer nicht damit entlasten, die Ressortabgrenzung habe ihm die erforderliche Kontrollmöglichkeit vorenthalten,159) wenngleich die Nähe des zu Über_____________ 151) KG Berlin, NZG 1999, 400, 401 f; OLG Düsseldorf, NZG 2001, 133, 135; OLG Zweibrücken, NZG 1999, 506, 508 = GmbHR 1999, 715 – sog. Führungsverantwortlichkeit des Geschäftsführers; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 343; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 512 f – zur gegenseitigen Kontrolle in der AG. 152) BGH, DStR 2001, 633, 634 = ZIP 2001, 422 = GmbHR 2001, 236; OLG München, ZIP 2016, 621 Rn. 91; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 137. 153) OLG Zweibrücken, NZG 1999, 506, 508 = GmbHR 1999, 715; Fleischer in: MünchKommGmbHG, § 43 Rn. 125. 154) BVerwGE 156, 392 Rn. 28; OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 403, dazu EWiR 1994, 345 (Thamm/Detzer). 155) Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 512. 156) Vgl. BGH, ZIP 1985, 1135, 1136 f = GmbHR 1986, 19 = DB 1985, 2291, dazu EWiR 1985, 787 (Fleck) – AG. 157) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 348; vgl. auch BGH, ZIP 1987, 1050, 1051 = GmbHR 1986, 302 = WM 1986, 789, dazu EWiR 1986, 587 (Weipert) – Pflicht des Gesellschafter-Geschäftsführers, in der Gesellschafterversammlung auf eine Entziehung der Vertretungsmacht oder Geschäftsführungsbefugnis hinzuwirken; OLG Hamm, ZIP 1995, 1263, 1267 f = AG 1995, 512 – Pflicht des überstimmten Vorstands einer AG, auf ein rechtmäßiges Verhalten seiner Kollegen hinzuwirken. 158) A. A. Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 348; nach st. Rspr. des BFH kann eine solche Pflicht entstehen, wenn sich der Geschäftsführer gegenüber einem faktischen Geschäftsführer nicht durchsetzen kann, s. BFH, GmbHR 2000, 395, 398. 159) BGH, ZIP 1995, 560, 561 = GmbHR 1995, 299 = BB 1995, 975, dazu EWiR 1995, 785 (Wittkowski) – zu § 49 Abs. 3; BGH, ZIP 1987, 1050, 1051 = GmbHR 1986, 302 = WM 1986, 789, dazu EWiR 1986, 587 (Weipert); inzident auch BGH, DB 1985, 2291, 2292 = ZIP 1985, 1135 = GmbHR 1986, 19, dazu EWiR 1985, 787 (Fleck).

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Haftung der Geschäftsführer

wachenden zum Verantwortungsbereich des Geschäftsführers über die Intensität der Pflichtenbindung mitentscheidet (siehe Rn. 28). 32

Geschäftsführer müssen dafür sorgen, dass es nicht zu Gesetzesverstößen anderer Unternehmensangehöriger kommt. Diese Compliance-Pflicht ist nach einigen Vorarbeiten in der Literatur160) nicht zuletzt aufgrund des Siemens-Skandals und dem hierzu ergangenen Urteil des LG München I161) in den Mittelpunkt des gesellschaftsrechtlichen Interesses gerückt. Unbestritten gilt sie nicht nur im Aktien-, sondern auch im GmbH-Recht,162) ist also nicht nur ein Thema für große, sondern auch kleine und mittlere Unternehmen (KMUs).163) Über ihre dogmatische Verankerung hat sich noch kein Konsens gebildet. Denkbar ist, sie als Ausprägung der allgemeinen Legalitätspflicht anzusehen,164) denkbar ist auch, sie in der allgemeinen Sorgfaltspflicht i. e. S. zu verankern.165) Tatsächlich folgt sie sowohl aus der Legalitäts- als auch aus der Sorgfaltspflicht i. e. S.,166) denn einerseits ist die Einhaltung der Gesetze Ziel der Compliance-Pflicht, andererseits drohen der Gesellschaft bei mangelhafter Compliance-Organisation jenseits der rechtlichen Sanktionen Reputations- und weitere167) Vermögensschäden, deren Abwendung Kernbestandteil der allgemeinen Sorgfaltspflicht ist. Compliance ist eine Gesamtaufgabe aller Geschäftsführer.168) Wird sie von einem oder mehreren Geschäftsführern übernommen, bleiben die anderen Geschäftsführer nach den allgemeinen Grundsätzen (siehe Rn. 28– 30) zur Überwachung und ggf. zur Intervention verpflichtet,169) vor allem wenn sich zeigt, dass das Compliance-System lückenhaft ist.170) Ziehen die Gesellschafter die ComplianceAufgabe an sich, müssen die Geschäftsführer i. R. d. ihnen verbleibenden Möglichkeiten darauf hinwirken, dass Gesetzesverstöße unterbleiben.171) Die Diskussion _____________ 160) Grundlegend Fleischer, AG 2003, 291; U. H. Schneider, ZIP 2003, 645. 161) LG München I, ZIP 2014, 570 m. Anm. Bachmann = NZG 2014, 345 – Siemens/Neubürger, dazu EWiR 2014, 175 (Hahn) und dazu etwa Fleischer, NZG 2014, 321; Grützner, BB 2014, 850; Meyer, DB 2014, 1063 (Urteilsanm.); Oppenheim, DStR 2014, 1063; Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598; Simon/Merkelbach, AG 2014, 318. 162) S. nur Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 137; Henssler/Strohn-Oetker, GesR, § 43 GmbHG Rn. 25; Kort, GmbHR 2013, 566; Merkt, ZIP 2014, 1705, 1707. 163) Dazu Merkt, ZIP 2014, 1705; Schulz, CB 2015, 309. 164) LG München I, ZIP 2014, 570, 573 m. Anm. Bachmann = NZG 2014, 345, dazu EWiR 2014, 175 (Hahn) – Siemens/Neubürger; Meyer, DB 2014, 1063, 1063 f (Urteilsanm.). 165) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 91 Rn. 47; Bachmann, VGR 13 (2008), S. 65, 73 f, Bachmann, ZIP 2014, 579, 581; Fleischer, NZG 2014, 321, 322; Merkt, ZIP 2014, 1705, 1707; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 404. 166) Gleichsinnig Cichy/Cziupka, BB 2014, 1482, 1485. 167) Klöhn/Schmolke, NZG 2015, 689, 692. Zum Reputationsschaden als Vermögensschaden der Gesellschaft allg. Klöhn, ZIP 2015, 53, 55 f. 168) BGH, ZIP 1996, 2017, 2019 f – Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen; Kort, GmbHR 2013, 566, 567; Merkt, ZIP 2014, 1705, 1711. Für die AG LG München I, ZIP 2014, 570, 574 m. Anm. Bachmann = NZG 2014, 345 – Siemens/Neubürger, dazu EWiR 2014, 175 (Hahn). 169) Kort, GmbHR 2013, 566, 567. 170) Vgl. LG München I, ZIP 2014, 570, 575 m. Anm. Bachmann = NZG 2014, 345 – Siemens/ Neubürger, dazu EWiR 2014, 175 (Hahn) – AG. 171) Merkt, ZIP 2014, 1705, 1712; anders möglicherweise Kort, GmbHR 2013, 566, 567.

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Haftung der Geschäftsführer

darüber, ob und inwieweit eine konzernweite Compliance-Pflicht anzuerkennen ist, ist derzeit noch im Fluss.172) 33

Um den Inhalt der Überwachungspflicht zu entfalten, bietet es sich an, zwei Ebenen zu unterscheiden.173) Auf der „Organisations-“ bzw. „Systemebene“174) kann die Geschäftsführung verpflichtet sein, eine Compliance-Organisation zu schaffen, damit Gesetzesverstöße aufgedeckt, abgestellt und geahndet werden können.175) Ob dies der Fall ist und welche Anforderungen an die Compliance-Organisation zu stellen sind, richtet sich nach der Größe und Komplexität des Unternehmens,176) seiner Branchenzugehörigkeit,177) seiner geographischen Präsenz178) und seiner Risikoexposition,179) der Organisationsstruktur der Gesellschaft,180) vor allem der Selbständigkeit, mit der einzelne Arbeitsgruppen im Unternehmen agieren können, der Bedeutung der zu beachtenden Vorschriften181) sowie den Erfahrungen aus der Vergangenheit.182) Dabei dürfen keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden, zumal das Gesetz weder ein lückenloses Compliance-System noch eine Totalüberwachung der Mitarbeiter verlangt.183) Bei kleineren Unternehmen mit überschaubaren Risiken ist eine Compliance-Organisation nicht erforderlich;184) dies ist erst dann der Fall, wenn die Geschäftsführung legales Verhalten im Unternehmen nur durch eine entsprechende Organisationsstruktur sicherstellen kann.185) In bestimmten Einzelbereichen existieren gesetzliche (Mindest-)Vorgaben für die Compliance-Struktur (etwa _____________ 172) Dazu Grundmeier, Rechtspflicht zur Compliance im Konzern, 2009; N. Huber, Die Reichweite konzernbezogener Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands im AG-Konzern, 2013; Bunting, ZIP 2012, 1542; Fleischer, CCZ 2008, 1; Lösler, NZG 2005, 104, 105 ff; U. H. Schneider/S. H. Schneider, ZIP 2007, 2061; Habersack in: FS Möschel, S. 1175; Verse, ZHR 175 (2011), 401; Unmuth, AG 2017, 249, 255; Redeke, AG 2018, 381, 382. 173) Terminologisch, nicht aber inhaltlich abweichende Kategorisierung bei Fleischer, NZG 2014, 321, 326 (Einrichtungs- und Ausgestaltungspflichten, Verhaltenspflichten bei Verdachtsmomenten und Verstößen, Systemprüfungs- und Nachjustierungspflichten). 174) So Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1599. 175) LG München I, ZIP 2014, 570, 573 m. Anm. Bachmann = NZG 2014, 345 – Siemens/ Neubürger, dazu EWiR 2014, 175 (Hahn). 176) LG München I, ZIP 2014, 570, 573 m. Anm. Bachmann = NZG 2014, 345 – Siemens/ Neubürger, dazu EWiR 2014, 175 (Hahn); Merkt, ZIP 2014, 1705, 1709; Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1599; Simon/Merkelbach, AG 2014, 318, 319. 177) Merkt, ZIP 2014, 1705, 1709. 178) LG München I, ZIP 2014, 570, 573 m. Anm. Bachmann = NZG 2014, 345 – Siemens/ Neubürger, dazu EWiR 2014, 175 (Hahn); Merkt, ZIP 2014, 1705, 1709 f. 179) Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1599. 180) LG München I, ZIP 2014, 570, 573 m. Anm. Bachmann = NZG 2014, 345 – Siemens/ Neubürger, dazu EWiR 2014, 175 (Hahn); Merkt, ZIP 2014, 1705, 1709; Simon/Merkelbach, AG 2014, 318, 319. 181) Vgl. LG München I, ZIP 2014, 570, 573 m. Anm. Bachmann = NZG 2014, 345 – Siemens/Neubürger, dazu EWiR 2014, 175 (Hahn) („die zu beachtenden Vorschriften“); ebenso Simon/Merkelbach, AG 2014, 318, 319. 182) LG München I, ZIP 2014, 570, 573 m. Anm. Bachmann = NZG 2014, 345 – Siemens/ Neubürger, dazu EWiR 2014, 175 (Hahn); Merkt, ZIP 2014, 1705, 1710; Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1599; Simon/Merkelbach, AG 2014, 318, 319. 183) Vgl. Merkt, ZIP 2014, 1705, 1711. 184) Oppenheim, DStR 2014, 1063, 1064. 185) Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1599.

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§ 25a KWG, § 23 VAG, § 80 WpHG, § 28 KAGB). Der IDW-Prüfungsstandard 980 stellt demgegenüber nur eine generalisierte anerkannte Expertenauffassung bezüglich einer betriebswirtschaftlich konzipierten Systemprüfung dar,186) die weder Rechtsrisiken sachlich beurteilen noch situationsspezifische Organpflichten erfassen kann.187) 34

Ist eine Compliance-Organisation erforderlich, hat die Geschäftsführung bei der Entscheidung über das „Ob“ einer solchen Organisation weder ein Ermessen noch einen Beurteilungsspielraum.188) Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung, also des „Wie“ eines solchen Systems, ist ihr jedoch ein Organisationsermessen zuzugestehen, da es nicht die „eine richtige“ Compliance-Struktur gibt, sondern zahlreiche Variationen einer solchen Organisation.189) Geschäftsführer verletzen ihre Pflichten insoweit also nur, wenn sie nicht die ex ante gebotenen Maßnahmen treffen, um Gesetzesverstöße von Unternehmensangehörigen zu vermeiden. Da es sich um eine Exante-Betrachtung handelt, kommt ein Pflichtverstoß nur in Betracht, wenn die Compliance-Organisation offensichtlich mangelhaft war. Aus der Tatsache, dass es dennoch zu Gesetzesverstößen gekommen ist, folgt für sich genommen nicht, dass die Geschäftsführer ihre Compliance-Pflicht verletzt haben.190) Ist eine ComplianceOrganisation erforderlich, muss die Geschäftsführung dieses System in regelmäßigen Abständen auf seine Effektivität hin überprüfen.191) Auch insoweit besteht weder ein Handlungsermessen noch ein Beurteilungsspielraum, denn es handelt sich lediglich um die Kehrseite der Pflicht zur Einrichtung eines Compliance-Systems. Zeigen sich Mängel, ist das System zu überprüfen und ggf. nachzujustieren,192) wobei insoweit wieder ein Organisationsermessen anzuerkennen ist.

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Auf der Einzelfall- oder „Mikroebene“193) ist die Geschäftsführung verpflichtet, Gesetzesverstöße der Unternehmensangehörigen aufzuklären, abzustellen und zu ahn_____________ 186) OLG Stuttgart, ZIP 2013, 2201, 2202, dazu EWiR 2014, 41 (Deiß) – im Hinblick auf IDW S 1; für IDW PS 980 Fleischer, NZG 2014, 321, 325; ähnlich Merkt, ZIP 2014, 1705, 1713. 187) Fleischer, NZG 2014, 321, 325. 188) Bachmann, ZIP 2014, 579, 580; Kort, GmbHR 2013, 566, 573; Merkt, ZIP 2014, 1705, 1711; Meyer, DB 2014, 1063, 1065 (Urteilsanm.); a. A. Gößwein/Hohmann, BB 2011, 963, 964. Zur unterschiedlichen Bedeutung der Begriffe „Handlungsermessen“ und „Beurteilungsspielraum s. BGHZ 135, 244, 254 = NJW 1997, 1926, 1928 – ARAG/Garmenbeck. 189) I. E. weitgehend unstr. Einige wenden § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG (analog) an, etwa Bachmann, VGR 13 (2008), S. 65, 85 f; Bachmann, ZIP 2014, 579, 580; Böttcher, NZG 2011, 1054, 1056; Kort, GmbHR 2013, 566, 573; Merkt, ZIP 2014, 1705, 1711; Meyer, DB 2014, 1063, 1065 (Urteilsanm.) – trotz Verankerung der Compliance-Pflicht in der Legalitätspflicht. Andere verneinen die analoge Anwendbarkeit der business judgment rule, da die Compliance-Pflicht Ausprägung der Legalitätspflicht sei, bejahen aber dennoch einen Beurteilungsspielraum bzw. ein Ermessen, so Bayer, GmbHR 2014, 897, 900; Habersack, Karlsruher Forum 2009, S. 5, 17 f, 28 f; a. A. jedoch OLG Koblenz, BeckRS 2008, 02728 sub C. II. 2. a), aa) = NZG 2008, 280 = DStR 2008, 687. Zweifelhaft daher LG München I, ZIP 2014, 570, 574 f = NZG 2014, 345 – Siemens/Neubürger, dazu EWiR 2014, 175 (Hahn), das teils sehr konkrete Vorgaben an die Compliance-Struktur macht; zu Recht kritisch Bachmann, ZIP 2014, 579, 580. 190) Bachmann, ZIP 2014, 579, 580. 191) LG München I, ZIP 2014, 570, 574 m. Anm. Bachmann = NZG 2014, 345 – Siemens/ Neubürger, dazu EWiR 2014, 175 (Hahn). 192) LG München I, ZIP 2014, 570, 574 m. Anm. Bachmann = NZG 2014, 345 – Siemens/ Neubürger, dazu EWiR 2014, 175 (Hahn). 193) Fleischer, NZG 2014, 321, 326.

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den (die drei „A“ der Compliance).194) Die Aufklärungspflicht setzt in der Regel einen konkreten Einzelverdacht voraus;195) die Intensität der zu unternehmenden Anstrengungen richtet sich vor allem nach dem möglichen Ausmaß und der Bedeutung der im Raum stehenden Rechtsverletzungen. Ein Handlungsermessen hat die Geschäftsführung zwar nicht im Hinblick auf das „Ob“ der Aufklärung196) (sehr wohl aber hinsichtlich des „Wie“)197) und das Abstellen der Gesetzesverletzung,198) sie genießt jedoch einen Ermessensspielraum, soweit es um die Wahl und Strenge der internen Sanktionierung geht.199) Selbstverständlich muss diese Pflicht nicht persönlich wahrgenommen werden, sondern kann (und muss in größeren Unternehmen) auf untere Hierarchieebenen delegiert werden, wobei dann die allgemeinen Grundsätze zur Delegation von Geschäftsführungsaufgaben gelten (siehe Rn. 28 ff),200) insbesondere zur kontinuierlichen Information über die Aufklärung, Beendigung und Sanktionierung der gesetzesuntreuen Unternehmensangehörigen.201) Die mit der Überwachung der Compliance-Vorgaben betrauten Personen müssen hinreichende Befugnisse haben, um die Einhaltung dieser Vorgaben zu sichern.202) dd) Unternehmerisches Ermessen und Business Judgment Rule § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG gewährt dem Vorstand einer AG bei unternehmerischen Entscheidungen unter bestimmten Voraussetzungen einen richterlicher Kontrolle nicht zugänglichen Ermessensspielraum. Diese „business judgment rule“, ein Implantat aus dem Common-Law-Rechtskreis, das auf das ARAG/Garmenbeck-Urteil des Bundesgerichtshofs zurückgeht,203) ist auf den Geschäftsführer entsprechend anwendbar.204) _____________ 194) LG München I, ZIP 2014, 570, 573 m. Anm. Bachmann = NZG 2014, 345 – Siemens/ Neubürger, dazu EWiR 2014, 175 (Hahn); Fleischer, NZG 2014, 321, 324; Reichert in: FS Hoffmann-Becking, S. 943, 948 ff, 958 ff. 195) Fleischer, NZG 2014, 321, 326 („Verdachtsmomente“). 196) Fleischer, NZG 2014, 321, 324; Merkt, ZIP 2014, 1705, 1711; Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1599 f. 197) Fleischer, NZG 2014, 321, 326; Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1600. 198) Fleischer, NZG 2014, 321, 324; Merkt, ZIP 2014, 1705, 1711. 199) Fleischer, NZG 2014, 321, 324; Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173, 2178 f. 200) Kort, GmbHR 2013, 566, 567. 201) Fleischer, NZG 2014, 321, 324. 202) LG München I, ZIP 2014, 570, 574 m. Anm. Bachmann = NZG 2014, 345 – Siemens/ Neubürger, dazu EWiR 2014, 175 (Hahn). 203) BGHZ 135, 244, 253 = ZIP 1997, 883 = NJW 1997, 1926 – ARAG/Garmenbeck, dazu EWiR 1997, 677 (Priester). 204) BGHZ 152, 280, 282 = ZIP 2002, 2314 = GmbHR 2003, 113, dazu EWiR 2003, 225 (Schimmer) – für die ARAG/Garmenbeck-Grundsätze; bestätigt in BGH, ZIP 2008, 1675, 1676 Rn. 11 = GmbHR 2008, 1033 = NJW 2008, 3361; OLG Oldenburg, ZIP 2007, 2087 (LS) = NZG 2007, 434 = GmbHR 2006, 1263; OLG München, GmbHR 2018, 518, 519; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 54 ff; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 71; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 23; Baumbach/HueckZöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 22; Henssler/Strohn-Oetker, GesR, § 43 GmbHG Rn. 27; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 9; Bachmann, 70. DJT, 2014, S. E 110; Lutter, ZIP 2007, 841, 847 f; Hauschka, GmbHR 2007, 11, 12; in Grenzen Kuntz, GmbHR 2008, 121, 121 f; zwischen den Realtypen der GmbH diff. Jungmann in: FS K. Schmidt, S. 831, 850; Zweifel bei K. Schmidt, GesR, § 36 II. 4. a).

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Auf GmbH-spezifische Besonderheiten ist Rücksicht zu nehmen.205) Ab Insolvenzreife darf die „business judgment rule“ allerdings nicht mehr angewendet werden, denn ab diesem Zeitpunkt ist der Geschäftsführer an das Gläubigerinteresse gebunden (siehe Rn. 5). Da die Gläubiger grundsätzlich ein anderes Interesse als die Gesellschafter haben („return of investment“ statt „return on investment“), wäre die Anwendung der „business judgment rule“ hier unangemessen.206) Keine Anwendung findet die „business judgment rule“ daher auch auf den Insolvenzverwalter207) und den Geschäftsführer, der die Geschäfte für die GmbH in Eigenverwaltung fortführt.208) 37

Voraussetzung für die Haftungsfreistellung ist eine unternehmerische Entscheidung. Der Begriff bedarf im Einzelnen noch der Klärung.209) Charakteristisch für die unternehmerische Entscheidung ist ein Prognose-Element, also ein Handeln unter Unsicherheit. Nicht unter die unternehmerische Entscheidung fallen gebundene Entscheidungen.210) § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG kommt damit insbesondere nicht zur Anwendung bei der Erfüllung der Treuepflicht (siehe Rn. 42 ff)211) sowie bei Verstößen gegen gesetzliche, gesellschafts- oder anstellungsvertragliche Pflichten, die dem Geschäftsführer keinen Beurteilungsspielraum gewähren,212) insbesondere bei Verstößen gegen die Folgepflicht (siehe Rn. 19),213) Kompetenznormen214) und interne Informationspflichten.215) Bei der Erfüllung seiner Überwachungs- und Organisationsaufgaben gebührt dem Geschäftsführer ein Organisationsermessen (siehe Rn. 28).

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Der Geschäftsführer muss annehmen dürfen, zum Wohle der Gesellschaft (= der Gesellschafter, siehe Rn. 5) zu handeln. Grundsätzlich ist das Gesellschafterinteresse auf eine Maximierung der langfristigen Ertragskraft gerichtet. Es kann zulässig sein, kurzfristige Profite im Interesse künftiger Gewinnchancen und langfristiger _____________ 205) Fleischer, NZG 2011, 521; vgl. auch Kuntz, DB Sonderheft 2/2017, 37, 40 f. 206) Klöhn, ZGR 2008, 110, 112, 155 f; a. A. Kebekus/Zenker in: FS Maier-Reimer, S. 319, 332 ff. 207) Jungmann, NZI 2009, 80, 82 f; a. A. Berger/Frege, ZIP 2008, 204, 206 f; Erker, ZInsO 2012, 199, 204; Kebekus/Zenker in: FS Maier-Reimer, S. 319, 335 ff; K. Schmidt, ZIP 2018, 853, 856 f. 208) A. A. K. Schmidt, ZIP 2018, 853, 856. 209) Dazu K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rn. 12; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rn. 67 ff; v. Falkenhausen, NZG 2012, 644, 646; Nauheim/C. Goette, DStR 2013, 2520, 2521; Paefgen, AG 2004, 245, 251; S. H. Schneider, DB 2005, 707 f. 210) Begr. RegE, BR-Drucks. 3/05, S. 18; Krieger/U. H. Schneider-U. H Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 2 Rn. 2.15; für Anwendung der business judgement rule in diesem Fall Kocher, CCZ 2009, 215, 217 ff. 211) Begr. RegE, BR-Drucks. 3/05, S. 18; Hommelhoff/Hopt/v. Werder-Goette, Hdb. Corporate Governance, S. 749, 760 ff; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 56a; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 81. 212) Begr. RegE, BR-Drucks. 3/05, S. 19; OLG Düsseldorf, ZIP 2010, 28, 30; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 112; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 11. 213) Vgl. Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 73; Fleischer, NZG 2011, 521, 524; zur Anwendung der BJR bei verbleibenden Ermessensfreiräumen Taube, Business Judgment Rule und Geschäftsführer, S. 234 f. 214) OLG Koblenz, BeckRS 2008, 02728 sub. C. II. 2. a, bb) = NZG 2008, 280 = DStR 2008, 687; implizit OLG München, Urt. v. 1.12.2016 – 23 U 2755/13, juris, Rn. 32 ff; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 81. 215) OLG Koblenz, BeckRS 2008, 02728 sub. C. II. 2. a, aa) = NZG 2008, 280 = DStR 2008, 687; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 81.

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Profite aufzuopfern.216) Außerdem muss der Geschäftsführer die Risikopräferenzen der Gesellschafter berücksichtigen.217) Besonders riskante Geschäfte muss er gemäß § 49 Abs. 2 den Gesellschaftern zur Beschlussfassung vorlegen, vor allem dann, wenn er mit deren Missbilligung rechnen muss.218) Von Sonderinteressen und sachfremden Einflüssen darf der Geschäftsführer nicht beeinflusst sein.219) Bei Kollegialentscheidungen hindert der Interessenkonflikt anderer Geschäftsführer auch dann nicht die Anwendung der „business judgment rule“ auf die nicht befangenen Geschäftsführer, wenn die Befangenen in der Mehrheit sind (Einzelbetrachtung).220) In diesen Fällen ist aber genau zu prüfen, ob die nicht befangenen Geschäftsführer davon ausgehen durften, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.221) Der Geschäftsführer muss annehmen dürfen, auf der Grundlage angemessener Information zu handeln. Das Ausmaß der erforderlichen Information ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der Bedeutung der Entscheidung, dem auf dem Geschäftsführer lastenden Zeitdruck, den tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten des Informationszugangs, den Informationskosten und dem zu erwartenden Informationsnutzen.222) Gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG ist die Frage der angemessenen Information aus der Perspektive des Geschäftsleiters zu bestimmen.223) Eine Pflicht, sämtliche verfügbaren Informationsquellen auszuschöpfen, ist – entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs224) – nicht anzuerkennen.225) Die Einrichtung eines Informationsmanagementsystems ist nicht zwingend erforderlich, um den Schutz der „business judgment rule“ zu genießen, ab einer bestimmten Größe und Komplexität des Unternehmens aber jedenfalls zu empfehlen.226) _____________ 216) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 84; Goette in: FS 50 Jahre BGH, S. 123, 135. 217) Fleischer, NZG 2011, 521, 525; vgl. auch LG Kiel, Urt. v. 5.2.2016 – 14 HKO 134/12, juris, Rn. 31 ff. 218) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 74; Bayer, GmbHR 2014, 897, 899. 219) Vertiefend Harbarth in: FS Hommelhoff, S. 323, 329 ff. 220) Bunz, NZG 2011, 1294; Koch in: FS Säcker, S. 403, 405 ff; Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717, 726 ff; Paefgen, AG 2014, 554, 564; a. A. Lutter in: FS Canaris, Bd. II, S. 245, 248 f – der Interessenkonflikt eines einzelnen Geschäftsführers schadet, wenn er die Entscheidung beeinflusst hat; Paefgen, AG 2004, 245, 253 – der Interessenkonflikt der Mehrheit der Geschäftsführer schadet. 221) Zur Rechtslage beim offengelegten Interessenkonflikt s. Koch in: FS Säcker, S. 403, 414 ff. 222) Begr. RegE, BR-Drucks. 3/05, S. 21; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 58; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 84; Habersack in: Karlsruher Forum 2009, S. 5, 18 f; Konkretisierungen bei Binder, AG 2012, 885, 891 ff; Graumann, CCZ 2010, 222; Rodewald, GmbHR 2014, 639; verhaltensökonomische Vertiefung bei Hamann, ZGR 2012, 817, 825 ff. 223) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 85. Krit. hingegen Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 9; Goette, ZGR 2008, 436, 438; Hoor, DStR 2004, 2104, 2107. 224) BGH, ZIP 2008, 1675, 1676 Rn. 11 = GmbHR 2008, 1033 = NJW 2008, 3361; bestätigt in BGHZ 197, 304 Rn. 30 = ZIP 2013, 1712, dazu EWiR 2013, 775 (Weipert) – GmbH & Co. KG. 225) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 84; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 26; Fleischer, NJW 2009, 2337, 2339; Bayer, GmbHR 2014, 897, 899; Druey in: FS Goette, S. 57, 64 ff; Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281; Habersack in: Karlsruher Forum 2009, S. 5, 18; Kindler in: FS Goette, S. 231, 232 f; Redeke, NZG 2009, 496, 497; U. H. Schneider, DB 2011, 99, 101; dem BGH zust. Lutter, DZWIR 2011, 265, 267. 226) Dazu Rodewald, GmbHR 2014, 639; zum Einsatz von Algorithmen bei der Verarbeitung großer Daten- und Informationsmengen Möslein, ZIP 2018, 204, 209 f.

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Beim Unternehmenskauf ist in der Regel eine sog. Due-Diligence-Prüfung bei dem Zielunternehmen durchzuführen,227) vor allem, wenn nicht ausreichend gesicherte Erkenntnisse vorhanden sind oder wenn die vorhandenen Informationen Unklarheiten lassen.228) Zudem kann es erforderlich sein, eine sog. Fairness Opinion über den Kaufpreis einzuholen.229) Ob der Geschäftsführer von einer zutreffend erstellten Ertragsprognose und vergleichbaren komplizierten betriebswirtschaftlichen Rechnungen ausgegangen ist, kann das Gericht grundsätzlich nur aufgrund einer Sachverständigenanhörung ermitteln, es sei denn, das Gericht begründet, warum es ausnahmsweise sachkundig ist.230)

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Schließlich muss der Geschäftsführer in gutem Glauben handeln, d. h., er darf nicht wissentlich die falsche (wenngleich innerhalb des objektiven Ermessensspielraums liegende) Entscheidung treffen.231) b) Treuepflicht

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Der Geschäftsführer ist der Gesellschaft zur Treue verpflichtet. Er muss in allen Angelegenheiten, die das Interesse der Gesellschaft berühren, allein deren Wohl (d. h. das der Gesellschafter, siehe Rn. 5) im Auge haben und darf weder den eigenen noch den Vorteil anderer anstreben.232) Die Treuepflichten lassen sich grob einteilen in Pflichten zur Förderung der Gesellschaft (siehe Rn. 43 f) und das Verbot, die Organstellung für eigene Belange auszunutzen (siehe Rn. 45 ff).233) Die Treuepflicht des Geschäftsführers ist jedenfalls in ihren Einzelausprägungen grundsätzlich dispositiv (siehe Rn. 51, 56, 60). Ob sie auch insgesamt abbedungen werden kann, ist nicht gesichert.234) Jedenfalls der mit dem allgemeinen Redlichkeitsgrundsatz des § 242 BGB komplementäre „Kernbereich“ der Treuepflichten ist nicht disponibel. aa) Förderpflichten

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Der Geschäftsführer hat die Pflicht, seine Arbeitskraft, Kenntnisse und Fähigkeiten vorbehaltslos für die Gesellschaft (= die Gesellschafter, siehe Rn. 5) einzuset_____________ 227) Fleischer, ZHR 172 (2008), 538, 542 f; Fleischer, NJW 2009, 2337, 2338; ähnlich C. Goette, DStR 2014, 1776; großzügiger vermutlich Bachmann in: FS Goette, S. 25, 42. 228) OLG Oldenburg, NZG 2007, 434, 436 f = ZIP 2007, 2087 (LS) = GmbHR 2006, 1263. 229) Dazu Decher in: Liber Amicorum Martin Winter, S. 99; Fleischer, ZIP 2011, 201; Schiessl, ZGR 2003, 814; Wollny, DStR 2013, 482. 230) BGH, ZIP 2011, 766 = DB 2011, 925 = NZG 2011, 549 – AG. 231) Zur „Notbremsfunktion“ dieser Voraussetzung Fleischer, ZIP 2004, 685, 691. 232) BGH, ZIP 1989, 1390, 1394 = GmbHR 1989, 365 = NJW 1989, 2697, dazu EWiR 1989, 779 (Gravenhorst); BGH, ZIP 1985, 1484, 1484 = GmbHR 1986, 42 = DB 1986, 214, dazu EWIR 1985, 991 (Koch); BGH, ZIP 1983, 689, 690 = GmbHR 1983, 300 = WM 1983, 498; BGH, GmbHR 1977, 129, 130 = DB 1977, 716 = WM 1977, 361; BGH, GmbHR 1968, 141, 142 = DB 1967, 1170 = WM 1967, 679; BGH, ZIP 2017, 1071 Rn. 32; OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 317, 318 = DB 1994, 371; OLG Hamm, NJW-RR 1997, 737, 738 = GmbHR 1997, 999 = BB 1997, 1062; OLG Koblenz, GmbHR 2014, 599, 600; OLG Koblenz, NJW-RR 2000, 483, 484 = GmbHR 1999, 1201 = DStR 2000, 1447 – Wohl des Unternehmens; OLG Naumburg, NZG 1999, 353, 354. 233) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 210; ähnlich Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 160 – Vermeidung von Interessenkonflikten und Verbot von Sondervorteilen. 234) Übergreifend dazu Hellgardt in: FS Hopt, Bd. 1, 2010, S. 765, 784 ff.

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zen.235) Der Umfang der Pflichtenbindung ergibt sich aufgrund einer Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalls, wobei die gleichen Faktoren zu betrachten sind wie bei der Sorgfaltspflicht i. e. S. (siehe Rn. 24). In außergewöhnlichen Situationen muss der Geschäftsführer Überstunden leisten und ggf. einen Urlaub abbrechen.236) Unbenommen bleibt dem Geschäftsführer das Recht, sein Privatvermögen anzulegen, und zwar auch in Vermögensgegenstände, mit denen die Gesellschaft handelt, oder in finanzielle Beteiligungen an Konkurrenzunternehmen (siehe Rn. 49).237) Der Geschäftsführer darf sein Amt aus organschaftlicher Sicht zwar grundsätzlich auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes niederlegen (siehe § 38 Rn. 4 [Jacoby]). Dies darf jedoch nicht zur Unzeit geschehen.238) Ob die Amtsniederlegung zur Unzeit erfolgt, muss aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall festgestellt werden.239) Die oberlandesgerichtliche Judikatur stuft darüber hinaus die Amtsniederlegung eines alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführers regelmäßig als rechtsmissbräuchlich und damit als unwirksam ein.240) Auch hat der Geschäftsführer eine Pflicht zur Mäßigung im privaten Bereich, soweit sich sein Verhalten auf den korporativen Bereich auswirkt,241) insbesondere zur Unterlassung schädigender Äußerungen.242) Die Übernahme eines Bundestagsmandats ist dem Geschäftsführer nicht untersagt (Art. 48 Abs. 2 GG).243)

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bb) Verbot der Ausnutzung der Organstellung Der Geschäftsführer hat die Pflicht, seine herausgehobene Stellung in der Gesellschaft nicht zu seinen Gunsten und gegen die Interessen der Gesellschaft auszunutzen.244) Er darf weder sich245) noch Dritte246) auf Kosten der Gesellschaft bereichern, _____________ 235) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 167; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 49; Buyer, BB 1993, 2057, 2058; Sina, DStR 1991, 40, 41; s. a. BFH, BB 2001, 2097, 2098 = GmbHR 2001, 777 = NJW 2002, 86; a. A. Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1276. 236) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 167. 237) BGH, ZIP 1997, 1063, 1064 = NJW 1997, 2055 = DB 1997, 1271, dazu EWiR 1997, 631 (Wilhelm) – zu § 88 AktG; OLG Stuttgart, ZIP 2017, 868. 238) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 218. 239) BGHZ 78, 82, 87 ff = ZIP 1980, 768 = GmbHR 1980, 270. 240) OLG Bamberg, ZIP 2017, 1466 Rn. 10; OLG Düsseldorf, GmbHR 2015, 1271, 1272; OLG München, ZIP 2011, 866; OLG Köln, ZIP 2008, 646 Rn. 5 f; OLG Zweibrücken, ZIP 2006, 950 Rn. 8; OLG Düsseldorf, ZIP 2001, 25 Rn. 12; KG Berlin, GmbHR 2001, 147; BayObLGZ 1999, 171; zur dogmatischen Einordnung vgl. Fleischer in: MünchKommGmbHG, § 43 Rn. 169; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 218 ff. 241) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 168; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtZiemons, GmbHG, § 43 Rn. 221. 242) OLG Hamm, GmbHR 1985, 157, 157 f – zu § 626 BGB. 243) BGHZ 43, 384, 386 f; krit. Konzen, AcP 172 (1972), 317 ff. 244) BGH, GmbHR 1968, 141, 142 = DB 1967, 1170 = WM 1967, 679 – zu § 626 BGB; OLG Düsseldorf, GmbHR 2000, 666, 669; OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 317, 318 = DB 1994, 371; OLG Naumburg, ZIP 2014, 1735, 1737; Schaub, DStR 1992, 985, 986. 245) KG Berlin, NZG 2001, 325, 325 f = GmbHR 2001, 925 = DStR 2002, 321; OLG Saarbrücken, ZIP 2002, 130, 131 = NZG 2002, 378, dazu EWiR 2002, 621 (v. Gerkan). 246) OLG Koblenz, GmbHR 2014, 599, 600.

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§ 43

Haftung der Geschäftsführer

etwa indem er private Aufwendungen als Dienstaufwendungen abrechnet247) oder auf die Auszahlung einer ihm oder Dritten nicht zustehenden Vergütung248) oder Aufwandsentschädigung (z. B. Spesenabrechnung)249) hinwirkt. Die Zahlung einer rechtlich nicht geschuldeten Vergütung an einen Dritten ist jedoch nicht stets eine Verletzung der Treuepflicht, sondern kann im Interesse der Gesellschaft geboten sein.250) Der Geschäftsführer unterliegt keinem Zurückhaltungsgebot bei den Verhandlungen über sein Gehalt;251) er kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber verpflichtet sein, einer Herabsetzung seiner Bezüge zuzustimmen, wenn der Gesellschaft ansonsten Mittel entzogen würden, die sie zum Überleben benötigt.252) Auch darf er nicht die Ressourcen der Gesellschaft nutzen, wenn ihm kein Anspruch hierauf zusteht.253) Geschäfte zwischen dem Geschäftsführer und der Gesellschaft müssen zu den Bedingungen abgeschlossen werden, zu denen Geschäfte mit unverbundenen Dritten zustande kommen.254) Der Geschäftsführer darf sich auch bei der Durchführung von Geschäften nicht großzügiger behandeln als Dritte. Das Gleiche gilt für Geschäfte mit Personen, die dem Geschäftsführer nahestehen,255) oder Gesellschaften, an denen der Geschäftsführer beteiligt ist.256) 46

Der Geschäftsführer darf keine Leistungen, Provisionen, Schmiergelder oder sonstigen Vorteile von Dritten im Zusammenhang mit seiner Geschäftsführertätigkeit annehmen.257) Ein solcher Zusammenhang besteht, sobald die Leistung des Dritten (aus objektiver Sicht) eine Willensbeeinflussung zulasten der Gesellschaft befürchten lässt.258) Dritte i. S. dieser Formel sind auch (und gerade) einzelne Gesellschafter. Auf den Zeitpunkt der Zahlungsabwicklung kommt es nicht an.259) Die gleiche Pflichtenbindung besteht, falls der Vorteil nicht beim Geschäftsführer anfällt, sondern bei einer anderen Person oder Gesellschaft (dazu siehe Rn. 45). _____________ 247) KG Berlin, NZG 2001, 325, 325 = GmbHR 2001, 925 = DStR 2002, 321. 248) BGH, ZIP 2008, 117 = GmbHR 2008, 144 = NZG 2008, 104; BGH, ZIP 2014, 1278 Rn. 26 GmbHR 2014, 817, dazu EWiR 2014, 545 (Nolting) – GmbH & Co. KG. 249) OLG München, GmbHR 2013, 813, 814. 250) Vgl. BGHZ 197, 304 Rn. 30 = ZIP 2013, 1712, dazu EWiR 2013, 775 (Weipert) – GmbH & Co. KG – i. R. d. Sorgfaltspflicht; Bachmann, NZG 2013, 1121, 1126. 251) Vgl. für den Vorstand der AG Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 87 Rn. 5; Klöhn, ZGR 2012, 1, 29 f. 252) BGH, NJW 1992, 2894, 2896 = ZIP 1992, 1152 = GmbHR 1992, 605, dazu EWiR 1992, 825 (Fleck) – § 87 Abs. 2 AktG analog; OLG Düsseldorf, DStR 2012, 309, 313; Spindler in: FS U. H. Schneider, S. 1287, 1293. 253) OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 317, 318 = DB 1994, 371. 254) OLG Naumburg, ZIP 2014, 1735, 1738 – Erfordernis einer äquivalenten Gegenleistung; implizit OLG Frankfurt a. M., GmbHR 2017, 974, 976; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 216; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 174. 255) OLG Hamm, NJW-RR 1997, 737, 738 = GmbHR 1997, 999 = BB 1997, 1062; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 195; Heermann, ZIP 1998, 761, 764. 256) OLG Koblenz, NJW-RR 2000, 483, 484 = GmbHR 1999, 1201 = DStR 2000, 1447. 257) BGH, ZIP 1983, 689, 690 = GmbHR 1983, 300 = WM 1983, 498; BGH, GmbHR 1968, 141, 142 = DB 1967, 1170 = WM 1967, 679 – zu § 626 BGB; OLG Düsseldorf, GmbHR 2000, 666, 669; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 193. 258) BGH, ZIP 2001, 958, 960 = NJW 2001, 2476 = DB 2001, 1189 – zur Herausgabepflicht des Vorstandsmitglieds einer AG nach § 667 BGB. 259) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 256.

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§ 43

Haftung der Geschäftsführer

cc) Wettbewerbsverbot Anders als in § 88 AktG ist das Wettbewerbsverbot des GmbH-Geschäftsführers nicht ausdrücklich geregelt. Ein solches ergibt sich jedoch aus der Treuepflicht des Geschäftsführers.260) Abzugrenzen ist dieses Wettbewerbsverbot von dem Wettbewerbsverbot des Gesellschafters aufgrund seiner mitgliedschaftlichen Treuepflicht. Ein – gerade in zeitlicher Hinsicht – weiter gehendes Wettbewerbsverbot des Geschäftsführers kann sich aus dem Anstellungsvertrag ergeben.261)

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Dem Wettbewerbsverbot unterliegt grundsätzlich jeder Geschäftsführer. In der Einpersonen-Gesellschaft unterliegt der Gesellschafter-Geschäftsführer so lange keinem Wettbewerbsverbot, bis den Gläubigern durch die relevante Handlung das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen entzogen wird.262) Das Wettbewerbsverbot beginnt mit der Anwendbarkeit des § 43 (siehe Rn. 8) und endet grundsätzlich mit dem Ausscheiden des Geschäftsführers.263) Dies gilt auch dann, wenn der Geschäftsführer die Abberufung veranlasst hat.264) Ist die Organstellung beendet, bezieht der Geschäftsführer aber aufgrund seines Anstellungsvertrags weiterhin Vergütung, wirkt das Wettbewerbsverbot fort.265)

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Ein Verstoß liegt vor, wenn der Geschäftsführer im Handelszweig der Gesellschaft für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte macht oder sich als persönlich haftender Gesellschafter oder in einer anderen Form, die ihm unternehmerischen Einfluss verschafft,266) an einer im Handelszweig der Gesellschaft tätigen Gesellschaft beteiligt (vgl. § 88 Abs. 1 AktG, § 112 Abs. 1 HGB). Geschäftemachen i. S. dieser Formel ist jede auf Gewinnerzielung gerichtete Teilnahme am geschäftlichen Verkehr einschließlich Vertretung und Vermittlung, die nicht nur persönlichen Charakter hat, wie die Anlage eigenen Vermögens.267) Bloße Vorbereitungshandlungen fallen nicht hierunter. Rein finanzielle Minderheitsbeteiligungen an Konkurrenzunternehmen sollen im Lichte von Art. 12 Abs. 1 GG ebenfalls nicht erfasst sein, wenn sie keine Möglichkeit vermitteln, unternehmerischen Einfluss auszuüben.268) Der Handelszweig der Gesellschaft umfasst den Satzungsgegenstand der Gesellschaft, soweit _____________

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260) BGH, ZIP 1985, 1484, 1485 = GmbHR 1986, 42 = DB 1986, 214, dazu EWIR 1985, 991 (Koch); OLG Frankfurt/M., GmbHR 1998, 376, 377; OLG Oldenburg, NZG 2000, 1038, 1039 m. Anm. Loritz; inzident BGHZ 49, 30, 31 = DB 1967, 2214 = NJW 1968, 396. 261) Ausführl. dazu Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 275-290. 262) BFH, DStR 1996, 337, 338 = DB 1996, 556 = BB 1996, 522; BFH, ZIP 1995, 1890, 1891 = GmbHR 1996, 58 = NJW 1996, 950, dazu EWiR 1996, 35 (Crezelius). 263) BGH, GmbHR 1977, 43 f = NJW 1977, 247 = DB 1977, 158; OLG Düsseldorf, GmbHR 1999, 120, 121 = ZIP 1999, 311 = NZG 1999, 405, dazu EWiR 1999, 361 (Zimmermann); OLG Frankfurt/M., GmbHR 1998, 376, 378; OLG Hamm, GmbHR 1988, 344, 346 = ZIP 1988, 1254, dazu EWiR 1988, 1097 (Baums); OLG Oldenburg, NZG 2000, 1038, 1039; Drescher, Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 177; v. d. Osten, GmbHR 1989, 450, 453. 264) OLG Frankfurt/M., GmbHR 1998, 376, 378. 265) In diesem Sinne auch OLG Oldenburg, NZG 2000, 1038, 1039 m. Anm. Loritz. 266) BGHZ 89, 162, 165 f = ZIP 1984, 446 = GmbHR 1984, 203; OLG Frankfurt/M., GmbHR 1998, 376, 377 f. 267) BGH, ZIP 1997, 1063, 1064 = NJW 1997, 2055 = DB 1997, 1271, dazu EWiR 1997, 631 (Wilhelm) – AG; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 91. 268) OLG Stuttgart, ZIP 2017, 868; vgl. auch Hirte, NJW 2018, 1221, 1225.

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§ 43

Haftung der Geschäftsführer

diese hier tatsächlich Tätigkeiten entfaltet,269) darüber hinaus alle Bereiche innerhalb des Satzungsgegenstands, in denen die Gesellschaft zwar nicht aktuell tätig ist, aber jederzeit tätig werden kann,270) die Bereiche, die zwar nicht unter den Satzungsgegenstand fallen, aber in denen die Gesellschaft tatsächlich tätig geworden ist,271) und solche, die nicht unter den Satzungsgegenstand fallen und in denen die Gesellschaft auch nicht tätig geworden ist, die aber in der Entwicklungslinie der Gesellschaft („line of business“) liegen.272) Zum Handelszweig der GmbH gehören schließlich die Bereiche, in denen die von der GmbH beherrschten Tochtergesellschaften tätig sind,273) nicht ohne Weiteres jedoch die Geschäftsbereiche des herrschenden Unternehmens.274) 50

Verstößt der Geschäftsführer gegen das Wettbewerbsverbot, kann die Gesellschaft Unterlassung des wettbewerbswidrigen Verhaltens verlangen (Rechtsgrundlage ist die organschaftliche Treuepflicht des Geschäftsführers).275) Hat der Geschäftsführer schuldhaft gehandelt und ist der Gesellschaft dadurch ein Schaden entstanden, besteht daneben ein Anspruch auf Schadensersatz.276) Neben dem Anspruch aus Absatz 2 ist häufig auch § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 StGB einschlägig, u. U. besteht auch ein Anspruch aus § 826 BGB.277) Alternativ zum Schadensersatzanspruch kann die Gesellschaft wirtschaftlich in das wettbewerbswidrige Geschäft eintreten, entsprechend § 88 Abs. 2 AktG, § 113 HGB.278) Das Eintrittsrecht ist insbesondere dann sinnvoll, wenn der konkret entstandene Schaden schwer nachzuweisen ist bzw. der erwartete Gewinn den Schaden übersteigt.279) Ein Anspruch auf Herausgabe des aus dem Geschäft Erlangten kann sich auch aus § 687 Abs. 2 i. V. m. §§ 681 Satz 2, _____________ 269) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 231 f; Strelau, Wettbewerbsverbote, S. 100 ff; a. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 94; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 163. 270) BGHZ 89, 162, 170 = ZIP 1984, 446 = GmbHR 1984, 203 – GmbH & Co. KG; ScholzU. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 163; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 231; Röhricht, WPg 1992, 766, 769; Goette, DStR 1998, 1137, 1139; a. A. noch RGZ 109, 355, 356. 271) Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 163; Buyer, BB 1993, 2057, 2059; Wassermeyer, GmbHR 1993, 329, 330; Strelau, Wettbewerbsverbote, S. 102 f. 272) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 232; Sina, DStR 1991, 40, 41; a. A. Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1276. 273) U. H. Schneider, GmbHR 1993, 10, 18; Röhricht, WPg 1992, 766, 769. 274) Dazu Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 232 a. E.; U. H. Schneider, GmbHR 1993, 10, 18. 275) Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 166; Strelau, Wettbewerbsverbote, S. 122 f. 276) Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 167; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schnorbus, GmbHG, § 43 Rn. 64. 277) BFHE 157, 138, 141 = GmbHR 1989, 529 = BB 1989, 1604 – zu § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 StGB; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 167. 278) BGHZ 80, 69, 76 = ZIP 1981, 399 = GmbHR 1981, 189 – § 113 HGB entsprechend; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 168; Kübler in: FS Werner, S. 437, 440 f; Strelau, Wettbewerbsverbote, S. 116. Zur fehlenden Außenwirkung des Eintrittsrechts s. BGH, NJW 1984, 1351, 1353 = ZIP 1984, 446 = GmbHR 1984, 203. 279) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schnorbus, GmbHG, § 43 Rn. 64; Strelau, Wettbewerbsverbote, S. 117.

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§ 43

Haftung der Geschäftsführer

667 BGB ergeben.280) Zur Vorbereitung dieser Ansprüche besteht ein Auskunftsanspruch gemäß § 242 BGB.281) Die Gesellschaft kann den Geschäftsführer vom Wettbewerbsverbot befreien. Geschehen kann dies im Gesellschaftsvertrag,282) und zwar sowohl in Form einer generellen Abbedingung als auch durch eine sog. Öffnungsklausel, mit welcher der Gesellschafterversammlung die Befugnis zur Befreiung im Einzelfall zugewiesen wird.283) Möglich ist die Befreiung auch ohne Öffnungsklausel durch Ad-hoc-Beschluss des für die Bestellung des Geschäftsführers zuständigen Organs,284) der sich auf die konkrete Tätigkeit des Geschäftsführers beziehen muss.285) Entscheidet die Gesellschafterversammlung, so erfordert die allgemeine Befreiung einen einstimmigen Beschluss.286) Für die konkrete Befreiung genügt ein Mehrheitsbeschluss,287) und zwar auch dann, wenn keine Öffnungsklausel im Gesellschaftsvertrag vorhanden ist.288) Letzterer unterliegt der Inhaltskontrolle anhand der üblichen Maßstäbe.289) Eine Befreiung im Anstellungsvertrag genügt nicht.290) In den nach MitbestG mitbestimmten Gesellschaften ist dagegen analog § 88 AktG ein Beschluss des Aufsichtsrats notwendig.291)

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dd) Geschäftschancenlehre Verwandt, wenngleich nicht identisch, mit dem Wettbewerbsverbot ist die Geschäftschancenlehre. Hiernach muss der Geschäftsführer die Geschäftschancen der Gesellschaft nutzen und darf diese nicht an sich ziehen.292) Geltungsgrund dieser Pflicht ist die Überlegung, dass die Geschäftschancen, die der Geschäftsführer erschließt, aufgrund seiner Treuhänderstellung grundsätzlich der Gesellschaft gebühren.293) _____________ 280) BFHE 157, 138 = GmbHR 1989, 529 = BB 1989, 1604; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 169, Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 450; Kübler in: FS Werner, S. 120. 281) Strelau, Wettbewerbsverbote, S. 120. 282) Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 185 ff; Sina, DStR 1991, 40, 41. 283) BGH, GmbHR 1981, 189, 190 = ZIP 1981, 399 = NJW 1981, 1512; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 103; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 189. 284) Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 190 ff; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtZiemons, GmbHG, § 43 Rn. 240; Priester, DStR 1992, 254, 257 f. 285) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 245. 286) Hachenburg-Mertens, GmbHG, § 43 Rn. 42; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 192. 287) BGH, GmbHR 1981, 189, 190 f = ZIP 1981, 399 = NJW 1981, 1512; Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 31; Strelau, Wettbewerbsverbote, S. 135 f. 288) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 31; a. A. Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1277; Röhricht, WPg 1992, 766, 781. 289) BGH, GmbHR 1981, 189, 190 f = ZIP 1981, 399 = NJW 1981, 1512; Sina, DStR 1991, 40, 42 – Missbrauchskontrolle; a. A. Strelau, Wettbewerbsverbote, S. 137. 290) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 241; Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1277; a. A. Tillmann, GmbHR 1991, 26, 28; v. d. Osten, GmbHR 1989, 450, 454. 291) Krieger/U. H. Schneider-Verse, Hdb. Managerhaftung, § 26 Rn. 26.34. 292) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 175; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 98; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 201; Michalski/Heidinger/ Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 257 f; Roth/Altmeppen-Altmeppen; § 43 Rn. 30. 293) BGH, NJW 1986, 585, 586 = ZIP 1985, 1484 = GmbHR 1986, 42, dazu EWiR 1985, 991 (Koch) – Sorgfalts- und Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft; BGH, GmbHR 1968, 141, 142 = DB 1967, 1170 = WM 1967, 679; KG Berlin, GmbHR 2010, 869, dazu EWiR 2011, 151 (Schodder); Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 176.

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Haftung der Geschäftsführer

Die Pflicht beginnt, sobald der zeitliche Anwendungsbereich des § 43 eröffnet ist (siehe Rn. 8), und endet mit dem Ende der Organstellung, und zwar auch dann, wenn das Ende der Organstellung pflichtwidrig herbeigeführt wurde. Sie wirkt jedoch über das Ende der Organstellung hinaus, sofern die Geschäftschance dem Geschäftsführer noch während der Organstellung bekannt wurde.294) 53

Der Geschäftschancenlehre unterfallen sowohl die Geschäftschancen, mit denen der Geschäftsführer zuerst in seiner Eigenschaft als Organmitglied in Berührung kommt,295) als auch solche, von denen der Geschäftsführer privat erfährt, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine Zuordnung zur Gesellschaft angemessen ist. Letzteres ist anhand von Art, Umfang, Typ des Unternehmens, Unternehmensgegenstand sowie des Interesses der Gesellschafter an dem Geschäft zu beurteilen.296) Die Rechtsprechung verwendet einen strengen Maßstab und sieht die Treuepflicht des Geschäftsführers als „unteilbar“ an.297) Bezüglich Geschäftschancen ist der Geschäftsführer also „stets im Dienst“.298) Die Geschäftschance ist der GmbH nicht nur dann zurechenbar, wenn sich diese auf ihren Unternehmensgegenstand bezieht, sondern auch, soweit angrenzende und verwandte Tätigkeitsbereiche299) und Tätigkeitsbereiche von Tochtergesellschaften betroffen sind (siehe Rn. 49).300)

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Der Geschäftsführer darf solche Geschäftschancen weder selbst noch zugunsten anderer ihm nahestehender Personen301) oder anderer Dritter302) nutzen. Dies gilt auch dann, wenn die Gesellschafter die Geschäftschance selbst nicht genutzt hätten,303) es sei denn, dass die Nutzung der Geschäftschance offensichtlich unmöglich war und die Gesellschafter sich nach erschöpfender sachlicher Unterrichtung gegen ihre _____________ 294) BGH, NJW 1986, 585, 586 = ZIP 1985, 1484 = GmbHR 1986, 42, dazu EWiR 1985, 991 (Koch); BGH, GmbHR 1977, 43, 44 = NJW 1977, 247 = DB 1977, 158; OLG Frankfurt/M., GmbHR 1998, 376, 378; OLG Oldenburg, NZG 2000, 1038, 1039; Timm, GmbHR 1981, 177, 182. 295) BGH, ZIP 1989, 986, 987 = GmbHR 1989, 460 = NJW 1989, 2687, dazu EWiR 1989, 695 (Bergmann); BGH, GmbHR 1977, 129, 130 = DB 1977, 716 = WM 1977, 361; BGH, GmbHR 1968, 141, 142 = DB 1967, 1170 = WM 1967, 679; KG Berlin, GmbHR 2010, 869, 870, dazu EWiR 2011, 151 (Schodder). 296) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 100; Michalski/Heidinger/Leible/ J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 265. 297) BGH, NJW 1986, 585, 586 = ZIP 1985, 1484 = GmbHR 1986, 42, dazu EWiR 1985, 991 (Koch); OLG Frankfurt/M., GmbHR 1998, 376, 378. 298) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 265; einschränkend Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 186 („gewissermaßen immer im Dienst“); Fleischer, NJW 2006, 3239, 3240. 299) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 181; Weisser, Corporate Opportunities, S. 150 ff; Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 442; Kübler in: FS Werner, S. 437, 439. 300) Weitergehend (für die Einbeziehung aller Konzernunternehmen) Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 206; Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 442. 301) BGH, ZIP 1985, 1482, 1483 = NJW 1986, 584 = DB 1985, 2602 – oHG. 302) BGH, ZIP 1985, 1482, 1483 = NJW 1986, 584 = DB 1985, 2602 – oHG; Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 30. 303) BGH, GmbHR 1968, 141, 142 = DB 1967, 1170 = WM 1967, 679; OLG Frankfurt/M., GmbHR 1998, 376, 378 – abstrakte Gefährdung der Gesellschaftsinteressen; Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 443.

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Nutzung aussprechen.304) Fehlt es an finanziellen Mitteln, muss sich der Geschäftsführer zunächst um eine Finanzierung bemühen.305) Nutzt der Geschäftsführer eine Geschäftschance der Gesellschaft für sich, kann die Gesellschaft Unterlassung verlangen (Rechtsgrundlage siehe Rn. 50).306) Bei schuldhaftem Verhalten besteht ein Schadensersatzanspruch aus Absatz 2, u. U. auch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 StGB und § 826 BGB.307) Alternativ zum Schadensersatz hat die Gesellschaft ein Eintrittsrecht entsprechend § 88 Abs. 2 AktG, § 113 HGB.308) Ein Anspruch auf Herausgabe des aus dem Geschäft Erlangten kann sich auch aus § 687 Abs. 2 i. V. m. §§ 681 Satz 2, 667 BGB ergeben.309) Zur Vorbereitung der Anspruchsdurchsetzung besteht ein Auskunftsanspruch gemäß § 242 BGB.310) Da die eigennützige Verwertung einer Geschäftschance regelmäßig einen schweren Vertrauensbruch darstellt, sind ein Widerruf des Bestellungs- und eine Kündigung des Anstellungsverhältnisses gerechtfertigt.311) Der Geschäftsführer kann von seiner Bindung an die Geschäftschancenlehre (zu den Voraussetzungen siehe Rn. 51) befreit werden. Für die konkrete (nicht: allgemeine) Befreiung genügt ein Mehrheitsbeschluss.312) Dieser unterliegt der üblichen Inhaltskontrolle.313) In den nach MitbestG mitbestimmten Gesellschaften ist dagegen analog § 88 AktG ein Beschluss des Aufsichtsrats notwendig.314)

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ee) Verschwiegenheitspflicht Obwohl das GmbHG keine den § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG, § 34 Abs. 1 Satz 2 GenG entsprechende Regelung kennt, herrscht Einvernehmen darüber, dass auch der Geschäftsführer zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Diese Pflicht wirkt über das Ende der Organstellung hinaus, wenn der Geschäftsführer während seiner Amtszeit Kenntnis von dem Geheimnis erlangt hat.315) _____________ 304) BGH, GmbHR 1977, 129, 130 = DB 1977, 716 = WM 1977, 361. 305) BGH, GmbHR 1977, 129, 130 = DB 1977, 716 = WM 1977, 361; Fleischer in: MünchKommGmbHG, § 43 Rn. 185; Schiessl, GmbHR 1988, 53, 55. 306) Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 209. 307) Schiessl, GmbHR 1988, 53, 56. 308) BGHZ 80, 69, 76 = ZIP 1981, 399 = GmbHR 1981, 189 – zum Wettbewerbsverbot, § 113 HGB entsprechend; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 209; Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 447; Kübler in: FS Werner, S. 437, 440 f. Zur fehlenden Außenwirkung des Eintrittsrechts s. BGH, NJW 1984, 1351, 1353 = ZIP 1984, 446 = GmbHR 1984, 203. 309) Kübler in: FS Werner, S. 437, 441; Schiessl, GmbHR 1988, 53, 56. 310) Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 446. 311) Schiessl, GmbHR 1988, 53, 56. Zu Problemen mit der 14-Tage-Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB s. Kübler in: FS Werner, S. 437, 441. 312) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 188; Krieger/U. H. Schneider-Verse, Hdb. Managerhaftung, § 26 Rn. 26.35; Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162, 171; Schiessl, GmbHR 1988, 53, 55; a. A. Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 210. 313) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 271; Timm, GmbHR 1981, 177, 182 ff; a. A. Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162, 171 f; Schiessl, GmbHR 1988, 53, 56. 314) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 188; Krieger/U. H. Schneider-Verse, Hdb. Managerhaftung, § 26 Rn. 26.34; Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162, 171; Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 445. 315) BGHZ 91, 1, 6 = ZIP 1984, 954 = GmbHR 1984, 234; OLG Hamm, GmbHR 1985, 157, 157 – zu § 626 BGB; OLG Koblenz, ZIP 1987, 637, 638 = DB 1987, 1036 = WM 1987, 480, dazu EWiR 1987, 513 (Hommelhoff); Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 200.

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Die Verschwiegenheitspflicht umfasst alle vertraulichen Angaben sowie Geheimnisse der Gesellschaft.316) Geheimnis ist nach der überwiegend, auch in der neueren BGH-Rechtsprechung, verwendeten Definition jede nicht offenkundige Tatsache, deren Geheimhaltung im Unternehmensinteresse liegt.317) Nicht offenkundig ist eine Tatsache, die höchstens einem begrenzten Personenkreis bekannt ist,318) und Dritte keinen problemlosen Zugang zu der Tatsache haben.319) Das Geheimhaltungsinteresse ist objektiv, nicht subjektiv zu bestimmen.320) Unerheblich ist, in welcher Funktion der Geschäftsführer das Geheimnis erfährt321) und ob es sich um einen Sachverhalt im Tätigkeitsbereich des Unternehmens oder außerhalb dieser Sphäre handelt.322) Vertrauliche Angaben sind nach eingeschliffener Formulierung Umstände, deren Bekanntwerden sich für die Gesellschaft nachteilig auswirken kann, auch wenn es sich dabei um kein Geheimnis handelt.323) Die Höhe des Geschäftsführergehalts ist ein Geheimnis der Gesellschaft, wenn sich hieraus Rückschlüsse auf andere Geheimnisse, etwa die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft, ergeben.324) Der Geschäftsführer darf seinen Gehaltsanspruch gleichwohl notfalls gerichtlich gegenüber der Gesellschaft durchsetzen.325)

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Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht können aufgrund zahlreicher Offenbarungspflichten bestehen, die sich wiederum aus unterschiedlichen Rechtsquellen ergeben können. Zu denken ist insbesondere an die organisationsrechtlichen Offenbarungspflichten innerhalb der GmbH, etwa gegenüber dem Aufsichtsrat (§ 52 i. V. m. § 90 Abs. 3 AktG), den Gesellschaftern (§ 46 Nr. 6, § 51a) sowie gegenüber dem Abschlussprüfer (§ 320 Abs. 2 HGB), dem Betriebsrat (§§ 90, 92, 99, 111 BetrVG), dem Wirtschaftsausschuss (§ 106 Abs. 2 BetrVG), den Arbeitnehmern

_____________ 316) S. etwa Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 202, 204. 317) BGH, NJW 2016, 2569 Rn. 31; vgl. auch BGH, ZIP 1996, 1341, 1342 = GmbHR 1996, 612 = NJW 1996, 2576, dazu EWiR 1996, 745 (Bork); BGH, ZIP 2016, 1063 Rn. 31; Gaul, GmbHR 1986, 296, 297; Schroeder, DB 1997, 2161, 2161 f; Lutter, ZIP 1997, 613, 617 – AG; ähnlich zu § 85 GmbHG: Armbrüster, GmbHR 1997, 56, 57. 318) LG München, ZZP 1982, 362, 364; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 293; Hopt/Roth in: Großkomm-AktG, § 93 Rn. 283, die auf die Paralellität zu § 17 UWG und § 404 AktG verweisen. 319) Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, Rn. 414. 320) BGH, ZIP 1996, 1341, 1342 = GmbHR 1996, 612 = NJW 1996, 2576, dazu EWiR 1996, 745 (Bork); Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 146; Michalski/Heidinger/Leible/ J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 299; vgl. auch BGHZ 64, 325, 329 = NJW 1975, 1412 = DB 1975, 1308 – AG: „entscheidendes Merkmal ist ein objektives“; a. A. Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 25; Erker/Freund, GmbHR 2001, 463, 464 f. 321) LG München, ZZP 1982, 362, 364. 322) Hachenburg-Mertens, GmbHG, § 43 Rn. 46; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtZiemons, GmbHG, § 43 Rn. 295; Gaul, GmbHR 1986, 296, 297 f. 323) Etwa Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 204. 324) BGH, ZIP 1996, 1341, 1342 = GmbHR 1996, 612 = NJW 1996, 2576, dazu EWiR 1996, 745 (Bork). 325) Inzident OLG Düsseldorf, NJW-RR 1994, 438, 439 = MDR 1993, 1175. Zur Abtretung des Gehaltsanspruchs und § 402 BGB s. BGH, ZIP 1996, 1341, 1341 f = GmbHR 1996, 612 = NJW 1996, 2576, dazu EWiR 1996, 745 (Bork).

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(§ 110 BetrVG) und der Öffentlichkeit (z. B. §§ 325 ff HGB).326) Selbstverständlich bestehen diese Offenbarungspflichten grundsätzlich nur gegenüber den Organen derjenigen Gesellschaft, deren Geheimnisträger der Geschäftsführer ist, nicht aber gegenüber Organen anderer Gesellschaften, in denen der Geschäftsführer ebenfalls Ämter bekleidet.327) Von der Verschwiegenheitspflicht befreit ist der Geschäftsführer auch bei verwaltungsrechtlichen Offenbarungspflichten gegenüber staatlichen Behörden.328) Die Weitergabe von Informationen ist auch dann gerechtfertigt, wenn sie der ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Organbefugnisse im Gesellschaftsinteresse dient,329) z. B. bei der Informationsweitergabe i. R. v. Beraterverträgen, wenn der Berater vertraglich oder gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet ist.330) Im Zuge einer sog. Due-Diligence-Prüfung, z. B. beim Anteils- und Unternehmenskauf, darf der Geschäftsführer Informationen grundsätzlich nur mit Einverständnis der Gesellschafter weitergeben.331) Besondere, im einzelnen str. Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht gelten schließlich, wenn die GmbH (faktisch oder vertraglich) in einen Unternehmensverbund (§§ 15 ff AktG) integriert ist.332) Im Strafprozess hat der Geschäftsführer kein Zeugnisverweigerungsrecht.333), 334) Der Geschäftsführer kann von der Verschwiegenheitspflicht befreit werden (zu den Voraussetzungen siehe Rn. 51). Für die konkrete (nicht: allgemeine) Befreiung genügt ein Mehrheitsbeschluss.335) Dieser unterliegt der Inhaltskontrolle nach den allgemeinen Regeln.336)

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c) Handeln auf Weisung und mit Einverständnis Befolgt der Geschäftsführer die verbindliche Weisung der Gesellschafterversammlung oder eines anderen Organs, z. B. des Aufsichtsrats, so liegt grundsätzlich keine Pflichtverletzung vor (arg. ex § 43 Abs. 3 Satz 3).337) Auch auf andere Normen kann _____________ 326) Hierzu OLG Köln, NJW-RR 1987, 99, 100 = GmbHR 1986, 385 = BB 1986, 1332 – zu § 51a GmbHG, dazu EWiR 1986, 591 (Timm). 327) Bank, NZG 2013, 801, 803. 328) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 156; Michalski/Heidinger/Leible/ J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 301. 329) BGHZ 64, 325, 331 = NJW 1975, 1412 = DB 1975, 1308 – AG; Michalski/Heidinger/Leible/ J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 305 f; Lutter, ZIP 1997, 613, 617. 330) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 306; Koppensteiner, ZHR 155 (1991), 97, 100 f. 331) LG Köln, GmbHR 2009, 261, 262 = BB 2009, 186 (LS); Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 158; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 148; Götze, ZGR 1999, 202, 225 f; Ziegler, DStR 2000, 249, 251 f. 332) Dazu Bank, NZG 2013, 801, 804 f. 333) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 317. 334) Zur weiteren Stellung im Straf-, Zivil- und Verwaltungsverfahren s. Fleischer in: MünchKommGmbHG, § 43 Rn. 211 f; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 317 – 323. 335) Koppensteiner, ZHR 155 (1991), 97, 101; a. A. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 40 – Einstimmigkeit erforderlich. 336) Vgl. Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 315. 337) BGHZ 142, 92, 95 = ZIP 1999, 1352 = GmbHR 1999, 921, dazu EWiR 1999, 835 (Wilhelm); BGHZ 122, 333, 336 = ZIP 1993, 917 = GmbHR 1993, 427, dazu EWiR 1993, 693 (Maier-Reimer); BGHZ 31, 258, 278 = GmbHR 1960, 43 = NJW 1960, 285; BGH, ZIP 2000, 493 = GmbHR 2000, 330 = NJW 2000, 1571.

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ein Schadensersatzanspruch der GmbH nicht gestützt werden.338) Der Geschäftsführer haftet jedoch, wenn er eine weitere, auf die Weisung bezogene Pflicht verletzt, etwa wenn er die Weisung falsch ausführt339) oder keine nahe liegendenden Bedenken gegen die Weisung geltend macht.340) Haftungsausschließend wirken auch Beschlüsse des zuständigen Gesellschaftsorgans, die keine Weisung, aber ein Einverständnis (Billigung) enthalten, den Geschäftsführer also berechtigen, aber nicht verpflichten, eine bestimmte Handlung vorzunehmen.341) Hiervon abzugrenzen ist die nachträgliche Entlastung des Geschäftsführers (siehe Rn. 78). Die bloße Kenntnis der Gesellschafter vom Handeln des Geschäftsführers schließt die Pflichtverletzung nicht aus.342) 62

Zu den Voraussetzungen der wirksamen Weisung siehe § 37 Rn. 10 ff [Jacoby] – Ein nichtiger Beschluss entlastet nicht,343) unabhängig davon, ob die Nichtigkeit auf einem Inhalts- oder Verfahrensfehler beruht.344) Der Geschäftsführer handelt aber nicht sorgfaltswidrig, wenn er die Nichtigkeit nicht erkennen konnte.345) Ein anfechtbarer Beschluss schließt die Pflichtwidrigkeit aus, wenn nicht mit Anfechtung zu rechnen ist, spätestens mit Eintritt der Unanfechtbarkeit.346) Hat der Geschäftsführer den Beschluss nicht ordnungsgemäß vorbereitet oder unzulässigen Einfluss auf die Gesellschafter genommen, kann er sich auf die hierdurch herbeigeführte Weisung oder Billigung nicht berufen.347) In der Einpersonen-Gesellschaft ist kein förmlicher Beschluss notwendig;348) handelt der Gesellschafter-Geschäftsführer, so kommt eine Pflichtverletzung nur i. R. d. Absatzes 3 (analog) in Betracht

_____________ 338) BGHZ 142, 92, 95 = ZIP 1999, 1352 = GmbHR 1999, 921, dazu EWiR 1999, 835 (Wilhelm). 339) Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 120; Ebert, GmbHR 2003, 444, 447 f. 340) OLG Jena, NZG 1999, 121, 122 = GmbHR 1999, 346; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 119; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 40; Michalski/Heidinger/ Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 394; Ebert, GmbHR 2003, 444, 447 f. 341) BGHZ 197, 304 Rn. 33 = ZIP 2013, 1712, dazu EWiR 2013, 775 (Weipert) – GmbH & Co. KG; BGH, ZIP 2003, 945, 946 = GmbHR 2003, 712 = DB 2003, 1107, dazu EWiR 2004, 443 (Sinewe); BGH, NJW-RR 1991, 483, 484 = WM 1991, 645; OLG Düsseldorf, GmbHR 2000, 666, 669. 342) OLG Bremen, GmbHR 1964, 8, 9; OLG Koblenz, NZG 1998, 953; OLG München, NZG 2000, 741, 743 = AG 2000, 426 = GmbHR 2000, 1205 – KGaA; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 218; Semler in: FS Goerdeler, S. 551, 556. 343) S. nur Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 213; Taube, Business Judgment Rule und Geschäftsführer, S. 236 f; diff. Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 127. 344) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 215; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 35; zu Verhaltenspflichten bei bloßen Verfahrensfehlern Taube, Business Judgment Rule und Geschäftsführer, S. 236 f. 345) Mennicke, NZG 2000, 622, 625. 346) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 240; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 130 f; Ebenroth/Lange, GmbHR 1992, 69, 73; wohl a. A. Taube, Business Judgment Rule und Geschäftsführer, S. 235 f. 347) OLG Jena, NZG 1999, 121, 122 = GmbHR 1999, 346; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 34; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 394. 348) BGHZ 142, 92, 95 = ZIP 1999, 1352 = GmbHR 1999, 921, dazu EWiR 1999, 835 (Wilhelm); BGHZ 119, 257, 261 = ZIP 1992, 1734 = GmbHR 1993, 38, dazu EWiR 1992, 1203 (Kort); BGH ZIP 2017, 2295 Rn. 25; OLG Brandenburg, GmbHR 2015, 353, 355.

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Haftung der Geschäftsführer

(siehe Rn. 61),349) auch wenn er Geschäftsanteile treuhänderisch für nicht unmittelbar am Gesellschaftsvermögen beteiligte Dritte hält.350) Das Gleiche gilt, wenn in der mehrgliedrigen GmbH alle Gesellschafter an der Geschäftsführer-Maßnahme mitwirken.351) Keine haftungsausschließende Wirkung entfalten Weisung und Einverständnis, soweit der Schadensersatzanspruch zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist, wenn der Geschäftsführer gegen § 30 oder § 33 verstößt (Abs. 3 Satz 3). Zur Gläubigerbefriedigung erforderlich ist der Schadensersatzanspruch, wenn zum Zeitpunkt der Handlung des Geschäftsführers zu erwarten ist, dass zumindest ein Gläubiger bei Fälligkeit seiner Forderung nicht aus dem Gesellschaftsvermögen voll befriedigt werden kann.352) Absatz 3 enthält keine abschließende Auflistung der Vorschriften, die die Gesellschafter im Gläubigerinteresse beachten müssen.353) Absatz 3 Satz 3 gilt daher analog für die Binnenhaftung aufgrund von Verstößen gegen § 15a InsO,354) §§ 19,355) 43a,356) 64357) sowie für die Ausführung existenzgefährdender Weisungen.358) Zur Haftung der Geschäftsführer in der Eigenverwaltung gemäß §§ 60, 61a InsO analog siehe Rn. 97. Auch die Pflicht zur Buchführung (§ 41)359) und zur Aufstellung des Jahresabschlusses (§ 42a Abs. 1)360) dürfte hierzu zählen, nicht jedoch

_____________ 349) BGHZ 197, 304 Rn. 33 = ZIP 2013, 1712, dazu EWiR 2013, 775 (Weipert) – GmbH & Co. KG; BGHZ 122, 333, 336 = ZIP 1993, 917 = GmbHR 1993, 427, dazu EWiR 1993, 693 (Maier-Reimer); BGHZ 31, 258, 278 = GmbHR 1960, 43 = NJW 1960, 285; BGH, ZIP 2009, 2335, 2336 = GmbHR 2010, 85 = DStR 2010, 63 m. Anm. Goette, dazu EWiR 2010, 151 (Schodder); BGH, ZIP 2000, 493 = GmbHR 2000, 330 = NJW 2000, 1571; BGH, ZIP 1994, 872, 874 = GmbHR 1994, 459 = NJW-RR 1994, 806; OLG Karlsruhe, GmbHR 1999, 1144 = NZG 1999, 889 = DStR 2000, 1024; LG Wiesbaden, ZIP 2013, 2060, 2061 = BB 2013, 1730; OLG Brandenburg, GmbHR 2015, 353, 355. 350) OLG Brandenburg, GmbHR 2015, 353, 355; LG München, ZIP 2017, 1668 Rn. 24. 351) BGHZ 142, 92, 95 f = ZIP 1999, 1352 = GmbHR 1999, 921, dazu EWiR 1999, 835 (Wilhelm); OLG Nürnberg, NZG 2001, 943, 944; OLG Stuttgart, GmbHR 2000, 1048, 1049 = NZI 2000, 27 = ZInsO 2000, 671; BGH ZIP 2017, 2295 Rn. 25. 352) Vgl. Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 504. 353) Etwa Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 297; Goette, DStR 1998, 938, 942. 354) BGH, ZIP 2003, 945, 946 = GmbHR 2003, 712 = DB 2003, 1107, dazu EWiR 2004, 443 (Sinewe); Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 297; a. A. BGH, NJW 1974, 1088, 1089 = GmbHR 1974, 131 = DB 1974, 910. 355) LG Wiesbaden, ZIP 2013, 2060, 2061 = BB 2013, 1730. 356) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 297; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 263; U. H. Schneider in: FS Werner, S. 795, 809 f. 357) BGH, ZIP 2009, 2335, 2336 = GmbHR 2010, 85 = DStR 2010, 63 m. Anm. Goette, dazu EWiR 2010, 151 (Schodder); Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 64 Rn. 69, Wicke, GmbHG, § 64 Rn. 24. 358) BGHZ 176, 204, 215 Rn. 39 = ZIP 2008, 1232 = GmbHR 2008, 805 – Gamma, dazu EWiR 2008, 493 (Bruns); BGHZ 149, 10, 20 = ZIP 2001, 1874 = GmbHR 2001, 1036 – Bremer Vulkan; BGH, ZIP 2003, 945, 946 = GmbHR 2003, 712 = DB 2003, 1107, dazu EWiR 2004, 443 (Sinewe); offen noch BGH, ZIP 2000, 493, 494 = GmbHR 2000, 330 = NJW 2000, 1571; großzügiger T. Drygala in: FS Hopt, Bd. I, S. 541, 545 f. 359) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 266; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 64. 360) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 266.

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die Pflicht zur Einberufung der Gesellschafterversammlung gemäß § 49 Abs. 3, die allein dem Schutz der Gesellschafter dient.361) 3.

Verschulden

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Der Geschäftsführer haftet nur, wenn er die Pflichtverletzung zu verschulden hat. Der Verschuldensmaßstab ergibt sich aus Absatz 1. Der Geschäftsführer muss demnach die Sorgfalt eines selbständigen treuhänderischen Verwalters fremder Vermögensinteressen in verantwortlich leitender Position walten lassen (siehe Rn. 24). Dieser Maßstab geht über die allgemeinen Sorgfaltsanforderungen des § 276 BGB hinaus; er ist identisch mit dem des § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG.362) Auf die arbeitsrechtlichen Grundsätze zur modifizierten Haftung von Arbeitnehmern bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten kann sich der Geschäftsführer grundsätzlich nicht berufen, da seine Haftung aus der Organstellung folgt.363) Etwas anderes gilt für die Verletzung vertraglicher Pflichten, für die der Geschäftsführer nicht nach § 43 haftet (siehe Rn. 14), sofern sein Anstellungsvertrag als Arbeitsvertrag zu qualifizieren ist.364) § 708 BGB gilt für den Geschäftsführer auch dann nicht analog, wenn er Gesellschafter ist.365) Ebenso wenig gilt § 31a BGB analog für den unentgeltlichen oder geringvergüteten Geschäftsführer.366)

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Der Inhalt der Sorgfaltsanforderungen ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls, zu den Kriterien siehe Rn. 24. Keine Rolle spielen persönliche Eigenschaften des Geschäftsführers wie junges Alter oder Unerfahrenheit,367) eine hohe Arbeits_____________ 361) A. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 266; Lutter/HommelhoffKleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 64. 362) OLG Bremen, GmbHR 1964, 8, 9; OLG Celle, NZG 2000, 1178, 1179 = GmbHR 2001, 243; OLG Koblenz, ZIP 1991, 870, 871 = GmbHR 1991, 416; OLG Zweibrücken, GmbHR 1999, 715 = NZG 1999, 506. 363) BGHZ 148, 167, 172 = ZIP 2001, 1458 = GmbHR 2001, 771, dazu EWiR 2001, 917 (Keil); KG, NZG 1999, 400, 402; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 256; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 21 Rn. 167; Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 80 ff; Gissel, Arbeitnehmerschutz, S. 138 f; Haas, Geschäftsführerhaftung und Gläubigerschutz, S. 293 f; Lohr, NZG 2000, 1204, 1205 ff; Lutter, GmbHR 2000, 301, 311; Joussen, GmbHR 2005, 441, 443 ff; vgl. auch KG Berlin, NZG 1999, 400, 402 – in Bezug auf ein Haftungsprivileg nach dem Arbeitsgesetzbuch der DDR; a. A. Frisch, Haftungserleichterung, S. 204 ff; Brox/Walker, DB 1985, 1469, 1476; Köhl, DB 1996, 2597, 2600 f; Reese, DStR 1995, 532, 534 f; in neuerer Zeit vor allem Koch, AG 2012, 429, 437 f. 364) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 422; Baumbach/HueckZöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 6 a. E.; Reichold in: Münch-Hdb. ArbR, § 51 Rn. 66; zweifelnd Henssler/Strohn-Oetker, GesR, § 43 GmbHG Rn. 12. 365) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 41; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 233; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 3. 366) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 256b; Henssler/Strohn-Oetker, GesR, § 43 GmbHG Rn. 13; a. A. Piper, WM 2011, 2211, 2214. 367) BGH, NJW 1995, 1290, 1291 = ZIP 1995, 591 = GmbHR 1995, 451; BGH, ZIP 1983, 824, 825 = GmbHR 1983, 300 = NJW 1983, 1856; OLG Celle, NZG 2000, 1178, 1179 = GmbHR 2001, 243; OLG Jena, NZG 2001, 86, 87 = GmbHR 2001, 243; OLG Koblenz, ZIP 1991, 870, 871 = GmbHR 1991, 870; OLG Köln, GmbHR 1972, 65, 65; OLG Zweibrücken, NZG 1999, 506, 507 = GmbHR 1999, 715; a. A. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 4 – wenn der Geschäftsführer aus unternehmenspolitischen Gründen aus einer speziellen sozialen Gruppe bestellt wird.

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belastung des Geschäftsführers368) oder die Tatsache, dass er ehren- oder nebenamtlich tätig wird.369) Spezielle Kenntnisse verschärfen allerdings den Sorgfaltsmaßstab.370) Handlungen anderer Geschäftsführer, Prokuristen oder Mitarbeiter werden dem Geschäftsführer nicht gemäß § 278 BGB zugerechnet, da diese Personen nicht in seinem Pflichtenkreis, sondern für die GmbH tätig werden.371) Unter welchen Voraussetzungen sich der Geschäftsführer auf Expertenrat verlassen darf, etwa von Rechtsanwälten, Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern (auch hierzulande häufig als reliance defense bezeichnet372)), hat der Bundesgerichtshof rechtsformübergreifend in einer Reihe von Entscheidungen zur Innen- und Außenhaftung von Vorständen und Geschäftsführern entwickelt. Erforderlich ist demnach, dass der Geschäftsleiter dem Ratgeber den zu beurteilenden Sachverhalt vollständig schildert,373) dass der Ratgeber ein unabhängiger,374) fachlich qualifizierter375) Berufsträger376) ist und dass der Geschäftsleiter den Rat einer eigenen Plausibilitätskontrolle unterzieht.377) Liegen diese Voraussetzungen vor, handelt der Geschäftsführer nicht schuldhaft; verlässt er sich nach diesen Grundsätzen auf den Rechtsrat eines anderen, so unterliegt er einem unverschuldeten Rechtsirrtum. Ein eventuelles Verschulden des Ratgebers wird ihm grundsätzlich nicht nach § 278 BGB zugerechnet, weil der Ratgeber üblicherweise nicht im Auftrag des Geschäftsleiters, sondern im _____________ 368) OLG Bremen, GmbHR 1964, 8, 9; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 255. 369) BGH, ZIP 2004, 407, 409 = DB 2004, 534 = NJW-RR 2004, 900 – Genossenschaft, dazu EWiR 2004, 975 (Rottnauer); Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 44; Henssler/Strohn-Oetker, GesR, § 43 GmbHG Rn. 15. 370) Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 232; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 11. 371) BGHZ 13, 61, 64 f = GmbHR 1954, 76 = NJW 1954, 1158 – Prokurist; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 126, 257; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 30; Schaub, DStR 1992, 985, 986; Weber/Lohr, GmbHR 2000, 698, 701. 372) S. nur Fleischer, DB 2014, 1971, 1973; Klöhn, DB 2013, 1535, 1536 f. 373) BGH, NJW 2007, 2118 Rn. 18 = ZIP 2007, 1265, dazu EWiR 2007, 495 (Henkel/Mock) – Insolvenzantragspflicht; BGH, NZG 2011, 1271 Rn. 18 = ZIP 2011, 2097 – ISION, dazu EWiR 2011, 93 (E. Vetter) – AG; BGH, NZG 2012, 672 Rn. 16 = ZIP 2012, 1174, dazu EWiR 2012, 457 (Wackerbarth) – Insolvenzantragspflicht. 374) BGH, NJW 2007, 2118 Rn. 18 = ZIP 2007, 1265, dazu EWiR 2007, 495 (Henkel/Mock) – Insolvenzantragspflicht; BGH, DStR 2007, 1641 Rn. 3; BGH, NZG 2011, 1271 Rn. 18 = ZIP 2011, 2097 – ISION, dazu EWiR 2011, 93 (E. Vetter) – AG; BGH, NZG 2012, 672 Rn. 16 = ZIP 2012, 1174, dazu EWiR 2012, 457 (Wackerbarth) – Insolvenzantragspflicht. 375) BGH, NJW 2007, 2118 Rn. 18 = ZIP 2007, 1265, dazu EWiR 2007, 495 (Henkel/Mock) – Insolvenzantragspflicht; BGH, NZG 2011, 1271 Rn. 18 = ZIP 2011, 2097 – ISION, dazu EWiR 2011, 93 (E. Vetter) – AG; BGH, NZG 2012, 672 Rn. 16 = ZIP 2012, 1174, dazu EWiR 2012, 457 (Wackerbarth) – Insolvenzantragspflicht. 376) BGH, NJW 2007, 2118 Rn. 16 = ZIP 2007, 1265, dazu EWiR 2007, 495 (Henkel/Mock) – Insolvenzantragspflicht; BGH, NZG 2011, 1271 Rn. 18 = ZIP 2011, 2097 – ISION, dazu EWiR 2011, 93 (E. Vetter) – AG. 377) BGH, NJW 2007, 2118 Rn. 18 = ZIP 2007, 1265, dazu EWiR 2007, 495 (Henkel/Mock) – Insolvenzantragspflicht; BGH, NZG 2011, 1271 Rn. 23 ff = ZIP 2011, 2097 – ISION, dazu EWiR 2011, 93 (E. Vetter) – AG; BGH, NZG 2012, 672 Rn. 16 = ZIP 2012, 1174, dazu EWiR 2012, 457 (Wackerbarth) – Insolvenzantragspflicht; inzident schon zuvor OLG Hamm, NZG 2002, 782: kein exkulpierendes Vertrauen bei nicht näher begründeter Auskunft eines Anwalts; vgl. auch BGH ZIP 2015, 1220 Rn. 33. Konkretisierung dieses Erfordernisses bei Sander/Schneider, ZGR 2013, 725, 752 ff; Florstedt, NZG 2017, 601, 607 ff.

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Auftrag der Gesellschaft tätig wird.378) Im Zuge der ISION-Entscheidung des Bundesgerichtshofs379) ist intensiv diskutiert worden, ob auch die Mitarbeiter der eigenen Rechtsabteilung unabhängig i. S. d. oben referierten Rechtsprechungsgrundsätze sein können. Während einige dies zumindest bei komplexen Transaktionen ablehnen,380) hält die überwiegend vertretene Meinung381) Unternehmensjuristen grundsätzlich für geeignet, Rechtsrat mit haftungsbefreiender Wirkung zu erteilen. Dem ist zu folgen. Weder sind Unternehmensjuristen per se abhängig noch können Anwälte stets als unabhängig angesehen werden; vielmehr kommt es auf eine Betrachtung des Einzelfalls an.382) Die soeben dargelegten Grundsätze finden auch auf Unternehmensjuristen Anwendung, die in gesellschaftsfremde Konzernrechtsabteilungen eingegliedert sind.383) 4. 67

Schaden

Die Gesellschaft muss einen Schaden erlitten haben.384) Es kommt – entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs385) – jeder Vermögens- und Nichtvermögensschaden in Betracht.386) Für die Ermittlung gelten die allgemeinen Regeln des Schadensrechts (§§ 249 ff BGB). Beispiele sind entgangene Zinsvorteile bei vorzeitiger Schuldentilgung,387) die Belastung des Gesellschaftsvermögens mit einer Forderung ohne adäquate Gegenleistung388) oder Steuerbelastungen bei verbotenen Gewinnausschüttungen.389) Die Annahme von Schmiergeld und unzulässigen Provisionszahlungen durch den Geschäftsführer führt nur dann zu einem Schaden, wenn _____________ 378) BGHZ 62, 166, 171 f; BGH, NJW 1974, 1194; BGH, NZG 2011, 1271 Rn. 17 = ZIP 2011, 2097 – ISION, dazu EWiR 2011, 93 (E. Vetter) – AG; Strohn, ZHR 176 (2012), 137, 142 f. 379) BGH, NZG 2011, 1271 = ZIP 2011, 2097 – ISION, dazu EWiR 2011, 93 (E. Vetter) – AG. 380) Primaczenko, GWR 2011, 518; E. Vetter, EWiR 2011, 793, 794. 381) Bicker, AG 2014, 8, 10; Fleischer, ZIP 2009, 1397, 1403; Fleischer, KSzW 2013, 3, 8; Junker/Biederbick, AG 2012, 898, 900 ff; Kiefner/Krämer, AG 2012, 498, 501; Krieger, ZGR 2012, 496, 500; Merkt/Mylich, NZG 2012, 525, 528; Peters, AG 2010, 811; Selter, AG 2012, 11, 14 f; Strohn, ZHR 176 (2012), 137, 140; Redeke, AG 2017, 289; Redeke, AG 2018, 381; tendenziell auch J. Wagner, BB 2012, 651, 656 (Beweisproblem). 382) Näher Klöhn, DB 2013, 1535, 1537 ff. 383) Vgl. Redeke, AG 2018, 381. 384) Dies ist eine Voraussetzung des Schadensersatzanspruchs, nicht bloß Frage der Haftungsausfüllung; s. OLG München, NZG 2000, 741, 743 = AG 2000, 426 = GmbHR 2000, 1205 – KGaA; OLG Naumburg, ZIP 1999, 118, 120 = GmbHR 1998, 1180 = DB 1998, 2411, dazu EWiR 1999, 21 (Zimmermann); Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 45. 385) BGH, ZIP 2012, 1197 Rn. 27 = WM 2012, 990 (nur Vermögensschäden); bestätigt in BGH, ZIP 2013, 1712 Rn. 44, dazu EWiR 2013, 775 (Weipert) – GmbH & Co. KG (insoweit in BGHZ 197, 304 nicht abgedr.); ebenso Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 262, 264. 386) A. A. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 15 – „Minderung des geldwerten Gesellschaftsvermögens“; wie hier noch 19. Aufl. 2010 („ideelle Nachteile“ ebenfalls erfasst). 387) OLG Koblenz, NJW-RR 2000, 483, 484 = GmbHR 1999, 1201 = DStR 2000, 1447. 388) OLG Naumburg, NZG 1999, 353, 355. 389) BGH, DStR 2002, 227.

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sie zulasten der Gesellschaft geht.390) Die Rechtsprechung vermutet jedoch i. R. d. § 287 ZPO, dass den Zahlungen ein Mindestschaden i. H. d. angenommenen Vorteils gegenübersteht. § 30 widersprechende Auszahlungen sind stets als Schaden zu werten, soweit sie nicht wieder in das Gesellschaftsvermögen geflossen sind.391) Ersatzansprüche der Gesellschaft gemäß § 31 mindern den Schadensersatzanspruch nicht, ihre Erfüllung hingegen schon. Wenn aus einer Reihe gleichartiger unzulässiger Spekulationsgeschäfte des Geschäftsführers sowohl Gewinne als auch Verluste entstehen, muss sich die Gesellschaft nach dem Bundesgerichtshof und der h. M. auf ihren Schadensersatzanspruch wegen der entstandenen Verluste im Wege der Vorteilsausgleichung grundsätzlich die Gewinne anrechnen lassen.392) Dagegen sind Gewinne aus pflichtgemäß abgeschlossenen Zinsderivatgeschäften nicht anzurechnen, da die Gesellschaft auch die Verluste aus diesen Geschäften tragen müsste.393) Ob die Insolvenzvertiefung einen Schaden der Gesellschaft (und nicht ausschließlich der Gesellschaftsgläubiger) verursacht, beurteilt der BGH uneinheitlich. Der IX. Senat hat sich im Rahmen der Steuerberaterhaftung für einen Schaden der Gesellschaft ausgesprochen,394) im Zusammenhang mit der Haftung des Geschäftsführers in Eigenverwaltung (obiter) jedoch dagegen.395) Auch nach dem II. Senat fehlt es an einem Schaden der Gesellschaft.396) Ob und ggf. inwieweit die Differenzhypothese bei Kompetenzüberschreitungen und Verfahrensverstößen des Geschäftsführers zu korrigieren ist, darf als offen bezeichnet werden.397) Der Bundesgerichtshof hat festgehalten, dass das Erfordernis des Vermögensschadens in diesen Fällen unverzichtbar sei.398) Dies dürfte in dieser Allgemeinheit jedoch nicht richtig sein, da als Schaden grundsätzlich auch jeder Nichtvermögensschaden in Betracht kommt (siehe Rn. 67). 5.

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Haftungsausfüllende Kausalität

Der Geschäftsführer haftet nur für solche Schäden, die durch seine Pflichtverletzung zurechenbar verursacht wurden. Ihm steht etwa der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens zu.399) In der Literatur umstritten und höchstrichterlich nicht abschließend geklärt ist, ob dieser Einwand auch bei Kompetenzüberschreitungen _____________ 390) BGH, WM 1962, 578 – VVaG. 391) RGZ 159, 211, 230 – AG; BGH, ZIP 2008, 2217, 2220 = GmbHR 2008, 1319 = DB 2008, 2584, dazu EWiR 2009, 23 (Kort); KG Berlin, NZG 2000, 1224, 1226. 392) BGH, ZIP 2013, 455 Rn. 26 f = NZG 2013, 293 – Corealcredit Bank, dazu EWiR 2013, 261 (E. Vetter) – AG; OLG Düsseldorf, AG 2016, 410, 414; zuvor Fleischer DStR 2009, 1204, 1210. 393) BGH, ZIP 2013, 455 Rn. 28 = NZG 2013, 293 – Corealcredit Bank, dazu EWiR 2013, 261 (E. Vetter) – AG; OLG Düsseldorf, AG 2016, 410, 415. 394) BGH, ZIP 2013, 2345 Rn. 22; BGHZ 213, 374 Rn. 52. 395) BGH, ZIP 2018, 977 Rn. 32; zust. Bachmann/Becker, NJW 2018, 2235, 236. 396) BGHZ 187, 60 Rn. 11, 14, 21. 397) Für eine Korrektur KG Berlin, GmbHR 2005, 477, 479; OLG München, NZG 2000, 741, 743 = AG 2000, 426 = GmbHR 2000, 1205. Dagegen OLG Hamm, NJW-RR 1999, 1715. Instruktiv Fleischer, DStR 2009, 1204, 1205 ff. 398) BGH, ZIP 2013, 1712 Rn. 44, dazu EWiR 2013, 775 (Weipert) – GmbH & Co. KG (insoweit in BGHZ 197, 304 nicht abgedr.); BGH, ZIP 2012, 1197 Rn. 27 = WM 2012, 990. 399) S. nur BGH, ZIP 2013, 455 Rn. 14 = NZG 2013, 293 – Corealcredit Bank, dazu EWiR 2013, 261 (E. Vetter) – AG; BGHZ 152, 280, 284 = ZIP 2002, 2314 = GmbHR 2003, 113, dazu EWiR 2003, 225 (Schimmer).

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und Verstößen gegen Verfahrensregeln gilt.400) Wird aufgrund der Pflichtverletzung des Geschäftsführers gegen die Gesellschaft ein Bußgeld verhängt, so gehört der Ahndungsteil dieses Bußgelds grundsätzlich zu dem gemäß Absatz 2 ersatzfähigen Gesellschaftsschaden.401) Der Abschöpfungsteil stellt hingegen schon nach der Differenzhypothese keinen ersatzfähigen Schaden der Gesellschaft dar, da mit ihm lediglich der Vorteil abgeschöpft wird, den die Gesellschaft aufgrund der Pflichtverletzung erlangt hat.402) 6. 70

Mitverschulden

Mitverschulden der Gesellschaft wirkt gemäß § 254 BGB haftungsmildernd oder -ausschließend. Allerdings bestehen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Pflichten der Gesellschaftsorgane “nebeneinander”.403) Der Geschäftsführer kann daher weder einwenden, die Gesellschafterversammlung habe ihn trotz ihres Wissens um seine Ungeeignetheit für das Amt bestellt,404) noch geltend machen, dass sie ihn unzureichend beaufsichtigt habe.405) Diese Rechtsprechung ist richtig, weil die Pflichten der anderen Organe grundsätzlich ihrerseits den Zweck haben, die Gesellschaft zu schützen.406) Etwas anderes muss jedoch gelten, wenn der Geschäftsführer auf Beschluss eines weisungsberechtigten Organs (z. B. Gesellschafterversammlung, Aufsichtsrat) tätig wird, da das Verhalten des Geschäftsführers in diesem Fall seinen Ursprung in der Weisung hat.407) Dies kann die Haftung insbesondere in solchen Sachverhalten mildern, in denen die Form der Weisung (siehe Rn. 62) nicht beachtet, aber der Geschäftsführer gleichwohl zu einem Verhalten bestimmt wurde. Soweit eine (unwirksame) Weisung gegen zwingende Bestimmungen des Gläubigerschutzes verstößt (siehe Rn. 63) und die Ersatzpflicht zur Gläubigerbefriedigung erforderlich _____________ 400) Verneinend RGZ 144, 348, 358 – AG; BGHZ 114, 127, 135 = ZIP 1991, 653 = NJW 1991, 1830 – AG, dazu EWiR 1991, 525 (Semler); BGH, NJW 1991, 1681, 1682 = ZIP 1991, 509 = GmbHR 1991, 197, dazu EWiR 1991, 469 (Meyer-Landrut); OLG Koblenz, BeckRS 2008, 02728 sub. C. II. 2. a, bb) = NZG 2008, 280 = DStR 2008, 687; bejahend BGH, DStR 2008, 1974, 1976 = ZIP 2008, 1818 = GmbHR 2008, 1092; BGH, ZIP 2007, 268 Rn. 10 = GmbHR 2007, 260 = NJW 2007, 917, dazu EWiR 2007, 201 (Wagner). Umfassend hierzu Altmeppen in: FS K. Schmidt, S. 23, 36 ff; Fleischer, DStR 2009, 1204, 1207 ff; Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 330 ff – für deliktsrechtliche Verstöße. 401) Etwa Fleischer, DB 2014, 345, 347; a. A. Dreher in: FS Konzen, S. 85, 103 ff; Horn, ZIP 1997, 1129, 1136; zweifelnd Kindler in: FS G. H. Roth, S. 367, 372. 402) Krieger/U. H. Schneider-Krieger, Hdb. Managerhaftung, § 3 Rn. 3.37 m. w. N.; Fleischer, DB 2014, 345, 347. 403) BGH, ZIP 1983, 824, 825 = GmbHR 1983, 300 = NJW 1983, 1856; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 260; Saenger/Inhester-Lücke/Simon, GmbHG, § 43 Rn. 67; krit. Lindacher, JuS 1984, 672, 674. 404) BGH, WM 1981, 440, 442 = GmbHR 1981, 191; differenzierend Rowedder/SchmidtLeithoff-Schnorbus, GmbHG, § 43 Rn. 82 f; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 469; a. A., wenn die Ungeeignetheit erkennbar war: Diekmann in: Münch-Hdb. GesR, Bd. 3, § 46 Rn. 25; Thümmel, Persönliche Haftung, Rn. 161; Baumbach/ Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 45. 405) BGH, ZIP 1983, 824, 825 = GmbHR 1983, 300 = NJW 1983, 1856; Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 469; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 246; weiter diff. v. Venrooy, GmbHR 2004, 237, 246. 406) Vgl. auch LG München, BeckRS 2014, 01998 sub. I.1.c.2. 407) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 468; Henssler/StrohnOetker, GesR, § 43 GmbHG Rn. 43.

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ist, kommt ein Mitverschulden nicht in Betracht, da es hier um den Schutz der Gläubigerinteressen geht.408) Eine Zurechnung des Mitverschuldens anderer Geschäftsführer kommt nicht in Betracht, weil dies dem Sinn der gesamtschuldnerischen Haftung (siehe Rn. 74) widerspräche.409) Auch auf ein Mitverschulden von Angestellten der Gesellschaft kann sich der Geschäftsführer nicht berufen, da dies seiner grundsätzlichen Organisationsverantwortung zuwiderliefe.410) 7.

Beweislast

Im Prozess gegen den Geschäftsführer gelten die allgemeinen Grundsätze zur Verteilung der Beweislast (Rosenberg’sche Formel). Modifiziert werden diese Grundsätze durch § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG, § 34 Abs. 2 Satz 2 GenG, die einen allgemeinen Rechtsgedanken enthalten, der auch auf die GmbH Anwendung findet.411) Dies gilt auch dann, wenn der Geschäftsführer ausgeschieden ist, wobei die Gesellschaft verpflichtet ist, dem Geschäftsführer Einsicht in die zu seiner Verteidigung erforderlichen Unterlagen zu gewähren,412) Demnach trägt die GmbH die Beweislast für die (faktische) Geschäftsführereigenschaft des Beklagten,413) den Schaden414) und die haftungsausfüllende Kausalität,415) wobei hinsichtlich der letzten beiden Vorausset_____________ 408) Ähnlich Lindacher, JuS 1984, 672, 674; weitgehend übereinstimmend Michalski/Heidinger/ Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 468, die jedoch u. U. den Rechtsmissbrauchseinwand zulassen wollen. 409) BGH, ZIP 1983, 824, 825 = GmbHR 1983, 300 = NJW 1983, 1856. 410) I. E. OLG Köln, GmbHR 2000, 942 (2. LS); Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 466; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 45. 411) BGHZ 152, 280, 283 = ZIP 2002, 2314 = GmbHR 2003, 113, dazu EWiR 2003, 225 (Schimmer); BGH, NJW 1963, 46 = DB 1962, 1502 = WM 1962, 1286; OLG Jena, NZG 2001, 86, 88 = GmbHR 2001, 243; OLG Koblenz, NJW-RR 2000, 483, 484 = GmbHR 1999, 1201 = DStR 2000, 1447; OLG München, ZIP 2015, 2472 Rn. 51. 412) BGHZ 152, 280, 285 = ZIP 2002, 2314 = GmbHR 2003, 113, dazu EWiR 2003, 225 (Schimmer); Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 274; Paefgen, AG 2014, 554, 566; Born in: Handbuch Managerhaftung, § 14 Rn. 14.20; a. A. Foerster, ZHR 176 (2012), 221, 230 ff; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 795, 805. Zu den hiermit verbundenen Fragen Deilmann/Otte, DB 2011, 1291; Krieger in: FS U. H. Schneider, S. 717; Werner, GmbHR 2013, 68. 413) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 203; Michalski/Heidinger/Leible/ J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 473; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 36. 414) BGHZ 197, 304 Rn. 22; BGHZ 152, 280, 284 = ZIP 2002, 2314 = GmbHR 2003, 113, dazu EWiR 2003, 225 (Schimmer); BGH, ZIP 1992, 108, 109 = GmbHR 1992, 166 = NJW 1992, 1166, dazu EWiR 1992, 277 (Hunecke); BGH, ZIP 1994, 872, 873 = GmbHR 1994, 459 = NJW-RR 1994, 806; OLG Naumburg, ZIP 1999, 118, 120 = GmbHR 1998, 1180 = DB 1998, 2411, dazu EWiR 1999, 21 (Zimmermann); OLG Naumburg, NZG 2001, 136, 137; OLG München, Urt. v. 22.6.2017 – 23 U 1099/17, juris, Rn. 40; OLG München, ZIP 2016, 621 Rn. 62; OLG Brandenburg, GmbHR 2018, 578, 579. 415) BGHZ 197, 304 Rn. 22; BGHZ 152, 280, 284 = ZIP 2002, 2314 = GmbHR 2003, 113, dazu EWiR 2003, 225 (Schimmer); BGH, ZIP 1994, 872, 873 = GmbHR 1994, 459 = NJW-RR 1994, 806; BGH, ZIP 1992, 108, 109 = GmbHR 1992, 166 = NJW 1992, 1166, dazu EWiR 1992, 277 (Hunecke); OLG Hamm, NZG 1999, 1221; OLG Hamm, ZIP 1995, 1263, 1265 = AG 1995, 512 – AG; OLG Jena, NZG 1999, 121, 123 = GmbHR 1999, 346; OLG Koblenz, NJW-RR 2000, 483, 484 = GmbHR 1999, 1201 = DStR 2000, 1447; OLG Naumburg, NZG 2001, 136, 137; OLG München, Urt. v. 22.6.2017 – 23 U 1099/17, juris, Rn. 40; OLG München, ZIP 2016, 621 Rn. 62; OLG Brandenburg, GmbHR 2018, 578, 579; einschränkend OLG München, ZIP 2015, 2472 Rn. 51 mit Verweis auf BGH, ZIP 1985, 1135.

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zungen § 287 ZPO zur Anwendung kommt.416) Der Geschäftsführer trägt die Beweislast für sein fehlendes Verschulden,417) für den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens418) sowie für anzurechnende Gewinne im Wege der Vorteilsausgleichung.419) 72

Hinsichtlich des pflichtwidrigen Verhaltens ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu differenzieren:420) Die Gesellschaft muss Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass das schadensstiftende Verhalten des Geschäftsführers möglicherweise pflichtwidrig war. Liegen solche Tatsachen vor, muss der Geschäftsführer darlegen und ggf. beweisen, dass sein Verhalten nicht pflichtwidrig war. Die Anforderungen an die Darlegungslast der GmbH sind abhängig von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der Einsichtsmöglichkeiten in das Verhalten des Geschäftsführers, dem Zeitablauf seit der angeblich pflichtwidrigen Handlung usw.421) Beruft sich der Geschäftsführer auf sein unternehmerisches Ermessen (§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG analog), trägt er die Beweislast für dessen Voraussetzungen mit Ausnahme des guten Glaubens.422) Im Hinblick auf die Voraussetzung einer angemessenen Informationsgrundlage spricht viel dafür, die Darlegungs- und Beweislast abzustufen:423) Der Geschäftsführer muss aufdecken, auf welche Informationen er _____________ 416) BGHZ 152, 280, 287 = ZIP 2002, 2314 = GmbHR 2003, 113, dazu EWiR 2003, 225 (Schimmer); BGHZ 197, 304 Rn. 22; OLG München, Urt. v. 22.6.2017 – 23 U 1099/17, juris, Rn. 40. 417) BGHZ 197, 304 Rn. 22; BGH, ZIP 1985, 1135, 1135 f = GmbHR 1986, 19 = DB 1985, 2291, dazu EWiR 1985, 787 (Fleck); OLG Hamburg, NZG 2000, 839, 840 = GmbHR 2000, 937 (LS); OLG Jena, NZG 1999, 121, 123 = GmbHR 1999, 346; OLG Koblenz, NJW-RR 2000, 483, 484 = GmbHR 1999, 1201 = DStR 2000, 1447; OLG München, ZIP 2015, 2472 Rn. 51; OLG München, ZIP 2016, 621 Rn. 62; OLG Brandenburg, GmbHR 2018, 578, 579; Born in: Handbuch Managerhaftung, § 14 Rn. 14.15 – zur sog. reliance defense. 418) BGHZ 197, 304 Rn. 32 = ZIP 2013, 1712, dazu EWiR 2013, 775 (Weipert) – GmbH & Co. KG; BGH, ZIP 2013, 455 Rn. 14 = NZG 2013, 293 – Corealcredit Bank, dazu EWiR 2013, 261 (E. Vetter) – AG; BGH, DStR 2007, 1641, 1642; BGH, ZIP 1994, GmbHR 1978, 229 = DB 1978, 247 – Aufsichtsrat; RGZ 161, 129, 134 – Aufsichtsrat; KG Berlin, GmbHR 2005, 477, 479; OLG Hamm, ZIP 1995, 1263, 1267 = AG 1995, 512 – AG; OLG Naumburg, NZG 2001, 136, 137; OLG Düsseldorf, AG 2016, 410, 411; v. Gerkan, ZHR 154 (1990), 39, 49. 419) BGH, ZIP 2013, 455 Rn. 29 = NZG 2013, 293 – Corealcredit Bank, dazu EWiR 2013, 261 (E. Vetter) – AG. 420) BGHZ 152, 280, 284 f = ZIP 2002, 2314 = GmbHR 2003, 113, dazu EWiR 2003, 225 (Schimmer); vorbereitend Goette, ZGR 1995, 648, 670 ff; danach BGH, ZIP 2008, 117 Rn. 4 = GmbHR 2008, 144 = NZG 2008, 104; BGH, ZIP 2009, 1467 = GmbHR 2009, 993; BGHZ 197, 304 Rn. 22 = ZIP 2013, 1712, dazu EWiR 2013, 775 (Weipert) – GmbH & Co. KG; strenger in der Formulierung sogar BGH, DStR 2007, 1641, 1643 Rn. 5; s. a. schon OLG Naumburg, NZG 2001, 136, 137. 421) Goette, ZGR 1995, 648, 674. 422) BGHZ 152, 280, 284 = ZIP 2002, 2314 = GmbHR 2003, 113, dazu EWiR 2003, 225 (Schimmer); BGHZ 197, 304 Rn. 28 = ZIP 2013, 1712, dazu EWiR 2013, 775 (Weipert) – GmbH & Co. KG; BGH, ZIP 2008, 736, 737 = GmbHR 2008, 488 = NZG 2008, 314; BGH, ZIP 2008, 117 = GmbHR 2008, 144 = NZG 2008, 104; BGH, ZIP 2008, 1675, 1676 = GmbHR 2008, 1033 = NJW 2008, 3361; BGH, ZIP 2013, 455 Rn. 14 = NZG 2013, 293 – Corealcredit Bank, dazu EWiR 2013, 261 (E. Vetter) – AG; OLG München, ZIP 2015, 2472 Rn. 51; Born in: Handbuch Managerhaftung, § 14 Rn. 14.12 ff; Goette, ZGR 1995, 648, 674. 423) Fest, NZG 2011, 540, 541.

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seine Entscheidung stützte und warum dies den Anforderungen der „business judgment rule“ genügte. Sodann ist es an der Gesellschaft zu behaupten und zu beweisen, dass weitere Informationen heranzuziehen gewesen wären. Darlegungs- und beweisbelastet ist der Geschäftsführer auch, wenn er sich auf eine Weisung beruft.424) All diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob die Gesellschaft ihre Klage auf ein pflichtwidriges Tun oder Unterlassen des Geschäftsführers stützt.425) Im Übrigen gilt der Grundsatz, dass an den Nachweis des Gesellschaftsschadens keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden dürfen, die die Gesellschaft nicht erfüllen kann.426) Nimmt der Geschäftsführer Schmiergeld im Zusammenhang mit einem Geschäftsabschluss an, spricht ein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Gesellschaft i. H. d. Schmiergeldzahlung einen Verlust gemacht hat, da nach der Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass sie ohne die Schmiergeldzahlung ein günstigeres Austauschverhältnis erzielt hätte.427) Kann der Schaden nicht ermittelt werden, weil der Geschäftsführer seine Buchführungs-, Aufzeichnungs- oder Organisationspflichten verletzt hat, wird die Beweislast umgekehrt;428) dies gilt jedoch nicht für die deliktische Haftung des Geschäftsführers.429)

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IV. Haftung mehrerer Geschäftsführer Mehrere Geschäftsführer haften gesamtschuldnerisch (Abs. 2: „solidarisch“). Voraussetzung ist, dass die Geschäftsführer an derselben Pflichtverletzung beteiligt sind oder sich ihre Pflichtverletzungen zumindest auf denselben Lebenssachverhalt beziehen. Unerheblich im Außenverhältnis ist die Art430) und Schwere431) der Pflichtverletzung sowie der Grad des Verschuldens.432) Steht das pflichtwidrige Verhalten fest und lässt sich nicht aufklären, welche Geschäftsführer hieran beteiligt sind, so haften alle gemeinsam (Rechtsgedanke des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB).433) _____________ 424) BGHZ 176, 204, 221 Rn. 39 = ZIP 2008, 1232 = GmbHR 2008, 805 – Gamma, dazu EWiR 2008, 493 (Bruns). 425) BGHZ 152, 280, 284 f = ZIP 2002, 2314 = GmbHR 2003, 113, dazu EWiR 2003, 225 (Schimmer). 426) OLG Frankfurt/M., GmbHR 1993, 160; OLG Stuttgart, GmbHR 2000, 1048, 1049 f = NZI 2000, 27 = ZInsO 2000, 671. 427) BGH, WM 1962, 578, 579 – VVaG; OLG Düsseldorf, GmbHR 2000, 666, 670. 428) BGH, ZIP 1994, 872, 873 = GmbHR 1994, 459 = NJW-RR 1994, 806 – Buchführungspflicht, in concreto verneint; BGH, ZIP 1991, 159, 160 = GmbHR 1991, 101 = DB 1991, 329, dazu EWiR 1991, 379 (Kirberger) – Buchführungspflicht; BGH, ZIP 1985, 1135, 1136 = GmbHR 1986, 19 = DB 1985, 2291, dazu EWiR 1985, 787 (Fleck) – Buchführungspflicht; BGH, ZIP 1980, 776, 777 = GmbHR 1980, 298 = DB 1980, 2027 – Überwachungspflicht. 429) Vgl. allgemein BGH, ZIP 2002, 2128, 2129 f = GmbHR 2002, 1197 = NJW 2002, 3777, dazu EWiR 2003, 119 (Blöse). 430) RGZ 106, 346, 349; RGZ 123, 216, 220 f; inzident BGH, ZIP 1987, 1050, 1051 = GmbHR 1986, 302 = WM 1986, 789, dazu EWiR 1986, 587 (Weipert). 431) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 376. 432) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 318; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 198; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 249. 433) Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 248; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtZiemons, GmbHG, § 43 Rn. 375.

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§ 43 75

Haftung der Geschäftsführer

Der Innenausgleich richtet sich nach § 426 BGB.434) Für die Verteilung der Schadenslast im Innenverhältnis gelten die Grundsätze zu § 840 BGB, d. h., es ist eine Abwägung nach Art und Schwere der Pflichtwidrigkeit und des Verschuldens vorzunehmen. Trifft die unmittelbare Schädigung eines Geschäftsführers mit der Verletzung einer Überwachungspflicht eines anderen Geschäftsführers oder sonstigen Organs zusammen, trägt nach dem Rechtsgedanken des § 840 Abs. 2 BGB der unmittelbare Schädiger grundsätzlich den gesamten Schaden.435) Dies ist vor allem dann denkbar, wenn der Pflichtverstoß dem Zuständigkeitsbereich eines einzelnen Geschäftsführers zuzuordnen ist.436) Der Ausgleichsanspruch gemäß § 426 Abs. 1 BGB unterliegt nicht der Sonderverjährung gemäß Absatz 4.437) V. Privatautonome Modifikationen der Haftung 1.

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Abdingbarkeit des § 43 und ihre Grenzen

§ 43 enthält nach h. M. kein zwingendes Recht.438) Uneinigkeit besteht über die Grenzen, in denen die Gesellschafter über die Geschäftsführer-Haftung disponieren können. Teils wird vertreten, die Haftung sei insoweit der Disposition entzogen, als der Ersatzanspruch zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich sei.439) Teils wird die Grenze analog § 93 Abs. 5 AktG gezogen, d. h. bei jeder gröblichen Pflichtverletzung, sofern der Schadensersatzanspruch zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich sei.440) Der Bundesgerichtshof folgt dem Ansatz, dass die Grenzen der im Vorhinein vereinbarten Haftungserleichterung ebenso bestimmt werden müssen wie die Grenzen der Verzichtsmöglichkeit (Abs. 3 Satz 2, § 9b Abs. 1 Satz 1).441) Privatautonome Gestaltungen sind demnach zulässig, solange nicht die Voraussetzungen des Absatzes 3 vorliegen.442) Dem ist mit der Maßgabe zuzustimmen, dass _____________ 434) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 319; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 199; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 251. 435) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 319; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 200; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 252; Konzen, NJW 1989, 2977, 2987 f; restriktiver Krieger/U. H. Schneider-Altmeppen, Hdb. Mangerhaftung, § 7 Rn. 7.79. 436) Freund, GmbHR 2013, 785, 787 f. 437) S. Fischer, ZIP 2014, 406, 407. 438) Für weitgehend zwingenden Charakter hingegen Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtZiemons, GmbHG, § 43 Rn. 433 ff. Zur Diskussion de lege ferenda Bachmann, 70. DJT, 2014, S. E 111 f. 439) Lutter, GmbHR 2000, 301, 311; Joussen, GmbHR 2005, 441, 446; auch BGH, ZIP 2000, 135 = GmbHR 2000, 187 = NJW 2000, 576 (aufgegeben in BGH, ZIP 2002, 2128 = GmbHR 2002, 1197 = NJW 2002, 3777, dazu EWiR 2003, 119 (Blöse)). 440) Altmeppen, DStR 2002, 2048, 2049 f (Urteilsanm.); Altmeppen, NJW 2002, 321, 323 ff; Altmeppen, ZIP 2001, 1837, 1845; Altmeppen, DB 2000, 657; Altmeppen, DB 2000, 261, 261 f; zust. Burgard, ZIP 2002, 827, 839; a. A. OLG Hamm, Urt. v. 12.9.2016 – 8 U 25/16, juris, Rn. 125. 441) BGH, ZIP 2002, 2128, 2129 = GmbHR 2002, 1197 = NJW 2002, 3777, dazu EWiR 2003, 119 (Blöse). Ebenso zuvor Fleck, GmbHR 1974, 224, 229; U. H. Schneider in: FS Werner, S. 795, 811; Krieger, Gesellschaftsrecht 1995, S. 149, 163. 442) BGH, ZIP 2002, 2128, 2129 = GmbHR 2002, 1197 = NJW 2002, 3777, dazu EWiR 2003, 119 (Blöse); bestätigt in BGH, ZIP 2008, 736 = GmbHR 2008, 488 = NZG 2008, 314; zust. etwa Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 308; Fleischer, BB 2011, 2435, 2438. Krit. de lege ferenda Goette, KTS 2006, 217, 233.

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Haftung der Geschäftsführer

sich analog Absatz 3 weitere Grenzen aus § 15a InsO,443) § 43a GmbHG sowie sonstigen zwingenden Bestimmungen des Gläubigerschutzes ergeben (siehe Rn. 63).444) 2.

Verzicht und Vergleich

Die vorstehenden Grundsätze gelten für den Verzicht auf den Schadensersatzanspruch und den Vergleich hierüber. Die Gesellschafter können also gemäß §§ 9b Abs. 1 Satz 1, 43 Abs. 3 Satz 2 (analog) auf den Schadensersatzanspruch verzichten und sich hierüber vergleichen, es sei denn, der Geschäftsführer hat gegen eine zwingend zu beachtende Bestimmung des Gläubigerschutzes verstoßen und die Haftung ist zur Gläubigerbefriedigung erforderlich (siehe Rn. 76). Hierfür kommt es auf den Zeitpunkt an, zu dem der Verzicht oder Vergleich wirksam wird.445) Dies gilt nicht, wenn der Geschäftsführer zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird (§§ 9b Abs. 1 Satz 2, 43 Abs. 3 Satz 2; dazu siehe § 9b Rn. 11 [Wachter]). Erforderlich ist ein Gesellschafterbeschluss analog § 46 Nr. 8.446) Inhalt und Reichweite des Verzichts und Vergleichs sind durch Auslegung zu ermitteln.447) 3.

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Entlastung

Vom Verzicht abzugrenzen ist die Entlastung des Geschäftsführers durch die Gesellschafter (§ 46 Nr. 5, 2. Fall). Rechtsdogmatisch handelt es sich um eine Präklusion.448) Nach der wirksamen Entlastung kann die Gesellschaft den Schadensersatzanspruch insoweit nicht geltend machen, als die zugrunde liegenden Vorfälle zum Zeitpunkt der Beschlussfassung bei sorgfältiger Prüfung erkennbar waren.449) Sie ist in _____________ 443) In diesem Sinne auch BGH, ZIP 2003, 945, 946 = GmbHR 2003, 712 = DB 2003, 1107, dazu EWiR 2004, 443 (Sinewe) – § 64 Abs. 2 a. F. als Grenze der Dispositionsbefugnis der Gesellschafter gegenüber der GmbH. 444) Ebenso Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 231, 147; Lutter/HommelhoffKleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 64 f; Sandmann, Haftung, S. 330; a. A. (ohne Vertiefung) Hasselbach, DB 2010, 2037, 2039 – Einschränkungen ergeben sich nur aus §§ 30, 33; krit. Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 310 f; Fleischer, BB 2011, 2435, 2438. 445) BGH, ZIP 2003, 945, 946 = GmbHR 2003, 712 = DB 2003, 1107, dazu EWiR 2004, 443 (Sinewe). 446) BGH, ZIP 1998, 332, 333 = GmbHR 1998, 278 = NJW 1998, 1315; BGH, WM 1968, 114, 115; OLG Frankfurt/M., NZG 1999, 767, 768; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 282; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 66; Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, S. 37; Janert, GmbHR 2003, 830, 831 f. 447) BGH, ZIP 2000, 2164, 2164 = GmbHR 2000, 1258 = DB 2000, 2422; BGH, ZIP 1998, 332, 334 = GmbHR 1998, 278 = NJW 1998, 1315; vgl. auch OLG München, GmbHR 2018, 733, 734 ff. 448) OLG München, GmbHR 2013, 813, 815; OLG München, NJW-RR 1993, 1507, 1508; OLG Köln, GmbHR 2017, 358, 359; Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, S. 14; Nägele/Nestel, BB 2000, 1253, 1254; a. A. Beuthien, GmbHR 2014, 682, 687 ff (Beweislastumkehr). 449) BGHZ 94, 324, 326 = ZIP 1985, 1325 = GmbHR 1985, 356, dazu EWiR 1985, 889 (Kellermann); BGH, ZIP 1998, 332 = GmbHR 1998, 278 = NJW 1998, 1315; BGH, ZIP 1989, 1390, 1396 = GmbHR 1989, 365 = NJW 1989, 2697, dazu EWiR 1989, 779 (Gravenhorst); BGH, GmbHR 1977, 129, 130 = DB 1977, 716 = WM 1977, 361; BGH, WM 1976, 204, 205; OLGR Hamburg 2000, 434; OLG München, GmbHR 2013, 813, 815; OLG Köln, GmbHR 2017, 358, 359 f.

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bestimmten Grenzen zulässig (dazu siehe Rn. 76),450) entfaltet also keine Wirkung, wenn der Geschäftsführer gegen eine zwingend zu beachtende Bestimmung des Gläubigerschutzes (siehe Rn. 63) verstoßen hat und die Haftung im Zeitpunkt der Entlastung zur Gläubigerbefriedigung erforderlich ist. 4. 79

Haftungsbefreiung und -erleichterung

Die Haftung des Geschäftsführers kann ausgeschlossen oder erleichtert werden (zu den Grenzen siehe Rn. 76). Dies gilt etwa für Reduzierungen des Sorgfaltsmaßstabs, summenmäßige Haftungsbeschränkungen, materielle Ausschlussfristen oder Verkürzungen der Verjährung sowie abweichende Regelungen der Beweislast.451) Die Haftungserleichterung muss nicht in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen,452) sondern kann auch im Anstellungsvertrag geregelt werden,453) und sie setzt auch keine Satzungsermächtigung voraus.454) Ausreichend ist ein Gesellschafterbeschluss,455) der nicht zwingend einstimmig gefasst werden muss.456) Die Haftungserleichterung entfaltet jedoch keine Wirkung, wenn der Geschäftsführer gegen eine zwingend zu beachtende Bestimmung des Gläubigerschutzes (siehe Rn. 63) verstößt, wobei eine Ausnahme gilt, soweit die Haftung zum Zeitpunkt seiner Handlung nicht zur Gläubigerbefriedigung erforderlich ist.457) Weitere Grenzen ergeben sich aus § 276 Abs. 3 BGB (kein Haftungsausschluss für Vorsatz). Auf die arbeitsrechtlichen Grundsätze zur modifizierten Haftung von Arbeitnehmern bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten kann sich der Geschäftsführer grundsätzlich nicht berufen (siehe Rn. 64). In äußersten Ausnahmefällen kann die Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer verpflichtet sein, den Schaden nicht in voller Höhe geltend zu machen (siehe Rn. 82). VI. Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs

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Die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erfordert gemäß § 46 Nr. 8 einen Gesellschafterbeschluss, und zwar auch dann, wenn ein ehemaliger Geschäftsführer in

_____________ 450) Vgl. BGH, ZIP 1987, 1050, 1052 = GmbHR 1986, 302 = WM 1986, 789, dazu EWiR 1986, 587 (Weipert) – zu § 43 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 30. 451) Zu Gestaltungsmöglichkeiten Janert, BB 2013, 3016, 3020 ff; Werner, GmbHR 2014, 792, 797 f. 452) A. A. Diekmann in: Münch-Hdb. GesR, Bd. 3, § 46 Rn. 4. 453) OLG Hamm, Urt. v. 12.9.2016 – 8 U 25/16, juris, Rn. 114 f; aus der Literatur etwa Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 57. 454) A. A. Mand, Die Geschäftsführerhaftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG und die Möglichkeit privatautonomer Begrenzungen, S. 138 f. 455) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 315; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 246; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 60; Fleischer, BB 2011, 2435, 2439. 456) Dazu etwa Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 315; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 57; Fleischer, BB 2011, 2435, 2439; a. A. Sturm, GmbHR 2003, 573, 577; Lindacher, JuS 1984, 672, 674. 457) OLG Hamm, Urt. v. 12.9.2016 – 8 U 25/16, juris, Rn. 127 f; Krieger, Gesellschaftsrecht 1995, S. 149, 163.

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Anspruch genommen wird.458) Der Beschluss ist Voraussetzung für die Begründetheit, nicht für die Zulässigkeit, der Klage459) und kann während des Rechtsstreits gefasst werden,460) auch noch im Revisionsverfahren.461) In der Einpersonen-Gesellschaft ist ein förmlicher Gesellschafterbeschluss entbehrlich, wenn der Alleingesellschafter unmissverständlich zu erkennen gibt, dass er gegen den Geschäftsführer Schadensersatzansprüche geltend machen will.462) Das Beschlusserfordernis gilt für alle Ansprüche aus Organpflichtverletzungen, auch wenn sie auf eine deliktsrechtliche Grundlage gestützt sind.463) Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, die nicht aus der Verletzung von Organpflichten resultieren (siehe Rn. 14), setzt keinen Gesellschafterbeschluss voraus.464) Hat die Gesellschaft einen fakultativen oder obligatorischen Aufsichtsrat, obliegt die Entscheidung über die Verfolgung von Ersatzansprüchen (also die Entscheidung über das „Ob“ der Haftungsdurchsetzung) gleichwohl gemäß § 46 Nr. 8 den Gesellschaftern.465) Die Satzung kann Abweichendes bestimmen.466) Einzelne Gesellschafter können den Schadensersatzanspruch nach dem Vorbild der personengesellschaftsrechtlichen actio pro socio geltend machen, wenn die Gesellschaftermehrheit es treuwidrig ablehnt, den Anspruch gegen den Geschäftsführer durchzusetzen.467) In Gesellschaften mit anonymem Gesellschafterkreis kommt eine Analogie zu §§ 147, 148 AktG in Betracht.468) Der Gesellschafterbeschluss ist entbehrlich im Insolvenzverfahren (§§ 80,469) 276a InsO470)) und bei der masselosen Liqui_____________ 458) BGHZ 152, 280, 282 = ZIP 2002, 2314 = GmbHR 2003, 113, dazu EWiR 2003, 225 (Schimmer); BGH, ZIP 2004, 1708, 1710 = GmbHR 2004, 1279 = DB 2004, 2417; BGH, ZIP 1998, 332, 333 = GmbHR 1998, 278 = NJW 1998, 1315; OLG Celle, NZG 2002, 823, 824 = GmbHR 2002, 976; Weber/Lohr, GmbHR 2000, 698, 701. 459) BGHZ 28, 355, 359 = GmbHR 1959, 48 = NJW 1959, 194; BGH, ZIP 2004, 1708, 1710 = GmbHR 2004, 1279 = DB 2004, 2417; OLG Frankfurt/M., NZG 1999, 767, 768. 460) BGH, ZIP 1999, 1001, 1002 = GmbHR 1999, 714 = NJW 1999, 2115, dazu EWiR 1999, 795 (H. P. Westermann). 461) BGH, ZIP 2004, 1708, 1710 = GmbHR 2004, 1279 = DB 2004, 2417. 462) BGH, ZIP 1997, 199, 200 = GmbHR 1997, 163 = DB 1997, 321, dazu EWiR 1997, 303 (Zimmermann); BGH, ZIP 1995, 643, 645 f = GmbHR 1995, 373 = NJW 1995, 1750, dazu EWiR 1995, 893 (Weipert); OLG München, GmbHR 2018, 518; OLG München, ZIP 2016, 621 Rn. 60. 463) BGH, ZIP 2004, 1708, 1710 = GmbHR 2004, 1279 = DB 2004, 2417. 464) BGH, ZIP 2000, 2164, 2165 = GmbHR 2000, 1258 = DB 2000, 2422. 465) Bayer, GmbHR 2014, 897, 901; Kleindiek in: FS v. Westphalen, S. 387, 393. 466) Vgl. etwa Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 46 Rn. 290 ff; Bayer, GmbHR 2014, 897, 901. 467) BGH, ZIP 1982, 1203, 1204 = WM 1982, 928; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schnorbus, GmbHG, § 46 Rn. 71; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 41; Hübner, Managerhaftung, S. 37; Verse in: FS U. H. Schneider, S. 1325, 1335 ff; a. A. Baumbach/ Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 32 – die Gesellschafter müssen gegen den ablehnenden Gesellschafterbeschluss vorgehen; ähnlich Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 98. 468) Weitergehend Krieger, Gesellschaftsrecht 1998, S. 111, 122 f; diff. Verse in: FS U. H. Schneider, S. 1325. 469) Vgl. BGH, ZIP 2004, 1708, 1710 = GmbHR 2004, 1279 = DB 2004, 2417; BGH, GmbHR 1960, 185 = NJW 1960, 1667 = DB 1960, 811; OLG Naumburg, NZG 1999, 353, 355 – Gesamtvollstreckungsverwalter. 470) Thole, Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen in der Insolvenz, Rn. 162, 416; Zipperer, ZIP 2012, 1492, 1494.

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dation.471) Pfändungsgläubiger benötigen keinen Beschluss,472) wohl aber Zessionare (Rechtsgedanke des § 404 BGB).473) Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs findet § 93 Abs. 5 AktG zumindest auf die Liquidatoren der GmbH analoge Anwendung.474) 82

In einzelnen Fällen kann sich die Frage stellen, ob die schon bei einfacher Fahrlässigkeit einsetzende und grundsätzlich unbeschränkte Innenhaftung des Geschäftsführers auf einen angemessenen Betrag zu begrenzen ist, weil sie den Geschäftsfüher auf Lebenszeit ruinieren würde, also gewissermaßen einer „wirtschaftlichen Todesstrafe“ gleichkäme.475) Im Aktienrecht werden verschiedene Ansätze zur Vermeidung einer ruinösen Vorstandshaftung diskutiert, etwa nach den arbeitsrechtlichen Grundsätzen über betrieblich veranlasste Tätigkeiten (dazu siehe Rn. 64), auf der Grundlage der Treu- und Rücksichtnahmepflicht der Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer, aufgrund von Satzungsbestimmungen,476) oder sogar aus verfassungsrechtlichen Gründen.477) Unabhängig von ihrer Berechtigung im Aktienrecht dürfen diese Ansätze jedenfalls nicht unbesehen auf das GmbH-Recht übertragen werden.478) Anders als im Aktienrecht ist die Haftung des Geschäftsführers grundsätzlich disponibel (siehe Rn. 76). Dies senkt das Schutzbedürfnis des Geschäftsführers, reduziert die Notwendigkeit einer Rechtsfortbildung und bedeutet zudem, dass jede nachträgliche Haftungsbegrenzung, die sich der Geschäftsführer nicht ausverhandelt hat, das Äquivalenzverhältnis des Anstellungsvertrags stören, dem Geschäftsführer also ein Zufallsgeschenk („windfall profit“) bescheren kann. Eine Haftungsbegrenzung kommt deshalb nur in äußersten Ausnahmefällen und unter Berücksichtigung der Wertungen des Anstellungsvertrags in Betracht. Dogmatisch lässt sie sich – wenn sie sich nicht aus einer (ergänzenden) Auslegung des Anstellungsvertrags ergibt – in der Rücksichtnahmepflicht der Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer verankern.479) Die Gesellschaft kann also aufgrund ihrer Treue- und Rücksichtnahmepflicht gegenüber dem Geschäftsführer dazu verpflichtet sein, den Schaden nicht in voller Höhe geltend zu machen. Haftet der Geschäftsführer seinerseits wegen Verletzung der Treuepflicht, kommt eine Rücksichtnahmepflicht der Gesellschaft grundsätzlich nicht in Betracht.

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Für Organhaftungsklagen ist grundsätzlich der Rechtsweg zu den Zivil-, nicht aber zu den Arbeitsgerichten eröffnet (§§ 13 GVG, 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG).480) Örtlich _____________ 471) BGH, ZIP 2004, 1708, 1711 = GmbHR 2004, 1279 = DB 2004, 2417. 472) Instruktiv hierzu K. Schmidt, KTS 2005, 261. 473) So i. E. BGH, GmbHR 1965, 4, 6; Hachenburg-Hüffer, GmbHG, § 46 Rn. 89; Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt-Römermann, GmbHG, § 46 Rn. 410; Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 46 Rn. 241; grundsätzlich auch Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 145; a. A. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 46 Rn. 61. Offen BGH, ZIP 2004, 1708, 1710 = GmbHR 2004, 1279 = DB 2004, 2417. 474) BGH, ZIP 2018, 870 Rn. 30 ff; a. A. Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 325. 475) So Bayer in: FS K. Schmidt, S. 85, 97. 476) Fischer, Existenzvernichtende Vorstandshaftung, 127 ff. 477) Zusf. Fleischer, ZIP 2014, 1305. 478) Ebenso Bayer, GmbHR 2014, 897, 906. 479) Ebenso Bayer, GmbHR 2014, 897, 906; a. A. Fischer, Existenzvernichtende Vorstandshaftung, 229 ff. 480) Näher Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 334.

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zuständig sind die Gerichte am Sitz der Gesellschaft, da Geschäftsführer dort regelmäßig ihre organschaftlichen Pflichten erfüllen müssen (§ 29 ZPO).481) Daneben ist der allgemeine Gerichtsstand am Wohnsitz des Beklagten gegeben (§ 13 ZPO).482) Konkurrieren deliktische Ansprüche der Gesellschaft mit dem Anspruch aus § 43, und handelt es sich um einen einheitlichen prozessualen Anspruch, so kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch die Organhaftung am Deliktsgerichtsstand geltend gemacht werden.483) Organhaftungsansprüche sind gemäß § 1030 Abs. 1 Satz 1 ZPO schiedsfähig.484) Die Anforderungen an eine wirksame Schiedsabrede sind im Einzelnen umstritten; diskutiert wird vor allem, ob die Schiedsabrede in der Satzung enthalten sein kann.485) VII.

Verjährung (Abs. 4)

Die Geschäftsführerhaftung unterliegt gemäß Absatz 4 einem speziellen Verjährungsregime. Zweck der Vorschrift ist der Schutz des Geschäftsführers. Aufgrund seiner hohen Verantwortung und aufgrund seines weiten Aufgaben- und Entscheidungsbereichs hat er ein berechtigtes Interesse daran, in angemessener Zeit zu erfahren, ob Schadensersatzansprüche gegen ihn geltend gemacht werden.486) Die Verjährungsfrist kann im Anstellungsvertrag oder in der Satzung gemäß § 202 Abs. 2 BGB auf bis zu 30 Jahre verlängert werden. Die Verkürzung der Verjährungsfrist richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen über die Haftungserleichterung und Haftungsbefreiung (siehe Rn. 79).

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Dem Anwendungsbereich des Absatzes 4 unterliegen die Ansprüche aus den Absätzen 2 und 3, und zwar auch dann, wenn sie sich gegen einen Nachtragsliquidator richten.487) Die Sonderverjährung gilt auch für die vertragliche Haftung für die Verletzung von Organpflichten, sofern diese nicht ohnehin von Absatz 2 verdrängt wird (ein Anwendungsfall verbleibt etwa bei der GmbH & Co. KG).488) Absatz 4 gilt nicht für Ansprüche gegen den Geschäftsführer aus Drittgeschäften,489) Ansprüche gegen den Gesellschafter-Geschäftsführer aus der Verletzung seiner mitglied-

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_____________ 481) BGH, GmbHR 1992, 303 = NJW-RR 1992, 800; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 334. 482) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 334. 483) BGHZ 153, 173; a. A. noch BGH, NJW 1986, 2436, 2437; BGH, NJW 1996, 1411, 1413. 484) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 334a; Leuering, NJW 2014, 657. 485) Dazu Zilles, Schiedsgerichtsbarkeit im Gesellschaftsrecht, S. 19 ff; Bauer/Arnold/Kramer, AG 2014, 677; Herresthal, ZIP 2014, 345; Leuering, NJW 2014, 657; Thümmel in: FS Geimer, S. 1331. 486) Vgl. BGH, ZIP 2000, 699, 700 = GmbHR 200, 561 = DB 2000, 1019, dazu EWiR 2000, 981 (Nolting); BGH, ZIP 1999, 240, 241 = GmbHR 1999, 186 = NJW 1999, 781; Fleck, ZIP 1991, 1269, 1270. 487) BGH, ZIP 2012, 1855 Rn. 18 ff = NZG 2012, 1076, dazu EWiR 2012, 793 (Bachmann) – Genossenschaft. 488) BGH, ZIP 1989, 1390, 1392 = GmbHR 1989, 365 = NJW 1989, 2697, dazu EWiR 1989, 779 (Gravenhorst); BGH, ZIP 2012, 1855 Rn. 23 = NZG 2012, 1076, dazu EWiR 2012, 793 (Bachmann) – Genossenschaft. 489) BGH, ZIP 2000, 2164, 2165 = GmbHR 2000, 1258 = DB 2000, 2422; ScholzU. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 278.

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schaftlichen Treuepflicht,490) deliktische Ansprüche gegen den Geschäftsführer,491) es sei denn, sie knüpfen ausschließlich an die Verletzung GmbH-rechtlicher Normen an, die die Gesellschaft schützen,492) sowie für den Ausgleichsanspruch gemäß § 426 Abs. 1 BGB beim Innenregress unter mehreren Geschäftsführern.493) 86

Die Dauer der Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre. Sie beginnt mit der Entstehung des Anspruchs. Der Schaden muss noch nicht bezifferbar sein, entscheidend ist der Zeitpunkt, ab dem die Gesellschaft zumindest eine Feststellungsklage erheben könnte.494) Die bloße Vermögensgefährdung genügt für den Eintritt des (Vermögens-)Schadens jedoch nicht.495) Für abgrenzbare Folge- und Spätschäden läuft jeweils ab Eintritt der Schäden eine eigene Frist.496) Bei schädigendem Dauerverhalten beginnt die Verjährungsfrist nicht vor Abschluss des pflichtwidrigen Verhaltens,497) bei andauernden Unterlassungspflichtverletzungen also frühestens zu dem Zeitpunkt, zu dem die gebotene Handlung nicht mehr nachgeholt werden kann.498) Verstößt der Geschäftsführer gegen die Pflicht zur Einrichtung eines Compliance-Systems (siehe Rn. 32 ff), so ist die Pflichtverletzung beendet, wenn die Einrichtung der gebotenen Compliance-Organisation nicht mehr nachgeholt werden kann.499) Auf die Kenntnis oder (grob) fahrlässige Unkenntnis der Gesellschaft von dem Vorliegen der Vorausset-

_____________ 490) BGH, ZIP 1999, 240, 241 = GmbHR 1999, 186 = NJW 1999, 781; BGH, ZIP 1989, 1390 (1. LS) = GmbHR 1989, 365 = NJW 1989, 2697, dazu EWiR 1989, 779 (Gravenhorst); OLG Köln, NZG 2000, 1137, 1138 = GmbHR 2001, 73 = DB 2001, 32; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 280. 491) BGHZ 100, 190, 199 = ZIP 1987, 845 = GmbHR 1987, 304 – Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 StGB, dazu EWiR 1987, 777 (Wiedemann); BGH, ZIP 2005, 852, 853 = GmbHR 2005, 544 = DB 2005, 821 – Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 StGB; OLG Naumburg, GmbHR 2004, 364 = NZG 2004, 189 = NJW-RR 2004, 613; OLG Stuttgart, GmbHR 2001, 75 = NJW-RR 2001, 174 = DStR 2001, 410; OLG Frankfurt/M., AG 2017, 631, 634 – zu § 93 Abs. 6 AktG. 492) BGHZ 100, 190, 201 = ZIP 1987, 845 = GmbHR 1987, 304, dazu EWiR 1987, 777 (Wiedemann) – GmbH & Co. KG; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 280; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 68. 493) S. Fischer, ZIP 2014, 406, 407. 494) BGHZ 198, 64 Rn. 36 = ZIP 2013, 1579, dazu EWiR 2013, 521 (Bork); BGHZ 100, 228, 231 f = ZIP 1987, 776 = NJW 1987, 1887, dazu EWiR 1987, 739 (Müller) – zu § 93 Abs. 6 AktG; BGH, ZIP 2005, 852, 853 = GmbHR 2005, 544 = DB 2005, 821; OLG Bremen, GmbHR 1964, 8, 10; OLG Frankfurt/M., NZG 1999, 767, 768. 495) Vgl. BGHZ 124, 27, 30 = ZIP 1993, 1886; Fleischer, AG 2014, 459, 460. 496) Inzident BGHZ 100, 228, 231 f = ZIP 1987, 776 = NJW 1987, 1887, dazu EWiR 1987, 739 (Müller) – zu § 93 Abs. 6 AktG. 497) BGHZ 198, 64 Rn. 36 = ZIP 2013, 1579, dazu EWiR 2013, 521 (Bork); OLG Düsseldorf, GmbHR 2000, 666, 670. 498) LG München I, ZIP 2014, 570, 578 m. Anm. Bachmann = NZG 2014, 345 – Siemens/ Neubürger, dazu EWiR 2014, 175 (Hahn); Sturm, Die Verjährung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen Leitungsorganmitglieder gemäß §§ 93 Abs. 6 AktG, 43 Abs. 4 GmbHG, 34 Abs. 6 GenG, S. 377, 380. 499) LG München I, ZIP 2014, 570, 578 m. Anm. Bachmann = NZG 2014, 345 – Siemens/ Neubürger, dazu EWiR 2014, 175 (Hahn); Fleischer, AG 2014, 457, 462.

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zungen kommt es nicht an.500) Dies gilt auch dann, wenn der Geschäftsführer die Entdeckung des Schadens verhindert hat,501) wobei hier an eine anhaltende Pflichtverletzung und Schadensvertiefung zu denken ist. Eine allgemeine Pflicht des Geschäftsführers, die Gesellschafter darauf hinzuweisen, dass Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer demnächst verjähren werden, existiert jedoch nicht, da das Verjährungsregime des Absatzes 4 ansonsten weitgehend leerlaufen würde und Geschäftsführer keine grundsätzliche Pflicht zur Selbstbezichtigung haben.502) VIII. Haftung gegenüber den Gesellschaftern Eine Haftung des Geschäftsführers gegenüber den Gesellschaftern kommt neben Sondernormen (z. B. § 31 Abs. 6) nur ausnahmsweise in Betracht, da die Gesellschafter die GmbH gründen, um ihre Rechtsverhältnisse auf den neuen Rechtsträger zu konzentrieren (Gesellschaft als „verdinglichtes Netz von Verträgen“,503) Gedanke der Haftungskonzentration504)) und der Gesellschafterschutz grundsätzlich nicht ergebnis-, sondern verfahrensorientiert ausgestaltet ist.505) Bestehen jedoch besondere Rechtsbeziehungen zwischen Geschäftsführer und Gesellschafter, macht der Gesellschafter einen Schaden geltend, der nicht gleichzeitig ein Schaden der Gesellschaft ist, oder sorgt die innere Organisationsstruktur der Gesellschaft nicht für einen hinreichenden Schutz der Gesellschafterrechte, kommt eine Haftung des Geschäftsführers gegenüber den Gesellschaftern in Betracht.506)

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Die Gesellschafter sind grundsätzlich nicht nach den Grundsätzen über die Verträge mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (§§ 280, 241 Abs. 2, 311 Abs. 3 Satz 2 BGB) zum Schadensersatz berechtigt.507) Auch treffen den Geschäftsführer grund-

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_____________ 500) BGHZ 198, 64 Rn. 36 = ZIP 2013, 1579, dazu EWiR 2013, 521 (Bork); BGH, ZIP 2008, 2217 Rn. 16 = GmbHR 2008, 1319 = DB 2008, 2584, dazu EWiR 2009, 23 (Kort); BGH, ZIP 2005, 852, 853 = GmbHR 2005, 544 = DB 2005, 821; OLG Bremen, GmbHR 1964, 8, 10; OLG Frankfurt/M., NZG 1999, 767, 768; OLG Brandenburg, GmbHR 2018, 578, 580; Schmitt-Rolfes/Bergwitz, NZG 2006, 535, 536; Dollmann, GmbHR 2005, 529; Paefgen, DZWiR 2009, 177; a. A. Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 531. 501) BGHZ 198, 64 Rn. 36 = ZIP 2013, 1579, dazu EWiR 2013, 521 (Bork); BGH, ZIP 2005, 852, 853 = GmbHR 2005, 544 = DB 2005, 821. 502) BGH, ZIP 2008, 2217 Rn. 16 f = GmbHR 2008, 1319 = DB 2008, 2584, dazu EWiR 2009, 23 (Kort); Fleischer, AG 2014, 457, 461; Grunewald, NZG 2013, 841, 845; a. A. Hopt, ZGR 2004, 1, 27 – AG; Schmolke, RIW 2008, 365, 371. 503) Zu diesem Gedanken Klöhn, Aktien- und umwandlungsrechtliche Abfindungsansprüche, S. 185 ff, 228 ff m. w. N. 504) Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 335; Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 205 f; Lutter in: FS Coing, S. 565, 569 ff; vgl. auch BGH, NJW 1987, 1077, 1079 = ZIP 1987, 29 = DB 1987, 478, dazu zust. Wiedemann, EWiR 1987, 109. 505) Grundlegend Lutter in: FS Coing, S. 565, 570 ff; zust. etwa Fleischer in: MünchKommGmbHG, § 43 Rn. 335. 506) Vgl. grundsätzlich Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 567 f. 507) LG Dortmund, Urt. v. 10.6.2015 – 3 O 489/15, juris, Rn. 91; Hachenburg-Mertens, GmbHG, § 43 Rn. 108; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 570 f; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 64; Henssler/Strohn-Oetker, GesR, § 43 GmbHG Rn. 76; Schmolke, Kapitalerhaltung in der GmbH nach dem MoMiG, S. 140 ff.

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sätzlich keine Treuepflichten aus einem gesetzlichen Begleitschuldverhältnis gegenüber den Gesellschaftern.508) 89

Das zwischen jedermann geltende Deliktsrecht findet auch im Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Gesellschafter Anwendung. Auf eine Verletzung der Mitgliedschaft, bei der es sich um ein absolutes Recht i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB handelt,509) kann der Gesellschafter einen Anspruch nach der Rechtsprechung stützen, wenn ein „unmittelbar gegen den Bestand der Mitgliedschaft oder die in ihr verkörperten Rechte bzw. den Kern der Mitgliedschaft“ gerichteter Eingriff vorliegt.510) Dies sollte nur restriktiv bejaht werden (zu den Grundsätzen siehe Rn. 87),511) nämlich wenn der Gesellschaftsvertrag keinen hinreichenden Schutz gegen den Eingriff in Mitgliedschaftsrechte gewährt512) und der Gesellschafter einen Schaden erleidet, der über den der Gesellschaft entstehenden Schaden hinausgeht.513) Eine Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB kommt in Betracht, wenn der Geschäftsführer ein Schutzgesetz zugunsten der Gesellschafter verletzt. Hierzu gehören die §§ 9a, 82,514) nicht jedoch § 43,515) _____________ 508) BGHZ 110, 323, 334 = ZIP 1990, 1067 = NJW 1990, 2877 – Schärenkreuzer, dazu EWiR 1990, 745 (Hadding); Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 313; Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 204 ff; Banerjea, Die Gesellschafterklage, S. 188; Schmolke, Kapitalerhaltung in der GmbH nach dem MoMiG, S. 221 ff, 257 ff; Zöllner, ZGR 1988, 392, 408 f; K. Schmidt, JZ 1991, 157, 161; a. A. Hachenburg-Raiser, GmbHG, § 14 Rn. 46; Wiedemann, GesR, § 4 IV 2 b); Wiedemann, WM 1975, Beilage Heft 4, S. 7, 26; diff. ScholzU. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 301 – für bestimmte Pflichten, z. B. Rechnungslegungsund Auskunftspflichten. 509) RGZ 100, 274, 278; BGHZ 110, 323, 327 = ZIP 1990, 1067 = NJW 1990, 2877 – Schärenkreuzer, dazu EWiR 1990, 745 (Hadding); OLG München, ZIP 1990, 1552, 1553 = NJW-RR 1991, 928, dazu EWiR 1991, 145 (Clemente); Römermann-Terlau, Münch-Anwaltshdb. GmbH-Recht, § 10 Rn. 136; a. A. Schmolke, Kapitalerhaltung in der GmbH nach dem MoMiG, S. 50 ff. 510) OLG Hamm, ZIP 2002, 1486, 1487 = GmbHR 2002, 905 = NZG 2002, 780; offen BGHZ 110, 323, 334 = ZIP 1990, 1067 = NJW 1990, 2877 – Schärenkreuzer, dazu EWiR 1990, 745 (Hadding). 511) Gänzlich abl. Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 305 f; Lutter/HommelhoffKleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 49; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 65; A. Helms, Beeinträchtigung der Vereinsmitgliedschaft, S. 56 ff, 125; Kowalski, Gesellschaftsund Gesellschafterschaden, S. 196 ff; Hübner, Managerhaftung, S. 20; Schmolke, Kapitalerhaltung in der GmbH nach dem MoMiG, S. 50 ff, 92 f; Wiedemann, WM 1975, Beilage Heft 4, S. 7, 26, 329 f; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 141 f; Zöllner, ZGR 1988, 392, 430. 512) Hachenburg-Mertens, GmbHG, § 43 Rn. 105; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtZiemons, GmbHG, § 43 Rn. 586; Bork, ZIP 1990, 1037, 1042; Thümmel, DB 2000, 461, 464; die verbandsrechtlichen Schutzmechanismen i. R. d. Mitverschuldens berücksichtigend BGHZ 110, 323, 330 ff = ZIP 1990, 1067 = NJW 1990, 2877 – Schärenkreuzer, dazu EWiR 1990, 745 (Hadding). 513) OLG Hamm, ZIP 2002, 1486, 1487 = GmbHR 2002, 905 = NZG 2002, 780; Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 232 ff; vgl. auch BGHZ 94, 55, 58 = ZIP 1985, 607 = NJW 1985, 1777, dazu EWiR 1985, 243 (Meyer-Landrut) – zu § 117 AktG; a. A. BGH, WM 1969, 1081, 1082 = GmbHR 1969, 211 = NJW 1969, 1712; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schnorbus, GmbHG, § 43 Rn. 108. 514) OLG München, NJW-RR 1988, 290. 515) OLG Frankfurt/M., NZG 1999, 767; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 300; Mertens in: FS Fischer, S. 461, 466 f; a. A. Sonnenschein, Organschaft und Konzerngesellschaftsrecht, S. 159 ff.

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§ 49 Abs. 3516) und § 51a (a. A. siehe § 51a Rn. 23 [Masuch]). Da die Gesellschafter ihre Rechtsbeziehungen auf die Gesellschaft konzentrieren wollen und ein Treueverhältnis daher grundsätzlich nur zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer besteht, sollte auch § 266 StGB grundsätzlich nicht als Schutzgesetz zugunsten der Gesellschafter interpretiert werden.517) IX. Haftung gegenüber Dritten 1.

Vertrag

Geschäftsführer haften Dritten aus einem zwischen diesen und der Gesellschaft zustande gekommenen Vertrag nur, wenn sie selbst Vertragspartner sind, einen Schuldbeitritt oder Schuldübernahme o. Ä. erklärt haben.518) Der Anstellungsvertrag zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft ist grundsätzlich kein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.519) 2.

Rechtsscheinhaftung

Eine Rechtsscheinhaftung des Geschäftsführers kommt unter den Voraussetzungen des jeweiligen Haftungstatbestandes in Betracht. Wer als Geschäftsführer im Namen der GmbH auftritt und entgegen §§ 35a, 4 Geschäftsbriefe versendet, ohne auf die beschränkte Haftung der GmbH hinzuweisen, haftet nach ständiger Rechtsprechung entsprechend § 179 BGB, da er den Eindruck hervorruft, zumindest eine natürliche Person würde unbeschränkt für die Schulden des Unternehmens haften.520) 3.

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Culpa in contrahendo

Ein vorvertragliches Schuldverhältnis, das zur Haftung des Geschäftsführers gemäß §§ 280, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 und 3 BGB gegenüber den potentiellen Vertrags-

_____________ 516) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 319; Michalski/Heidinger/Leible/ J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 588. 517) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 324; Michalski/Heidinger/Leible/ J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 590; a. A. RGZ 157, 213, 216 – AG; RGZ 115, 289, 295 – AG. 518) BGH, ZIP 2001, 1496, 1497 = GmbHR 2001, 819 = DB 2001, 1825 – GmbH & Co. KG. 519) BAGE 154, 162 Rn. 17 ff (für Altersteilzeitarbeitnehmer); LAG Mecklenburg-Vorpommern, ZInsO 2015, 1852, Rn. 191. 520) BGHZ 64, 11, 17 = GmbHR 1975, 129 = NJW 1975, 1166; BGH, ZIP 2000, 972, 973 = NJW 2000, 2984 = DB 2000, 1322, dazu EWiR 2001, 9 (Armbrüster); BGH, ZIP 1996, 1511 = GmbHR 1996, 764 = NJW 1996, 2645; BGH, ZIP 1991, 1004, 1005 = GmbHR 1991, 360 = NJW 1991, 2627, dazu EWiR 1992, 359 (Medicus); BGH, GmbHR 1990, 212 = NJW 1990, 2678 = DB 1990, 978, dazu EWiR 1990, 649 (Hirte); BGH, ZIP 1981, 983, 984 = GmbHR 1982, 154 = NJW 1982, 2569; OLG Hamm, GmbHR 1995, 127; OLG Hamm, GmbHR 1993, 159, dazu EWiR 1992, 1207 (Johlke); OLG Karlsruhe, GmbHR 2004, 1016, 1017 = MDR 2004, 1106; OLG Naumburg, GmbHR 2000, 1258; OLG Nürnberg, BB 1983, 1941, 1942; abl. Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 334; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 635; Rowedder/SchmidtLeithoff-Schnorbus, GmbHG, § 43 Rn. 112. Zur Anwendung dieser Rechtsprechung auf Auslandsgesellschaften: BGH, ZIP 2007, 908 = GmbHR 2007, 593 = NJW 2007, 1529, dazu EWiR 2007, 513 (Lamsa); OLG Rostock, GmbHR 2010, 1349, 1350; Altmeppen, ZIP 2007, 889; Schanze, NZG 2007, 533; Kindler, NJW 2007, 1785.

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Haftung der Geschäftsführer

partnern der GmbH führen kann, kommt vor allem in zwei Fallgruppen in Betracht:521) 93

Denkbar ist eine culpa in contrahendo bei der Inanspruchnahme eines besonderen persönlichen Vertrauens, wenn der Geschäftsführer hierdurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst (§ 311 Abs. 3 Satz 2 BGB).522) Ein solches Vertrauen ist begründet, wenn der Geschäftsführer eine über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgehende, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Geschäfts oder die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Erklärungen bietet, die für den Willensentschluss des anderen Teils bedeutsam ist.523) Teils findet sich die Formulierung, es müsse sich um Erklärungen „im Vorfeld einer Garantiezusage“ handeln.524) Ein besonderes persönliches Vertrauen ist denkbar bei einer engen verwandtschaftlichen Beziehung zum Vertragspartner525) _____________ 521) Zur Haftung des Geschäftsführers nach den Grundsätzen der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung: BGH, ZIP 1989, 1455, 1457 = GmbHR 1990, 31 = NJW 1990, 389, dazu EWiR 1990, 265 (Miller); BGH, NJW-RR 1986, 968 = WM 1986, 583, dazu EWiR 1986, 549 (Koller) – GmbH & Co. KG. 522) BGHZ 126, 181, 183 = ZIP 1994, 1103 = GmbHR 1994, 539, dazu EWiR 1994, 791 (Wilhelm); BGH, ZIP 2002, 1771, 1772 = DB 2002, 1878 = NJW-RR 2002, 1309, dazu EWiR 2003, 13 (Pfeiffer); BGH, ZIP 1995, 31, 31 f = GmbHR 1995, 130 = DB 1995, 137, dazu EWiR 1995, 357 (Noack); BGH, ZIP 1993, 363, 365 = NJW 1993, 1715 = DB 1993, 375, dazu EWiR 1993, 233 (Medicus); BGH, ZIP 1991, 1140, 1142 = GmbHR 1991, 409 = DB 1991, 1765, dazu EWiR 1992, 161 (Medicus); BGH, ZIP 1990, 1402, 1403 = DB 1990, 2313 = WM 1990, 2039, dazu EWiR 1990, 1215 (Fleck); BGH, NJW-RR 1990, 614, 614 = GmbHR 1990, 296 = DB 1990, 1811, dazu EWiR 1990, 699 (Kohte); BGH, ZIP 1989, 1455, 1457 = GmbHR 1990, 31 = NJW 1990, 389, dazu EWiR 1990, 265 (Miller); OLG Düsseldorf, NZG 1999, 944, 945 = GmbHR 1999, 1202; OLG Dresden, NZG 1999, 267, 267 = GmbHR 1999, 238 = DB 1999, 475 (LS); OLG Koblenz, ZIP 2003, 571, 572 f = GmbHR 2003, 419 = DB 2003, 712; OLG Köln, NZG 2000, 439, 439 f = DStR 2000, 1662 = GmbHR 2000, 822 (LS); OLG Köln, GmbHR 1996, 766, 766 f = BB 1997, 112 = WM 1997, 1379, dazu EWiR 1996, 973 (Zimmermann); OLG Zweibrücken, NZG 2002, 423, 423 = GmbHR 2002, 591 = DB 2002, 1206; OLG Düsseldorf, ZIP 2017, 2211 Rn. 17. 523) BGH, ZIP 2002, 1771, 1772 = DB 2002, 1878 = NJW-RR 2002, 1309, dazu EWiR 2003, 13 (Pfeiffer); BGH, ZIP 1995, 31, 32 = GmbHR 1995, 130 = DB 1995, 137, dazu EWiR 1995, 357 (Noack); BGH, ZIP 1993, 363, 365 = NJW 1993, 1715 = DB 1993, 375, dazu EWiR 1993, 233 (Medicus); BGH, NJW-RR 1992, 605, 605 f = DB 1992, 1131 = WM 1992, 699; BGH, ZIP 1991, 1140, 1142 = GmbHR 1991, 409 = DB 1991, 1765, dazu EWiR 1992, 161 (Medicus); BGH, GmbHR 1990, 296, 297 = DB 1990, 1811 = NJW-RR 1990, 614, dazu EWiR 1990, 699 (Kohte); BGH, ZIP 1989, 1455, 1456 = GmbHR 1990, 31 = NJW 1990, 389, dazu EWiR 1990, 265 (Miller); OLG Koblenz, ZIP 2003, 571, 572 = GmbHR 2003, 419 = DB 2003, 712; OLG Köln, NZG 2000, 439, 439 f = DStR 2000, 1662 = GmbHR 2000, 822 (LS); OLG Köln, GmbHR 1996, 766, 767 = BB 1997, 112 = WM 1997, 1379, dazu EWiR 1996, 973 (Zimmermann); OLG Zweibrücken, NZG 2002, 423, 423 = GmbHR 2002, 591 = DB 2002, 1206. 524) BGHZ 126, 181, 189 = ZIP 1994, 1103 = GmbHR 1994, 539, dazu EWiR 1994, 791 (Wilhelm); OLG Zweibrücken, GmbHR 2002, 591 = NZG 2002, 423 = DB 2002, 1206; Goette, Die GmbH, § 8 Rn. 235 – „garantieähnlich“; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 344; Medicus, GmbHR 1993, 533, 536 f; Bork, ZGR 1995, 505, 509. Bejaht wurde eine solche Konstellation etwa in BGH, NJW-RR 1990, 614, 615 = GmbHR 1990, 296 = DB 1990, 1811, dazu EWiR 1990, 699 (Kohte). 525) BGHZ 87, 27, 33 = ZIP 1983, 428 = GmbHR 1983, 197; BGH, ZIP 1990, 1402, 1403 = DB 1990, 2313 = WM 1990, 2039, dazu EWiR 1990, 1215 (Fleck); krit. Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 316.

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oder bei dem Liquidator, der eine illiquide Gesellschaft abwickelt, die auf die Gewährung eines Liquidationsdarlehens angewiesen ist.526) Nicht allein ausreichend sind Erklärungen zur (guten) finanziellen Lage der GmbH,527) Hinweise auf die besondere Sachkunde des Geschäftsführers,528) auf seine persönliche Überwachung der Pflichterfüllung der Gesellschaft,529) die vorherige private Kontaktaufnahme zum Geschäftsführer,530) die Funktion als „Sanierungsgeschäftsführer“531) und eine längere persönliche Geschäftsbeziehung zwischen den Vertragsparteien.532) Daneben kommt die persönliche Haftung des Geschäftsführers aus culpa in contrahendo in Fällen eines wirtschaftlichen Eigeninteresses des Geschäftsführers in Betracht. Voraussetzung hierfür ist ein „qualifiziertes Eigeninteresse“.533) Der Geschäftsführer muss „gleichsam in eigener Sache handeln“.534) Die Rechtsprechung hat die Voraussetzungen dieser Fallgruppe zuletzt streng gefasst: Für das wirtschaftliche Eigeninteresse genügt eine maßgebliche Beteiligung und Herrschaft des Geschäfts-

_____________ 526) OLG Dresden, GmbHR 1999, 238 = NZG 1999, 267 = DB 1999, 475 (LS). 527) BGHZ 126, 181, 189 = ZIP 1994, 1103 = GmbHR 1994, 539, dazu EWiR 1994, 791 (Wilhelm); OLG Zweibrücken, NZG 2002, 423, 424 = GmbHR 2002, 591 = DB 2002, 1206; a. A. K. Schmidt, GesR, § 36 II. 5. c); K. Schmidt, NJW 1993, 2931, 2935 (Urteilsanm.); K. Schmidt, ZIP 1988, 1497, 1503. 528) BGH, NJW 1990, 1907, 1908 = ZIP 1990, 659 = DB 1990, 1128, dazu EWiR 1990, 553 (Medicus); BGH, GmbHR 1990, 296, 297 = DB 1990, 1811 = NJW-RR 1990, 614, dazu EWiR 1990, 699 (Kohte) – GmbH & Co. KG; BGH, ZIP 1989, 1455, 1457 = GmbHR 1990, 31 = NJW 1990, 389, dazu EWiR 1990, 265 (Miller); OLG Düsseldorf, ZIP 2017, 2211 Rn. 19. 529) OLG Köln, GmbHR 1996, 766, 767 = BB 1997, 112 = WM 1997, 1379, dazu EWiR 1996, 973 (Zimmermann). 530) BGH, NJW-RR 1992, 605, 606 = DB 1992, 1131 = WM 1992, 699. 531) BGH, ZIP 2018, 977 Rn. 38. 532) BGH, NJW-RR 1992, 605, 605 f = DB 1992, 1131 = WM 1992, 699; BGH, ZIP 1991, 1140, 1143 = GmbHR 1991, 409 = DB 1991, 1765, dazu EWiR 1992, 161 (Medicus); BGH, ZIP 1989, 1455, 1457 = GmbHR 1990, 31 = NJW 1990, 389, dazu EWiR 1990, 265 (Miller). 533) BGH, ZIP 2002, 1771, 1772 = DB 2002, 1878 = NJW-RR 2002, 1309, dazu EWiR 2003, 13 (Pfeiffer). 534) BGHZ 126, 181, 184 f = ZIP 1994, 1103 = GmbHR 1994, 539, dazu EWiR 1994, 791 (Wilhelm); BGH, ZIP 1995, 124, 125 = GmbHR 1995, 125 = KTS 1995, 284, dazu EWiR 1995, 371 (Wilhelm); BGH, ZIP 1992, 694, 694 f = GmbHR 1992, 363 = DB 1992, 982, dazu EWiR 1992, 563 (Schulze-Osterloh); BGH, NJW-RR 1991, 1312, 1313 = ZIP 1991, 1140 = GmbHR 1991, 409, dazu EWiR 1992, 161 (Medicus); BGH, ZIP 1990, 1402, 1403 = DB 1990, 2313 = WM 1990, 2039, dazu EWiR 1990, 1215 (Fleck); BGH, ZIP 1989, 1455, 1457 = GmbHR 1990, 31 = NJW 1990, 389, dazu EWiR 1990, 265 (Miller); BGH, ZIP 1988, 1576, 1577 = DB 1989, 37 = NJW-RR 1989, 110, dazu EWiR 1988, 1165 (Reinking); BGH, ZIP 1988, 505, 506 = GmbHR 1988, 257 = DB 1988, 1060; BGH, ZIP 1986, 26, 28 f = GmbHR 1986, 43 = NJW 1986, 586, dazu EWiR 1986, 165 (Hommelhoff); OLG Köln, GmbHR 1996, 766, 767 = BB 1997, 112 = WM 1997, 1379, dazu EWiR 1996, 973 (Zimmermann); OLG München, NJW 1994, 2900, 2901 = ZIP 1994, 1776 = GmbHR 1994, 884 (LS); OLG Düsseldorf, ZIP 2017, 2211 Rn. 18.

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führers535) für sich genommen ebenso wenig wie die Stellung als Alleingesellschafter und alleiniger Geschäftsführer,536) die Bestellung persönlicher oder dinglicher Sicherheiten,537) ein Provisionsanspruch538) oder eine Umsatzbeteiligung.539) Bejaht wurde ein wirtschaftliches Eigeninteresse in Fällen, in denen der Geschäftsführer bei Abschluss des Vertrages die Absicht hatte, die vom Vertragspartner der Gesellschaft zu erbringende Leistung zum eigenen Nutzen zu verwenden und nicht an die Gesellschaft weiterzuleiten.540) Das wirtschaftliche Interesse des Geschäftsführers, nach einem Buy-Out in der Gesellschaft zu bleiben, begründet für sich genommen kein wirtschaftliches Eigeninteresse bzw. besonderes persönliches Vertrauen.541) Die Beweislast richtet sich in diesen Fällen nach den (unmodifizierten) allgemeinen Grundsätzen.542) 95

Besteht ein vorvertragliches Schuldverhältnis zwischen dem Geschäftsführer und den potentiellen Vertragspartnern der GmbH, trifft den Geschäftsführer eine Reihe von Informations-, Rücksichtnahme- und anderen Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB.543) Der Geschäftsführer ist verpflichtet, den anderen Teil über alle Umstände aufzuklären, die für den Vertragspartner von wesentlicher Bedeutung sind und deren Mitteilung nach Treu und Glauben erwartet werden kann.544) Hierzu gehört ins_____________ 535) BGHZ 126, 181, 184 f = ZIP 1994, 1103 = GmbHR 1994, 539, dazu EWiR 1994, 791 (Wilhelm); BGH, DStR 2002, 1541, 1541; BGH, ZIP 2002, 1771, 1772 = DB 2002, 1878 = NJW-RR 2002, 1309, dazu EWiR 2003, 13 (Pfeiffer); BGH, ZIP 1995, 211, 212 = GmbHR 1995, 226 = NJW 1995, 398, dazu EWiR 1995, 263 (Uhlenbruck); BGH, ZIP 1995, 124 = GmbHR 1995, 125 = KTS 1995, 284, dazu EWiR 1995, 371 (Wilhelm); BGH, BGH, ZIP 1991, 1140, 1142 = DB 1991, 1765 = GmbHR 1991, 409, dazu EWiR 1992, 161 (Medicus); BGH, ZIP 1988, 1543, 1544 = GmbHR 1988, 480 = NJW 1989, 292; BGH, ZIP 1986, 26, 28 f = GmbHR 1986, 43 = NJW 1986, 586, dazu EWiR 1986, 165 (Hommelhoff); BGH, ZIP 1981, 1076, 1077 = GmbHR 1982, 108 = NJW 1981, 2810; OLG Köln, NZG 2000, 439, 439 f = DStR 2000, 1662 = GmbHR 2000, 822 (LS). 536) BGH, ZIP 1995, 31 = GmbHR 1995, 130 = DB 1995, 137, dazu EWiR 1995, 357 (Noack) – GmbH & Co. KG; BGH, ZIP 1994, 1103, 1105 = GmbHR 1994, 539 = NJW 1994, 2220, dazu EWiR 1994, 791 (Wilhelm); BGH, ZIP 1988, 1543 = GmbHR 1988, 480 = NJW 1989, 292 – GmbH & Co. KG. 537) BGHZ 126, 181, 186 f = ZIP 1994, 1103 = GmbHR 1994, 539, dazu EWiR 1994, 791 (Wilhelm); BGH, ZIP 1995, 124, 125 = GmbHR 1995, 125 = KTS 1995, 284, dazu EWiR 1995, 371 (Wilhelm); anders noch BGH, NJW 1986, 586, 588 = ZIP 1986, 26 = GmbHR 1986, 43, dazu EWiR 1986, 165 (Hommelhoff). 538) Vgl. BGH, ZIP 1988, 1576, 1577 = DB 1989, 37 = NJW-RR 1989, 110, dazu EWiR 1988, 1165 (Reinking); OLG Hamm, BB 1999, 1679, 1680. 539) BGH, ZIP 1992, 694, 694 f = GmbHR 1992, 363 = DB 1992, 982, dazu EWiR 1992, 563 (Schulze-Osterloh). 540) BGH, NJW 1986, 586, 588 = ZIP 1986, 26 = GmbHR 1986, 43, dazu EWiR 1986, 165 (Hommelhoff); zust. Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 344; Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 598; krit. Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 320. 541) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 74; Diekmann in: Münch-Hdb. GesR, Bd. 3, § 46 Rn. 71; Sieger/Hasselbach, GmbHR 1998, 957, 959. 542) Born in: Handbuch Managerhaftung, § 14 Rn. 14.76. 543) S. allgemein Bachmann in: MünchKomm-BGB, § 241 Rn. 46 ff. 544) Etwa BGHZ 132, 30, 34 = ZIP 1996, 548 = GmbHR 1996, 373, dazu EWiR 1996, 585 (Taupitz).

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Haftung der Geschäftsführer

besondere der Eintritt von Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit.545) Verletzt der Geschäftsführer seine Pflichten, muss er den anderen Teil gemäß §§ 280 Abs. 1, 249 ff BGB so stellen, wie dieser ohne die Pflichtverletzung stünde. 4.

§§ 60, 61 InsO analog

Nach einer Grundsatzentscheidung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs haftet ein Geschäftsführer einer in Eigenverwaltung befindlichen Gesellschaft den Massegläubigern analog §§ 60, 61 InsO, falls von ihm begründete Masseverbindlichkeiten nicht befriedigt werden.546) Die Literatur stimmt dieser Rechtsprechung ganz überwiegend zu547) und möchte sie teils auf die vorläufige Eigenverwaltung ausdehnen.548) Zum Verhältnis dieser Haftung zu § 43 Abs. 2 siehe Rn. 9. 5.

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Delikt

Der GmbH-Geschäftsführer unterliegt der für jedermann geltenden deliktischen Haftung. Besondere Bedeutung erlangt dabei die Frage, inwieweit der Geschäftsführer gemäß § 823 Abs. 1 BGB für Schäden haftet, die aus dem Betrieb der GmbH herrühren. Nach der allgemeinen Dogmatik zu den mittelbaren Schädigungen ist für die Haftung erforderlich, dass der Geschäftsführer eine eigene Verkehrspflicht verletzt, in deren Schutzbereich die jeweilige Rechtsguts- bzw. Schutzgesetzverletzung liegt.549) Im Grundsatz treffen die Verkehrspflichten für die Organisation des Unternehmens die GmbH, der das Verhalten ihres Geschäftsführers gemäß § 31 BGB analog zugerechnet wird.550) Der Geschäftsführer hat im Innenverhältnis die Pflicht, zu verhindern, dass es zu Rechtsgutsverletzungen Dritter kommt. Umstritten ist, inwieweit diese im Innenverhältnis bestehende Pflicht gleichzeitig eine Verkehrspflicht gegenüber Dritten ist bzw. auslösen kann. Nach der (früheren) Rechtsprechung des VI. Zivilsenats hat der Geschäftsführer für Rechtsgutsverletzungen aus dem Unternehmen einzustehen, wenn er nach der internen Aufgabenteilung für den jeweiligen Bereich zuständig war und seine Organisationspflicht verletzt hat.551) Als offen darf bezeichnet werden, ob der VI. Senat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2012 von dieser Rechtsprechung abgewichen ist.552) Der XI. Zivilsenat hat eine deliktische Ver_____________ 545) Zu den Einzelheiten Klöhn in: MünchKomm-InsO, § 15a Rn. 288 f. 546) BGH, ZIP 2018, 977 Rn. 47 ff; vgl. zuvor Gehrlein, ZInsO 2017, 849, 856 ff. 547) Bachmann/Becker, NJW 2018, 2235; Bitter, ZIP 2018, 986; Ludwig/Rühle, GWR 2018, 221; L.J. Weber, NZI 2018, 553; jedenfalls i. E. zust. Thole, EWiR 2018, 339, 340. 548) Bitter, ZIP 2018, 986, 988. 549) Larenz/Canaris, Schuldrecht Bd. II/2, S. 401 ff; Medicus, ZGR 1998, 570, 572; Sandmann, Haftung, S. 429 ff; Kleindiek in: Bayer/Koch, Das neue GmbH-Recht, S. 8 ff; Grünwald, Außenhaftung für Organisationsdefizite, S. 57 ff; Sandberger, Außenhaftung, S. 129 ff. 550) BGHZ 109, 297, 303 = ZIP 1990, 35 = GmbHR 1990, 207 – Baustoff, dazu EWiR 1990, 357 (Brüggemeier); OLG Düsseldorf, VersR 1983, 862; OLG Celle, VersR 1977, 39, 40; OLG Karlsruhe, GmbHR 2012, 267; Kleindiek in: Bayer/Koch, Das neue GmbH-Recht, S. 54 f, Medicus, ZGR 1998, 570, 573. 551) BGHZ 109, 297, 304 = ZIP 1990, 35 f = GmbHR 1990, 207 – Baustoff, dazu EWiR 1990, 357 (Brüggemeier); BGH, ZIP 2001, 379, 380 f = NJW 2001, 964 = WM 2001, 1026 – Kindertee, dazu EWiR 2001, 299 (Foerste); BGH, ZIP 1996, 786, 786 ff = GmbHR 1996, 453 = NJW 1996, 1535 – Lamborghini-Nachbau, dazu EWiR 1996, 591 (Müller). 552) BGHZ 194, 26 Rn. 21 ff, 24 = ZIP 2012, 1552, dazu EWiR 2012, 597 (Paefgen/Causevic); dazu Schirmer, NJW 2012, 3398.

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Haftung der Geschäftsführer

haltenspflicht des Vorstands einer AG aus darlehensvertraglichen Interessenwahrungs-, Schutz- und Loyalitätspflichten der Gesellschaft hergeleitet.553) All diese Konstruktionen sind abzulehnen.554) Die Organisationspflicht des Geschäftsführers besteht gegenüber der GmbH, nicht aber gegenüber Dritten.555) Auch dass der Geschäftsführer die Verkehrspflicht von der GmbH übernehme,556) ist eine Fiktion.557) Eine deliktische Haftung des Geschäftsführers für mittelbare Schädigungen aus dem Unternehmen ist daher nur ausnahmsweise anzuerkennen, wenn er eine Verkehrs- und Organisationspflicht ausdrücklich als eigene übernommen hat oder besondere Umstände vorliegen, die seine Garantenstellung gegenüber dem Geschädigten begründen.558) Zu bejahen ist dies insbesondere, wenn der Geschäftsführer Kenntnis davon hat (oder sich der Kenntnis bewusst verschließt), dass Dritte durch Mitarbeiter des Unternehmens geschädigt werden und er zumutbare Schutzmaßnahmen unterlässt.559) Für unmittelbare Rechtsverletzungen haften Geschäftsführer (neben der GmbH, § 31 BGB analog), wenn sie die Tatbestandsmerkmale des § 823 Abs. 1 BGB persönlich erfüllen, ohne dass es auf eine Verkehrspflichtverletzung der Geschäftsführer ankäme.560) 98

Eine deliktische Außenhaftung des Geschäftsführers kann sich außerdem nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. einem Schutzgesetz ergeben. Schutzgesetze zugunsten Dritter sind insbesondere § 15a InsO (dazu siehe § 64 Rn. 71 [Bork]), § 35a,561) § 58 Abs. 1 _____________ 553) BGH, ZIP 2006, 317, 330 Rn. 125 = NJW 2006, 830 = DB 2006, 607 – Kirch/Breuer, dazu EWiR 2006, 289 (Rösler), insoweit in BGHZ 166, 84, 113 ff nicht abgedr.; zust. Fischer, DB 2006, 598, 599 f. 554) Ebenso BGH, ZIP 2014, 1475, 1477 Rn. 23 f = DB 2014, 1799, dazu EWiR 2014, 579 (Paefgen/Dettke) – i. R. d. wettbewerbsrechtlichen Störerhaftung; Fleischer in: MünchKommGmbHG, § 43 Rn. 350 f; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 844 ff; K. Schmidt, GesR, § 36 II 5 d); Medicus in: FS Lorenz, S. 155; Medicus, ZGR 1998, 570, 579; Mertens/ Mertens, JZ 1990, 488 f (Urteilsanm.); Lutter, ZHR 157 (1993), 464, 482; in der Tendenz BGHZ 125, 366, 375 f = ZIP 1994, 867 = GmbHR 1994, 390, dazu EWiR 1994, 681 (v. Gerkan); OLG Schleswig, NZG 2012, 104, 105 f = GmbHR 2011, 1143 = NJW-RR 2012, 368; OLG Karlsruhe, GmbHR 2012, 267, 268. 555) Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 844 ff, 893 ff; Medicus in: FS Lorenz, S. 155, 163 f; Lutter, ZHR 157 (1993), 464, 476 ff. 556) So Altmeppen, ZIP 1995, 881, 887 ff; Altmeppen, NJW 1996, 1017, 1023. 557) Diese Konstruktion ebenfalls abl. Kleindiek in: Bayer/Koch, Das neue GmbH-Recht, S. 393 ff, 434 ff, 445 ff; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 355; Baumbach/HueckZöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 77; Medicus, ZGR 1998, 570, 575 f; Lutter, ZHR 157 (1993), 464, 474 ff; Heil/Russenschuck, BB 1998, 1749, 1752. 558) BGH, ZIP 2014, 1475 Rn. 24, 32 = DB 2014, 1799, dazu EWiR 2014, 579 (Paefgen/Dettke) – i. R. d. wettbewerbsrechtlichen Störerhaftung; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 351; ähnlich Wagner in: MünchKomm-BGB, § 823 Rn. 122; wohl auch OLG Karlsruhe, GmbHR 2012, 267, 268. 559) BGH, ZIP 1999, 486, 487 = DB 1999, 740 = NJW-RR 1999, 843, dazu EWiR 1999, 351 (Tilp); BGH, ZIP 1994, 447, 448 = NJW 1994, 997 = DB 1994, 1513, dazu EWiR 1994, 639 (Schäfer); OLG Koblenz, NJW 1992, 1330, 1331 = GmbHR 1992, 378 = DB 1991, 2651; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 80; Heil/Russenschuck, BB 1998, 1749, 1753 f; Werner, GRUR 2009, 820. 560) BGH, ZIP 1996, 786; OLG Frankfurt, Urt. v. 29.4.2016 – 13 U 106/13, juris, Rn. 81; OLG Saarbrücken, GmbHR 2014, 481; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 347. 561) LG Detmold, GmbHR 1991, 23 = NJW-RR 1990, 995 = WM 1990, 1872, dazu EWiR 1991, 169 (Meyer-Landrut); Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 353; ScholzU. H. Schneider/S. H. Schneider, GmbHG, § 35a Rn. 28; Ulmer/Habersack/LöbbePaefgen, GmbHG, § 35a Rn. 63; Ebenroth/Kemmer/Willburger, ZIP 1995, 972, 975.

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§ 43

Haftung der Geschäftsführer

Nr. 2,562) § 82 Abs. 1 Nr. 1, 3, 4, 5 sowie Abs. 2 (wobei in den Schutzbereich nur solche Personen einbezogen sind, die im Vertrauen auf die Richtigkeit der zum Handelsregister gemachten Angaben einen Schaden erlitten haben),563) § 263 StGB,564) §§ 283, 283b StGB,565) § 331 Nr. 1 HGB,566) § 1 BauFG.567) Keine Schutzgesetze sind §§ 30, 31, 33, 43a, da sie nur allgemeinen, aber keinen individuellen Gläubigerschutz bezwecken,568) § 41,569) § 43,570) § 130 OWiG (und zwar auch dann nicht, wenn die Mitarbeiter eine drittschützende Norm verletzen).571) § 266 StGB ist Schutzgesetz nur zugunsten der Gesellschaft, nicht aber der Gläubiger.572) Der Geschäfts-

_____________ 562) OLGR Hamburg 2001, 83 = GmbHR 2001, 392; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 353. 563) OLG München, GmbHR 1999, 1137 = NJW-RR 2000, 1130 = NZG 2000, 654; s. a. BGHZ 96, 231, 243 = ZIP 1986, 14 = NJW 1986, 837, dazu EWiR 1986, 59 (Köndgen) – AG. 564) BGH, NJW 1979, 1829, 1832 = DB 1979, 1694 = WM 1979, 853 – AG; OLG Hamm, BB 1999, 1679, 1680. 565) In diesem Sinne auch BGH, ZIP 1985, 29, 30 = GmbHR 1985, 80 = NJW 1985, 740, dazu EWiR 1985, 111 (Priester) – GmbH & Co. KG; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 367; Haas, Geschäftsführerhaftung und Gläubigerschutz, S. 138; Stapelfeld, Fehlverhalten in der Gesellschaftskrise, S. 260 ff; Wimmer, NJW 1996, 2546, 2549; Maser/ Sommer, BB 1996, 65, 70; Sieger/Hasselbach, GmbHR 1998, 957, 961. 566) Stapelfeld, Fehlverhalten in der Gesellschaftskrise, S. 299; Sieger/Hasselbach, GmbHR 1998, 957, 961. 567) BGH, ZIP 2013, 1288 Rn. 2 = NZI 2013, 719 = NJW 2013, 2514; Begr RegE BT-Drucks. 16/511, S. 23; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 333; Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 64; Römermann-Terlau, Münch-Anwaltshdb. GmbH-Recht, § 10 Rn. 172. 568) BGHZ 110, 342, 360 = ZIP 1990, 578 = GmbHR 1990, 251, dazu EWiR 1990, 479 (Bergmann) – zu § 30; Hachenburg-Mertens, GmbHG, § 43 Rn. 116 – zu § 30; Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 588 f – zu §§ 30, 33, 43a, 51a; Groß, ZGR 1998, 551, 554 – zu § 30; Barth/Gelsen, DB 1981, 2265, 2266 – zu § 30; Keßler, GmbHR 1994, 429; a. A. Stapelfeld, Fehlverhalten in der Gesellschaftskrise, S. 206 ff – zu § 30; Canaris in: FS Fischer, S. 31, 56 – zu § 30; Peltzer/Bell, ZIP 1993, 1757, 1765 – zu § 30; Thelen, ZIP 1987, 1027, 1029 – zu § 30. 569) Differenzierend Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 618; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 65; Saenger/Inhester-Lücke/Simon, GmbHG, § 43 Rn. 115; Altmeppen, DZWiR 1994, 378, 380 (Urteilsanm.); Brandes, WM 1995, 641, 655; a. A. Römermann-Terlau, Münch-Anwaltshdb. GmbH-Recht, § 10 Rn. 165; Sandmann, Haftung, S. 467 f, 496; offen BGHZ 125, 366, 378 f = ZIP 1994, 867 = GmbHR 1994, 390, dazu EWiR 1994, 681 (v. Gerkan). 570) BGHZ 194, 26 Rn. 23 = ZIP 2012, 1552, dazu EWiR 2012, 597 (Paefgen/Causevic); BGHZ 125, 366, 375 = ZIP 1994, 867 = GmbHR 1994, 390, dazu EWiR 1994, 681 (v. Gerkan); BGHZ 110, 342, 359 f = ZIP 1990, 578 = GmbHR 1990, 251, dazu EWiR 1990, 479 (Bergmann); OLG Frankfurt/M., NZG 1999, 767. 571) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 369; Wagner in: MünchKommBGB, § 823 Rn. 532; Heil/Russenschuck, BB 1998, 1749, 1751; Haas, Geschäftsführerhaftung und Gläubigerschutz, S. 245 ff; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 871 ff; Sandmann, Haftung, S. 484 ff; weitgehend ebenso BGHZ 125, 366, 376 = ZIP 1994, 867 f = GmbHR 1994, 390 – der eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 130 OWiG aber auch nicht für völlig ausgeschlossen hält, dazu EWiR 1994, 681 (v. Gerkan); a. A. Mertens, AcP 178 (1978), 227, 241; Siegmann/Vogel, ZIP 1994, 1821, 1824. 572) OLG Hamm, ZIP 2002, 1486, 1486 f = GmbHR 2002, 905 = NZG 2002, 780.

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§ 43

Haftung der Geschäftsführer

führer kann Dritten freilich aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 266, 14 StGB haften, wenn er Treuepflichten der Gesellschaft wahrnimmt.573) 99

Der Geschäftsführer haftet gegenüber Dritten unter den Voraussetzungen des § 826 BGB, etwa bei vorsätzlicher Täuschung oder Verletzung (deliktischer) Offenbarungspflichten.574) Bei entsprechendem Vorsatz kann er als Geschäftsführer Teilnehmer eines existenzvernichtenden Eingriffs sein und der betroffenen Gesellschaft gemäß §§ 826, 830 Abs. 2 BGB haften.575) § 64 ist insoweit nicht abschließend. Ob daneben eine Außenhaftung gegenüber den Gläubigern in Betracht kommt, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt.576) Bei fahrlässiger Ausführung einer existenzvernichtenden Weisung haftet er seiner Gesellschaft gemäß Absatz 2 (siehe Rn. 61).

100

Eine Haftung des Geschäftsführers aus § 831 Abs. 1 BGB kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Der Geschäftsführer ist nicht Geschäftsherr; dies ist die GmbH.577) Auch eine Haftung des Geschäftsführers aus § 831 Abs. 2 BGB scheidet grundsätzlich aus, da der Geschäftsführer die Verantwortung i. S. d. § 831 Abs. 2 BGB nicht von der Gesellschaft durch Vertrag übernimmt, sondern seine organschaftlichen Pflichten erfüllt.578)

_____________ 573) BGH, NJW-RR 1995, 1369, 1370; BGH, NJW-RR 1988, 671, 671 f = NJW 1988, 1872 (LS) – GmbH & Co. KG. 574) BGH, ZIP 2010, 2458, 2459 Rn. 12 = DB 2010, 2665 = WM 2010, 2256; BGH, ZIP 1992, 694, 695 = GmbHR 1992, 363 = DB 1992, 982, dazu EWiR 1992, 563 (Schulze-Osterloh) – Offenbarungspflicht; BGH, ZIP 1991, 1140, 1144 = GmbHR 1991, 409 = DB 1991, 1765, dazu EWiR 1992, 161 (Medicus) – Offenbarungspflicht; OLG Celle, GmbHR 1994, 467 = NJW-RR 1994, 615, 615 f; vgl. auch Gehrlein, ZInsO 2018, 1550, 1554; weitere Kasuistik bei Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 335; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 900 ff; Oechsler, AG 2018, 388. 575) LG Berlin, ZInsO 2009, 157, 158; OLG Köln, ZInsO 2017, 1491 (Für einen Geschäftsführer und mittelbaren Gesellschafter); Arends/Möller, GmbHR 2008, 169, 173; Paefgen, DB 2007, 1907, 1911; Streit/Bürk, DB 2008, 742, 748 f; Bitter, ZInsO 2010, 1505, 1524; weitergehend Tröger/Dangelmayer, ZGR 2011, 558, 582 ff; einschränkend in konzernrechtlichen Sachverhalten S. H. Schneider in: FS U. H. Schneider, S. 1177, 1185 ff; S. H. Schneider, GmbHR 2011, 685, 687 ff; zu Haftungsbeispielen bei Gesellschafter-Geschäftsführern vgl. Burgard/Heimann, NZG 2018, 601, 605. 576) Offen zuletzt BGHZ 179, 344 Rn. 39 = ZIP 2009, 802 = GmbHR 2009, 601 – Sanitary; krit. etwa Schanze, NZG 2007, 681, 685. 577) BGHZ 125, 366, 375 = ZIP 1994, 867 = GmbHR 1994, 390, dazu EWiR 1994, 681 (v. Gerkan); BGHZ 109, 297, 304 = ZIP 1990, 35 = GmbHR 1990, 207, dazu EWiR 1990, 357 (Brüggemeier); BGH, NJW 1974, 1371, 1372 = GRUR 1974, 797; OLG Karlsruhe, GmbHR 2012, 267, 268; OLG Köln, BB 1993, 747, 748 = NJW-RR 1993, 865 = GmbHR 1993, 586 (LS); Diekmann in: Münch-Hdb. GesR, Bd. 3, § 46 Rn. 73; Medicus in: FS Lorenz, S. 155, 158; Medicus, GmbHR 1993, 533, 540; v. Bar in: FS Kitagawa, S. 279, 287; Wagner, VersR 2001, 1057, 1061. 578) BGHZ 125, 366, 375 = ZIP 1994, 867 = GmbHR 1994, 390, dazu EWiR 1994, 681 (v. Gerkan); BGH, NJW 1974, 1371, 1372 = GRUR 1974, 797; Haß, GmbHR 1994, 666, 671; Wagner, VersR 2001, 1057, 1061; inzident BGHZ 109, 297, 304 = ZIP 1990, 35 = GmbHR 1990, 207, dazu EWiR 1990, 357 (Brüggemeier) – Organstellung lässt den Geschäftsführer nicht in die Pflichtenstellung des § 831 Abs. 1 BGB einrücken; a. A. Altmeppen, ZIP 1995, 881, 888.

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§ 43

Haftung der Geschäftsführer

6.

Haftung für die Nichtabführung von Sozialversicherungsanteilen

Eine persönliche Haftung droht dem Geschäftsführer für die vorsätzliche Nichtabführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 266a Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1, 15 StGB. § 266a Abs. 1 StGB ist Schutzgesetz zugunsten der Sozialversicherungsträger.579) Zwar ist Arbeitgeber i. S. d. § 266a Abs. 1 StGB die Gesellschaft;580) den Geschäftsführer trifft der strafrechtliche Normbefehl jedoch über § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB.581) Auch § 266a Abs. 2 StGB ist ein Schutzgesetz zugunsten der Sozialversicherungsträger.582)

101

Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung sind Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (§ 28d SGB IV), welcher gemäß § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV vollständig vom Arbeitgeber zu zahlen ist.583) Nicht von § 266a Abs. 1 StGB erfasst sind die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung584) sowie der Säumniszuschlag (§ 24 SGB IV).585)

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Der Normbefehl richtet sich an den wirksam bestellten Geschäftsführer. Die Haftung entfällt, nachdem der Geschäftsführer sein Amt wirksam niedergelegt hat oder abberufen wurde;586) § 15 HGB ist nicht anwendbar.587) Eine Zurechnung des Verhaltens früherer Geschäftsführer findet nicht statt;588) möglich ist aber eine Haftung für vor der Berufung fällig gewordene Arbeitnehmeranteile, wenn sie der Geschäftsführer nach seiner Berufung weiter vorenthält.589) Bei fehlerhafter Bestellung ist eine Haftung gemäß § 14 Abs. 3 StGB möglich, insbesondere wenn der Geschäftsführer der Ernennung zugestimmt hat.590) Entgegen der ständigen Rechtsprechung des Bundes-

103

_____________ 579) BGHZ 134, 304, 307 ff = ZIP 1997, 412 = GmbHR 1997, 305, dazu EWiR 1997, 561 (Marxen); BGH, ZIP 2005, 1026, 1027 = GmbHR 2005, 874 = NJW 2005, 2546, dazu EWiR 2005, 743 (Kuhn); Cahn, ZGR 1998, 367, 369; U. H. Schneider/Brouwer, ZIP 2007, 1033, 1034; a. A. Stein, DStR 1998, 1055, 1056 ff; v. Einem, BB 1986, 2261, 2262 f. 580) Näher zum Arbeitgeberbegriff BGH, NStZ 2014, 321 Rn. 10. 581) BGH, ZIP 2002, 261, 262 = GmbHR 2002, 208 = NJW 2002, 1122, dazu EWiR 2002, 263 (Plagemann); BGH, ZIP 2017, 224; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 356; Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 91; krit.: Fleischer-Spindler, Hdb. Vorstandsrecht, Rn. 56; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 675; abl.: Stein, DStR 1998, 1055, 1058; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 407. 582) OLG Saarbrücken, ZWH 2015, 322 Rn. 22 ff. 583) Hierzu eingehend Radtke in: MünchKomm-StGB, § 266a Rn. 22 ff. 584) BGH, ZIP 2009, 1468 = NJW 2009, 2599 = DB 2009, 1697, dazu EWiR 2009, 675 (Vortmann). 585) BGH, ZIP 2008, 2075, 2076 = GmbHR 2008, 1217 = DB 2008, 2421, dazu EWiR 2009, 79 (Kuhn). 586) BGHZ 133, 370, 375 f = ZIP 1996, 2017 = GmbHR 1997, 25, dazu EWiR 1997, 37 (U. H. Schneider); BGH, ZIP 2003, 666, 667 = GmbHR 2003, 544 = DB 2003, 820; OLG Düsseldorf, GmbHR 2003, 420, 421 = DB 2003, 656 = NZI 2003, 342. 587) OLG Düsseldorf, GmbHR 2003, 420, 421 = DB 2003, 656 = NZI 2003, 342. 588) BGH, ZIP 2002, 261, 262 = GmbHR 2002, 208 = NJW 2002, 1122, dazu EWiR 2002, 263 (Plagemann); Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 675. 589) Lutter/Hommelhoff-Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 98; Haase, GmbHR 2002, 210, 212 f. 590) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 675.

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Haftung der Geschäftsführer

gerichtshofs in Strafsachen591) ist eine Haftung des faktischen Geschäftsführers nicht anzuerkennen, da sie der Wertung des § 14 Abs. 3 StGB zuwiderläuft.592) In der Vor-GmbH kommt eine Haftung gemäß § 266a Abs. 1 StGB nicht in Betracht, da die Vor-GmbH keine juristische Person i. S. d. § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist.593) Die Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen obliegt grundsätzlich der gesamten Geschäftsführung, kann aber unter mehreren Geschäftsführern aufgeteilt594) oder an Dritte delegiert werden. Die nicht primär Zuständigen haben Überwachungs- und Eingriffspflichten (zu den Grundsätzen siehe Rn. 30).595) Eingriffspflichten bestehen vor allem, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Abführung durch den primär Zuständigen nicht mehr gewährleistet ist,596) insbesondere in der Krise der Gesellschaft597) und bei ungeordneten Verhältnissen im Geschäftsablauf innerhalb der Gesellschaft.598) Der Irrtum über den Umfang der Überwachungs- und Eingriffspflichten ist ein Verbotsirrtum (§ 17 StGB).599) Wird die Aufgabe der Abführung der Sozialversicherungsbeiträge einem Dritten übertragen, kann sich dessen Haftung aus § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB ergeben.600) 104

Ein Vorenthalten i. S. d. § 266a Abs. 1 StGB liegt vor, wenn der Geschäftsführer die Beiträge bei Fälligkeit nicht an die zuständige Einzugsstelle abführt.601) Die Fälligkeit richtet sich nach der jeweiligen Satzung der Kranken- und Pflegekasse; sie _____________ 591) BGH, NStZ 2000, 34, 45 = StV 2000, 479; BGHSt 47, 318, 324 ff = ZIP 2002, 2143 = GmbHR 2002, 1026, dazu EWiR 2002, 1017 (A. Schmidt). 592) KG Berlin, NJW-RR 1997, 1126, 1126; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 93; Radtke, NStZ 2003, 154, 156 (Urteilsanm.); a. A. Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 675. 593) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 69. 594) BGHZ 133, 370, 376 ff = ZIP 1996, 2017 = GmbHR 1997, 25, dazu EWiR 1997, 37 (U. H. Schneider); BGH, NJW 2001, 969, 971 = ZIP 2001, 422 = GmbHR 2001, 236. 595) Vgl. zu den Überwachungspflichten BGHZ 133, 370, 376 ff = ZIP 1996, 2017 = GmbHR 1997, 25, dazu EWiR 1997, 37 (U. H. Schneider); Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 359; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 412; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 97. Zur Eingriffspflicht BGHSt 48, 307, 313 f = ZIP 2003, 2213 = DStR 2004, 283, dazu EWiR 2004, 453 (Berger/Herbst) – Handlungspflicht, wenn der nicht primär Zuständige Kenntnis von der Krise der GmbH hat. 596) BGHZ 133, 370, 378 = ZIP 1996, 2017 = GmbHR 1997, 25, dazu EWiR 1997, 37 (U. H. Schneider); BGH, ZIP 2013, 412 Rn. 17 = NZI 2013, 207 = NJW 2013, 1304; BGH, ZIP 1987, 1050, 1051 = GmbHR 1986, 302 = WM 1986, 789, dazu EWiR 1986, 587 (Weipert); BGH, wistra 1990, 97, 98. 597) BGHZ 133, 370, 379 = ZIP 1996, 2017 = GmbHR 1997, 25, dazu EWiR 1997, 37 (U. H. Schneider); BGH, ZIP 2013, 412 Rn. 17 = NZI 2013, 207 = NJW 2013, 1304; OLG Braunschweig, Beschl. v. 27.5.2015 – 1 Ss 14/15, juris Rn. 14. 598) BGH, ZIP 2013, 412 Rn. 17 = NZI 2013, 207 = NJW 2013, 1304; BGH, ZIP 2008, 1275 Rn. 11 = DStR 2008, 1492 = WM 2008, 1403, dazu EWiR 2008, 79 (Schreiber). 599) BGH, ZIP 2001, 422, 424 = GmbHR 2001, 236 = NJW 2001, 969; vgl. auch OLG Düsseldorf, GmbHR 2000, 1261, 1263 – Vertrauen auf Zahlung durch eine Auffanggesellschaft. Das Vertrauen auf nochmalige Stundung der Beiträge bzw. Zahlungsaufschub kann ebenfalls höchstens zu einem (i. d. R. vermeidbaren) Verbotsirrtum führen, BGHZ 133, 370, 382 = ZIP 1996, 2017 = GmbHR 1997, 25, dazu EWiR 1997, 37 (U. H. Schneider). 600) Vgl. KG Berlin, NJW-RR 1997, 1126, 1127 – Haftung mangels Klägervortrags abgelehnt; Radtke, NStZ 2003, 154, 156 (Urteilsanm.). 601) Radtke in: MünchKomm-StGB, § 266a Rn. 24 ff; Fleischer in: MünchKomm-GmbHG, § 43 Rn. 357; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 92.

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tritt spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats ein, in dem die Tätigkeit, mit der das Entgelt erzielt wird, ausgeübt worden ist (§ 23 Abs. 1 SGB IV). Die Beitragsschuld entsteht durch die Aufnahme der sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit; einer Anmeldung bedarf es ebenso wenig602) wie der Auszahlung des Nettolohns an den Arbeitnehmer.603) Die Tilgungsreihenfolge einer Zahlung bei nicht ausreichenden finanziellen Mitteln richtet sich nach § 4 (früher § 2) Beitragsverfahrensverordnung (BVV).604) Eine abweichende Bestimmung zugunsten der vorrangigen Abführung der Arbeitnehmeranteile ist zulässig, der Tilgungswille muss aber „greifbar in Erscheinung“ treten.605) Das Vorenthalten setzt voraus, dass die Abführung rechtlich und tatsächlich möglich ist. Rechtliche Unmöglichkeit liegt insbesondere vor bei Einleitung des Eröffnungsverfahrens (§ 22 Abs. 1 InsO) und Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Verlust der Verfügungsbefugnis, § 80 Abs. 1 InsO). Tatsächliche Unmöglichkeit kann ihren Grund vor allem in der Zahlungsunfähigkeit der GmbH haben (Überschuldung genügt für sich genommen nicht). Zahlungsunfähig in diesem Sinne ist die Gesellschaft aber erst, wenn ihr – unter Hintanstellung sonstiger Verbindlichkeiten – nicht einmal die Mittel zur Verfügung stehen, um die fälligen Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung abzuführen (sog. Vorrangrechtsprechung des Bundesgerichtshofs).606) Ein Kreditrahmen muss hierfür jedoch nicht ausgeschöpft werden.607) Bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen, die den Tatbestand des § 266a Abs. 2 StGB erfüllen, wirkt die Unmöglichkeit der Beitragsentrichtung regelmäßig nicht tatbestandsausschließend, da das Vorenthalten in diesen Fällen Folge der Tathandlung des § 266a Abs. 2 StGB ist.608) Die Zahlungsunfähigkeit befreit den Geschäftsführer nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht, wenn er es vorsätzlich unterlassen hat, das Abführen von _____________ 602) Radtke, GmbHR 2009, 673, 675. 603) BGBl. I 2002, 2787, 2791. So bereits BGHZ 144, 311, 317 = DStR 2000, 1320 m. Anm. Wegner = NStZ 2001, 94 m. Anm. Bittmann, dazu EWiR 2000, 1123 (Marxen/Elsner); bestätigt in BGH, ZIP 2001, 80, 81 = GmbHR 2001, 147 = DStR 2001, 222, dazu EWiR 2001, 185 (A. Schmidt). 604) BGH, ZIP 2001, 80, 81 = GmbHR 2001, 147 = DStR 2001, 222, dazu EWiR 2001, 185 (A. Schmidt); BGH, ZIP 2001, 1474, 1475 f = GmbHR 2001, 721 = NJW-RR 2001, 1536, dazu EWiR 2001, 1003 (Peters-Lange); hierzu krit. Schmitt, NZI 2002, 146, 147; BGH, ZIP 2001, 419, 420 = GmbHR 2001, 238 = NJW-RR 2001, 1280; Goette, DStR 2003, 887, 894; a. A. OLG Oldenburg, ZIP 2007, 636, das von einer stillschweigenden Bestimmung ausgeht, wonach zunächst auf die fälligen Arbeitnehmeranteile geleistet werden soll. 605) BGH, ZIP 2001, 419, 420 = GmbHR 2001, 238 = NJW-RR 2001, 1280; BGH, DStR 2001, 222, 224 = ZIP 2001, 80, 81 = GmbHR 2001, 147, dazu EWiR 2001, 185 (A. Schmidt). 606) BGHSt 48, 307, 310 f = ZIP 2003, 2213 = DStR 2004, 283 m. Anm. Goette, dazu EWiR 2004, 453 (Berger/Herbst); BGHSt 47, 318, 321 = ZIP 2002, 2143 = GmbHR 2002, 1026, dazu EWiR 2002, 1017 (A. Schmidt); BGHZ 134, 304, 310 ff = ZIP 1997, 412 = GmbHR 1997, 305, dazu EWiR 1997, 561 (Marxen); BGHZ 133, 370, 379 f = ZIP 1996, 2017 = GmbHR 1997, 25, dazu EWiR 1997, 37 (U. H. Schneider); abl. Cahn, ZGR 1998, 367, 373 ff; Stein, DStR 1998, 1055, 1060 ff; Plagemann, NZS 2000, 8, 10 f. 607) Radtke in: MünchKomm-StGB, § 266a Rn. 25; Ranft, DStR 2001, 132, 135 f; a. A. BGH, ZIP 1996, 1989 = GmbHR 1997, 29 = NJW 1997, 133, dazu EWiR 1996, 1137 (Pape); BGHZ 144, 311, 315 = ZIP 2000, 1339 = DStR 2000, 1320, dazu EWiR 2000, 1123 (Marxen/ Elsner); Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 93. 608) BGH, GmbHR 2011, 1098 = NJW 2011, 3047.

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Arbeitnehmerbeiträgen zum Fälligkeitszeitpunkt durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen (Gedanke der omissio libera in causa).609) Sobald sich deutliche Bedenken aufdrängen, ob am Fälligkeitstag ausreichende Mittel vorhanden sind, muss der Geschäftsführer ausreichende Rücklagen bilden und andere Zahlungspflichten einstellen, um die Abführung von Arbeitnehmeranteilen sicherzustellen.610) Löhne sind ggf. zu kürzen.611) Neue Kreditmittel muss der Geschäftsführer nicht beschaffen (dies wäre grundsätzlich gemäß § 263 StGB strafbar).612) 107

Das Vorenthalten ist nicht pflichtwidrig, wenn der Geschäftsführer hierzu aufgrund einer anderen Rechtsnorm verpflichtet ist (Pflichtenkollision). Der 5. Strafsenat bejaht eine solche Pflichtenkollision aufgrund der Masseerhaltungspflicht des § 64 Satz 1, höchstens jedoch während der Drei-Wochen-Frist des § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO.613) Besteht nach dem Eintritt der Insolvenzreife keine Sanierungsmöglichkeit, erkennt der Geschäftsführer dies und stellt er gleichwohl keinen Insolvenzantrag, entfällt die Rechtfertigungsmöglichkeit des § 64 Satz 1 schon vor Ablauf der Drei-Wochen-Frist, wenn der Geschäftsführer die Geschäfte gleichwohl fortführt.614) Die Anerkennung der Pflichtenkollision durch den 5. Strafsenat stand (auch) unter dem Einfluss der Rechtsprechung des II. Zivilsenats, wonach die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen gegen die Masseerhaltungspflicht des Geschäftsführers gemäß § 64 Satz 1 verstoßen konnte.615) Mittlerweile hat der II. Zivilsenat jedoch entschieden, dass der Geschäftsführer nicht gemäß § 64 Satz 1 haftet, soweit er durch die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen seine Strafbarkeit aus § 266a Abs. 1 StGB vermeidet.616) Denkbar ist daher, dass der 5. Strafsenat die strafrechtliche Haftung gemäß § 266a _____________ 609) BGHSt 47, 318, 320 ff = ZIP 2002, 2143 = GmbHR 2002, 1026, dazu EWiR 2002, 1017 (A. Schmidt); BGH, ZIP 2002, 524, 526 f = GmbHR 2002, 213 = NJW 2002, 1123, dazu EWiR 2002, 359 (Meyke); OLG Naumburg, NZI 2010, 874, 875 = NZS 2011, 310; Bittmann, ZGR 2009, 931, 974; grundsätzliche Bedenken hiergegen bei Radtke in: MünchKomm-StGB, § 266a Rn. 40 ff m. w. N.; Ranft, DStR 2001, 132, 136. 610) BGHSt 47, 318, 320 ff = ZIP 2002, 2143 = GmbHR 2002, 1026, dazu EWiR 2002, 1017 (A. Schmidt); BGHZ 134, 304, 309 = ZIP 1997, 412 = GmbHR 1997, 305, dazu EWiR 1997, 561 (Marxen). 611) BGHZ 134, 304, 309 = ZIP 1997, 412 = GmbHR 1997, 305, dazu EWiR 1997, 561 (Marxen); BGH, ZIP 2003, 921, 923 = NJW-RR 2003, 966 = WM 2003, 1876; OLG Naumburg, NZI 2010, 874, 875 = NZS 2011, 310; OLG Köln, ZWH 2017, 306 Rn. 8; a. A. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1993, 1448, 1448 f = GmbHR 1993, 404. 612) BGHSt 47, 318, 323 = ZIP 2002, 2143 = GmbHR 2002, 1026, dazu EWiR 2002, 1017 (A. Schmidt); OLG Köln, ZWH 2017, 306 Rn. 8; a. A. BGHZ 144, 311, 315 = ZIP 2000, 1339 = DStR 2000, 1320, dazu EWiR 2000, 1123 (Marxen/Elsner). 613) BGHSt 48, 307, 309 f = ZIP 2003, 2213 = DStR 2004, 283 m. Anm. Goette, dazu EWiR 2004, 453 (Berger/Herbst); BGH, ZIP 2005, 1678, 1679 = GmbHR 2005, 1419 = NJW 2005, 3650; OLG Koblenz, BeckRS 2011, 16406; OLG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 9.9.2016 – 10 U 19/15, juris, Rn. 48. 614) BGH, ZIP 2005, 1678, 1679 = GmbHR 2005, 1419 = NJW 2005, 3650; Gross/Schork, NZI 2004, 358, 362. 615) BGHZ 146, 264, 275 = ZIP 2001, 235 = GmbHR 2001, 190, dazu EWiR 2001, 329 (Priester). 616) BGH, ZIP 2007, 1265, 1266 = NJW 2007, 2118, dazu EWiR 2007, 495 (Henkel/Mock); bestätigt in BGH, ZIP 2008, 1229, 1230 = GmbHR 2008, 813 = NJW 2008, 2504, dazu EWiR 2008, 557 (Schulz/Schröder); BGH, ZIP 2008, 2220, 2221 = GmbHR 2008, 1324 = NJW 2009, 295, dazu EWiR 2009, 201 (Wilkens); zust. etwa Poelzig/Thole, ZGR 2010, 836, 864; krit. Bitter, ZInsO 2010, 1561, 1571; Kleindiek in: FS U. H. Schneider, S. 617, 624 f.

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Haftung der Geschäftsführer

Abs. 1 StGB auf den Drei-Wochen-Zeitraum des § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO ausdehnt, da keine gesellschaftsrechtliche Pflichtenkollision mehr besteht (zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu §§ 34, 69 AO siehe Rn. 117).617) Voraussetzung der Pflichtenkollision ist in jedem Fall, dass der Geschäftsführer seine Masseerhaltungspflicht gemäß § 64 Satz 1 lückenlos erfüllt, also keine Zahlungen tätigt, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns unvereinbar sind.618) Wäre die Beitragszahlung im Insolvenzverfahren erfolgreich gemäß §§ 129 ff InsO angefochten worden, fehlt es an dem für die Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266a Abs. 1 StGB erforderlichen durch die Nichtabführung verursachten Schaden.619) Wie der Bundesgerichtshof mittlerweile entschieden hat, schließt § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV620) die Anfechtung nicht aus.621) Zur entgegengesetzten Rechtsprechung des BFH i. R. v. § 69 Satz 1 i. V. m. § 34 AO siehe Rn. 116. In subjektiver Hinsicht verlangt die Strafbarkeit gemäß § 266a Abs. 1 StGB Vorsatz (§ 15 StGB). Erforderlich ist also das Bewusstsein und der Wille, die Abführung der Beiträge am Fälligkeitsdatum zu unterlassen.622) Geht der Geschäftsführer davon aus, wirksam abberufen zu sein, liegt ein Tatbestandsirrtum (§ 16 StGB) vor.623) _____________ 617) Dafür Bittmann, wistra 2007, 406, 407; Brand, GmbHR 2010, 237, 239 ff – der jedoch eine Rechtfertigung gemäß § 34 StGB für möglich hält; Kleindiek in: FS U. H. Schneider, S. 617, 626 f; a. A. Rönnau, JZ 2008, 46, 49 (Urteilsanm.); Radtke, GmbHR 2009, 673, 678; offen U. H. Schneider, GmbHR 2010, 57, 62. 618) BGH, ZIP 2008, 2220, 2221 = GmbHR 2008, 1324 = NJW 2009, 295, dazu EWiR 2009, 201 (Wilkens); BGH, ZIP 2010, 368 = GmbHR 2010, 364 = DStR 2010, 453; dazu EWiR 2010, 223 (Klöhn). 619) BGH, ZIP 2011, 37 Rn. 19 = NJW 2011, 1133 = DB 2011, 52 (insoweit in BGHZ 187, 337 nicht abgedr.), dazu EWiR 2011, 261 (Riedemann); BGH, ZIP 2005, 1026, 1028 = GmbHR 2005, 874 = NJW 2005, 2546, dazu EWiR 2005, 743 (Kuhn); BGH, NJW 2002, 1123, 1124 = ZIP 2002, 524, 526 = GmbHR 2002, 213, dazu EWiR 2002, 359 (Meyke) – zu § 30 Nr. 1 KO; BGH, ZIP 2001, 80, 82 = GmbHR 2001, 147 = DStR 2001, 222, dazu EWiR 2001, 185 (A. Schmidt) – zu § 10 Abs. 1 GesamtvollstreckungsVO; OLG München, NZI 2010, 943, 944 = ZInsO 2011, 675; OLG Köln, ZWH 2017, 306 Rn. 9; vgl. auch Gehrlein ZInsO 2018, 1550, 1552; skeptisch Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtZiemons, GmbHG, § 43 Rn. 710. Diese Rechtsprechung billigend BGH, ZIP 2005, 1678, 1679 = GmbHR 2005, 1419 = NJW 2005, 3650 – zivilrechtlicher Schaden entfällt; hierzu Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 405, 417. 620) Art. 1 Nr. 17 Buchst. a des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 19.12.2007, BGBl. I 2007, 3024, 3027. 621) BGHZ 183, 86 Rn. 8 ff = ZIP 2009, 2301 = NJW 2010, 870, dazu EWiR 2010, 67 (Henkel); offen noch BGH, NJW 2008, 1535, 1536 = ZIP 2008, 747 = DB 2008, 1096, dazu EWiR 2008, 313 (Koza); dem BGH zust. etwa Piekenbrock/Fuchs, LMK 2010, 297262 (Urteilsanm.); Gundlach/Frenzel, NJW 2010, 872, 873 (Urteilsanm.); Stiller, NZI 2010, 250, 251. Wie der BGH bereits LG Kiel, ZIP 2009, 632, 632 f = NZI 2009, 320 = ZInsO 2009, 187; LG Schwerin, ZIP 2009, 43, 44 = DStR 2009, 699 = NZI 2009, 185, dazu EWiR 2009, 251 (Freudenberg); AG Tempelhof-Kreuzberg, ZInsO 2009, 970, 971 f; Leithaus/Krings, NZI 2008, 393, 394 ff; Brinkmann/Luttmann, ZIP 2008, 901, 902 ff; a. A. OLG Hamburg, BeckRS 2008, 06409 sub II. 1. c) = ZIP 2008, 749 (LS) = ZInsO 2008, 336 (LS) (obiter dictum); Marotzke in: HK-InsO, § 108 Rn. 66; Blank, ZInsO 2008, 1, 4; Meier, NZI 2008, 140, 141; Stapper/Jacobi, WM 2009, 1493, 1496 f. 622) BGH, ZIP 2002, 261, 263 = GmbHR 2002, 208 = NJW 2002, 1122, dazu EWiR 2002, 263 (Plagemann). 623) BGH, DStR 2004, 283, 285 m. Anm. Goette = ZIP 2003, 2213 = GmbHR 2004, 122 (insoweit in BGHSt 48, 307 nicht abgedr.).

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§ 43 110

Haftung der Geschäftsführer

Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266a StGB trägt der klagende Sozialversicherungsträger; den beklagten Geschäftsführer trifft jedoch regelmäßig eine sekundäre Darlegungslast.624) Dies gilt auch für den Vorsatz des Beklagten.625) Ausreichend für den Beweis der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft ist der Nachweis irgendwelcher Zahlungen an Dritte; der Beklagte muss diese dann substantiiert widerlegen.626) Dokumentationsobliegenheiten, die zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast führen würden, hat der Geschäftsführer nicht.627) 7.

Steuerrechtliche Haftung des Geschäftsführers

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Der Geschäftsführer haftet gemäß § 69 Satz 1 i. V. m. § 34 AO persönlich gegenüber dem Steuergläubiger der GmbH, wenn er die ihm nach § 34 AO obliegenden Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat und hierdurch Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis mit der GmbH nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt worden sind.

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Der Haftung unterliegt sowohl der bestellte als auch der faktische Geschäftsführer (§ 35 AO).628) Strohmann-Geschäftsführer629) haften ebenso wie die Geschäftsführer einer Vor-GmbH.630) Die Erfüllung der steuerrechtlichen Pflichten obliegt grundsätzlich der gesamten Geschäftsführung, kann aber unter mehreren Geschäftsführern aufgeteilt werden. Die Aufteilung muss vorweg getroffen werden, eindeutig und schriftlich fixiert sein.631) Die nicht primär zuständigen Geschäftsführer trifft dann eine Überwachungs- und Eingriffspflicht (siehe Rn. 30). Eingriffspflichten bejaht der Bundesfinanzhof insbesondere in der Krise632) und sobald (sonstiger) Anlass zu Zweifeln an der korrekten Erfüllung der steuerlichen Pflichten besteht.633) _____________ 624) BGH, ZIP 2013, 412 Rn. 14 = NZI 2013, 207 = NJW 2013, 1304; BGH, ZIP 2002, 524, 525 f = GmbHR 2002, 213 = NJW 2002, 1123, dazu EWiR 2002, 359 (Meyke); BGH, ZIP 2016, 783 Rn. 15; Born in: Handbuch Managerhaftung, § 14 Rn. 14.86 ff. 625) BGH, ZIP 2013, 412 Rn. 14 = NZI 2013, 207 = NJW 2013, 1304. 626) BGH, ZIP 2002, 524, 526 = GmbHR 2002, 213 = NJW 2002, 1123, dazu EWiR 2002, 359 (Meyke); zu den Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast BGH, ZIP 2005, 1026, 1028 = GmbHR 2005, 874 = NJW 2005, 2546, dazu EWiR 2005, 743 (Kuhn); OLG Naumburg, NZI 2010, 874, 875 = NZS 2011, 310; a. A. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 289, 290, bestätigt in OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 243, 244 = GmbHR 1997, 900. 627) BGH, ZIP 2005, 1026, 1028 = GmbHR 2005, 874 = NJW 2005, 2546, dazu EWiR 2005, 743 (Kuhn); vgl. auch BGH, ZIP 2016, 783 Rn. 20; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 409. 628) BFHE 216, 487, 488 = BStBl. II 2008, 508 = GmbHR 2007, 1002; BFH, GmbHR 2000, 1211, 1212; Beckmann, DB 2007, 994; Neusel, GmbHR 1997, 1129. 629) BFHE 205, 14, 17 ff = GmbHR 2004, 833 = NJW 2004, 3061. 630) BFH, DStRE 1997, 265, 266 = GmbHR 1997, 187. 631) BFHE 202, 22, 29 = NZG 2003, 734, 736 = NJW-RR 2003, 1117 – Verein; BFHE 186, 132, 138 = NJW 1998, 3374 = DB 1998, 2047, dazu EWiR 1998, 1063 (Kirberger); BFHE 141, 443, 447 = ZIP 1984, 1345 = GmbHR 1985, 30; BFH/NV 2004, 157; BFH, GmbHR 2006, 274. 632) BFHE 141, 443, 446 = ZIP 1984, 1345 = GmbHR 1985, 30 – solidarische Verantwortlichkeit unabhängig von der Verteilung der Aufgaben; BFHE 202, 22, 30 = DStR 2003, 1022 = NJW-RR 2003, 1117 – Verein. 633) BFHE 146, 23, 25 = ZIP 1986, 1247 = GmbHR 1986, 288, dazu EWiR 1986, 905 (Weipert).

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§ 43

Haftung der Geschäftsführer

Der Geschäftsführer muss eine ihm nach § 34 AO obliegende Pflicht verletzt haben. Dies sind alle Pflichten des Erstschuldners (der GmbH) nach der AO und den Einzelsteuergesetzen, etwa zur Abgabe der Steuererklärung oder zur fristgerechten Anmeldung und Abführung der von der GmbH geschuldeten Lohnsteuer (LSt) (§ 41a Abs. 1 EStG). Auch eine Pflicht zur Vorsorge für die fristgerechte Begleichung der Steuerschuld gehört nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hierzu. Der Geschäftsführer muss die Mittel der Gesellschaft so verwalten, dass diese zur Tilgung später fällig werdender Steuerschulden in der Lage bleibt, etwa durch Rücklagenbildung.634) Die Freiheit zur Ausübung steuerlicher Optionsrechte bleibt davon unberührt.635) Die Pflichtenstellung des Geschäftsführers einer insolventen GmbH bleibt auch im Fall der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder vorläufigen Sachwalters636) bestehen.637) Die Pflichtverletzung muss vorsätzlich oder grob fahrlässig geschehen. Individuelle Schwächen, fehlende Fachkenntnisse und die Unkenntnis seiner steuerrechtlichen Pflichten entschuldigen den Geschäftsführer nicht.638) Die Nichtabführung einzubehaltender und anzumeldender LSt stellt grundsätzlich eine zumindest grob fahrlässige Pflichtverletzung dar.639) Ein Verschulden des steuerlichen Beraters der GmbH bei der Fertigstellung der Steuererklärung wird dem Geschäftsführer nicht zugerechnet; möglicherweise liegt aber ein Auswahl-, Einweisungs- oder Überwachungsverschulden des Geschäftsführers vor.640) Zwischen der Pflichtverletzung und dem Steuerausfall muss ein adäquater Kausalzusammenhang bestehen.641) Dies setzt voraus, dass im Fälligkeitszeitpunkt hinreichende Mittel zur Steuerentrichtung im Gesellschaftsvermögen tatsächlich vorhanden sind642) und der Geschäftsführer hierüber verfügen kann643) (zu vorgelagerten _____________ 634) BFHE 200, 482, 485 = ZIP 2003, 582 = GmbHR 2003, 490, dazu EWiR 2003, 303 (Onusseit); BFHE 141, 443, 448 = ZIP 1984, 1345 = GmbHR 1985, 30; BFH, ZInsO 2016, 270 Rn. 7; BFHE 259, 423 Rn. 11; Haas, Geschäftsführerhaftung und Gläubigerschutz, S. 191 f; Reiff/ Arnold, ZIP 1998, 1893 ff. Krit.: Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 379; Schön in: FS H. P. Westermann, S. 1469, 1475; mit Beispielen: Sonnleitner/Winkelhog, BB 2015, 88, 93 ff. 635) BFHE 200, 482, 485 = ZIP 2003, 582 = GmbHR 2003, 490, dazu EWiR 2003, 303 (Onusseit); Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 113. 636) FG Münster, EFG 2018, 1156 Rn. 22; FG Münster, ZIP 2017, 1174 Rn. 21; vgl. zur Problematik auch schon zuvor Frind, GmbHR 2015, 128; Thole, DB 2015, 662. 637) BFHE 257, 515 Rn. 8; BFHE 259, 423 Rn. 15 ff; ablehnend Fuchs, NZI 2018, 97, 98. 638) BFHE 175, 509, 512 = GmbHR 1995, 239 = NJW 1995, 1920; BFH, GmbHR 2004, 1244, 1245. 639) St. Rspr., BFHE 216, 491, 495 = ZIP 2007, 1604 = BB 2007, 1711, dazu EWiR 2007, 523 (Beck); BFHE 135, 416, 418 = BStBl. II 1982, 54 = GmbHR 1982, 242; BFH, GmbHR 2006, 610, 611 = DStRE 2006, 560. 640) Vgl. BFHE 175, 509, 511 ff = GmbHR 1995, 239 = NJW 1995, 1920; BFH, GmbHR 2004, 1244, 1245. 641) St. Rspr. BFH, ZIP 2009, 516, 517 = GmbHR 2009, 499 = DB 2009, 549, dazu EWiR 2009, 365 (Webel); BFHE 217, 233, 236 = ZIP 2007, 1856 = DB 2007, 2072, dazu EWiR 2007, 675 (Erdmann). 642) BFHE 222, 228, 23 = ZIP 2009, 122 = GmbHR 2009, 222; BFHE 200, 482, 490 = ZIP 2003, 582 = GmbHR 2003, 490, dazu EWiR 2003, 303 (Onusseit); BFH, GmbHR 2006, 610, 612 = DStRE 2006, 560; BFH, GmbHR 2001, 783, 784; BFH, GmbHR 1988, 278, 279. 643) BFHE 170, 295 = BStBl. II 1993, 471 = GmbHR 2003, 681; Michalski/Heidinger/Leible/ J. Schmidt-Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 682-692; Pelz, RNotZ 2003, 415, 431.

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§ 43

Haftung der Geschäftsführer

Pflichtverletzungen siehe Rn. 113). Ist die Gesellschaft in Zahlungsschwierigkeiten, müssen Steuerschulden grundsätzlich anteilig, d. h. im Verhältnis zu den übrigen Schulden,644) beglichen werden.645) Dies gilt auch für Verspätungs- und Säumniszuschläge.646) Vorrangig abgeführt werden muss hingegen die LSt.647) Der Geschäftsführer muss ggf. die Löhne gekürzt auszahlen und aus den dadurch übrig bleibenden Mitteln die auf die gekürzten (Netto-)Löhne entfallende LSt abführen.648) 116

Hypothetische Kausalverläufe – wie die Anfechtung etwaiger Steuerzahlungen durch den Insolvenzverwalter nach den §§ 129 ff InsO – sind nach Ansicht des Bundesfinanzhofs konträr zur Rechtsprechung des BGH zu § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266a StGB (siehe Rn. 108)649) nicht berücksichtigungsfähig; die Haftung entfällt also nicht, wenn der Steuerausfall wegen hypothetischer Insolvenzanfechtung ebenfalls entstanden wäre.650) Die erfolgreiche Insolvenzanfechtung einer erst nach Fälligkeit abgeführten LSt unterbricht den Kausalverlauf zwischen Pflichtverletzung und Schadenseintritt dann nicht, wenn der Fälligkeitszeitpunkt vor dem Beginn der Anfechtungsfrist lag.651)

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Ebenso wie die Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266a Abs. 1 StGB entfällt die Haftung des Geschäftsführers, wenn er sich in einer Pflichtenkollision befindet (siehe Rn. 107). Ebenso wie der 5. Strafsenat bejahte der Bundesfinanzhof eine solche Pflichtenkollision aufgrund der Pflicht des Geschäftsführers zur Massesicherung (§ 64 Satz 1), höchstens jedoch während des Drei-Wochen-Zeitraums des § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO.652) Nachdem der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden hatte, dass die Befolgung straf- und steuerrechtlicher Pflichten vor der Haftung gemäß § 64 Satz 1 schützt (siehe Rn. 107), vertritt der Bundesfinanzhof _____________ 644) Ausführlich hierzu: Klein-Rüsken, AO, § 69 Rn. 58; vgl. auch BFH/NV 2016, 1672 Rn. 24. 645) St. Rspr., BFHE 150, 312, 315 = ZIP 1987, 1545 = GmbHR 1987, 445, dazu EWiR 1988, 111 (Philipowski); BFH, GmbHR 2006, 1062, 1063; BFH, GmbHR 2000, 1211, 1212. Krit. hierzu Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 383; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 370; Peetz, GmbHR 2009, 186, 187; Schlering, S. 52 ff. 646) BFHE 192, 249, 253 f = GmbHR 2000, 1215 = DStR 2000, 1954; BFH, GmbHR 2001, 786, 789. 647) BFHE 222, 228, 232 = ZIP 2009, 122 = GmbHR 2009, 222; BFHE 216, 491, 495 = ZIP 2007, 1604 = BB 2007, 1711, dazu EWiR 2007, 523 (Beck); BFH, DStRE 2006, 560, 561 = GmbHR 2006, 610; zust. Schlering, S. 171 ff; vgl. auch Sonnleitner/Winkelhog, BB 2015, 88, 92 f. 648) BFHE 216, 491, 495 = ZIP 2007, 1604 = BB 2007, 1711, dazu EWiR 2007, 523 (Beck); BFHE 192, 249, 252 = GmbHR 2000, 1215 = DStR 2000, 1954; BFH, DStRE 2006, 560, 561 = GmbHR 2006, 610; zust. Schlering, S. 176 ff; zur Berechnung des Schadensersatzes in diesen Fällen Kahlert, ZIP 2009, 2368, 2371 f. 649) Vgl. auch Fuchs, NZI 2018, 97, 99 f, der überzeugend für eine Divergenzvorlage (§§ 2 Abs. 1, 11 RsprEinhG) argumentiert. 650) BFHE 222, 228, 232 = ZIP 2009, 122 = GmbHR 2009, 222; BFHE 217, 233, 236 ff = ZIP 2007, 1856 = DB 2007, 2072, dazu EWiR 2007, 675 (Erdmann); BFHE 217, 209, 212 = ZIP 2007, 1659 = GmbHR 2007, 1004; noch offengelassen in BFHE 216, 491, 495 = ZIP 2007, 1604 = BB 2007, 1711, dazu EWiR 2007, 523 (Beck); BFH, GmbHR 2006, 610, 612 f = DStRE 2006, 560; BFH, BB 2016, 1119 Rn. 14; zust. Heinmüller, BB 2016, 1122; stark eingrenzend FG Niedersachsen, NZI 2018, 228 Rn. 29 ff. 651) BFH, ZIP 2009, 516, 517 GmbHR 2009, 499 = DB 2009, 549, dazu EWiR 2009, 365 (Webel). 652) BFHE 216, 491, 497 = ZIP 2007, 1604 = BB 2007, 1711, dazu EWiR 2007, 523 (Beck).

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§ 43a

Kreditgewährung aus Gesellschaftsvermögen

nunmehr, dass die Pflicht des Geschäftsführers zur Abführung der LSt auch während der Drei-Wochen-Frist des § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO besteht.653) _____________ 653) BFHE 222, 228 (3. LS) = ZIP 2009, 122 = GmbHR 2009, 222; BFHE 259, 423 Rn. 21; vgl. auch BFH, BB 2016, 1119 Rn. 11; FG Münster, EFG 2018, 1156 Rn. 30. Zum Wechsel der BFH-Rechtsprechung vgl. Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 118 a. E.; Kahlert, ZIP 2009, 2368, 2370; Liebscher, ZInsO 2009, 1387; U. H. Schneider, GmbHR 2010, 57, 63. Die klare Aussage des 3. LS wird in dem Urteil nicht wiederholt. Ausdrücklich beschäftigt sich der BFH in den Urteilsgründen mit dem Zeitraum nach der freiwilligen Stellung des Insolvenzantrags.

§ 43a Kreditgewährung aus Gesellschaftsvermögen Lars Klöhn

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Den Geschäftsführern, anderen gesetzlichen Vertretern, Prokuristen oder zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigten Handlungsbevollmächtigten darf Kredit nicht aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft gewährt werden. 2Ein entgegen Satz 1 gewährter Kredit ist ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarungen sofort zurückzugewähren. Literatur: Drygala/Kremer, Alles neu macht der Mai – Zur Neuregelung der Kapitalerhaltungsvorschriften im Regierungsentwurf zum MoMiG, ZIP 2007, 1289; Fromm, Rückforderung von Krediten an GmbH-Leitungspersonen wegen Verstoßes gegen den Kapitalerhaltungsgrundsatz, GmbHR 2008, 537; Kleindiek, Die Existenzvernichtungshaftung ist nicht als „Allzweckinstrument“ konzipiert, BB 2012, 1632; Müller, Darlehensgewährung der GmbH an ihre Gesellschafter, BB 1998, 1804; Peltzer, Probleme bei der Kreditgewährung der Kapitalgesellschaft an ihre Leitungspersonen – ein Beitrag zu § 43a GmbHG, in: Festschrift für Heinz Rowedder, 1994, S. 325; U. H. Schneider, Kredite der GmbH an ihre Geschäftsführer, GmbHR 1982, 197; Sortiropoulos, Fragen der Darlehensgewährung der GmbH an ihre Gesellschafter, insbesondere im Gründungs- und Liquidationsstadium, GmbHR 1996, 653. Übersicht I.

Zweck und dogmatische Einordnung der Norm .............................. 1 II. Voraussetzungen .................................. 2 1. Kreditnehmer ........................................ 2

I.

2. Kreditgewährung ................................... 4 3. Gebundenes Vermögen ......................... 5 III. Rechtsfolgen ......................................... 6

Zweck und dogmatische Einordnung der Norm

§ 43a bezweckt die Erhaltung des Stammkapitals, also in erster Linie Gläubigerschutz.1) Die Norm gelangte mit der GmbH-Novelle von 1980 in das Gesetz. Hintergrund ist die Befürchtung des Gesetzgebers, dass Kredite an Geschäftsführer und andere Leitungspersonen häufig ohne ausreichende Sicherung oder zu anderen unangemessenen Konditionen gewährt werden.2) Erfolgt die Darlehensgewährung aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Gesellschaftsvermögen, so _____________ 1)

2)

BGHZ 193, 96 Rn. 41 = ZIP 2012, 1071, dazu EWiR 2012, 415 (Paefgen/Dettke); ScholzU. H. Schneider, GmbHG, § 43a Rn. 8; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 43a Rn. 3; ähnlich Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43a Rn. 1. Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43a Rn. 5; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43a Rn. 9 ff.

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1

§ 43a

Kreditgewährung aus Gesellschaftsvermögen

fingiert das Gesetz deshalb die völlige Wertlosigkeit des vertraglichen Rückzahlungsanspruchs3), ordnet die sofortige Rückgewähr an und wirkt dadurch – abweichend von § 30 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 GmbHG – bereits der Gefahr entgegen, dass der Gesellschaft aufgrund der Darlehensgewährung eine Unterbilanz entsteht4). Es folgt insoweit also einer abstrakten Betrachtung,5) begrenzt diese jedoch auf die Fälle, in denen das durch die Stammkapitalziffer gebundene Vermögen angetastet wird. Verstößt der Geschäftsführer gegen § 43a, haftet er der Gesellschaft gemäß § 43 Abs. 3. Oberhalb der Stammkapitalziffer kommt es gemäß § 43 Abs. 2 auf eine konkrete Betrachtung der Konditionen an (siehe § 43 Rn. 45 [Klöhn], Drittvergleich). Die Norm enthält zwingendes Recht, die Kreditgewährung kann im Gesellschaftsvertrag also höchstens an strengere Voraussetzungen geknüpft werden.6) II. Voraussetzungen 1. 2

Kreditnehmer

§ 43a verbietet die Kreditvergabe an Geschäftsführer, Prokuristen und zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigte Handlungsbevollmächtigte. Diese Aufzählung ist abschließend.7) Nicht erfasst sind insbesondere Gesellschafter (für sie gilt § 30 Abs. 1 Satz 2) und das Leitungspersonal verbundener Unternehmen.8) Geschäftsführer ist der – wenn auch fehlerhaft (siehe § 43 Rn. 7 [Klöhn]) – bestellte sowie der faktische Geschäftsführer (dazu siehe § 43 Rn. 10 [Klöhn]).9) Erfasst sind auch der stellvertretende Geschäftsführer (§ 44), der Notgeschäftsführer und der Arbeitsdirektor. Gesellschafter-Geschäftsführer unterfallen § 43a auch dann, wenn der Kredit unter den Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Satz 2 aufgrund der Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs gewährt werden dürfte.10) Andere gesetzliche Vertreter sind vor allem Liquidatoren (§§ 66, 70),11) nicht jedoch Aufsichtsratsmitglieder, da die Übervorteilungsgefahr hier nicht die strenge Regel des § 43a rechtfertigt.12) Ebenfalls von § 43a erfasst werden Kredite an Ehegatten und minderjährige Kinder der _____________ 3) Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 43a Rn. 4; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43a Rn. 1. 4) BGHZ 193, 96 Rn. 41 = ZIP 2012, 1071, dazu EWiR 2012, 415 (Paefgen/Dettke). 5) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43a Rn. 1; Henssler/Strohn-Oetker, GesR, § 43a GmbHG Rn. 1; a. A. Müller, BB 1998, 1804, 1806 Fn. 21. 6) Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 43a Rn. 50; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43a Rn. 1. 7) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43a Rn. 4; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 43a Rn. 6. 8) Dazu Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43a Rn. 18; Baumbach/Hueck-Zöllner/ Noack, GmbHG, § 43a Rn. 3; zweifelnd Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43a Rn. 4; a. A. Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43a Rn. 63. 9) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43a Rn. 8; Baumbach/Hueck-Zöllner/ Noack, GmbHG, § 43a Rn. 3. 10) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43a Rn. 4; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 43a Rn. 4; a. A. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 43a Rn. 8; vgl. hierzu auch Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289, 1296. 11) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43a Rn. 3; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 43a Rn. 6. 12) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43a Rn. 17; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43a Rn. 3; a. A. Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43a Rn. 30 – sofern das Mitglied des Aufsichtsrats nicht nur repräsentativen Charakter hat.

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Kreditgewährung aus Gesellschaftsvermögen

§ 43a

in der Vorschrift genannten Personen sowie die anderen nahestehenden Personen, für die auch die §§ 30 f gelten.13) Die Kreditgewährung an einen Strohmann stellt eine unzulässige Umgehung von § 43a dar, wenn der Kredit im Ergebnis einem Geschäftsführer oder einer anderen von § 43a erfassten Person gewährt werden soll.14) Entscheidender Zeitpunkt für die Beurteilung ist derjenige, zu dem Gesellschaftsvermögen abfließt.15) Für die Stundung kommt es also auf den Zeitpunkt der Stundungsabrede an.16) Ehemalige und künftige Geschäftsführer fallen unter § 43a, wenn ein hinreichender sachlicher Zusammenhang zwischen der Amtsinhaberschaft und der Kreditgewährung besteht.17) Entsprechendes gilt für die anderen in § 43a genannten Personen. 2.

Kreditgewährung

Der Begriff des Kredits ist nach dem Zweck des § 43a zu bestimmen und daher weiter als in § 19 KWG.18) Erfasst wird grundsätzlich jede Vorleistung durch die Gesellschaft, insbesondere das klassische Darlehen, Gehaltsvorschüsse, Stundungen, die Stellung von Sicherheiten, Darlehensübernahmen und Zahlungen auf Verbindlichkeiten der in § 43a genannten Personen.19) Unerheblich sind die Konditionen der Kreditvergabe und ob der Kredit ausreichend besichert ist.20) Im Einzelfall kann es allerdings angezeigt sein, i. R. schuldrechtlicher Austauschverträge eine Vorleistung nicht als Kredit zu behandeln, wenn sie vertragstypisch ist – etwa bei Werk- oder Mietverträgen – und der Umfang der Vorleistung nicht über das Gewöhnliche hinausgeht.21) 3.

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4

Gebundenes Vermögen

§ 43a setzt voraus, dass die Kreditgewährung aus dem durch die Stammkapitalziffer gebundenen Vermögen erfolgt. Die Berechnung der relevanten Vermögensmasse _____________ 13) Ähnlich Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43a Rn. 19; Löwisch in: MünchKommGmbHG, § 43a Rn. 26. 14) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43a Rn. 20; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43a Rn. 4. 15) Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 43a Rn. 32; Henssler/Strohn-Oetker, GesR, § 43a GmbHG Rn. 7. 16) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Lieder, GmbHG, § 43a Rn. 25; Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 43a Rn. 32. 17) Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43a Rn. 5; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtLieder, GmbHG, § 43a Rn. 26. 18) OLG Bremen, NZG 2001, 897 = DStR 2002, 1407 mit Anm. Haas/Müller = GmbHR 2001, 672 (LS); Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 43a Rn. 18; Michalski/Heidinger/Leible/ J. Schmidt-Lieder, GmbHG, § 43a Rn. 29. 19) Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43a Rn. 36; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43a Rn. 6; Henssler/Strohn-Oetker, GesR, § 43a GmbHG Rn. 8; weniger weit: OLG Bremen, NZG 2001, 897 = DStR 2002, 1407 = GmbHR 2001, 672 (LS); OLG Köln, ZInsO 2017, 1491 Rn. 38. 20) BGHZ 157, 72, 74 = ZIP 2004, 263 = GmbHR 2004, 302, dazu EWiR 2004, 911 (Schöne/Stolze); Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43a Rn. 6; ähnlich Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt-Lieder, GmbHG, § 43a Rn. 34; a. A. Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43a Rn. 40; Müller, BB 1998, 1804, 1806 Fn. 21. 21) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43a Rn. 24; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43a Rn. 37; a. A. Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43a Rn. 6; Baumbach/ Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43a Rn. 6.

Lars Klöhn

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5

§ 43a

Kreditgewährung aus Gesellschaftsvermögen

erfolgt wie in § 30 (siehe Rn. 6 [Thiessen]),22) der Rückzahlungsanspruch wird dabei ausgeblendet23). Entscheidender Beurteilungszeitpunkt ist derjenige der Auszahlung (nicht der Kreditzusage).24) Demgegenüber möchte eine Gegenansicht auch dann einen Rückzahlungsanspruch gemäß Satz 2 annehmen, wenn Unterdeckung erst nach der Auszahlung eintritt.25) Hiergegen spricht jedoch neben dem Wortlaut des § 43a und einem Gesetzesabgleich mit §§ 30 f, dass der Kreditnehmer angesichts der strengen Rechtsfolgenanordnung des Satzes 2 (abstrakte Betrachtung) ein legitimes Bedürfnis nach Rechtssicherheit hat, das erschüttert würde, wenn er zur sofortigen Rückzahlung verpflichtet wäre, sobald eine Unterbilanz entsteht. III. Rechtsfolgen 6

7

Bei einem Verstoß gegen § 43a bleiben sowohl Verpflichtungs- als auch Erfüllungsgeschäft wirksam.26) Ist keine Auszahlung erfolgt, ergibt sich aus Satz 1 ein Leistungsverweigerungsrecht, das so lange und insoweit besteht, als die Auszahlung gegen § 43a verstoßen würde.27) – Zur Haftung des Geschäftsführers gemäß § 43 Abs. 3 siehe Rn. 1. Ist der Kredit bereits ausgezahlt, besteht ein gesetzlicher Rückgewähranspruch (Satz 2) i. H. d. Betrages, der im Zeitpunkt der Auszahlung zur Auffüllung der satzungsmäßigen Stammkapitalziffer erforderlich war.28) Der Anspruch ist vom Fortbestand der Unterdeckung unabhängig (siehe Rn. 5). Bis zur Rückzahlung besteht die vertragliche Verzinsungspflicht. Auf den Rückzahlungsanspruch finden § 31 Abs. 4 und 5 entsprechende Anwendung,29) ebenso § 31 Abs. 2.30) Die Aufrechnung des Geschäftsführers gegen den Rückzahlungsanspruch ist in teleologischer Extension des § 19 Abs. 2 Satz 2 unzulässig.31) Die GmbH kann aufrechnen, wenn die Forderung des Geschäftsführers etc. vollwertig, fällig und liquide ist.32) _____________ 22) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 43a Rn. 4; Fromm, GmbHR 2008, 537, 538 f; Peltzer in: FS Rowedder, S. 325, 339 f. 23) BGHZ 193, 96 Rn. 35 = ZIP 2012, 1071, dazu EWiR 2012, 415 (Paefgen/Dettke). 24) BGHZ 193, 96 Rn. 39 = ZIP 2012, 1071, dazu EWiR 2012, 415 (Paefgen/Dettke); Kleindiek, BB 2012, 1632. 25) Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43a Rn. 43; U. H. Schneider, GmbHR 1982, 197, 204; Sortiropoulos, GmbHR 1996, 653, 656; Fromm, GmbHR 2008, 537, 540. 26) Ganz h. M., s. nur Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 43a Rn. 35; zweifelnd Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 43a Rn. 11. 27) Vgl. Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 43a Rn. 36; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43a Rn. 12; Henssler/Strohn-Oetker, GesR, § 43a GmbHG Rn. 14; Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 43a Rn. 11 – kein Auszahlungsanspruch; Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt-Lieder, GmbHG, § 43a Rn. 42 – Leistungsverweigerungspflicht. 28) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43a Rn. 45. 29) S. nur Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43a Rn. 14. 30) Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 43a Rn. 54; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 43a Rn. 14; a. A. Löwisch in: MünchKomm-GmbHG, § 43a Rn. 46; Baumbach/HueckZöllner/Noack, GmbHG, § 43a Rn. 7; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 43a Rn. 14. 31) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 43a Rn. 48; Henssler/Strohn-Oetker, GesR, § 43a GmbHG Rn. 14; a. A. OLG Naumburg, ZIP 1999, 118, 119 f = GmbHR 1998, 1180 = DB 1998, 2411, in dem es allerdings um einen Aufrechnungsvertrag ging; hierzu krit. Zimmermann, EWiR 1999, 21. 32) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Lieder, GmbHG, § 43a Rn. 47; Lutter/HommelhoffKleindiek, GmbHG, § 43a Rn. 14.

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Lars Klöhn

§ 44

Stellvertreter von Geschäftsführern

§ 44 Stellvertreter von Geschäftsführern Lars Klöhn

Die für die Geschäftsführer gegebenen Vorschriften gelten auch für Stellvertreter von Geschäftsführern. § 44 bestimmt erstens, dass stellvertretende Geschäftsführer bestellt werden können, und zweitens, dass diese Personen den anderen Geschäftsführern grundsätzlich gleichgestellt sind. Stellvertretende Geschäftsführer sind also nicht Vertreter anderer Geschäftsführer, sondern gesetzliche Vertreter und Organe der Gesellschaft.1) Auf sie finden alle Vorschriften über die Geschäftsführer Anwendung, insbesondere § 6 Abs. 2 und 3, §§ 8, 10, 35 – 37, 39, 40, 41 ff, 43, 43a, 78. Zum Schutz der Verkehrssicherheit ist eine Eintragung im Handelsregister mit Stellvertreterzusatz unzulässig2) (siehe auch Art. 14 Abs. 1 Buchst. d) der RL (EU) 2017/1132).3)

1

Im Außenverhältnis hat der stellvertretende Geschäftsführer gemäß § 37 Abs. 2 unbeschränkte und unbeschränkbare Vertretungsmacht. Er ist i. R. d. § 35 den anderen Geschäftsführern gleichgestellt. Unzulässig ist daher insbesondere eine Vertretungsregel, die dem stellvertretenden Geschäftsführer Vertretungsmacht nur für den Fall der Verhinderung eines oder mehrerer ordentlicher Geschäftsführer einräumt.4)

2

Vorbehaltlich anderweitiger Bestimmungen ist der stellvertretende Geschäftsführer auch im Innenverhältnis gleichberechtigtes Mitglied der Geschäftsleitung;5) der Unterschied zu den anderen Geschäftsführern erschöpft sich also in der Titulierung.6) Stellvertretende Geschäftsführer sind insbesondere nicht darauf beschränkt, nur zu handeln, wenn ein ordentlicher Geschäftsführer verhindert ist.7) Die Befugnisse stellvertretender Geschäftsführer können jedoch durch Gesellschaftsvertrag oder Geschäftsordnung begrenzt werden; hierbei sind die allgemeinen Dispositionsgrenzen (insbesondere bei zwingenden Gesamtaufgaben) zu beachten (siehe § 37 Rn. 7 f [Jacoby]). Solche Grenzen ergeben sich auch aus § 33 Abs. 1 Satz 1 MitbestG für den Arbeitsdirektor. Er darf darüber hinaus nur in dem Umfang zum stellvertretenden

3

_____________ 1) 2) 3) 4) 5)

6) 7)

Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 44 Rn. 1; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 44 Rn. 1. BGH, GmbHR 1998, 181, 182 = ZIP 1998, 152 = NJW 1998, 1071; Goette in: MünchKommGmbHG, § 44 Rn. 22; Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 44 Rn. 14. Richtlinie (EU) 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14. Juni 2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts, ABl. L 169 v. 30.6.2017, S. 46. Goette in: MünchKomm-GmbHG, § 44 Rn. 13; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 44 Rn. 7. Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Terlau, GmbHG, § 44 Rn. 4; Lutter/HommelhoffKleindiek, GmbHG, § 44 Rn. 2; a. A. Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 44 Rn. 8; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 44 Rn. 4. Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 44 Rn. 2; insoweit auch Goette in: MünchKommGmbHG, § 44 Rn. 10. Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 44 Rn. 10; Michalski/Heidinger/Leible/ J. Schmidt-Terlau, GmbHG, § 44 Rn. 4; a. A. Scholz-U. H. Schneider, GmbHG, § 44 Rn. 8, Henssler/Strohn-Oetker, GesR, § 44 GmbHG Rn. 7.

Lars Klöhn

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§ 45

Rechte der Gesellschafter

Geschäftsführer bestellt werden, in dem auch alle anderen Geschäftsführer zunächst nur Stellvertreter waren.8) 4

Obligatorische Aufsichtsratsmitglieder dürfen i. R. d. in § 105 Abs. 2 AktG festgelegten Jahresfrist als stellvertretende Geschäftsführer berufen werden.9) Besteht ein fakultativer Aufsichtsrat, kommt es darauf an, ob die Stellung des Aufsichtsratsmitglieds in der Geschäftsführung so ausgestaltet ist, dass es seiner Überwachungsaufgabe noch gerecht werden kann.10) _____________ 8) Goette in: MünchKomm-GmbHG, § 44 Rn. 9; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 44 Rn. 22; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 44 Rn. 3. 9) Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, GmbHG, § 44 Rn. 24; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 44 Rn. 6. 10) Hachenburg-Stein, GmbHG, § 44 Rn. 11; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Terlau, GmbHG, § 44 Rn. 10.

§ 45 Rechte der Gesellschafter Andreas Masuch

(1) Die Rechte, welche den Gesellschaftern in den Angelegenheiten der Gesellschaft, insbesondere in Bezug auf die Führung der Geschäfte zustehen, sowie die Ausübung derselben bestimmen sich, soweit nicht gesetzliche Vorschriften entgegenstehen, nach dem Gesellschaftsvertrag. (2) In Ermangelung besonderer Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags finden die Vorschriften der §§ 46 bis 51 Anwendung. Literatur: Beuthien, Müssen Sonderrechte unentziehbar sein?, ZGR 2014, 24; Priester, Aufsichtsrat per Öffnungsklausel, NZG 2016, 774; ders., Drittbindung des Stimmrechts und Satzungsautonomie, in: Festschrift für Winfried Werner, 1984, S. 657; Schäfer, Stimmrechtslose Anteile in der GmbH, GmbHR 1998, 113; Ulmer, Nochmals: Begründung von Rechten für Dritte in der Satzung der GmbH?, in: Festschrift für Herbert Wiedemann, 2002, S. 1297. Übersicht I. Normzweck und Regelungsinhalt ..... II. Gegenstand der Regelungskompetenz ........................................................ III. Grenzen der Satzungsautonomie ....... 1. Rechte der Gesellschafterversammlung ........................................................

I. 1

1 5 6 7

2. Rechte einzelner Gesellschafter ........... 9 IV. Gesetzliche Regelungen .................... 10 1. Kollektivrechte der Gesellschafterversammlung ........................................ 11 2. Individualrechte einzelner Gesellschafter ...................................... 12

Normzweck und Regelungsinhalt

§ 45 regelt das Verhältnis zwischen gesetzlichen und vertraglichen Regelungen über die Rechte der Gesellschafter und statuiert durch den Vorrang vertraglicher Bestimmungen vorbehaltlich zwingenden Gesetzesrechts eine grundsätzliche Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter. Absatz 1 der Vorschrift bestimmt, dass sowohl für die Frage, welche Rechte den Gesellschaftern zustehen, als auch für die Frage, wie diese Rechte auszuüben sind, in erster Linie der Gesellschaftsvertrag maßgeblich ist. Da

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§ 45

Rechte der Gesellschafter

die §§ 2 und 53 Abs. 1 zugleich zwingend1) vorsehen, dass der Gesellschaftsvertrag i. R. d. Gründung von den Gesellschaftern festgestellt und nur durch Gesellschafterbeschluss abgeändert werden kann, wird den Gesellschaftern damit eine KompetenzKompetenz zugewiesen.2) Die Gesellschafter bestimmen grundsätzlich selbst, welche Rechte sie haben und wie diese auszuüben sind. Nur soweit das Gesetz zwingende Regelungen enthält, ist die diesbezügliche Satzungsfreiheit eingeschränkt. Absatz 2 stellt klar, dass die Vorschriften der §§ 46 bis 51 Anwendung finden, soweit die Gesellschafter von ihrer Gestaltungsfreiheit keinen Gebrauch gemacht haben. Die Regelung ist nicht abschließend zu verstehen, da das GmbH-Recht auch außerhalb der §§ 46 ff Bestimmungen zu den Befugnissen der Gesellschafter und deren Ausübung enthält.

2

Im Ergebnis ergibt sich aus § 45 damit folgende Hierarchie der Regelungsebenen:

3



erstens: zwingende gesetzliche Regelungen,



zweitens: gesellschaftsvertragliche Bestimmungen,



drittens: dispositive gesetzliche Vorschriften.

Regelungen einer nachgeordneten Ebene gelten dabei immer (nur) insoweit, als der Regelungsgegenstand nicht von einer Bestimmung einer übergeordneten Ebene abweichend geregelt wird.

4

II. Gegenstand der Regelungskompetenz Satzungsfreiheit besteht vorbehaltlich zwingender Vorschriften sowohl im Hinblick auf den Inhalt der Gesellschafterrechte als auch hinsichtlich der Art und Weise der Ausübung dieser Rechte. Dabei sind sowohl die Rechte angesprochen, welche den Gesellschaftern in ihrer Gesamtheit, also der Gesellschafterversammlung als Organ der Gesellschaft, zustehen, als auch diejenigen Rechte, welche dem Gesellschafter als einzelnem (Individualrechte) oder ggf. gemeinsam mit anderen Gesellschaftern als Minderheit (Minderheitenrechte) zukommen.3) Die Befugnisse der Gesellschafter können durch den Gesellschaftsvertrag in den Grenzen der Satzungsautonomie (siehe Rn. 7 f) sowohl erweitert als auch eingeschränkt oder auf andere Organe (Geschäftsführer, Aufsichtsrat, Beirat o. Ä., Gesellschafterausschuss etc.) übertragen werden.4) Enthält die Satzung eine Öffnungsklausel, einem weiteren Organ Kompetenzen einzuräumen, z. B. einen Aufsichtsrat einzurichten, müssen bei Ausnutzung dieser Möglichkeit die Erfordernisse der §§ 53, 54 nicht beachtet werden, wenn die Kompetenzen und die Funktionsweise dieses Organs bereits in der Satzung angelegt

_____________ 1)

2) 3) 4)

Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 45 Rn. 21; Rowedder/SchmidtLeithoff-Ganzer, GmbHG, § 45 Rn. 7; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 53 Rn. 1 f; Wicke, GmbHG, § 45 Rn. 1. Wicke, GmbHG, § 45 Rn. 2; vgl. auch Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 45 Rn. 5. Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 45 Rn. 9 ff; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 45 Rn. 1. Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 46 Rn. 3 f; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 45 Rn. 2.

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5

§ 45

Rechte der Gesellschafter

sind (str.).5) Einzelnen Gesellschaftern können auch Sonderrechte eingeräumt werden, welche nicht allen Gesellschaftern zustehen.6) Beispielhaft zu nennen sind das Recht, einen Geschäftsführer oder ggf. ein Beirats- oder Aufsichtsratsmitglied zu bestimmen (ggf. auch sich selbst), Vorteile bei der Gewinnverteilung, Veto-, Mehrstimm- oder Weisungsrechte.7) Derartige Sonderrechte können grundsätzlich nur mit Zustimmung des begünstigten Gesellschafters aufgehoben oder eingeschränkt werden.8) Sollen Dritten in der Satzung innergesellschaftliche Mitwirkungsrechte zugewiesen werden, so können sie dadurch zu Organwaltern eines (fakultativen) Organs werden; es können einem Dritten in die Satzung jedoch nicht ad personam gegen seinen Willen nicht mehr entziehbare Organschaftsrechte verliehen werden. Unberührt bleibt die Möglichkeit, einem Dritten, in den Grenzen der Verbandssouveränität, auf schuldrechtlicher Basis Mitspracherechte einzuräumen; geschieht dies in der Satzung handelt es sich jedoch nur um formale Satzungsbestandteile.9) III. Grenzen der Satzungsautonomie 6

Die Gestaltungsfreiheit des Gesellschaftsvertrages ist sehr weitgehend. Das Gesetz setzt der Satzungsautonomie jedoch Grenzen sowohl im Hinblick auf die Einschränkung der Gesellschafterrechte als auch hinsichtlich der Erweiterung. Das gilt für die Befugnisse der Gesellschafterversammlung wie diejenigen einzelner Gesellschafter gleichermaßen. 1.

7

Rechte der Gesellschafterversammlung

Begrenzt wird die Freiheit, die Rechte der Gesellschafterversammlung im Gesellschaftsvertrag zu bestimmen, dadurch, dass sich die Gesellschafter dieser Satzungskompetenz selbst nicht begeben können.10) Es steht den Gesellschaftern also nicht frei, einzelne von Ihnen, andere Gesellschaftsorgane oder Dritte unter Verzicht auf eine spätere Abänderung dieser Delegation mit der Befugnis auszustatten, ihre Rechte zu bestimmen oder Rechte anstelle der Gesellschafter auszuüben. Als zwingend angesehen werden ferner die Kompetenzen nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 und § 5311) sowie die Zuständigkeiten nach §§ 50 Abs. 1, 125, 176 Abs. 1, 177 Abs. 1, 233 und 240 UmwG.12) _____________ 5) Priester, NZG 2016, 774; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Schnorbus, GmbHG, § 52 Rn. 8; a. A. KG, ZIP 2016, 673 = NZG 2016, 787, dazu EWiR 2016, 267 (Weiß); bestätigt durch KG, GmbHR 2018, 361 m. abl. Anm. Otto = RNotZ 2018, 338. 6) Dies muss nicht zwingend in der Satzung selbst geschehen, sondern kann auch durch Beschluss auf einer Satzungsgrundlage erfolgen, Beuthien, ZGR 2014, 24, 38. 7) Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 45 Rn. 128; Ring/Grziwotz-Krause, GmbH-Recht, § 45 Rn. 4. 8) BGH, NJW-RR 1989, 542, 543 = WM 1989, 250; zur Möglichkeit, entziehbare Sonderrechte zu statuieren, s. Beuthien, ZGR 2014, 24, 29 ff, 39. 9) S. im Einzelnen sowie zum Streitstand: Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 45 Rn. 45 ff; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Ganzer, GmbHG, § 45 Rn. 7; Ulmer in: FS Wiedemann, S. 1297. 10) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 45 Rn. 21; Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 45 Rn. 85 ff, 106 ff; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 45 Rn. 10; Priester in: FS Werner, S. 657, 659 ff. 11) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 46 Rn. 1, § 45 Rn. 10. 12) Wicke, GmbHG, § 46 Rn. 1.

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§ 45

Rechte der Gesellschafter

Die Möglichkeit zur Erweiterung der Gesellschafterrechte gegenüber der Geschäftsführung findet ihre Grenze darin, dass die Geschäftsführung jedenfalls insoweit nicht zum bloßen Vollzugsorgan degradiert werden darf, als ihr das Gesetz Pflichten auferlegt, welche nicht ausschließlich den Interessen der Gesellschaft oder der Gesellschafter dienen (z. B. Pflichten im Zusammenhang mit der Kapitalaufbringung und -erhaltung, die Insolvenzantragspflicht, § 15a Abs. 1 InsO, die Buchführungspflicht, siehe § 41 Rn. 2 [Witt], steuerliche Pflichten etc.).13) Ferner obliegt die Vertretung der Gesellschaft vorbehaltlich gesetzlicher Ausnahmen (Abschluss, Änderung und Beendigung von Geschäftsführerdienstverträgen, § 46 Nr. 5, Prozessvertretung gegenüber Geschäftsführern, § 46 Nr. 8 Alt. 2, Passivvertretung der Gesellschaft bei Führungslosigkeit, § 35 Abs. 1 Satz 2) zwingend der Geschäftsführung.14) 2.

8

Rechte einzelner Gesellschafter

Auch bestimmte Individualrechte der Gesellschafter werden als zwingend angesehen. Diese Rechte können durch Satzungsbestimmungen nicht eingeschränkt werden. Zu diesen zählen insbesondere: das Teilnahmerecht an der Gesellschafterversammlung,15) das Anfechtungsrecht,16) Auskunfts- und Einsichtsrechte (§ 51a Abs. 3) sowie das Austrittsrecht aus wichtigem Grund. Das Stimmrecht der Gesellschafter wird indessen nicht als zwingend angesehen.17)

9

IV. Gesetzliche Regelungen Soweit der Gesellschaftsvertrag keine abweichenden Bestimmungen enthält, bestimmen sich die Rechte der Gesellschafterversammlung sowie die Individualrechte der Gesellschafter nach dem Gesetz. Der Verweis in Absatz 2 auf die Regelungen der §§ 46 bis 51 ist dabei nicht abschließend zu verstehen, da sich auch außerhalb dieser Normen Regelungen zu den Gesellschafterrechten finden. 1.

10

Kollektivrechte der Gesellschafterversammlung

Zu den Kollektivrechten der Gesellschafterversammlung zählt neben der Kompetenz zur Satzungsgestaltung das Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung (§ 37). Als oberstem und notwendigem Organ der GmbH kommt der Gesellschafterversammlung ferner in allen Belangen der Gesellschaft eine umfassende Willens-

_____________ 13) Vgl. Bormann/Kauka/Ockelmann-Koch, Hdb. GmbHR, Kap. 6 Rn. 68. Im Einzelnen streitig, vgl. einerseits Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 45 Rn. 21 und § 46 Rn. 4; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 18 – gewisser Entscheidungsspielraum muss verbleiben; a. A. Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Römermann, GmbHG, § 45 Rn. 35; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 12 – Tagesgeschäft kein unentziehbarer Kernbereich. 14) Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 45 Rn. 87; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Römermann, GmbHG, § 45 Rn. 34; Wicke, GmbHG, § 45 Rn. 3. 15) Ulmer/Habersack/Löbbe-Raiser, GmbHG, § 14 Rn. 38; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 14 Rn. 17. 16) Ulmer/Habersack/Löbbe-Raiser, GmbHG, § 14 Rn. 38; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 14 Rn. 11. 17) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 14 Rn. 17; Schäfer, GmbHR 1998, 113.

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11

§ 46

Aufgabenkreis der Gesellschafter

bildungsbefugnis zu,18) insbesondere in den in § 46 aufgeführten Bereichen. Die Willensbildung erfolgt dabei durch Beschluss (§ 47 Abs. 1). 2. 12

Individualrechte einzelner Gesellschafter

Die Rechte einzelner Gesellschafter werden eingeteilt in Vermögensrechte, Verwaltungsrechte sowie sonstige Rechte. Zu den Vermögensrechten zählen die Rechte am Gewinn der Gesellschaft (§ 29) sowie am Liquidationsüberschuss. Verwaltungsrechte sind insbesondere das Recht auf Teilnahme an der Gesellschafterversammlung mit dem damit verbundenen Rede-, Frage- und Antragsrecht (§ 48), das Stimmrecht (§ 47) und das Recht, Gesellschafterbeschlüsse anzufechten. Hierher gehören auch die Minderheitenrechte nach § 50 sowie das Auskunfts- und Einsichtsrecht nach §§ 51a, 51b.19) Zu den sonstigen Rechten gehören das Recht auf Gleichbehandlung mit den Mitgesellschaftern sowie das Austrittsrecht.20) Im Falle der Insolvenz eines Gesellschafters werden dessen Rechte – grundsätzlich auch die Verwaltungsrechte – vom Insolvenzverwalter ausgeübt.21) _____________ 18) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 45 Rn. 19; Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 45 Rn. 78 ff; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 45 Rn. 4, 12. 19) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 14 Rn. 16 f. 20) Ulmer/Habersack/Löbbe-Raiser, GmbHG, § 14 Rn. 26, 113. 21) BGH, ZIP 2017, 2379, 2380 = NZG 2018, 32, 33 = NJW-RR 2018, 39, 40, dazu EWiR 2018, 95 (Keil).

§ 46 Aufgabenkreis der Gesellschafter Andreas Masuch

Der Bestimmung der Gesellschafter unterliegen: 1.

die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Ergebnisses;

1a. die Entscheidung über die Offenlegung eines Einzelabschlusses nach internationalen Rechnungslegungsstandards (§ 325 Abs. 2a des Handelsgesetzbuchs) und über die Billigung des von den Geschäftsführern aufgestellten Abschlusses; 1b. die Billigung eines von den Geschäftsführern aufgestellten Konzernabschlusses; 2.

die Einforderung der Einlagen;

3.

die Rückzahlung von Nachschüssen;

4.

die Teilung, die Zusammenlegung sowie die Einziehung von Geschäftsanteilen;

5.

die Bestellung und die Abberufung von Geschäftsführern sowie die Entlastung derselben;

6.

die Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung;

7.

die Bestellung von Prokuristen und von Handlungsbevollmächtigten zum gesamten Geschäftsbetrieb;

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§ 46

Aufgabenkreis der Gesellschafter

8.

die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, welche der Gesellschaft aus der Gründung oder Geschäftsführung gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter zustehen, sowie die Vertretung der Gesellschaft in Prozessen, welche sie gegen die Geschäftsführer zu führen hat.

Literatur: Greitemann/Bergjan, Die Auswirkungen des MoMiG auf die M&A-Praxis, in: Transaktionen, Vermögen, Pro Bono – Festschrift P+P Pöllath + Partners, 2008, S. 271; Harbarth, Gesellschaftsrechtliche Anforderungen an die Kündigung von Geschäftsführerverträgen, BB 2015, 707; Horn, Erfordert die Streitverkündung einer GmbH an ihren Geschäftsführer einen vorherigen Gesellschafterbeschluss?, GmbHR 2017, 1024; Klose, Die Vertretung einer Zweipersonen-GmbH bei Gesellschafterstreitigkeiten, GmbHR 2010, 1139; Lange, Die Teilung eines GmbH-Anteils zur Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft, GmbHR 2014, 281; Lutz, Prozessvertretung der GmbH gegenüber dem Geschäftsführer und actio pro socio bei einstweiligen Verfügungen, NZG 2015, 424; Mayer, Der Erwerb einer GmbH nach den Änderungen durch das MoMiG, DNotZ 2008, 403. Übersicht I. Normzweck und Regelungsinhalt ..... 1 II. Entscheidungsgegenstände ................. 4 1. Jahresabschluss und Ergebnisverwendung (Nr. 1) ................................... 4 2. Einzelabschlusses nach internationalen Rechnungslegungsstandards (Nr. 1a) .................................................. 6 3. Konzernabschluss (Nr. 1b) .................. 8 4. Einforderung von Einlagen (Nr. 2) ..... 9 5. Rückzahlung von Nachschüssen (Nr. 3) .................................................. 12 6. Teilung, Zusammenlegung und Einziehung von Geschäftsanteilen (Nr. 4) .................................................. 13 a) Teilung .......................................... 14 b) Zusammenlegung ......................... 17 c) Einziehung .................................... 19

I.

7.

Bestellung, Abberufung und Entlastung von Geschäftsführern (Nr. 5) .................................................. 20 a) Bestellung und Abberufung ........ 20 b) Entlastung ..................................... 22 8. Prüfung und Überwachung der Geschäftsführer (Nr. 6) ...................... 24 9. Bestellung von Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten (Nr. 7) .................................................. 25 10. Ersatzansprüche und Prozessvertretung (Nr. 8) ............................... 27 a) Ersatzansprüche ........................... 27 aa) Sachliche Reichweite .................... 30 bb) Persönliche Reichweite ................ 32 b) Prozessvertretung ........................ 33

Normzweck und Regelungsinhalt

§ 46 enthält einen nicht abschließenden1) Katalog von (wichtigen) Angelegenheiten der Gesellschaft, welche der Willensbildung und Entscheidung der Gesellschafterversammlung unterstellt werden. Die Vorschrift dient damit der Kompetenzverteilung zwischen Geschäftsführern und Gesellschaftern und weist der Gesellschafterversammlung die Zuständigkeit für Willensbildung in den genannten Regelungsbereichen zu. Die Gesellschafterversammlung entscheidet über die verschiedenen Angelegenheiten vorbehaltlich abweichender Regelungen mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

_____________ 1)

S. im Übrigen etwa § 26 (Einforderung von Nachschüssen); § 53 (Satzungsänderungen); § 60 Abs. 1 Nr. 2 (Auflösung, Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft), § 66 Abs. 1, 3 (Bestellung und Abberufung von Liquidatoren), § 74 Abs. 2 Satz 2 (Verwahrung Geschäftsbücher) sowie § 318 Abs. 1 Satz 1 HGB (Wahl Abschlussprüfer) und §§ 13 Abs. 1, 125, 176, 193 Abs. 1 UmwG (Umwandlungsfälle) sowie §§ 291 ff AktG analog (Abschluss von Unternehmensverträgen).

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Aufgabenkreis der Gesellschafter

2

Die ausdrückliche Zuweisung von Entscheidungsgegenständen an die Gesellschafterversammlung durch § 46 lässt die Allzuständigkeit der Gesellschafterversammlung2) im Übrigen unberührt und stellt diese nicht in Frage. Der Gesellschafterversammlung steht es frei, auch außerhalb des Katalogs des § 46 über alle Angelegenheiten der Gesellschaft verbindlich zu entscheiden und entsprechende Weisungen an die Geschäftsführung zu erteilen (§ 37).3)

3

Der Gesellschaftsvertrag kann in weitem Umfang andere Regelungen vorsehen (§ 45), insbesondere die Kompetenzbereiche erweitern oder einschränken oder andere Organe wie einen Aufsichtsrat, Beirat o. Ä. mit der Entscheidungsfindung betrauen (siehe § 45 Rn. 5 [Masuch]; zu Grenzen der Gestaltungsfreiheit siehe § 45 Rn. 6 [Masuch]).4) II. Entscheidungsgegenstände 1.

Jahresabschluss und Ergebnisverwendung (Nr. 1)

4

Die Aufstellung des Jahresabschlusses erfolgt als Geschäftsführungsmaßnahme durch die Geschäftsführer (§§ 242, 264 HGB, §§ 41, 42 GmbHG). Der aufgestellte Jahresabschluss ist sodann unverzüglich der Gesellschafterversammlung zum Zwecke der Feststellung vorzulegen (§ 42a). Die Feststellung und damit die rechtsverbindliche In-Geltung-Setzung obliegt schließlich der Gesellschafterversammlung, die hierüber mit einfacher Mehrheit beschließt (im Einzelnen siehe § 42a Rn. 12 ff [Witt]). Die Beschlussfassung hat nach § 42a Abs. 2 bei kleinen GmbH i. S. d. § 267 HGB innerhalb von elf Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres, im Übrigen bereits innerhalb von acht Monaten zu erfolgen; die Frist ist nicht durch den Gesellschaftsvertrag verlängerbar (§ 42a Abs. 2 Satz 2). Die Nichtbeachtung der Frist allein bleibt allerdings folgenlos (siehe § 42a Rn. 16 [Witt]).

5

Auch die Entscheidung über die Verwendung des Ergebnisses steht der Gesellschafterversammlung zu (Näheres siehe § 42a Rn. 12 ff [Witt]). Es handelt sich dabei um einen inhaltlich von der Jahresabschlussfeststellung zu trennenden Beschluss, welcher regelmäßig im Anschluss an letzteren i. R. d. ordentlichen Gesellschafterversammlung gefasst wird. Der Ergebnisverwendungsbeschluss setzt die Feststellung des Jahresabschlusses voraus und kann ohne diese nicht erfolgen; ggf. liegt jedoch im Beschluss über die Ergebnisverwendung auch eine konkludente Feststellung des Jahresabschlusses.5) Inhaltlich bestimmt sich die Ergebnisverwendung nach den Regelungen des Gesellschaftsvertrages sowie subsidiär nach § 29. Die Gesellschafterversammlung ist dabei nicht an Beschlussvorschläge der Geschäftsführung gebunden. Erst die Beschlussfassung über die Ergebnisverwendung vermittelt dem einzelnen Gesellschafter einen gegen die Gesellschaft einklagbaren Anspruch auf Gewinnauszahlung, soweit eine Ausschüttung beschlossen worden ist (im Einzelnen siehe § 29 Rn. 5, 31 [Witt]). Die Beschlussfassung über die Ergebnisverwendung erübrigt sich, _____________ 2) 3) 4) 5)

Eickhoff, Die Praxis der Gesellschafterversammlung, Rn. 1. Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 46 Rn. 1; Ring/Grziwotz-Krause, GmbH-Recht, § 46 Rn. 3. Vgl. i. E. Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 46 Rn. 7 ff. BFH, GmbHR 2007, 1058 = BeckRS 2006, 26022332; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 46 Rn. 16; Saenger/Inhester-Bergjan, GmbHG, § 46 Rn. 5.

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Aufgabenkreis der Gesellschafter

falls der Jahresüberschuss zuzüglich Gewinnvortrages und abzüglich eines Verlustvortrages negativ ist. 2.

Einzelabschlusses nach internationalen Rechnungslegungsstandards (Nr. 1a)

Die Geschäftsführer der GmbH haben grundsätzlich den Jahresabschluss der Gesellschaft nach den Regelungen des HGB beim Betreiber des Bundesanzeigers elektronisch einzureichen (§ 325 Abs. 1 HGB) und im Bundesanzeiger bekannt machen zu lassen (§ 325 Abs. 2 HGB). Die danach eigentlich vorgesehene Offenlegung des HGBAbschlusses nach § 325 Abs. 2 HGB (nicht die Aufstellung des HGB-Abschlusses)6) kann durch die Veröffentlichung eines Einzelabschlusses ersetzt werden, der nach den in § 315a HGB bezeichneten internationalen Rechnungslegungsstandards aufgestellt worden ist, § 325 Abs. 2a HGB. Die Entscheidung, ob von diesem Wahlrecht Gebrauch gemacht werden soll, weist das Gesetz in Nummer 1a Alt. 1 der Gesellschafterversammlung zu.

6

Die Gesellschafterversammlung entscheidet auch über die inhaltliche Billigung des Einzelabschlusses nach internationalen Rechnungslegungsstandards (Nr. 1a Alt. 2). Für das Verfahren gilt § 42a entsprechend.7) Der Begriff der Billigung bringt zum Ausdruck, dass die Rechtsfolgen der Zustimmung hinter denjenigen der Feststellung des HGB-Abschlusses zurückbleiben. Der gebilligte Einzelabschluss nach internationalen Rechnungslegungsstandards hat insbesondere keine Bedeutung für die Ergebnisfeststellung und -verteilung.8)

7

3.

Konzernabschluss (Nr. 1b)

Unter den in § 290 HGB genannten Voraussetzungen haben die Geschäftsführer der GmbH über den Einzelabschluss nach den Regelungen des HGB hinaus auch einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht aufzustellen. Über dessen Billigung entscheidet die Gesellschafterversammlung (Nr. 1b). Für das Verfahren gelten die Regelungen des § 42a entsprechend. Der Begriff der Billigung bringt – ebenso wie in Nummer 1a – zum Ausdruck, dass der Konzernabschluss, anders als der festgestellte Einzelabschluss nach HGB, nicht Grundlage für die Gewinnverteilung ist.9) 4.

Einforderung von Einlagen (Nr. 2)

Bareinlagen der Gesellschafter müssen i. R. d. Gründung der Gesellschaft oder einer späteren Kapitalerhöhung nur teilweise bereits vor der Anmeldung des entsprechenden Vorgangs zur Eintragung in das Handelsregister erbracht werden (§ 7 Abs. 2, § 57 Abs. 2); eine Ausnahme gilt gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 für die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt). Soweit weder der Gesellschaftsvertrag10) noch der Kapitalerhöhungsbeschluss Abweichendes bestimmen, entscheidet nach Nummer 2 die Gesellschafterversammlung darüber, wann und in welchem Umfang offene Ein_____________ 6) 7) 8) 9) 10)

8

Wicke, GmbHG, § 46 Rn. 3; Koller/Kindler/Roth/Morck-Morck, HGB, § 325 Rn. 5. Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 46 Rn. 52; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 47a. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 46 Rn. 22 f; Wicke, GmbHG, § 46 Rn. 4. Wicke, GmbHG, § 46 Rn. 5. OLG Oldenburg, ZIP 2008, 267, 269 = DB 2007, 2195 = GmbHR 2007, 1043.

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Aufgabenkreis der Gesellschafter

lagen sowie etwaige Aufgelder11) erbracht werden sollen. Dabei steht der Gesellschafterversammlung ein unternehmerisches Ermessen zu. Der betroffene Gesellschafter ist nicht von seinem Stimmrecht ausgeschlossen.12) Bei offenen Einlagen mehrerer Gesellschafter ist der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. 10

Der Einzahlungsanspruch wird mit Bekanntmachung des Beschlusses gegenüber dem betroffenen Gesellschafter fällig; im Falle der Anwesenheit des Gesellschafters in der Versammlung folglich mit der Beschlussfassung,13) im Übrigen mit Einforderung der Einlagen (Vollzug des Beschlusses) durch die Geschäftsführer.14)

11

Die Beschlussfassung wird in folgenden Fällen als überflüssig angesehen: Insolvenz der Gesellschaft;15) Pfändung von offenen Einlagenansprüchen durch Gesellschaftsgläubiger.16) 5.

12

Nachschüsse, welche die Gesellschafter entsprechend den Regelungen des § 26 leisten mussten, können unter den Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 (siehe § 30 Rn. 162 ff [Thiessen]) zurückgezahlt werden. Die Entscheidung darüber, ob dies geschehen soll, obliegt der Gesellschafterversammlung (Nr. 3). Diese Kompetenz der Gesellschafterversammlung ist anders als diejenige nach § 26 betreffend die Einforderung von Nachschüssen nicht zwingend.17) 6.

13

Rückzahlung von Nachschüssen (Nr. 3)

Teilung, Zusammenlegung und Einziehung von Geschäftsanteilen (Nr. 4)

Nummer 4 weist der Gesellschafterversammlung die Entscheidungskompetenz über die Teilung, Zusammenlegung und Einziehung von Geschäftsanteilen zu. Die Zuständigkeit kann im Gesellschaftsvertrag abweichend geregelt werden.18) Soweit die Satzung nichts Abweichendes bestimmt, ist außer im Falle einer Zwangseinziehung (§ 34 Abs. 2) nicht nur die Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung über die jeweilige Maßnahme, sondern auch die Zustimmung des betroffenen Gesellschafters erforderlich, da jeweils ein Eingriff in seine Eigentümerstellung vorliegt (str., zum differenzierten Streitstand in Bezug auf die Teilung einerseits und die Zusammenlegung andererseits siehe Rn. 14 und Rn. 18). Eine Erklärung der Geschäftsführung, wie sie nach § 17 a. F. erforderlich gewesen war, ist hingegen nicht (mehr) notwendig.19) Nach Wirksamwerden einer Maßnahme nach Nummer 4 ist nach § 40 Abs. 1 _____________ 11) BGH, ZIP 2007, 2416, 2417 = DB 2007, 2826 = GmbHR 2008, 147 m. Anm. Herchen; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 49. 12) BGH, ZIP 1990, 1194, 1195 = DB 1990, 1958 = GmbHR 1990, 452, dazu EWiR 1990, 1097 (Meyer-Landrut). 13) OLG Dresden, GmbHR 1999, 233 = NZG 1999, 448. 14) Wicke, GmbHG, § 46 Rn. 6; a. A. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 46 Rn. 25. 15) BGH, ZIP 2007, 2416, 2417 = DB 2007, 2826 = GmbHR 2008, 147 m. Anm. Herchen. 16) BGH, ZIP 2007, 2416, 2417 = DB 2007, 2826 = GmbHR 2008, 147 m. Anm. Herchen. 17) Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 46 Rn. 80; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 61; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 46 Rn. 19. 18) Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 46 Rn. 95; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 64; Wicke, GmbHG, § 46 Rn. 13. 19) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 46 Rn. 18; Bormann/Kauka/Ockelmann-Koch, Hdb. GmbHR, Kap. 6 Rn. 75.

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eine neue Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen (siehe § 40 Rn. 75, 86 [Wachter]).20) a) Teilung Vor Inkrafttreten des MoMiG war die Teilung von Geschäftsanteilen nach § 17 a. F. nur für den Fall der Veräußerung oder Vererbung gestattet. Diese Restriktion ist aufgehoben worden. Vorbehaltlich konkretisierender Satzungsregelungen steht es bei Zustimmung des betroffenen Gesellschafters21) im Ermessen der Gesellschafterversammlung, ob und in welcher Weise die Teilung von Geschäftsanteilen erfolgen soll. Soweit weder Gesellschaftsinteressen noch Interessen der Mitgesellschafter entgegenstehen, kann sich das Ermessen auf Null reduzieren und hat der betroffene Gesellschafter einen Anspruch auf Zustimmung zur Teilung. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 ist darauf zu achten, dass jeder Teilgeschäftsanteil auf einen vollen Euro-Betrag lautet. Andernfalls ist die Teilung nichtig. Der Teilungsbeschluss muss dem Bestimmtheitsgrundsatz insoweit genügen, als der geteilte Geschäftsanteil, die neuen Geschäftsanteile und deren Nennbeträge bestimmbar sein müssen. Hierfür ist es jedoch nicht zwingend erforderlich, dass diese Angaben im Beschluss selbst enthalten sind. Nimmt der Beschluss auf den Vertrag über die Veräußerung eines Teilgeschäftsanteils Bezug, genügt es, wenn sich die Angaben hieraus ergeben.22)

14

Die Teilung wird – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen – wirksam mit Bekanntgabe des Beschlusses gegenüber dem Geschäftsanteilsinhaber.23) Sie hat zur Folge, dass sich teilbare Rechte und Pflichten entsprechend dem Verhältnis der (Teil-)Nennbeträge der neuen Geschäftsanteile auf diese verteilen. Unteilbare Rechte bleiben für jeden Anteil bestehen.24) Gleiches gilt für allgemeine Gesellschafterpflichten wie etwa Wettbewerbsverbote.

15

Im Anschluss an eine Teilung ist eine aktuelle Liste der Gesellschafter zum Handelsregister einzureichen.25)

16

b) Zusammenlegung Durch das MoMiG wurde auch die Entscheidungskompetenz der Gesellschafterversammlung über die Zusammenlegung von Geschäftsanteilen ausdrücklich in § 46 aufgenommen. Damit wurde der Sache nach die zuvor zwar herrschende,26) allerdings _____________ 20) Zu den Anforderungen der neuen Gesellschafterlistenverordnung (Gesl. VO) an die Darstellung der Anteilsteilung in der Gesellschafterliste siehe Cziupka, GmbHR 2018, R 180. 21) Wälzholz, MittBayNot 2008, 425, 433; Irringer/Münstermann, GmbHR 2010, 617, 618 ff; a. A. die h. M., vgl. Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140 S. 45; Liebscher in: MünchKommGmbHG, § 46 Rn. 86; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 46 Rn. 31d; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 46 Rn. 18; Wicke, GmbHG, § 46 Rn. 9. 22) BGH, ZIP 2014, 216, 217, 219, dazu EWiR 2014, 205 (Paefgen/Franke). 23) Greitemann/Bergjan in: FS Pöllath, S. 271, 292; a. A. Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 46 Rn. 86; Wicke, GmbHG, § 46 Rn. 9 – unmittelbare Außenwirkung des Beschlusses; vgl. Lange, GmbHR 2014, 281, 284 f m. w. N. 24) BGH, NZG 2018, 1344 = BB 2018, 2893 Rn. 17 (m. Anm. Wachter); Wicke, GmbHG, § 46 Rn. 11; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 46 Rn. 31a; Saenger/Inhester-Bergjan, GmbHG, § 46 Rn. 20; Lange, GmbHR 2014, 281, 283. 25) Wicke, GmbHG, § 46 Rn. 9; Saenger/Inhester-Bergjan, GmbHG, § 46 Rn. 21. 26) KG Berlin, NZG 2000, 787 = GmbHR 2000, 1154 (LS).

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umstrittene Auffassung bestätigt, wonach die Zusammenlegung von Geschäftsanteilen nicht von einer entsprechenden Satzungsermächtigung abhängt.27) Erforderlich ist allerdings, dass entweder die Einlagen auf die betroffenen Geschäftsanteile in voller Höhe erbracht sind oder eine Inanspruchnahme eines Rechtsvorgängers nach § 22 Abs. 3 ausgeschlossen ist. Nachschusspflichten oder eine unterschiedliche Belastung mit Rechten Dritter dürfen nicht bestehen.28) 18

Im Hinblick auf die Zustimmung des betroffenen Gesellschafters,29) die Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung sowie das Wirksamwerden des Beschlusses gilt das zur Teilung Gesagte (siehe Rn. 14 f) entsprechend. c) Einziehung

19

Vorbehaltlich abweichender Satzungsregelung bedarf auch die Einziehung von Geschäftsanteilen eines Gesellschafterbeschlusses. Die Voraussetzungen hierfür richten sich nach § 34 (im Einzelnen siehe § 34 Rn. 3 ff [Thiessen]). 7.

Bestellung, Abberufung und Entlastung von Geschäftsführern (Nr. 5)

a) Bestellung und Abberufung 20

Die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer stellt eine der Kernkompetenzen der Gesellschafterversammlung dar, soweit diese nicht von Gesetzes wegen (etwa § 31 MitbestG) oder durch Satzung auf ein anderes Organ verlagert worden ist. Dies gilt auch, wenn über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.30) Im Einzelnen siehe § 6 Rn. 15 f [Schäfer] sowie § 38 Rn. 11 [Jacoby]. Die Kompetenz zur Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer umfasst als Annexkompetenz auch die Befugnis zum entsprechenden Abschluss,31) zur Änderung32) und Beendigung33) von Geschäftsführerdienstverträgen und anderer Rechtsgeschäfte, die mit der Organstellung des Geschäftsführers in unmittelbaren Zusammenhang stehen.34) Ist der Geschäftsführer zugleich Gesellschafter, ist er nicht vom Stimm_____________ 27) Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 46 Rn. 90; Wicke, GmbHG, § 46 Rn. 12. 28) Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 46 Rn. 89. 29) Zustimmungserfordernis ebenfalls bejahend: Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 46 Rn. 20; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 46 Rn. 23 ff; Bormann/Kauka/OckelmannKoch, Hdb. GmbHR, Kap. 6 Rn. 75; Mayer, DNotZ 2008, 403, 426; KG Berlin, NZG 2000, 787 = GmbHR 2000, 1154 (LS) – zur Rechtslage vor MoMiG; a. A. Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140 S. 45; Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 46 Rn. 86, 90; Wicke, GmbHG, § 46 Rn. 12. 30) OLG Hamm, DStR 2014, 13 = ZInsO 2014, 2452. 31) BGH, ZIP 2000, 1442, 1443 = DB 2000, 1807 = GmbHR 2000, 876 m. Anm. Haase, dazu EWiR 2001, 119 (Günther). 32) BGH, ZIP 1991, 580, 582 = DB 1991, 1065 = GmbHR 1991, 363, dazu EWiR 1991, 583 (Riegger). 33) BGH, ZIP 2013, 971 = DB 2013, 1102, dazu EWiR 2013, 371 (Nolting); BGH, ZIP 1991, 580, 582 = DB 1991, 1065 = GmbHR 1991, 363, dazu EWiR 1991, 583 (Riegger); BGH, ZIP 1998, 332, 333 = DB 1998, 465 = GmbHR 1998, 278; Harbarth, BB 2015, 707 ff. 34) OLG Naumburg, ZIP 2014, 1735, 1736. Die Änderung des Dienstverhältnisses eines abberufenen Geschäftsführers fällt erst dann unter die Geschäftsführungs- und Vertretungskompetenz des (neuen) Geschäftsführers, wenn sich das ursprüngliche Geschäftsführerdienstverhältnis nach der Abberufung in ein gewöhnliches Anstellungsverhältnis umgewandelt hat, vgl. BGH, NZG 2018, 1073 = DStR 2018, 1929.

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§ 46

Aufgabenkreis der Gesellschafter

recht ausgeschlossen, solange nicht seine Abberufung oder Kündigung aus wichtigem Grund in Frage steht.35) Bestellung und Abberufung eines Geschäftsführers bedürfen einer gesonderten Erklärung gegenüber der betroffenen Person, falls diese bei der Beschlussfassung nicht anwesend ist; die Bestellung hängt ferner von der Zustimmung des zukünftigen Geschäftsführers ab. Die Gesellschaft wird gegenüber dem Geschäftsführer durch die Gesellschaftergesamtheit (Gesellschafterversammlung) vertreten,36) welche jedoch einzelne Gesellschafter oder Geschäftsführer als Boten oder Bevollmächtigte einsetzen kann.

21

b) Entlastung Die Gesellschafterversammlung entscheidet nach Nummer 5 Alt. 2 auch über die Entlastung der Geschäftsführer. Gesellschafter-Geschäftsführer sind – soweit es um ihre Entlastung geht – gemäß § 47 Abs. 4 Satz 1 vom Stimmrecht ausgeschlossen.

22

Mit der Entlastung stimmt die Gesellschafterversammlung in erster Linie der Geschäftsführung des zu Entlastenden in dem in Frage stehenden Zeitraum, regelmäßig dem vergangenen Geschäftsjahr, zu. Damit verbunden ist – zumindest faktisch – ein Vertrauensausspruch für die Zukunft. Anders als im Aktienrecht hat die Entlastung des Geschäftsführers auch zur Folge, dass die Gesellschaft mit sämtlichen Ersatzansprüchen und/oder Kündigungsrechten infolge von Handlungen, die der Gesellschafterversammlung bei sorgfältiger Prüfung aller Vorlagen und Berichte bekannt sein mussten, ausgeschlossen ist, soweit dem nicht zwingendes Recht entgegensteht (vgl. § 43 Abs. 3, § 9b Abs. 1). Gleiches gilt für Sachverhalte, von welchen alle Gesellschafter privat Kenntnis erhalten haben.37) Die Entscheidung über die Entlastung des Geschäftsführers einer GmbH ist treuwidrig, wenn sie zu einem Zeitpunkt erzwungen wird, zu dem die Gesellschafter zwar von der Pflichtverletzung erfahren haben, aber noch nicht in der Lage sind zu beurteilen, ob der Gesellschaft Schaden zugefügt wurde, und sie nur dazu dient, den Geschäftsführer der Verantwortung für sein Verhalten zu entziehen und eine weitere Untersuchung zu verhindern.38)

23

8.

Prüfung und Überwachung der Geschäftsführer (Nr. 6)

Nach Nummer 6 entscheidet die Gesellschafterversammlung über Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung. Diese können bspw. bestehen in der Einführung von regelmäßigen Berichtspflichten, der Durchführung von Abschlussoder Sonderprüfungen39) etc. Die Individualrechte nach § 51a bleiben hiervon unberührt. _____________ 35) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 46 Rn. 60; Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 46 Rn. 117; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 84 f. 36) BGH, ZIP 1991, 580, 582 = DB 1991, 1065 = GmbHR 1991, 363, dazu EWiR 1991, 583 (Riegger); Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 46 Rn. 103. 37) BGH, ZIP 2003, 945, 946 = NJW-RR 2003, 895 = GmbHR 2003, 712, dazu EWiR 2004, 443 (Sinewe). 38) BGH, ZIP 2009, 2195, 2198 = WM 2009, 2131 = GmbHR 2009, 1327 m. Anm. Münnich. 39) OLG München, BeckRS 2017, 135180, dazu EWiR 2018, 197 (Bochmann/Becker).

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§ 46 9.

Aufgabenkreis der Gesellschafter

Bestellung von Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten (Nr. 7)

25

Für die Bestellung von Prokuristen (§ 48 HGB) oder Handlungsbevollmächtigten zum gesamten Geschäftsbetrieb (§ 54 HGB) bedarf die Geschäftsführung eines zustimmenden Gesellschafterbeschlusses (zur Frage eines etwaigen Stimmrechtsausschlusses eines betroffenen Gesellschafters nach § 47 Abs. 4 siehe Rn. 57 [Casper]).40) Anderes gilt für den Widerruf einer Prokura oder Handlungsvollmacht sowie für den Abschluss von Arbeitsverträgen mit den betroffenen Personen.41)

26

Im Außenverhältnis wird die Erteilung einer Prokura oder einer Handlungsvollmacht vorbehaltlich der Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht auch dann wirksam, wenn die Beschlussfassung im Innenverhältnis nicht erfolgt ist. 10. Ersatzansprüche und Prozessvertretung (Nr. 8) a) Ersatzansprüche

27

Die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter überlässt das GmbHG nicht der Geschäftsführung, sondern macht diese von einem entsprechenden Gesellschafterbeschluss abhängig. Dies beruht auf der Erwägung, dass die Durchsetzung derartiger Ansprüche regelmäßig die Offenlegung von Gesellschaftsinterna erfordert.42) Hinzu kommt, dass ein konstruktives Miteinander zwischen den Beteiligten, welches für das Fortkommen der Gesellschaft bei einer GmbH typischerweise von wesentlich größerer Bedeutung als bei einer Aktiengesellschaft ist, unter der Geltendmachung von Ersatzansprüchen häufig stark leidet. Bei der GmbH gilt es daher in besonderem Maße, die Vorteile der Durchsetzung von Ersatzansprüchen gegen die eventuell damit verbundenen Nachteile abzuwägen.

28

Über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen entscheidet die Gesellschafterversammlung vorbehaltlich abweichender Regelung mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen.43) Der Gesellschafterbeschluss muss das vorgeworfene Fehlverhalten bzw. die den Anspruch begründenden Tatsachen hinreichend genau umreißen. Fehlt es an einem entsprechenden Beschluss und wird dieser auch nicht im Laufe des Prozesses nachgeholt, ist die Klage wegen Fehlens einer materiellen Anspruchsvoraussetzung als unbegründet (nicht nur als unzulässig) abzuweisen.44) Ein Beschluss ist in der Zwei-Mann-GmbH allerdings entbehrlich, wenn die GmbH bei einer Klage gegen einen Gesellschafter-Geschäftsführer vom Mitgesellschafter-Geschäftsführer vertreten wird, weil die Beschlussfassung hier auf eine reine Förmelei hinausliefe.45) _____________ 40) OLG München, ZIP 2017, 1467. 41) Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 46 Rn. 219; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 123, 133; Wicke, GmbHG, § 46 Rn. 18. 42) BGHZ 28, 355, 357 = NJW 1959, 194 = GmbHR 1959, 48; BGH, ZIP 2004, 1708, 1710 = DB 2004, 2417 = NZG 2004, 962, 964. 43) In zweigliedrigen Gesellschaften kann ausnahmsweise auch der Mitgesellschafter Klage auf Leistung an die Gesellschaft erheben, BGH, ZIP 2005, 320, 321 = GmbHR 2005, 301 = DB 2005, 331. 44) BGH, ZIP 2004, 1708, 1710 = DB 2004, 2417 = NZG 2004, 962. 45) OLG Düsseldorf, DStR 2012, 1350 = BeckRS 2012, 09864.

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§ 46

Aufgabenkreis der Gesellschafter

Den Gesellschaftern steht bei der Entscheidung, ob ein Anspruch geltend gemacht werden soll oder nicht, ein Ermessen zu.46) Die Gesellschafter sind bei der Entscheidung jedoch zugleich an ihre gesellschafterliche Treupflicht gebunden. Der betroffene Gesellschafter hat bei der Beschlussfassung nach § 47 Abs. 4 kein Stimmrecht. In der Insolvenz der Gesellschaft sowie bei masseloser Liquidation entfällt das Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses;47) ebenso für den Fall, dass sich ein Gesellschaftsgläubiger etwaige Ersatzansprüche gegen einen Gesellschafter oder Geschäftsführer im Wege der Zwangsvollstreckung überweisen ließ.

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aa) Sachliche Reichweite Der Wortlaut der Regelung zielt in erster Linie auf Ansprüche gemäß § 9a aus der Gründung der Gesellschaft sowie auf Schadensersatzansprüche gegen Geschäftsführer aus § 43 Abs. 2. Die Entscheidungskompetenz der Gesellschafterversammlung nach Nummer 8 Alt. 1 umfasst nach ihrem Sinn und Zweck darüber hinaus jedoch jedweden Anspruch im Zusammenhang mit der Gründung oder der Geschäftsführung gegen die Geschäftsführer oder Gesellschafter, seien sie vertraglicher oder gesetzlicher Natur, seien sie auf Zahlung, sonstige Leistung, Unterlassung oder (nur) Feststellung gerichtet.48) Sie umfasst über den Wortlaut hinaus nicht nur die Frage der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen (mit Ausnahme im Bereich des einstweiligen Rechtsschutzes),49) sondern auch die außergerichtliche Geltendmachung sowie Erlass, Vergleich oder Stundung.50)

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Keine Anwendung findet die Vorschrift auf Ansprüche, die der GmbH gegen den Geschäftsführer oder Gesellschafter als außenstehendem Dritten zustehen (Drittgeschäfte)51) oder bei welchen kein Zusammenhang mit der Gründung oder der Geschäftsführung besteht.52) Auch ist § 46 Nr. 8 nicht entsprechend auf die Geltendmachung von Ersatzansprüchen durch eine GmbH & Co. KG gegen die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH anzuwenden.53) Eine Streitverkündung gegenüber einem Geschäftsführer (§ 72 ZPO) in einem Rechtsstreit mit einem Dritten kann ohne Gesellschafterbeschluss nach § 46 Nr. 8 GmbHG bewirkt werden.54)

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bb) Persönliche Reichweite In persönlicher Hinsicht erfasst die Regelung vor allem Ansprüche gegen Geschäftsführer. Darüber hinaus gilt sie jedoch auch für Ansprüche gegen Gesellschafter _____________ 46) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 155; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 46 Rn. 39. 47) BGH, ZIP 2004, 1708, 1710 = DB 2004, 2417 = NZG 2004, 962. 48) Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 46 Rn. 232; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 46 Rn. 58. 49) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Römermann, GmbHG, § 46 Rn. 430 ff. 50) Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 46 Rn. 244; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtRömermann, GmbHG, § 46 Rn. 433; Ring/Grziwotz-Krause, GmbH-Recht, § 46 Rn. 25. 51) BGH, ZIP 2000, 2164, 2165 = DB 2000, 2422 = GmbHR 2000, 1258. 52) OLG München, GmbHR 2018, 196, 197 f. 53) BGHZ 197, 304 = ZIP 2013, 1712, 1714, dazu EWiR 2013, 775 (Weipert); BGHZ 76, 326, 338 = ZIP 1980, 361; zweifelnd Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 46 Rn.59. 54) Vgl. dazu Horn, GmbHR 2017, 1024 ff.

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§ 46

Aufgabenkreis der Gesellschafter

sowie für Ansprüche gegen Aufsichtsrats- oder Beiratsmitglieder.55) Die Ansprüche müssen allerdings stets aus der Gründung oder im Zusammenhang mit der Geschäftsführung erwachsen sein. Die Vorschrift gilt auch, wenn die betroffenen Personen zwischenzeitlich als Geschäftsführer oder Gesellschafter ausgeschieden sind.56) b) Prozessvertretung 33

Nach Nummer 8 Alt. 2 unterliegt die Vertretung der Gesellschaft in Prozessen mit Geschäftsführern der Bestimmung durch die Gesellschafter. Hierdurch soll eine unbefangene und engagierte Vertretung der GmbH sichergestellt werden. Dies gilt sowohl in Aktiv- wie auch in Passivprozessen und unabhängig davon, welchen Streitgegenstand die Verfahren haben.57) Insbesondere findet Nummer 8 Alt. 2 nicht nur Anwendung im Hinblick auf die Geltendmachung von Ersatzansprüchen. Unerheblich ist auch, ob der Geschäftsführer gerade in dieser Funktion klagt oder verklagt wird; entscheidend ist allein, dass er Prozessgegner der Gesellschaft ist. Die Vorschrift gilt auch für Prozesse mit ausgeschiedenen Geschäftsführern.58) Sie gilt grundsätzlich nicht für Prozesse mit Gesellschaftern.59) Sie gilt auch nicht, wenn die Gesellschaft über einen obligatorischen oder fakultativen Aufsichtsrat verfügt; in diesem Fall wird die Gesellschaft vom Aufsichtsrat vertreten.60)

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Ob im Anwendungsbereich der Nummer 8 Alt. 2 die Vertretungsmacht der Geschäftsführer der GmbH ipso iure entfällt, oder ob dies nur und erst dann der Fall ist, wenn die Gesellschafter nach Nummer 8 Alt. 2 beschlossen haben, die Prozess_____________ 55) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 46 Rn. 103; Baumbach/HueckZöllner/Noack, GmbHG, § 46 Rn. 59. 56) BGHZ 28, 355, 357 = NJW 1959, 194 = GmbHR 1959, 48; BGH, ZIP 2004, 1708, 1710 = NZG 2004, 962; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Römermann, GmbHG, § 46 Rn. 412; Wicke, GmbHG, § 46 Rn. 19. 57) BGHZ 116, 353, 355 = ZIP 1992, 171, 172 = NJW 1992, 977; ZIP 2012, 824, 824 f = NJW 2012, 1656, dazu EWiR 2012, 377 (Nolting); Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/ Schürnbrand, GmbHG, § 46 Rn. 120; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 46 Rn. 81. 58) BGHZ 28, 355, 357 = NJW 1959, 194 = GmbHR 1959, 48; BGH, ZIP 2008, 117 = GmbHR 2008, 144 = NZG 2008, 104; BGH, ZIP 2012, 824 = NJW 2012, 1656, dazu EWiR 2012, 377 (Nolting); Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 46 Rn. 270; Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt-Römermann, GmbHG, § 46 Rn. 485; a. A. OLG Brandenburg, NJW-RR 1998, 1196, 1197 = DB 1998, 1022 = GmbHR 1998, 599; OLG Karlsruhe, NZG 2011, 987 = WM 2011, 1856 = GmbHR 2011, 535; Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/ Schürnbrand, GmbHG, § 46 Rn. 119; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 46 Rn. 84; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 46 Rn. 67. 59) Anderes gilt, wenn in dem Prozess eine Pflichtverletzung eine Rolle spielt, die ein Gesellschafter gemeinsam mit den Geschäftsführern begangen haben soll, BGHZ 116, 353, 355 = ZIP 1992, 171 = NJW 1992, 977, dazu EWiR 1992, 571 (Zimmermann); Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 46 Rn. 271; weitergehend alle Prozesse gegen Gesellschafter einbeziehend OLG München, GmbHR 2017, 476; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 46 Rn. 44; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 170; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 46 Rn. 84. 60) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 46 Rn. 119; differenzierend Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 46 Rn. 264 f, der die Möglichkeit abweichender Satzungsbestimmung bei fakulativem Aufsichtsrat anerkennt; Baumbach/Hueck-Zöllner/ Noack, GmbHG, § 46 Rn. 69.

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§ 46

Aufgabenkreis der Gesellschafter

vertretung anderweitig zu regeln, ist umstritten. Teilweise61) wird vertreten, dass die Vertretungsmacht der Geschäftsführer jedenfalls im Anwendungsbereich von Nummer 5 (Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern) automatisch entfällt und die Gesellschaft durch die Gesellschafter vertreten wird, solange die Gesellschafterversammlung nicht – zumindest konkludent62) – von der Befugnis nach Nummer 8 Alt. 2 Gebrauch macht, einen anderen Vertreter zu bestellen. Nach überwiegender und vom Bundesgerichtshof bestätigter Auffassung63) besteht hingegen im Interesse der Funktionsfähigkeit der GmbH die Vertretungsmacht etwaiger anderer Geschäftsführer fort und endet nur falls und erst dann, wenn ein Beschluss nach Nummer 8 Alt. 2 gefasst wird. Fehlt es an einem weiteren Geschäftsführer, ist die Gesellschaft nach dieser Auffassung zunächst handlungs- und prozessunfähig; es komme die Bestellung eines Notgeschäftsführers nach § 29 BGB (Aktivprozess der GmbH) oder eines Prozesspflegers nach § 57 ZPO (Passivprozess der GmbH) in Betracht.64) Der letztgenannten, h. A. ist zuzustimmen. Sie hat den Vorzug, dass sie die Gesellschafterversammlung nicht zu einer Beschlussfassung nach § 46 Nr. 8 Alt. 2 zwingt und trägt daher der in der Praxis verbreiteten Erwartungshaltung Rechnung, dass es einer Beschlussfassung nicht bedürfe, wenn nicht von dem Prozess betroffene Geschäftsführer vorhanden sind, die das Vertrauen der Gesellschafter genießen.

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Zwingend ist danach allerdings eine Beschlussfassung nach § 46 Nr. 8 Alt. 2 bei einem Aktivprozess der GmbH, wenn ein Prozess gegen den einzigen Geschäftsführer oder gegen alle vorhandenen Geschäftsführer geführt werden soll.65) Entsprechendes gilt, wenn zwar ein Geschäftsführer vorhanden ist, der nicht verklagt werden soll, welcher jedoch nicht einzelvertretungsberechtigt ist.66) Andernfalls hätte die GmbH keinen Vertreter, der nicht zum Kreis der Beklagten gehört. Bei einem Passivprozess der GmbH kann der klagende Geschäftsführer die Klagezustellung bei einem anderen Geschäftsführer bewirken, auch wenn dieser nicht einzelvertretungsberechtigt ist (§ 170 Abs. 3 ZPO). Ist ein anderer Geschäftsführer nicht vorhanden, kann der Geschäftsführer seine Klage bei einem der Gesellschafter zustellen lassen (§ 35 Abs. 1 Satz 2). Es obliegt in diesen Fällen den Gesellschaftern ggf. eine ord-

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_____________ 61) BGH, DStR 1993, 843; OLG Oldenburg, GmbHR 2010, 258; OLG Karlsruhe, NZG 2011, 987 = WM 2011, 1856 = GmbHR 2011, 535; Goette, DStR 1993, 843 f (Urteilsanm.). 62) BGH, DStR 1993, 843, 844 m. Anm. Goette; OLG Karlsruhe, NZG 2011, 987 = WM 2011, 1856 = GmbHR 2011, 535. 63) BGH, ZIP 1992, 760, 761 = GmbHR 1992, 299 = WM 1992, 731, dazu EWiR 1992, 1001 (Bork); BGH, ZIP 2012, 824 f = NJW 2012, 1656, dazu EWiR 2012, 377 (Nolting); BGH ZIP 2016, 2413 = GmbHR 2016, 1035 = GWR 2016, 404 (Weitnauer); Ulmer/Habersack/ Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 46 Rn. 124; Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, 2. Aufl. 2016, § 46 Rn. 288; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 164; Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt-Römermann, GmbHG, § 46 Rn. 522; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 46 Rn. 42; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 46 Rn. 68; Lutz, NZG 2015, 424, 425 f. 64) Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 46 Rn. 286; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtRömermann, GmbHG, § 46 Rn. 523 f. 65) Henssler/Strohn-Mollenkopf, GesR, § 46 Rn. 46; Lutz, NZG 2015, 424, 426 f. 66) Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 46 Rn. 263; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 168.

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§ 47

Abstimmung

nungsgemäße Vertretung der GmbH durch Beschlussfassung nach § 46 Nr. 8 Alt. 2 herbeizuführen. 37

Zum besonderen Vertreter können sowohl Gesellschafter, als auch Geschäftsführer und Dritte bestellt werden. Sie haben im Hinblick auf den in Frage stehenden Prozess die Stellung eines organschaftlichen Vertreters. Geschäftsführer, die nicht zu besonderen Vertretern bestellt worden sind, können in diesen Prozessen als Zeugen auftreten.67)

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Ist der (ggf. ausgeschiedene) Geschäftsführer zugleich Gesellschafter der Gesellschaft, unterliegt er nach einhelliger Auffassung einem Stimmverbot.68) Zu der Gesellschafterversammlung, die über die Prozessvertretung beschließt, ist er dennoch zu laden. Ein Gesellschafter, der zum besonderen Vertreter bestellt werden soll, ist demgegenüber nicht vom Stimmrecht ausgeschlossen. _____________ 67) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 173; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 46 Rn. 86. 68) BGHZ 97, 28, 33 f = ZIP 1986, 429 = NJW 1986, 2051, dazu EWiR 1986, 371 (Hommelhoff); Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 46 Rn. 44, § 47 Rn. 45, 47; Klose, GmbHR 2010, 1139, 1140.

§ 47 Abstimmung Matthias Casper

(1) Die von den Gesellschaftern in den Angelegenheiten der Gesellschaft zu treffenden Bestimmungen erfolgen durch Beschlussfassung nach der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. (2) Jeder Euro eines Geschäftsanteils gewährt eine Stimme. (3) Vollmachten bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Textform. (4) 1Ein Gesellschafter, welcher durch die Beschlussfassung entlastet oder von einer Verbindlichkeit befreit werden soll, hat hierbei kein Stimmrecht und darf ein solches auch nicht für andere ausüben. 2Dasselbe gilt von einer Beschlussfassung, welche die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegenüber einem Gesellschafter betrifft. Literatur: Armbrüster, Zur uneinheitlichen Stimmrechtsausübung im Gesellschaftsrecht, in: Festschrift für Gerold Bezzenberger, 2000, S. 3; Bacher, Die Abdingbarkeit des Stimmverbots nach § 47 Abs. 4 GmbHG in der Satzung, GmbHR 2001, 133; Bartholomeyczik, Der Körperschaftsbeschluß als Rechtsgeschäft, ZHR 105 (1938) 293; Baums, Der unwirksame Hauptversammlungsbeschluß, ZHR 142 (1978) 582; Bayer, Schiedsfähigkeit von GmbH-Streitigkeiten, ZIP 2003, 881; Bayer, Zum Stimmverbot des Betroffenen bei Beschlussfassungen „aus wichtigem Grund“, GmbHR 2017, 665; Bayer/Lieder, Das aktienrechtliche Freigabeverfahren für die GmbH, NZG 2011, 1170; Beck, Stimmverbot des herrschenden Gesellschafters bei Kündigung eines Unternehmensvertrags, GmbHR 2012, 777; Berner/Stadler, Die uneinheitliche Stimmabgabe beim GmbH-Geschäftsanteil – Gesetzesverstoß oder sinnvolles, gleichermaßen auch zulässiges Gestaltungsmittel?, GmbHR 2003, 1407; Betz, Die Heilung nichtiger Hauptversammlungsbeschlüsse durch Eintragung und Fristablauf, 2014; Casper, Der stimmlose Beschluss, in: Festschrift für Uwe Hüffer,

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§ 47

Abstimmung

2010, S. 111; Casper, Das Anfechtungsklageerfordernis im GmbH-Beschlußmängelrecht, ZHR 163 (1999) 54; Casper/Risse, Mediation von Beschlussmängelstreitigkeiten, ZIP 2000, 437; Dendorfer/Krebs, Konfliktlösung durch Mediation bei Gesellschafterstreitigkeiten, MittBayNot 2008, 85; Emde, Restitutionsansprüche nach Heilung gemäß § 242 Abs. 2 AktG, ZIP 2000, 1753; Ensenbach, Das Stimmrechtsverbot des Gesellschafters bei seiner Abberufung als GF aus wichtigem Grund, GmbHR 2016, 8 ff; Fleck, Stimmrechtsabspaltung in der GmbH?, in: Festschrift für Robert Fischer, 1979, S. 107; Fleischer, Das Beschlussmängelrecht in der GmbH, GmbHR 2013, 1289; Geißler, Einstweiliger Rechtsschutz gegen die Registersperre bei eintragungspflichtigen Gesellschafterbeschlüssen, GmbHR 2008, 128; v. Gerkan, Gesellschafterbeschlüsse, Ausübung des Stimmrechts und einstweiliger Rechtsschutz, ZGR 1985, 167; Goette, Zur entsprechenden Anwendung des § 242 Abs. 2 AktG im GmbH-Recht, in: Festschrift für Volker Röhricht, 2005, S. 115; Goette, „Nichtbefassungsbeschluss“ und § 50 GmbHG, in: Festschrift für Peter Ulmer, 2003, S. 129; Goette, Satzungsdurchbrechung und Beschlußanfechtung, in: Henze/Timm/ Westermann (Hrsg.), 1995, S. 113; Grohmann, Stimmrechtsausschluss bei der Ein-Personen-GmbH, GmbHR 2008, 1255; Habersack, Grenzen der Mehrheitsherrschaft in Stimmrechtskonsortien, ZHR 164 (2000) 1; Hachenburg, Aus dem Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, LZ 1907, 460; Harbarth, Freigabeverfahren für strukturändernde Gesellschafterbeschlüsse in der GmbH, GmbHR 2005, 966; Heckschen/Strnad, Kompetenzkonflikt zwischen Testamentsvollstreckung und Erben, NZG 2014, 1201; Hoffmann/ Becking, Der Einfluß schuldrechtlicher Gesellschaftervereinbarungen auf die Rechtsbeziehungen in der Kapitalgesellschaft, ZGR 1994, 442; Hoffmann/Köster, Beschlussfeststellung und Anfechtungsklageerfordernis im GmbH-Recht, GmbHR 2003, 1327; Hueck, Mangelhafte Gesellschafterbeschlüsse bei der GmbH, in: Festschrift für Erich Molitor, 1962, S. 401; Hügel/Klepsch, Entlassung und Stimmverbot bei Personenidentität im Konzern, NZG 2005, 905; Immenga/Werner, Der Stimmrechtsausschluss eines GmbH-Gesellschafters, GmbHR 1976, 53; Jäger, Der Betreuer als gesetzlicher Vertreter des GesellschafterGeschäftsführers und des Gesellschafters, DStR 1996, 108; Kindl, Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung über aktienrechtliche Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage, ZGR 2000, 165; Klose, Die Vertretung einer Zweipersonen-GmbH bei Gesellschafterstreitigkeiten, GmbHR 2010, 1139; Lehmann, Mediation in Beschlussmängelstreitigkeiten, 2013; Messer, Der Widerruf der Stimmabgabe, in: Festschrift für Hans-Joachim Fleck, 1988, S. 221; Meuer, Keine Übertragbarkeit des aktienrechtlichen Freigabeverfahrens (§ 246a AktG) auf die GmbH, GmbHR 2013, 729; Mock, Die Heilung fehlerhafter Rechtsgeschäfte, 2014; Müller, GmbH-Beschlussmängelstreitigkeiten im Schiedsverfahren, GmbHR 2010, 729; Nietsch, Stimmlosigkeit im Recht fehlerhafter Beschlüsse, WM 2007, 917; Nolting, Rechtskrafterstreckung von Schiedssprüchen zu Beschlussmängeln im GmbH-Recht, GmbHR 2011, 1017; Nietsch, Einstweiliger Rechtsschutz bei Beschlussfassung in der GmbH-Gesellschafterversammlung, GmbHR 2006, 393; Nolting, Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten bei der GmbH, SchiedsVZ 2011, 319; Nolting, Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten, NotBZ 2009, 241; Peters/Strothmann, Der Stimmrechtsausschluss gemäß § 47 Abs. 4 GmbHG, in: Festschrift für Wienand Meilicke, 2011, S. 511; Priester, Stimmrechtsausschlüsse und Satzungsregelungen, GmbHR 2013, 225; Priester, Gespaltene Stimmabgabe bei der GmbH, in: Festschrift Willi Weichler, 1997, S. 101; Raiser, Anwendbarkeit der Beschlussmängelvorschriften des UMAG und des ARUG auf die GmbH?, in: Festschrift für Uwe Hüffer, 2010, S. 789; Raiser, Die Einrede der Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen in der GmbH, in: Festschrift für Theodor Heinsius, 1991, S. 645; Reichert/Harbarth, Statutarische Schiedsklauseln: Einführung, Aufhebung und umwandlungsrechtliche Behandlung, NZG 2003, 379; Saenger/Splittgerber, Gesellschafterstreitigkeiten im Kapitalgesellschaftsrecht – Zur Perspektive der schiedsgerichtlichen Streitbeilegung, DZWIR 2010, 177; Sauerbruch, Kein Freigabeverfahren für strukturändernde Gesellschafterbeschlüsse in der GmbH, GmbHR 2007, 189; C. Schäfer, Zur angemessenen Verteilung der Prozesskosten bei Beschlussmängelstreitigkeiten im GmbH-Recht, in: Festschrift für Wulff Goette, 2011, S. 443; C. Schäfer, Antragsrecht und

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§ 47

Abstimmung

Bescheidungsanspruch des GmbH-Gesellschafters, ZHR 167 (2003) 66; C. Schäfer, Stimmrechtslose Anteile in der GmbH, GmbHR 1998, 113; Schauf, Die (un-)einheitliche Stimmausübung in der Gesellschaftersversammlung im Falle einer Treuhandkonstruktion, GmbHR 2015, 799; K. Schmidt, Stimmrechtsvollmachten bei der GmbH oder GmbH & Co.: ein Formproblem?, GmbHR, 2013, 1177; M. Schlüter, „Schiedsfähigkeit III – Ein Schritt in Richtung eines neuen Rechts der Beschlussmängelstreitigkeiten?, DZWIR 2018, 251 ff; K. Schmidt, Organverantwortlichkeit und Sanierung im Insolvenzrecht der Unternehmen, ZIP 1980, 328; K. Schmidt, Fehlerhafte Beschlüsse in Gesellschaften und Vereinen, AG 1977, 205; Schön, Der Nießbrauch am Gesellschaftsanteil, ZHR 158 (1994) 229; Schwedt/Lilja/ Schaper, Schiedsfähigkeiten von Beschlussmängelstreitigkeiten: Die neuen ergänzenden Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten der DIS, NZG 2009, 1281; Semler/Asmus, Der stimmlose Beschluss, NZG 2004, 881; Theißen, Die „verdrängende“ Stimmrechtsausübung in der GmbH – Rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten einer Bündelung der Stimmrechtsausübung auf einzelne Gesellschafter, DB 1993, 469; Thöni, Die Beschlußmängelfolge der Unwirksamkeit im Kapitalgesellschaftsrecht, GesRZ 1995, 73; Ulmer, Zur Treuhand an GmbH-Anteilen, in: Festschrift für Walter Odersky, 1996, S. 873; Ulmer, Verletzung schuldrechtlicher Nebenabreden als Anfechtungsgrund im GmbH-Recht?, NJW 1987, 1849; Villeda, Stimmrechtsausschluss nach § 136 AktG und § 47 GmbHG für Drittgesellschaften, ihre Organmitglieder und Gesellschafter, AG 2013, 57; Versin, Zur Schiedsfähigkeit von GmbH-Beschlussmängelstreitigkeiten, GmbHR 2015, 969; Werner, Das Beschlussfeststellungsrecht des Versammlungsleiters, GmbHR 2003, 127; M. Winter, Die Anfechtung eintragungsbedürftiger Strukturbeschlüsse de lege lata und de lege ferenda, in: Festschrift für Peter Ulmer, 2003, S. 699; M. Winter, Organisationsrechtliche Sanktionen bei Verletzung schuldrechtlicher Gesellschaftervereinbarungen, ZHR 154 (1990) 259; Witte/ Hafner, Schiedsfähigkeiten von Beschlussmängelstreitigkeiten im Recht der GmbH am Maßstab der neuen BGH-Rechtsprechung und ihre Auswirkungen, DStR 2009, 2052; Zöllner, Zu Schranken und Wirkung von Stimmbindungsverträgen, insbesondere bei der GmbH, ZHR 155 (1991) 168; Zöllner/Noack, Geltendmachung von Beschlussmängeln im GmbH-Recht, ZGR 1989, 525; Zutt, Einstweiliger Rechtsschutz bei Stimmbindungen, ZHR 155 (1991) 190. Übersicht I.

Regelungsgehalt und Normzweck, Gang der Kommentierung ................. 1 II. Beschluss der Gesellschafter (Abs. 1) .................................................. 3 1. Begriff und Rechtsnatur ....................... 3 2. Tatbestand eines Beschlusses ............... 4 3. Wirkungen des Beschlusses .................. 6 4. Zustandekommen des Beschlusses ...... 7 a) Beschlussantrag und Bescheidungsanspruch ............................... 7 b) Abstimmung ................................. 10 c) Mehrheitserfordernisse ................ 11 d) Ergebnisfeststellung und -verkündung ................................. 12 e) Protokollierung, Form, zusätzliche Wirksamkeitserfordernisse .............................................. 14 5. Aufhebung und Änderung von Beschlüssen .......................................... 15 III. Stimmrecht (noch Abs. 1) ................. 16 1. Begriff und Rechtsnatur ..................... 16 2. Trägerschaft des Stimmrechts ............ 17 3. Stimmrechtslose Anteile ..................... 21 4. Stimmpflicht und Stimmbindung ...... 22

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a) Grundsatz der freien Stimmausübung und Stimmrechtsschranken ...................................... 22 b) Stimmpflichten aus dem Gesellschaftsverhältnis ................ 23 IV. Umfang des Stimmrechts (Stimmkraft, Abs. 2) .......................... 31 V. Ausübung des Stimmrechts, Stimmrechtsvollmacht (Abs. 3) ....... 33 1. Überblick ............................................. 33 2. Stimmrechtsausübung durch gesetzliche Vertreter und Betreuer .... 34 3. Stimmrechtsausübung durch Bevollmächtigte (Abs. 3) .................... 35 a) Grundsatz und Zulässigkeit ........ 35 b) Erteilung und Widerruf ............... 37 c) Person des Bevollmächtigten ...... 38 d) Mehrere Bevollmächtigte ............. 40 4. Stimmrechtsausübung durch Vertreter ohne Vertretungsmacht ...... 41 VI. Stimmrechtsausschluss wegen Interessenkollision (Abs. 4) .............. 42 1. Überblick und Normzweck ................ 42 2. Abdingbarkeit in der Satzung ............. 45

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§ 47

Abstimmung Subjektiver Anwendungsbereich und Umgehungsschutz ....................... 4. Objektiver Anwendungsbereich (Einzelfälle) ......................................... a) Entlastung .................................... b) Befreiung von einer Verbindlichkeit .......................................... c) Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits ....................... d) Vornahme eines Rechtsgeschäfts ....................................... 5. Rechtsfolgen ........................................ VII. Mangelhafte Beschlüsse .................... 1. Regelungslücke und Analogie der aktienrechtlichen Regelungen ............

2.

3.

I.

46 3. 50 50 52

4.

53 54 60 62 5. 62

Arten mangelhafter Beschlüsse (Überblick) .......................................... 66 Nichtigkeit von Beschlüssen .............. 69 a) Nichtigkeitsgründe ...................... 69 b) Nichtigkeitsklage ......................... 71 c) Heilung analog § 242 AktG ........ 73 Anfechtbarkeit ..................................... 74 a) Anfechtungsgründe ..................... 74 b) Beseitigung der Anfechtbarkeit durch Bestätigung ........................ 78 c) Anfechtungsbefugnis ................... 79 d) Anfechtungsfrist .......................... 81 e) Anfechtungsprozess .................... 82 Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten ............................ 83

Regelungsgehalt und Normzweck, Gang der Kommentierung

Regelungsgegenstand des § 47 ist der Beschluss (zum Begriff siehe Rn. 3) der Gesellschafter und die ihn legitimierende Abstimmung. Die Norm steht im Kontext des Zuständigkeitskatalogs des § 46, auf den § 47 Abs. 1 mit der Wendung „in den Angelegenheiten der Gesellschaft“ Bezug nimmt, sowie mit § 48, der sich mit dem Verfahren bei der Abstimmung befasst und Sonderregelungen für die Einpersonengesellschaft enthält (siehe § 48 Rn. 18 ff [Masuch]). Absatz 1 enthält ein Bekenntnis zum Mehrheitsprinzip. Dessen Ausgestaltung regelt die Norm nur ansatzweise. Absatz 2, der durch das MoMiG an die liberalisierten Vorgaben in §§ 5, 14 angepasst wurde, bestimmt den Umfang des Stimmrechts nach der Kapitalbeteiligung, also der Stimmkraft (zum Begriff siehe Rn. 31). Mit der Zulassung von Vollmachten zur Stimmrechtsausübung in Textform regelt Absatz 3 einen Teilaspekt der Stimmrechtsausübung. Absatz 4 regelt schließlich den Stimmrechtsausschluss aufgrund von Selbstbetroffenheit. Das Recht fehlerhafter Beschlüsse (Beschlussmängelrecht) ist im GmbH-Gesetz nicht geregelt. Die ganz überwiegende Meinung, insbesondere die ständige Rechtsprechung, wendet die aktienrechtlichen Vorschriften (§§ 241 ff AktG) zumindest auf Mehrpersonengesellschaften analog an. Dabei wird nur in geringem Umfang auf die Besonderheiten der in aller Regel personalistisch strukturierten GmbH Rücksicht genommen, etwa bei der Anfechtungsfrist (siehe Rn. 81) und -befugnis (siehe Rn. 79 f) oder bei der Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten (siehe Rn. 83 ff).

1

Die Aufgabe dieser Kommentierung besteht aufgrund des begrenzten Raums in erster Linie darin, einen gerafften Überblick über die Beschlussfassung, das Stimmrecht und die Stimmabgabe sowie die Stimmkraft und den Stimmrechtsausschluss zu geben. Im Anschluss soll im Zusammenhang mit dem Beschlussmängelrecht zunächst die Tragfähigkeit der von der überwiegenden Auffassung vorgenommenen Übertragung der aktienrechtlichen Regeln zu Beschlussmängeln überprüft werden. Sodann ist nach möglichen Besonderheiten bei der analogen Anwendung der §§ 241 ff AktG auf die GmbH zu fragen. Eine vollständige Erläuterung der §§ 241 ff AktG kann aus Raumgründen nicht erfolgen.

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Abstimmung

II. Beschluss der Gesellschafter (Abs. 1) 1. 3

2. 4

Begriff und Rechtsnatur

Wie § 133 AktG auch, verzichtet Absatz 1 auf eine Definition des Beschlusses. Man kann einem Beschluss zwei Funktionen, eine Verfahrens- und eine Ergebniskomponente, zuweisen. Denn der Beschluss bezeichnet zum einen den Vorgang einer kollektiven Meinungsbildung und zum anderen das Ergebnis eben dieser Meinungsbildung.1) Dies vor Augen lässt sich der Beschluss als die über einen Antrag durch Abstimmung der Gesellschafter erzielte organschaftliche Willensbildung und -äußerung definieren, die der Gesellschaft als eigener Wille zugerechnet wird. Davon zu trennen ist die Stimmabgabe der einzelnen Gesellschafter, bei der es sich um eine empfangsbedürftige Willlenserklärung handelt. Sie ist Voraussetzung für einen Beschluss, aber nicht mit ihm gleichzusetzen. Vielmehr fließen alle abgegebenen Stimmen über das Tatbestandsmerkmal der Abstimmung in den Beschluss ein. Die Rechtsnatur des Beschlusses war früher lebhaft umstritten,2) die Diskussion kann jedoch heute als geklärt gelten. Nach überzeugender Auffassung handelt es sich bei einem Beschluss um ein mehrseitiges Rechtsgeschäft, das neben Vertrag und einseitigem Rechtsgeschäft seinen eigenen Platz hat.3) Die früher verbreitete Erklärung als Sozialakt ohne rechtsgeschäftlichen Inhalt hat sich nicht durchsetzen können.4) Tatbestand eines Beschlusses

Als weniger geklärt kann die Unterscheidung von Tatbestandsmerkmalen und Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Beschlusses gelten.5) Der Unterschied zwischen beiden Kategorien zeigt sich vor allem auf der Ebene der Beschlussmängel. Fehlt es an einem Tatbestandsmerkmal, so liegt überhaupt kein Beschluss vor. Man spricht insoweit auch von einem Nicht- oder Scheinbeschluss. Für die Anwendung der Regelungen über fehlerhafte Beschlüsse (in Gestalt von Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit) besteht kein Raum. Bereits dies zeigt, dass der Tatbestand auf wenige zentrale, typusbildende Merkmale zu begrenzen ist. Demgegenüber kennzeichnet das Fehlen von positiven oder das Vorliegen von negativen Wirksamkeitsvoraussetzungen, dass der Beschluss als fehlerhafte Willensäußerung der Gesellschaft zumindest in der Welt ist. Je nach Schwere des Fehlers ist der Beschluss nichtig oder nur anfechtbar. Ein nichtiger Beschluss ist dadurch gekennzeichnet, dass er nicht die mit ihm intendierten Rechtswirkungen entfaltet, während der bloß anfechtbare Beschluss zunächst wirksam ist, aber durch Anfechtung mit Wirkung ex tunc vernichtet werden kann. Ob die Anfechtung auch im GmbH-Recht allein durch das Erheben einer Anfechtungsklage analog § 246 AktG geltend gemacht werden kann, ist umstritten _____________ 1)

2) 3) 4) 5)

Vgl. nur Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 9 ff; Casper, Heilung nichtiger Beschlüsse, S. 29 f; und grundlegend Baltzer, Der Beschluss als rechtstechnisches Mittel, S. 17 ff, 42 ff, 97 ff, 168 ff und passim. Vgl. etwa die Darstellung bei Bartholomeyczik, ZHR 105 (1938) 293, 300 ff als Wegbereiter der heutigen Auffassung (Nachw. vgl. Fn. 3). Statt aller Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 3; Baumbach/ Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 4; Casper, Heilung nichtiger Beschlüsse, S. 32. Vgl. nur RGZ 122, 367, 369; BGHZ 52, 316, 318. Ausführl. dazu schon Casper, Heilung nichtiger Beschlüsse, S. 30 ff, 39 ff.

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(dazu siehe Rn. 62 ff). Fehlt hingegen eine nachholbare Wirksamkeitsvoraussetzung, so ist der Beschluss lediglich schwebend unwirksam. Erst wenn feststeht, dass der Beschluss nicht mehr nachgeholt werden kann, ist er endgültig unwirksam, was sich von der Rechtsfolge her betrachtet mit Nichtigkeit deckt. Zum Tatbestand des Beschlusses einer GmbH-Gesellschafterversammlung gehören lediglich Antrag und Abstimmung.6) Der Beschlussantrag ist unverzichtbar, um dem Beschlussergebnis einen Inhalt zuzuweisen. Der Antrag muss auf Herbeiführung einer Meinungsäußerung der Gesellschaft oder einer Wahl von Organen gerichtet sein. Die Abstimmung kennzeichnet die durch Abgabe der Einzelstimmen herbeigeführte Meinungsäußerung. Sie kann im GmbH-Recht auch konkludent erfolgen. Denn weder die Stimmauszählung noch die Bekanntmachung des Abstimmungsergebnisses durch einen Versammlungsleiter oder einen der abstimmenden Gesellschafter zählen zu den typusbildenden Tatbestandsmerkmalen. Deshalb ist auch der stimmlose Beschluss, bei dem alle abgegebenen Stimmen nichtig sind, kein Fall des Nichtbeschlusses. Vielmehr handelt es sich dabei um einen anfechtbaren Beschluss, sofern das Beschlussergebnis beurkundet oder durch einen Versammlungsleiter festgestellt wurde, anderenfalls – also wenn der Beschluss ohne Feststellung durch bloßes Einigsein zustande kam – um einen unwirksamen Beschluss (zu den Details siehe Rn. 77).7) Die Feststellung des Beschlusses zeitigt jedoch Wirkungen für die Frage, ob ein positiver oder negativer Beschluss vorliegt. Von einem negativen oder ablehnenden Beschluss spricht man, wenn der Antrag abgelehnt wird. Eine fehlerhafte Stimmauszählung und die Feststellung eines unrichtigen Ergebnisses verhindern es nicht, dass der Beschlusstatbestand erfüllt ist. Es liegt kein Nichtbeschluss, sondern lediglich ein anfechtbarer Beschluss vor (zu den Details siehe Rn. 75 f). 3.

Wirkungen des Beschlusses

Die Wirkung eines Beschlusses ist grundsätzlich auf den gesellschaftsinternen Bereich beschränkt. Ob er unmittelbare Wirkung entfaltet oder erst durch den Geschäftsführer umgesetzt wird, bestimmt sich nach seinem jeweiligen Inhalt und kann nicht pauschal beantwortet werden. Ein Beschluss auf Abberufung des Geschäftsführers beendet die Organstellung unmittelbar (siehe § 38 Rn. 38 [Jacoby]). Soll hingegen eine Person zum Prokuristen bestellt werden, bedarf ein entsprechender Beschluss der Umsetzung durch den Geschäftsführer, da es diesem obliegt, Prokuristen zu bestellen und abzuberufen. Soll ein Beschluss ausnahmsweise Außenwirkung entfalten, bedarf der Beschluss zwingend der Umsetzung durch den Geschäftsführer. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Gesellschafterversammlung ausnahmsweise die Vertretungsbefugnis der Gesellschaft nach außen hat.8) Ein Beschluss entfaltet Bindungswirkung gegenüber dem Geschäftsführer (zur Frage rechtswidriger Weisungen siehe § 37 Rn. 18 [Jacoby]). _____________ 6)

7) 8)

5

Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 2; Baumbach/HueckZöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 3; ausführl. Casper, Heilung nichtiger Beschlüsse, S. 30 ff m. w. N. Sowie ausführl. Casper in: FS Hüffer, S. 111, 112 ff. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 10. Als Beispiel aus dem Aktienrecht vgl. § 293 Abs. 2 AktG.

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Zustandekommen des Beschlusses

a) Beschlussantrag und Bescheidungsanspruch 7

Die Notwendigkeit eines Beschlussantrages rechtfertigt sich aus dem Umstand, dass die Stimmabgabe nur als Bejahung oder Verneinung eines Antrags denkbar ist. Beschlussanträge werden vorbehaltlich der Ausnahmen in § 48 Abs. 2 in der Gesellschafterversammlung gestellt und müssen sich auf einen der dort genannten Tagesordnungspunkte beziehen (siehe Rn. 8). Das Beschlussantragsrecht steht jedem Gesellschafter zu, der in der Gesellschafterversammlung anwesend oder wirksam vertreten ist.9) Das Antragsrecht folgt mithin dem Teilnahmerecht und steht somit auch dem Inhaber eines stimmlosen Geschäftsanteils oder solchen Gesellschaftern zu, die nach Absatz 4 vom Stimmrecht ausgeschlossen sind.10) Die Mehrheit kann aber über Anträge abwesender Gesellschafter abstimmen, indem sie sich diesen Antrag dann zu eigen macht.11) Der Fremdgeschäftsführer, der nicht zugleich Gesellschafter ist, hat mangels Teilnahmerecht (siehe § 48 Rn. 3 ff, 6 [Masuch]) kein Antragsrecht.12) Auch dem Versammlungsleiter, der nicht Gesellschafter ist, steht kein Antragsrecht zu. Davon ist die Frage zu unterscheiden, ob der Beschluss, der auf einem Antrag eines Fremdgeschäftsführers oder des externen Versammlungsleiters basiert, und über den ohne Widerspruch abgestimmt ist, wirksam ist. Dies ist zu bejahen.

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Beschlussanträge können sowohl positiv als auch negativ formuliert sein. Eine bestimmte Form ist – vorbehaltlich abweichender Vorgaben in der Satzung oder in der Geschäftsordnung der Gesellschafterversammlung – nicht erforderlich. Der Antrag muss zwar nicht in der Tagesordnung angekündigt sein, wohl aber einen Bezug zu einem der Tagesordnungspunkte aufweisen (zu den Einzelheiten siehe § 51 Rn. 10 f [Masuch]). Werden zu einem Tagesordnungspunkt mehrere Anträge gestellt, muss über die Reihenfolge der Sachbehandlung entschieden werden. Vorbehaltlich von Regelungen in der Satzung oder einer Geschäftsordnung obliegt diese Aufgabe dem Versammlungsleiter (zu den Details siehe Rn. 10).13)

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Die Gesellschafterversammlung kann jedoch auch mit einfacher Mehrheit die Beschlussfassung über einen Antrag ablehnen (Nichtbefassungsbeschluss) oder vertagen. Nach wohl noch h. M. gibt es keinen Anspruch auf Bescheidung.14) Demgegenüber plädiert eine im Vordringen befindliche Auffassung in Anschluss an Carsten _____________ 9) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 13. 10) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 9; Baumbach/HueckZöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 13; Drescher in: MünchKomm-GmbHG, § 47 Rn. 15; Henssler//Strohn-Hillmann, GesR, § 47 GmbHG Rn. 9; a. A. noch OLG Nürnberg, GmbHR 1971, 208 – zu einem Vertagungsantrag. 11) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 13; Scholz-Seibt, GmbHG, § 48 Rn. 46. 12) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 9 f, der zu Recht darauf hinweist, dass Entsprechendes für den fakultativen Aufsichtsrat und erst Recht für einzelne Aufsichtsratsmitglieder gilt. Demgegenüber hat der obligatorische Aufsichtsrat – als Organ – entsprechend § 118 Abs. 2 AktG i. V. m. § 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG ein Teilnahmeund damit auch ein Antragsrecht. 13) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 11; Baumbach/HueckZöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 15. 14) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 8; Henssler/StrohnHillmann, GesR, § 47 GmbHG Rn. 12; wohl auch Scholz-Seibt, GmbHG, § 48 Rn. 48.

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Schäfer für einen Anspruch auf sachliche Entscheidung.15) Dem ist in dieser Allgemeinheit zu widersprechen, für eine derartig weite Begrenzung des Entscheidungsspielraums besteht kein Anlass. Ein Nichtbefassungsbeschluss ist jedoch anfechtbar, sofern hierdurch ein gesetzes- oder satzungswidriger Zustand eintreten würde. Generell unzulässig ist ein Nichtbefassungs- oder Vertagungsbeschluss ferner, wenn eine Minderheit von mindestens 10 % i. R. d. § 50 Abs. 2 einen Antrag erzwungen hat.16) b) Abstimmung Die Abstimmung setzt sich aus der Stimmabgabe der einzelnen anwesenden oder vertretenen Gesellschafter zusammen.17) Das Gesetz macht keine Vorgaben hinsichtlich der Art und Weise oder Form, sondern überlässt dies der Satzung oder einer Geschäftsordnung. Vorbehaltlich solcher Vorgaben sind alle Formen der Stimmabgabe zulässig, sofern sie ein klares Ergebnis erkennen lassen. Ein Anspruch auf geheime Abstimmung besteht nicht. Die Reihenfolge der Abstimmung über mehrere Anträge obliegt dem Ermessen des Versammlungsleiters bzw. der im Wege eines Geschäftsordnungsbeschlusses hierüber abstimmenden Gesellschafter, sofern die Satzung oder eine Geschäftsordnung insoweit keine Vorgaben erhält. Soweit mehrere Beschlüsse logisch aufeinander aufbauen (weitergehender Antrag vor dem weniger weitgehenden Antrag), ist die Reihenfolge zwingend vorgegeben. Eine Abweichung hiervon begründet aber kein Anfechtungsrecht.18) Ferner obliegt es dem Versammlungsleiter, zu bestimmen, ob über einzelne Beschlussanträge zusammen oder separat abgestimmt wird; ein Anspruch auf eine Zusammenlegung von Beschlussanträgen besteht nicht.19) Grundsätzlich hat der Gesellschafter sein Stimmrecht einheitlich auszuüben.20) Dies gilt zwingend für mehrere Stimmen aus einem Geschäftsanteil (z. B. ein Geschäftsanteil über 100 € vermittelt nach Absatz 2 100 Stimmen).21) Die Neufassung des Absatzes 2 und die Liberalisierung der Anteilsstückelung durch das MoMiG (siehe § 5 Rn. 13 [Schäfer]) hat diese Frage nicht abweichend entschieden. Das Gebot zur _____________ 15) C. Schäfer, ZHR 167 (2003) 66, 74 ff; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 17; Drescher in: MünchKomm-GmbHG, § 47 Rn. 24. 16) So auch Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 8 in Anschluss an Goette in: FS Ulmer, S. 129 ff und C. Schäfer, ZHR 167 (2003) 66, 70 ff. 17) Stimmabgabe durch Boten nur vorbehaltlich der Zulassung in der Satzung, vgl. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 19. 18) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 13. 19) BGH, ZIP 2009, 2193 Rn. 8 = WM 2009, 2129 = GmbHR 2009, 1325, dazu EWiR 2010, 293 (Lindfeld). 20) RGZ 118, 67, 69; BGH, GmbHR 1965, 32 = DB 1964, 1620 = BB 1964, 1272; BGHZ 104, 66, 74 = ZIP 1988, 703 = GmbHR 1988, 304; OLG Köln, DStR 1996, 1864, 1865 = GmbHR 1997, 174 = DB 1996, 2123; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 20; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 47 Rn. 10; a. A. Drescher in: MünchKommGmbHG, § 47 Rn. 38 ff; Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, § 47 Rn. 64; Armbrüster in: FS Bezzenberger, S. 3, 13 ff; Berner/Stadler, GmbHR 2003, 1403, 1410 ff m. w. N.; Schauf, GmbHR 2015, 799, 802; offener auch Priester in: FS Weichler, S. 101, 108. 21) RGZ 157, 52, 57; BGH, GmbHR 1965, 32 = DB 1964, 1620 = BB 1964, 1272; wohl auch BGHZ 104, 66, 74 = ZIP 1988, 703 = GmbHR 1988, 304; Baumbach/Hueck-Zöllner/ Noack, GmbHG, § 47 Rn. 20; a. A. RGZ 137, 301, 312; Michalski/Heidinger/Leible/ J. Schmidt-Römermann, GmbHG, § 47 Rn. 463; Berner/Stadler, GmbHR 2003, 1407, 1410; Drescher in: MünchKomm-GmbHG, § 47 Rn. 40; Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/ Schürnbrand, § 47 Rn. 64.

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einheitlichen Stimmabgabe folgt in der GmbH – im Gegensatz zur AG – aus dem regelmäßig personalistischen Charakter der GmbH. Soweit keine zwingenden sachlichen Gründe bestehen, gilt dies auch für den Gesellschafter, der mehrere Geschäftsanteile hält.22) Eine sachliche Rechtfertigung für die uneinheitliche Stimmabgabe kann vorliegen, wenn der Gesellschafter nur einen Anteil treuhänderisch hält oder nur einen mit einem Nießbrauch belastet hat.23) Der Gesellschaftsvertrag kann aber von dem Gebot zur einheitlichen Stimmabgabe dispensieren.24) Die Stimmauszählung ist in der Regel unproblematisch. Die gegenüber der Additionsmethode (Ja-, Nein-Stimmen und Enthaltungen werden addiert) ungenauere Subtraktionsmethode (nur die zahlenmäßig kleinsten Gruppen – in der Regel Nein-Stimmen oder Enthaltungen – werden von der Gesamtzahl der Stimmen subtrahiert) ist nur bei einem sehr großen Teilnehmerkreis möglich. c) Mehrheitserfordernisse 11

Absatz 1 stellt die Regel auf, dass der Beschluss grundsätzlich mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen zustande kommt. Auf die absolute Mehrheit des vertretenen Kapitals kommt es nicht an. Die Gefahr von Zufallsmehrheiten durch geringe Beteiligung an der Gesellschafterversammlung dürfte sich nur selten stellen, ihr kann aber durch Regelungen zur Beschlussfähigkeit in der Satzung begegnet werden,25) nach dem Gesetz genügt aber eine wirksam abgegebene Stimme. Da Enthaltungen nicht mitzählen,26) müssen die Ja-Stimmen die Nein-Stimmen um mindestens eine Stimme übersteigen, bei Stimmengleichheit ist der Antrag abgelehnt (negativer Beschluss). Dies hat für die in der Praxis verbreitete Beteiligung von zwei Gesellschaftern mit jeweils 50 % zur Konsequenz, dass sich beide gegenseitig blockieren können. Berücksichtigt werden dürfen nur gültige Stimmen. Das heißt insbesondere, dass solche Stimmen nicht mitzuzählen sind, bei denen der Gesellschafter vom Stimmrecht ausgeschlossen oder nicht wirksam vertreten ist (dazu siehe Rn. 35 ff, 42 ff). Eine qualifizierte Mehrheit sieht das Gesetz in § 53 Abs. 2 Satz 2 für die Satzungsänderung (zu den Details siehe § 53 Rn. 13 [A. Arnold]) einschließlich aller Kapitalmaßnahmen und in § 60 Abs. 1 Nr. 2 für die Auflösung vor (zur Ausdehnung des § 60 Abs. 1 Nr. 2 auf den Fortsetzungsbeschluss siehe § 60 Rn. 30 f [Roth]; zur Mehrheit für einen eine Ausschlussklage einleitenden Beschluss siehe § 34 Rn. 4 ff [Thiessen]). Weitere qualifizierte Mehrheitserfordernisse ergeben sich insbesondere für Umwandlungsvorgänge nach dem UmwG (z. B. §§ 50 Abs. 1, 125, 177 Abs. 1, _____________ 22) A. A. aber Schauf GmbHR 2015, 799, 802. 23) Sehr str., vgl. RGZ 157, 52, 57; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 47 Rn. 10; Baumbach/ Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 20 m. w. N. in Fn. 43. Zur Treuhand eingehend Schauf GmbHR 2015, 799, 800 ff. Für den Nießbrauch stellt sich die Frage dann nicht, wenn man dem Nießbraucher statt dem Nießbrauchsbesteller das Stimmrecht zuerkennt, vgl. dazu Rn. 19. 24) Überzeugend LG München I, GmbHR 2006, 431 f; ebenso die Gegner des Gebots der einheitlichen Stimmabgabe, vgl. etwa Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 65; a. A. – von Standpunkt der Befürworter eines Gebots der einheitlichen Stimmabgabe – aber Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 20. 25) Ansonsten ist der Beschluss schon mit einer (wirksam) abgegebenen Stimme gefasst, zu den Einzelheiten der Beschlussfähigkeit vgl. etwa Scholz-Seibt, GmbHG, § 48 Rn. 43 ff. 26) Einh. M., vgl. nur OLG Celle, GmbHR 1998, 140, 143 = NJW-RR 1998, 175.

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233, 240 UmwG). Im Gegensatz zu dem qualifizierten Mehrheitserfordernis in § 60 kann die Satzung bei der Satzungsänderung und bei den Umwandlungsvorgängen hiervon nicht nach unten, sondern nur nach oben abweichen. Im Übrigen kann die Satzung von den Vorgaben des Absatzes 1 nach oben abweichen27) und auch andere, den Gesellschaftern wichtige Punkte von einer qualifizierten Mehrheit abhängig machen, bis hin zur Einstimmigkeit (eine Ausnahme gilt für die Abberufung des Geschäftsführers aus wichtigem Grund, siehe § 38 Rn. 15 [Jacoby]).28) Fällt der Beschluss aber in den (verzichtbaren) Kernbereich der Mitgliedschaft, bedarf es der Zustimmung eines jeden einzelnen Gesellschafters.29) Eine Geschäftsordnung der Geschäftsführung, die für bestimmte Maßnahmen die vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung vorsieht, kann hingegen mit einfacher Mehrheit aufgehoben werden.30) d) Ergebnisfeststellung und -verkündung Darauf, dass die Ergebnisfeststellung bzw. Beschlussverkündung durch den Versammlungsleiter wie im Aktienrecht nicht zum Tatbestand gehört, wurde bereits hingewiesen (siehe Rn. 5). Anders als im Aktienrecht (§ 130 AktG) zählt die Beschlussfeststellung im GmbH-Recht aber auch nicht zu den (nachholbaren) Wirksamkeitsvoraussetzungen.31) Dies folgt aus den geringeren Förmlichkeiten der Gesellschafterversammlung, die überhaupt keines Versammlungsleiters bedarf. Fehlt es an einer Beschlussfeststellung stellt sich die Frage, wann der Beschluss zustande kommt. Insoweit ist zunächst erforderlich, dass der Beschluss die erforderliche Mehrheit gefunden hat. Im Übrigen muss das Einigsein der Gesellschafter hinzutreten. Dies setzt allerdings voraus, dass zumindest eine gültige Stimme abgeben worden ist.32) Andererseits ist eine Ergebnisfeststellung nicht nur möglich, sondern sinnvoll. Ein Versammlungsleiter kann entweder ad hoc in der Gesellschafterversammlung bestellt werden (siehe § 48 Rn. 8 [Masuch] m. w. N. in Fn. 12) oder aber von der Satzung obligatorisch vorgegeben werden. Zumindest im zuletzt genannten Fall stellt sich die Frage, ob die Beschlussfeststellung dann zur Wirksamkeitsvoraussetzung mutiert. Dies wird überwiegend verneint.33) Dem ist grundsätzlich beizupflichten, sofern die entsprechende Regelung in der Satzung als reine Ordnungsvorschrift zu begreifen ist. Es verbleibt dann dabei, dass das Einigsein der Gesellschafter über das Zustandekommen eines _____________ 27) Vgl. nur OLG Frankfurt/M., ZIP 2010, 1033, 1034 = GmbHR 2010, 260, dort auch Auslegung einer in der Satzung geforderten qualifizierten Mehrheit. Eine Abweichung nach unten ist naturgemäß mit dem Mehrheitsprinzip nicht kompatibel, denkbar ist aber der Stichentscheid eines Gesellschafters bei Pattsituationen, vgl. Ulmer/Habersack/LöbbeHüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 24. 28) Ebenso s. Ensenbach, GmbHR 2016, 8 ff. 29) Zu den Fallgruppen vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 20. 30) OLG Hamm, NZG 2010, 1067, 1069 = GmbHR 2010, 1033 = DStR 2010, 1950 (n. rkr.). 31) Einh. M., vgl. aus der Rspr. etwa BGHZ 76, 154, 156 ff = ZIP 1980, 372 = GmbHR 1981, 139; BGHZ 88, 320, 329 = ZIP 1983, 1444 = GmbHR 1984, 93; OLG Hamburg, GmbHR 1992, 43, 47 = ZIP 1991, 1430 = DB 1992, 43, dazu EWiR 1991, 899 (Reichard); OLG Dresden, NZG 2001, 809, 809. 32) Zu der hiermit verbundenen Problematik beim sog. stimmlosen Beschluss vgl. Casper in: FS Hüffer, S. 111, 122 f. 33) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 26; Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/ Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 28; Scholz-Seibt, GmbHG, § 48 Rn. 52.

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Beschlusses Wirksamkeitsvoraussetzung ist. Soweit allerdings die Auslegung der Satzung erkennen lässt, dass kein Beschluss ohne Feststellung durch den Versammlungsleiter zustande kommen soll, wird man die Beschlussfeststellung ausnahmsweise zur statutarischen Wirksamkeitsvoraussetzung erheben müssen.34) 13

Soweit die Beschlussfeststellung also keine Wirksamkeitsvoraussetzung ist, kommt es darauf an, ob der Beschluss wirklich die erforderliche Mehrheit erreicht hat, wobei nur wirksam abgegebene Stimmen mitgezählt werden dürfen. Der Beschluss wird also mit dem rechtlich zutreffenden Ergebnis gefasst.35) Besteht hierüber Streit, ist das Zustandekommen des Beschlusses im Wege der Feststellungsklage zu überprüfen. Ist hingegen das Beschlussergebnis durch den Versammlungsleiter festgestellt worden, obwohl der Beschluss in Wirklichkeit nicht die erforderliche Mehrheit erreicht hat – z. B. da Stimmen eines Gesellschafters, der einem Stimmverbot unterlag – mitgezählt wurden, ist der Beschluss mit der unrichtigen Ergebnisfeststellung zunächst zustande gekommen. Er kann dann allerdings mittels Anfechtungsklage beseitigt werden.36) Die früher abweichende Ansicht des Bundesgerichtshofs, wonach überhaupt kein Beschluss zustande komme – also ein Nichtbeschluss vorliege –,37) ist zu Recht überholt. Stellt der Versammlungsleiter fest, dass der Beschlussantrag nicht die entscheidende Mehrheit gefunden hat, da er zu Unrecht Stimmen nicht mitgezählt hat, gilt entsprechendes mutatis mutandis für den so festgestellten negativen Beschluss, dessen Anfechtung dann mit einer positiven Beschlussfeststellungsklage verbunden werden kann.38) e) Protokollierung, Form, zusätzliche Wirksamkeitserfordernisse

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Eine Protokollierung in der Form der notariellen Beurkundung ist nur bei satzungsändernden Beschlüssen (§ 53 Abs. 2) notwendig. Im Übrigen sind vorbehaltlich abweichender Regelungen in der Satzung weder eine schriftliche Fixierung des Beschlussinhalts noch die Einhaltung sonstiger Formerfordernisse erforderlich. Zusätzliche Wirksamkeitserfordernisse können sich aus der Zustimmungsbedürftigkeit aufgrund allgemeiner Grundsätze ergeben. Paradigmatisch ist das Erfordernis der Zustimmung aller Gesellschafter bei der nachträglichen Einführung einer Vinkulierungsklausel (siehe § 15 Rn. 6 [Brandes]) oder der nachträglichen Einführung eines Vorkaufsrechts der Mitgesellschafter bei Anteilsabtretung. Daneben kann die Satzung weitere Zustimmungserfordernisse aufstellen.39) Zustimmungs- oder Mitwir_____________ 34) So wohl auch Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 27. 35) BGHZ 104, 66, 69 f = ZIP 1988, 703 = GmbHR 1988, 304; BGHZ 51, 209, 211 = GmbHR 1970, 119 = DB 1969, 299; BGH, ZIP 1999, 656 = GmbHR 1999, 477 = NJW 1999, 2268, dazu EWiR 1999, 753 (Kirberger); Ulmer/Habersack/Löbbe-Raiser, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 98. 36) Seit BGHZ 104, 66, 69 = ZIP 1988, 703 = GmbHR 1988, 304 – einh. M., vgl. nur noch BGHZ 153, 285, 287 = ZIP 2003, 395 = GmbHR 2003, 351, dazu EWiR 2003, 329 (Wilhelmi); Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 118. Ausführl. zum Verlauf der Diskussion Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 29. 37) BGHZ 14, 25, 35 f = GmbHR 1954, 122 = DB 1954, 596. 38) BGHZ 76, 154, 156 = ZIP 1980, 372 = NJW 1980, 1527. 39) Zu den Einzelheiten vgl. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 30; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 30.

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kungsrechte Dritter sind als organschaftliche Wirksamkeitsvoraussetzung nicht möglich; denkbar sind allenfalls schuldrechtliche Bindungen, auch dergestalt, dass die Gesellschaft den Beschluss nicht ohne Zustimmung des Dritten fassen darf.40) Fasst die Gesellschafterversammlung gleichwohl einen Beschluss ohne Zustimmung des Dritten, ist dieser wirksam, allerdings macht sich die Gesellschaft schadensersatzpflichtig. 5.

Aufhebung und Änderung von Beschlüssen

Die nachträgliche Aufhebung von Beschlüssen ist grundsätzlich möglich. Keine Schwierigkeiten ergeben sich in der laufenden Gesellschafterversammlung. Problematisch ist allein eine spätere Beschlussaufhebung mit Wirkung ex tunc dann, wenn der Beschluss schon Auswirkung entfaltet hat. Soll z. B. die bereits erfolgte Bestellung eines Geschäftsführers in einer späteren Gesellschafterversammlung vorgenommen werden, handelt es sich um eine Abberufung, die die Voraussetzungen des § 38 Abs. 2 zu wahren hat. Weiterhin stellt sich die Frage nach der erforderlichen Mehrheit. Auch insoweit gilt: Bedurfte der Beschluss einer qualifizierten Mehrheit und wurde er noch nicht vollzogen – entfaltet also keine Außenwirkung – genügt für die Aufhebung die einfache Mehrheit. Wurde der satzungsändernde Beschluss hingegen bereits eingetragen, handelt es sich bei der Aufhebung de facto um einen weiteren Satzungsänderungsbeschluss zur Wiederherstellung der ursprünglichen Lage, der dann erneut der satzungsändernden Mehrheit des § 53 Abs. 2 bedarf.41) Diese Mehrheit gilt auch bei einer Aufhebung in der noch laufenden Gesellschafterversammlung.42) Bei sonstigen Beschlussänderungen gilt hingegen eine Entsprechung der Mehrheitserfordernisse.

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III. Stimmrecht (noch Abs. 1) 1.

Begriff und Rechtsnatur

Das Stimmrecht ist das Recht, durch Stimmabgabe an Gesellschafterbeschlüssen mitzuwirken. Es ist von dem Teilnahmerecht (siehe § 48 Rn. 3 ff [Masuch]) abzugrenzen, aber wie dieses ein aus der Mitgliedschaft folgendes Verwaltungsrecht. Die Stimmabgabe drückt Zustimmung oder Ablehnung gegenüber dem Beschlussantrag (siehe Rn. 3 ff) aus und ist als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung zu qualifizieren. Auch die Stimmenthaltung ist eine Willenserklärung. Die §§ 104 ff BGB einschließlich der Anfechtungsvorschriften sind grundsätzlich anwendbar.43) Die Stimmabgabe ist bis zu ihrem Zugang (in der Regel gegenüber dem Versammlungsleiter) widerruflich (§ 133 Abs. 1 Satz 2 BGB),44) weshalb ein Widerruf bei Stimmabgabe innerhalb der Gesellschafterversammlung praktisch ausscheidet. Hinsichtlich der Fehlerfolgen ist streng zwischen einer unwirksamen Stimmabgabe und einem _____________ 40) Detaillierte Darstellung bei Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 34 m. w. N. 41) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rn. 33; Saenger/Inhester-Bergjan, GmbHG, § 47 Rn. 6. 42) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 41. 43) Monographisch dazu demnächst Lohmann, Die Anwendbarkeit der §§ 104 – 185 BGB auf die Stimmabgabe und den Gesellschafterbeschluss, Diss. Münster, passim. 44) Details bei Messer in: FS Fleck, S. 221, 226 ff.

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fehlerhaften Beschluss zu trennen. Wurde eine Stimme mitgezählt, die der Gesellschafter später erfolgreich anficht, kam es aber für das Erreichen der erforderlichen Mehrheit auf diese Stimmabgabe nicht an, so ist der Beschluss wirksam. Entfaltete die Stimme hingegen Relevanz für das Erreichen der Mehrheit, so bleibt der Beschluss, sofern er vom Versammlungsleiter festgestellt wurde, zunächst ebenfalls wirksam, kann aber vom Gesellschafter angefochten werden. Ein Fehler bei einer Stimmabgabe schlägt also nicht automatisch auf den Beschluss durch. Fehlte eine Ergebnisfeststellung, so ist der Beschluss nicht zustande gekommen, das bloße Einigsein der Gesellschafter über die Beschlussfassung ist der Ergebnisfeststellung insoweit nicht gleichzustellen, es kann Feststellungsklage ohne Einhaltung der Anfechtungsfrist erhoben werden. 2.

Trägerschaft des Stimmrechts

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Kraft Gesetzes steht grundsätzlich jedem Gesellschafter das Stimmrecht zu, und zwar unabhängig davon, ob er seine Einlage vollständig geleistet hat. Die Satzung kann für diesen Fall allerdings ein Ruhen des Stimmrechts anordnen.45) Zum Stimmumfang siehe Rn. 31 f und zur Möglichkeit der Schaffung stimmrechtsloser Anteile siehe Rn. 21. Das Stimmrecht beginnt also mit dem Entstehen der Mitgliedschaft und endet mit deren Erlöschen. Das Stimmrecht steht auch bereits dem Gesellschafter der VorGmbH zu und gilt auch in der Liquidation bzw. Insolvenz der Gesellschaft fort. Zur Beendigung des Stimmrechts durch Kaduzierung, Abandonierung, Einziehung oder Ausschluss des Gesellschafters aus wichtigem Grund ist auf die Erläuterungen zu §§ 21, 27 und 34 zu verweisen.46) Erwirbt die Gesellschaft eigene Anteile i. S. d. § 33 ruht ihr Stimmrecht analog § 71b AktG i. S. einer Ausübungssperre, erlischt aber nicht.47)

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Das Stimmrecht kann nicht von der Mitgliedschaft abgespalten werden.48) Auch die Satzung kann von diesem Abspaltungsverbot nicht abweichen.49) Insbesondere die isolierte Übertragung des Stimmrechts auf Dritte ohne gleichzeitige Übertragung der Mitgliedschaft oder gar die originäre Begründung eines Stimmrechts ohne Mitgliedschaft sind unzulässig. Weniger klar ist, ob das Abspaltungsverbot auch gegenüber Mitgesellschaftern gilt,50) was jedoch mangels praktischen Bedürfnisses der Abspaltung ebenfalls zu bejahen ist. Vom Abspaltungsverbot abzugrenzen ist die sog. Legiti_____________ 45) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 47 Rn. 5. 46) Vgl. auch Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 48 f; Baumbach/ Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 36. 47) RGZ 103, 64, 66 f; Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 46 m. w. N. 48) Ganz h. M. BGHZ 43, 261, 267 = DB 1965, 624 = NJW 1965, 1378; BGH, NJW 1968, 396, 397 = DB 1967, 2214; BGH, GmbHR 1977, 244, 245 = DB 1976, 2295 = WM 1976, 1247; Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 54 m. w. N. 49) Allg. M. und st. Rspr. seit RGZ 132, 149, 159; BGHZ 43, 261, 267 = DB 1965, 624 = NJW 1965, 1378; aus neuerer Zeit etwa OLG Koblenz, ZIP 1992, 844 = GmbHR 1992, 464 = DB 1992, 1468, dazu EWiR 1992, 259 (Petzoldt); Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/ Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 54; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 20 jew. m. w. N. 50) Mit zahlreichen, teilweise komplizierten Einschränkungen eine Abspaltung auf Mitgesellschafter zulassend: Fleck in: FS Fischer, S. 107, 118 ff; Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschafterverträgen, S. 225; Theißen, DB 1993, 469 f.

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mationszession, also die Ermächtigung an einen Dritten, das Stimmrecht aus einem ihm nicht gehörenden Anteil im eigenen Namen auszuüben. Die Legitimationszession ist von der Rechtsprechung zugelassen worden,51) während die wohl noch überwiegende Meinung im Schrifttum eine Zulässigkeit verneint.52) In den wohl praktisch bedeutsamen Fällen der aufschiebend bedingten Anteilsübertragung, bei denen dem Erwerber das Stimmrecht schon vor Eintritt der Bedingung zustehen soll, genügt auch eine Stimmrechtsvollmacht. Eine erteilte Legitimationszession lässt sich in eine Bevollmächtigung zur Stimmrechtsausübung umdeuten.53) Mittelbar gegen die Zulässigkeit streitet auch § 16 Abs. 1, der inzident zum Ausdruck bringt, dass für eine verdeckte Stimmrechtsübertragung kein Raum ist.54) Für eine Zulässigkeit besteht also kein Bedürfnis. Verpfändet der Gesellschafter seinen Anteil oder wird er gepfändet, so bleibt er Inhaber des Stimmrechts und kann dies selbst dann wirksam ausüben, wenn der Beschluss die Rechtsstellung des Pfandgläubigers beeinträchtigt.55) Freilich kann der Gesellschafter den Pfandgläubiger bevollmächtigen. Anders als das Pfandrecht wird nach h. M. bei der Treuhand der Treuhänder Gesellschafter und erwirbt somit das Stimmrecht.56) Der Treugeber kann das Stimmrecht nur mittels einer Bevollmächtigung ausüben.57) Beim Nießbrauch steht nach weiterhin überwiegender Ansicht das Stimmrecht allein dem Gesellschafter als Vollrechtsinhaber und nicht dem Nießbraucher zu.58) Demgegenüber unterscheidet eine vorzugswürdige Ansicht zwischen dem Nießbrauch am Gewinnstammrecht und am Anteil selbst. Bei Nießbrauch am Anteil selbst erlangt der Nießbraucher das Stimmrecht ohne Verstoß gegen das Abspaltungsverbot.59) _____________ 51) OLG Celle, ZIP 2007, 631, 632 = GmbHR 2007, 318 = DB 2007, 1128; offenlassend aber wiederum die Revisionsentscheidung in BGH, ZIP 2008, 1026 f Rn. 4 = GmbHR 2008, 702 = DB 2008, 1202, dazu EWiR 2009, 237 (A. Kleinschmidt/Lau); unentschieden auch noch BayObLG, ZIP 1986, 303 = GmbHR 1986, 87 = DNotZ 1986, 373, dazu EWiR 1986, 167 (Fleck); OLG Hamburg, GmbHR 1990, 42, 43 = DB 1989, 618 = AG 1989, 327. 52) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 41; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 21; a. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 57; Drescher in: MünchKomm-GmbHG, § 47 Rn. 78. 53) So zutreffend BGH, ZIP 2008, 1026 f Rn. 4 = GmbHR 2008, 702 = DB 2008, 1202, dazu EWiR 2009, 237 (A. Kleinschmidt/Lau). 54) Ähnlich Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 21. 55) RGZ 139, 224, 228; RGZ 157, 52, 55; Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 52. 56) RG, JW 1934, 2907; BGHZ 104, 66, 74 f = ZIP 1988, 703 = GmbHR, 1988, 304; ScholzK. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 18; Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 52; a. A. für die offengelegte Treuhand, Ulmer in: FS Odersky, S. 873 ff. 57) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 47 Rn. 4. 58) Vgl. z. B. OLG Koblenz, GmbHR 1992, 464, 465 = ZIP 1992, 844 = DB 1992, 1468, dazu EWiR 1992, 259 (Petzoldt); Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 18; Baumbach/ Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 35; Drescher in: MünchKomm-GmbHG, § 47 Rn. 77; Henssler/Strohn-Hillmann, GesR, § 47 GmbHG Rn. 33. 59) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 53 m. w. N.; für das Personengesellschaftsrecht auch C. Schäfer in: MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 99 in Anschluss an Fleck in: FS Fischer, S. 107, 125 und Ulmer in: FS Odersky, S. 873, 880. Ganz anders Schön, ZHR 158 (1994) 229, 261 f – Vergemeinschaftung.

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Ebenfalls diskussionsbedürftig ist die Ausübung durch einen Amtswalter. Für die Insolvenz des Gesellschafters gilt, dass dieser zwar Inhaber des Stimmrechts bleibt, dieses aber durch den Insolvenzverwalter kraft Amtes im eigenen Namen ausgeübt wird.60) Entsprechendes gilt für den Nachlassverwalter bzw. den Testamentsvollstrecker.61) – Zum Ganzen siehe § 15 Rn. 71 f [Brandes]. 3.

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Stimmrechtslose Anteile

Anders als §§ 139 ff AktG sieht das GmbH-Gesetz einen stimmrechtslosen Geschäftsanteil nicht vor. Es besteht jedoch zu Recht darüber Einigkeit, dass ein solcher Anteil durch entsprechende Vereinbarung in der Satzung geschaffen werden kann.62) Allerdings sind solche Anteile nicht schrankenlos möglich, vielmehr setzt die Kernbereichslehre eine Grenze, soweit es um unentziehbare Gesellschafterrechte geht.63) Ein Ausgleich durch einen Gewinnvorzug ist – anders als im Aktienrecht – nicht erforderlich, aber möglich. Die nachträgliche Einführung eines stimmrechtslosen Anteils bedarf der satzungsändernden Mehrheit sowie der Zustimmung des betroffenen Gesellschafters. 4.

Stimmpflicht und Stimmbindung

a) Grundsatz der freien Stimmausübung und Stimmrechtsschranken 22

Im Grundsatz können die Gesellschafter ihr Stimmrecht nach Belieben ausüben. Dieser Grundsatz der freien Stimmrechtsausübung erfährt zunächst eine Einschränkung durch ungeschriebene Stimmrechtsschranken aus der Treupflicht, dem Gleichbehandlungsgrundsatz, dem Gesellschaftszweck und dem allgemeinen Rechtsmissbrauch. Sie können sich im Einzelfall zu positiven Stimmpflichten verdichten (siehe Rn. 23). Liegen derartige Schranken der Stimmrechtsmacht im Einzelfall vor, hat der Gesellschafter die entsprechende Stimmabgabe zu unterlassen, aber noch nicht zwingend – wie bei positiven Stimmpflichten – in eine ganz bestimmte Richtung abzustimmen. Anders als beim Stimmrechtsausschluss (siehe Rn. 42 ff) geht es bei der Begrenzung der freien Stimmrechtsausübung um eine Kontrolle der inhaltlichen Rechtmäßigkeit der Stimmrechtsausübung,64) weshalb im Anschluss an Zöllner auch von beweglichen Schranken gesprochen wird.65) Die Treupflicht und die damit verbundene Rücksichtnahme auf die Belange der Gesellschaft bzw. der Mitgesellschafter _____________ 60) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 51; Baumbach/HueckZöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 42 m. w. N. 61) Vgl. BGH, ZIP 2014, 1422 Rn. 22 ff = GmbHR 2014, 863 = NZG 2014, 945, dazu EWiR 2014, 613 (Priester); BGH, NJW 1959, 1820 f = GmbHR 1959, 256 = DB 1959, 911 und die in der vorstehenden Fußnote Genannten (Fn. 60); monographisch Dörrie, Die Testamentsvollstreckung im Recht der Personengesellschaften und der GmbH, S. 85 ff sowie ferner Heckschen/Strnad, NZG 2014, 1201, 1202 ff. 62) Grundlegend weiterhin C. Schäfer, Der stimmrechtslose GmbH-Geschäftsanteil, S. 8, 35 ff; C. Schäfer, GmbHR 1998, 113, 115 ff sowie 168 ff; aus der Rspr. etwa RGZ 167, 65, 73; BGHZ 14, 267, 270 f. 63) Ausführl. dazu C. Schäfer, Der stimmrechtslose GmbH-Geschäftsanteil, S. 149 ff. 64) Vgl. besonders prägnant Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 27 f. 65) Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 97 ff, 287 ff; in diesem Sinne etwa Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 203. Starre Schranken sind demgegenüber vor allem der Stimmrechtsausschluss nach Absatz 4.

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ist in der personalistischen GmbH stärker ausgeprägt als in Gesellschaften mit einem großen Gesellschafterkreis.66) Eine unzulässige Stimmabgabe ist im Wege der Anfechtungsklage durchzusetzen.67) Zwar kann eine treuwidrige Stimmabgabe selbst nichtig sein,68) der auf ihr beruhende Beschluss ist jedoch nur anfechtbar. Daneben sind Schadensersatzansprüche aus § 280 BGB denkbar.69) b) Stimmpflichten aus dem Gesellschaftsverhältnis Aus der gesellschaftsrechtlichen Treupflicht kann ausnahmsweise eine positive Stimmpflicht folgen, also die Rechtspflicht, einem bestimmten Antrag zuzustimmen. Es muss sich hierbei aber um Ausnahmefälle handeln, sodass zu Recht hohe Anforderungen gestellt werden. Es ist erforderlich, dass die zu beschließende Maßnahme mit Rücksicht auf den Gesellschaftszweck objektiv dringend erforderlich und dem betroffenen Gesellschafter subjektiv zumutbar ist.70) Hauptanwendungsfall ist die Anpassung der Satzung, um das Fortbestehen der Gesellschaft zu sichern. Paradigmatisch war die Zustimmungspflicht zur Kapitalerhöhung nach der Erhöhung des Mindeststammkapitals von 20.000 DM auf 50.000 DM i. R. d. GmbH-Novelle von 198071) und später die Überführung von DDR-Altgesellschaften in das Recht der Bundesrepublik. Möglich ist weiterhin eine Zustimmungspflicht zu Kapitalerhöhungen in Sanierungssituationen, sofern hiermit keine Nachschusspflicht, sondern allein eine Verwässerung des bisherigen Anteils verbunden ist. Voraussetzung dafür muss aber das Vorliegen eines tragfähigen Sanierungskonzeptes sein.72) Der BGH hat diese Rechtsprechung in jüngerer Zeit verallgemeinernd dahin zusammengefasst, dass „eine Zustimmungspflicht zu einer Maßnahme dann möglich [ist], wenn sie zur Erhaltung wesentlicher Werte, die die Gesellschafter geschaffen haben, oder zur Vermeidung erheblicher Verluste, die die Gesellschaft bzw. die Gesellschafter erleiden könnten, objektiv unabweisbar erforderlich ist und den Gesellschaftern unter Berücksichtigung ihrer eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar ist“.73) Dafür muss aber der Gesellschaftszweck und das Interesse der Gesellschaft gerade diese Maßnahme zwingend gebieten. Zudem muss der Gesellschafter seine Zustimmung ohne _____________ 66) Die einzelne Kasuistik kann hier aus Raumgründen nicht nachgezeichnet werden, vgl. etwa Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 29 f; Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 204. 67) Zur Frage des (vorbeugenden) einstweiligen Rechtsschutzes Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 32 m. w. N. 68) OLG Hamm, Urt. v. 7.3.2018 – I-8 U 2/18, 8 U 2/18, juris Rn. 54. 69) Überblick bei Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 206; ScholzK. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 33. 70) BGHZ 98, 276, 278 ff = ZIP 1986, 1383 = NJW 1987, 189, dazu EWiR 1986, 1107 (Riegger); BGH GmbHR 2016, 759, 760 m. Anm. Schmitz-Herscheidt; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 47 Rn. 13; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 31; Ulmer/Habersack/LöbbeHüffer/Schürnbrand, § 47 Rn. 202. 71) BGHZ 98, 276, 278 ff = ZIP 1986, 1383 = NJW 1987, 189, dazu EWiR 1986, 1107 (Riegger). 72) Vgl. etwa BGH, NJW 1995, 1739, 1743 f = ZIP 1995, 819 = GmbHR 1995, 665, dazu EWiR 1995, 525 (Rittner) – zur AG; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 47 Rn. 17; K. Schmidt, ZIP 1980, 328, 336. 73) BGH, GmbHR 2016, 759, 760 m. Anm. Schmitz-Herscheidt in Fortführung von BGHZ 98, 276, 278 = ZIP 1986, 1383.

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vertretbaren Grund verweigert haben.74) Erleichterungen für Zustimmungspflichten in Geschäftsführungsfragen sind nicht anzuerkennen.75)Denkbar ist schließlich eine Zustimmungspflicht bei Anteilsübertragungen, wenn der Zweck der Vinkulierungsklausel der beabsichtigten Übertragung nicht entgegensteht.76) Stimmpflichten können entweder im Wege der Leistungsklage oder durch Anfechtung des entsprechenden negativen Beschlusses verbunden mit einer positiven Beschlussfeststellungsklage gerichtlich durchgesetzt werden, in besonders dringenden Fällen auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.77) c) Stimmbindungsverträge 24

Ausgehend von dem aufgestellten Ausgangsbefund des Abspaltungsverbots (siehe Rn. 18) stellt sich die Frage, ob sich Gesellschafter gegenüber ihren Mitgesellschaftern bzw. sogar gegenüber Dritten schuldrechtlich verpflichten können, von dem Stimmrecht nur in dem vertraglich fixierten Sinne Gebrauch zu machen. Stimmbindungsverträge zwischen Gesellschaftern sind ein weit verbreitetes Gestaltungsmittel, insbesondere bei Gesellschaften mit mehreren Familienstämmen. Insoweit dominieren Pool- und Konsortialverträge. Diese existieren häufig auch zwischen sonstigen Gesellschaftern mit gleichgerichteten Interessen. Daneben existieren Stimmbindungsverträge regelmäßig zugunsten von Pfandnehmern, Treugebern oder Nießbrauchern. Bei Stimmbindungsverträgen zwischen den Gesellschaftern handelt es sich um eine schuldrechtliche Nebenabrede ohne kooperativen Charakter. Sie sind auch kein notwendiger materieller Satzungsbestandteil, können aber in die Satzung als formeller Satzungsbestandteil aufgenommen werden; notwendig ist dies aber nicht.78) Nur ganz ausnahmsweise wird es dem Parteiwillen entsprechen, die Abrede über die Stimmbindung auch als materiellen Satzungsbestandteil zu begreifen. Dies hat zur Folge, dass eine Änderung dem Regime der §§ 2, 53 ff unterworfen wäre (zu formellen und materiellen Satzungsbestandteilen siehe § 53 Rn. 3 f [A. Arnold]). Im Übrigen bedürfen die Stimmbindungsverträge keiner Form.

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Die Zulässigkeit von Stimmbindungsverträgen zwischen den Gesellschaftern ist heute einhellig anerkannt.79) Dies gilt nach ganz überwiegender Auffassung im Grundsatz _____________ 74) BGH, GmbHR 2016, 759, 760 f. m. w. N. 75) BGH, GmbHR 2016, 759, 760 (Rn. 13); zustimmend Schmitz-Herscheidt, GmbHR 2016, 761, 762 m. w. N. zur Gegenauffassung im Personengesellschaftsrecht. 76) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 31 m. w. N. zur Kasuistik. 77) Aus der Rspr. vgl. nur BGH, NJW 1991, 172, 174 = ZIP 1990, 1194 = GmbHR 1990, 452, dazu EWiR 1990, 1097 (Meyer-Landrut); BGH, NJW 1984, 489, 491 = ZIP 1983, 1444 = GmbHR 1984, 93; OLG Koblenz, NJW-RR 1989, 1057 f = ZIP 1989, 301 = GmbHR 1990, 39, dazu EWiR 1989, 1003 (Rowedder); zum einstweiligen Rechtsschutz vgl. OLG Frankfurt/M., GmbHR 1993, 161; OLG Hamm, GmbHR 1993, 163 m. Anm. Michalski = DB 1992, 2129; OLG Hamburg, GmbHR 1991, 467, 468 = ZIP 1991, 1428 = DB 1991, 1567, dazu EWiR 1991, 1141 (Kellermann) sowie Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rn. 183 einerseits und OLG Koblenz, GmbHR 1991, 21 = DB 1990, 2413 = WM 1991, 1121 andererseits. 78) Ausführl. zum Ganzen etwa Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 70; Ulmer in: FS Werner, S. 911, 914 ff; zur abw. These der einheitlichen Verbandsordnung aus Satzung und Nebenabreden vgl. Noack, Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften, S. 61 ff. 79) Seit RGZ 107, 67, 71 st. Rspr.; vgl. etwa die Übersicht bei Zöllner, ZHR 155 (1991) 168, 196 ff.

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auch für Stimmbindungsverträge gegenüber Dritten.80) Umstritten ist aktuell nur noch die Reichweite dieser Aussage. Die Bedenken fußen auf dem Umstand, dass sich ein Gesellschafter nach den Weisungen eines Dritten richten muss, der nicht dem Gesellschaftsinteresse und vor allem nicht der mitgliedschaftlichen Treupflicht unterworfen ist.81) Insbesondere werden die Bereiche der Satzungsänderung und auch die Ausübung von Weisungen gegenüber dem Geschäftsführer mittels Beschlusses als kritisch erachtet.82) Ebenfalls wird die Stimmbindung des Mehrheitsgesellschafters gegenüber dem (Fremd-)Geschäftsführer, ihn nur aus wichtigem Grund abzuberufen, kritisch gesehen,83) von der Rechtsprechung bisher aber nicht beanstandet.84) In einem Treuhandfall hat die Rechtsprechung die Stimmbindung sogar grundsätzlich zugelassen.85) Dem ist beizupflichten, da der Gesellschafter trotz der eingegangenen Stimmbindung weiterhin der Treupflicht gegenüber der Gesellschaft, den Gesellschaftern und dem Gesellschaftsinteresse unterworfen ist.86) Denn die Befolgungspflicht reicht niemals weiter als das Ermessen eines ungebundenen Gesellschafters. Übt er in Befolgung einer Weisung sein Stimmrecht treuwidrig aus, ist der Beschluss anfechtbar. Ob er sich im Innenverhältnis gegenüber seinem Vertragspartner auf die gesellschaftsrechtliche Unzulässigkeit der Stimmausübung berufen kann, ist eine Auslegungsfrage des Stimmbindungsvertrags, dürfte aber regelmäßig zu bejahen sein. Folglich sind auch Stimmbindungen gegenüber Dritten im Bereich der Satzungsänderung im Grundsatz zulässig.87) Schranken können sich aber aus allgemeinen Grundsätzen ergeben. Stimmbindungen dürfen nicht gegen §§ 134, 138 BGB verstoßen, was z. B. bei einer unzulässigen Knebelung der Fall sein könnte oder bei einer Selbstentmündigung, wobei die Stimmrechtsbindung für sich betrachtet hierfür freilich noch nicht ausreicht.88) Unzulässig ist weiterhin der entgeltliche Stimmkauf, wofür der Rechtsgedanke des § 405 Abs. 3 Nr. 6 AktG streitet.89) Eine weitere Grenze bildet § 1 GWB.90) Ebenfalls darf die Stimmbindung nicht zur Umgehung von Stimmverboten i. S. d. Absatzes 4 dienen.91) _____________ 80) Anders zuletzt RGZ 57, 205, 208; Müller-Erzbach, Das private Recht der Mitgliedschaft, S. 248 ff; Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 80. 81) Details bei Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 78 f; Habersack, ZHR 164 (2000) 1, 11 f. 82) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 78. 83) Ablehnend Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 115; diff. Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 41 – Ad-hoc-Stimmbindung ja, Dauerstimmbindung nein. 84) OLG Frankfurt/M., NZG 2000, 378 (LS); zur GmbH & Co. KG auch BGH, ZIP 1983, 432; OLG Köln, GmbHR 1989, 76, 77 f = ZIP 1988, 1122 = WM 1988, 974, dazu EWiR 1988, 1001 (Priester). 85) BGHZ 48, 163, 166 ff = GmbHR 1968, 99 = DB 1967, 1495. 86) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 47 Rn. 20; zum Gesellschaftsinteresse auch OLG Köln, GmbHR 1989, 76, 78 = ZIP 1988, 1122 = WM 1988, 974, dazu EWiR 1988, 1001 (Priester). 87) H. M., Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 113; Drescher in: MünchKommGmbHG, § 47 Rn. 241; a. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 80; diff. Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 42. 88) Details und Beispiele bei Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 45. 89) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 85. 90) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 43. 91) Einh. M., vgl. nur BGHZ 48, 163, 166 f = GmbHR 1968, 99 = DB 1967, 1495; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 47 Rn. 17; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 114.

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Stimmbindungen des Gesellschafters gegenüber dem Geschäftsführer sind zwar grundsätzlich zulässig. Eine Bindung, auch eine Abberufung des Geschäftsführers aus wichtigem Grund zu unterlassen, ist jedoch ebenfalls unzulässig.92) Schließlich wird man mit Blick auf das Kompetenzgefüge in der GmbH auch dauerhafte und sachlich nicht beschränkte Stimmbindungen des Mehrheitsgesellschafters gegenüber dem Fremdgeschäftsführer unter Heranziehung des in § 136 Abs. 2 AktG enthaltenen Rechtsgedankens beanstanden müssen.93) Zwar ist die Kompetenzverteilung zwischen den Organen in der GmbH wesentlich weniger restriktiv, da es keine Satzungsstrenge wie in § 23 Abs. 5 AktG gibt, jedoch ist eine völlige Selbstentmündigung der Gesellschaftermehrheit gegenüber dem Fremdgeschäftsführer auch in der GmbH nicht angängig. 27

Schließlich kann die Satzung den Abschluss von Stimmbindungsverträgen untersagen, dies wirkt jedoch nur gegenüber den Gesellschaftern innerhalb des Verbandes; führt also nicht zur Nichtigkeit eines gleichwohl abgeschlossenen Stimmbindungsvertrages.94) Allerdings kann sich der gleichwohl gebundene Gesellschafter gegenüber seinen Konsorten bzw. der GmbH schadensersatzpflichtig machen. Im Wege der Naturalrestitution können sie eine Kündigung des Stimmbindungsvertrages verlangen.

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Hinsichtlich der Rechtsfolgen ist zwischen einer zulässigen und einer unzulässigen Stimmrechtsbindung einerseits und einer abredewidrigen Stimmausübung andererseits zu unterscheiden. Ist die Stimmbindung unzulässig und stimmt der Gesellschafter gleichwohl in Umsetzung der Bindung ab, ist seine Stimmabgabe gleichwohl wirksam.95) Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Stimmabgabe ihrerseits rechtswidrig, z. B. treuwidrig ist. Nur dann ist der Beschluss anfechtbar. Auch eine abredewidrige Stimmausübung tangiert den Beschluss nicht. Sie bewirkt insbesondere nicht seine Anfechtbarkeit. Dies folgt schon aus dem Rechtsgedanken des § 137 Satz 1 BGB. Die abredewidrige Stimmausübung stellt allein eine Verletzung des Stimmbindungsvertrages dar und führt ggf. zu einer Schadensersatzpflicht in diesem Verhältnis. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz soll nach der in der Rechtsprechung mehrheitlich vertretenen Auffassung jedoch dann gelten, wenn sich sämtliche Gesellschafter in dieser Weise gebunden haben und diese Bindung missachtet haben.96) Diese Auffassung kann nicht überzeugen. Sie vermengt zum einen die kooperationsrechtliche mit der schuldrechtlichen Ebene und kann auch sachlich nicht überzeugen.97) Zwar _____________ 92) Statt aller OLG Frankfurt/M., NZG 2000, 378 (LS). 93) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 115; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 42 jew. m. w. N. 94) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 48; Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 93. 95) Einh. M., vgl. nur Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 117; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 47 Rn. 20. 96) BGH, NJW 1983, 1910 f = ZIP 1983, 297 = GmbHR 1983, 196; BGH, NJW 1987, 1890, 1892 = ZIP 1987, 293 = GmbHR 1987, 94, dazu EWiR 1987, 53 (Riegger); OLG Hamm, GmbHR 2000, 673 = NZG 2000, 1036; aus der Literatur etwa Baumbach/Hueck-Zöllner/ Noack, GmbHG, § 47 Rn. 118 m. w. N.; zu den abweichenden Stimmen vgl. Fn. 97. 97) Zutreffend z. B. OLG Stuttgart, BB 2001, 794, 797 = DB 2001, 854 = NZG 2001, 416; Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 92; Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 47 Rn. 75; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 47 Rn. 24; Ulmer, NJW 1987, 1849; Goette in: Henze/Timm/Westermann, Gesellschaftsrecht, S. 113, 120 ff; M. Winter, ZHR 154 (1990) 259, 268 ff; Hoffmann-Becking, ZGR 1994, 442, 450.

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sind die Gesellschafter verpflichtet den vertragsgemäßen Zustand herzustellen, sodass für die h. M. immerhin ein prozessökonomischer Vorteil streitet. Jedoch kann diese Auffassung nicht plausibel erklären, wieso es auf alle Gesellschafter und nicht etwa nur auf eine Bindung von Gesellschaftern mit der im Einzelfall erforderlichen Mehrheit ankommen soll. Bei einer zulässigen Stimmbindung ist zwischen der materiellen Verpflichtung des Gesellschafters und der prozessualen Durchsetzung und Vollstreckung dieses Anspruchs aus dem Stimmbindungsvertrag zu unterscheiden. Verletzt der gebundene Gesellschafter den Vertrag, macht er sich zum einen nach § 280 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig. Dieser Schadensersatzanspruch ist auch auf Naturalrestitution und zum anderen auf künftige Unterlassung gerichtet. Die früher bestehenden Bedenken gegen eine zwangsweise Durchsetzung im Wege der Leistungsklage und Vollstreckbarkeit sind zu Recht überholt.98) Auch die Unklarheiten hinsichtlich der Art und Weise der Zwangsvollstreckung dürften in Anschluss an BGHZ 48, 163 überwunden sein. Die Zwangsvollstreckung richtet sich nach § 894 ZPO, soweit die Stimmbindung auf ein bestimmtes Abstimmungsverhalten gerichtet ist.99) Mit Rechtskraft des Urteils wird die abzugebende Stimme ersetzt, nicht etwa der Beschluss herbeigeführt.100) Hierfür müssen ggf. weitere Wirksamkeitsvoraussetzungen, wie die notarielle Beurkundung bei einem Satzungsänderungsbeschluss, vorliegen. Begründet die Bindung ein bloßes Stimmverbot, z. B. einer Gewinnentnahme zuzustimmen, ist der insoweit bestehende Unterlassungsanspruch nach § 890 ZPO zu vollstrecken.

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Sehr streitig ist die Möglichkeit der Einholung einstweiligen Rechtsschutzes. Während eine Auffassung dies pauschal mit dem Hinweis auf das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache verneint,101) will eine andere Ansicht wegen eines höherrangigen Interesses an einer wirksamen Rechtsdurchsetzung einstweiligen Rechtsschutz stets gewähren.102) Richtigerweise ist zu differenzieren. Zielt die Klage auf das Gebot, in einer genau bestimmten Weise abzustimmen, hat es mit dem Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache sein Bewenden. Richtet sich der Antrag aber nur auf ein Verbot, in einer näher festgelegten, abredewidrigen Weise abzustimmen, kann einstweiliger Rechtsschutz ohne Vorwegnahme der Hauptsache gewährt werden, soweit mit dem Aufschub der Beschlussfassung nicht endgültige Verhältnisse geschaffen

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_____________ 98) Vgl. statt aller BGHZ 48, 163, 169 ff = GmbHR 1968, 99 = DB 1967, 1495; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 87 m. w. N. auch zu früher abw. Rspr. des RG. 99) Statt vieler BGHZ 48, 163, 173 f = GmbHR 1968, 99 = DB 1967, 1495; OLG Köln, GmbHR 1989, 76, 77 = ZIP 1988, 1122 = WM 1988, 974, dazu EWiR 1988, 1001 (Priester); Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 88; Zöllner, ZHR 155 (1991) 168, 186 f. 100) BGH, ZIP 1989, 1261 = GmbHR 1990, 68 = NJW 1989, 2697, dazu EWiR 1989, 1037 (Kirberger); Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 120; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 88. 101) OLG Celle, GmbHR 1981, 264; OLG Frankfurt/M., ZIP 1982, 180 = GmbHR 1982, 237 = WM 1982, 282; KG Berlin, GmbHR 1997, 175; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 120. 102) OLG Frankfurt/M., GmbHR 1993, 161 f; OLG Hamm, GmbHR 1993, 163 m. Anm. Michalski = DB 1992, 2129; OLG Stuttgart, GmbHR 1997, 312 f; Michalski/Heidinger/ Leible/J. Schmidt-Römermann, GmbHG, § 47 Rn. 549; Zutt, ZHR 155 (1991) 190, 199 ff.

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werden.103) Im zuletzt genannten Fall ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, sodass einstweiliger Rechtsschutz nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt.104) IV. Umfang des Stimmrechts (Stimmkraft, Abs. 2) 31

Die Stimmkraft bemisst sich nach der Höhe der Kapitalbeteiligung. Seit dem 1.11.2008 gewährt jeder Euro eines Geschäftsanteils eine Stimme. Zuvor vermittelten je 50 € eine Stimme. Die Neuregelung korrespondiert mit der Absenkung des Mindestnennbetrages je Anteil auf einen Euro durch das MoMiG in § 5 Abs. 2 Satz 1.105) Damit sind Schwierigkeiten im alten Recht beseitigt, die vor allem durch die EuroUmstellung bei sog. Übergangsgesellschaften verursacht worden waren (§ 1 Abs. 2 Satz 2 EGGmbHG).106) Vor 1999 vermittelten 100 DM je Geschäftsanteil eine Stimme. Allerdings gibt es Altgesellschaften, die vor dem 1.1.1999 eingetragen wurden,107) deren Kapital weiterhin auf DM lautet, vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 EGGmbHG (§ 86 Abs. 1 Satz 2 a. F. GmbHG), für die weiterhin Absatz 2 i. d. F. vor der Euroumstellung maßgeblich ist.108) Gerade diesen Altgesellschaften wird durch die Neuregelung in §§ 5 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 2 die Umstellung auf Euro erleichtert.

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Absatz 2 ist dispositives Recht. Vor November 2008 wurde ein Anwendungsfall darin gesehen, von der Stimmkraft pro 50 € nach unten abzuweichen. Hierfür dürfte im neuen Recht kein Bedarf mehr bestehen. Auch ist fraglich, ob eine Stimmkraft nach Cent-Beträgen zulässig wäre, da mit der Neuregelung in § 5 Abs. 2 zum Ausdruck kommt, dass eine Cent-Stückelung gerade nicht gewollt ist. Möglich bleiben aber weiterhin Abweichungen nach oben, bis hin zu einer Abstimmung nach Köpfen.109) Zulässig sind weiterhin – wie in der AG (§ 134 Abs. 2 Satz 1 AktG) – Höchststimmrechte oder Stimmrechtsabstufungen.110) Die nachträgliche Einführung bedarf wegen der damit verbundenen Ungleichbehandlung jedoch der Zustimmung aller Gesellschafter.111) Die Schaffung von Mehrstimmrechten unterliegt anders als im Aktienrecht (§ 12 Abs. 2 AktG) keinem Verbot.112) Ihre nachträgliche Einführung _____________ 103) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 90; grundlegend v. Gerkan, ZGR 1985, 167, 187 ff; der Sache nach auch Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 59. 104) Zu den Voraussetzungen „eindeutige Rechtslage“ oder „besonders schwerwiegende Beeinträchtigung berechtigter Interessen des Verfügungsklägers“, vgl. OLG Frankfurt/M., GmbHR 1993, 161; OLG Hamm, GmbHR 1993, 163 m. Anm. Michalski = DB 1992, 2129; OLG München, GmbHR 1999, 718, 719; OLG Stuttgart, GmbHR 1997, 312 f; ausführl. zum Ganzen auch Nietsch, GmbHR 2006, 393, 395 ff. 105) Ausführl. dazu Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, § 5 Rn. 20 ff. 106) Vgl. dazu etwa Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 95 ff, dort auch zu Problemen mit § 44 Abs. 4 Satz 2 DMBG aus der Währungsumstellung 1948. 107) Oder deren Eintragungsantrag vor dem 1.1.1999 gestellt und deren Eintragung ins Handelsregister vor dem 31.12.2001 erfolgt ist. 108) Zu den Einzelheiten vgl. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 1 EGGmbHG Rn. 7 f. 109) Einh. M., vgl. nur Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 97. 110) Immenga/Werner, GmbHR 1976, 53, 54; Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 97. 111) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 98; Baumbach/HueckZöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 68; Drescher in: MünchKomm-GmbHG, § 47 Rn. 126; a. A. – für die AG – BGHZ 70, 117, 121 ff = NJW 1978, 540. 112) BayObLG, DNotZ 1986, 373, 375 f = ZIP 1986, 303 = GmbHR 1986, 87, dazu EWiR 1986, 167 (Fleck); OLG Frankfurt/M., GmbHR 1990, 79, 80; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 68.

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bedarf jedoch ebenfalls der Zustimmung aller Beteiligten113) und ist deshalb praktisch kaum möglich. – Zu stimmrechtslosen Anteilen siehe Rn. 21. V. Ausübung des Stimmrechts, Stimmrechtsvollmacht (Abs. 3) 1.

Überblick

Für die Art und Weise der Stimmrechtsausübung enthält Absatz 3 nur eine Teilregelung. Grundsätzlich ist das Stimmrecht persönlich in der Gesellschafterversammlung auszuüben, soweit sich aus § 48 Abs. 2 nicht Abweichendes ergibt. Das Stimmrecht ist grundsätzlich einheitlich auszuüben (siehe Rn. 10). Kann der Gesellschafter es aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht selber ausüben, kommt eine Ausübung durch einen Amtswalter (siehe Rn. 20) oder durch seinen gesetzlichen Vertreter in Betracht (siehe Rn. 34). 2.

Stimmrechtsausübung durch gesetzliche Vertreter und Betreuer

Organschaftliche Vertretung ist notwendig, wenn der Geschäftsanteil von einer juristischen Person oder von einer Gesamthandsgesellschaft gehalten wird. Die Einzelheiten ergeben sich aus dem jeweiligen Gesellschaftsrecht der beteiligten Gesellschaft (sog. Drittgesellschaft). Ist dort Gesamtvertretung angeordnet, sind die Organe bzw. geschäftsführenden Gesellschafter in der zur Vertretung erforderlichen Zahl zuzulassen.114) Darin liegt – anders als bei der rechtsgeschäftlichen Bestellung mehrerer Bevollmächtigter mit Gesamtvertretung (dazu siehe Rn. 40) – kein Fall der unzulässigen Duplikation des Teilnahmerechts. Die Satzung kann jedoch Abweichendes bestimmen.115) Entsprechendes gilt für gesetzliche Vertreter nach §§ 1626, 1629 BGB oder den Betreuer (§ 1903 BGB).116) Verfügt ein beschränkt geschäftsfähiger Gesellschafter über eine Ermächtigung des Familiengerichts gemäß § 112 BGB, kann er selbst abstimmen. 3.

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Stimmrechtsausübung durch Bevollmächtigte (Abs. 3)

a) Grundsatz und Zulässigkeit Aus Absatz 3, der nur die Form der Vollmacht für eine Stimmrechtsausübung regelt, ergibt sich, dass eine rechtsgeschäftliche Vertretung bei der Stimmrechtsausübung grundsätzlich zulässig ist. Anderes gilt für die Stimmrechtsausübung durch einen Boten, der nur die Stimme des Gesellschafters überbringt.117) Demgegenüber gibt der Vertreter eine eigene Willenserklärung im fremden Namen ab. Allerdings kann die _____________ 113) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 98; Baumbach/HueckZöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 68; im Grundsatz auch OLG Frankfurt/M., GmbHR 1990, 79, 80. 114) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 118. 115) BGH, GmbHR 1989, 120, 121 = ZIP 1989, 634 = DB 1989, 272, dazu EWiR 1989, 271 (Roth). 116) Einzelheiten bei A. Jäger, DStR 1996, 108 ff. 117) Sie muss durch die Satzung ausdrücklich zugelassen werden, da die Stimmabgabe durch einen Boten weder von Absatz 3 noch von § 48 Abs. 2 gedeckt ist, vgl. Baumbach/HueckZöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 56; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 78; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 116; Drescher in: MünchKommGmbHG, § 47 Rn. 119. Selbst das Ad-hoc-Einverständnis der übrigen Gesellschafter mit der Stimmübermittlung durch den Boten soll nicht genügen; insoweit abw. aber MichalskiRömermann, GmbHG, § 47 Rn. 383; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 47 Rn. 69, die auf § 48 Abs. 2 abstellen.

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Satzung die Bevollmächtigung zur Stimmabgabe ganz ausschließen oder einschränken, da es sich bei Absatz 3 um dispositives Recht handelt. Üblich ist vor allem eine Beschränkung des Personenkreises, der zum Bevollmächtigten bestellt werden darf (siehe Rn. 38). Untervollmachten sind von Absatz 3 ebenfalls gedeckt, allerdings muss auch die Unterbevollmächtigung mindestens der Textform (siehe Rn. 37) genügen. In der Gesellschafterversammlung müssen auf Verlangen beide Vollmachtsurkunden vorgelegt werden. Ob der erste Bevollmächtigte überhaupt eine Untervollmacht erteilen darf, ist eine Frage des Innenverhältnisses zum Vollmachtgeber.118) 36

Als Vollmachtsarten kommen neben der rechtsgeschäftlichen Einzelvollmacht aus § 167 BGB sowohl die Generalvollmacht als auch die handelsrechtlichen Vollmachtsformen der Prokura oder Handlungsvollmacht in Betracht. Letztere aber nur, sofern ein Kaufmann an einer GmbH beteiligt ist und die Beteiligung zum Betriebsvermögen zählt. Die Stimmrechtsvollmacht darf nach zutreffender, ganz überwiegender Auffassung jedoch nicht unwiderruflich ausgestaltet sein.119) Eine unwiderrufliche verdrängende Vollmacht ist mit Blick auf das Abspaltungsverbot (siehe Rn. 18) unwirksam, lässt sich aber ggf. in eine widerrufliche Vollmacht nach § 140 BGB umdeuten.120) Noch zulässig dürfte aber eine „unwiderrufliche“ Vollmacht sein, die mit Ablauf des Grundverhältnisses erlischt, sofern dies jederzeit oder zumindest aus wichtigem Grund kündbar ist.121) Großzügiger wird jedoch mit unwiderruflichen Vollmachten des Treuhänders an den Treugeber verfahren.122) b) Erteilung und Widerruf

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Die Erteilung und der Widerruf einer Stimmrechtsvollmacht richten sich nach den allgemeinen Vorgaben in den §§ 167 ff BGB. Insoweit ist auf das bürgerlich-rechtliche Schrifttum zu verweisen. Absatz 3 verlangt allerdings abweichend von § 167 BGB, dass die Vollmacht zumindest mittels Textform i. S. d. § 126b BGB (Schriftform, Fax, E-Mail) erteilt werden muss.123) Bei der Vorgabe in Absatz 3 handelt es sich um eine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Vollmacht, nicht lediglich um ein Legitimationsmittel.124) Rechtspolitisch wäre die Ausgestaltung als bloßes Legitimationsmit_____________ 118) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 53. 119) BGH, NJW 1952, 178, 179 – zur KG; BGH, GmbHR 1977, 244, 246 = DB 1976, 2295 = WM 1976, 1247 – zur GmbH; BGH, NJW 1987, 780 f = ZIP 1987, 165 = DB 1987, 424 – zur AG; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 47 Rn. 28. 120) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 47 Rn. 28 m. w. N. 121) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 83; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 47 Rn. 55; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 50 m. w. N.; strenger Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 101, so wohl auch Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 47 Rn. 24. 122) BGH, GmbHR 1977, 244, 246 = DB 1976, 2295 = WM 1976, 1247; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 83; Saenger/Inhester-Bergjan, GmbHG, § 47 Rn. 17. 123) Zu den Einzelheiten ist auf die Erläuterungen zu § 126b BGB zu verweisen; vgl. aber auch Saenger/Inhester-Bergjan, GmbHG, § 47 Rn. 19, der ein Original fordert und § 174 Satz 1 BGB anwenden will. 124) So die h. M. BGHZ 49, 183, 194 = GmbHR 1968, 51 = DB 1968, 347; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 47 Rn. 29; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 51; Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 105; a. A. LG Berlin, GmbHR 1996, 50, 51; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Ganzer, GmbHG, § 47 Rn. 54; ScholzK. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 85; K. Schmidt, GmbHR, 2013, 1177, 1180 ff.

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tel zwar genügend (so § 82 Abs. 2 RegE GmbHG 1971). Der Wortlaut ist allerdings eindeutig und bildet somit eine Auslegungsgrenze. Auch bei der Reform des Absatzes 3 im Jahre 2001 (Ersetzung der Schriftform durch Textform) hat der Gesetzgeber keinen Anlass gesehen, von der bisherigen Konzeption abzuweichen. c) Person des Bevollmächtigten Der Gesellschafter ist grundsätzlich frei, wen er zum Bevollmächtigten bestellt. Allerdings kann aus der gesellschaftsrechtlichen Treupflicht eine Beschränkung folgen, etwa keinen Konkurrenten auszuwählen oder eine Person, die sich mit der Gesellschaft oder anderen Gesellschaftern überworfen hat und deshalb für die übrigen Gesellschafter unzumutbar ist.125) Ein solcher Vertreter kann zurückgewiesen werden. Allerdings führt eine unberechtigte Zurückweisung dazu, dass gefasste Beschlüsse anfechtbar sind, weshalb in der Praxis Vorsicht geboten ist. Daneben kann die Satzung den Kreis der zulässigen Personen begrenzen. Üblich ist vor allem eine Beschränkung auf bestimmte Berufsgruppen, wie bspw. rechts- und steuerberatende Berufe126) oder teilweise auch auf Mitgesellschafter.127) Allerdings müssen im zuletzt genannten Fall Dritte akzeptiert werden, sofern die Bevollmächtigung eines Mitgesellschafters unzumutbar ist, da bspw. das Vertrauensverhältnis zerrüttet ist.128)

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Wird ein Mitgesellschafter zum Bevollmächtigten bestellt, aber auch darüber hinaus, stellt sich die Frage, ob § 181 BGB anwendbar ist. Seine Anwendung auf Gesellschafterbeschlüsse und die Stimmabgabe ist lange Zeit sehr umstritten gewesen. Heute kann als geklärt gelten, dass § 181 BGB nur insoweit verdrängt ist, als Absatz 4 eine speziellere Regelung darstellt. Mit anderen Worten: § 181 BGB ist insoweit verdrängt, als er darauf abzielt, Interessenkonflikte zu vermeiden. Jenseits dieses Schutzzweckes bleibt § 181 BGB anwendbar.129) Denkbar ist eine Kollision mit § 181 BGB nicht nur, wenn ein Bevollmächtigter mehrere Gesellschafter vertritt (Mehrfachvertretung), sondern auch, wenn der Stimmvertreter für einen Beschluss stimmt, der ihn selbst betrifft. Paradigmatisch ist die Stimmrechtsvertretung für einen Beschluss, durch den der Vertreter zum Geschäftsführer bestellt werden soll.130) Schließlich wird von einer Ansicht bereits die einfache Bestellung eines Mitgesellschafters zum Bevollmächtigten generell als Anwendungsfall des Insichgeschäfts i. S. d. § 181 BGB betrachtet, da der Gesellschafter für sich selbst wie für den Vollmachtgeber abstimme.131)

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_____________ 125) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 108 m. w. N. 126) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 97; Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 108, Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 45. 127) RGZ 80, 385, 388. 128) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 45. 129) Vgl. zum Diskussionsstand etwa Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 120 ff; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 60 ff jew. m. w. N. 130) Vgl. nur BGHZ 51, 209, 217 ff = GmbHR 1970, 119 = DB 1969, 299: Testamentsvollstrecker stimmt als Amtswalter für die Bestellung seiner Person zum Geschäftsführer: kein Stimmrecht. Vgl. aber auch Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 123: Diese Lücke des Absatzes 4 sei durch dessen analoge Anwendung und nicht durch Rückgriff auf § 181 BGB zu schließen. 131) Hachenburg-Schilling, GmbHG, 7. Aufl. 1979, § 47 Rn. 39 ff, 44. Demgegenüber lehnte die ältere Rspr. (z. B. BGHZ 33, 189, 191) die Anwendung des § 181 BGB ganz ab, da sie den rechtsgeschäftlichen Charakter des Beschlusses leugnete.

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Dies gilt nach einer anderen Ansicht zumindest dann, wenn der Beschluss die Satzung als die gemeinsame rechtsgeschäftliche Basis verändere oder in vergleichbarer Weise auf die Grundlagen der Gesellschaft einwirke.132) Dieser Auffassung ist angesichts des rechtsgeschäftlichen Charakters des Beschlusses (siehe Rn. 3) zuzustimmen. Im Interesse der Rechtssicherheit ist der Kreis der Grundlagengeschäfte aber klein zu halten. Die Auflösung und die Feststellung des Jahresabschlusses fallen nicht hierunter;133) erst recht nicht einfache Geschäftsführungsbeschlüsse.134) Letztendlich entschärft sich die Kontroverse um die Anwendbarkeit des § 181 BGB vor allem dadurch, dass der bevollmächtigte Gesellschafter auch konkludent mit der Vollmachtserteilung von § 181 BGB befreit werden kann. Demgegenüber kann die Satzung nicht von § 181 BGB dispensieren.135) d) Mehrere Bevollmächtigte 40

Dem Gesellschafter ist es unbenommen mehrere Bevollmächtigte zu bestellen. Allerdings kann er hierdurch sein Teilnahmerecht nicht duplizieren. Er muss also im Innenverhältnis regeln, welcher der Bevollmächtigten wann zum Einsatz kommen soll. Erscheinen in der Gesellschafterversammlung mehrere Bevollmächtigte als Einzelvertreter, kann der Versammlungsleiter entweder das Prioritätsprinzip anwenden, sie alle zurückweisen, sie auffordern mit dem Gesellschafter Rücksprache zu nehmen, wer ihn vertreten soll, oder selbst eine Auswahl vornehmen, wobei das vermeintliche Interesse des Gesellschafters zu wahren ist.136) Allerdings kann die Satzung die Teilnahme aller Vertreter zulassen. Erscheinen mehrere Vertreter mit Gesamtvertretungsmacht, müssen sie einander Untervollmacht erteilen, sodass nur ein Vertreter teilnehmen kann. Erscheint der Gesellschafter mit seinem Vertreter, so braucht die Gesellschaft den Vertreter nicht zuzulassen. 4.

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Stimmrechtsausübung durch Vertreter ohne Vertretungsmacht

Wer ohne Bevollmächtigung oder aufgrund einer nach Absatz 3 formunwirksamen bzw. aus sonstigen Gründen unwirksamen Vollmacht in einer Gesellschafterversammlung abstimmt, handelt als Vertreter ohne Vertretungsmacht (§§ 177, 179 BGB). Hinsichtlich der Rechtsfolgen sind drei Fallgruppen zu unterscheiden: –

Erstens: Erkennt der Versammlungsleiter das Fehlen oder die Unwirksamkeit der Vollmacht, kann er den Vertreter zurückweisen, ohne die Gesellschafterversammlung vertagen zu müssen.



Zweitens: Wird der Mangel der Vertretungsmacht zwar erkannt oder bestehen über die Wirksamkeit zumindest Zweifel, und wird der Vertreter ohne Vertre-

_____________ 132) So im Anschluss an BGHZ 65, 93, 97 ff = NJW 1976, 49 = BB 1975, 1452 – zur Personengesellschaft – die heute ganz überwiegende Meinung auch im GmbH-Recht, vgl. Ulmer/ Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 124 f m. w. N. 133) BGHZ 52, 316, 318 – Jahresabschluss; Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 126 m. w. N. der Kasuistik. 134) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 60. 135) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 182; Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 128; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 47 Rn. 37. 136) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, § 47 Rn. 109; ähnl. Baumbach/Hueck-Zöllner/ Noack, GmbHG, § 47 Rn. 48.

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tungsmacht gleichwohl zugelassen, so ist seine Stimmabgabe schwebend unwirksam. Der Versammlungsleiter darf in dieser Situation – insbesondere wenn es auf die Stimmabgabe für das Erreichen der Mehrheit ankommt – keine bindende Feststellung des Beschlusses vornehmen, sondern muss auf den Schwebezustand hinweisen. War die schwebend unwirksame Stimmabgabe für das Zustandekommen des Beschlusses relevant, ist auch dieser schwebend unwirksam. Die Wirksamkeit der Stimmabgabe – und somit ggf. des Beschlusses – hängt nunmehr von der Genehmigung137) durch den Gesellschafter ab, die zurückwirkt (§§ 180 Satz 2, 177 Abs. 1, 184 BGB).138) Versammlungsleiter bzw. Geschäftsführer können den Gesellschafter aber zur Genehmigung gemäß § 177 Abs. 2 BGB auffordern, mit der Folge, dass diese nur binnen zweier Wochen gegenüber der Gesellschaft vorgenommen werden kann und anderenfalls als verweigert gilt. –

Drittens: Wird die fehlende Vertretungsmacht nicht erkannt und stimmt der zugelassene falsus procurator mit ab, sodass die Stimmabgabe mitgezählt wird, unterliegt der festgestellte Beschluss der Anfechtung soweit es auf die Stimmabgabe des vollmachtlosen Vertreters ankam (Relevanztheorie, siehe Rn. 75). Allerdings entfällt der Anfechtungsgrund, wenn der betroffene Gesellschafter die Stimmrechtsabgabe doch noch genehmigt. Eine bereits erhobene Anfechtungsklage ist dann als unbegründet zurückzuweisen.139)

VI. Stimmrechtsausschluss wegen Interessenkollision (Abs. 4) 1.

Überblick und Normzweck

Absatz 4 knüpft an das Verbot des Richtens in eigener Sache sowie an das Insichgeschäft ein Stimmverbot und bezweckt damit die „interne Richtigkeitsgewähr“ der verbandsinternen Willensbildung, die sich frei von Sonderinteressen des Gesellschafters vollziehen soll. Adressaten dieses Schutzes sind die Mitgesellschafter in ihrer Gesamtheit.140) Gläubigerschutz ist allenfalls ein Regelungsreflex. Das Gesetz geht davon aus, dass die „Richtigkeitsgewähr“ der Willensbildung mit einem Ausschluss vom Stimmrecht erreicht werden kann. Das Teilnahmerecht des durch eine Interessenkollision befangenen Gesellschafters bleibt unberührt. Er kann also auf das Abstimmungsverhalten der übrigen Gesellschafter Einfluss nehmen. Andererseits dient das verbleibende Teilnahmerecht aber auch dazu, seine Sichtweise der Dinge darzulegen und sich über das Ergebnis der Willensbildung zu informieren. _____________ 137) Die Genehmigung ist formfrei möglich, vgl. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 55; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 87; Drescher in: MünchKomm-GmbHG, § 47 Rn. 118; so jetzt auch Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 47 Rn. 57; und gilt auch in der Einpersonen-GmbH, vgl. OLG Frankfurt/M., GmbHR 2003, 415 = DB 2003, 654 = NZG 2003, 438; OLG München, DB 2010, 2438 f = ZIP 2011, 772 = GmbHR 2011, 91. 138) OLG Frankfurt/M., GmbHR 2003, 415 = DB 2003, 654 = NZG 2003, 438; auch für den Fall einer Einpersonen-GmbH: OLG München, DB 2010, 2438 f = ZIP 2011, 772 f = GmbHR 2011, 91; einschränkend OLG Celle, ZIP 2007, 631, 632 = GmbHR 2007, 318 = DB 2007, 1128 (bedenklich). 139) RG, KW 1943, 2908; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 87, der zu Recht darauf hinweist, dass der Kläger die Klage dann aus Kostengründen für erledigt erklären sollte. 140) Statt vieler OLG Brandenburg, GmbHR 2001, 624, 626 = NJW-RR 2001, 1185 = DStR 2002, 229; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 100.

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Die Fixierung des Normzwecks ist auch von daher wichtig, als dass Absatz 4 stets dann keine Anwendung findet, wenn ein Interessenkonflikt ausscheidet. Dies ist nach heute einhelliger Auffassung in der Einpersonengesellschaft141) ebenso der Fall, wie bei gleichmäßiger Befangenheit aller Gesellschafter in der Mehrpersonengesellschaft. In beiden Fällen wäre anderenfalls eine Willensbildung nicht möglich und eine Richtigkeitsgewähr durch Statuierung des Stimmausschlusses kommt nicht in Betracht. Anderenfalls würde man fortlaufend zu stimmlosen Beschlüssen kommen.142) In der Mehrpersonengesellschaft greift der Ausschluss infolge gleichmäßiger Befangenheit allerdings dann nicht, wenn der Beschlussantrag teilbar wäre und somit ein selbständiger Teilbeschluss möglich bliebe, bei dem nicht alle Gesellschafter befangen sind (zur Befangenheit mehrerer Gesellschafter siehe Rn. 47).143) Auch dies ergibt sich unmittelbar aus dem Normzweck. In Konzernbeziehungen ist Absatz 4 grundsätzlich anwendbar, der Abschluss eines Beherrschungsvertrages dispensiert allerdings.144)

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Vor die Klammer zu ziehen ist schließlich das Verhältnis zu § 181 BGB. Insoweit war immer unstreitig, dass Absatz 4 die speziellere Norm ist und § 181 BGB verdrängt. Allerdings hat sich zwischenzeitlich zu Recht die Erkenntnis durchgesetzt, dass § 181 BGB jenseits des Anwendungsbereichs des Absatzes 4, also namentlich im Bereich der Stimmrechtsvertretung, anwendbar bleibt (siehe Rn. 39). 2.

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Abdingbarkeit in der Satzung

Die früher vorherrschende Auffassung hielt die Regelung zur Vermeidung von Interessenkollisionen in Absatz 4 insgesamt für dispositives Recht.145) Demgegenüber differenziert die heute herrschende Lehre.146) Soweit Absatz 4 ein Stimmverbot bezüglich des Verbots des Richtens in eigener Sache (Entlastung oder Befreiung von einer Verbindlichkeit und vergleichbare Fälle, siehe Rn. 50 ff) statuiert und sofern es um Erleichterungen von den gesetzlichen Vorgaben geht, ist das Stimmverbot satzungsfest.147) Strengere Erfordernisse kann die Satzung hingegen aufstellen. Im Bereich der Insichgeschäfte (Vornahme eines Rechtsgeschäfts, Rechtsstreitigkeiten) kann das Stimmverbot hingegen vollständig abbedungen werden.148) _____________ 141) BGHZ 105, 324, 333 = ZIP 1989, 29 m. Anm. Kort = GmbHR 1989, 25, dazu EWiR 1989, 59 (Schulze-Osterloh); BGH, NZG 2011, 950 f = ZIP 2011, 1508 = AG 2011, 702; BayObLG, GmbHR 1985, 116 = DB 1984, 1517 = WM 1984, 1570; aus dem Schrifttum etwa Grohmann, GmbHR 2008, 1255 ff. 142) Dazu ausführl. – insbesondere zur Einpersonen-GmbH – Casper in: FS Hüffer, S. 111, 123 ff. 143) Heute einh. M., vgl. nur Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 47 Rn. 33; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 135; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 106 m. w. N. 144) Vgl. nur OLG Stuttgart, NZG 1998, 601, 603 = AG 1998, 585 = GmbHR 1998, 943 (LS) m. w. N. 145) Vgl. nur RGZ 122, 159, 162; aus neuerer Zeit auch noch Bacher, GmbHR 2001, 133, 135 ff. 146) Hierzu Peters/Strothmann in: FS Meilicke, S. 511, 523 ff; Priester, GmbHR 2013, 225, 230 ff; a. A. – Absatz 4 sei insgesamt satzungsfest – Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 47 Rn. 94 ff. 147) BGHZ 108, 21, 37 = ZIP 1989, 913 = GmbHR 1989, 329, dazu EWiR 1989, 1103 (Roth); OLG Düsseldorf, GmbHR 2000, 1050, 1053 = DB 2000, 1956 = NZG 2000, 1135; OLG Stuttgart, GmbHR 1995, 231 (LS). 148) OLG Hamm, NZG 2003, 545, 546 = GmbHR 2003, 415 = NJW-RR 2003, 616; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 47 Rn. 33.

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Bei Entlastungsbeschlüssen wird neuerdings danach differenziert, ob die Entlastung lediglich eine Vertrauensbekundung sei bzw. kein wichtiger Grund dafür vorliege, die Entlastung zu verweigern (dann abdingbar) oder ob es um einen wirklichen Verzicht von Regressforderungen gehen würde (dann satzungsfest).149) Eine derartige Differenzierung ist mit Blick auf die Rechtssicherheit problematisch, da der Versammlungsleiter im Einzelfall schwerwiegende materielle Abwägungen, wie das Fehlen eines wichtigen Grundes, vornehmen müsste. 3.

Subjektiver Anwendungsbereich und Umgehungsschutz

Absatz 4 ist nicht nur auf Beschlüsse, die in der Gesellschafterversammlung gefasst werden, sondern auch auf solche anwendbar, die nach § 48 Abs. 2 im Wege des Umlaufverfahrens zustande kommen. In subjektiver Hinsicht wird der Anwendungsbereich mit Blick auf den Normzweck teilweise reduziert, insbesondere bei Einpersonengesellschaften und der gleichzeitigen Befangenheit aller Gesellschafter (siehe Rn. 43). Unter dem Gesichtspunkt des Normzwecks und eines wirksamen Umgehungsschutzes gibt es aber auch zahlreiche Situationen, die Anlass für eine Erweiterung geben. Absatz 4 Satz 1 Halbs. 2 nennt zunächst ausdrücklich den Fall, dass der befangene Gesellschafter sich nicht als gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertreter eines anderen Gesellschafters an der Beschlussfassung beteiligen darf. Umgekehrt gilt entsprechend § 136 Abs. 1 Satz 2 AktG, dass der betroffene Gesellschafter sein Stimmrecht auch nicht durch einen Vertreter ausüben lassen kann.150) Daran ändert sich auch nichts, wenn der Gesellschafter seinem Vertreter keine Weisung erteilt, wie er im Einzelnen abzustimmen habe. Schließlich ist der Vertreter aus dem Innenverhältnis zum Vertretenen (meist §§ 675, 662 ff BGB) verpflichtet, im Interesse des Geschäftsherrn zu handeln. Auch kann der befangene Gesellschafter nicht über Stimmbindungsverträge anderen Gesellschaftern das von ihm gewünschte Ergebnis aufoktroyieren. Schließlich kann Absatz 4 nicht dadurch umgangen werden, dass der befangene Gesellschafter seinen Anteil im Vorfeld der Gesellschafterversammlung flugs im Wege der fremdnützigen Treuhand auf einen Dritten überträgt und sodann den Treuhänder abstimmen lässt.151) Bei gemeinschaftlich begangenen Pflichtverletzungen erfasst das Stimmverbot grundsätzlich alle beteiligten Gesellschafter. Dies gilt auch für Abstimmungen, die sie nicht unmittelbar betreffen.152) _____________ 149) Priester, GmbHR 2013, 225, 231; Drescher in: MünchKomm-GmbHG, § 47 Rn. 211 (begrenzt auf Vertrauenskundgebungen). 150) BGH, GmbHR 2014, 863, 866 = ZIP 2014, 1422 = NZG 2014, 945, dazu EWiR 2014, 613 (Priester) – zum Testamentsvollstrecker; OLG München, GmbHR 1995, 231 = DB 1994, 2544 = NJW-RR 1995, 297; Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 139. 151) Statt vieler BGH, GmbHR 2008, 1092, 1093 m. Anm. Podewils = ZIP 2008, 1818 = NZG 2008, 783; BGH, NJW 1976, 713, 714 = GmbHR 1976, 84 = DB 1976, 713; OLG Saarbrücken, DStR 2007, 916; OLG Düsseldorf, GmbHR 2001, 1049, 1053 f = DB 2001, 2035 = NZG 2001, 991; OLG Hamm, GmbHR 1989, 79 f = DB 1989, 168, dazu EWiR 1989, 269 (Meyer-Landrut). 152) BGHZ 97, 28, 33 = ZIP 1986, 429 = GmbHR 1986, 156, dazu EWiR 1986, 371 (Hommelhoff); bestätigt durch BGH, ZIP 2009, 2194, 2195 Rn. 9 = WM 2009, 2130, 2131 = GmbHR 2009, 1330 m. Anm. Podewils; OLG Stuttgart, GmbHR 2015, 431, 434 (gemeinschaftlich begangene Pflichtverletzung bei Beschluss über den Ausschluss eines der beteiligten Gesellschafter).

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Namentlich für Konzernbeziehungen ist die Ausdehnung auf maßgeblich an der Drittgesellschaft beteiligte Personen (Hintermänner) von Bedeutung. Ist der Gesellschafter einer GmbH bspw. eine juristische Person oder eine Personengesellschaft (Drittgesellschaft), so genügt es für die Anwendung des Absatzes 4, dass nicht die Drittgesellschaft selbst, sondern die hinter ihr stehende, maßgeblich beteiligte Person dem Interessenkonflikt ausgesetzt ist.153) Die maßgebliche Beteiligung richtet sich bei juristischen Personen nach den zu § 17 AktG entwickelten Kriterien.154) Im Personengesellschaftsrecht ist ebenso wie bei anderen Gesamthandsgemeinschaften bzw. der Bruchteilsgemeinschaft zu differenzieren. Gibt es mehrere vertretungsberechtigte Personen, so ist die Abstimmung durch einen nicht befangenen Gesellschafter der Drittgesellschaft möglich, sofern der befangene Gesellschafter nicht seinerseits an der Drittgesellschaft maßgeblich beteiligt ist und auf den nicht befangenen Sozius Einfluss nehmen kann. Schließlich greift Absatz 4 immer dann ein, wenn der befangene Gesellschafter der Drittgesellschaft die allein zur Vertretung berechtigte Person ist.155)

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Liegt der Interessenkonflikt bei der beteiligten juristischen Person (Drittgesellschaft), aber nicht bei der hieran beteiligten Person vor, ist zu unterscheiden. Ist die maßgebliche Person zugleich selbst an der GmbH beteiligt, ist sie grundsätzlich nicht gehindert, ihr eigenes Stimmrecht auszuüben, es sei denn, bei ihr besteht aufgrund der unternehmerischen Beteiligung an der Drittgesellschaft und dem damit verbundenen wirtschaftlichen Interesse ein vergleichbarer Interessenkonflikt. Dies dürfte für maßgeblich beteiligte Personen allerdings regelmäßig zu bejahen sein. Zumindest greift insoweit die Vermutungswirkung der §§ 17, 18 AktG ein.156) Unterliegt schließlich allein das Organmitglied der Drittgesellschaft der Interessenkollision, so ist diese nur dann von ihrem Stimmrecht ausgeschlossen, wenn das Organmitglied maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der Drittgesellschaft hat,157) was bei Alleinorganen stets der Fall ist, bei mehreren Fremdorganen hingegen im Einzelnen darzulegen ist.

_____________ 153) BGHZ 49, 183, 193 f = GmbHR 1968, 51 = DB 1968, 347; BGHZ 51, 209, 219 = GmbHR 1970, 119 = DB 1969, 299; BGHZ 116, 353, 358 = ZIP 1992, 171 = GmbHR 1992, 102, dazu EWiR 1992, 571 (Zimmermann) – Erbengemeinschaft; OLG Brandenburg, GmbHR 2001, 624, 626 = NJW-RR 2001, 1185 = DStR 2002, 229; relativierend für einen zu 50 % stimmberichtigten, aber zu 94 % beteiligten Gesellschafter BGH, ZIP 2012, 917, 920 Rn. 31 ff = NZG 2012, 625; ausführlich zum Ganzen Villeda, AG 2013, 57, 65 ff. 154) So der Sache nach nun auch BGH, ZIP 2009, 2194 f = WM 2009, 2130 f = GmbHR 2009, 1330 m. Anm. Podewils. Anschaulich zu möglichen Konstellationen Villeda, AG 2013, 57, 65 ff. 155) OLG Brandenburg, GmbHR 2001, 624, 626 = NJW-RR 2001, 1185 = DStR 2002, 229; OLG Karlsruhe, NZG 2000, 264, 265; Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 142 ff. 156) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 147 m. w. N.; Baumbach/ Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 99; so jetzt auch Rowedder/Schmidt-LeithoffGanzer, GmbHG, § 47 Rn. 68 unter Aufgabe der früher von Koppensteiner vertretenen Gegenauffassung (Vergleich prozentualer Beteiligungen). 157) OLG Karlsruhe, NZG 2000, 264, 265; OLG Celle, NZG 1999, 1161, 1163; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 144; Hügel/Klepsch, NZG 2005, 905, 908.

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Eine generelle Ausdehnung des Stimmverbots auf nahe Angehörige des Betroffenen (Ehegatte, Abkömmlinge) ist hingegen nicht veranlasst.158) Eine Umgehung oder ein Missbrauch muss vielmehr im Einzelfall dargelegt und nachgewiesen werden. Ein Beispiel kann die Anteilsübertragung kurz vor der Gesellschafterversammlung sein. Insoweit genügt es, dass die Abtretung in der Erwartung erfolgt, der Erwerber werde im Interesse des befangenen Veräußerers abstimmen, eine Stimmbindung oder Weisungsgebundenheit des Erwerbers ist insoweit nicht zwingend vorausgesetzt.159) 4.

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Objektiver Anwendungsbereich (Einzelfälle)

a) Entlastung Das Stimmverbot über die eigene Entlastung gehört zu der Fallgruppe des unerlaubten Richtens in eigener Sache und entfaltet Wirkung mit Blick auf eventuelle Ansprüche aus pflichtwidriger Geschäftsführung näher dazu siehe § 43 Rn. 7 ff [Klöhn]). Die Entlastung kann sich auf die Rolle des Gesellschafters als Geschäftsführer, Aufsichts- oder Beiratsmitglied, Liquidator aber auch als Testamentsvollstrecker, der eine organschaftliche Tätigkeit in der Gesellschaft wahrnimmt, beziehen.160) Erfasst sind die Gesamtentlastung über die Tätigkeit aller Geschäftsführer, aber auch die Einzelentlastung anderer Mitgeschäftsführer.161) Über den Wortlaut des Absatzes 4 Satz 1 Alt. 1 hinaus ist das Stimmverbot auf alle Beschlüsse anzuwenden, die darauf abzielen, das Verhalten des Gesellschafters oder seine Funktion in der Gesellschaft zu billigen oder zu missbilligen.162) Zu diesen sonstigen Fällen zählen insbesondere die Entscheidung über die Kaduzierung oder den Ausschluss bzw. die Einziehung aus wichtigem Grund. Weiterhin ist die Abberufung des Gesellschafter-Geschäftsführers aus wichtigem Grund zu nennen sowie die Kündigung des Anstellungsvertrages aus wichtigem Grund.163) Allerdings muss das Vorliegen des wichtigen Grundes unstreitig sein oder aber objektiv vorliegen, also nicht nur substantiiert behauptet werden. Notfalls ist dessen Vorliegen im Vorfeld mittels einer Feststellungsklage zu klären, was namentlich beim gegenseitigen Zerwürfnis in der Zweipersonen-GmbH mit paritätischer Beteiligung von Bedeutung ist.164) Im Zweifel hat der Versammlungs_____________ 158) Ganz h. M., vgl. nur BGHZ 56, 47, 54 = GmbHR 1971, 254 = BB 1971, 586; BGHZ 80, 69, 71 = ZIP 1981, 399 = GmbHR 1981, 189; BGHZ 153, 285; 291 = ZIP 2003, 395 = GmbHR 2003, 351, dazu EWiR 2003, 329 (Wilhelmi); BGH, ZIP 2011, 1465, 1467 f Rn. 18 ff = GmbHR 2011, 922 m. Anm. Ulrich = NZG 2011, 902, dazu EWiR 2011, 563 (Bungert/Th. Meyer); OLG Stuttgart, GmbHR 2015, 431, 433; a. A. aber wohl Roth/ Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 47 Rn. 141. 159) OLG Düsseldorf, NZG 2001, 991, 993 = GmbHR 2001, 1049 = DB 2001, 2035; Baumbach/ Hueck-Zöllner, GmbHG, § 47 Rn. 101. 160) BGHZ 108, 21 = ZIP 1989, 913 = GmbHR 1989, 329, dazu EWiR 1989, 1103 (Roth). 161) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 77; einschränkend Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 47 Rn. 43 m. w. N. teilw. abw. auch OLG München, DB 1995, 1020 = NJW-RR 1996, 159 = WM 1995, 842, dazu EWiR 1995, 527 (Dreher) – zur AG. 162) BGHZ 97, 28, 33 = ZIP 1986, 429 = GmbHR 1986, 156, dazu EWiR 1986, 371 (Hommelhoff); OLG Düsseldorf, GmbHR 2000, 1050, 1052 = DB 2000, 1956 = NZG 2000, 1135; OLG Jena, GmbHR 2002, 115, 116. 163) BGHZ 86, 177 = ZIP 1983, 155 = NJW 1983, 938; BGH, NJW 1987, 1889; OLG Karlsruhe, NZG 2008, 785, 786. 164) BGHZ 86, 177, 181 = ZIP 1983, 155 = NJW 1983, 938 – zur Zweipersonen-GmbH; OLG Karlsruhe, ZIP 2007, 1319, 1320 (LS); ausführlich dazu Bayer, GmbHR 2017, 665, 668 ff sowie Ensenbach GmbHR 2016, 8, 11 ff m. w. N.

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leiter den umstrittenen Gesellschafter also zuzulassen und die übrigen Gesellschafter auf die Anfechtungsklage zu verweisen (siehe Rn. 60),165) da anderenfalls eine Umkehr der Beweislast zulasten des Abzuberufenen droht.166) 51

Soll der Gesellschafter, der zugleich Versammlungsleiter ist, wegen bei einzelnen Abstimmungspunkten bestehenden Interessenkonflikten vom Amt des Versammlungsleiters abberufen werden, so ist er bei der Abstimmung über diese Abberufung nicht ausgeschlossen.167) b) Befreiung von einer Verbindlichkeit

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Bei der in Absatz 4 Satz 1 Alt. 2 geregelten Befreiung von einer Verbindlichkeit handelt es sich um einen Spezialfall des Insichgeschäfts. Erfasst ist jede vertragliche wie außervertragliche Verbindlichkeit der GmbH gegen den Gesellschafter. Nicht nur der Rechtsgrund ist unerheblich, sondern auch das Fehlen eines Zusammenhangs mit dem Gesellschaftsverhältnis. Erfasst ist auch die Schuld aus einer Bürgschaft zu einer Verbindlichkeit eines Mitgesellschafters gegenüber der GmbH.168) Statutarische Nebenpflichten sind ebenso wenig erfasst wie eine Kapitalherabsetzung bei noch ausstehender Einlageschuld. Der Begriff der Befreiung ist weit auszulegen.169) Neben dem klassischen einseitigen Verzicht und der Aufrechnung ist auch ein negatives Schuldanerkenntnis, ein Vergleich oder eine Stundung erfasst. In einer erweiternden Auslegung ist auch die Beschlussfassung über die Anspruchsdurchsetzung (Geltendmachung) mit in den Anwendungsbereich einzubeziehen.170) c) Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits

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In engem Zusammenhang mit der Befreiung von einer Verbindlichkeit steht die in Absatz 4 Satz 2 Alt. 2 geregelte Fallgruppe der Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits, die ebenfalls eine Ausprägung des Insichgeschäfts darstellt. Erfasst sind nur Rechtsstreitigkeiten der Gesellschaft gegen den Gesellschafter, wobei es genügt, wenn die GmbH auf Klägerseite als Haupt- oder Nebenintervenient oder als Streitverkünder auftritt. Auf die Prozessart kommt es nicht an, auch die Einleitung eines Schiedsverfahrens oder von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ist erfasst. Auch Vorbereitungsmaßnahmen wie die Einholung eines Rechtsgutachtens oder die Einschaltung eines Rechtsanwalts lösen das Stimmverbot aus, teilweise auch schon nach Absatz 4 Satz 1 Alt. 2 (siehe Rn. 52) die Ausdehnung auf die Anspruchsgeltendmachung. Ebenso fallen Prozesse gegen den Gesellschafter-Geschäftsführer in den _____________ 165) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 47 Rn. 55 m. w. N. sowie Ensenbach GmbHR 2016, 8, 11 ff. 166) Darauf zu Recht hinweisend Ensenbach GmbHR 2016, 8, 13 f; der Sache nach auch Bayer, GmbHR 2017, 665, 669. 167) BGH, ZIP 2010, 1640 f Rn. 16 = GmbHR 2010, 977 = NJW 2010, 3027, dazu EWiR 2010, 783 (Penzlin); Werner, GmbHR 2006, 127, 129; a. A. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 120; Hoffmann/Köster, GmbHR 2003, 1327, 1332 f. 168) H. L., vgl. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 47 Rn. 48; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 124; tendenziell abw. OLG München, NZG 1999, 839, 840 – für mittelbare Befreiungen. 169) Statt vieler Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 158; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 47 Rn. 46. 170) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 79, 93.

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Anwendungsbereich; es genügt auch der Vorwurf, dass der Nur-Gesellschafter Pflichtverletzungen gemeinsam mit dem (zunächst) allein verklagten (Fremd-)Geschäftsführer begangen hat.171) Voraussetzung ist allerdings Mittätervorsatz, nicht bloß zufälliges Zusammenwirken.172) Eine weitere Ausdehnung erfährt der Anwendungsbereich durch die Einbeziehung von Prozessen gegen eine Drittgesellschaft, an der der Gesellschafter ebenfalls und zwar maßgeblich (siehe Rn. 47) beteiligt ist.173) Die Einforderung von ausstehenden Einlagen ist hingegen nicht vom Anwendungsbereich des Absatzes 4 Satz 2 Alt. 2 erfasst.174) d) Vornahme eines Rechtsgeschäfts Bei der in Absatz 4 Satz 2 Alt. 1 geregelten Fallgruppe der Vornahme eines Rechtsgeschäfts handelt es sich um die in der praktischen Rechtsanwendung wohl am meisten Bedeutung erlangende Tatbestandsvariante, die ebenfalls eine Ausformung des Insichgeschäfts ist. Der Begriff des Rechtsgeschäfts ist weit auszulegen und erfasst alle einschlägigen bürgerlich-rechtlichen Gestaltungen bis hin zur Kündigung oder der Vornahme rechtsgeschäftsähnlicher Handlungen wie der Mahnung.175) Nach überwiegender Auffassung sind nicht nur Verpflichtungsgeschäfte, sondern auch die dazugehörigen Erfüllungsgeschäfte erfasst.176) Auch die nachträgliche Genehmigung eines schwebend unwirksamen Geschäfts fällt in den Anwendungsbereich der Vorschrift.177) Neben Rechtsgeschäften zwischen Gesellschaft und Gesellschafter sind auch solche mit Dritten erfasst, bei denen der Gesellschafter nur Begünstigter ist, wie eine Bürgschaft der GmbH gegenüber der Hausbank für dortige Verbindlichkeiten des Gesellschafters.178)

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Ungeschriebene Voraussetzung für die Anwendung des Absatzes 4 Satz 2 Alt. 1 ist jedoch das Vorliegen eines sog. Verkehrsgeschäftes, bei dem der Gesellschafter seiner Gesellschaft wie ein Dritter gegenübersteht. Teilweise wird auch von Außengeschäften gesprochen. Nicht erfasst sind sog. Sozialakte.179) Unter diesem nebulösen Begriff versteht man solche Geschäfte mit klar körperschaftlichem Charakter oder zumindest mit einem entsprechenden Einschlag. Man sollte statt von Sozialakten besser _____________

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171) BGHZ 97, 28, 33 f = ZIP 1986, 429 = GmbHR 1986, 156, dazu EWiR 1986, 371 (Hommelhoff); BGH, NZG 2009, 1307, 1308 = ZIP 2009, 2195 = DB 2009, 2427; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 47 Rn. 42. 172) Ähnlich OLG Stuttgart, GmbHR 2015, 431, 434, das bei zwei zusammenwirkenden Gesellschaftern einen eigenen Tatbeitrag jedes Mitgesellschafters fordert. 173) OLG Celle, NZG 1999, 1161, 1163. 174) BGH, NJW 1991, 172, 173 f = ZIP 1990, 1194 = GmbHR, 1990, 452, dazu EWiR 1990, 1097 (Meyer-Landrut); abw. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 93 im Anschluss an Hachenburg, LZ 1907, 469 – erfasst, sofern nicht alle Gesellschafter quotal gleichmäßig aufgefordert werden. 175) Statt aller BGH, NJW 1991, 172, 173 = ZIP 1190, 1194 = GmbHR 1990, 452, dazu EWiR 1990, 1097 (Meyer-Landrut) – Mahnung; KG Berlin, ZIP 2014, 2505 = GmbHR 2014, 1266, dazu EWiR 2015, 311 (Kuhn); Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 47 Rn. 48. 176) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 47 Rn. 48; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 81 jew. m. w. N.; Drescher in: MünchKomm-GmbHG, § 47 Rn. 153. 177) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 92. 178) BGHZ 68, 107, 108 f = GmbHR 1977, 127 = NJW 1977, 850. 179) Vgl. statt aller BGH, ZIP 2011, 1465, 1466 f = GmbHR 2011, 922 m. Anm. Ulrich = NZG 2011, 902, dazu EWiR 2011, 563 (Bungert/Th. Meyer) m. zahlr. w. N.

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von Verbandsakten oder korporativen Geschäften sprechen.180) Die Abgrenzung ist im Einzelnen sehr diffizil, in den Grenzbereichen weiterhin nicht unumstritten und das Fallmaterial ist reichhaltig. Es kann mit Blick auf den hier zur Verfügung stehenden Raum nur skizziert werden, wobei nur auf die wichtigsten Fallgruppen einzugehen ist.181) 56

Unstreitig zu den Verbandsakten zählen: Die Bestellung zum Gesellschaftsorgan (Geschäftsführer, Aufsichtsrat, Beirat) inklusive aller Vergütungs- und sonstigen Anstellungsfragen;182) nicht aber die Anstellung als sonstiger Angestellter (siehe Rn. 57). Auch der Widerruf als Organ zählt hierzu, sofern er nicht aus wichtigem Grund erfolgt (siehe Rn. 50).183) Ebenfalls nicht vom Anwendungsbereich des Absatzes 4 erfasst, ist die Aufforderung zum Einzahlen der Stammeinlage184) (siehe Rn. 52) sowie die Einziehung des Geschäftsanteils,185) es sei denn, diese erfolgt aus wichtigem Grund. Auch die Zustimmung zur Übertragung des eigenen Geschäftsanteils bei Vinkulierung nach § 15 Abs. 5 ist in diesem Zusammenhang zu nennen.186) Erst recht keinem Stimmverbot unterliegen Kapitalerhöhungen oder -herabsetzungen oder sonstige satzungsoder strukturändernde Maßnahmen (insbesondere solche nach dem UmwG).187)

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Unstreitig keine Verbandsakte sind: Anstellung des Gesellschafters als leitender Angestellter, auch dann nicht, wenn Prokura erteilt wird.188) Eine Ausnahme ist nur insoweit denkbar, als die entsprechende Anstellung einem körperschaftlichen Anspruch entspringt, etwa dem Recht in der Satzung, entweder Geschäftsführer oder Prokurist zu werden.189) Ebenso handelt es sich bei der Aufhebung eines Wettbewerbsverbots nicht um einen Verbandsakt.190) Denkbar wäre ein Stimmverbot zudem bei Widerruf der Prokura aus wichtigem Grund.191) _____________ 180) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 110. 181) Umfassendere Darstellungen bei Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 166 ff; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 110 ff; Baumbach/Hueck-Zöllner/ Noack, GmbHG, § 47 Rn. 81 ff. 182) BGHZ 18, 205, 210 f = DB 1955, 1062 = NJW 1955, 1716; BGHZ 51, 209, 215 f = GmbHR 1970, 119 = DB 1969, 299; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 83, 86; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 118 jew. m. w. N. 183) Vgl. auch Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 85. 184) BGH, GmbHR 1990, 452, 453 f = ZIP 1990, 1194 = NJW 1991, 172, dazu EWiR 1990, 1097 (Meyer-Landrut). 185) Vgl. auch OLG Stuttgart, GmbHR 2015, 431, 433 f; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 88. 186) H. M., vgl. BGHZ 48, 163, 166 f = GmbHR 1968, 99 = DB 1967, 1495; ScholzK. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 117; Drescher in: MünchKomm-GmbHG, § 47 Rn. 153 – a. A. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 90. 187) Vgl. Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 113 m. w. N. 188) OLG München, Urt. v. 12.1.2017 – 23 U 1994/16, juris, Rn. 85; Baumbach/HueckZöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 87 m. w. N. 189) RGZ 172, 76, 80; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 118 – a. A. Baumbach/HueckZöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 87; Drescher in: MünchKomm-GmbHG, § 47 Rn. 167. 190) BGHZ 80, 69 = ZIP 1981, 399 = GmbHR 1981, 189; ebenso für die Aufhebung eines allgemeinen in der Satzung festgelegten Wettbewerbsverbots OLG Bamberg, NZG 2010, 385 ff = GmbHR 2010, 709. 191) OLG München, Urt. v. 12.1.2017 – 23 U 1994/16, juris, Rn. 85.

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Aus dem umstrittenen Grenzbereich, bei dem eine Anwendung des Stimmverbots bejaht, also das Vorliegen eines Verbandsaktes verneint wird, sind zu nennen: –

Entscheidung über das Verkaufsangebot über den Geschäftsanteil, welches der Gesellschafter der GmbH unterbreitet hat,192)



Anordnung und Durchführung von Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen gegenüber dem Gesellschafter-Geschäftsführer,193) insbesondere die Einleitung einer Sonderprüfung.194)

Ebenfalls umstritten sind folgende Fallgruppen, bei denen aber das Vorliegen eines Verbandsaktes überwiegend bejaht wird: –

Abschluss eines Verschmelzungsvertrages mit einem Gesellschafter,195)



Abschluss196) und Kündigung197) eines Gewinnabführungs- oder Beherrschungsvertrages oder sonstiger Unternehmensverträge.198)

5.

Rechtsfolgen

Die Rechtsfolge eines Stimmverbots liegt in einem Ausschluss vom Stimmrecht. Stimmt der teilnahmeberechtigte Gesellschafter gleichwohl mit ab, darf seine Stimme nicht mitgezählt werden, da die verbotswidrig abgegebene Stimme nach h. M. nichtig ist.199) Wird sie gleichwohl bei der Beschlussfassung berücksichtigt und der Beschluss entsprechend verkündet, ist dieser zwar zunächst wirksam, aber anfechtbar, sofern es auf die zu Unrecht mitgezählte Stimme ankommt (Relevanztheorie, siehe Rn. 75). Ohne Ergebnisfeststellung ist die Feststellungsklage einzureichen. Im Einzelfall kann eine verbotswidrig abgegebene Stimme eine Schadensersatzpflicht des Gesellschafters auslösen, wobei jedoch Abs. 4 nicht als Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB zu qualifizieren ist, sondern ein Anspruch aus der Verletzung eines mitgliedschaftlichen Unterlassungsanspruchs (§ 280 BGB) in Betracht kommt. _____________ 192) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 90; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 116. 193) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 90. 194) Insoweit im Anschluss an Leinekugel GmbHR 2008, 632, 633 ein Stimmverbot bejahend LG Essen, GmbHR 2014, 990 f = ZIP 2014, 1838 (LS), sofern der Gesellschafter von der Sonderprüfung betroffen ist und ihm infolge des Sonderprüfungsberichts Schadenersatzansprüche drohen. 195) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 114 m. w. N.; Drescher in: MünchKomm-GmbHG, § 47 Rn. 171 – a. A. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 90. 196) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 115 – a. A. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 90; Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer-Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 191. 197) BGH, ZIP 2011, 1465 ff = GmbHR 2011, 922 m. Anm. Ulrich = NZG 2011, 902, dazu EWiR 2011, 563 (Bungert/Th. Meyer); Bachmann, WuB C. § 47 GmbHG 1.11 und Beck, GmbHR 2012, 777 jew. m. w. N.; Theiselmann, BB 2011, 2819 ff; Müller-Eising/Schmitt, NZG 2011, 1100; Drescher in: MünchKomm-GmbHG, § 47 Rn. 171 – a. A. Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 97. 198) OLG Hamburg, DB 2000, 314, 315 = NZG 2000, 421 = AG 2001, 91; Rowedder/ Schmidt-Leithoff-Ganzer, GmbHG, § 47 Rn. 92; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 115 – a. A. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 47 Rn. 90; Ulmer/Habersack/LöbbeHüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 47 Rn. 193. 199) OLG Koblenz, NZG 2008, 280 (LS) = DStR 2008, 687 (LS); OLG Düsseldorf, GmbHR 2000, 1050, 1053 = DB 2000, 1956 = NZG 2000, 1135.

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Besonders problematisch ist die Vorgehensweise, wenn im Laufe der Gesellschafterversammlung bzw. in deren Vorfeld Streit darüber aufkommt, ob wirklich ein Grund für einen Stimmrechtsausschluss vorliegt. Insoweit gilt im Grundsatz, dass die Gesellschaft bzw. die Mitgesellschafter substantiiert Tatsachen hierfür vortragen müssen, die wahrscheinlich vorliegen. Dabei kommt dem Versammlungsleiter eine gewisse Einschätzungsprärogative zu, ob er den Gesellschafter ausschließt und ihn somit auf sein Anfechtungsrecht verweist oder ihn zulässt. Wegen des Anfechtungsrisikos wird er ihn im Zweifel zuzulassen haben.200) Strengere Anforderungen gelten allerdings bei besonders bedeutsamen Entscheidungen, die ggf. auch nachhaltig und unmittelbar in die Rechtsstellung des Gesellschafters eingreifen, wie die Einziehung oder der Ausschluss aus wichtigem Grund (siehe Rn. 50). Insoweit müssen die Voraussetzungen objektiv und unzweifelhaft vorliegen, anderenfalls ist im Vorfeld eine Feststellungsklage zu führen. Der betroffene Gesellschafter kann auch im Vorfeld im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes seine Zulassung zur Abstimmung erstreiten, eine Vorwegnahme der Hauptsache liegt hierin nicht.201) VII. Mangelhafte Beschlüsse 1.

Regelungslücke und Analogie der aktienrechtlichen Regelungen

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Das GmbHG enthält seit 1892 keine Vorgaben für die Behandlung mangelhafter Beschlüsse. Die gescheiterte GmbH-Reform von 1969/1971 hatte ein umfassendes Beschlussmängelrecht in Anlehnung an die aktienrechtlichen Regelungen in §§ 241 ff AktG vorgesehen und wollte damit die ganz herrschende, damals wohl unumstrittene Meinung im GmbH-Recht nachvollziehen, die bereits damals für eine Analogie eintrat. Die ständige Rechtsprechung und ganz überwiegende Lehre will auch heute noch die aktienrechtlichen Regelungen in §§ 241 ff AktG in Bausch und Bogen analog heranziehen,202) lediglich hinsichtlich der starren Anfechtungsfrist von einem Monat in § 246 Abs. 1 AktG will die Rechtsprechung zugunsten des Gesellschafters durch die Gewährung einer subjektiven Frist Erleichterungen zulassen (zu den Details siehe Rn. 81).

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Dieses Konzept der h. M. ist in den letzten 30 Jahren auf fundamentale Kritik gestoßen, wobei namentlich die Beiträge von Noack,203) Zöllner,204) Raiser205) und Casper206) zu nennen sind.207) Diese Kritik stößt sich weniger an der Unterscheidung _____________ 200) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 47 Rn. 55 m. w. N. 201) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 47 Rn. 55 m. w. N. 202) Seit RGZ 85, 311, 313 f st. Rspr., vgl. nur RGZ 87, 383; BGHZ 11, 231, 235 = GmbHR 1954, 28 = DB 1954, 40; BGHZ 104, 66 = ZIP 1988, 703 = GmbHR 1988, 304; BGHZ 101, 113, 116 = ZIP 1987, 1251 = GmbHR 1988, 18; ausführl. Darstellung der Entwicklung bei Casper, ZHR 163 (1999) 54, 58 ff m. w. N. sowie Fleischer, GmbHR 2013, 1289, 1290 ff. 203) Noack, Fehlerhafte Beschlüsse in Gesellschaften und Vereinen, S. 113 ff. 204) Zöllner/Noack, ZGR 1989, 525, 531 ff; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 3 ff. 205) Raiser in: FS Heinsius, S. 645, 655 ff; Ulmer/Habersack/Löbbe-Raiser, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 10 ff. 206) Casper, ZHR 163 (1999) 54, 66 ff, 78 ff. 207) Ferner Fehrenbach, Der fehlerhafte Gesellschaftsbeschluss in der GmbH, S. 127, 148, 191 f. Die aktuelle Rechtslage überwiegend verteidigend demgegenüber Fleischer, GmbHR 2013, 1289, 1290 ff.

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von nichtigen und lediglich anfechtbaren Beschlüssen,208) sondern an der Tatsache, dass die Anfechtung nach der h. M. zwingend im Wege der fristgebundenen Anfechtungsklage geltend zu machen ist.209) Ziel der Kritiker ist es vielmehr, dass die Anfechtbarkeit auch außerhalb einer aufwendigen und oft langwierigen Anfechtungsklage geltend gemacht werden kann. Der Verfasser hat an anderer Stelle ausführlich dargelegt, dass auch im GmbH-Recht zwischen gegenüber jedermann nichtigen und bloß rechtswidrigen Beschlüssen zu unterscheiden ist, wobei letztere zunächst wirksam, aber anfechtbar sind. Die Nichtigkeit bestimmt sich analog § 241 AktG und kann analog §§ 248, 249 AktG mit Wirkung gegenüber jedermann festgestellt werden.210) Widerspruch verdient die h. M. aber hinsichtlich der pauschalen Anwendung des Anfechtungsklageerfordernisses nach § 246 AktG. Bei der Anfechtung handelt es sich um eine standardisierte Form der Geltendmachung, des aus der Mitgliedschaft folgenden negatorischen Anspruchs auf Aufhebung eines gesetzes- oder satzungswidrigen Beschlusses. Da es keinen allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsatz gibt, dass dieses Anfechtungsrecht nur mittels einer fristgebundenen Gestaltungsklage geltend gemacht werden kann, ist hinsichtlich der Geltendmachung der Anfechtung zu unterscheiden. Nur bei eintragungspflichtigen Satzungs- oder Strukturänderungen rechtfertigt sich eine analoge Anwendung des § 246 AktG. Bei allen anderen anfechtbaren Beschlüssen genügt die Anfechtung durch eine schlichte rechtsgestaltende Anfechtungserklärung. Die Initiativlast für die Feststellung der Wirksamkeit liegt dann bei der Gesellschaft, was sich u. a. aus dem personalistischen Zuschnitt der GmbH rechtfertigt. Die Satzung kann allerdings ein Anfechtungsklageerfordernis für sämtliche anfechtbaren Beschlüsse vorsehen.

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Auch wenn diese Auffassung in den letzten zehn Jahren weder an Überzeugungskraft verloren hat, noch fundamental argumentativ angegriffen wurde, ist für die Praxis doch zu konstatieren, dass man sich weiterhin an der ständigen Rechtsprechung zu orientieren hat, die von einer vollumfänglichen Analogie zu § 246 AktG ausgeht. Deshalb wird auch im Folgenden allein die Konzeption der Rechtsprechung zugrunde gelegt, ohne deren Überzeugungskraft anzuerkennen. Allerdings hat sich die nachfolgende Darstellung auf einen kurzen Überblick zu der analogen Anwendung der §§ 241 ff AktG zu beschränken, der nach Besonderheiten in der GmbH fragt. Ziel dieser Kommentierung kann es nicht sein, die aktienrechtlichen Beschlussmängel-

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_____________ 208) Teilweise anders aber noch Noack, Fehlerhafte Beschlüsse in Gesellschaften und Vereinen, S. 15 ff, 49 ff mit seinem Konzept von der internen Nichtigkeit, wobei aber auch insoweit anerkannt wird, dass es besonders gravierende Mängel gibt, die zur Nichtigkeit mit Wirkung gegenüber jedermann führen. Auf die These von der internen Nichtigkeit verzichtend dann aber Zöllner/Noack, ZGR 1989, 525, 531 ff, insbes. 542. 209) Vgl. auch Fleischer, GmbHR 2013, 1289, 1294 ff, der zwar nicht das Klageerfordernis, wohl aber die starre Klagefrist für verhandlungsschädlich hält und deshalb während der Laufzeit von Verhandlungen für eine Analogie zu § 203 Satz 1 BGB plädiert. 210) Dies rechtspolitsch zu Recht kritisierend jetzt Koch, Gutachten zum 72 DJT, 2018, F 50 ff; ders. ZHR 182 (2018), 371, 381 ff, 393 ff. Koch plädiert dafür, die Nichtigkeitsgründe bei einer Reform im Wesentlichen auf den Regelungsgehalt der jetzigen Fallgruppen in § 241 Nr. 3 AktG zu konzentrieren und insbesondere Verstöße gegen § 241 Nr. 1 und Nr. 2 dem neuzugestaltenden Anfechtungsrecht zu überantworten.

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vorschriften vollständig zu erläutern. Insoweit ist auf die aktienrechtlichen Standardkommentare zu verweisen. Ebenso muss an dieser Stelle die aktuelle Reformdebatte um ein neues Beschlussmängelrecht ausgeblendet werden, da es den Rahmen dieser Darstellung ebenfalls sprengen würde.211) 2.

Arten mangelhafter Beschlüsse (Überblick)

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Legt man die §§ 241 ff AktG zugrunde, so lassen sich drei Kategorien mangelhafter Beschlüsse unterscheiden. Von einem nichtigen Beschluss spricht man, wenn der Beschlussmangel so gravierend ist, dass eine vorläufige Wirksamkeit bis zur Anfechtung nicht akzeptabel ist. Der nichtige Beschluss entfaltet also ipso iure nicht die mit ihm intendierten Rechtsfolgen. Auf die Nichtigkeit kann sich – vorbehaltlich einer Heilung analog § 242 AktG – jedermann berufen, und zwar auch ohne Erhebung einer Nichtigkeitsklage analog § 249 AktG. Demgegenüber ist der bloß anfechtbare Beschluss bis zur Rechtskraft des Urteils im Anfechtungsprozess nach § 246 AktG wirksam. Das der Anfechtungsklage stattgebende Urteil führt als Gestaltungsurteil mit Wirkung ex tunc zum Eintritt der Nichtigkeit. Wird die Anfechtungsklage hingegen abgewiesen oder wird innerhalb der Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG keine Anfechtungsklage erhoben, ist der Beschluss bestandskräftig. Obwohl keine Heilung eintritt, hat die Bestandskraft zur Folge, dass der Beschlussmangel nicht mehr, auch nicht inzident geltend gemacht werden kann.

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Obwohl im AktG nicht gesondert geregelt, ist als dritte Kategorie des mangelhaften Beschlusses der unwirksame Beschluss anzuerkennen. Hierunter sind Beschlüsse zu verstehen, die formell und materiell fehlerfrei gefasst worden sind, denen aber noch eine weitere, nachholbare Wirksamkeitsvoraussetzung – etwa die Zustimmung eines abwesenden Gesellschafters zur nachträglichen Einführung einer Vinkulierung – fehlt. Solange die fehlende Wirksamkeitsvoraussetzung noch nachgeholt werden kann, ist der Beschluss schwebend unwirksam.212) Steht endgültig fest, dass die fehlende Wirksamkeitsvoraussetzung nicht mehr eintreten kann, wird der Beschluss endgültig unwirksam, was sich von der Rechtsfolge her betrachtet, mit Nichtigkeit deckt. Gleichwohl ist es weiterhin lebhaft umstritten, ob § 249 AktG auf die Unwirksamkeitsfeststellungsklage analog anzuwenden ist. Die wohl noch h. M. lehnt eine Analogie und damit die Inter-omnes-Wirkung ab und will dem Gesellschafter nur die allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO an die Hand geben.213) Dies kann zumindest für die endgültige Unwirksamkeit nicht überzeugen.214) Es besteht ein vergleichbares Interesse an der Feststellung und gestaltenden Beseitigung des Beschlusses mit Wir_____________ 211) Vgl. nur Koch (Fn. zuvor), F 68 ff. 212) Statt aller Casper, Heilung nichtiger Beschlüsse, S. 36 ff m. w. N.; a. A. zuletzt Baums, ZHR 142 (1978) 582 ff. 213) Hüffer, AktG § 249 Rn. 21; A. Hueck in: FS Molitor, S. 401, 402; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Raiser, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 93; keine Präjudizierung durch die in diesem Zusammenhang oft zit. Entscheidung BGHZ 15, 177, 181 = DB 1955, 68 = NJW, 1955, 178. 214) Beschränkt auf die endgültige Unwirksamkeit ebenso K. Schmidt in: Großkomm-AktG, § 249 Rn. 9; C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 255 f; Thöni, GesRZ 1995, 73, 76; unter Ausdehnung auf eine schwebende Unwirksamkeit auch Zöllner in: KölnKommAktG, § 249 Rn. 51; Berg, Schwebend unwirksame Beschlüsse privatrechtlicher Verbände, S. 174 f.

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kung für und gegenüber jedermann. Es fehlt auch nicht an einer planwidrigen Regelungslücke. Demgegenüber kann der schwebend unwirksame Beschluss nicht mit der Unwirksamkeitsklage analog § 249 AktG bekämpft werden. Der Gesellschafter ist vielmehr darauf zu verweisen, seine Zustimmung zu verweigern und gegen den sodann endgültig unwirksamen Beschluss analog § 249 AktG vorzugehen. Da sich Besonderheiten unwirksamer Beschlüsse im GmbH-Recht gegenüber dem Aktienrecht nicht ergeben, ist diese Kategorie fehlerhafter Beschlüsse im Folgenden nicht weiter zu verfolgen. Als vierte Kategorie des fehlerhaften Beschlusses wird gelegentlich der Nicht- oder Scheinbeschluss genannt. Dies ist zumindest missverständlich. Richtig ist zwar, dass man in der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre von einem Nichtrechtsgeschäft spricht, wenn nicht einmal die typusbildenden, wesensbestimmenden Tatbestandsmerkmale vorliegen. Ein Nichtrechtsgeschäft ist also von vornherein unbeachtlich, entfaltet also auch keine anderen als die intendierten Rechtsfolgen. Diese in der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre entwickelte Unterscheidung lässt sich für das Beschlussmängelrecht fruchtbar machen.215) Danach liegt ein Nichtbeschluss nur dann vor, wenn es an einem Tatbestandsmerkmal des Beschlusses (Antrag, Abstimmung) fehlt. Zum Scheinbeschluss mutiert der Nichtbeschluss, wenn sein Inhalt als vermeintlich wirksamer Beschluss in der Öffentlichkeit, insbesondere im Handelsregister, bekannt gemacht wird. Ein Anwendungsfall des mangelhaften Beschlusses, auf den §§ 241 ff AktG anzuwenden wären, liegt hier jedoch nicht vor. Dies zeigt sich insbesondere bei der Frage nach der Heilung analog § 242 AktG (ausführlich dazu siehe Rn. 73). Verwendet man den Begriff des Scheinbeschlusses wie hier restriktiv, also nur dann, wenn mindestens eines der beiden Tatbestandsmerkmale eines Beschlusses nicht vorliegt, er aber gleichwohl ins Handelsregister eingetragen wird, kommt mangels jeglicher privatautonomer Legitimation des Beschlusses eine Heilung nicht in Betracht.216) 3.

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Nichtigkeit von Beschlüssen

a) Nichtigkeitsgründe Die Nichtigkeit von Beschlüssen richtet sich auch im GmbH-Recht nach dem enumerativen Katalog des § 241 AktG. Nummer 1 regelt Einberufungs- und Einladungsmängel. Es gilt grundsätzlich die im Aktienrecht entwickelte Auslegung. Besonderheiten ergeben sich in Hinblick auf die Form der Einladung i. S. d. § 51 Abs. 1 Satz 1. Insoweit nimmt der Bundesgerichtshof an, dass das Fehlen der schriftlichen Fixierung der Einladung und die damit verbundene Missachtung des Unterschriftserfordernisses zur Nichtigkeit führt, eine Missachtung des Gebots zur Einladung mittels eingeschriebenen Briefs aber nur die Anfechtbarkeit bewirkt.217) Gleiches _____________ 215) Ausführl. zum Ganzen Casper, Heilung nichtiger Beschlüsse, S. 30 ff. 216) Nähere Begr. bei Casper, Heilung nichtiger Beschlüsse, S. 296; in einem obiter dictum weitergehend aber wohl OLG Stuttgart, DB 2000, 1218, 1220 = GmbHR 2000, 721 = DStR 2000, 1704, dazu EWiR 2000, 945 (Werner), in dessen Fall die Hauptversammlung (infolge unwirksamer Übertragung aller Anteile) mit einem Nichtgesellschafter besetzt war. Darin liegt nach richtiger Auffassung aber kein Scheinbeschluss, sondern ein nach § 241 Nr. 3 AktG nichtiger Beschluss, vgl. dazu näher Casper, Heilung nichtiger Beschlüsse, S. 44 f m. w. N. 217) BGH, GmbHR 1989, 120, 122 = ZIP 1989, 634 = DB 1989, 272, dazu EWiR 1989, 271 (Roth); Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 13 m. w. N.

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gilt für sonstige Verstöße gegen Form, Frist und Inhalt der Einberufung bzw. der Ankündigung der Tagesordnung (zu den Einzelheiten vgl. die Erläuterungen bei § 48 und § 51 [Masuch]). Die Nichtigkeit wegen fehlender oder fehlerhafter Beurkundung analog Nummer 2 kommt bei der GmbH nur im Zusammenhang mit Satzungsänderungen oder Strukturänderungen nach dem UmwG in Betracht. Verstöße gegen statutarische Beurkundungs- oder Protokollierungspflichten in der Satzung führen allenfalls zur Anfechtbarkeit. Selbst dies setzt voraus, dass es sich insoweit nicht um eine sanktionslose Ordnungsvorschrift handelt.218) 70

Wenig Klarheit existiert bereits im Aktienrecht hinsichtlich des Anwendungsbereichs des § 241 Nr. 3 AktG, der im GmbH-Recht ebenfalls analog anzuwenden ist. Die Unsicherheit beginnt bereits mit der Frage, ob es sich bei den dort genannten drei Alternativen um klar voneinander abzugrenzende Fallgruppen,219) sich überschneidende Kreise mit einer großen Schnittmenge220) oder um einen einheitlichen Tatbestand handelt.221) Genannt werden in erster Linie Verstöße gegen Vorgaben in den §§ 4, 5 Abs. 1 und 3; §§ 19 Abs. 2 und 3; §§ 21 – 24, §§ 30 – 33, § 55 Abs. 4, § 58 und bei einer mitbestimmten GmbH gegen Vorgaben des MitbestG.222) Zum sog. Wesen gehören unentziehbare Minderheitsrechte wie § 50 Abs. 1 und 2 bzw. Individualrechte wie das Teilnahmerecht (§ 48) oder das Informationsrecht nach § 51a. Verstöße gegen das Gleichbehandlungsgebot oder andere verzichtbare Mitgliedschaftsrechte führen nur eine Anfechtbarkeit herbei. Keine Besonderheiten gegenüber der aktienrechtlichen Auslegung wirft die Bestimmung des Anwendungsbereichs der Nummer 4 (Sittenwidrigkeit) auf. Wie im Aktienrecht ist der Beschluss dann analog § 241 Nr. 4 AktG sittenwidrig, wenn er durch seinen Inhalt und nicht nur durch sein Zustandekommen bzw. die ihn begleitenden Umstände gegen die guten Sitten verstößt.223) Keine Besonderheiten sind schließlich hinsichtlich der Nummern 5 und 6 des § 241 AktG zu verzeichnen.224) Weiterhin sind §§ 250, 253, 256 AktG analog heranzuziehen.225) Den § 241 AktG ergänzende Sonderregeln finden sich im GmbHRecht in § 57j Satz 2 und § 57n Abs. 2 Satz 4. _____________ 218) Nahezu einh. M., vgl. nur Ulmer/Habersack/Löbbe-Raiser, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 48; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 15; a. A. aber Fehrenbach, Der fehlerhafte Gesellschaftsbeschluss in der GmbH, S. 228 f. 219) So etwa Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 241 Rn. 47, der das Wesen der AG den öffentlichen Interessen mit ihrer Unterfallgruppe Gläubigerschutz gegenüberstellt. 220) So noch die bildliche, aber eher narrative Beschreibung bei Casper, Heilung nichtiger Beschlüsse, S. 209. 221) Dafür mit beachtlichen Argumenten Eberspächer, Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen nach § 241 Nr. 3 AktG, S. 115 ff; sympathisierend Koch ZHR 182 (2018), 371, 389 f. 222) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 53. Näher zum Ganzen auch Koch ZHR 182 (2018), 371, 389 f, der diese Auslegung als „Unverbrüchlichkeitsthese“ bezeichnet. 223) Zum GmbH-Recht etwa OLG München, GmbHR 1995, 232 (LS) = OLGR München 1994, 244 f. 224) Zu den Details vgl. etwa Saenger/Inhester-Puszkajler Anh. § 47 Rn. 37 ff. Der Vorschlag von Koch (ZHR 182 (2018), 371, 381), auf § 241 Nr. 5, 6 AktG zukünftig zu verzichten, kann zumindest für Nr. 6 mit Blick auf § 242 Abs. 3 S. 3 AktG nicht überzeugen. 225) Einzelheiten z. B. bei Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 22 ff.

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b) Nichtigkeitsklage Die Nichtigkeit ist im Wege der Nichtigkeitsklage geltend zu machen, auch wenn es nicht ausgeschlossen ist, sich einredeweise oder inzident auf die Nichtigkeit des Beschlusses zu berufen. Allerdings ist bei eintragungspflichtigen Beschlüssen allein die erfolgreiche Nichtigkeitsklage in der Lage, eine Heilung nach Ablauf von drei Jahren analog § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG zu verhindern. Die Nichtigkeitsklage nach § 249 AktG ist ausweislich ihres Wortlauts (§ 249 Abs. 1 Satz 1 AktG) nur auf Feststellung der Nichtigkeit und nicht wie die Anfechtungsklage auf Gestaltung der Rechtslage gerichtet. Demzufolge qualifiziert die ganz überwiegende Ansicht die Nichtigkeitsklage auch als besondere Ausprägung der allgemeinen Feststellungsklage.226) Richtigerweise ist der Nichtigkeitsklage aber unter Rückgriff auf die Lehre von den Doppelwirkungen im Recht auch gestaltende Wirkung analog § 241 Nr. 5 AktG zuzuerkennen.227) Die Nichtigkeitsklage nach § 249 AktG verfolgt damit eine Doppelnatur, sie ist auf Feststellung wie auch auf verbindliche Herbeiführung der Nichtigkeit mit Wirkung gegenüber jedermann gerichtet. Diese Doppelnatur wird auch bei der heute weitgehend ausgestandenen Kontroverse um den mit der Anfechtungs- wie mit der Nichtigkeitsklage verfolgten Streitgegenstand deutlich. Während die früher h. M. im Anschluss an mehrere ältere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs von zwei verschiedenen Streitgegenständen ausging,228) hat die Rechtsprechung und die heute ganz h. M. zu Recht einen Schwenk vollzogen und geht nunmehr von einem einheitlichen Streitgegenstand der Nichtigkeits- und Anfechtungsklage aus.229)

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Hinsichtlich der weiteren prozessualen Besonderheiten ist auf das aktienrechtliche Schrifttum zu verweisen. Bezüglich der Besonderheiten im GmbH-Recht ist nur auf die Aktiv- und Passivlegitimation hinzuweisen. Aktivlegitimiert ist nicht nur jeder Gesellschafter, sondern auch jeder Geschäftsführer sowie jedes Mitglied im Aufsichtsrat,230) und zwar unabhängig davon, ob dieser obligatorisch oder nur freiwillig eingerichtet ist. Beiratsmitgliedern steht die Befugnis dann zu, wenn kein Aufsichtsrat existiert und der Beirat eine dem Aufsichtsrat vergleichbare Funktion hat. Zur engeren Anfechtungsbefugnis siehe Rn. 80. Passivlegitimiert ist allein die GmbH; dies gilt auch in der Zweipersonen-GmbH.231) Die Vertretung erfolgt allein durch _____________

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226) Vgl. nur Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 249 Rn. 4; Zöllner in: KölnKomm-AktG, § 249 Rn. 25; Wertenbruch in: MünchKomm-GmbHG, Anh. § 47 Rn. 154; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 8 IV 2; A. Hueck, Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Generalversammlungsbeschlüssen, S. 234 ff. 227) Grundlegend K. Schmidt in: Großkomm-AktG, § 249 Rn. 4 f; K. Schmidt, AG 1977, 205, 207 f; für das Aktienrecht ebenso mit ausführl. Begr. Spindler/Stilz-Casper, AktG, Vor § 241 Rn. 9 m. w. N. 228) BGH, NJW 1952, 98; BGHZ 32, 318, 322 = NJW 1960, 1447 im Anschluss an RGZ 170, 83, 87 f. 229) BGHZ 134, 364, 366 = ZIP 1997, 732 = NJW 1997, 1510; BGH, NJW 1999, 1638 = ZIP 1999, 580 = DB 1999, 890; OLG Stuttgart, ZIP 1998, 1482 = DB 1998, 1757 = AG 1998, 529, dazu EWiR 1998, 1013 (Ernst); vgl. aus dem Schrifttum nur Hüffer, AktG, § 246 Rn. 13; K. Schmidt in: Großkomm-AktG, § 249 Rn. 20 f; Kindl, ZGR 2000, 165, 168 ff m. w. N.; krit. aber nach wie vor Sosnitza, NZG 1999, 497 f (Urteilsanm.). 230) Ulmer/Habersack/Löbbe-Raiser, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 212 m. w. N. 231) OLG Hamm, GmbHR 1985, 119; OLG Rostock, GmbHR 2004, 587 = NZG 2004, 191; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 32 m. w. N. auch zu früher vertretenen Gegenauffassungen.

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den Geschäftsführer, nicht auch (zusätzlich) durch den Aufsichtsrat, zur Führungslosigkeit vgl. § 35 Abs. 1 Satz 2 (und Erläuterungen dort).232) Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist die Klage gegen den Insolvenzverwalter zu richten, soweit der Beschluss sich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen bezog.233) c) Heilung analog § 242 AktG 73

Eintragungspflichtige nichtige Beschlüsse unterliegen nach heute wohl einhelliger Meinung analog § 242 AktG der Heilung, wonach Formfehler sofort (Abs. 1), die übrigen Mängel mit Ablauf von drei Jahren (Abs. 2 Satz 1) geheilt werden, sofern nicht zwischenzeitlich eine Nichtigkeitsklage erhoben wurde.234) Für eine solche Analogie spricht vor allem das identische Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsbefriedung. Wie im Aktienrecht ist die Heilung auch im GmbH-Recht auf nichtige Bestandteile in der ursprünglichen Satzung zu erstrecken.235) Die Heilung bewirkt nach zutreffender Auffassung materielle Rückwirkung und beseitigt den Fehler.236) Besonderheiten hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale und Rechtsfolgen ergeben sich im GmbH-Recht grundsätzlich nicht. Allerdings bleibt bei einer geheilten, vormals sittenwidrigen Abfindungsbeschränkung in der Satzung noch eine auf § 242 BGB gestützte Ausübungskontrolle möglich. Im Übrigen ist wie im Aktienrecht über die weiterhin mögliche Amtslöschung nach § 242 Abs. 2 Satz 3 AktG i. V. m. § 398 FamFG eine Korrektur der Heilungswirkung mit Wirkung für die Zukunft möglich, soweit es sich um in der Vergangenheit noch nicht abgeschlossene Sachverhalte handelt.237) _____________ 232) Zu Streitigkeiten in der Zweipersonen-GmbH bei Führungslosigkeit vgl. auch Klose, GmbHR 2010, 1139, 1141 f. 233) OLG München, ZIP 2010, 2369, 2370 = WM 2010, 2228, 2229 = GmbHR 2011, 89, dazu EWiR 2011, 617 (Eckardt). 234) BGHZ 144, 365, 367 = ZIP 2000, 1294 = GmbHR 2000, 822, dazu EWiR 2000, 943 f (Casper); ausführl. Begr. Casper, Heilung nichtiger Beschlüsse, S. 331 ff m. zahlr. w. N.; krit. seither aber Goette in: FS Röhricht, S. 115 ff und a. A. Fehrenbach, Der fehlerhafte Gesellschaftsbeschluss in der GmbH, S. 234 ff. 235) BGHZ 144, 365, 367 f = ZIP 2000, 1294 = GmbHR 2000, 822, dazu EWiR 2000, 943 f (Casper). 236) Vgl. BGH, NJW 1989, 904, 905 = ZIP 1989, 163 = AG 1989, 87, dazu EWiR 1989, 221 (Hüffer): Fristversäumung wirke „rechtsändernd, nämlich heilend“; BGHZ 99, 211, 216 = ZIP 1987, 366 = NJW 1987, 902, dazu EWiR 1987, 111 (Hüffer) – Kläger habe den geheilten Beschluss als „gesetzmäßig“ hinzunehmen; BGHZ 80, 212, 216 = ZIP 1981, 609 = NJW 1981, 2125 – „Gültigkeit des Beschlusses“ nach Ablauf der drei Jahre; noch deutlicher zu § 242 Abs. 1 AktG in BGH, NJW 1996, 257, 258 = ZIP 1995, 1983 = GmbHR 1996, 49, dazu EWiR 1996, 75 (Kort); OLG Stuttgart, DB 2000, 1218, 1220 = GmbHR 2000, 721 = DStR 2000, 1704, dazu EWiR 2000, 945 (Werner) – „fehlerfrei“; ausführl. Spindler/Stilz-Casper, AktG, § 242 Rn. 12 ff m. w. N.; Casper, Heilung nichtiger Beschlüsse, S. 145 ff; a. A. z. B. Betz, Die Heilung nichtiger Hauptversammlungsbeschlüsse durch Eintragung und Fristablauf, S. 202 ff; Mock, Die Heilung fehlerhafter Rechtsgeschäfte, S. 553 ff jew. m. w. N. 237) Ausführl. zum Ganzen Casper, Heilung nichtiger Beschlüsse, S. 234 ff; zusammenfassend Spindler/Stilz-Casper, AktG, § 242 Rn. 22 ff. Zur Restitution durch Satzungsänderung in Verbindung mit pos. Stimmpflichten siehe Rn. 25; Goette in: FS Röhricht, S. 115, 121 f; Emde, ZIP 2000, 1753, 1755 ff. Den hier vertretenen Ansatz aber teilweise abl. jetzt BGH, ZIP 2015, 517 Rn. 15 ff = DB 2015, 677 = WM 2015, 519, dazu EWiR 2015, 233 (Schwarz/ Linardatos), wonach die Amtslöschung nicht im Wege der Anregung erzwungen werden kann, dazu kritisch Casper in: FS Bergmann, S. 127, 134 f.

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Anfechtbarkeit

a) Anfechtungsgründe Nach § 243 Abs. 1 AktG analog berechtigt jeder Verstoß gegen Gesetz oder Satzung, der nicht analog § 241 AktG zur Nichtigkeit führt, zur Anfechtung. Die Anfechtungsklage ist damit der regelmäßige Rechtsbehelf; Nichtigkeits- und Anfechtungsklage können in Form eines Hilfsantrages miteinander verbunden werden. Hinsichtlich der Anfechtungsgründe ist grundsätzlich auf das aktienrechtliche Schrifttum zu verweisen, insbesondere bezüglich materieller Fehler wie einem Verstoß gegen die Treupflicht oder den Gleichbehandlungsgrundsatz. Mit Blick auf die in der Praxis häufigen Verfahrensverstöße sind vier Fallgruppen zu sondern: –

Erstens: Fehler bei der Einladung führen nur ausnahmsweise zur Nichtigkeit (siehe Rn. 69).238) Im Übrigen ist bei statutarischen Vorgaben stets sorgsam im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob nicht im Einzelfall eine reine Ordnungsvorschrift (Sollvorschrift) vorliegt, deren Verletzung zwar in der Versammlung vor der Abstimmung gerügt werden kann, aber im Anschluss nicht mehr zur Vernichtung des Beschlusses berechtigen soll. Weiterhin sind Einladungsmängel dann unerheblich, wenn alle Gesellschafter erschienen sind (vgl. § 51 Abs. 3) und niemand den Fehler gerügt hat (zu den Details siehe § 51 Rn. 15 [Masuch]).



Zweitens: Fehler bei der Verfahrensleitung und der Abstimmung können ebenfalls zur Anfechtbarkeit führen. Zu nennen sind etwa Verletzungen des Teilnahmerechts,239) Abweichungen von der Tagesordnung, Abstimmung trotz Beschlussunfähigkeit240) oder die Wahl eines fehlerhaften Abstimmungsverfahrens.241)



Drittens: Drittens kann die Verletzung des Informationsrechts nach § 51a Abs. 1 zur Anfechtbarkeit führen, sofern die fehlende oder fehlerhafte Information für das Beschlussergebnis relevant war (ebenso siehe § 51a Rn. 24 [Masuch]).242)



Viertens: Die vierte Fallgruppe bilden Fehler bei der Beschlussfeststellung (siehe Rn. 75).

Für Fehler bei der Beschlussfeststellung ist abermals daran zu erinnern, dass ein Fehler bei der Stimmabgabe nicht automatisch auf den Beschluss durchschlägt (siehe Rn. 12 f, 16). Hinsichtlich der Geltendmachung von fehlerhaften Stimmabgaben ist zu unterscheiden, ob das Abstimmungsergebnis durch einen Versammlungsleiter festgestellt worden ist oder nicht. Fehlt es hieran, kommt es für das Zustandekommen des Beschlusses allein auf die materielle Rechtslage an. Zwar bedarf es hierfür eines Einigseins der Gesellschafter, dass ein Beschluss gefasst wurde. Dieses Einigsein hat aber nicht eine so starke Auswirkung wie die fehlerhafte Feststellung _____________ 238) Ausführl. Darstellung etwa bei Ulmer/Habersack/Löbbe-Raiser, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 112 f; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 46. 239) Vgl. etwa OLG München, GmbHR 2005, 624, 626 = DB 2005, 1566; OLG Hamm, GmbHR 2003, 1211 f = NJW-RR 2003, 1400 = NZG 2003, 926, dazu EWiR 2004, 335 (Becher). 240) So zuletzt OLG Stuttgart, NZG 2011, 1301 f = ZIP 2011, 2406 = GmbHR 2011, 1277. 241) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 47 m. w. N. 242) Ulmer/Habersack/Löbbe-Raiser, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 116 ff; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 48.

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des Abstimmungsergebnisses durch einen Versammlungsleiter. Vielmehr kann mittels nicht fristgebundener Feststellungsklage darauf geklagt werden, dass der Beschluss nicht zustande gekommen ist, obwohl die Gesellschafter bei der Beschlussfassung vom Gegenteil ausgegangen waren, da sie eine nichtige Stimmabgabe nicht bemerkt hatten. Verkündet hingegen der Versammlungsleiter ein fehlerhaftes Ergebnis, da er z. B. Stimmen mitzählt, die vom Stimmrecht ausgeschlossen waren, so muss dieser Fehler mittels der fristgebundenen Anfechtungsklage geltend gemacht werden, da der Beschluss zunächst wirksam zustande gekommen ist (siehe Rn. 13).243) Voraussetzung ist jedoch in beiden Fällen, dass die fehlerhaft oder zu Unrecht mitgezählten Stimmen zu einem anderen Beschlussergebnis geführt hätten (sog. Relevanztheorie).244) Der unterlegene Minderheitsgesellschafter kann sich also nicht mit der hypothetischen Kausalität verteidigen, dass bei Kenntnis der unwirksamen Stimmabgabe die übrigen zustimmenden Gesellschafter sich ihre Bejahung des Beschlussantrags vielleicht nochmals anders überlegt hätten, sofern auch ohne den Fehler eine Mehrheit erreicht war. Stellt der Versammlungsleiter hingegen fest, dass das Zustandekommen des Beschlusses unklar sei, da er nicht sicher sei, ob er die für die Mehrheit entscheidenden Stimmen mitzählen dürfe, so ist wiederum die nicht fristgebundene Feststellungsklage maßgeblich. 76

Sonstige Fehler bei der Beschlussfeststellung wie das falsche Auszählen von wirksam abgegebenen Stimmen oder die Zugrundelegung des falschen Mehrheitserfordernisses können nur beim Vorhandensein eines Versammlungsleiters vorkommen und sind ebenfalls mit der Anfechtungsklage zu rügen.245) Auch insoweit gilt die Relevanztheorie.

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Besonderer Erwähnung bedarf schließlich der sog. stimmlose Beschluss, bei dem keine der abgegebenen Stimmen wirksam ist. Die Anwendungsfälle sind im GmbH-Recht freilich gering, da die gleichmäßige Befangenheit aller Gesellschafter nicht zu einem Stimmverbot für sämtliche Gesellschafter führt (siehe Rn. 43). Entgegen einer vereinzelt vertretenen These liegt hierin in der Mehrpersonen-GmbH kein Nichtbeschluss,246) sondern lediglich ein anfechtbarer Beschluss, da auch eine Nichtigkeit analog § 241 Nr. 2 oder Nr. 3 AktG ausscheidet.247) Es kann auf die Richtigkeitsgewähr der Anfechtungsklage und die Kontrolle durch die Minderheit vertraut werden. Voraussetzung dafür ist jedoch wiederum, dass eine Feststellung des Abstimmungsergebnisses durch einen Versammlungsleiter stattgefunden hat. Fehlt es hieran, schlägt die fehlerhafte Stimmabgabe ausnahmsweise auf den Beschluss durch, da es dann _____________ 243) Die frühere Auffassung des BGH (BGHZ 14, 25, 35 f = GmbHR 1954, 122 = DB 1954, 596), dass gar kein Beschluss zustande komme, ist zu Recht überholt. 244) Vgl. statt aller BGHZ 149, 158, 164 f = ZIP 2002, 172 = DB 2002, 196 – Sachsenmilch III – zur AG, dazu EWiR 2002, 885 (Saenger/Bergjan); BGH, NZG 2005, 77, 79 = ZIP 2004, 2428 = DB 2004, 2803, dazu EWiR 2005, 241 (F. Wagner); BGH, BB 2007, 1977, 1979 = ZIP 2007, 1524 = DB 2007, 1858; BGH, NJW 2008, 69, 73 = ZIP 2007, 1942 = NZG 2007, 826; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 125 f; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Raiser, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 111. 245) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 49. 246) So aber Semler/Asmus, NZG 2004, 881, 890; dem folgend Lennenbach, WuB II A. § 20 AktG 1.06, S. 727, 728. 247) Zu den Details vgl. Casper in: FS Hüffer, S. 111, 116 ff; Nietsch, WM 2007, 917, 921 ff.

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auch an dem rechtsgeschäftlich zu qualifizierenden Einigsein über die Beschlussfassung fehlt, sodass der stimmlose Beschluss in diesem Fall ausnahmsweise unwirksam ist. Die zu den Mehrpersonengesellschaften gefundene Lösung versagt jedoch, bei der Beschlussfassung durch einen Alleingesellschafter der GmbH. Zwar tritt die Protokollierung nach § 48 Abs. 3 an die Stelle der Beschlussfeststellung. Jedoch versagt die Anfechtungslösung, da die Anfechtungsklage ihre Kontrollfunktion und Richtigkeitsgewähr mangels Minderheit nicht entfalten kann. Deshalb sprechen die besseren Gründe dafür, dass die Nichtigkeit der Stimmabgabe in der Einpersonengesellschaft grundsätzlich auf den Beschluss durchschlägt.248) b) Beseitigung der Anfechtbarkeit durch Bestätigung Die Anfechtbarkeit von Beschlüssen kann ausgeschlossen werden, wenn der Beschluss analog § 244 AktG bestätigt wird, sofern bei der Bestätigung der ursprüngliche Mangel beseitigt worden ist, z. B. die fehlende Information nachgeholt oder die fehlerhafte Einladung berichtigt worden ist.249) Hierbei handelt es sich um eine vereinfachte Form der ebenfalls möglichen Neuvornahme. Eine materielle Heilungswirkung wie bei § 242 AktG ist hiermit jedoch nicht verbunden.250) Schließlich verliert der Gesellschafter die Anfechtungsbefugnis (siehe Rn. 79), wenn er trotz der Verletzung eines individuellen Verfahrens- oder Mitgliedschaftsrechts der Beschlussfassung nachträglich zustimmt.251)

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c) Anfechtungsbefugnis Die Anfechtungsbefugnis richtet sich im Grundsatz nach § 245 AktG, allerdings mit einigen GmbH-spezifischen Modifikationen. Anfechtungs- und somit klagebefugt ist zunächst jeder Gesellschafter, auch der eines stimmlosen Anteils. Voraussetzung ist aber, dass er in der aktuellen Gesellschafterliste eingetragen ist (§ 16 Abs. 1), anderenfalls muss er nicht zur Klage zugelassen werden. Die Gesellschafterstellung muss aber nicht bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung vorgelegen haben.252) Nicht genügend ist aber die Übernahme eines neuen Anteils im Wege der Kapitalerhöhung nach Beschlussfassung, sondern es muss vielmehr eine derivative Übertragung nach der Beschlussfassung vorgelegen haben. Treugeber, Pfandgläubiger, Nießbraucher sind nicht klagebefugt.253) Verliert der Kläger im Laufe des Prozesses seine Stellung als Gesellschafter gilt § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO analog.254) _____________ 248) Casper in: FS Hüffer, S. 111, 123 ff; allg. zum Beschlussmängelrecht in der EinpersonenGmbH Lindemann, Der Einmannbeschluss, S. 69 ff. 249) OLG Nürnberg, NZG 2000, 700, 703; OLG Düsseldorf, GmbHR 2003, 1006, 1008 = DB 2003, 2324 = NZG 2003, 975, dazu EWiR 2003, 929 (Tepfer); weitere Details bei Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 61. 250) Vgl. näher dazu Casper, Heilung nichtiger Beschlüsse, S. 55. 251) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rn. 119, der insoweit allerdings von Heilung spricht; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 60. 252) OLG Schleswig, NZG 2000, 895 m. Anm. Jäger. 253) BGH, NJW 1966, 1458, 1459; BGH, GmbHR 2009, 39, 40 = ZIP 2008, 2215 = DB 2008, 2589 – jew. zum Treugeber; LG Mannheim, AG 1991, 29 = DB 1990, 2011 = WM 1990, 760 – zum Pfandgläubiger. 254) OLG Düsseldorf, GmbHR 2001, 1049, 1051 = DB 2001, 2035 = NZG 2001, 991.

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Amtswalter können das Anfechtungsrecht ausüben.255) Anders als nach § 245 Nr. 1 AktG braucht der Gesellschafter weder an der Beschlussfassung teilgenommen haben, noch muss er Widerspruch zu Protokoll erhoben haben.256) Eine nachträgliche Zustimmung oder Billigung des Beschlusses kann die Anfechtungsbefugnis im Einzelfall aber ausschließen (siehe Rn. 78). Eine Betroffenheit oder ein besonderes Rechtsschutzinteresse muss nicht vorliegen.257) 80

Geschäftsführer haben anders als der Vorstand der AG (§ 245 Nr. 4 AktG) kein generelles Anfechtungsrecht.258) Eine Ausnahme hiervon muss aber analog § 245 Nr. 5 AktG gelten, sofern sich der Geschäftsführer durch die Umsetzung des Beschlusses schadensersatzpflichtig oder strafbar machen würde, z. B. wenn ihm per Beschluss Weisung erteilt wird, die Stellung eines Insolvenzantrages zu unterlassen, obwohl die Voraussetzungen nach §§ 17 ff InsO unstreitig vorliegen. Außerdem sollte man dem Fremdgeschäftsführer in der Einpersonengesellschaft eine Anfechtungsbefugnis zuerkennen, da hier mangels Mehrheits-/Minderheitskonflikt anderenfalls keine Rechtskontrolle mittels der Anfechtungsklage stattfinden wird. Die Mitglieder des – auch des nach MitbestG obligatorischen – Aufsichtsrats sind nur analog § 245 Nr. 5 AktG anfechtungsbefugt.259) Die Satzung kann und sollte Organmitgliedern jedoch eine weitergehende Anfechtungsbefugnis zugestehen.260) Mangelnde Anfechtungsbefugnis führt zur Unbegründetheit, nicht etwa zur Unzulässigkeit der Anfechtungsklage.261) d) Anfechtungsfrist

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Die starre Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG von einem Monat nach der Beschlussfassung wird von der Rechtsprechung in der GmbH nur als Leitbild herangezogen.262) An ihre Stelle soll eine flexible Frist treten, bei der die Monatsfrist die absolute Untergrenze bildet. Der Gesellschafter sei verpflichtet, mit der gebotenen Beschleunigung die Klage zu erheben. Letztlich gilt eine mit Kenntnis der Beschlussfassung (nicht des Vorliegens eines Anfechtungsgrundes!) beginnende, angemes_____________ 255) BGH, GmbHR 2014, 863, 865 Rn. 14 = ZIP 2014, 1422 = NZG 2014, 945, dazu EWiR 2014, 613 (Priester) – zum Testamentsvollstrecker. 256) Einh. M., vgl. nur Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rn. 129; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 71. 257) BGHZ 43, 261, 265 f = DB 1965, 624 = NJW 1965, 1378; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 72; demgegenüber fordert Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 164 eine Abmahnung der Gesellschaft vor Klageerhebung. 258) BGHZ 76, 153, 159 = NJW 1980, 1164. 259) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 74; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 141; großzügiger Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rn. 134. 260) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rn. 135; eine Beschränkung ist hingegen unzulässig, vgl. BGHZ 14, 264, 273 = GmbHR 1954, 125 = DB 1954, 672. 261) Statt aller BGH, GmbHR 2008, 426, 427 f m. Anm. Werner = ZIP 2008, 757 = NZG 2008, 317. 262) Seit RGZ 170, 358, 380 st. Rspr., vgl. aus neuerer Zeit nur BGHZ 104, 66, 71 = ZIP 1988, 703 = GmbHR 1988, 304; BGH, GmbHR 2005, 925, 927 = ZIP 2005, 985 = DB 2005, 1267, dazu EWiR 2005, 599 (Priester); BGH, ZIP 2009, 1880 = GmbHR 2009, 1101 = AG 2009, 789; sowie die Nachw. der instanzgerichtlichen Rspr. bei Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 62 mit Fn. 4.

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sene Frist, die an die besonderen Umstände des Einzelfalls anzupassen ist. Als Faustformel kann gelten, dass auch bei der Klärung schwieriger Rechtsfragen eine Frist von mehr als drei Monaten unangemessen lang ist.263) Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass so eine gütliche Einigung unmöglich würde.264) Während laufender Verhandlungen ist die Frist analog § 203 Satz 1 BGB gehemmt und beginnt nach Abbruch der Verhandlungen neu zu laufen, wobei dann eine Monatsfrist ausreichend sein dürfte.265) Der Rückgriff in der Rechtsprechung auf eine flexible Frist ist unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit jedoch äußerst problematisch. Der Verfasser hat bereits an anderer Stelle in den Chor der Befürworter einer festen Anfechtungsfrist eingestimmt und sich für eine Frist von drei Monaten ausgesprochen.266) Die Satzung kann und sollte eine feste Anfechtungsfrist vorsehen, die einen Monat aber nicht unterschreiten darf.267) Die Nichteinhaltung der Frist macht die Klage unbegründet. Sinnvoll ist auch, in der Satzung eine Hemmung der Frist für die Zeit eines laufenden Mediationsverfahrens oder einer anderen gütlichen Streitbeilegung vorzusehen.268) e) Anfechtungsprozess Die Anfechtungsklage richtet sich nach §§ 246 Abs. 2 – 4, 247 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 – 3, 249 AktG. Sie ist gegen die GmbH zu richten (siehe Rn. 72). Sie ist auf die gemäß § 248 AktG inter omnes wirkende Herbeiführung der Nichtigkeit des Beschlusses (§ 241 Nr. 5 AktG analog) gerichtet und hat nach zutreffender, heute ganz h. M. denselben Streitgegenstand wie die Nichtigkeitsklage i. S. d. § 249 AktG (siehe Rn. 71 und Fn. 229). Die Streitwertbegrenzung auf ein Zehntel des Stammkapitals entsprechend § 247 Abs. 1 Satz 2 AktG entspricht nach h. M. nicht der Interessenlage bei der GmbH und ist daher nicht anwendbar.269) Weitere Besonderheiten gegenüber dem Aktienrecht ergeben sich nicht, sodass wegen der Einzelheiten auf das aktienrechtliche Schrifttum zu verweisen ist. Rechtsmissbräuchliche Anfechtungsklagen sind _____________ 263) Zu den weiteren Einzelheiten der nicht immer einheitlichen Kasuistik Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 63; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rn. 143; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Raiser, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 195 ff; a. A. Wertenbruch in: MünchKomm-GmbHG, Anh. § 47 Rn. 209 f jew. m. w. N. auch zur Rspr. 264) In diesem Sinne aber Wertenbruch in: MünchKomm-GmbHG, Anh. § 47 Rn. 209 f. 265) So auch Fleischer, GmbHR 2013, 1289, 1301. 266) Vgl. Casper, ZHR 163 (1999) 54, 85 f m. w. N. zur Kritik an der flexiblen Frist in Fn. 127. Für eine Zwei-Monatsfrist de lege ferenda Fleischer, GmbHR 2013, 1289, 1300 f, der de lege lata aber für eine feste Monatsfrist plädiert (S. 1294 f). 267) Statt aller BGHZ 104, 66, 71 = ZIP 1988, 703 = GmbHR 1988, 304 – bereits eine Frist von vier Wochen statt einem Monat ist unzulässig; weitere Kasuistik bei Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rn. 144. 268) So zum Beispiel das österreichische Recht in § 8 VerG für den Verein, dies rechtspolitisch fordernd auch Koch, Gutachten zum 72. DJT, F 85. 269) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 171; Wertenbruch in: MünchKomm-GmbHG, Anh. § 47 Rn. 272 jew. m. w. N. auch zur divergierenden instanzgerichtlichen Rechtsprechung; ausdrückl. offenlassend BGH, NJW-RR 1999, 1485; BGH, NZG 2009, 1438; abw. aber Ulmer/Habersack/Löbbe-Raiser, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 257, der lediglich die 500.000 €-Begrenzung zur Anwendung bringen will, ebenso OLG Naumburg, NZG 2015, 1323 Rn. 14. Zur Frage, ob die unterlegene GmbH einen Kostenersatzanspruch gegen ihre Gesellschafter hat, vgl. ausführl. C. Schäfer in: FS Goette, S. 443, 446 ff.

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auch im GmbH-Recht als unbegründet abzuweisen, das Problem der räuberischen Aktionäre stellt sich mangels freier Handelbarkeit der Anteile allerdings nicht.270) Gleichwohl sprechen die besseren Gründe dafür, bei Kapitalerhöhungen, bzw. -herabsetzungen sowie bei Unternehmensverträgen die Vorschriften über das aktienrechtliche Freigabeverfahren (§ 246a AktG) analog anzuwenden.271) 5. 83

Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten

Der umstrittenen Frage nach der Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten kommt im GmbH-Recht besondere Bedeutung zu. Auf Basis der alten §§ 1025 ff ZPO wurde die Schiedsfähigkeit von der Rechtsprechung und der h. M. verneint, da eine Übertragung der Inter-omnes-Wirkung in § 248 Abs. 1 Satz 1 und § 249 Abs. 1 Satz 1 AktG im Schiedsverfahren nicht möglich sei.272) Bereits seit der Neufassung der §§ 1025 ff ZPO durch das SchiedsVfG im Jahre 1997 hatte sich im Schrifttum die Meinung verfestigt, dass diese restriktive Rechtsprechung nunmehr überholt sei und die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten zuzulassen sei.273) Dieser Ansicht ist der Bundesgerichtshof in einer Grundsatzentscheidung vom 6.4.2009 (Schiedsfähigkeit II) beigetreten.274) Darin hat der II. Zivilsenat an seinen bisherigen Bedenken nicht mehr festgehalten. Allerdings lässt er Schiedsverfahrensklauseln nicht grenzenlos zu. Zunächst fordert er die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter, eine nachträgliche Einführung durch mehrheitliche Satzungsänderung scheidet also aus.275) Folglich sollten Altklauseln aus der Zeit vor April 2009 erneut beschlossen _____________ 270) Zur Frage einstweiligen Rechtsschutzes vgl. Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rn. 183 ff; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 89 ff; Ulmer/Habersack/LöbbeRaiser, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 285 ff. 271) So erstmals M. Winter in: FS Ulmer, S. 699, 722 f (de lege ferenda); eingehend so dann de lege lata Harbarth, GmbHR 2005, 966, 969; Bayer/Lieder, NZG 2011, 1170, 1172 f; Raiser in: FS Hüffer, 2010, S. 789, 798 ff; ebenso ferner Geißler, GmbHR 2008, 128, 132 f; Harbarth in: MünchKomm-GmbHG, § 54 Rn. 78; Wicke, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 17; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 88; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 64; Ulmer/Habersack/Löbbe-Casper, GmbHG, § 54 Rn. 56; a. A. KG Berlin, NZG 2011, 1068 f = ZIP 2011, 1474, dazu EWiR 2011, 711 (Nikoleyczik); Baumbach/ Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 54 Rn. 28; Scholz-Priester, GmbHG, § 57 Rn. 50; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rn. 137; Saenger/Inhester-Inhester, GmbHG, § 54 Rn. 36; Fleischer, DB 2011, 2132 ff; Meuer, GmbHR 2013, 729, 731 ff; Sauerbruch, GmbHR 2007, 189, 193 f; Fehrenbach, Der fehlerhafte Gesellschafterbeschluss in der GmbH, S. 375 ff. 272) Die Leitentscheidung stammte aus dem Jahr 1996, vgl. BGHZ 132, 278 ff = ZIP 1996, 830 = GmbHR 1996, 437 m. den dort genannten Nachw., dazu EWiR 1996, 481 (Timm/ Witzorrek); s. allgemein zur Schiedsfähigkeit von GmbH-Beschlussmängelstreitigkeiten mit Darstellung der Entwicklungsgeschichte Versin, GmbHR 2015, 969 ff. 273) Vgl. etwa Ulmer/Habersack/Löbbe-Raiser, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 233 ff; Reichert/Harbarth, NZG 2003, 379 ff; Bayer, ZIP 2003, 881 ff jew. m. w. N. 274) BGH, ZIP 2009, 1003, 1004 ff Rn. 13 ff = GmbHR 2009, 705 = JZ 2009, 794 m. Anm. Habersack, dazu EWiR 2009, 477 (Dürr/Wiggenhorn); bestätigend BGH, GWR 2015, 474. In seiner dritten Leitentscheidung hat der II. Senat seine Rechtsprechung bestätigt und diese Grundsätze auf das Personengesellschaftsrecht übertragen, vgl. BGH, GmbHR 2017, 759, 760 f. Rn. 26; krit. dazu etwa Borris, NZG 2017, 761, 763 ff; Schlüter, DZWIR 2018, 251, 255 ff; Baumann/Wagner, BB 2017, 1993, 1994 ff. 275) Ebenso Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 98 m. w. N. Daran anknüpfend die ergänzenden Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten der DIS veröffentlicht in: NZG 2009, 1296; dazu Schwedt/Lilja/Schaper, NZG 2009, 1281.

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werden, soweit damals nicht alle Gesellschafter zugestimmt und der Gesellschafterkreis unverändert geblieben ist. Müssen Altklauseln, die bereits mit der Zustimmung aller Gesellschafter gefasst worden sind, nur inhaltlich angepasst werden, genügt hingegen ein Beschluss mit satzungsändernder Mehrheit.276) Ob Gesellschafter aufgrund ihrer Treupflicht einer Anpassung der unwirksamen Schiedsklausel zustimmen müssen, ist mit der überwiegenden Auffassung dann zu bejahen, wenn sie zuvor einer inhaltlich nichtigen, aber dennoch auf Beschlussmängelstreitigkeiten anwendbaren Schiedsklausel zugestimmt hatten.277) Typischerweise werden Schiedsklauseln in der Satzung verankert. Dies hat den Vorteil, dass die Schiedsklausel auch gegenüber später hinzukommenden Gesellschaftern, die diese in der Satzung bereits bei ihrem Beitritt vorfinden, wirkt.278) Zwingend ist dies jedoch nicht. Eine Schiedsklausel kann auch durch eine Ad-hoc-Abrede oder eine dauerhaft wirkende schuldrechtliche Nebenabrede vereinbart werden. Allerdings bedarf auch diese Abrede der Mitwirkung aller Gesellschafter sowie der Einhaltung der inhaltlichen Mindestanforderungen.279) Außerdem ist die Form des § 1031 ZPO zu wahren, sofern die Schiedsklausel nicht in die Satzung aufgenommen wird und somit § 1066 Alt. 2 ZPO eingreift, der von der Formpflicht des § 1031 ZPO entbindet.280) Bisher ungeklärt ist die Frage, ob die grundsätzlich formfreie281) Zustimmung aller Gesellschafter i. S. d. § 53 Abs. 3 der Form des § 1031 ZPO unterliegt.282) Dies wird man wegen der geringen Anforderungen des § 1031 ZPO und der damit gewonnenen Rechtssicherheit zu bejahen haben. Inhaltlich bedarf es der Einhaltung gewisser rechtsstaatlicher Mindestanforderungen, da der Bundesgerichtshof die Schiedsklausel über § 138 BGB einer Inhaltskontrolle unterworfen hat.283) Zu diesen inhaltlichen Anforderungen zählen zuvörderst die Schaffung von Verfahrenstransparenz und eine Beteiligungsmöglichkeit sämtlicher Gesellschafter. Analog § 246 Abs. 4 AktG muss deshalb über Einleitung und Verlauf des Schiedsverfahrens jeder Gesellschafter informiert werden.284) Jedem Gesellschafter ist somit die Möglichkeit zu eröffnen, sich zumindest als Nebenintervenient zu beteiligen.285) _____________ 276) Reichert/Harbarth, NZG 2003, 379, 381; Bayer, ZIP 2003, 881, 891; offenlassend aber BGH, ZIP 2009, 1003, 1007 f Rn. 39 m. w. N. = GmbHR 2009, 705 = JZ 2009, 794 m. Anm. Habersack, dazu EWiR 2009, 477 (Dürr/Wiggenhorn). 277) Schwedt/Lilja/Schaper, NZG 2009, 1281, 1285; Witte/Hafner, DStR 2009, 2052, 2056; Saenger/Splittgerber, DZWIR 2010, 177, 180; zustimmend wohl auch Versin, GmbHR 2015, 969, 977. 278) Müller, GmbHR 2010, 729, 731; Schwedt/Lilja/Schaper, NZG 2009, 1281, 1282. 279) BGH, ZIP 2009, 1003, 1005 Rn. 20 = GmbHR 2009, 705 = JZ 2009, 794 m. Anm. Habersack, dazu EWiR 2009, 477 (Dürr/Wiggenhorn). 280) BGHZ 144, 146, 148 = NJW 2000, 1713 = DB 2000, 1166; Saenger-Saenger, ZPO, § 1066 Rn. 5 m. w. N. 281) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 53 Rn. 78. 282) Nolting, NotBZ 2009, 241, 243 Fn. 22, der die Herbeiführung und Beurkundung eines einstimmigen Beschlusses empfiehlt. 283) Vgl. dazu etwa Müller, GmbHR 2010, 729, 730 m. w. N. 284) BGH, ZIP 2009, 1003, 1005 Rn. 20 = GmbHR 2009, 705 = JZ 2009, 794 m. Anm. Habersack, dazu EWiR 2009, 477 (Dürr/Wiggenhorn); BGH, GmbHR 2017, 759, 760 Rn. 25; OLG Bremen, GmbHR 2010, 147, 148 = NZG 2010, 230 – zu § 13 DIS a. F.; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 100. 285) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 36.

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Zentrale Bedeutung unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit kommt ferner der Schiedsrichterbestellung zu. Entweder muss die Auswahl durch eine neutrale Stelle erfolgen oder aber es ist allen Gesellschaftern die Möglichkeit zu eröffnen, an der Auswahl mitzuwirken.286) Das Auswahlverfahren muss zwar nicht zwingend vollständig in der Satzung selbst festgelegt werden, muss aber zumindest die wesentlichen Eckpunkte enthalten,287) weshalb in der Praxis vieles für die Auswahl durch eine neutrale Stelle spricht. Denkbar ist aber auch eine Bestellung durch eine neutrale Stelle allein für den Fall, dass sich die Gesellschafter nicht einigen können. Das Mitwirkungsrecht der Gesellschafter erstreckt sich auch auf die Bestellung eines Schiedsrichters auf Beklagtenseite, da die Gesellschafter dem Geschäftsführer Weisung erteilen können, wobei allerdings anfechtungsbefugte Gesellschafter gemäß Absatz 4 Satz 2 Alt. 2 vom Stimmrecht ausgeschlossen sind.288) Die denkbare Vereinbarung eines ständigen Schiedsgerichts dürfte kaum praktikabel sein.289) Schließlich muss gewährleistet sein, dass Beschlussmängelstreitigkeiten, die denselben Streitgegenstand betreffen, bei einem Schiedsgericht konzentriert werden.290) Diese Grundsätze gelten jedoch nur für Beschluss-mängelstreitigkeiten und nicht für Feststellungsklagen nach § 256 ZPO, die die Frage der Auslegung von Gesellschaftsverträgen betreffen.291) Es zeigt sich, dass bei den bestehenden Schiedsklauseln regelmäßig Anpassungsbedarf besteht, um den vom Bundesgerichtshof postulierten Grundsätzen gerecht zu werden.292) Ein Regelwerk, das sich an den Vorgaben des Bundesgerichtshofs orientiert, hat die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) mit den Ergänzenden Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten (DIS-ERGesS) vorgelegt.293) Allerdings ist auch dieser Vorschlag im Schrifttum teilweise auf Skepsis gestoßen.294) 85

Der Schiedsspruch hat gemäß § 1055 ZPO die Wirkungen eines rechtskräftigen Urteils, führt also mit rechtsgestaltender Wirkung die Nichtigkeit des Beschlusses herbei und entfaltet analog §§ 248 Abs. 1, 249 Abs. 1 AktG Wirkung inter omnes.295) Er wirkt also auch gegenüber nicht beteiligten Dritten wie den Gläubigern der Gesellschaft. _____________ 286) BGH, ZIP 2009, 1003, 1006 f Rn. 25 ff = GmbHR 2009, 705 = JZ 2009, 794 m. Anm. Habersack, dazu EWiR 2009, 477 (Dürr/Wiggenhorn); vgl. dazu auch OLG Bremen, NZG 2010, 230, 231 = GmbHR 2010, 147 – zu § 13 DIS a. F. 287) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 103. 288) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 104. 289) Witte/Hafner, DStR 2009, 2052, 2054. 290) BGH, ZIP 2009, 1003, 1005, 1007 Rn. 20, 31 = GmbHR 2009, 705 = JZ 2009, 794 m. Anm. Habersack, dazu EWiR 2009, 477 (Dürr/Wiggenhorn); OLG Bremen, GmbHR 2010, 147, 148 = NZG 2009, 230. 291) BGH, GWR 2015, 474. 292) OLG Bremen, NZG 2009, 230 f = GmbHR 2010, 147; OLG Frankfurt/M., NZG 2011, 629 = GmbHR 2011, 431; hierzu krit. Nolting, SchiedsVZ 2011, 319 ff. 293) Abgedr. in NZG 2009, 1296 ff; ausführl. dazu Schwedt/Lilja/Schaper, NZG 2009, 1281 ff. 294) Nolting, GmbHR 2011, 1017, 1019 ff; unsicher auch Schwedt/Lilja/Schaper, NZG 2009, 1281, 1283. 295) BGH, ZIP 2009, 1003, 1006 Rn. 24 = GmbHR 2009, 705 = JZ 2009, 794 m. Anm. Habersack, dazu EWiR 2009, 477 (Dürr/Wiggenhorn); ausführl. zum Ganzen Nolting, GmbHR 2011, 1017 ff – auch zu § 11 DIS.

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§ 48

Gesellschafterversammlung

Nachdem nunmehr die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten anerkannt ist, bestehen auch keine Bedenken mehr, Mediationsklauseln zuzulassen.296) Auch insoweit ist die Mitwirkung aller Gesellschafter sicherzustellen. Derartige Klauseln zu einem strukturierten Verhandlungs- bzw. Vermittlungsverfahren werden sich aber nur dann durchsetzen, wenn man während der Laufzeit dieses Verfahrens von einer Hemmung der Anfechtungsfrist (siehe Rn. 81) ausgeht.297) _____________ 296) Details dazu bei Lehmann, Mediation in Beschlussmängelstreitigkeiten, S. 207 ff; Casper/ Risse, ZIP 2000, 437 ff; Dendorfer/Krebs, MittBayNot 2008, 85 ff; ebenso Baumbach/HueckZöllner/Noack, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 43; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtRömermann, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 562 ff; zweifelnd noch Ulmer/Habersack/LöbbeRaiser, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 236. 297) Dafür bereits Casper/Risse, ZIP 2000, 437, 443; Dendorfer/Krebs, MittBayNot 2008, 85, 91; so auch Wertenbruch in: MünchKomm-GmbHG, Anh. § 47 Rn. 336 unter Hinweis auf die Begr. zum MediationsG von 2012 (vgl. BT-Drucks. 17/5335, S. 11); ebenso Fleischer, GmbHR 2013, 1289, 1301; für eine Hemmung wohl auch Baumbach/Hueck-Zöllner/ Noack, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 43; eine entsprechende Anordnung in der Satzung fordernd Lehmann, Mediation in Beschlussmängelstreitigkeiten, S. 223 ff; a. A. Ulmer/ Habersack/Löbbe-Raiser, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 236.

§ 48 Gesellschafterversammlung Andreas Masuch

(1) Die Beschlüsse der Gesellschafter werden in Versammlungen gefasst. (2) Der Abhaltung einer Versammlung bedarf es nicht, wenn sämtliche Gesellschafter in Textform mit der zu treffenden Bestimmung oder mit der schriftlichen Abgabe der Stimmen sich einverstanden erklären. (3) Befinden sich alle Geschäftsanteile der Gesellschaft in der Hand eines Gesellschafters oder daneben in der Hand der Gesellschaft, so hat er unverzüglich nach der Beschlussfassung eine Niederschrift aufzunehmen und zu unterschreiben. Literatur: Blasche, Praxisfragen und Gestaltungsmöglichkeiten bei der Beschlussfassung ohne Gesellschafterversammlung, GmbHR 2011, 232; Flume, Der minderjährige Gesellschafter, NZG 2014, 17; Geißler, Die gesetzlichen Veranlassungen zur Einberufung einer GmbH-Gesellschafterversammlung, GmbHR 2010, 457; K. Schmidt, Gesetzliche Formenstrenge bei GmbH-Beschlüssen?, NJW 2006, 2599; K. Schmidt, Grundzüge der GmbHNovelle, NJW 1980, 1769; Seeling/Zwickel, Typische Fehlerquellen bei der Vorbereitung und Durchführung der Gesellschafterversammlung einer GmbH, DStR 2009, 1097; Werner, Das Beschlussfeststellungsrecht des Versammlungsleiters, GmbHR 2006, 127; Winstel, Beschlussfähigkeit der Gesellschafterversammlung – Beschränkung auf einzelne Beschlussgegenstände und Satzungsgestaltung, GmbHR 2010, 793. Übersicht I. II. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Normzweck und Regelungsinhalt ..... 1 Gesellschafterversammlung ............... 2 Teilnahmerecht ...................................... 3 Quorum ................................................. 7 Versammlungsleitung ........................... 8 Rede- und Antragsrecht ....................... 9 Beschlussfassung ................................. 10 Protokollierung ................................... 11

III. Beschlussfassung außerhalb von Gesellschafterversammlungen ......... 12 1. Zustimmung zum Beschlussinhalt ..... 13 2. Zustimmung zum schriftlichen Verfahren ............................................. 15 3. Abweichende Satzungsgestaltungen ......................................... 17 IV. Einpersonengesellschaften ................ 18

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§ 48 I. 1

Gesellschafterversammlung

Normzweck und Regelungsinhalt

§ 48 regelt die Art und Weise der Beschlussfassung durch die Gesellschafter und ergänzt insofern § 47. Absatz 1 statuiert den Grundsatz, dass Beschlüsse in Versammlungen der Gesellschafter gefasst werden. Absatz 2 ermöglicht Beschlüsse außerhalb von Versammlungen bei Einverständnis aller Gesellschafter. Absatz 3 regelt schließlich ein Formerfordernis für Einpersonengesellschaften. II. Gesellschafterversammlung

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Als Regelfall, von welchem vorbehaltlich einer abweichenden Satzungsregelung nicht ohne Zustimmung sämtlicher Gesellschafter abgewichen werden kann, sieht das Gesetz die Beschlussfassung in Präsenzversammlungen der Gesellschafter vor.1) Die §§ 49 bis 51 regeln dabei die Art und Weise der Einberufung einer Versammlung, § 47 die Beschlussfassung als solche. Vorbehaltlich einer abweichenden Satzungsregelung gilt in Bezug auf den Versammlungsort grundsätzlich § 121 Abs. 4 AktG entsprechend, wonach die Versammlung am Sitz der Gesellschaft stattfinden soll.2) Von dieser Sollvorschrift kann u. a. abgewichen werden, wenn am Sitz der Gesellschaft kein geeignetes Versammlungslokal vorhanden ist oder die Verkehrsverbindung dorthin gestört ist. Bei Gesellschaften mit überschaubarem Gesellschafterkreis kann auch unabhängig hiervon ein anderer Versammlungsort gewählt werden, wenn feststeht, dass dieser die Teilnahme nicht erschwert.3) 1.

3

Teilnahmerecht

Grundsätzlich ist jeder Gesellschafter berechtigt, an allen Gesellschafterversammlungen teilzunehmen, auch dann, wenn er einen stimmrechtslosen Geschäftsanteil halten sollte; erst recht, wenn er nur bei einzelnen Tagesordnungspunkten von der Stimmabgabe ausgeschlossen sein sollte (§ 47 Abs. 4).4) Das Teilnahmerecht der Gesellschafter kann in der Satzung ausgestaltet, aber nicht gänzlich ausgeschlossen werden.5) Ist zu besorgen, dass ein Gesellschafter Informationen, welche zu einem bestimmten Tagesordnungspunkt ausgetauscht werden, zu gesellschaftsfremden Zwecken missbraucht und der Gesellschaft hierdurch gravierende Nachteile entstehen, kann er jedoch für diesen konkreten Punkt auch ohne Satzungsgrundlage durch Mehrheitsbeschluss (unter Stimmrechtsausschluss des Betroffenen) ausgeschlossen werden.6) Ein zu Unrecht erfolgter Ausschluss führt allerdings zur An_____________ 1) 2)

3) 4) 5) 6)

Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 48 Rn. 2; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 48 Rn. 1; Flume, NZG 2014, 17; Blasche, GmbHR 2011, 232. BGH, GmbHR 1985, 256 = BB 1985, 567 = WM 1985, 567, dazu EWiR 1985, 301 (Miller). Wenn die Gesellschaft über geeignete Räumlichkeiten verfügt, soll die Versammlung grundsätzlich dort stattfinden, OLG Düsseldorf, BeckRS 2012, 22394. BGH, GmbHR 1985, 256 = BB 1985, 567 = WM 1985, 567, dazu EWiR 1985, 301 (Miller). BGH, GmbHR 1985, 256, 257 = BB 1985, 567 = WM 1985, 567, dazu EWiR 1985, 301 (Miller). BGH, ZIP 1989, 634, 635 = GmbHR 1989, 120 = DB 1989, 272, dazu EWiR 1989, 271 (Roth). Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 48 Rn. 7; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 48 Rn. 3; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 48 Rn. 5; Rowedder/SchmidtLeithoff-Ganzer, GmbHG, § 48 Rn. 9.

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§ 48

Gesellschafterversammlung

fechtbarkeit der gefassten Beschlüsse,7) weshalb hierbei in der Praxis besondere Vorsicht geboten ist. Das Teilnahmerecht des Gesellschafters steht ggf. den gesetzlichen Vertretern, einem gerichtlich bestellten Pfleger, dem Testamentsvollstrecker oder Insolvenzverwalter zu.8) Der Gesellschafter selbst hat daneben nicht ebenfalls ein Teilnahmerecht. Bevollmächtigte üben das Teilnahmerecht des Gesellschafters aus. Macht der Gesellschafter von seinem Teilnahmerecht selbst Gebrauch, muss ein Bevollmächtigter nicht neben dem Gesellschafter zugelassen werden.9)

4

Berater eines Gesellschafters haben vorbehaltlich einer entsprechenden Satzungsregelung nur ein Teilnahmerecht, wenn ihnen die Teilnahme durch Mehrheitsbeschluss gestattet worden ist. Wenn die persönlichen Verhältnisse des Gesellschafters, die Struktur der Gesellschaft oder der konkrete Tagesordnungspunkt dringend für eine Beratungsbedürftigkeit sprechen, gebietet es die gesellschaftliche Treupflicht, einer Zulassung zuzustimmen.10)

5

Geschäftsführer sowie Mitglieder eines fakultativen Aufsichtsrats- oder Beirats haben kein Teilnahmerecht. Die Geschäftsführer sind jedoch zur Teilnahme verpflichtet, wenn die Gesellschafterversammlung dies verlangt (§ 37). Mitgliedern eines obligatorischen Aufsichtsrats steht ein Teilnahmerecht nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG bzw. § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG jeweils in Verbindung mit § 118 Abs. 3 AktG zu.

6

2.

Quorum

Bei einer ordnungsgemäß einberufenen Gesellschafterversammlung hängt die Beschlussfähigkeit nicht davon ab, wie viele Gesellschafter erschienen sind.11) Die Satzung kann allerdings Mindestquoren als Beschlussfähigkeitsvoraussetzung vorsehen. Wird ein notwendiges Quorum nicht erreicht, ist eine neue Versammlung einzuberufen. Anderes gilt in Fällen des Boykotts.12) 3.

7

Versammlungsleitung

Eine Versammlungsleitung ist durch das Gesetz nicht zwingend vorgeschrieben. Sie kann jedoch auch ohne Satzungsgrundlage durch einfachen Mehrheitsbeschluss _____________ 7) Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 48 Rn. 23; Scholz-Seibt, GmbHG, § 48 Rn. 29; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rn. 64; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 48 Rn. 9; sogar Nichtigkeit annehmend Ring/Grziwotz-Krause, GmbH-Recht, § 48 Rn. 4. 8) OLG München, ZIP 2010, 1756 = GmbHR 2010, 1038 = WM 2010, 2230; Baumbach/ Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 48 Rn. 8 f; zum minderjährigen Gesellschafter Flume, NZG 2014, 17, 21. 9) OLG Koblenz, NJW 1992, 2163, 2165; Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 48 Rn. 16; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 48 Rn. 8. 10) OLG Dresden, ZIP 2016, 2062 = GmbHR 2016, 1149 = DB 2016, 2222; OLG Düsseldorf, GmbHR 2002, 67 = MDR 2001, 1305. 11) Scholz-Seibt, GmbHG, § 48 Rn. 43; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 48 Rn. 20; Winstel, GmbHR 2010, 793. 12) OLG Hamburg, NJW-RR 1991, 673, 674; Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 48 Rn. 114; zu Detailfragen Werner, GmbHR 2009, 289 ff.

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§ 48

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installiert werden.13) Versammlungsleiter kann dabei nicht nur ein Gesellschafter, sondern ggf. auch ein Geschäftsführer oder ein Dritter sein. Dem Versammlungsleiter obliegt es, die Erörterung der Tagesordnungspunkte zu leiten, ggf. das Wort zu erteilen und Redezeiten zu regeln, Anträge entgegenzunehmen und zur Abstimmung zu stellen sowie die Beschlussergebnisse festzustellen.14) 4. 9

5. 10

Beschlussfassung

Die Beschlussfassung richtet sich nach § 47 (siehe § 47 Rn. 7 ff [Casper]). 6.

11

Rede- und Antragsrecht

Jeder Gesellschafter, auch derjenige ohne Stimmrecht, besitzt ein Rede- und Antragsrecht. Er kann dadurch seine Auffassung zu den jeweiligen Tagesordnungspunkten darlegen und um Unterstützung werben.15)

Protokollierung

Vorbehaltlich eines Beurkundungserfordernisses sowie vorbehaltlich der Sonderregelung in Absatz 3 für Einpersonengesellschaften müssen Beschlüsse im GmbH-Recht – anders als im Aktienrecht (§§ 129 f AktG) – nicht protokolliert werden. Sieht die Satzung ein Niederschriftserfordernis vor, sollte dessen Einhaltung unbedingt beachtet werden, da die Rechtsprechung diesbezüglich teilweise von einem Wirksamkeitserfordernis ausgeht.16) Sofern ein Versammlungsleiter bestellt ist (siehe Rn. 8), begründet seine Funktion die Pflicht gegenüber der Gesellschaft, für eine hinreichende Protokollierung zu sorgen (unabhängig von einer speziellen Verpflichtung durch Satzung, Geschäftsordnung oder Gesellschafterbeschluss).17) III. Beschlussfassung außerhalb von Gesellschafterversammlungen

12

Absatz 2 ermöglicht eine Beschlussfassung außerhalb einer Gesellschafterversammlung auf zwei Wegen. Diese können für jede Art von Beschlussgegenständen beschritten werden, solange keine notarielle Beurkundung erforderlich ist. Von Absatz 2 abweichende Beschlussfassungen außerhalb einer Präsenzversammlung bedürfen demgegenüber (auch bei Einverständnis aller Gesellschafter) einer Satzungsregelung; _____________ 13) OLG München, GmbHR 2005, 624, 625 = DB 2005, 1566; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 48 Rn. 14; Werner, GmbHR 2006, 127, 128; Seeling/Zwickel, DStR 2009, 1097, 1101; a. A. OLG Frankfurt/M., NZG 1999, 406 = NJW-RR 1999, 980 = GmbHR 1999, 551 (nur einstimmig). 14) Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 48 Rn. 111 ff; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 48 Rn. 16; Wicke, GmbHG, § 48 Rn. 3. 15) Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 48 Rn. 11; Scholz-Seibt, GmbHG, § 48 Rn. 16; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 48 Rn. 4. 16) BayObLG, BB 1991, 2103, 2104 = GmbHR 1992, 306 = NJW-RR 1992, 295, dazu EWiR 1992, 789, 790 (Bokelmann); OLG Stuttgart, BB 1983, 1050 = DB 1983, 1480; a. A. RGZ 104, 413, 415; RGZ 122, 367, 369; OLG Stuttgart, NZG 1998, 994, 995 = GmbHR 1998, 1034; vgl. auch Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 48 Rn. 23, die nach Schriftform (bloßes Beweismittel) und notarieller Beurkundung (Wirksamkeitsvoraussetzung) differenzieren. 17) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 48 Rn. 38; Scholz-Seibt, GmbHG, § 48 Rn. 39; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 48 Rn. 22; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 48 Rn. 18, Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 48 Rn. 20.

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Gesellschafterversammlung

andernfalls sind derartige Beschlüsse nichtig.18) Während eine Beschlussfassung i. R. einer Gesellschafterversammlung nur vom Einberufungsorgan (§ 49 Abs. 1) initiiert werden kann, können die Beschlussverfahren nach Absatz 2 von jedem Gesellschafter in Gang gesetzt werden (zur Beschlussnichtigkeit bei Einberufung einer Versammlung durch einen Nichtberechtigten siehe § 51 Rn. 13 [Masuch]).19) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt bei Beschlussfassungen außerhalb von Versammlungen eine Beschlussfeststellung sowie eine Mitteilung des Beschlussergebnisses ein Wirksamkeitserfordernis dar, falls nicht eine einstimmige, eindeutige und offensichtlich endgültige Willenskundgebung der Gesellschafter vorliege.20) 1.

Zustimmung zum Beschlussinhalt

Alternative 1 setzt voraus, dass alle Gesellschafter dem Beschlussantrag in Textform zustimmen. Erforderlich ist also ein inhaltliches Einverständnis sämtlicher Gesellschafter mit dem in Frage stehenden Beschlussvorschlag. Dies gilt auch für Gesellschafter, die an sich einem Stimmverbot (§ 47 Abs. 4) unterliegen, weil ihnen bei Verzicht auf eine Gesellschafterversammlung das Teilnahme- sowie Rederecht und damit die Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Beschlussfassung verloren geht.21)

13

Die Zustimmung muss in der Textform des § 126b BGB erklärt werden. Danach ist keine schriftliche Zustimmungserklärung erforderlich. Es genügt bspw. auch eine Einverständniserklärung mittels E-Mail oder Telefax.22)

14

2.

Zustimmung zum schriftlichen Verfahren

Alternative 2 setzt anders als Alternative 1 kein Einverständnis mit dem Inhalt des Beschlussvorschlages voraus. Es genügt hier vielmehr die Zustimmung zu dem Verfahren, die Stimmen schriftlich abzugeben. Die Zustimmung, die von sämtlichen – auch nicht stimmberechtigten – Gesellschaftern erklärt werden muss,23) ist an keine Form gebunden;24) sie kann ggf. auch konkludent – bspw. durch Teilnahme am schriftlichen Verfahren – zum Ausdruck gebracht werden. Die Frage, ob das Einverständnis mit einer schriftlichen Stimmabgabe auch noch nachträglich erklärt werden kann, ist mit der ganz h. M. zu bejahen.25)

_____________ 18) BGH, ZIP 2006, 852 = GmbHR 2006, 706 = NJW 2006, 2044, dazu EWiR 2007, 111 (M. Möller); Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Römermann, GmbHG, § 48 Rn. 279 f. 19) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 48 Rn. 33. 20) BGHZ 15, 324, 329 = NJW 1955, 220 = GmbHR 1956, 28 (LS) m. Anm. Gottschling; BGH, ZIP 2006, 852 = GmbHR 2006, 706 = NJW 2006, 2044, dazu EWiR 2007, 111 (M. Möller); krit. hierzu Blasche, GmbHR 2011, 232, 236 m. w. N. 21) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 48 Rn. 43; Baumbach/HueckZöllner/Noack, GmbHG, § 48 Rn. 30; Blasche, GmbHR 2011, 232, 233. 22) Vgl. zu den Textformanforderungen i. E. Palandt-Ellenberger, BGB, § 126b Rn. 3 ff. 23) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 48 Rn. 38; Geißler, GmbHR 2010, 457. 24) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 48 Rn. 47; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 48 Rn. 25; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 48 Rn. 35. 25) Milchalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Römmermann, GmbHG, § 48 Rn. 268; Baumbach/ Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 48 Rn. 36; Blasche, GmbHR 2011, 232, 233 m. w. N.; anders nur BGH, NJW 1959, 194, 195 = GmbHR 1959, 48 (Wilhelm).

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Die Stimmabgabe selbst hat nach dem Wortlaut der Vorschrift demgegenüber schriftlich zu erfolgen (§ 126 BGB). Ein Teil des Schrifttums will zwar auch hier Textform (§ 126b BGB) genügen lassen.26) Richtigerweise ist jedoch davon auszugehen, dass Letzteres angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift nicht genügend ist, sondern die Anforderungen des § 126 BGB eingehalten werden müssen.27) 3.

17

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Abweichende Satzungsgestaltungen

Absatz 2 ist grundsätzlich dispositiv.28) In der Praxis werden die Möglichkeiten zur Beschlussfassung außerhalb von Versammlungen regelmäßig erweitert. Möglich ist es bspw., die Stimmabgabe in Textform bereits auf Basis eines einfachen Mehrheitsbeschlusses zuzulassen oder Beschlussfassungen in Telefonkonferenzen zu erlauben. In derartigen Fällen muss mit der Aufforderung zur Stimmabgabe allerdings der Hinweis verbunden werden, dass die Voraussetzungen für das gewählte Abstimmungsverfahren vorliegen.29) Möglich ist es auch, Beschlussfassungen außerhalb von Versammlungen einzuschränken. Eine erweiternde Satzungsregelung ist erforderlich, wenn es ermöglicht werden soll, die Stimmen teilweise in Versammlungen und teilweise schriftlich abzugeben.30) IV. Einpersonengesellschaften

18

Absatz 3 statuiert ein besonderes Formerfordernis für Gesellschafterbeschlüsse, wenn – ggf. neben eigenen Geschäftsanteilen (§ 33) – sämtliche Geschäftsanteile von einem einzigen Gesellschafter gehalten werden (Einpersonengesellschaft). Ist an der Gesellschaft mehr als ein Gesellschafter beteiligt – und sei es stimmrechtslos31) oder treuhänderisch32) für den einzigen Mitgesellschafter – so findet die Vorschrift unabhängig vom Beteiligungsumfang des Mitgesellschafters keine Anwendung. Gleiches gilt, wenn ein Geschäftsanteil von einer Erben- oder Gütergemeinschaft gehalten wird.33)

19

Soweit die Regelung anwendbar ist, hat der Gesellschafter unverzüglich (entsprechend § 121 BGB) nach der Beschlussfassung ein Protokoll zu erstellen und zu unterzeichnen. Datums- und Ortsangabe sind nicht zwingend erforderlich, aber empfehlenswert. _____________ 26) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 48 Rn. 26; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 48 Rn. 37. 27) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 48 Rn. 51; Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 48 Rn. 39; Scholz-Seibt, GmbHG, § 48 Rn. 63; vgl. auch Einsele in: MünchKomm-BGB, § 126b Rn. 3 zur Auslegung der Wendung „schriftlich“; Blasche, GmbHR 2011, 232, 233. 28) BGH, ZIP 2006, 852, 853 Rn. 9 = GmbHR 2006, 706 = NJW 2006, 2044, dazu EWiR 2007, 111 (M. Möller). Ein Versammlungszwang besteht nach §§ 13 Abs. 1, 125 Satz 1, 193 Abs. 1 UmwG, Blasche, GmbHR 2011, 232, nach Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/ Schürnbrand, GmbHG, § 48 Rn. 55: ferner in den Fällen des § 49 Abs. 3 und § 50 Abs. 1. 29) BGHZ 28, 355, 358 = NJW 1959, 194 = GmbHR 1959, 48. 30) BGH, ZIP 2006, 852, 853 Rn. 10 = GmbHR 2006, 706 = NJW 2006, 2044, dazu EWiR 2007, 111 (M. Möller); krit. hierzu K. Schmidt, NJW 2006, 2599. 31) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 48 Rn. 47; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 48 Rn. 33; Scholz-Seibt, GmbHG, § 48 Rn. 71. 32) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 48 Rn. 33; Scholz-Seibt, GmbHG, § 48 Rn. 71. 33) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 48 Rn. 47; Henssler/Strohn-Hillmann, GesR, § 48 GmbHG Rn. 30.

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§ 49

Einberufung der Versammlung

Nach ganz herrschender Literaturansicht führt ein Verstoß gegen Absatz 3 nicht zur Unwirksamkeit des Beschlusses,34) kann ggf. aber Schadensersatzansprüche gegenüber der Gesellschaft oder späteren Mitgesellschaftern auslösen.35) Auch ist es dem Gesellschafter verwehrt, sich auf einen Beschluss zu seinem Vorteil zu berufen, wenn Absatz 3 missachtet worden ist.36)

20

Eine Protokollierung ist dann entbehrlich, wenn diese auf eine unnötige Förmelei hinausliefe (schriftlich gefasste Zessionsvereinbarung)37); schriftliche Kündigung des Geschäftsführers durch den Alleingesellschafter,38) notariell zu beurkundender Satzungsänderungsbeschluss.39)

21

_____________ 34) BT-Drucks. 8/3908, S. 75; Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 48 Rn. 67; Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 48 Rn. 192; Scholz-Seibt, GmbHG, § 48 Rn. 73; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 48 Rn. 36; vom BGH bisher offengelassen, BGH, WM 1990, 638, 640; BGH, NJW 1995, 1750, 1752 = ZIP 1995, 643. 35) Scholz-Seibt, GmbHG, § 48 Rn. 73; Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 48 Rn. 195; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 48 Rn. 57. 36) K. Schmidt, NJW 1980, 1769, 1776; vgl. auch Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 48 Rn. 45. 37) BGH, ZIP 2013, 2099 = NZG 2013, 1266, dazu EWiR 2013, 709 (Koller). 38) LG Hannover, BeckRS 2011, 07072. 39) OLG Celle, ZIP 2017, 1623 = GmbHR 2017, 419 = NZG 2017, 422.

§ 49 Einberufung der Versammlung Andreas Masuch

(1) Die Versammlung der Gesellschafter wird durch die Geschäftsführer berufen. (2) Sie ist außer den ausdrücklich bestimmten Fällen zu berufen, wenn es im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint. (3) Insbesondere muss die Versammlung unverzüglich berufen werden, wenn aus der Jahresbilanz oder aus einer im Laufe des Geschäftsjahres aufgestellten Bilanz sich ergibt, dass die Hälfte des Stammkapitals verloren ist. Literatur: Geißler, Die gesetzlichen Veranlassungen zur Einberufung einer GmbH-Gesellschafterversammlung, GmbHR 2010, 457; Priester, Verlustanzeige und Eigenkapitalersatz, ZGR 1999, 533; Bayer/Illhardt, Einberufung der Gesellschafterversammlung durch den abberufenen GmbH-Geschäftsführer bzw. den nicht wirksam bestellten Komplementär einer Publikums-KG?, NZG 2017, 801; Liebscher/Steinbrück, Die Einberufung der Gesellschafterversammlung durch zu Unrecht im Handelsregister eingetragene Geschäftsführer, GmbHR 2017, 497. Übersicht I. II. III. 1.

I.

Normzweck und Regelungsinhalt ..... Zuständigkeit ....................................... Verpflichtung zur Einberufung ......... Ausdrücklich bestimmte Fälle (Abs. 2 Halbs. 1) ...................................

1 2 6

2. 3.

Interesse der Gesellschaft (Abs. 2 Halbs. 2) ................................... 9 Verlust des hälftigen Stammkapitals (Abs. 3) ................................................ 10

8

Normzweck und Regelungsinhalt

§ 49 dient der Kompetenzverteilung im Hinblick auf die Einberufung von Gesellschafterversammlungen und statuiert Maßgaben, an welchen sich die KompetenzAndreas Masuch

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1

§ 49

Einberufung der Versammlung

ausübung auszurichten hat. Absatz 1 weist die Kompetenz zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung der Geschäftsführung zu. Die Absätze 2 und 3 bestimmen, in welchen Fällen von dieser Kompetenz nicht nur Gebrauch gemacht werden darf, sondern muss. Absatz 3 wird für Unternehmergesellschaften (haftungsbeschränkt) modifiziert durch § 5a Abs. 4 (siehe § 5a Rn. 30 ff [Schäfer]). Ergänzt werden die Regelungen durch § 50 Abs. 1. II. Zuständigkeit 2

Die Zuständigkeit zur Einberufung von Gesellschafterversammlungen liegt nach Absatz 1 grundsätzlich ausschließlich bei den Geschäftsführern. Bei mehreren Geschäftsführern ist jeder einzelne berechtigt, eine Gesellschafterversammlung einzuberufen, unabhängig davon, ob er einzelvertretungsberechtigt oder zur Einzelgeschäftsführung befugt ist.1) Die Einberufungskompetenz hängt nicht von der Handelsregistereintragung des Geschäftsführers ab. Umgekehrt gilt ein nicht (mehr) wirksam bestellter Geschäftsführer nicht allein deshalb als einberufungsberechtigt, weil er (noch) im Handelsregister eingetragen ist; § 121 Abs. 2 Satz 2 AktG findet angesichts der unterschiedlichen Interessenlage und der unterschiedlichen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse in der AG einerseits und der GmbH andererseits auf den Geschäftsführer keine analoge Anwendung.2) Während die Übermittlung einer Einladung durch einen Boten allgemein als zulässig angesehen wird, ist die Frage, ob sich ein Geschäftsführer i. R. d. Einladung vertreten lassen kann, umstritten.3) Zwingende Gründe gegen eine Vertretung bestehen indessen nicht, sodass auch eine Einladung durch einen Stellvertreter anzuerkennen ist. Zugunsten der Gesellschafter findet § 174 BGB Anwendung.

3

In der Liquidation der Gesellschaft geht die Einberufungskompetenz auf die Liquidatoren über. Gesellschafter sind nur unter den Voraussetzungen des § 50 Abs. 3 zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung berechtigt. Ein eventueller Aufsichtsrat kann eine Gesellschafterversammlung einberufen, wenn es das Wohl der Gesellschaft erfordert, § 52 Abs. 1 i. V. m. § 111 Abs. 3 AktG.

_____________ 1)

2)

3)

BGH ZIP 2016, 817, 820 = GmbHR 2016, 587 = NZG 2016, 55; BayObLG, ZIP 1999, 1597, 1599 = GmbHR 1999, 984 = NJW-RR 2000, 181, dazu EWiR 1999, 1007 (Fabis); Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 49 Rn. 17. BGH, ZIP 2017, 131 = NJW 2017, 1471; vgl. bereits BGH, ZIP 2017, 281 = NJW 2017, 1467 für den Fall einer Publikums-KG; Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 49 Rn. 7; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 49 Rn. 3; a. A. OLG Düsseldorf, ZIP 2004, 1956, 1963 = GmbHR 2004, 572 = NZG 2004, 916, dazu EWiR 2004, 623 (Leibner); Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 49 Rn. 15 ff; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 49 Rn. 2; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 49 Rn. 4. Eingehend zum Streitstand Bayer/Illhardt, NZG 2017, 801 und Liebscher/Steinbrück, GmbHR 2017, 497. Bejahend: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Römermann, GmbHG, § 49 Rn. 65; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 49 Rn. 5; verneinend: OLG Hamm, GmbHR 1995, 736, 737; Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 49 Rn. 11; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 49 Rn. 4; Scholz-Seibt, GmbHG, § 49 Rn. 12; Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 49 Rn. 33 f.

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§ 49

Einberufung der Versammlung

Außerhalb des Anwendungsbereichs von Absatz 3 kann die Zuständigkeit zur Einberufung von Gesellschafterversammlungen in der Satzung abweichend von Absatz 1 geregelt werden.4)

4

Wird eine Gesellschafterversammlung durch eine Person einberufen, die hierzu nicht berechtigt ist, sind dennoch gefasste Beschlüsse nichtig.5) Eine Ausnahme gilt in den Fällen des § 51 Abs. 3.

5

III. Verpflichtung zur Einberufung Mit der grundsätzlich ausschließlichen Berechtigung, Gesellschafterversammlungen einzuberufen, ist die Verpflichtung der Geschäftsführung verbunden, von dieser Kompetenz zweckentsprechend Gebrauch zu machen. Die Absätze 2 und 3 regeln daher ausdrücklich, unter welchen Voraussetzungen eine Gesellschafterversammlung einberufen werden muss. Über diese Fälle hinaus sind die Geschäftsführer allerdings stets berechtigt, eine Versammlung anzuberaumen, wenn sie dies für zweckdienlich halten. Soweit mit einer Versammlung erhebliche Kosten verbunden sind, ist auch an eine Beschlussfassung außerhalb einer Versammlung zu denken (§ 48 Abs. 2).

6

Verstößt ein Geschäftsführer gegen die Verpflichtung zur Einberufung einer Versammlung, kann er sich schadensersatzpflichtig machen (§ 43 Abs. 2). Die Verletzung der Einberufungspflicht kann ferner einen wichtigen Grund zur Abberufung des Geschäftsführers darstellen.6) Zu beachten ist ferner, dass sich ein Geschäftsführer nach § 84 strafbar machen kann, wenn er es unterlässt, der Gesellschafterversammlung einen Verlust des hälftigen Stammkapitals anzuzeigen.

7

1.

Ausdrücklich bestimmte Fälle (Abs. 2 Halbs. 1)

Die Geschäftsführer haben von ihrer Einberufungskompetenz nach Absatz 2 Halbs. 1 in den ausdrücklich bestimmten Fällen Gebrauch zu machen. Damit gemeint sind zunächst die Fälle des Absatzes 3 (Verlust des hälftigen Stammkapitals, siehe Rn. 10 ff) und des § 50 Abs. 1 (Einberufungsverlangen eines Gesellschafters, siehe § 50 Rn. 4 f [Masuch]). Angesprochen sind darüber hinaus jedoch auch diejenigen weiteren Fälle, in welchen ggf. die Satzung eine Verpflichtung zur Einberufung einer Versammlung vorsieht (str.).7) 2.

Interesse der Gesellschaft (Abs. 2 Halbs. 2)

Im Interesse der Gesellschaft ist die Einberufung einer Versammlung geboten, wenn der Gesellschaft ohne die Versammlung ein Schaden drohen könnte oder wenn Entscheidungen anstehen, die von den Gesellschaftern zu treffen sind (insbesondere _____________ 4)

5)

6) 7)

8

Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 49 Rn. 34; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 49 Rn. 8; a. A. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 49 Rn. 4; Wicke, GmbHG, § 49 Rn. 5. BGHZ 201, 216 Tz. 12 = ZIP 2014, 1422; BGHZ 87, 1, 2 = ZIP 1983, 569, 570; BayObLG, ZIP 1999, 1597, 1599 = GmbHR 1999, 984 = NJW-RR 2000, 181, dazu EWiR 1999, 1007 (Fabis). Scholz-Seibt, GmbHG, § 49 Rn. 35; Ring/Grziwotz-Krause, GmbH-Recht, § 49 Rn. 14. Vgl. zu der Streitfrage, ob Absatz 2 Halbs. 1 noch weitere Fälle umfasst Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 49 Rn. 47 (ablehnend) sowie Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 49 Rn. 12 (bejahend) jew. m. w. N.

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9

§ 49

Einberufung der Versammlung

§§ 26, 46, 53, 60 Abs. 2, 66 sowie §§ 13 Abs. 1, 125 176 Abs. 1 und § 193 Abs. 1 Satz 2 UmwG).8) Mit der Formulierung, dass die Versammlung erforderlich „erscheint“, bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass die Versammlung nicht zwangsläufig objektiv erforderlich sein muss. Im Zweifel sind die Geschäftsführer daher verpflichtet, eine Versammlung einzuberufen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Geschäftsführung eine Maßnahme durchführen möchte, an deren Billigung durch die Gesellschafterversammlung sie zweifeln muss; ein solcher Fall liegt auch bei zu erwartendem Widerspruch nur eines Minderheitsgesellschafters vor, wenn infolge von Stimmverboten anderer Gesellschafter anzunehmen ist, dass ein Beschluss über die Vornahme der Maßnahme nicht zustande kommt.9) Es ist allerdings auch der Aufwand einer Gesellschafterversammlung zu berücksichtigen, sodass ggf. auch eine Beschlussfassung nach § 48 Abs. 2 zu erwägen und einzuleiten ist.10) Ist eine Beschlussfassung außerhalb einer Präsenzversammlung gescheitert, muss eine Versammlung einberufen werden.11) 3.

Verlust des hälftigen Stammkapitals (Abs. 3)

10

Eine durch Satzungsbestimmung nicht einschränkbare Verpflichtung zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung besteht, wenn die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft verloren ist. Es genügt nach Absatz 3 nicht, dass ein Verlust i. H. d. hälftigen Stammkapitals entstanden ist; erforderlich ist vielmehr, dass Verluste eingetreten sind, in deren Folge das Nettovermögen der Gesellschaft nur noch die Hälfte des Stammkapitals beträgt. Nach welchen Maßstäben sich dies bestimmt, ist i. E. umstritten.12) Die Inbezugnahme der „Jahresbilanz“ in Absatz 3 spricht dafür, dass die Wertansätze maßgeblich sind, welche in einem ordentlichen Jahresabschluss nach den Regelungen des HGB zugrunde zu legen wären.13) Nach h. M. dürfen insbesondere stille Reserven nur in diesem Rahmen aufgelöst werden.14)

11

Anders als der Wortlaut der Vorschrift nahelegt, hängt die Einberufungspflicht nicht davon ab, dass zufällig gerade ein Jahresabschluss oder eine Zwischenbilanz erstellt worden ist, aus welcher sich der Verlust ergibt. Es obliegt vielmehr der Geschäftsführung, die Vermögenslage und Geschäftsentwicklung der Gesellschaft ständig im Auge zu behalten und den Stand des Vermögens ggf. durch Erstellung einer außerordentlichen Zwischenbilanz zu überprüfen.15) _____________ 8) S. i. E. Eickhoff, Die Praxis der Gesellschafterversammlung, Rn. 54. 9) OLG Stuttgart, ZIP 2013, 1177 = GmbHR 2013, 535 = NZG 2013, 424 (Ls.). 10) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 49 Rn. 12, 18; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 49 Rn. 13. 11) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 49 Rn. 12 f; Geißler, GmbHR 2010, 457, 460. 12) Vgl. zum Streitstand Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 49 Rn. 24 ff; Scholz-Seibt, GmbHG, § 49 Rn. 24; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 49 Rn. 15. 13) Eickhoff, Gesellschafterversammlung, Rn. 56. 14) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Römermann, GmbHG, § 49 Rn. 110; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 49 Rn. 15; Wicke, GmbHG, § 49 Rn. 6; Priester, ZGR 1999, 533, 540; Geißler, GmbHR 2010, 457, 459; a. A. BGH, WM 1958, 1416, 1417 = BB 1958, 1181, 1182 – zu § 83 AktG. 15) BGH, ZIP 1995, 560, 561 = GmbHR 1995, 299 = NJW-RR 1995, 669, dazu EWIR 1995, 785 (Wittkowski).

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§ 50

Minderheitsrechte

Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 3 vor, ist eine Gesellschafterversammlung unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB), einzuberufen. Eine Einschränkung der Einberufungspflicht nach Absatz 3 durch die Satzung ist nach richtiger Anischt unzulässig.16) Eine Einberufung ist allerdings dann entbehrlich, wenn sämtliche Gesellschafter in Kenntnis des Verlusts des hälftigen Stammkapitals darauf verzichten.17)

12

_____________ 16) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 49 Rn. 8, 20; Ring/Grziwotz-Krause, GmbH-Recht, § 49 Rn. 12; a. A. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 49 Rn. 26. 17) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 49 Rn. 21; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Römermann, GmbHG, § 49 Rn. 127; Geißler, GmbHR 2010, 457, 459.

§ 50 Minderheitsrechte Andreas Masuch

(1) Gesellschafter, deren Geschäftsanteile zusammen mindestens dem zehnten Teil des Stammkapitals entsprechen, sind berechtigt, unter Angabe des Zwecks und der Gründe die Berufung der Versammlung zu verlangen. (2) In gleicher Weise haben die Gesellschafter das Recht zu verlangen, dass Gegenstände zur Beschlussfassung der Versammlung angekündigt werden. (3) 1Wird dem Verlangen nicht entsprochen oder sind Personen, an welche dasselbe zu richten wäre, nicht vorhanden, so können die in Absatz 1 bezeichneten Gesellschafter unter Mitteilung des Sachverhältnisses die Berufung oder Ankündigung selbst bewirken. 2Die Versammlung beschließt, ob die entstandenen Kosten von der Gesellschaft zu tragen sind. Literatur: Goette, Zur Problematik des § 626 II BGB bei der fristlosen Kündigung des Anstellungsvertrages eines GmbH-Geschäftsführers, DStR 1998, 1103; Seeling/Zwickel, Typische Fehlerquellen bei der Vorbereitung und Durchführung der Gesellschafterversammlung einer GmbH, DStR 2009, 1097. Übersicht I. II. III. IV.

I.

Normzweck und Regelungsinhalt ..... 10 %-Beteiligung ................................. Einberufungsverlangen ....................... Ergänzungsverlangen bzgl. der Tagesordnung .......................................

1 3 4

V. Selbsthilfe .............................................. 7 1. Ausübung ............................................... 7 2. Kosten .................................................. 11

6

Normzweck und Regelungsinhalt

§ 50 dient dem Minderheitenschutz und steht damit neben den Regelungen der §§ 51a f, 61 Abs. 2, 66 Abs. 2. Die Vorschrift gibt einer Minderheit unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 das Recht, entweder die Einberufung einer Gesellschafterversammlung (Abs. 1) oder – falls bereits eine Gesellschafterversammlung stattfinden soll – die Ergänzung der Tagesordnung (Abs. 2) zu verlangen. Wird einem entsprechenden Verlangen nicht entsprochen, ist die Minderheit ggf. berechtigt, ihr Begehren im Wege der Selbstvornahme durchzusetzen (Abs. 3).

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§ 50 2

Minderheitsrechte

Die Regelungen des § 50 sind halbzwingend. Sie können zwar zugunsten, nicht jedoch zulasten der Minderheit modifiziert werden.1) II. 10 %-Beteiligung

3

Die Minderheitenrechte des § 50 hängen davon ab, dass der oder die Gesellschafter, welche von diesen Rechten (ggf. gemeinsam) Gebrauch machen wollen, (zusammen) mindestens 10 % des Stammkapitals halten. Eigene Geschäftsanteile der GmbH (§ 33) sowie eingezogene (§ 34) oder kaduzierte (§ 21) Geschäftsanteile sind nach h. M. bei der Ermittlung der Beteiligungsquote (zugunsten der Minderheit) jedoch außer Betracht zu lassen.2) Berücksichtigt werden demgegenüber auch stimmrechtslose Geschäftsanteile sowie Geschäftsanteile solcher Gesellschafter, die im Hinblick auf die in Frage stehenden Tagesordnungspunkte ggf. nach § 47 Abs. 4 nicht stimmberechtigt wären.3) III. Einberufungsverlangen

4

Einer Minderheit, welche den Stammkapitalanteil gemäß Absatz 1 hält, steht zunächst das Recht zu, die Einberufung einer Gesellschafterversammlung zu verlangen. Im Falle einer Testamentsvollstreckung kann das Recht nur vom Testamentsvollstrecker ausgeübt werden.4) Vorbehaltlich abweichender Satzungsregelung ist dieses Verlangen an die Geschäftsführung als Einberufungsorgan (§ 49 Abs. 1) zu richten. Entsprechend dem Rechtsgedanken des § 35 Abs. 2 Satz 2 genügt der Zugang des Verlangens bei einem der Geschäftsführer oder sonstigen Einberufungsberechtigten. Dabei müssen der Zweck und die Gründe des Verlangens angegeben werden. Erforderlich ist danach sowohl die Angabe der Tagesordnungspunkte, über welche beraten und ggf. Beschluss gefasst werden soll,5) als auch eine Begründung dafür, weshalb dies geschehen soll. Die Legitimation der Minderheit richtet sich demgegenüber nach § 16 Abs. 1 Satz 1 und muss i. R. d. Einberufungsverlangens richtigerweise nicht nachgewiesen werden.6) Es genügt, wenn sich aus dem Verlangen ergibt, dass es von Gesellschaftern mit einer ausreichenden Minderheitsbeteiligung getragen wird.7) Da das Verlangen weder auf eine dringende Einberufung einer Versammlung gerichtet sein muss, noch die Dringlichkeit des Anliegens der Minderheit voraussetzt, bedarf es diesbezüglich nicht zwingend irgendwelcher Angaben oder Nachweise.8) Es liegt allerdings im eigenen Interesse des Antragstellers, diese ggf. freiwillig zu übermitteln, um eine zeitnahe Einberufung zu erwirken und formalen Einwänden vorzubeugen.9) _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8)

9)

Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 50 Rn. 75 ff; Scholz-Seibt, GmbHG, § 50 Rn. 6; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 50 Rn. 4. Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 50 Rn. 8; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 50 Rn. 5; Wicke, GmbHG, § 50 Rn. 2. BGH, ZIP 2014, 1422, 1425 = NZG 2014, 945, dazu EWiR 2014, 613 (Priester). BGH, ZIP 2014, 1422, 1424 = NZG 2014, 945, dazu EWiR 2014, 613 (Priester). OLG Köln, GmbHR 1999, 296 = NJW-RR 1999, 979 = NZG 1999, 268. In diesem Sinne nunmehr auch Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 50 Rn. 7. Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 50 Rn. 20. A. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 50 Rn. 9; Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 50 Rn. 20 ff; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 50 Rn. 6; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 50 Rn. 7 (Begründung der Eilbedürftigkeit). Vgl. Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 50 Rn. 22.

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§ 50

Minderheitsrechte

Die Geschäftsführer sind mit Ausnahme von Fällen des offensichtlichen Rechtsmissbrauchs10) verpflichtet, einem ordnungsgemäßen Einberufungsverlangen ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB) zu entsprechen. Die jeweils einzuhaltende Frist bestimmt sich in Abhängigkeit von Bedeutung und Dringlichkeit des Verlangens.11) Kommen sie dieser Verpflichtung nicht nach, entsteht das Selbsthilferecht nach Absatz 3 (siehe Rn. 7 ff). Darüber hinaus können Schadensersatzansprüche der Minderheit gegen die Geschäftsführer entstehen, soweit es trotz der Selbsthilfemöglichkeit zu Schäden kommen sollte, die gerade auf der unterlassenen Einberufung durch die Geschäftsführung beruhen.

5

IV. Ergänzungsverlangen bzgl. der Tagesordnung Unter den Voraussetzungen, unter welchen die Minderheit zum Einberufungsverlangen nach Absatz 1 berechtigt ist, steht ihr auch das Recht zu, eine Ergänzung der Tagesordnung zu verlangen. Das Verlangen ist so rechtzeitig vorzubringen, dass die 3-Tages-Frist des § 51 Abs. 4 eingehalten werden kann. Sieht die Satzung vor, dass Tagesordnungspunkte mit längerem Vorlauf angekündigt werden müssen, ist dies grundsätzlich auch für Ergänzungen nach Abs. 2 beachtlich. Anderes gilt allerdings, wenn andernfalls die Gestaltung der Fristenregelungen in der Satzung das Minderheitenrecht nach Abs. 2 leerlaufen ließe,12) insbesondere wenn Tagesordnungspunkte generell bereits zusammen mit der Einladung angekündigt werden müssen; in diesem Fall genügt für die Rechtzeitigkeit des Minderheitenverlangens die Einhaltung der 3-Tages-Frist des § 51 Abs. 4.13)

6

V. Selbsthilfe 1.

Ausübung

Wird einem berechtigten Verlangen nach Absatz 1 oder 2 nicht Rechnung getragen, ist die Minderheit berechtigt, zur Selbsthilfe zu schreiten und die angestrebte Gesellschafterversammlung selbst einzuberufen bzw. einen Tagesordnungspunkt anzukündigen. Ist eine unbeschränkte Testamentsvollstreckung angeordnet, ist nach §§ 2205, 2211 BGB nur der Testamentsvollstrecker zur Ausübung der Gesellschafterrechte und damit zur Einberufung der Gesellschafterversammlung berechtigt.14)

7

Bei der Selbsthilfe sind die Anforderungen des § 51 zu beachten. Ferner sind die Voraussetzungen nach Absatz 1 bzw. Absatz 2 darzulegen.

8

Einem Verlangen wurde dabei i. S. d. Selbsthilferechts nicht entsprochen, wenn es entweder zurückgewiesen worden ist oder ihm nicht innerhalb einer dem Zweck des Verlangens angemessenen Frist entsprochen worden ist. Als Richtgröße wird hierfür häufig der Ablauf eines Monats genannt; erfordert der Zweck des Verlangens ein schnelleres Tätigwerden, kann jedoch auch schon vor Ablauf einer Monatsfrist von der Selbsthilfemöglichkeit Gebrauch gemacht werden. Sind keine Geschäfts_____________

9

10) OLG Dresden, GmbHR 1995, 589, 590 = NJW-RR 1995, 235; Wicke, GmbHG, § 50 Rn. 3; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 50 Rn. 8. 11) OLG Stuttgart, GmbHR 2013, 535 = ZIP 2014, 1177 (LS), dazu EWiR 2013, 509 (Baumann). 12) Vgl. Scholz-Seibt, GmbHG, § 51 Rn. 3. 13) So implizit OLG Düsseldorf, NZG 2000, 1180, 1182. 14) BGH, ZIP 2014, 1422, 1424 = NZG 2014, 945, dazu EWiR 2014, 613 (Priester).

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§ 51

Form der Einberufung

führer oder sonst zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung Berechtigte vorhanden, kann die Minderheit auch sofort von ihrem Selbsthilferecht Gebrauch machen. Das Selbsthilferecht ist erst dann verbraucht, wenn in einer beschlussfähigen Versammlung die Tagesordnung erledigt werden konnte.15) 10

Beschlüsse, die infolge der Ausübung des Selbsthilferechts gefasst werden, unterliegen einem erhöhten Unwirksamkeitsrisiko.16) Haben die Voraussetzungen des Selbsthilferechts nach Absatz 1 nicht vorgelegen, sind die Beschlüsse nach h. M. nichtig,17) wenn nicht sämtliche Gesellschafter zur Versammlung erschienen sind und sich rügelos an der Abstimmung beteiligt haben, § 51 Abs. 3.18) Bei fehlerhafter Ausübung des Selbsthilferechts nach Absatz 2 ist der Beschluss, welcher trotz mangelhafter Ankündigung des Tagesordnungspunktes gefasst worden ist, nur anfechtbar.19) Bricht der Versammlungsleiter kompetenzwidrig eine begonnene Versammlung ab und verlassen Gesellschafter daraufhin den Versammlungsort, um die Beschlussfassung über zuvor von dem Minderheitsgesellschafter im Wege der Ausübung des Selbsthilferechts angekündigte Gegenstände zu verhindern, scheidet die Anfechtung gleichwohl gefasster Beschlüsse aber wegen Rechtsmissbrauchs aus.20) 2.

11

Kosten

Nach Absatz 3 Satz 2 hat die Gesellschafterversammlung bei Ausübung des Selbsthilferechts zu beschließen, ob die entstandenen Kosten von der Gesellschaft zu tragen sind. Der Minderheitsgesellschafter ist dabei stimmberechtigt. Die übrigen Gesellschafter sind aufgrund ihrer Treupflicht nur dann berechtigt, die Kostenübernahme durch die Gesellschaft zu verweigern, wenn die Ausübung des Selbsthilferechts evident überflüssig oder unvernünftig gewesen ist.21) _____________ 15) OLG Hamburg, ZIP 2016, 1630 = GmbHR 2016, 1039 = GWR 2016, 397; a. A. OLG Dresden GmbHR 1995, 589, 590. 16) Goette, DStR 1998, 1103, 1104, vgl. auch Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 50 Rn. 47. 17) BGHZ 87, 1, 2 f = ZIP 1983, 569, 570 = GmbHR 1983, 267; BGH, ZIP 1998, 1269, 1271 = GmbHR 1998, 827 = NJW 1998, 3274, dazu EWiR 1998, 927 (Kowalski). 18) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 50 Rn. 16; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtRömermann, GmbHG, § 50 Rn. 160. 19) Scholz, GmbHR 1952, 161; darst. Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Römermann, GmbHG, § 50 Rn. 164 f; Ring/Grziwotz-Krause, GmbH-Recht, § 50 Rn. 17. 20) OLG Hamburg, ZIP 2016, 1630 = GmbHR 2016, 1039 = GWR 2016, 397 (Bröcker). 21) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 50 Rn. 31; Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 50 Rn. 71; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 50 Rn. 22.

§ 51 Form der Einberufung Andreas Masuch

(1) 1Die Berufung der Versammlung erfolgt durch Einladung der Gesellschafter mittels eingeschriebener Briefe. 2Sie ist mit einer Frist von mindestens einer Woche zu bewirken. (2) Der Zweck der Versammlung soll jederzeit bei der Berufung angekündigt werden. 1076

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§ 51

Form der Einberufung

(3) Ist die Versammlung nicht ordnungsmäßig berufen, so können Beschlüsse nur gefasst werden, wenn sämtliche Gesellschafter anwesend sind. (4) Das gleiche gilt in Bezug auf Beschlüsse über Gegenstände, welche nicht wenigstens drei Tage vor der Versammlung in der für die Berufung vorgeschriebenen Weise angekündigt worden sind. Literatur: Köper, Das Einwurf-Einschreiben als eingeschriebener Brief i. S. des § 51 I 1 GmbHG, NZG 2008, 96; Leuering/Stein, Form der Einberufung einer GmbH-Gesellschafterversammlung, NJW-Spezial 2013, 591; Seeling/Zwickel, Typische Fehlerquellen bei der Vorbereitung und Durchführung der Gesellschafterversammlung einer GmbH, DStR 2009, 1097; Flume, Der minderjährige Gesellschafter, NZG 2014, 17. Übersicht I. II. 1. 2. 3. III.

Normzweck und Regelungsinhalt ..... Form und Frist der Einladung ........... Form ...................................................... Frist ........................................................ Adressat ................................................. Inhalt .....................................................

I.

Normzweck und Regelungsinhalt

1 3 3 5 8 9

1. 2. IV. 1. 2. V.

Ort und Zeit .......................................... 9 Tagesordnung ...................................... 10 Mängelfolgen ...................................... 12 Beschlussnichtigkeit ............................ 13 Beschlussanfechtbarkeit ...................... 14 Vollversammlung ............................... 15

Während die §§ 49 f regeln, wer unter welchen Voraussetzungen die Gesellschafterversammlung einzuberufen hat, bestimmt § 51 die Art und Weise, wie eine solche Einberufung erfolgen muss. Zweck der Regelungen ist dabei, den Gesellschaftern die Teilnahme an der Gesellschafterversammlung (Dispositionsschutz) und eine angemessene Vorbereitung (Vorbereitungsschutz) zu ermöglichen.1) Absatz 1 bestimmt die Form und die Frist der Einladung. Absatz 2 statuiert das Erfordernis der Ankündigung der Tagesordnung. Ergänzt werden diese Regelungen durch Absatz 4, welcher eine von der Einladungsfrist zu trennende kürzere Frist für die Ankündigung von Tagesordnungspunkten vorsieht. Absatz 3 regelt schließlich die Rechtsfolgen einer mangelhaften Einladung und Ankündigung von Tagesordnungspunkten.

1

Mit Ausnahme der Mindestfristen (Abs. 1 Satz 2, Abs. 4) und der Voraussetzungen einer Unbeachtlichkeit von Ladungsmängeln nach Absatz 3 sind die Regelungen dispositiv und abweichender Satzungsgestaltung zugänglich.2) Es muss jedoch stets gewährleistet bleiben, dass alle Gesellschafter ihr Teilnahmerecht an der Versammlung wahrnehmen können und ihnen ein Mindestmaß an Vorbereitungsmöglichkeit verbleibt.

2

II. Form und Frist der Einladung 1.

Form

Absatz 1 bestimmt, dass die Einladung durch eingeschriebenen Brief an alle Gesellschafter erfolgt. Ob dieser Anforderung nur ein Übergabeeinschreiben (mit Rück_____________ 1) 2)

Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 51 Rn. 2; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51 Rn. 1; Wicke, GmbHG, § 51 Rn. 1. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51 Rn. 35 f; Seeling/Zwickel, DStR 2009, 1097, 1098.

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3

§ 51

Form der Einberufung

schein) genügt oder auch ein Einwurfeinschreiben, ist umstritten,3) aber zu bejahen. Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung ist der Praxis anzuraten, vorsichtshalber die Form des Übergabeeinschreibens zu wählen.4) Eine Einladung per Telefax5) oder Kurier6) genügt vorbehaltlich einer abweichenden Satzungsregelung grundsätzlich nicht. 4

Ob mit dem in Absatz 1 Satz 1 statuierten Zustellungserfordernis auch die Notwendigkeit verbunden ist, die Schriftform nach § 126 BGB (Unterzeichnung durch den Einberufenden) zu wahren, wird kontrovers beurteilt.7) Da die Einladung durch einen Nichtberechtigten zur Nichtigkeit gefasster Beschlüsse führt und die Echtheit der Einladung ohne Unterzeichnung kaum feststellbar ist (vgl. § 440 ZPO), spricht viel dafür, Schriftform nach § 126 BGB zu verlangen. Der Gesetzgeber dürfte das mit der Statuierung des Einschreiben-Erfordernisses als selbstverständlich unterstellt haben. 2.

Frist

5

Die Einladung ist mit einer Frist von mindestens einer Woche zu bewirken. Bewirkt ist die Einladung dabei nach h. A. an dem Tag, an welchem die Einladung dem letzten Gesellschafter unter normalen Umständen bei ordnungsgemäßer Zustellung zugeht.8) Ob der Zugang an diesem Tag tatsächlich erfolgt oder sich aufgrund außergewöhnlicher Umstände verzögert, ist Risiko des Gesellschafters und für die Frage, ob eine fristgerechte Einladung erfolgt ist, unerheblich.9)

6

Die Fristberechnung richtet sich nach § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1, § 193 BGB. Die Frist beginnt damit am Folgetag der Bewirkung (§ 187 Abs. 1 BGB) und endet an dem Wochentag der darauf folgenden Woche, welcher dem Wochentag der Bewirkung entspricht (im Falle der Bewirkung an einem Donnerstag folglich am Donnerstag der Folgewoche). Fällt der Fristablauf auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages (§ 193 BGB).10) Die _____________ 3) Bejahend: LG Mannheim, NZG 2008, 111, 112; Wicke, GmbHG, § 51 Rn. 2; Köper, NZG 2008, 96; Scholz-Seibt, GmbHG, § 51 Rn. 12; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51 Rn. 12; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 51 Rn. 12; ablehnend: Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 51 Rn. 19. 4) Seeling/Zwickel, DStR 2009, 1097, 1099. 5) OLG Naumburg, GmbHR 1998, 90, 92 = DB 1997, 1813 = BB 1997, 1914, dazu EWiR 1998, 243 (Zimmermann). 6) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 51 Rn. 5; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 51 Rn. 12, 35; a. A. Wicke, GmbHG, § 51 Rn. 2; Leuering/Stein, NJWSpezial 2013, 591, soweit der Empfänger die Annahme quittiert. 7) Dafür: BGH, ZIP 2016, 817 = NZG 2016, 552 = GmbHR 2016, 587; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 51 Rn. 11; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 51 Rn. 11; dagegen: Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 51 Rn. 4; Wicke, GmbHG, § 51 Rn. 2; nunmehr auch Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 51 Rn. 2. 8) BGHZ 100, 264, 267 f = ZIP 1987, 1117, 118 = GmbHR 1987, 424, dazu EWiR 1987, 991 (Hommelhoff). Nach Wicke, GmbHG, § 51 Rn. 6, soll für eine Zustellung innerhalb Deutschlands regelmäßig von zwei Tagen, innerhalb Westeuropas von vier Tagen auszugehen sein. 9) Seeling/Zwickel, DStR 2009, 1097, 1098; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51 Rn. 14. 10) OLG Naumburg, GmbHR 1998, 90, 92 = DB 1997, 1813 = BB 1997, 1914, dazu EWiR 1998, 243 (Zimmermann); Scholz-Seibt, GmbHG, § 51 Rn. 13 m. w. N.; Ziemons/Jaeger in: BeckOK-GmbHG, § 50 Rn. 25; a. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 51 Rn. 15 m. w. N.; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 51 Rn. 20.

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§ 51

Form der Einberufung

Wochenfrist muss vor dem Tag der Gesellschafterversammlung abgelaufen sein. Soll die Gesellschafterversammlung am Freitag stattfinden, muss die Einladung danach am Donnerstag der Vorwoche bewirkt sein.11) Soll die Versammlung an einem Montag durchgeführt werden, muss die Einladung wegen § 193 BGB sogar schon am Freitag der Vor-Vorwoche bewirkt sein. Für die Ankündigung von Tagesordnungspunkten, welche aus sachlichen Gründen nicht bereits in der Einladung selbst angekündigt worden sind – insbesondere solche, die aufgrund eines Verlangens nach § 50 Abs. 2 ergänzt werden sollen – gilt vorbehaltlich abweichender Satzungsbestimmung unter Wahrung des Minderheitenrechtes gemäß § 50 Abs. 2 (siehe § 50 Rn. 6 [Masuch]) eine Frist von drei Tagen, § 51 Abs. 4. Für die Fristberechnung gilt das zuvor Gesagte entsprechend.12) 3.

7

Adressat

Die Einladung hat gegenüber sämtlichen Gesellschaftern zu erfolgen. Maßgeblich für die Person der Gesellschafter ist dabei die letzte zum Handelsregister eingereichte Gesellschafterliste (§ 16 Abs. 1 Satz 1)13); ihre Legitimationswirkung erstreckt sich auf zwischenzeitlich ausgeschiedene (Alt-)Gesellschafter.14) Bei juristischen Personen, bei Minderjährigen15) und bei Betreuten16) ist die Einladung jeweils an den gesetzlichen Vertreter zu adressieren; bei Testamentsvollstreckung über einen Geschäftsanteil ist der Testamentsvollstrecker17) und bei Insolvenz eines Gesellschafters der Insolvenzverwalter einzuladen. In keinem Falle kann eine Einladung unter einer Adresse bewirkt werden, von welcher der Geschäftsführer positiv weiß, dass sich der Adressat dort nicht aufhält, wenn denn dem Geschäftsführer eine andere Anschrift mitgeteilt worden ist, unter welcher er den Einzuladenden erreichen kann.18) Sieht _____________ 11) Wicke, GmbHG, § 51 Rn. 6; vgl. auch Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 51 Rn. 15. 12) „Jedenfalls für die Wahrung der Drei-Tages-Frist in § 51 Abs. 4 GmbHG“ ist eine Postlaufzeit von zwei Werktagen zu berücksichtigen, so das OLG Thüringen, NZG 2018, 992 = GmbHR 2018, 1063. 13) Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 51 Rn. 7; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51 Rn. 5; Seeling/Zwickel, DStR 2009, 1097, 1098. 14) OLG Düsseldorf, NZG 2017, 264 = NJW-Spezial 2017, 17 = GmbHR 2016, 988 m. Anm. Illhardt. 15) Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 51 Rn. 17; BayOblG, ZIP 1993, 595, 596 = GmbHR 1993, 223 = WM 1993, 1184, dazu EWiR 1993, 383 (Reithmann); i. Erg. ebenso Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51 Rn. 7; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 51 Rn. 7; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Römermann, GmbHG, § 51 Rn. 26 m. w. N.; vgl. allgemein zur Problematik minderjähriger Gesellschafter Flume, NZG 2014, 17. 16) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 51 Rn. 7; Liebscher in: MünchKommGmbHG, § 51 Rn. 17 – betreuter Gesellschafter und Betreuer einzuladen, soweit der Gesellschafter nicht geschäftsunfähig ist (dann nur Betreuer). 17) BGH ZIP 2015, 732 Tz. 13 (Stimmrecht des Testamentsvollstreckers voraussetzend). Wurde keine Testamentsvollstreckung angeordnet, sind im Falle des Todes eines Gesellschafters dessen Erben zu laden, ggf. ist ein Nachlasspfleger (§ 1960 BGB) zu bestellen, Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 51 Rn. 10; Michalski/Heidinger/ Leible/J. Schmidt-Römermann, GmbHG, § 51 Rn. 31. 18) OLG Celle, ZIP 2014, 1123, 1124 = GmbHR 2014, 369.

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§ 51

Form der Einberufung

das Gesetz oder die Satzung der Gesellschaft außer den Gesellschaftern weitere teilnahmeberechtigte Personen vor, genügt es nach h. A., diesen den Termin und die Tagesordnung der Versammlung unter Wahrung angemessener Frist formlos mitzuteilen.19) III. Inhalt 1. 9

Ort und Zeit

Die Einladung muss den genauen Ort (soweit nicht allen Gesellschaftern bekannt, mittels postalischer Anschrift, ggf. zuzüglich Tagungsraum) und den Zeitpunkt der Versammlung (Datum und Uhrzeit) mitteilen. Mangels abweichender Satzungsregelung oder Zustimmung aller Gesellschafter soll die Versammlung in analoger Anwendung des § 121 Abs. 5 Satz 1 AktG am Sitz der Gesellschaft (§ 3 Abs. 1 Nr. 1) – nicht zwangsläufig in den Geschäftsräumen der Gesellschaft – stattzufinden. Eignen sich die Räumlichkeiten der Gesellschaft zur Durchführung einer Gesellschafterversammlung, werden diese als Versammlungslokal der Wahl angesehen.20) Wenn am Sitz der Gesellschaft kein geeignetes Versammlungslokal vorhanden ist oder wenn die Verkehrsverbindung dorthin gestört ist, kann von der Soll-Vorschrift des § 121 Abs. 5 Satz 1 AktG auch abgewichen werden; bei einer Gesellschaft mit einem überschaubaren Gesellschafterkreis gilt Entsprechendes, wenn ein Versammlungsort gewählt wird, von dem von vornherein feststeht, dass er die Teilnahme nicht erschwert, weil ihn die Gesellschafter leichter als den Sitz der Gesellschaft erreichen können.21) 2.

Tagesordnung

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Nach Absatz 2 soll i. R. d. Einladung der Zweck der Versammlung angekündigt werden. Der Zweck der Versammlung wird von der h. M. mit der Tagesordnung gleichgesetzt.22) Die Verwendung des Verbs „sollen“ bringt zum Ausdruck, dass die Ankündigung der Tagesordnung in begründeten Ausnahmefällen auch außerhalb der Einladung erfolgen kann. Geschieht dies, ist die Drei-Tages-Frist des Absatzes 4 zu beachten (siehe Rn. 7).

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Die Tagesordnung muss die Beratungs- und Beschlussgegenstände so genau bezeichnen, dass sich die Gesellschafter ein Bild davon machen können, worum es geht.23) Eine Mitteilung von konkreten Beschlussanträgen ist nicht erforderlich.24) Es genügen allgemeine Formulierungen, wenn sich aus diesen der Gegenstand der Versammlung ergibt. Satzungsänderungen sind näher zu beschreiben;25) ein konkreter Beschlussantrag ist jedoch auch hier nicht erforderlich. Bei Kapitalerhöhungen muss _____________ 19) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 51 Rn. 10; Wicke, GmbHG, § 51 Rn. 5; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51 Rn. 4 – Fehler führen allenfalls zur Anfechtbarkeit. 20) BGH, DNotZ 2016, 938, 940 Tz. 24 = ZIP 2016, 817; Born, WM Sonderbeilage 3/2017, 17. 21) BGH, DNotZ 2016, 938, 940 Tz. 24 = ZIP 2016, 817. 22) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51 Rn. 17; diff. Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/ Schürnbrand, GmbHG, § 51 Rn. 18; a. A. Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 51 Rn. 41. 23) OLG Düsseldorf, GmbHR 2001, 301 = NZG 2000, 1180, 1182. 24) OLG Stuttgart, NZG 2000, 159 = AG 2000, 229; OLG Düsseldorf, ZIP 2007, 2418, 2418 f = DB 2007, 2308 = GmbHR 2008, 262. 25) OLG Stuttgart, NZG 2000, 159 = AG 2000, 229.

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§ 51

Form der Einberufung

allerdings zumindest die ungefähre Größenordnung angegeben werden;26) ein Bezugsrechtsausschluss ist ausdrücklich anzukündigen (§ 186 Abs. 4 Satz 1 AktG analog). Entsprechend § 124 Abs. 2 Satz 3 AktG ist bei Unternehmensverträgen die Mitteilung des wesentlichen Vertragsinhalts erforderlich.27) Eine umfangreiche Kasuistik besteht im Hinblick auf die Beschlussfassung über Geschäftsführungsmaßnahmen sowie die Abberufung von Geschäftsführern.28) In die Ankündigung der Abberufung eines Geschäftsführers braucht weder aufgenommen zu werden, dass die Abberufung aus wichtigem Grunde vorgenommen, noch auf welche Gründe sie gestützt werden soll.29) IV. Mängelfolgen Ist entweder die Einladung der Gesellschafterversammlung als solche und/oder die Ankündigung von Tagesordnungspunkten nicht ordnungsgemäß erfolgt, sind dennoch gefasste Beschlüsse grundsätzlich angreifbar.30) Der Wortlaut von Absatz 3 ist insofern freilich missverständlich, weil auch ohne Anwesenheit sämtlicher Gesellschafter i. S. dieser Regelung (hierzu siehe Rn. 15 f) Beschlüsse gefasst werden können. Solche Beschlüsse sind auch nicht zwangsläufig nichtig, sondern – je nach Mangel – „nur“ anfechtbar (im Einzelnen siehe Rn. 14). Selbst im Falle der Nichtigkeit kommt eine Heilung in analoger Anwendung des § 242 AktG in Frage. 1.

Beschlussnichtigkeit

Eine gänzlich fehlende Einberufung, eine Einberufung durch Nichtberechtigte31) sowie eine unterbliebene Einladung einzelner Gesellschafter führen zur Nichtigkeit dennoch gefasster Beschlüsse.32) Gleiches gilt, wenn Ort oder Zeit der Versammlung nicht mitgeteilt werden oder ein sonstiger derart schwerwiegender Form- bzw. Fristmangel vorliegt, dass einem Gesellschafter die Teilnahme faktisch unmöglich gemacht wird.33) 2.

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Beschlussanfechtbarkeit

Soweit Einladungsmängel nicht zur Nichtigkeit gefasster Beschlüsse führen, liegt bei Beschlussrelevanz34) des Mangels nur ein Anfechtungsgrund für den betroffenen

_____________ 26) RGZ 87, 155, 156; vgl. ausführlich Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 51 Rn. 44. 27) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 51 Rn. 26; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51 Rn. 26. 28) Vgl. hierzu Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 51 Rn. 42; Baumbach/Hueck-Zöllner/ Noack, GmbHG, § 51 Rn. 25; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51 Rn. 25. 29) BGH, NJW 1962, 393, 394 = GmbHR 1962, 28 = WM 1962, 202. 30) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51 Rn. 1; Seeling/Zwickel, DStR 2009, 1097, 1100. 31) BGHZ 201, 216 Tz. 12 = ZIP 2014, 1422; BGHZ 87, 1, 2 = ZIP 1983, 569, 570. 32) BGH, DNotZ 2016, 938 Tz. 21 = ZIP 2016, 817; BayObLG, ZIP 1997, 1785, 1786 = NZG 1998, 73, 74 = GmbHR 1997, 1002; OLG Celle, ZIP 2014, 1123, 1124 = GmbHR 2014, 369. 33) BGH, DNotZ 2016, 938 Tz. 21 = ZIP 2016, 817 – ablehnend für Einladung in die Räume eines verfeindeten Gesellschafters; BGH, ZIP 2006, 707, 708 = GmbHR 2006, 538 = WM 2006, 726 – bejahend bei Ladung per E-Mail am Vorabend auf den Vormittag des Folgetages. 34) S. Beispiele verneinter Beschlussrelevanz bei OLG Stuttgart, GmbHR 2019, 67, 72.

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§ 51

Form der Einberufung

Gesellschafter vor.35) Dies gilt für eine Einladung an einen unzulässigen Ort36) oder auf eine unzulässige Zeit sowie für die Nichtbeachtung von Form-37) und Ladungsfristen.38) Gleiches gilt bei Nichteinladung von teilnahmeberechtigten Nicht-Gesellschaftern (z. B. Aufsichtsratsmitglieder).39) Auch die Missachtung statutarischer Einladungsregelungen führt allein zur Anfechtbarkeit von Beschlüssen, nicht zur Nichtigkeit (str.).40) V. Vollversammlung 15

Absätze 3 und 4 stellen klar, dass Beschlüsse trotz Einladungsmängeln dann (auch mit Bestandskraft) gefasst werden können, wenn sämtliche Gesellschafter anwesend und – über den Wortlaut der Regelung hinaus – mit der Durchführung der Gesellschafterversammlung zum Zwecke der Beschlussfassung einverstanden sind.41) Das Einverständnis mit der Durchführung der Versammlung kann dabei auch konkludent erklärt werden,42) insbesondere durch vorbehaltlose Teilnahme an der Beschlussfassung.43) In diesem Fall bedarf das Dispositions- und Vorbereitungsinteresse der Gesellschafter (siehe Rn. 1) keines besonderen Schutzes. Widerspricht hingegen auch nur ein Gesellschafter ausdrücklich oder konkludent einer Beschlussfassung, gilt er nicht als „anwesend“ i. S. d. Absätze 3 und 4.44) Eine nachträgliche Rüge ist jedoch verspätet.45)

16

Eine persönliche Anwesenheit ist nicht erforderlich; es genügt ordnungsgemäße Vertretung, ggf. vollmachtlose Vertretung mit anschließender Genehmigung.46) Geschäftsfähigkeit ist aber in jedem Falle erforderlich.47) _____________ 35) Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 51 Rn. 46; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51 Rn. 27 ff; Seeling/Zwickel, DStR 2009, 1097, 1100. 36) BGH ZIP 2016, 817 = GmbHR 2016, 587 = NZG 2016, 55; OLG Düsseldorf, ZIP 2004, 1956, 1964 = GmbHR 2004, 572, 579 = NZG 2004, 916, dazu EWiR 2004, 623 (Leibner). 37) OLG Stuttgart GmbHR 2019, 67, 72. 38) BGH, ZIP 1998, 22, 22 f = GmbHR 1998, 136 = NJW 1998, 684, dazu EWiR 1998, 895 (Sernetz); OLG Stuttgart, GmbHR 2019, 67, 72. 39) OLG Stuttgart, NJW 1973, 2027, 2028; der fehlerhafte Hinweis auf ein – tatsächlich nicht bestehendes – Stimmverbot löst (jedenfalls in der personalistischen GmbH) gesteigerte Treuepflichten unter den Gesellschaftern aus, deren Nichtbeachtung die Anfechtbarkeit gefasster Beschlüsse gemäß § 243 Abs. 1 AktG (analog) begründet, vgl. OLG Hamm, NZG 2018, 1145 = BB 2018, 2832. 40) Ebenso Wicke, GmbHG, § 51 Rn. 7; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 51 Rn. 24; diff. Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 51 Rn. 53 f; so auch Rowedder/Schmidt-LeithoffGanzer, GmbHG, § 51 Rn. 20. 41) BGHZ 100, 264, 269 = ZIP 1987, 1117, 1119 = GmbHR 1987, 424, dazu EWiR 1987, 991 (Hommelhoff); BGH, ZIP 2009, 562 = GmbHR 2009, 437 = NZG 2009, 385. 42) BGH, ZIP 2009, 562, 563 = GmbHR 2009, 437 = NZG 2009, 385. 43) BGHZ 100, 264, 270 = ZIP 1987, 1117, 1119 = GmbHR 1987, 424, dazu EWiR 1987, 991 (Hommelhoff); BGH, ZIP 2008, 757, 758 = GmbHR 2008, 426 m. Anm. Werner = NZG 2008, 317. 44) BGHZ 100, 264, 270 = ZIP 1987, 1117, 1119 = GmbHR 1987, 424, dazu EWiR 1987, 991 (Hommelhoff). 45) BGH, ZIP 2008, 757, 758 = GmbHR 2008, 426 m. Anm. Werner = NZG 2008, 317. 46) OLG Dresden, GmbHR 2001, 1047, 1048. 47) BayObLG, ZIP 1993, 595, 596 = GmbHR 1993, 223 = WM 1993, 1184, dazu EWiR 1993, 383 (Reithmann).

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§ 51a

Auskunfts- und Einsichtsrecht

§ 51a Auskunfts- und Einsichtsrecht Andreas Masuch

(1) Die Geschäftsführer haben jedem Gesellschafter auf Verlangen unverzüglich Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben und die Einsicht der Bücher und Schriften zu gestatten. (2) 1Die Geschäftsführer dürfen die Auskunft und die Einsicht verweigern, wenn zu besorgen ist, dass der Gesellschafter sie zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden und dadurch der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen wird. 2Die Verweigerung bedarf eines Beschlusses der Gesellschafter. (3) Von diesen Vorschriften kann im Gesellschaftsvertrag nicht abgewichen werden. Literatur: Geißler, Die Gesellschaftsrechte in der Liquidation der GmbH, DZWIR 2013, 1; Otte, Ausübung und Schranken der Informationsrechte in OHG, KG und GmbH, NZG 2014, 521; Podewils, Zur analogen Anwendung von § 51a Abs. 2 GmbHG auf Informationsansprüche ausgeschiedener Gesellschafter, jurisPR-HaGesR 6/2014 Anm. 6. Übersicht I. II. III. IV. 1. 2.

Normzweck und Regelungsinhalt ..... 1 Anspruchsinhaber ................................ 4 Anspruchsgegner ................................. 8 Anspruchsinhalt ................................. 10 Auskunftsrecht .................................... 11 Einsichtsrecht ...................................... 15

I.

Normzweck und Regelungsinhalt

V. Geltendmachung ................................ 18 VI. Informationsverweigerung ............... 20 1. Voraussetzungen ................................. 21 2. Beschluss .............................................. 23 3. Rechtsfolgen ........................................ 24 VII. Satzungsregelungen .......................... 25

§ 51a dient dem Gesellschafterschutz, insbesondere dem Minderheitenschutz.1) Da eine ausreichende Information notwendige Grundlage jeglicher Ausübung von Gesellschafterrechten ist, berechtigt die Vorschrift jeden einzelnen Gesellschafter individuell und unabhängig vom Umfang seiner Beteiligung dazu, von der Gesellschaft Auskunft über deren Angelegenheiten und Einsicht in deren Bücher und Schriften zu verlangen (Abs. 1). Jeder Gesellschafter soll in den Stand versetzt werden, seine Mitgliedschaftsrechte verantwortungsbewusst und sachgerecht auszuüben und seine Individualinteressen zu wahren.2) Das gilt auch während des Liquidationsverfahrens der Gesellschaft.3) Die Informationsrechte nach Absatz 1 ergänzen etwaige Maßregeln zur Überwachung der Geschäftsführung nach § 46 Nr. 6, welche – je nach Ausgestaltung – der Gesellschafterversammlung als Organ zustehen und das Informationsrecht jedes Gesellschafters vor der Fassung von Gesellschafterbeschlüssen sowie die Pflichten der Geschäftsführung zur selbständigen Information der Gesellschafter schützen.4) _____________ 1) 2) 3) 4)

BGH, GmbHR 1988, 434, 435; Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 51a Rn. 18; Hillmann in: MünchKomm-GmbHG, § 51a Rn. 5 ff. OLG München, ZIP 2008, 553, 554 = GmbHR 2008, 104 = DB 2008, 115, dazu EWiR 2008, 249 (F. Heerstraßen). Geißler, DZWIR 2013, 1, 5. Hillmann in: MünchKomm-GmbHG, § 51a Rn. 5; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51a Rn. 1.

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1

§ 51a

Auskunfts- und Einsichtsrecht

2

Die Individualrechte der Gesellschafter nach § 51a sind zwingend und können durch den Gesellschaftsvertrag nicht eingeschränkt werden (Abs. 3). Nichtsdestotrotz korrespondiert mit der Berechtigung nach Absatz 1 nicht nur eine als Ausfluss der Treuepflicht anzusehende Verschwiegenheitsverpflichtung,5) sondern jeder Gesellschafter hat vielmehr bei Ausübung seiner Informationsrechte auch das Missbrauchsverbot sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.6)

3

Absatz 2 regelt die Voraussetzungen und das Verfahren, welches zu beachten ist, wenn gegenüber einem Gesellschafter die Erfüllung eines Auskunfts- oder Einsichtsersuchens verweigert werden soll. II. Anspruchsinhaber

4

Anspruchsberechtigt ist jeder Gesellschafter unabhängig vom Umfang seiner Beteiligung sowie ggf. auch sein gesetzlicher Vertreter oder Amtswalter (Insolvenzverwalter, Testamentsvollstrecker).7) Im Hinblick auf die Frage, wer Gesellschafter ist, gilt § 16 Abs. 1 Satz 1. Bevollmächtigte und Dritte kann der Gesellschafter hinzuziehen, wenn die Geheimhaltung in ihrer Person gewährleistet ist; aufgrund ihrer Berufsverschwiegenheit also bspw. Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater. Dem Nur-Kommanditisten einer (Einheits-)GmbH & Co. KG stehen die Rechte aus § 51a neben § 166 Abs. 1 HGB nicht zu.8)

5

Steht ein Geschäftsanteil mehreren Mitberechtigten ungeteilt zu, können diese ihre Rechte nach § 18 nur gemeinschaftlich ausüben. Welche Anforderungen an die gemeinschaftliche Ausübung zu stellen sind, richtet sich dabei nach dem jeweiligen Rechtsverhältnis zwischen diesen. Ein einheitliches Handeln aller Mitberechtigten ist nicht zwingend erforderlich; Erben in ungeteilter Erbengemeinschaft können die Informationsrechte des § 51a bspw. auf Basis eines Mehrheitsbeschlusses gemäß § 2038 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 i. V. m. § 745 Abs. 1 Satz 1 BGB ausüben.9)

6

Ausgeschiedenen Gesellschaftern stehen die Ansprüche nach Absatz 1 nicht mehr zu; sie können ggf. Ansprüche nach § 810 BGB geltend machen. Allerdings findet § 51a Abs. 2 entsprechende Anwendung, da das Einsichtsrecht des ausgeschiedenen Gesellschafters nicht weiter reichen kann, als das Einsichtsrechts eines Gesellschafters.10) Der Verlust der Anspruchsberechtigung nach § 51a tritt jedoch auch im _____________ 5) BGHZ 152, 339 = ZIP 2003, 345, 346 = GmbHR 2003, 295, dazu EWiR 2003, 307 (Segna); BGHZ 197, 181 Tz. 12 = ZIP 2013, 665; Wicke, GmbHG, § 51a Rn. 1. 6) BGHZ 135, 48 = ZIP 1997, 978, 988 = GmbHR 1997, 705; OLG Jena, ZIP 2004, 2003 = GmbHR 2004, 1588 = DB 2004, 2470, dazu EWiR 2004, 1131 (Trölitzsch/Leinekugel). Krit. zur Beachtlichkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Bormann/Kauka/OckelmannKoch, Hdb. GmbHR, Kap. 6 Rn. 17. 7) BGH, ZIP 2014, 1422, 1424 = GmbHR 2014, 863, dazu EWiR 2014, 613 (Priester); Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51a Rn. 5 f; Wicke, GmbHG, § 51a Rn. 5. 8) OLG Celle, ZIP 2017, 1761 = GmbHR 2017, 979 = GWR 2017, 298 (Nordholtz); dies gilt auch dann, wenn die Kontrollrechte aus § 166 HGB in der KG abbedungen sind, vgl. OLG München, ZIP 2018, 425 = GmbHR 2018, 472 m. Anm. Bormann = EWiR 2018, 295 (Klawa/Vosberg). 9) OLG Karlsruhe, GmbHR 2014, 254, 256. 10) OLG Naumburg, NZG 2014, 868 = GmbHR 2014, 209; zust. Podewils, jurisPR-HaGesR 6/2014 Anm. 6.

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§ 51a

Auskunfts- und Einsichtsrecht

Falle eines Ausschlusses oder einer Einziehung aus wichtigem Grund erst mit Wirksamwerden der jeweiligen Maßnahme, ggf. Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung, ein.11) Treugebern eines Gesellschafters sowie dinglich Berechtigten an Geschäftsanteilen wie Pfandgläubigern oder Nießbrauchern stehen die Informationsrechte nach Absatz 1 nicht zu.12) Sie sind auch nicht isoliert abtretbar oder pfändbar.13)

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III. Anspruchsgegner Die Informationsansprüche nach Absatz 1 richten sich ungeachtet der auf die Geschäftsführer abstellenden Formulierung der Vorschrift gegen die Gesellschaft, welche lediglich bei der Informationserteilung durch ihre Geschäftsführer vertreten wird.14) Die Geschäftsführer können die Auskunftserteilung oder Einsichtsgewährung jedoch auch delegieren und einen Mitarbeiter hiermit betrauen.15)

8

In der Insolvenz der Gesellschaft erlischt der Auskunftsanspruch nicht;16) hier ist der Insolvenzverwalter Anspruchsgegner. Der Informationsanspruch beschränkt sich grundsätzlich jedoch auf Vorgänge bis zur Verfahrenseröffnung.17) Die Umschreibung eines Auskunftstitels gegen die Gesellschaft auf den Insolvenzverwalter nach § 727 ZPO ist nicht möglich.18)

9

IV. Anspruchsinhalt Absatz 1 unterscheidet zwei Ansprüche. Zum einen den Anspruch auf Auskunftserteilung über die Angelegenheiten der Gesellschaft, zum anderen das Recht auf Einsichtnahme in die Bücher und Schriften der Gesellschaft. Da die Begriffe weit auszulegen sind, erfasst das Einsichtsrecht sämtliche Unterlagen der Gesellschaft, die den Gesellschaftszweck oder sonstige Belange der Gesellschaft betreffen.19) Zu den Angelegenheiten einer GmbH, die als Komplementärin die Geschäfte einer GmbH & Co. KG führt, gehören auch die Umstände der KG, sodass sich das Informationsrecht auf diese erstreckt.20) Es steht dem Gesellschafter grundsätzlich frei, von seinen Rechten nach freier Wahl Gebrauch zu machen. Die Gesellschaft ist nicht berechtigt, ihn auf das jeweils andere Auskunftsmittel (etwa Auskunft, statt Einsicht) _____________ 11) OLG München, ZIP 2008, 553, 554 = GmbHR 2008, 104 = DB 2008, 115, dazu EWiR 2008, 249 (F. Heerstraßen); OLG Karlsruhe, GmbHR 1985, 362, 363. 12) BGHZ 197, 181 = ZIP 2013, 1071 = BB 2013, 1490 m. Anm. Campos Nave, dazu EWiR 2013, 511 (Keil); Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51a Rn. 5; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 51a Rn. 12; diff. für Nießbraucher Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 51a Rn. 18. 13) BGHZ 197, 181 Tz. 12 = ZIP 2013, 665. 14) BGHZ 135, 48, 51 = ZIP 1997, 978, 979 = GmbHR 1997, 705. 15) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 51a Rn. 16; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51a Rn. 7. 16) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 51a Rn. 13, 19; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51a Rn. 4, 8. 17) BayObLG, ZIP 2005, 1087, 1089 = GmbHR 2005, 1360 = DB 2005, 2349. 18) OLG Hamm, ZIP 2008, 899, 900 = GmbHR 2008, 662 = ZInsO 2008, 568. 19) Otte, NZG 2014, 521, 522. 20) Hillmann in: MünchKomm-GmbHG, § 51a Rn. 36 ff; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51a Rn. 22.

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Auskunfts- und Einsichtsrecht

zu verweisen oder auf eines zu beschränken.21) Abweichendes mag sich im Einzelfall aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ergeben, wenn der Informationswert der Auskunft bzw. Einsicht für den Gesellschafter gleich ist, eines der Informationsmittel aber eine deutlich geringere Belastung für die Gesellschaft darstellt.22) Diesbezüglich können von der Gesellschaft zwar Regelungen über das Verfahren des Informationsverlangens und der Informationserteilung getroffen werden; diese dürfen sich aber nicht materiell einschränkend auf den Informationsanspruch auswirken.23) 1.

Auskunftsrecht

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Gegenstand des Auskunftsrechts sind nach Absatz 1 die Angelegenheiten der Gesellschaft. Dieser Begriff wird sehr weit verstanden. Hierzu zählen insbesondere die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage der Gesellschaft, die Geschäftsführung, die Zukunftsplanung sowie Rechtsbeziehungen zu Dritten.24) Ausgeklammert werden lediglich rein private Angelegenheiten einzelner Gesellschafter oder Geschäftsführer.25)

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Bei Unternehmensverbindungen bezieht sich der Auskunftsanspruch auch auf die Angelegenheiten der verbundenen Unternehmen i. S. d. §§ 15 ff AktG, soweit diese für die Gesellschaft selbst von (mittelbarer) Bedeutung sind und die Gesellschaft in der Lage ist, die begehrten Auskünfte zu erteilen oder zu beschaffen.26)

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Die begehrten Auskünfte müssen unverzüglich erteilt werden, das bedeutet ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB). Der ordnungsgemäße Ablauf des Geschäftsbetriebs ist im Einzelfall jedoch im Wege einer Interessenabwägung zu berücksichtigen.27) In den Fällen des Absatzes 2 hat der Gesellschafter ggf. eine angemessene Zeit zur Herbeiführung einer Entscheidung, die Auskunftsverweigerung hinzunehmen.

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In welcher Art und Weise die verlangten Auskünfte zu erteilen sind, regelt Absatz 1 nicht. Die Auskunft kann daher nach Ermessen der Geschäftsführer mündlich oder schriftlich erteilt werden.28) 2.

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Einsichtsrecht

Das Einsichtsrecht nach Absatz 1 bezieht sich über die genannten „Bücher und Schriften“ hinaus auf alle Arten von Aufzeichnungen sowie Urkunden- und Datensammlungen, gleichviel, ob diese auf herkömmliche Art und Weise, fotomecha_____________ 21) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 51a Rn. 5; a. A. OLG Jena, ZIP 2004, 2003, 2003 = GmbHR 2004, 1588 = DB 2004, 2470, dazu EWiR 2004, 1131 (Trölitzsch/Leinekugel). 22) Ähnlich Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51a Rn. 11; Hillmann in: MünchKommGmbHG, § 51a Rn. 85. 23) LG Essen, ZIP 2014, 1984 = GmbHR 2014, 991, 993. 24) LG Essen, ZIP 2014, 1984 = GmbHR 2014, 991; Wicke, GmbHG, § 51a Rn. 3. 25) OLG Jena, ZIP 2004, 2003, 2003 = GmbHR 2004, 1588 = DB 2004, 2470, dazu EWiR 2004, 1131 (Trölitzsch/Leinekugel). 26) Im Einzelnen streitig, vgl. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 51a Rn. 7; ausführl.: Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51a Rn. 18 ff. 27) Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 51a Rn. 48. 28) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 51a Rn. 16; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51a Rn. 30: dem Gegenstand angemessen, daher i. d. R. schriftlich.

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Auskunfts- und Einsichtsrecht

nisch (Mikrofilm) oder elektronisch vorhanden sind.29) Erfasst sind somit auch die gesamte Geschäftskorrespondenz oder Buchungsbelege.30) Unerheblich ist, ob diese Informationsverkörperungen von der Gesellschaft selbst oder für diese von Dritten verwahrt werden; ggf. hat die Gesellschaft von ihren Rechten gegenüber dem Dritten Gebrauch zu machen, um die Einsichtnahme durch den Gesellschafter zu ermöglichen.31) Das Einsichtsrecht bezieht sich auch auf Protokolle eines etwaigen Aufsichtsrates.32) Bei Unternehmensverbindungen beschränkt sich das Einsichtsrecht auf die Unterlagen der Gesellschaft selbst;33) dies gilt auch für 100 %ige Tochtergesellschaften.34) Hier ist der Gesellschafter auf sein Auskunftsrecht zu verweisen.

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Die Einsichtnahme braucht nur in den Geschäftsräumen der Gesellschaft gewährt zu werden. Der Gesellschafter hat keinen Anspruch auf Übermittlung von Originalen oder Kopien.35) Im Regelfall ist ihm aber in den Geschäftsräumen die Möglichkeit zur Anfertigung von Kopien zu geben.36)

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V. Geltendmachung Nach richtiger Ansicht muss für die Geltendmachung eines der Rechte nach Absatz 1 kein besonderes Informationsbedürfnis durch den Gesellschafter nachgewiesen werden.37) Der Gesellschafter darf sein Informationsrecht jedoch nicht zur Unzeit ausüben und muss den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Der Gesellschafter hat den Gegenstand eines Auskunftsersuchens hinreichend zu konkretisieren,38) auch damit eine Überprüfung der Verweigerungsvoraussetzungen nach Absatz 2 möglich ist. An die Bestimmtheit des Verlangens sind jedoch keine strengen Anforderungen zu stellen.39)

_____________ 29) OLG München, ZIP 2008, 553, 554 = GmbHR 2008, 104 = DB 2008, 115, dazu EWiR 2008, 249 (Heerstraßen). 30) LG Essen, ZIP 2014, 1984, 1985 = GmbHR 2014, 991. 31) OLG Frankfurt/M., NJW-RR 1996, 415, 416 = GmbHR 1995, 904 = DB 1995, 1908. 32) BGHZ 135, 48, 51 = ZIP 1997, 978, 979 = GmbHR 1997, 705; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51a Rn. 23; a. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 51a Rn. 40; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 51a Rn. 22. 33) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 51a Rn. 38; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 51a Rn. 25. 34) A. A. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51a Rn. 25; Baumbach/Hueck-Zöllner/ Noack, GmbHG, § 51a Rn. 19; Wicke, GmbHG, § 51a Rn. 4. 35) OLG Köln, ZIP 1985, 800, 801 = GmbHR 1985, 358 = WM 1986, 36, dazu EWiR 1985, 591, 593 (K. Müller). 36) OLG Köln, ZIP 1985, 800, 801 = GmbHR 1985, 358 = WM 1986, 36, dazu EWiR 1985, 591, 593 (K. Müller). 37) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51a Rn. 3; Ulmer/Habersack/Lobbe-Hüffer/ Schürnbrand, GmbH, § 51a Rn. 57; a. A. Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 51a Rn. 8; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 51a Rn. 27 ff. 38) Hillmann in: MünchKomm-GmbHG, § 51a Rn. 43; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 51a Rn. 20. 39) Hillmann in: MünchKomm-GmbHG, § 51a Rn. 43; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 51a Rn. 20.

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Das Einsichtsrecht kann demgegenüber global und ohne Bezug auf konkrete Unterlagen oder Sachverhalte geltend gemacht werden.40) VI. Informationsverweigerung

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Nach Absatz 2 dürfen Auskunft und Einsicht verweigert werden, wenn zu befürchten ist, dass der Gesellschafter sie zu gesellschaftsfremden Zwecken verwendet und dadurch der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen ein nicht unerheblicher Nachteil zugefügt werden könnte. Die Informationsverweigerung setzt einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss voraus.41) 1.

Voraussetzungen

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Die begehrte Information darf nach Absatz 2 nur verweigert werden, wenn zu befürchten ist, dass der Gesellschafter die Information zu gesellschaftsfremden Zwecken verwendet und (zusätzlich) der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen hierdurch einen nicht unerheblichen Nachteil zufügt. Gesellschaftsfremd ist ein Zweck dabei nicht erst dann, wenn er Gesellschaft schadet, sondern bereits dann, wenn er gesellschaftsindifferent ist42) und keinen Zusammenhang mit dem Kontroll-, Gewinn- oder Vermögensinteresse des Gesellschafters aufweist. Nachteil ist nicht nur ein Vermögensschaden, sondern auch ein ideeller Schaden (z. B. Rufschädigung).43) Die Gefahr einer gesellschaftsfremden Informationsverwendung und eines Nachteils für die Gesellschaft ist zu besorgen, wenn hierfür aufgrund konkreter Tatsachen eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht.44) Der Eintritt der beiden Merkmale muss weder mit Sicherheit noch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein. In der Praxis geht diese Beurteilung regelmäßig in einer Gesamtabwägung zwischen der Wahrscheinlichkeit der Gefährdung, der Schwere des drohenden Nachteils und dem Gewicht des Informationsinteresses des Gesellschafters auf.45)

22

Allein der Umstand, dass ein Gesellschafter an einem Konkurrenzunternehmen beteiligt ist, soll nach der Rechtsprechung keinen ausreichenden Grund darstellen, dem Gesellschafter die Einsicht in die Jahresabschlussunterlagen zu verweigern; soweit wettbewerbsrelevante Informationen in Frage stünden, komme ggf. die Entgegennahme der Informationen durch einen Treuhänder in Frage.46) Die GmbH kann sich gegenüber dem Anspruch eines Gesellschafters auf Auskunft oder Einsicht auch nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen etwaiger eigener Auskunfts- oder _____________ 40) OLG Frankfurt/M., NJW-RR 1996, 415, 416 = GmbHR 1995, 904 = DB 1995, 1908; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51a Rn. 23. 41) Wenn die Auskunftserteilung eine Straftat darstellten würde, besteht auch ohne Gesellschafterbeschluss ein Verweigerungsrecht, LG München, ZIP 2017, 1950 = GmbHR 2017, 1042 (zu § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB). 42) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 51a Rn. 33. 43) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 51a Rn. 36. 44) OLG München, ZIP 2008, 1894, 1895 = GmbHR 2008, 819, dazu EWiR 2008, 623 (U. Franz). 45) Roth/Altmeppen- Altmeppen, GmbHG, § 51a Rn. 33 ff. 46) OLG München, ZIP 2008, 553, 554 = GmbHR 2008, 104 = DB 2008, 115, dazu EWiR 2008, 249 (F. Heerstraßen) – zweifelhaft!

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Zahlungsansprüche berufen, weil dem die Funktion des Auskunftsanspruchs entgegensteht.47) Sieht die GmbH einen Auskunftsverweigerungsgrund i. S. d. § 51a Abs. 2 gegeben, so obliegt es ihr die konkrete Gefahr einer zweckwidrigen Verwendung durch konkrete Tatsachen zu belegen.48) 2.

Beschluss

Die Informationsverweigerung erfordert einen Gesellschafterbeschluss, andernfalls ist sie rechtswidrig und kann einen wichtigen Grund zur Abberufung des verweigernden Geschäftsführers darstellen.49) Bei der Beschlussfassung ist der Information begehrende Gesellschafter von der Abstimmung ausgeschlossen.50) 3.

Rechtsfolgen

Im Falle der Informationsverweigerung kann der betroffene Gesellschafter das Verfahren nach § 51b zur Auskunftserzwingung beschreiten. Für eine Anfechtung des Verweigerungsbeschlusses fehlt es demgegenüber in aller Regel an einem Rechtsschutzbedürfnis;51) eine Anfechtung ist jedenfalls keine Voraussetzung für das Verfahren nach § 51b. Davon abgesehen können jedoch Gesellschafterbeschlüsse, für welche die begehrte Information von Bedeutung war, anfechtbar sein.52) Gegen einen Vorratsbeschluss, mit welchem einem Gesellschafter über ein konkretes Informationsbegehren hinaus Einsicht oder Auskunft für eine bestimmte Zeit, unter bestimmten Umständen oder in bestimmte Unterlagen verweigert wird, ist die Anfechtungsklage auch ohne Nachweis eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses zulässig.53) Auch Schadensersatzansprüche des betroffenen Gesellschafters gegen die GmbH54) oder die Gesellschafter, welche zu Unrecht für eine Informationsverweigerung gestimmt haben,55) sind denkbar. Ob demgegenüber auch Schadensersatzansprüche der Gesellschafter gegen den Geschäftsführer entstehen können, wenn dieser die begehrte Information ohne Gesellschafterbeschluss56) verweigert, ist umstritten.57) Zutreffenderweise ist § 51a jedoch als Schutzgesetz zugunsten der Gesellschafter anzuse-

_____________ 47) 48) 49) 50) 51) 52) 53) 54) 55) 56)

57)

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OLG Frankfurt/M., GmbHR 2008, 592, 593 = NZG 2008, 158 = DStR 2008, 212 (LS). OLG Frankfurt/M., BeckRS 2014, 11113 m. w. N. KG Berlin, ZIP 2011, 2304, 2306 = GmbHR 2011, 1272 = MDR 2011, 1431. Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 51a Rn. 53; Baumbach/HueckZöllner/Noack, GmbHG, § 51a Rn. 38. BGH, ZIP 1988, 87, 87 f = GmbHR 1988, 213 = DB 1988, 327, dazu EWiR 1988, 271 (K. Schmidt); Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 51a Rn. 46. BGHZ 86, 1, 3 = ZIP 1983, 163, 164 = NJW 1983, 878 – zu § 132 AktG. BGH, ZIP 2009, 1158, 1159 = GmbHR 2009, 770 m. Anm. Podewils = NJW 2009, 2300. Wicke, GmbHG, § 51a Rn. 10. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51a Rn. 49. Verweigert der Geschäftsführer eine Auskunftserteilung auf Basis eines Gesellschafterbeschlusses, scheidet eine Haftung aus, vgl. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 51a Rn. 51. Bejahend: Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 51a Rn. 48; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 51a Rn. 54; abl.: Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 51a Rn. 77; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51a Rn. 47; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 51a Rn. 51.

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hen, sodass sich der Geschäftsführer nach § 823 Abs. 2 BGB schadensersatzpflichtig machen kann.58) VII.

Satzungsregelungen

25

Von den Regelungen nach Absatz 1 und 2 kann in der Satzung laut Absatz 3 nicht abgewichen werden. Dies gilt nach einhelliger Auffassung allerdings nur, soweit es um eine Einschränkung, nicht jedoch, soweit es um eine Stärkung des Informationsrechts der Gesellschafter geht.59) Auch Verfahrensregelungen werden als zulässig angesehen, soweit damit keine spürbare Schwächung der Gesellschafterposition einhergeht.60)

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Unzulässig sind insbesondere zeitliche Einschränkungen für Informationsverlangen.61) Nicht zulässig sind auch Regelungen, die es dem Gesellschafter verwehren, das Informationsrecht grundsätzlich persönlich auszuüben62) und ggf. einen zur Verschwiegenheit verpflichteten sachverständigen Dritten hinzuzuziehen.63) _____________ 58) Reuter, BB 1986, 1653, 1659; a. A. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51a Rn. 47; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 51a Rn. 51; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 51a Rn. 48; nun auch Rowedder/Schmidt-Leithoff-Ganzer, GmbHG, § 51a Rn. 31; wohl aber eine Haftung nach § 826 BGB in Betracht ziehend Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbH, § 51a Rn. 54. 59) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51a Rn. 41. 60) LG Essen, ZIP 2014, 1984, 1985 = GmbHR 2014, 991; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 51a Rn. 51; Baumbauch/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 51a Rn. 3. 61) BayObLG, ZIP 1988, 1548 = GmbHR 1989, 201 = WM 1988, 1789, dazu EWiR 1989, 273 (Priester) – nur eine Stunde im Monat; OLG Hamburg, GmbHR 2002, 913, 913 = DB 2001, 2648 – nur am Wochenende; LG Essen, ZIP 2014, 1984, 1985 = GmbHR 2014, 991 – nur quartalsweise. 62) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 51a Rn. 51; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51a Rn. 43; a. A. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 51a Rn. 3. 63) BayObLG, ZIP 1988, 1548 = GmbHR 1989, 201 = WM 1988, 1789, dazu EWiR 1989, 273 (Priester).

§ 51b Gerichtliche Entscheidung über das Auskunfts- und Einsichtsrecht Andreas Masuch

1

Für die gerichtliche Entscheidung über das Auskunfts- und Einsichtsrecht findet § 132 Abs. 1, 3 und 4 des Aktiengesetzes entsprechende Anwendung. 2Antragsberechtigt ist jeder Gesellschafter, dem die verlangte Auskunft nicht gegeben oder die verlangte Einsicht nicht gestattet worden ist. Übersicht I. II. 1. 2. 3. 4.

Normzweck und Regelungsinhalt ..... Gerichtliches Verfahren ...................... Antragsberechtigung ............................. Antragsgegner ....................................... Antrag .................................................... Antragsfrist ............................................

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1 2 2 3 4 5

5. 6. 7. 8. 9.

Zuständigkeit ......................................... 6 Verfahren ............................................... 8 Entscheidung ......................................... 9 Rechtsmittel ......................................... 12 Vollstreckung ...................................... 13

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Gerichtliche Entscheidung über das Auskunfts- und Einsichtsrecht

I.

§ 51b

Normzweck und Regelungsinhalt

§ 51b eröffnet dem Gesellschafter, dessen Auskunfts- oder Einsichtsgesuch nach § 51a Abs. 1 abgelehnt worden ist (§ 51a Abs. 2), die Möglichkeit die Informationsverweigerung gerichtlich überprüfen zu lassen. Die Vorschrift regelt in Satz 2 die Antragsberechtigung und verweist i. Ü. (Satz 1) auf die Regelungen des Aktienrechts zur gerichtlichen Entscheidung über das Auskunftsrechts des Aktionärs (§ 132 Abs. 1 und Abs. 3 und 4 AktG). Ergänzend sind die Regelungen des GNotKG zu beachten, insbesondere die §§ 1 Abs. 2 Nr. 2, 36 Abs. 1 und Abs. 3 und 79 Abs. 1 sowie Hauptabschnitt 3, Abschnitte 5 und 6 des Kostenverzeichnisses (Teil 1) zum GNotKG.

1

II. Gerichtliches Verfahren 1.

Antragsberechtigung

Antragsberechtigt ist jeder Gesellschafter, dem eine verlangte Auskunft nicht gegeben oder eine verlangte Einsicht nicht gestattet worden ist. Die Antragsberechtigung setzt implizit die Auskunftsberechtigung nach § 51a voraus (siehe § 51a Rn. 4 ff [Masuch]). Verliert der Gesellschafter seine Gesellschafterstellung während des Verfahrens, erledigt sich dieses und sein Antrag wird unbegründet.1) Die Antragsberechtigung hängt ferner davon ab, dass ein Verlangen des Gesellschafters nach § 51a Abs. 1 abgelehnt worden ist. Erforderlich ist nicht, dass ein Beschluss nach § 51a Abs. 2 gefasst worden ist.2) Ein fehlender Ablehnungsbeschluss macht den Antrag nicht unzulässig, sondern führt im Gegenteil zu dessen Begründetheit. Solange ein Auskunfts- oder Einsichtsgesuch nicht abgelehnt worden ist, hat der Gesellschafter eine angemessene Frist abzuwarten. 2.

Antragsgegner

Antragsgegner ist die Gesellschaft vertreten durch ihre Geschäftsführer, in den Fällen des § 46 Nr. 8 ggf. durch einen besonderen Vertreter. Ist der Geschäftsführer jedoch zugleich Antragsteller, so ist er nach der Wertung des § 181 BGB an der Ausübung seines Amtes (in dem Verfahren) formal verhindert.3) Im Insolvenzverfahren wird die Gesellschaft durch den Insolvenzverwalter vertreten.4) 3.

_____________

2) 3) 4) 5)

3

Antrag

Der Antrag ist auf die Feststellung zu richten, dass die Gesellschaft dem Gesellschafter eine bestimmte Auskunft zu erteilen bzw. Einsicht in bestimmte Unterlagen zu gewähren hat.5) Ein Leistungsantrag ist in einen entsprechenden Feststel1)

2

Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 51b Rn. 10; Wicke, GmbHG, § 51b Rn. 2. BGHZ 135, 48 = ZIP 1997, 978; OLG Karlsruhe, GmbHR 1985, 362, 363; OLG Frankfurt/M., BeckRS 2014, 11113. LG München I, ZIP 2017, 1950 = GmbHR 2017, 1042 = NZG 2017, 1308 (Ls.); ZöllerAlthammer, ZPO, § 57 Rn. 1a. Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 51b Rn. 19; Wicke, GmbHG, § 51b Rn. 2. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51b Rn. 18; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 51b Rn. 1; Wicke, GmbHG, § 51b Rn. 3; Rück/Zeyher in: Beck’sches Prozessformularbuch, II. M. 14., 4; Arens, AnwaltFormulare Gesellschaftsrecht, § 5 Rn. 306; a. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 51b Rn. 5.

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Gerichtliche Entscheidung über das Auskunfts- und Einsichtsrecht

lungsantrag umzudeuten.6) Der Antrag muss hinreichend bestimmt sein. Das erforderliche Maß hängt von der Lage des Einzelfalls ab;7) der Umstand, dass uninformierte Gesellschafter bisweilen nicht in der Lage sind, präzise Fragen zu stellen, ist entsprechend zu berücksichtigen.8) Es besteht kein Anwaltszwang.9) 4. 5

Antragsfrist

Eine Frist zur Einleitung des Verfahrens nach § 51b besteht nicht.10) § 132 Abs. 2 AktG ist ausdrücklich von der Verweisung in Satz 2 ausgenommen. Die Antragsberechtigung kann allerdings verwirkt sein, wenn der Gesellschafter von der Möglichkeit des § 51b längere Zeit keinen Gebrauch gemacht und sich die Gesellschaft darauf eingerichtet hat sowie nach dem Verhalten des Gesellschafters darauf einrichten durfte, dass der Gesellschafter keine gerichtliche Entscheidung beantragen werde. 5.

Zuständigkeit

6

Sachlich und örtlich zuständig ist nach Satz 1 i. V. m. § 132 Abs. 1 AktG das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren statutarischen Sitz (§ 3 Nr. 1) hat, ggf. eine Kammer für Handelssachen (§§ 94, 95 Abs. 2 Nr. 2 GVG i. V. m. § 71 Abs. 2 Nr. 4b GVG). Die Regierung des Bundeslandes, in welchem das an sich zuständige Gericht liegt, (bzw. im Falle einer Delegation die Landesjustizverwaltung) kann durch Rechtsverordnung eine konzentrierte Zuständigkeit schaffen (§ 71 Abs. 4 GVG).11)

7

Die Satzung oder eine Schiedsvereinbarung können abweichend von Satz 1 i. V. m. § 132 Abs. 1 AktG die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts vorsehen.12) Zu den in einer Schiedsvereinbarung genannten Streitigkeiten, welche „den Gesellschaftsvertrag, das Gesellschaftsverhältnis oder die Gesellschaft“ betreffen, gehört auch das Auskunfts- und Einsichtsrecht nach § 51a.13) 6.

8

Verfahren

Das gerichtliche Verfahren bestimmt sich nach Satz 1 i. V. m. §§ 132 Abs. 3 Satz 1, 99 Abs. 1 AktG nach den Vorschriften des FamFG. Es gilt folglich der Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 26 FamFG. Nach allgemeinen Grundsätzen trifft jedoch jeden Beteiligten die Feststellungslast für die für ihn günstigen Tatsachen. Ein vorläufiger Rechtsschutz ist entsprechend §§ 132 Abs. 3 Satz 1, 99 Abs. 1 AktG i. V. m. _____________ 6) Vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 51b Rn. 5 – freilich vom gegenteiligen Ausgangspunkt her. 7) OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 414, 415 = GmbHR 1996, 902, dazu EWiR 1995, 787, 787 (Kowalski). 8) Vgl. auch Ring/Grziwotz-Krause, GmbH-Recht, § 51b Rn. 16. 9) Hillmann in: MünchKomm-GmbHG, § 51b Rn. 21; Wicke, GmbHG, § 51b Rn. 2. 10) Hillmann in: MünchKomm-GmbHG, § 51b Rn. 6; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 51b Rn. 6. 11) Vgl. hierzu Driesen, GmbHR 2004, 500. 12) OLG Hamm, ZIP 2000, 1013, 1014 = GmbHR 2000, 676 = NZG 2000, 652, dazu EWiR 2000, 863 (Westpfahl); Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 51b Rn. 3; a. A. LG Mönchengladbach, GmbHR 1986, 390, 391, dazu EWiR 1986, 803 (v. Gerkan). 13) OLG Hamm ZIP 2000, 1013, 1014 = GmbHR 2000, 676 = NZG 2000, 652, dazu EWiR 2000, 863 (Westpfahl).

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Gerichtliche Entscheidung über das Auskunfts- und Einsichtsrecht

§ 51b

§§ 49 ff FamFG insofern möglich, als das Gericht durch einstweilige Anordnung vorläufige Maßnahmen treffen kann, soweit dies nach den für das Rechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften gerechtfertigt ist und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht; zur Vermeidung einer Vorwegnahme der Hauptsache kommt eine Leistungsanordnung allerdings regelmäßig nicht in Betracht.14) Erledigung der Hauptsache tritt ein, wenn die Gesellschaft im laufenden Verfahren die Informationserteilung nicht mehr verweigert.15) Für die Durchsetzung des Auskunfts- oder Einsichtsrechts ist das voranstehend skizzierte Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausschließlich; ein Verfahren i. R. d. ordentlichen Gerichtsbarkeit kann daneben nicht, auch nicht gestützt auf eine andere Anspruchsgrundlage (z. B. § 810 BGB), betrieben werden.16) 7.

Entscheidung

Das gerichtliche Verfahren dient der Überprüfung, ob dem Gesellschafter eine erbetene Auskunft oder Einsicht verweigert werden durfte. Es hat nicht zum Gegenstand, ob eine erteilte Auskunft richtig oder falsch gewesen ist. Dies kann höchstens im Zusammenhang mit der Frage Bedeutung erlangen, ob der Auskunftsanspruch bereits erloschen ist oder nicht.17) Der Tenor der Entscheidung geht (im Erfolgsfalle) auf Feststellung, dass die Gesellschaft zur Erteilung einer bestimmten Auskunft oder zur Gewährung der Einsicht in bestimmte Gesellschaftsunterlagen verpflichtet ist.18)

9

Über die Kostenlast entscheidet das Gericht gemäß § 81 FamFG nach billigem Ermessen. Im Regelfall wird es der Billigkeit entsprechen, der unterlegenen Partei die Kosten der Gegenseite aufzuerlegen. Die Höhe der Kosten richtet sich nach dem GNotKG. Für die erste Instanz fällt im Falle einer Entscheidung eine 2,0-Gebühr an (Ziff. 13500 des Kostenverzeichnisses zum GNotKG); der Regelgeschäftswert beträgt grundsätzlich 5.000 € (§ 36 Abs. 3 GNotKG).19)

10

Rechtskräftige Entscheidungen sind nach Satz 1 i. V. m. §§ 132 Abs. 3 Satz 1, 99 Abs. 5 Satz 3 AktG zum Handelsregister einzureichen.

11

8.

Rechtsmittel

Als Rechtsmittel gegen eine Entscheidung des Landgerichts kommt eine sofortige Beschwerde in Betracht, die allerdings nur zulässig ist, wenn das Landgericht sie zugelassen hat (Satz 1 i. V. m. § 132 Abs. 3 Satz 2 AktG). Dies erfolgt nur, wenn die _____________ 14) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51b Rn. 10. 15) OLG München, ZIP 2008, 1894, 1894 = GmbHR 2008, 819, dazu EWiR 2008, 623 (Franz). 16) OLG München, GmbHR 2018, 196, 200 = GWR 2018, 29 (Schiller); OLG Saarbrücken, GmbHR 2011, 33 = ZIP 2010, 2300 (LS). 17) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51b Rn. 18; Wicke, GmbHG, § 51b Rn. 3. 18) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 51b Rn. 1; Wicke, GmbHG, § 51b Rn. 3; Rück/Zeyher in: Beck’sches Prozessformularbuch, II. M. 14., 4; Arens, AnwaltFormulare Gesellschaftsrecht, § 5 Rn. 306; für Verpflichtungstenor demgegenüber Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 51b Rn. 7; a. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 51b Rn. 5. 19) Ausführl. hierzu Schindler in: BeckOK-GmbHG, § 51b Rn. 29 ff.

Andreas Masuch

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§ 52

Aufsichtsrat

Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (Satz 1 i. V. m. § 132 Abs. 3 Satz 3 AktG, § 70 Abs. 2 FamFG). Von einer Zulassung der sofortigen Beschwerde ist auch dann auszugehen, wenn das Landgericht irrtümlicherweise die „weitere Beschwerde“ zugelassen hat.20) Beschwerdegericht ist ggf. das Oberlandesgericht. Eine außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit ist nicht statthaft.21) Indes ist eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung, auch wenn eine Sachentscheidung ergangen ist, zulässig,22) sofern die Beschwerdesumme von 600 € gemäß § 61 Abs. 1 FamFG überschritten wird.23) Für das Beschwerdeverfahren erhebt das Gericht grundsätzlich eine 3,0-Gebühr (Ziff. 13610 des Kostenverzeichnisses zum GNotKG). 9. 13

Vollstreckung

Die Vollstreckung einer dem Antrag stattgebenden Entscheidung erfolgt gemäß Satz 1 i. V. m. §§ 132 Abs. 3 Satz 1, 99 Abs. 1 AktG i. V. m. § 95 Abs. 1, 4 FamFG nach den Vorschriften der ZPO, vor allem nach § 888 ZPO (Vollstreckung nicht vertretbarer Handlungen) und §§ 883, 885 bis 887 ZPO.24) Erfolgt die Vollstreckung durch das titelschaffende Gericht, so ist nach § 86 Abs. 3 FamFG keine Klauselerteilung notwendig.25) Hat der Gesellschafter nachträglich seine Antragsberechtigung nach § 51a Abs. 1 verloren, kann dies im Wege der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO geltend gemacht werden.26) Wird die Gesellschaft insolvent, ist keine Umschreibung des Auskunftstitels gegen die Gesellschaft gemäß § 727 ZPO auf den Insolvenzverwalter möglich.27) _____________ 20) OLG Schleswig, GmbHR 2008, 434, 434. 21) BGH, ZIP 2006, 1316, 1317 = GmbHR 2006, 818 = NZG 2006, 593. 22) Vgl. Begr. RegE zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in dem Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz – FGG-RG), BT-Drucks. 16/6308 v. 7.9.2007, S. 168. 23) OLG Stuttgart, NJW 2010, 383. 24) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 51b Rn. 17; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 51b Rn. 9. 25) OLG Düsseldorf GmbHR 2017, 194 = FGPrax 2017, 118. 26) OLG München, GmbHR 2008, 208, 210 f = NZG 2008, 197 = ZIP 2008, 900 (LS). 27) OLG Hamm, ZIP 2008, 899, 900 = GmbHR 2008, 662 = ZInsO 2008, 568.

§ 52 Aufsichtsrat Volker Rieble

(1) Ist nach dem Gesellschaftsvertrag ein Aufsichtsrat zu bestellen, so sind § 90 Abs. 3, 4, 5 Satz 1 und 2, § 95 Satz 1, § 100 Abs. 1 und 2 Nr. 2 und Abs. 5, § 101 Abs. 1 Satz 1, § 103 Abs. 1 Satz 1 und 2, §§ 105, 107 Abs. 4, §§ 110 bis 114, 116 des Aktiengesetzes in Verbindung mit § 93 Abs. 1 und 2 Satz 1 und 2 des Aktiengesetzes, § 124 Abs. 3 Satz 2, §§ 170, 171 des Aktiengesetzes entsprechend anzuwenden, soweit nicht im Gesellschaftsvertrag ein anderes bestimmt ist.

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Aufsichtsrat

(2) Ist nach den Mitbestimmungsgesetzen ein Aufsichtsrat zu bestellen, so legt der Aufsichtsrat für den Frauenanteil im Aufsichtsrat und unter den Geschäftsführern Zielgrößen fest. Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Gleichzeitig sind Fristen zur Erreichung der Zielgrößen festzulegen. Die Fristen dürfen jeweils nicht länger als fünf Jahre sein. (3) Werden die Mitglieder des Aufsichtsrats vor der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister bestellt, gilt § 37 Abs. 4 Nr. 3 und 3a des Aktiengesetzes entsprechend. Die Geschäftsführer haben bei jeder Änderung in den Personen der Aufsichtsratsmitglieder unverzüglich eine Liste der Mitglieder des Aufsichtsrats, aus welcher Name, Vorname, ausgeübter Beruf und Wohnort der Mitglieder ersichtlich ist, zum Handelsregister einzureichen; das Gericht hat nach § 10 des Handelsgesetzbuchs einen Hinweis darauf bekannt zu machen, dass die Liste zum Handelsregister eingereicht worden ist. (4) Schadensersatzansprüche gegen die Mitglieder des Aufsichtsrats wegen Verletzung ihrer Obliegenheiten verjähren in fünf Jahren. Literatur: Altmeppen, Zur Rechtsstellung der Aufsichtsratsmitglieder einer kommunalen GmbH, in: Festschrift für Uwe H. Schneider, 2011, S. 1; Altmeppen, Persönliche Haftung des Aufsichtsrats für Verletzung der Massesicherungspflicht der Geschäftsleiter, ZIP 2010, 1973; Altmeppen, Die Einflussrechte der Gemeindeorgane in einer kommunalen GmbH, NJW 2003, 2561; Annuß, Gemeinschaftsbetrieb und Unternehmensmitbestimmung, in: Festschrift für Gerrick Freiherr v. Hoyningen-Huene, 2014, S. 25; Bauer/Lingemann, Stillegung von Tendenzbetrieben am Beispiel von Pressebetrieben, NZA 1995, 813; Bayer, Der Anwendungsbereich des MitbestG, ZGR 1977, 173; Behme, Berücksichtigung ausländischer Arbeitnehmer für die Berechnung der Schwellenwerte im Recht der Unternehmensmitbestimmung, AG 2018, 1; Bernhardt/Bredol, Rechtsfragen zu Organstellung und Anstellungsvertrag von Geschäftsführern einer paritätisch mitbestimmten GmbH, NZG 2015, 419; Beuthien, Mitbestimmungsvereinbarungen nach geltendem und künftigem Recht, ZHR 148 (1984) 95; Brandes, Mitbestimmungsvermeidung mittels grenzüberschreitender Verschmelzungen, ZIP 2008, 2193; Bultmann, Der Gewinnabführungsvertrag in der Insolvenz, ZInsO 2007, 785; Canaris, Mitbestimmungsgesetz und innergesellschaftliche Organisationsautonomie der Gesellschaft, DB-Beilage 14/1981; Däubler, Der Gemeinschaftsbetrieb im Arbeitsrecht, in: Festschrift für Albrecht Zeuner, 1994, S. 19; Drinhausen/Keinath, Verwendung der SE zur Vermeidung von Arbeitnehmermitbestimmung – Abgrenzung zulässiger Gestaltungen vom Missbrauch gemäß § 43 SEBG, BB 2011, 2699; Ehlers, Die Grenzen der Mitbestimmung im öffentlichen Unternehmen, JZ 1987, 218; Eidenmüller, Verfahrenskoordination bei Konzerninsolvenzen, ZHR 169 (2005) 528; Fedke, Rechtsfragen der Bestellung von Geschäftsführern in der mitbestimmungspflichtigen GmbH, NZG 2017, 848; Fischer, Europaweite Wahl zum mitbestimmten Aufsichtsrat?, NZG 2014, 737; Fleischer, Fehlerhafte Aufsichtsratsbeschlüsse: Rechtsdogmatik – Rechtsvergleichung – Rechtspolitik (Teil 1), DB 2013, 160; Fleischer, Fehlerhafte Aufsichtsratsbeschlüsse: Rechtsdogmatik – Rechtsvergleichung – Rechtspolitik (Teil 2), DB 2013, 217; Forst, Unternehmensmitbestimmung in der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), GmbHR 2009, 1131; Götze/Winzer/Arnold, Unternehmerische Mitbestimmung – Gestaltungsoptionen und Vermeidungsstrategien, ZIP 2009, 245; Habersack, Vorstand und mitbestimmte GmbH – eine unglückliche Beziehung!, ZHR 174 (2010) 2; Habersack, Die Konzernmitbestimmung nach § 5 MitbestG und § 2 DrittelbG, AG 2007, 641; Habersack, „Germany first“? NZG 2017, 1021; Heidel, Zur Weisungsgebundenheit von Aufsichtsratsmitgliedern bei Beteiligung von Gebietskörperschaften und Alleinaktionären, NZG 2012, 48; Hellwig/Behme, Die deutsche Unternehmensmitbestimmung im Visier

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Aufsichtsrat

von Brüssel?, AG 2011, 740; Henssler, Die Zukunft der deutschen Unternehmensmitbestimmung im europäischen Rechtsrahmen, Zft 2018, 174; Henssler, Freiwillige Vereinbarungen über die Unternehmensmitbestimmung, in: Festschrift für H. P. Westermann, 2008, S. 1019; Henssler, Bewegung in der deutschen Mitbestimmung, RdA 2005, 330; Henssler, Mitbestimmungsrechtliche Folgen grenzüberschreitender Beherrschungsverträge, ZfA 2005, 289; Henssler/Michel, Durchführung des Statusverfahrens nach §§ 97 – 99 AktG bei erstmaliger Anwendbarkeit eines Mitbestimmungsgesetzes in der GmbH, SAE 2009, 134; Hjort, Wahlrecht der Arbeitnehmer zu mehreren Aufsichtsräten in Gemeinschaftsbetrieben?, NZA 2001, 696; Hohenstatt/Schramm, Der Gemeinschaftsbetrieb im Recht der Unternehmensmitbestimmung, NZA 2010, 846; Hommelhoff, Vereinbarte Mitbestimmung, ZHR 148 (1984) 118; Junker, Schwellenwerte in arbeitsrechtlichen Gesetzen, NZA 2003, 1057; K. Schmidt, Aufsichtsratshaftung bei Insolvenzverschleppung, GmbHR 2010, 1319; K. Schmidt, Insolvenzordnung und Gesellschaftsrecht, ZGR 1998, 633; Keiluweit, Unterschiede zwischen obligatorischen und fakultativen Aufsichtsgremien – ein Vergleich zwischen Aktiengesellschaft und GmbH, BB 2011, 1795; Kerst, Haftungsmanagement durch die D & O-Versicherung nach Einführung des aktienrechtlichen Selbstbehalts in § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG, WM 2010, 594; Klebeck/Kolbe, Aufsichts- und Arbeitsrecht im KAGB, BB 2014, 707; Klöhn, Gesellschaftsrecht in der Eigenverwaltung: Die Grenzen des Einflusses auf die Geschäftsführung gemäß § 276a Satz 1 InsO, NZG 2013, 81; Koeberle-Schmid, Betriebswirtschaftliche Ausgestaltung von Aufsichtsgremien in Familienunternehmen, DB 2009, 1249; Konnertz-Häußler, Ein Corporate Governance-Kodex für die GmbH, GmbHR 2012, 68; Konzen, Der „Konzern im Konzern“ im Mitbestimmungsrecht, ZIP 1984, 269; Kort, Der Konzernbegriff i. S. v. § 5 MitbestG, NZA 2009, 81; Kort, Corporate Governance-Fragen der Größe und Zusammensetzung des Aufsichtsrats bei AG, GmbH und SE, AG 2008, 137; Kowalski/Schmidt, Das aktienrechtliche Statusverfahren nach §§ 96 Abs. 2, 97 ff AktG – (k)ein Fallstrick im Gesellschaftsrecht, DB 2009, 551; Krause, Die Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei den Schwellenwerten der Mitbestimmung, ZIP 2014, 2209; Krause, Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei der Betriebsratsgröße des Entleiherbetriebs – Rechtsprechungsänderung, JA 2014, 308; Krause, Zur Bedeutung des Unionsrechts für die unternehmerische Mitbestimmung, AG 2012, 485; Lambrich/Reinhard, Schwellenwerte bei der Unternehmensmitbestimmung. Wann beginnt die Mitbestimmung? NJW 2014, 2229; Lorenz/Pospiech, Beratungsverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern in Zeiten moderner Corporate Governance, NZG 2011, 81; Loritz, Mitbestimmung und Tendenzschutz im Konzern, ZfA 1985, 497; Lunk, Schwellenwerte Leiharbeitnehmer, NZG 2014, 778; Löwisch/Wegmann, Zahlenmäßige Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern in Betriebsverfassungs- und Mitbestimmungsrecht, BB 2017, 373; Lutter, Der Anwendungsbereich des Mitbestimmungsgesetzes, ZGR 1977, 195; Macht, Voraussetzungen und Folgen fehlerhafter Aufsichtsratsbeschlüsse am Beispiel des nicht fristgemäßen Entlastungsbeschlusses, MittBayNot 2004, 81; Manthey/ Hinrichs, Der Phantom-Aufsichtsrat in Schwellenunternehmen – Ein Nachruf, NZG 2014, 1096; Manthey/Hinrichs/Hörtz, Publizitätspflichten für Phantom-Aufsichtsräte, NZG 2013, 1370; Martens, Die Tendenzunternehmen im Konzern, AG 1980, 289; Martens, Zum Verhältnis von Mitbestimmungs- und Gesellschaftsrecht, ZHR 148 (1984), 183; Maschmann, Fremdpersonaleinsatz im Unternehmen und die Flucht in den Werkvertrag, NZA 2013, 1305; Meik, Der Konzern im Arbeitsrecht und die Wahl des Konzernbetriebsrats im Schnittbereich zur Wahl des Aufsichtsrats, BB 1991, 2441; Mohr/Rehm, Grundlagen und Grenzen der Bildung eines mitbestimmten Aufsichtsrats in der GmbH auf Initiative des Betriebsrats, BB 2009, 1806; Morgenroth/Salzmann, Grenzüberschreitende Umwandlungen in der EU und unternehmerische Mitbestimmung, NZA-RR 2013, 449; Mückl, Bedeutung eines Gemeinschaftsbetriebs für die Unternehmensmitbestimmung, BB 2013, 2301; Müller/ Wolff, Freiwilliger Aufsichtsrat nach § 52 GmbHG und andere freiwillige Organe, NZG 2003, 751; Müller-Bonanni/Forst, Frauenquoten in Führungspositionen der GmbH, GmbHR 2015, 621; Müller-Bonanni/Müntefering, Arbeitnehmerbeteiligung bei SE-Gründung und grenzüberschreitender Verschmelzung im Vergleich, BB 2009, 1699; Noske, Bera-

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Aufsichtsrat

tungen und Beschlüsse des 66. Deutschen Juristentags 2006, ZRP 2006, 232; Oetker, Das Recht der Unternehmensmitbestimmung im Spiegel der neueren Rechtsprechung, ZGR 2000, 19; Oetker, Der Anwendungsbereich des Statusverfahrens nach den §§ 97 ff AktG, ZHR 149 (1985) 575; Oetker, Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung und Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats in der mitbestimmten GmbH, ZIP 2015, 1461; Oetker, Arbeitnehmerüberlassung und Unternehmensmitbestimmung im entleihenden Unternehmen nach § 14 II 5 und 6 AÜG, NZA 2017, 29; Oetker/Friese, Massebelastende Betriebsvereinbarungen in der Insolvenz (§ 120 InsO), DZWIR 2000, 397; Olbertz/Sturm, Unternehmerische Mitbestimmung – Vermeidungsstrategien für die GmbH bzw. GmbH & Co. KG, GmbHR 2014, 1254; Ott/Goette, Zur Frage der Berücksichtigung von im Ausland beschäftigten Arbeitnehmern bei Ermittlung der mitbestimmungsrechtlichen Schwellenwerte, NZG 2018, 281; Otto, Einrichtung des fakultativen Aufsichtsrats durch Gesellschafterbeschluss kraft Satzungsermächtigung, GmbHR 2016, 19; Panetta, Der fehlerhafte Aufsichtsratsbeschluss und seine Folgen, NJOZ 2008, 4294; Piepenburg, Faktisches Konzerninsolvenzrecht am Beispiel Babcock Borsig, NZI 2004, 231; Priester, Aufsichtsrat per Öffnungsklausel, NZG 2016, 774; Prinz, Aktives Wahlrecht von Arbeitnehmern von Gemeinschaftsbetrieben, SAE 2013, 90; Reuter, Der Beirat der GmbH, in: Festschrift 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 631; Richardi, Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat einer arbeitnehmerlosen Aktiengesellschaft, in: Festschrift für Albrecht Zeuner, 1994, S. 147; Rieble, Sonderbezahlung von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat, AG 2016, 315; Rieble, Schnelle Mitbestimmungssicherung gegen die SE, BB 2014, 2997; Rieble, Tendenz-SE, AG 2014, 224; Rieble, Leiharbeitnehmer zählen doch? NZA 2012, 485; Rieble, Neue Wettbewerbsbedingungen für die Zeitarbeit, in: Rieble/Junker/ Giesen, Freie Industriedienstleistung als Alternative zur regulierten Zeitarbeit, 2012, S. 15; Rieble/Gutzeit, Das Altersteilzeitgesetz (ATzG) 1996 und seine betriebsverfassungsrechtlichen Implikationen, BB 1998, 638; Rieble/Kolbe, Konzernmitbestimmung in der Insolvenz, KTS 2009, 281; Rieble/Latzel, Inlandsmitbestimmung als Ausländerdiskriminierung bei Standortkonflikten, EuZA 2011, 145; Rodewald/Wohlfarter, Gesellschafterweisung in der GmbH mit (fakultativem oder obligatorischem) Aufsichtsrat, GmbHR 2013, 689; Scheuffele/Baumgartner, Beratungsverträge einer GmbH mit Mitgliedern ihres (mitbestimmten) Aufsichtsrats, GmbHR 2010, 400; Schockenhoff, Erzberger reloaded: Was Aufsichtsräte wissen müssen, Der Aufsichtsrat, 2018, 50; Schürnbrand, Noch einmal: Das fehlerhaft bestellte Aufsichtsratsmitglied, NZG 2013, 481; Schürnbrand, Überwachung des insolvenzrechtlichen Zahlungsverbots durch den Aufsichtsrat, NZG 2010, 1207; Schwerdtfeger, Gesellschaftsrechtliche Ausgestaltung der Rechte und Pflichten des GmbH-Aufsichtsrats als Grundentscheidung für die strafrechtliche Risikoexposition seiner Mitglieder, NZG 2017, 455; Seibt, Unternehmensmitbestimmungsrechtliche Konzernzurechnung bei Einschaltung von Stiftung & Co. KG und paritätischen Beteiligungsunternehmen, ZIP 2011, 249; Seibt, Unternehmensmitbestimmung in Teilkonzernspitzen und Zwischenholding-Gesellschaften (§ 5 MitbestG), ZIP 2008, 1301; Seibt, Privatautonome Mitbestimmungsvereinbarungen, AG 2005, 413; Semler, „Konzern im Konzern“, DB 1997, 805; Spindler, Kommunale Mandatsträger in Aufsichtsräten – Verschwiegenheitspflicht und Weisungsgebundenheit, ZIP 2011, 689; Strassner/Mayston/Rebholz, Die Rolle fakultativer Aufsichtsräte bei Venture-Capital-Investments, Der Aufsichtsrat 2017, 5; Thiessen, Haftung des Aufsichtsrats für Zahlungen nach Insolvenzreife, ZGR 2011, 275; Thüsing, Schnellschuss ins Ungewisse: Zur Änderung des § 5 BetrVG, BB 2009, 2036; Thüsing/Forst, Der Gemeinschaftsbetrieb im Recht der Unternehmensmitbestimmung, in: Festschrift für Peter Kreutz, 2010, S. 867; Tielmann/Struck, Empfehlungen zur Sicherung der Handlungsfähigkeit des Aufsichtsrats bei der Anfechtung der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern, BB 2013, 1548; Trelendenburg, Der Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag in der Krise der Obergesellschaft, NJW 2002, 647; Uffmann, Überwachung der Geschäftsführung durch einen schuldrechtlichen GmbH-Beirat?, NZG 2015, 169; Ullrich, Beratungsverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern, GmbHR 2012, 1153; Ulmer, Begründung von Rechten Dritter in der Satzung einer GmbH, in: Festschrift für

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Aufsichtsrat

Winfried Werner, 1984, S. 911; van Venrooy, Haftung der Mitglieder eines fakultativen GmbH-Aufsichtsrats, GmbHR 2009, 449; Vetter, Anfechtung der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder, Bestandsschutzinteresse der AG und die Verantwortung der Verwaltung, ZIP 2012, 701; Vetter, Zur Haftung im fakultativen Aufsichtsrat der GmbH, GmbHR 2012, 181; Vetter, Corporate Governance in der GmbH – Aufgaben des Aufsichtsrats der GmbH, GmbHR 2011, 449; Wank, Der Kompetenzkonflikt zwischen Gesellschaftern und Aufsichtsrat in der mitbestimmten GmbH, GmbHR 1980, 121; Wank, Änderungen im Leiharbeitsrecht, RdA 2017, 100; Weber/Kiefner/Jobst, Die Nichtberücksichtigung ausländischer Arbeitnehmer bei der Berechnung der mitbestimmungsrechtlichen Schwellenwerte im Lichte von Art. 3 GG, AG 2018, 140, 150: keine Ungleichbehandlung; WeckerlingWilhelm/Mirtsching, Weisungsrechte in kommunalen Gesellschaften mit beschränkter Haftung, NZG 2011, 327; Weiß, Beratungsverträge mit Aufsichtsrats- und Beiratsmitgliedern in der Aktiengesellschaft und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, BB 2007, 1853; Weller, Haftung von GmbH-Aufsichtsratsmitgliedern für Zahlungen nach Insolvenzreife, GWR 2010, 541; v. Werder, Überwachungseffizienz und Unternehmensmitbestimmung, AG 2004, 166; Wernicke/Schneider, Neue arbeitsrechtliche Herausforderungen bei konzernangehörigen Unternehmen in der Insolvenz – von der Entkonzernierung zur Rekonzernierung?, BB 2018, 948; Wilhelm, Öffentlichkeit und Haftung bei Aufsichtsräten in einer kommunalen GmbH, DB 2009, 944; Wisskirchen/Bissels/Dannhorn, Vermeidung der unternehmerischen Mitbestimmung aus arbeitsrechtlicher Sicht, DB 2007, 2258; Zeidler, Ausgewählte Probleme des GmbH-Vertragskonzernrechts, NZG 1999, 692; Ziche/Herrman, Weisungsrechte gegenüber Aufsichtsratsmitgliedern in Satzungen kommunaler Eigengesellschaften in der Rechtsform der GmbH, DÖV 2014, 111; Zöllner, Gemeinsame Betriebsnutzung, in: Festschrift für Johannes Semler, 1993, S. 995. Übersicht I.

Übersicht: Fakultativer und zwingender Aufsichtsrat in der GmbH ...... 1 1. Fakultativer Aufsichtsrat ...................... 3 2. Zwingender GmbH-Aufsichtsrat ........ 7 3. Beratende Gremien (Beiräte) ............. 11 II. Reichweite der Unternehmensmitbestimmung .................................. 14 1. Gesetzliches Mitbestimmungsstatut ..... 14 a) Rechtsform: GmbH ..................... 15 b) Beschäftigtenzahl als Unternehmensgrößenmaßstab (500, 2.000) ............................................ 22 aa) Unternehmen ............................... 24 bb) Inland ............................................ 25 cc) „In der Regel“ ............................... 29 dd) Wer zählt? .................................... 33 c) Zurechnung der Belegschaften von Fremdarbeitgebern ............... 50 aa) Arbeitnehmer von Werkvertragsunternehmen und Industriedienstleistern ..................... 50 bb) Zeitarbeitnehmer ......................... 51 cc) Andere Formen der Personalgestellung ...................................... 55 dd) Konzernzurechnung .................... 57 ee) Zurechnung der KGArbeitnehmer auf die Komplementär-GmbH ........................ 63 ff) Gemeinschaftsbetrieb .................. 67 gg) Tariflicher Einheitsbetrieb .......... 69

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2. 3. III. 1. 2. 3. 4.

5. IV. 1. 2. V. 1. 2. 3. VI. 1.

d) Tendenzprivileg ............................ 71 Mitbestimmungsgestaltung ................ 86 a) Mitbestimmungsvermeidung ...... 86 b) Freiwillige Mitbestimmung ......... 92 Streitigkeiten ....................................... 97 Aufsichtsratsbesetzung .................... 103 Größe ................................................. 103 Besetzung ........................................... 106 Insbesondere Frauenquote ............... 111 Amtszeit ............................................. 114 a) Amtsbeginn: Bestellung/Entsendung oder Wahl ..... 114 b) Amtsende .................................... 118 c) Feststellung des Amtsverlustes ... 125 Publizität (Abs. 3 Satz 2) .................. 126 Rechtsstellung und Haftung des Aufsichtsratsmitglieds ..................... 130 Korporative Rechtsstellung und Vergütung .......................................... 130 Haftung .............................................. 133 Aufgaben ........................................... 143 Satzungsautonomie und fakultativer Aufsichtsrat ....................................... 143 Gesetzlicher Aufsichtsrat ................. 144 Beschlussfassung ............................... 150 Mitbestimmung und Gesellschafterversammlung ............................... 155 „Mitbestimmungsfreies“ Weisungsrecht gegenüber dem Geschäftsführer .................................................. 156

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§ 52

Aufsichtsrat 2.

Overruling bei Zustimmungsvorbehalten ........................................ VII. Aufsichtsrat in der Insolvenz ........ 1. Insolvenz der (mitbestimmten) GmbH ................................................ 2. Insolvenz im GmbH-Konzern .........

I.

159 160 160 166

a) Insolvenz des beherrschten Unternehmens ............................ 167 b) Insolvenz des herrschenden Unternehmens ............................ 168 c) Mitbestimmungsfolgen .............. 169

Übersicht: Fakultativer und zwingender Aufsichtsrat in der GmbH

Ob ein Unternehmensträger in der Rechtsform einer juristischen Person einen Aufsichtsrat braucht, das regelt zunächst das Gesetz mit zwingenden Vorgaben und sodann die Satzung1) der juristischen Person. Die GmbH hat nach ihrer gesellschaftsrechtlichen Verfassung keinen Aufsichtsrat, weil die Gesellschafterversammlung ein effektives Aufsichtsgremium ist und dem einzelnen Gesellschafter Informations- und Kontrollrechte zustehen (siehe § 51a Rn. 1 [Masuch]).

1

Ob eine GmbH einen Aufsichtsrat haben soll(te), ist eine Frage der Corporate Governance – also der guten Unternehmensführung. Diese ist für die GmbH unterentwickelt; die Aufmerksamkeit des DCGK gilt der börsennotierten AG.2) Vor allem bleiben die Gesellschafter der GmbH frei in der Selbsteinschätzung, welche Verfassung ihrem Unternehmen am besten dient. So ist ein Aufsichtsrat bei VentureCapital Investoren beliebt, weil Minderheitsgesellschafter mit ihm die Geschäftsführung stärker beeinflussen können. So können sie ihr Investment kontrollieren und durch fachlichen Einfluss sogar mehren.3) Während die AG typischerweise eine Publikumsgesellschaft mit ebenso typischen Governance-Vorgaben ist, ist die Typik der GmbH anders gestrickt: Von der Ein-Mann-GmbH über die Familiengesellschaft bis hin zur Publikums-GmbH & Co. KG4) zeigt sich ein variantenreiches Bild, weswegen der Gesetzgeber keinen Anlass hat, zum Schutz der Gesellschafter einen Aufsichtsrat vorzuschreiben.

2

1.

Fakultativer Aufsichtsrat

§ 52 eröffnet die Möglichkeit, die Organverfassung der GmbH in der Satzung um einen freiwilligen Aufsichtsrat zu erweitern. Weil ein solcher Aufsichtsrat notwendiger und zu beurkundender (§ 53 Abs. 2) Satzungsinhalt ist, kann er nicht durch Gesellschafterbeschluss geschaffen werden. Auch seine Abschaffung bedarf einer förmlichen Satzungsänderung; die bloße Nichtbesetzung ist rechtswidrig. Umstritten ist die Frage, ob die Satzung mit einer Öffnungsklausel die Gesellschafter ermächtigen kann, einen nach Größe, Besetzung und Kompetenzen vorstrukturierten5) Aufsichtsrat zu schaffen. Die Literatur will das aus Praktikabilitätsgründen möglich machen6) – das KG hält zu Recht dagegen: Mit der Entscheidung über das Ob des _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)

Der Begriff Satzung entstammt dem AktG. Das GmbHG spricht vom Gesellschaftsvertrag. Jedenfalls bei Kapitalgesellschaften sind damit keine Unterschiede verbunden, vgl. § 2 AktG. Dazu allg. Kort, GmbH und SE, AG 2008, 137; Vetter, GmbHR 2011, 449; Konnertz-Häußler, GmbHR 2012, 68. Strassner/Mayston/Rebholz, Der Aufsichtsrat 2017, 5, 6. Etwa Koeberle-Schmid, DB 2009, 1249. Priester, NZG 2016, 774, 775. Priester, NZG 2016, 774, 775; Otto, GmbHR 2016, 19, 20 ff; Rowedder/Schmidt-LeithoffSchnorbus, GmbHG, § 52 Rn. 8.

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3

§ 52

Aufsichtsrat

Aufsichtsrats wird die förmliche Satzungsänderung an die nichtförmlich handelnde Gesellschafterversammlung verwiesen und damit eine Verfassungsfrage der GmbH außerhalb der Satzung geregelt. Das lässt das Gesellschaftsrecht nicht zu (das Vereinsrecht ebenso wenig).7) 4

Die Rechtsstellung des fakultativen Aufsichtsrats bestimmt Abs. 1 durch einen expliziten Verweis auf das AktG. Dieser Verweis dient der Arbeitserleichterung – die aktienrechtlichen Regeln sind abdingbar. Dementsprechend kann der fakultative Aufsichtsrat auch für eine freiwillige Mitbestimmung der Arbeitnehmer genutzt werden (siehe Rn. 92 ff). Zwingend sind nur die Bekanntmachungspflichten nach Abs. 3 und die (Mindest-)Verjährungsfrist in Abs. 4 (str., siehe Rn. 141). Ansonsten kann die Haftung begrenzt werden (siehe Rn. 139). Unabhängig davon sind die aktienrechtlichen Bestimmungen über Abs. 1 nur entsprechend anwendbar. Damit können Strukturunterschiede zwischen GmbH und AG berücksichtigt werden.8)

5

Auch einem „Aufsichtsrat“ genannten Gremium kann die aktienrechtlich typische Überwachungs- und Kontrollfunktion nach Maßgabe der Satzung fehlen. § 52 definiert keinen „Mindestaufgabenbestand“ des fakultativen Aufsichtsrats9) und begründet keinen Organtypenzwang, sondern macht ein (harmloses) Regelungsangebot im Dienst der Satzungsfreiheit. Die Bezeichnung ist nicht geschützt; als „Aufsichtsrat“ kann auch ein Beirat ohne Aufsichtskompetenz agieren. Dass der „Rechtsverkehr“ eine typisierte Erwartungshaltung gegenüber einem GmbH-Aufsichtsrat habe,10) ist zunächst Behauptung. Hätte der Gesetzgeber eine Minimalkompetenz gewollt, hätte er das in Abs. 1 festgeschrieben.

6

Der Aufgabenbestand ist allerdings von Bedeutung für Haftung und Verantwortung des Aufsichtsrats: Nur Mitglieder eines Aufsichtsrats mit relevantem Funktionskern können sich organschaftlich schadensersatzpflichtig machen (Abs. 1 i. V. m. §§ 116, 93 AktG, siehe Rn. 133) und nur sie können Täter unternehmensbezogener Straftaten sein (von der Untreue des § 266 StGB bis zur Geschäftslagentäuschung des § 82 Abs. 2 Nr. 2, der Mitglieder eines Aufsichtsrats „oder ähnlichen Organs“ erfasst). Nur Mitglieder eines „echten“ Aufsichtsorgans mit entsprechenden Aufsichtsbefugnissen und -pflichten können den Compliancetatbestand des § 130 OWiG verwirklichen. Dementsprechend greift die (zwingende) Publizitätspflicht in Abs. 3 auch für Beiräte mit echter Aufsichtsfunktion – nicht aber für Titular-Aufsichtsräte mit bloßer Beratungsfunktion. Näheres zu den Kompetenzen des Aufsichtsrats im Verhältnis zur Geschäftsführung und zur Gesellschafterversammlung siehe Rn. 143.

_____________ 7) KG, NZG 2018, 660; zuvor KG, NZG 2016, 787. 8) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 52 Rn. 30. 9) So aber Scholz-Schneider, GmbHG, § 52 Rn. 52; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 52 Rn. 28; Vetter, GmbHR 2011, 449; Müller/Wolff, NZG 2003, 751, 752 ff. 10) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 52 Rn. 27; Vetter, GmbHR 2011, 449, 452 f.

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§ 52

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2.

Zwingender GmbH-Aufsichtsrat

Der zwingende GmbH-Aufsichtsrat ist außerhalb des GmbHG vorgeschrieben – zum Schutz von Drittinteressen. Zentral ist der im Arbeitnehmerinteresse vorgeschriebene Aufsichtsrat: Die gesetzliche Unternehmensmitbestimmung zwingt der GmbH einen Aufsichtsrat auf – weil die Arbeitnehmervertreter sonst kein Organ hätten, in dem sie mitbestimmen könnten: Praktisch wird für die GmbH das Mitbestimmungsgesetz (ab 2.000 Beschäftigte) und das Drittelbeteiligungsgesetz (ab 500 Mitarbeiter). Die Montanmitbestimmung (ab 1.000 Mitarbeiter nebst Branchenzuordnung zu Kohle- oder Eisenerzbergbau, Eisen- und Stahlerzeugung nebst Walzwerkserzeugnissen) spielt für die GmbH keine praktische Rolle mehr. Auch die Montanmitbestimmungsergänzung, die eine konzernbezogene Montanmitbestimmung schon bei einem Montanumsatz oder einer Montanbeschäftigtenzahl von nur 20 % im Konzern greifen lässt, wirkt sich auf die GmbH in der Praxis nicht aus, weil die Mitbestimmungsvermeidung (siehe Rn. 86) funktioniert.

7

Zweiter Fall eines Aufsichtsrats im Drittinteresse ist der Anlegerschutz des KAGB: Kapitalanlagegesellschaften im Sinne dieses Gesetzes verwalten Sondervermögen im Anlegerinteresse. Weil die Anleger nicht Gesellschafter sind, sollen sie im Aufsichtsrat der Kapitalanlagegesellschaft vertreten sein und die Geschäftsführung im Anlegerinteresse beaufsichtigen. Deshalb schreibt § 18 Abs. 2 Satz 1 KAGB vor, dass die Kapitalanlage-GmbH einen Aufsichtsrat haben muss, dessen Mitglieder nach § 18 Abs. 4 Satz 1 KAGB „die Wahrung der Interessen der Anleger gewährleisten“.11) In ihm muss mindestens ein unabhängiges Mitglied vertreten sein, § 18 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Satz 1 KAGB.

8

Wie verhalten sich Mitbestimmungsvorgaben zum KAGB? Der behauptete Vorrang von MitbestG und DrittelbG12) findet im Gesetz keine Stütze. Im Gegenteil: § 18 Abs. 5 KAGB nimmt Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat vom Sachkundegebot des § 18 Abs. 4 Satz 1 KAGB aus, die „nach den Vorschriften der Mitbestimmungsgesetze gewählt werden“. Gemeint sind das DrittelbG und das MitbestG. Teleologisch lässt sich weder sagen, dass Arbeitnehmervertreter Anlegerschutz gewährleisten13) noch, dass das unabhängige Mitglied die Mitbestimmung erodiert. Nur theoretisch ist denkbar, dass ein unabhängiger Anlegervertreter mit den Arbeitnehmern fraternisiert und dadurch entgegen dem MitbestG die strukturelle Mehrheit der Anteilseigner beseitigt. Deshalb sind beide Systeme durchaus kompatibel.

9

Wird die GmbH von einer solchen „Aufsichtsratspflicht“ erfasst, tritt die von Satzung und GmbHG konstituierte Verfassung zurück. Stattdessen greift in einem ersten Schritt die Überlagerung durch zwingend erstreckte Vorschriften des AktG.14) Dabei ist zu beachten, dass die Verweisung in § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG und § 6 Abs. 2 MitbestG weiter reicht als die des § 52 Abs. 1. In einem zweiten Schritt führt die Mitbestimmung zur Überlagerung der Gesellschaftsverfassung durch eine besondere Mitbestimmungsordnung.

10

_____________ 11) 12) 13) 14)

Dazu Moritz/Klebeck/Jesch-Schücking, KAGB, § 18 Rn 27 ff. Ulmer/Habersack/Löbbe-Heermann, GmbHG, § 52 Rn. 10. Klebeck/Kolbe, BB 2014, 707, 712. Henssler/Strohn-Henssler, GesR, § 52 GmbHG Rn. 26.

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Beratende Gremien (Beiräte)

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Daneben lässt es die Satzungsfreiheit zu, andere Organe zu schaffen, die zusätzlich zur Gesellschafterversammlung beratende und/oder Aufsichtsfunktion ausüben, und für diese Organe eigene Regeln festzulegen (Beirat, Verwaltungsrat, Gesellschafterausschuss usw.).15) § 52 gilt für solche Gremien nicht, weil die Satzung mit der Ablehnung der Bezeichnung „Aufsichtsrat“ deutlich macht, dass sie nicht auf das Regelungsangebot des Abs. 1 zugreifen will und dann die Stellung des Beirats oder Verwaltungsrats selbständig regeln muss.16)

12

Eine Satzungsregelung braucht es für solche Gremien nur, wenn sie irgendeine Organfunktion ausüben sollen. Beratende Beiräte ohne Zustimmungs- oder Vetorechte lassen sich außerhalb der Satzung schaffen, insbesondere durch schlichten Gesellschafterbeschluss.17) Beraten lassen darf sich auch der Geschäftsführer. Ein solcher Beirat (bzw. seine Mitglieder) ist Vertragspartner der GmbH und leistet ihr Beratungsdienste. Die Bezeichnung „schuldrechtlicher Beirat“18) irritiert. Es fehlt nicht an Versuchen, einem solchen Beirat nicht organschaftliche Entscheidungsbefugnisse zu verschaffen. So kann ein solches Gremium als externer Leistungsbestimmer – also „Dritter“ – nach § 317 Abs. 2 Halbs. 1 BGB in Vertragsbeziehungen der GmbH eingeschaltet werden. Dann regelt der Beirat Rechte und Pflichten der GmbH im Außenverhältnis zu Vertragspartnern, hat keine interne Organfunktion und kann von der GmbH und ihrem Vertragspartner jederzeit ausgeschaltet werden. Daneben können die einzelnen Gesellschafter sich von Stimmrechtsvertretern (vgl. § 47 Abs. 3) in der Gesellschafterversammlung vertreten lassen, soweit diese willensbildungsfähig sind (etwa durch einen Beirat als GbR). Nicht möglich ist es dagegen, mit Uffmann19) die Gesellschafterversammlung als Organ durch den Beirat vertreten zu lassen. Die Gesellschafterversammlung ist nicht rechtsfähig und handelt nur gesellschaftsintern als Organ. Träger des der Stellvertretung zugänglichen Stimmrechts sind allein die Gesellschafter. Immerhin können sich diese durch Stimmrechtspool einheitlich vertreten lassen.

13

Neben einem gesetzlichen Aufsichtsrat bleibt Raum für andere Organe, nur dürfen diese die vom Gesetz zwingend vorgegebenen Aufsichtsratskompetenzen nicht beeinträchtigen und damit dessen Kompetenz verwässern. Überwachung der Geschäftsführung oder gar Eingriffsbefugnisse in dieselbe darf es nicht geben. Das Gegenargument, die Gesellschafterversammlung könne den Aufsichtsrat ohne Weiteres überstimmen (siehe Rn. 144 ff), weswegen auch ein Gesellschafterausschuss hierzu in der Lage sein könne,20) trifft nicht: Schreibt der Gesetzgeber einen Aufsichtsrat mit _____________ 15) Ebenso Ulmer/Habersack/Löbbe-Heermann, GmbHG, § 52 Rn. 308, 326; Henssler/ Strohn-Henssler, GesR, § 52 GmbHG Rn. 41; a. A. Reuter in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz (1992), S. 631, 632 ff: als drittes Organ sei nur der Aufsichtsrat i. S. d. § 52 GmbHG zulässig. 16) A. A. Scholz-Schneider, GmbHG, § 52 Rn. 59, der danach fragt, ob dem Gremium ein Mindestmaß an aufsichtsratstypischen Aufgaben zugewiesen ist; ebenso Strassner/Mayston/ Rebholz, Der Aufsichtsrat 2017, 5 f. 17) Dazu Uffmann, NZG 2015, 169. 18) Scholz-Schneider, GmbHG, § 52 Rn. 49. 19) Uffmann, NZG 2015, 169, 173 f. 20) Scholz-Schneider, GmbHG, § 52 Rn. 62.

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bestimmter Besetzung vor, so kann die Satzungsautonomie diese Vorgabe nicht durch ein Gegenorgan unterlaufen. Dass die Gesellschafterversammlung den Aufsichtsrat überstimmen kann (Ober sticht Unter), ist kein Gegenargument – sie muss dies selbst und mit der vorgeschriebenen Mehrheit tun. Deshalb ist es auch unzulässig, einem gesetzlichen Aufsichtsrat durch Satzung zusätzliche beratende Mitglieder hinzuzufügen.21) II. Reichweite der Unternehmensmitbestimmung 1.

Gesetzliches Mitbestimmungsstatut

Zweck der Unternehmensmitbestimmung ist die Beteiligung der Arbeitnehmer an den wirtschaftlichen Entscheidungen im Unternehmen, weil diese mittelbare Auswirkungen auf die Belegschaft haben: „Teilhabeprinzip“ wie in der Betriebsverfassung. Faktisch dient die Mitbestimmung der Verstärkung der Organisations- und Verhandlungsmacht der Gewerkschaften und Betriebsräte – indes ist dies rechtlich unbeachtlich. Seitdem das BVerfG die Unternehmensmitbestimmung nach dem MitbestG für „eben noch“ verfassungsmäßig erachtet hat,22) ist die Diskussion verstummt. Reformbestrebungen kommen nur über Europa und die SE (siehe Rn. 28, 94) zu uns; der Juristentag kann nicht einmal über einen vorsichtigen Reformvorschlag abstimmen.23) Unternehmer, die ihre Unternehmerfreiheit vor einem „empfundenen Zuviel“ an Mitbestimmung bewahren wollen, fliehen vor dieser (siehe Rn. 86 ff), statt um Rechtsschutz nachzusuchen.

14

a) Rechtsform: GmbH Die beiden bedeutsamen Unternehmensmitbestimmungsordnungen – Drittelbeteiligung und Beinahe-Parität – erfassen die GmbH als Rechtsform ab einer bestimmten Beschäftigtenzahl. Die Vor-GmbH ist keine GmbH und somit auch dann nicht mitbestimmt, wenn sie (im Zuge einer Sachgründung) mehr als 500 oder 2.000 Beschäftigte hat.24) Erst mit der Registereintragung entsteht die GmbH als juristische Person und kann die Mitbestimmung im Aufsichtsrat einsetzen. § 31 AktG ist nicht analogiefähig.

15

Auf der anderen Seite bleibt die GmbH in Liquidation bis zur Löschung mitbestimmt. Zur insolventen GmbH siehe Rn. 161 ff.

16

Die Unternehmergesellschaft des § 5a wird nur selten mehr als 500 oder gar 2.000 Beschäftigte haben. Sie ist GmbH (§ 5a Abs. 1: „eine Gesellschaft“) und wird deswegen von den Mitbestimmungsgesetzen auch ohne eigenständige Nennung erfasst.25)

17

Die GmbH & Co. KG ist als Kommanditgesellschaft Personengesellschaft und „an sich“ mitbestimmungsfrei. Weil der persönlich haftende Gesellschafter keine natürliche Person ist, ist sie der juristischen Person angenähert. Die Unternehmensmitbe-

18

_____________ 21) 22) 23) 24)

BGH, NZG 2012, 347. BVerfG, BVerfGE 50, 290. Noske, ZRP 2006, 232, 233. BayObLG, NZG 2000, 932; BAG, NZA 2008, 1025; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 52 Rn. 17. 25) Dazu Forst, GmbHR 2009, 1131.

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stimmung zieht daraus einen seltsam zweigeteilten Schluss: Das DrittelbG belässt es bei der Mitbestimmungsfreiheit, wohingegen das MitbestG mit § 4 (ähnlich wie bei der Konzernmitbestimmung, siehe Rn. 57 ff) der Komplementär-GmbH die Arbeitnehmer der KG unter bestimmten Voraussetzungen (mehrheitliche Gesellschafteridentität)26) zuordnet, so dass bei dieser ein Aufsichtsrat nach dem MitbestG zu bilden ist, wenn die GmbH auf diese Weise mehr als 2.000 Beschäftigte hat. Über den Aufsichtsrat der GmbH und deren nach § 4 Abs. 2 MitbestG gesicherten Geschäftsführung in der KG wird in diesem Fall mittelbar die Kommanditgesellschaft mitbestimmt. 19

Allerdings erklärt § 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 MitbestG („sofern nicht“) die Drittelbeteiligung für vorrangig: Hat die Komplementär-GmbH einen eigenen Geschäftsbetrieb mit mehr als 500 Arbeitnehmern, scheidet die Zurechnung nach § 4 Abs. 1 MitbestG aus (möglich bleibt die Konzernzurechnung nach § 5 MitbestG, siehe Rn. 57 ff).

20

Die GmbH & Co KGaA ist in § 4 MitBestG nicht genannt – weswegen die Arbeitnehmerzurechnung ausscheidet. Sie bleibt deshalb vom MitbestG verschont, wenn sie weniger als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt. Auch der Zurechnungstatbestand des § 5 lässt sich nicht „irgendwie“ nutzbar machen. Das Gesetz ist formal und eindeutig und kann nicht durch Richterbelieben modifiziert werden.27)

21

Entsteht die GmbH durch Formwechsel aus einer anderen juristischen Person deutschen Rechts, ändert sich an der Unternehmensmitbestimmung nichts; der Aufsichtsrat bleibt regelmäßig im Amt, § 203 UmwG.28) Allerdings kann die Umwandlung einer „alten kleinen Aktiengesellschaft“ mit bis zu 500 Beschäftigten – die nach einer skurrilen Besitzstandsregelung noch der Mitbestimmung unterfällt (wenn sie keine Familiengesellschaft und vor dem 10.8.1994 eingetragen worden ist, § 1 Abs. 1 Nr. 1 DrittelbG) – in eine GmbH zur Mitbestimmungsfreiheit führen. Diese muss im Statusverfahren festgestellt werden (siehe Rn. 97 ff). b) Beschäftigtenzahl als Unternehmensgrößenmaßstab (500, 2.000)

22

Die Mitbestimmung knüpft an die durch die Belegschaftsgröße definierte Unternehmensgröße an – weil Unternehmen ab dieser Größe eine gewisse Belastbarkeit unterstellt wird. Ab 500 Arbeitnehmern greift die Drittelbeteiligung, ab 2.000 die Beinahe-Parität. Weil die Größenvorschriften bei „mehr als“ ansetzen, kommt es auf den 501. oder 2.001. Arbeitnehmer an. Anders als nach § 1 PublG oder § 267 HGB sind Bilanzsumme und Umsatzerlös unmaßgeblich. Dieses alleinige Abstellen auf die Beschäftigtenzahl ist für das Arbeitsrecht typisch.29) Wenn sich die GmbH durch eine Abspaltung oder Ausgliederung nach dem UmwG verkleinert, sorgt die Mitbestimmungsbeibehaltung nach § 325 Abs. 1 UmwG dafür, dass die GmbH fünf Jahre lang mitbestimmt bleibt, wenn nicht die Arbeitnehmerzahl auf weniger als ein Viertel des Schwellenwertes (also 125 bzw. 500 Arbeitnehmer) ab_____________ 26) Dazu Habersack/Henssler-Habersack, MitbestR, § 4 MitbestG Rn. 12 ff. 27) OLG Celle, GmbHR 2015, 317. 28) Dazu Gach in: MünchKomm-AktG, § 1 MitbestG Rn. 11; Hirte/Mülbert/Roth-Oetker, Großkomm-AktG, § 1 MitbestG Rn. 10. 29) Junker, NZA 2003, 1057.

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sinkt. Die Norm gilt explizit nicht für die Aufspaltung, und zwar auch dann nicht, wenn diese nur zur Mitbestimmungsvermeidung genutzt wird. Und sie gilt nur für den übertragenden Rechtsträger, nie für den aufnehmenden. Dementsprechend konzentriert sich die Rechtsanwendung zunächst auf die Kernfrage: Wer zählt und wo wird gezählt?

23

aa) Unternehmen Letzteres ist nur scheinbar leicht zu beantworten: Es kommt auf die Arbeitnehmer im Unternehmen an (vgl. § 7 MitbestG), also diejenigen, die einen Arbeitsvertrag mit der GmbH als Vertragspartner haben. Soweit Mitbestimmungsregeln auf „Betriebe“ abstellen, ist das (nur) für das Wahlverfahren von Bedeutung. Allerdings gibt es zwei Ausnahmen, die zur Zurechnung „fremder“ Arbeitnehmer eines anderen Unternehmens führen können. Neben der gesetzlichen Konzernzurechnung (siehe Rn. 57 ff) wird der Gemeinschaftsbetrieb als Zurechnungsgrund diskutiert (siehe Rn. 67 f).

24

bb) Inland Ausgeblendet sind nach herrschender Auffassung Beschäftigte im Ausland; es zählen nur die inländischen Mitarbeiter – also jene, deren Arbeitsverhältnis einem inländischen Betrieb als Arbeitsplatz (im Außendienst: Einsatzzentrale) zuzuordnen sind. Auf das Arbeitsvertragsstatut oder gar die Staatsangehörigkeit der Mitarbeiter kommt es nicht an. Die deutsche Mitbestimmung ist insgesamt von einem strengen Territorialitätsprinzip gekennzeichnet: Mitarbeiter der deutschen GmbH in einer unselbständigen ausländischen Niederlassung werden nicht erfasst und nicht gezählt.30) Mitarbeiter in einer ausländischen Tochtergesellschaft werden von der Konzernzurechnung (siehe Rn. 62 ff) nicht erfasst. Hingegen zählen Arbeitnehmer deutscher Enkelgesellschaften ausländischer Töchter bei den Schwellenwertberechnungen mit.31) Zur diskriminierungsfreien Handhabung sollen Arbeitnehmer rechtlich unselbständiger Niederlassungen von Auslandstöchtern im Inland einzubeziehen sein.32)

25

Grund für die territoriale Beschränkung ist vor allem, dass die Mitbestimmungsordnung andernfalls eine Wahl auch im Ausland veranstalten müsste. Überwunden wird die enge Territorialität bislang nur durch die Europäische Mitbestimmung in der SE und der Europäischen Genossenschaft (und betriebsverfassungsrechtlich über den Europäischen Betriebsrat). Die GmbH als deutsche Rechtsperson kann sich dem Europäischen Mitbestimmungsmodell mit seiner Verhandlungslösung nur im Fall der grenzüberschreitenden Verschmelzung (§§ 122a ff. UmwG) nach Verschmelzungsrichtlinie und MgVG unterwerfen.33)

26

_____________ 30) LG Düsseldorf, DB 1979, 1451 für den Aufsichtsrat einer in Deutschland gelegenen Konzernobergesellschaft eines internationalen Konzerns; Habersack/Henssler-Henssler, MitbestR, § 3 MitbestG Rn. 40 m. w. N; a. A. wohl OLG Zweibrücken, NZG 2014, 740, mit krit. Anm. Fischer, NZG 2014, 737. 31) Habersack/Henssler-Habersack, MitbestR, § 5 MitbestG Rn. 55 m. w. N.; ebenda – Henssler, § 3 MitbestG Rn. 45 m. w. N. 32) Henssler, RdA 2005, 330, 331; Hirte/Mülbert/Roth-Oetker, Großkomm-AktG, § 5 MitbestG Rn. 33; a. A. Bayer, ZGR 1977, 173, 178; Lutter, ZGR 1977, 195, 208. 33) Dazu Morgenroth/Salzmann, NZA-RR 2013, 449.

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Unionsrechtlich ist die Territorialität der deutschen Mitbestimmung angreifbar, weil sie in multinationalen Unternehmen eine Zwei-Klassen-Belegschaft schafft, in der die von inländischen Belegschaften gewählten Arbeitnehmervertreter über das Schicksal der ausländischen mitbestimmen.34) Doch hat der EuGH in der Entscheidung Erzberger die Diskussion auf Vorlage des KG apodiktisch abgebrochen: Art. 18 AUEV sei von Art. 45 Abs. 2 AEUV verdrängt, letzterer nicht anwendbar, weil die Auslandsbelegschaften nie von ihrer Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben oder Gebrauch machen wollten.35) Zur Zählung der Auslandsbelegschaften für die Schwellenwerte äußerte sich der EuGH nicht. Die deutschen Gerichte ziehen durchweg den konsequenten Schluss: Wer nicht wählt, der nicht zählt.36) Nun wird die Zählweise deutschrechtlich mit Art. 3 Abs. 1 GG angegriffen, weil sie Unternehmen begünstigt, die einen nennenswerten Anteil ihrer Belegschaft im Ausland haben.37) Die Rechtsprechung folgt dem nicht38) und verweigert die Vorlage ans BVerfG. Auch das ist konsequent, weil das BVerfG Gleichheitsangriffen gegen Mitbestimmungsregeln schon für die extrem verzerrenden Besitzstandswahrungsregeln zurückgewiesen hat.39) cc) „In der Regel“

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Mit „in der Regel“ weisen § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG und § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG wie die Größenvorschriften der Betriebsverfassung (§§ 1, 9, 38 BetrVG) darauf hin, dass es nicht auf die zufällige „Augenblicksanzahl“ der Arbeitskräfte in einer schwankenden Belegschaft ankommen darf, dass vielmehr die im Unternehmen „normalerweise“ vorhandene Belegschaft den Ausschlag gibt – unter Herausrechnung „kurzfristiger“ Schwankungen.40) Deswegen sollen Aushilfskräfte unberücksichtigt bleiben, die nur eine Bedarfsspitze abdecken. Dieser Normalstand der Beschäftigung ist nicht etwa die Beschäftigtenzahl im Jahresdurchschnitt, wie dies HGB und PublG mit einfachem Berechnungsmodus vorgeben.41) So sollen Kampagneunternehmen, deren Betriebe über längere Zeit stillstehen, mit ihrer Kampagnenbelegschaft voll gerechnet werden.42) Die Aufstockungsbelegschaft von Saisonunternehmen, deren _____________ 34) Latzel, Gleichheit in der Unternehmensmitbestimmung, Rn. 330 ff. 35) EuGH, NJW 2017, 2603 Rn. 25 ff, 34; dazu statt vieler Ott/Goette NZG 2018, 281. 36) KG Berlin, NZG 2018, 458; OLG Frankfurt, Beschl. v. 25.5.2018 – 21 W 32/18, juris (Deutsche Börse); LG Hamburg, NZG 2018, 466; LG Dortmund, Beschl. v. 22.2.2018 – 18 O 72/17, juris; OLG München, AG 2018, 375; LG Stuttgart, AG 2018, 287; LG München, Beschl. v. 23.3.2018 – 38 O 14696/17, juris. 37) Behme, AG 2018, 1, 13; a. A. Weber/Kiefner/Jobst, AG 2018, 140, 150; grundlegend Latzel, Gleichheit in der Unternehmensmitbestimmung (2010), Rn. 330 ff. 38) OLG Frankfurt, Beschl. v. 25.5.2018 – 21 W 32/18, juris; LG Hamburg, NZG 2018, 466; LG Dortmund, Beschl. v. 22.2.2018 – 18 O 72/17, juris; LG Stuttgart, AG 2018, 287; im Grundsatz schon BVerfG, BVerfGE 50, 190, 380. 39) BVerfG, BVerfGE 99, 367 für den Branchenbezug der besitzstandswahrenden MontanMitbestimmungsergänzung; 9.1.2014 – 1 BvR 2344/11 – AG 2014, 279 für den Drittelbeteiligungserhalt in alten Aktengesellschaften. 40) OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.6.1985 – 20 W 281/84, juris: Kein Herausfallen aus der Parität bei vorübergehendem Absinken der Arbeitnehmerzahl unter 2000. 41) In diese Richtung aber Habersack/Henssler-Henssler, MitbestR, § 3 MitbestG Rn. 63. 42) Fitting, BetrVG, § 1 Rn. 274; Raiser/Veil/Jacobs, MitbestG/DrittelbG, § 1 Rn. 20; Wlotzke/ Wißmann/Koberski/Kleinsorge, MitbestR, 4. Aufl. 2011, § 1 Rn. 35.

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Betriebe zwar das ganze Jahr laufen, aber für bestimmte Zeit erhöhten Arbeitskräftebedarf haben, zählen hingegen grundsätzlich nicht, es sei denn, die Saison dauert den größeren Teil des Jahres.43) Andererseits soll das Abstellen auf eine Normalbelegschaft einen „Referenzzeitraum“ implizieren – entweder von 18 – 24 Monate44) oder von 6 – 12 Monate45) – für ihn fehlt freilich die gesetzliche Grundlage. Manche Stimmen wollen sich an der Personalplanung orientieren,46) insbesondere künftige Personalentwicklungen einbeziehen. Das geht zuerst daran vorbei, dass nicht jede Planung vollzogen wird. Nach dem Gesetzeswortlaut kommt es auf die Arbeitnehmerzahl in der Gegenwart des Unternehmens an – und nicht auf die vorhergesagte Zukunft. Ein Personalabbau oder -aufbau ist also erst zu berücksichtigen, sobald er vollzogen ist und nicht sobald er verbindlich (?) geplant ist.47)

30

Es bleibt also nur, den aktuellen Personalstand als Ausgangspunkt zu nehmen und sodann korrigierend punktuelle Zufallseinflüsse herauszurechnen, so etwa Aushilfskräfte für eine punktuelle Auftragsspitze zu streichen (wohingegen Springer voll zählen, weil sie planmäßig dauerhaft eingesetzt werden) und umgekehrt zufallsbedingte überproportionale Abgänge aus zur Wiederbesetzung vorgesehenen Stellen zu ignorieren (wohingegen der übliche Fluktuationsleerstand durchaus die Beschäftigtenzahl mindert).

31

Die Arbeitsgerichte sind (in der Betriebsverfassung) weithin großzügig mit diesem Einfallstor der Unschärfe und gestatten insbesondere dem Wahlvorstand einen entsprechenden Beurteilungsspielraum. In der Unternehmensmitbestimmung entscheiden die ordentlichen Gerichte im Statusverfahren (siehe Rn. 97 ff); ihnen fehlt vielfach der sozialpolitische Gestaltungswille. Für einen Beurteilungsspielraum des Wahlvorstandes fehlt von vornherein jeder rechtliche Ansatzpunkt – wegen der Sperrwirkung des Statusverfahrens.

32

dd) Wer zählt? Ebenso diffizil ist die Frage zu beantworten, welche Mitarbeiter konkret zählen: § 3 MitbestG und § 3 DrittelbG verweisen zunächst auf § 5 Abs. 1 BetrVG mit seinem betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff, der mit „Arbeiter und Angestellte“ doch nur (inhaltsleer) auf den allgemeinen Arbeitnehmerbegriff zurückgreift. Leitbild ist also der „normale Vertragsarbeitnehmer“ nach dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff, der auf die persönliche Abhängigkeit des durch den privatrechtlichen Dienstvertrag Verpflichteten abstellt, § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB. Entscheidend kommt es auf die personen- und nicht leistungsbezogene Weisungs_____________ 43) Fitting, BetrVG, § 1 Rn. 274; Raiser/Veil/Jacobs, MitbestG/DrittelbG, § 1 Rn. 20; Wlotzke/ Wißmann/Koberski/Kleinsorge, MitbestR, 4. Aufl. 2011, § 1 Rn. 35. 44) Raiser/Veil/Jacobs, MitbestG/DrittelbG, § 1 Rn. 20; Habersack/Henssler-Henssler, MitbestR, § 3 MitbestG Rn. 62; Manthey/Hinrichs/Hörtz, NZG 2013, 1370, 1373. 45) Vgl. BAG, NZA 2008 1142: „‚In der Regel‘ beschäftigt i. S. v. § 9 BetrVG sind die Arbeitnehmer, die normalerweise während des größten Teils des Jahres in dem Betrieb beschäftigt werden“ – keine Zählung von Tagesaushilfen! 46) Gach in: MünchKomm-AktG, § 1 MitbestG Rn. 18; Habersack/Henssler-Henssler, MitbestR, § 3 MitbestG Rn. 62; OLG Düsseldorf, AG 1995, 328: Prognose für die nächsten 17 bis 20 Monate. 47) So aber BAG, NZA 2003, 1345 für die Betriebsratsgröße nach § 9 BetrVG.

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gebundenheit und die organisatorische Eingliederung an.48) Die Wendung „unabhängig davon, ob sie im Betrieb, im Außendienst oder mit Telearbeit beschäftigt werden“ in § 5 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist deklaratorisch. Neben dem Arbeitsvertrag setzt die Betriebsverfassung für die Betriebszugehörigkeit die arbeitsorganisatorische Eingliederung in den Betrieb voraus – also die Aufnahme der Beschäftigung. Das gilt auch für die Unternehmensmitbestimmung.49) 34



Keine Arbeitnehmer sind also freie Mitarbeiter, Heimarbeiter und andere arbeitnehmerähnliche Personen, die zwar einen Dienstvertrag zum Unternehmen aufweisen, aber nicht persönlich abhängig sind, weswegen ihr Dienstverhältnis nicht als Arbeitsverhältnis gewertet wird. Allerdings bezieht § 5 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die Heimarbeiter, die in der Hauptsache für eben diesen Betrieb arbeiten, kraft Fiktion mit ein – nicht aber die (vergleichbaren) selbständigen Ein-FirmenVertreter des § 92a HGB oder die freien Mitarbeiter des § 12a TVG. Durch die Verweisung in § 3 MitbestG/DrittelbG gilt das auch für die Unternehmensmitbestimmung.

35



Organmitglieder sind mitbestimmungsrechtlich keine Arbeitnehmer, wie § 5 Abs. 2 BetrVG klarstellt. Das ist von eigenständiger mitbestimmungsrechtlicher Bedeutung, wenn der GmbH-Geschäftsführer individualarbeitsrechtlich ausnahmsweise als Arbeitnehmer gesehen wird; mitbestimmungsrechtlich bleibt er dem Arbeitgeber zugeordnet.50) Wird ein Arbeitnehmer konzernintern auf eine Organstellung abgeordnet (Geschäftsführer einer Konzern-GmbH), beseitigt das nicht den Arbeitnehmerstatus beim verleihenden Konzernunternehmen.51)

36



Leitende Angestellte i. S. v. § 5 Abs. 3 BetrVG sind Arbeitnehmer und zählen voll, obschon sie dem Arbeitgeber nahe stehen; im MitbestG werden sie besonders ausgewiesen, weil sie dort ihren eigenen Vertreter in den Aufsichtsrat wählen.

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Teilzeitarbeitnehmer zählen in der Mitbestimmung voll. Hier fehlt (wie im BetrVG) eine Regelung über die nur anteilige Zählung von Teilzeitern nach dem Vorbild von § 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG. Dementsprechend zählt auch ein geringfügig mit wenigen Wochenstunden Beschäftigter voll.

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Auszubildende zählen als Arbeitnehmer, wenn sie an einer betrieblichen Berufsausbildung teilnehmen und „hierzu“ beschäftigt werden, § 5 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Azubis, deren Ausbildung (außerbetrieblich) in einem Berufsbildungswerk stattfindet, sind mitbestimmungsrechtlich keine Arbeitnehmer – weil sie nicht „innerbetrieblich“ zur Ausbildung beschäftigt und in die Arbeitsorganisation des Betriebes eingegliedert sind.52) Bestätigt wird das durch § 51 BBiG, der für „außerbetriebliche Auszubildende“ besondere Interessenvertretungen vorsieht.53) Das wiederum bedeutet: Steht der Auszubildende in einer Vertrags-

_____________ 48) Statt aller Richardi-Richardi, BetrVG, § 5 Rn. 14 ff m. w. N. 49) Habersack/Henssler-Henssler, MitbestR, § 3 MitbestG Rn. 2; Wißmann/Kleinsorge/Schubert, MitbestR, § 3 Rn. 4 f. 50) Vgl. BAG, NZG 2018, 550. 51) BAG, NZA 2005, 1006. 52) BAG, NZA 1997, 326; BAG, Beschl. v. 16.11.2011 – 7 ABR 48/10, juris. 53) BAG, NZA-RR 2008, 19.

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beziehung zu einem Berufsbildungswerk und wird er zum Praktikum an Unternehmen abgeordnet, ist er kein Arbeitnehmer des Unternehmens. –

Minderjährige sind nicht wahlberechtigt (§§ 10 Abs. 2, 18 MitbestG, § 5 Abs. 2 DrittelbG), zählen aber voll. Für die Belegschaftsgröße kommt es hier (anders als im BetrVG) nicht auf die Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer, sondern nur auf die schlichte Arbeitnehmerzahl an.

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Volontäre und Praktikanten stehen nach § 26 BBiG den Auszubildenden gleich, wenn sie vom Unternehmen eingestellt werden, um berufliche Fertigkeiten oder Erfahrungen zu erwerben. Sie zählen hingegen nicht, wenn sie kein Rechtsverhältnis zum Unternehmen haben, etwa von ihrer Schule für ein Wochenpraktikum entsandt werden.

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Werkstudenten und Doktoranden sind normale Arbeitnehmer, wenn sie (in Teilzeit) normal arbeiten und dadurch ihr (Promotions-)Studium finanzieren. Werkstudenten und Doktoranden aber auch Berufsakademie-Studenten sind hingegen keine Arbeitnehmer, wenn und soweit ihre betriebliche Tätigkeit auf der Zugehörigkeit zur Universität oder Berufsakademie fußt und kein gesondertes privatrechtliches Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis begründet worden ist (vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 1 BBiG). Das ist der Fall, wenn sie nicht regulär im Betrieb mitarbeiten, sondern für ihre Ausbildung oder Abschlussarbeit aufgrund einer Kooperation von Unternehmen und Universität „öffentlich-rechtlich“ in der Arbeitsorganisation des Betriebes mitwirken (vgl. § 65b Abs. 2 LandeshochschulG Baden-Württemberg, Art. 56 Abs. 5 BayHochschulG).54)

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Bezieher von Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach dem SGB II zählen nur, wenn sie Arbeitnehmer sind – und nach § 16e SGB II durch Zuschüsse zum Arbeitsverhältnis gefördert werden.55) Die Arbeitsgelegenheit nach § 16d SGB II gegen Mehraufwandsentschädigung (Ein-Euro-Job) hingegen ist kein Arbeitsverhältnis, sondern öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis.56)

42



Betriebsrentner sind keine Arbeitnehmer mehr, auch wenn sie noch ein Versorgungsverhältnis zum Arbeitgeber haben.

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Arbeitnehmer in der Freistellungsphase der „verblockten“ Altersteilzeit beziehen zwar noch Arbeitsentgelt aus dem Arbeitszeitkonto, doch sind sie aus dem Betrieb endgültig ausgeschieden und kehren nicht zurück. Sie zählen nicht57) – weil sie der Arbeitsorganisation nicht mehr angehören; sie haben zwar noch ein „leerlaufendes“ Arbeitsverhältnis, sind aber ausgegliedert.

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Arbeitnehmer in ruhenden Arbeitsverhältnissen, in denen die Arbeitspflicht suspendiert ist (Mutterschutz, Elternzeit,58) Pflegezeit, Wehrdienst, Langzeit_____________

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54) 55) 56) 57)

Dazu BAG, NZA 2009, 435 und BSG, NZA 2010, 692. Eicher/Luik/Stölting, SGB II, § 16e Rn. 13. BAG, NZA 2007, 644. BAG, NZA 2003, 1345; ausdrücklich für die Unternehmensmitbestimmung LAG Hessen, Beschl. v. 29.7.2010 – 9 TaBV 4/10, juris; so schon Rieble/Gutzeit, BB 1998, 638, 640 f; für die Unternehmensmitbestimmung Habersack/Henssler-Henssler, MitbestR, § 3 MitbestG Rn. 28; Lambrich/Reinhard, NJW 2014, 2229, 2232. 58) BAG, NZA 2005, 1002.

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erkrankte, Arbeitnehmer im Sabbatical), bleiben Arbeitnehmer und zählen wie in der Betriebsverfassung grundsätzlich weiter.59) Das gilt auch, wenn der Elternzeiter von der Möglichkeit Gebrauch macht, bei einem anderen Arbeitgeber zu arbeiten. Bestätigt wird das durch die Sondervorschrift des § 21 Abs. 7 BEEG, nach der Elternzeiter dann nicht mitzählen, wenn für sie (eigens) ein Vertreter beschäftigt ist (und dieser zählt). Die Norm ist verallgemeinerungsfähig: Der verhinderte Arbeitnehmer und die Vertretungskraft können nicht beide zählen, weil es um denselben Arbeitsplatz geht.60) Letztlich folgt das auch aus der Anknüpfung an die „in der Regel“ Beschäftigten61) (siehe Rn. 29). 46



Das gilt auch im Fall der Auslandsentsendung, wenn der ins Ausland entsandte Mitarbeiter neben seinem Einsatzarbeitsverhältnis über ein ruhendes deutsches Arbeitsverhältnis verfügt, das seine Rückkehr erwarten lässt. Wurde das deutsche Arbeitsverhältnis hingegen aufgelöst und mit einem Wiedereinstellungsanspruch versehen, fehlt ein Arbeitsverhältnis; der Arbeitnehmer zählt nicht. Von vornherein unproblematisch ist der begrenzte Auslandseinsatz (Montage, Dienstreise), der die Anknüpfung an den inländischen Betrieb und die Eingliederung in dessen Arbeitsorganisation nicht aufhebt („Ausstrahlung“). Umgekehrt werden Mitarbeiter von ausländischen Unternehmen durch eine begrenzte Entsendung nach Deutschland nicht Teil der Inlandsbelegschaft.62)

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Vertragsmängel sind nach der Figur des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses unbeachtlich, solange eine natürliche Willenseinigung erfolgt ist, das Arbeitsverhältnis in Vollzug gesetzt worden ist und keine öffentlichen Interessen dagegen stehen (etwa: Anstellung eines Nichtapprobierten als Arzt).

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Ist der Arbeitsvertrag beendet, zählt der Arbeitnehmer, solange er noch beschäftigt ist. Ist der Arbeitnehmer zum Ende seines Arbeitsverhältnisses unwiderruflich freigestellt, so ist damit – wie bei den Altersteilzeitern in der Freistellungsphase – die Ausgliederung vollzogen: Der Arbeitnehmer kehrt nicht zurück. Wird die Stelle nicht alsbald wiederbesetzt („in der Regel“), ist der Arbeitsplatz endgültig entfallen.

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Ist das Ende des Arbeitsverhältnisses zweifelhaft – also bei Arbeitnehmern in der Kündigungsschutzklage oder Befristungskontrollklage oder nach angefochtenem Aufhebungsvertrag – kommt es zunächst darauf an, ob der Arbeitgeber sich zur Weiterbeschäftigung in dieser Ungewissheitsphase bereitfindet. Eine solche freiwillige Weiterbeschäftigung ist ihrerseits Arbeitsverhältnis. Dasselbe muss für den kollektiven Weiterbeschäftigungsanspruch des § 102 Abs. 5 BetrVG gelten – weil der Widerspruch des Betriebsrats gerade verhindern soll, dass die

_____________ 59) So wohl auch Heidel-Wichert, § 3 MitbestG Rn. 5; offengelassen bei Habersack/HensslerHenssler, MitbestR, § 3 MitbestG Rn. 29 ff; a. A. Hirte/Mülbert/Roth-Oetker, GroßkommAktG, § 1 MitbestG Rn. 23; Gach in: MünchKomm-AktG, § 1 MitbestG Rn. 19; Lambrich/ Reinhard, NJW 2014, 2229, 2232. 60) Rieble/Gutzeit, BB 1998, 638, 643; Heidel-Wichert, AktR, § 3 MitbestG Rn. 5; für Wehrund Zivildienstleistende auch Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, MitbestR, 4. Aufl. 2011, § 1 Rn. 35. 61) Wißmann/Kleinsorge/Schubert, MitbestR, § 1 Rn. 37. 62) Gach in: MünchKomm-AktG, § 3 MitbestG Rn. 19.

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Kündigung vollzogen und der Arbeitnehmer aus der Belegschaft entfernt wird.63) Im Übrigen verliert der Arbeitnehmer das aktive Wahlrecht – wohingegen das passive als „Eventualwählbarkeit“ erhalten werden soll – vor allem um die gezielte Wählbarkeitsbeeinflussung durch den Arbeitgeber zu vermeiden.64) Für die Belegschaftszählung wird die Frage durch das „in der Regel“ (siehe Rn. 29 ff) abgeschwächt: Sollen die Arbeitsplätze wiederbesetzt werden, ändert sich die Unternehmensgröße trotz der Beendigung einzelner Arbeitsplätze grundsätzlich nicht. Streitentscheidend wird die Frage indes, wenn der Arbeitgeber mit Kündigung, Nichtverlängerung oder Aufhebungsvertrag Arbeitsplätze abbauen will und damit einen mitbestimmungsrelevanten Schwellenwert unterschreitet. Lässt man schon einen geplanten Stellenabbau genügen (siehe Rn. 29), kommt es auf den Vollzug der Kündigung nicht an. Stellt man wie hier auf den Vollzug ab, ist maßgeblicher Zeitpunkt die plangemäße Beendigung der Arbeitsverhältnisse. Auf die Wirksamkeitsbeurteilung in nachfolgenden Arbeitsgerichtsverfahren kann es nicht ankommen. c) Zurechnung der Belegschaften von Fremdarbeitgebern aa) Arbeitnehmer von Werkvertragsunternehmen und Industriedienstleistern Fremdfirmenkräfte, also Arbeitnehmer von Subunternehmern, Lieferanten, mitunter auch von Kunden, sind keine Arbeitnehmer des Auftraggebers, auch wenn sie auf dessen Betriebsgelände Arbeiten verrichten. Sie zählen mitbestimmungsrechtlich nur bei ihrem Vertragsarbeitgeber und nicht im Einsatzbetrieb.65) Das gilt auch dann, wenn die Fremdvergabe eingesetzt wird, um ein mitbestimmungsschärfendes Größenwachstum zu verhindern (siehe Rn. 86 f). Risiken drohen nur, wenn Werk- oder Dienstvertragsgestaltungen in die Arbeitnehmerüberlassung „abgleiten“, weil der Auftraggeber nicht nur fachlich die Leistung anweist, sondern mit Arbeitsweisungen auf die persönliche Arbeitsleistung zugreift, dies nicht nur vereinzelt vorkommt, sondern zur geduldeten Regel wird.66) Wenn dann noch die Überlassungserlaubnis fehlt, werden die Betroffenen nach § 10 Abs. 1 AÜG kraft Gesetzes Arbeitnehmer des entleihenden Auftraggebers und zählen dort mitbestimmungsrechtlich voll. Ansonsten kommt es auf die Zählvoraussetzungen für Zeitarbeitnehmer beim Entleiher an.

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bb) Zeitarbeitnehmer Zeitarbeitnehmer sind Arbeitnehmer – vertragsrechtlich aber des Verleihers und nicht des Entleihers, auch wenn dieser das Direktionsrecht ausübt. Doch begründet § 10 AÜG in denjenigen Fällen, in denen der Arbeitsvertrag nach § 9 Nr. 1, 1a und 1b AÜG unwirksam ist (fehlende Überlassungserlaubnis, unzureichende Bezeichnung und personelle Konkretisierung der Überlassung, Überschreiten der Überlas_____________ 63) 64) 65) 66)

Richardi-Thüsing, BetrVG, § 7 Rn. 45. BAG, NZA 2005, 707. BAG, NZA 2005, 240 für die Fahrer selbständiger Frachtführer. Dazu Rieble, in: Rieble/Junker/Giesen, S. 32 f m. w. N.; zur Abgrenzung von Werk-/ Dienstverträgen zur Arbeitnehmerüberlassung etwa BAG, NZA-RR 2012, 455; BAG, Urt. v. 15.4.2014 – 3 AZR 395/11, juris.

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sungshöchstdauer sowie jeweils fehlende Festhaltungserklärung des Arbeitnehmers)67) ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher. In diesen Fällen endet der Status als Leiharbeitnehmer, der Mitarbeiter ist nur mehr beim Entleiher und regulär beschäftigt und zählt mitbestimmungsrechtlich nur dort: 52

Die früher umstrittene Frage, ob die Leiharbeitnehmer bei Schwellenwerten für die Belegschaft des Entleihers zählen, hat der Gesetzgeber in § 14 Abs. 2 mit den Sätzen 4 – 6 zu regeln versucht und mit der partiellen Doppelzählung bei Verleiher und Entleiher die Option in Art. 7 Abs. 2 der EU-Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG genutzt. Satz 4 regelt den Zählwert der Leiharbeitnehmer nur für betriebsverfassungsrechtliche Schwellenwerte und Quoten. Satz 5 ordnet die prinzipielle Zählung aller Leiharbeitnehmer für mitbestimmungsrechtliche Schwellenwerte und Quoten an, nimmt dies aber in Satz 6 nur für die Schwellenwerte insoweit zurück, als „Leiharbeitnehmer im Entleiherunternehmen nur zu berücksichtigen [sind], wenn die Einsatzdauer sechs Monate übersteigt“. Der Regelungsansatz ist komplex und bewirkt unterschiedliche Zählweisen, weil die jeweiligen Mitbestimmungsnormen teils zusätzliche Tatbestandsmerkmale haben. Die Kommentierung beschränkt sich auf die Ob-Schwellenwerte; der Einfluss auf das Wahlverfahren wird hier nicht behandelt.

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Der Zählwert der Zeitarbeitnehmer für die mitbestimmungsrechtlich relevante Belegschaft des Entleihers hat vier zentrale Voraussetzungen: –

Zuerst muss das AÜG anwendbar sein, weil andernfalls die Zählwertnorm des § 14 Abs. 2 Satz 4 bis 6 AÜG nicht anwendbar ist. Das heißt: Die Arbeitnehmerüberlassung muss „wirtschaftliche Tätigkeit“ sein, § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG, also am Markt erfolgen (insbesondere nicht nur konzernintern).68) Auch die erlaubnisfreie Arbeitnehmerüberlassung des § 1 Abs. 3 AÜG schließt die Anwendung von § 14 AÜG nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut aus. Für eine Analogie ist kein Raum.69)



Zweitens muss der zu Zählende „Leiharbeitnehmer“ i. S. d. Legaldefinition des § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG sein. Er muss auch als Arbeitnehmer, also weisungsgebunden eingesetzt sein. Wird ein Arbeitnehmer auf eine Geschäftsführerposition ausgeliehen, so ist er beim Entleiher Organmitglied und schon deshalb nicht zu zählen.



Drittens und vor allem zählen gemäß Satz 6 nur Leiharbeitnehmer deren Einsatzdauer sechs Monate übersteigt. Der RegE spricht explizit von diesen „Anwendungsschwellen“;70) für andere Schwellenwerte (Größe des Aufsichtsrats, Wahlverfahren) hat die Einschränkung keine Bedeutung. Für die Tätigkeitsdauer ist der tatsächliche Einsatz des Arbeitnehmers maßgebend; der Leiharbeitnehmer zählt also erst ab dem siebten Monat seines Einsatzes. Es genügt

_____________ 67) Dazu Wank, RdA 2017, 100. 68) Löwisch/Wegmann, BB 2017, 373, 377; a. A. und methodisch kaum vertretbar Oetker, NZA 2017, 29, 35. Die vormalige Anrechnungskonzeption des BAG für eine betriebsverfassungsrechtliche Norm hat sich durch den „Federstrich“ des Gesetzgebers erledigt. 69) So aber ernstlich Oetker, NZA 2017, 29, 35. 70) Begr. zum RegE. v. 2.6.2016, BR-Drucks. 294/16, S. 26 = Begr. zum RegE. v. 20.7.2016, BT-Drucks. 18/9232, S. 30.

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nicht, dass der Einsatz auf solch längere Zeit konzipiert ist.71) Es kommt auch nicht auf den Arbeitsplatz an, der mit wechselnden Leiharbeitnehmern besetzt wird, sondern auf die Person des Zeitarbeitnehmers.72) Das Gesetz fordert keine ununterbrochene Tätigkeit,73) sodass eine Einsatzpause die „Uhr nur anhält“. Ab drei Monaten Unterbrechung, beginnt die Frist von Neuem, § 1 Abs. 1b Satz 2 AÜG.74) –

Die entliehenen Arbeitnehmer zählen nur wie Stammarbeitnehmer, müssen also den Regelbeschäftigungsstand prägen. Werden sie nur für eine Auftragsspitze eingesetzt, so sind sie wegen des „in der Regel“ nicht zu zählen.75)

Eine Stimme in der Literatur fordert einen Zählzweckvorbehalt im Einzelfall: Leiharbeitnehmer sollen „doch nicht“ zählen, wenn das dem Zweck der Schwellenwertnorm zuwiderläuft.76) Dass der RegE auf die „normzweckorientierte Auslegung“ des BAG rekurriert,77) ist ein schwaches Argument – weil es im Wortlaut des neuen AÜG keinen Anklang findet. Die Praxis einer solchen Rechtsunsicherheit in Zählfragen auszuliefern, ist angesichts der klaren Zählvorschriften nicht gewollt. Sowenig solche freirechtlichen Erwägungen den Anwendungsbereich der Norm ausdehnen können, sowenig sind sie in der Lage, diesen tatbestandsfrei einzuschränken.

54

cc) Andere Formen der Personalgestellung Keine Arbeitnehmer eines Krankenhauses sind „gestellte“ Rot-Kreuz-Schwestern.78) Der EuGH hält für sie die Leiharbeitsrichtlinie für anwendbar, weil sie dem europarechtlichen Arbeitnehmerbegriff unterfallen.79) Deutschrechtlich bleibt ihnen der Arbeitnehmerstatus insgesamt versagt.80) Richtigerweise können sie deshalb auch mitbestimmungsrechtlich – anders als Zeitarbeitnehmer, die Arbeitnehmer sind – nicht zugerechnet werden. Das europäische Recht hat keinen Einfluss auf die deutsche Unternehmensmitbestimmung.

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Die an Privatunternehmen verliehenen Beamten, Soldaten und Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes sind nach § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG kraft Fiktion den Arbeitnehmern des Entleihers gleichgestellt – und zwar auch dann, wenn die Einsatzdauer keine sechs Monate erreicht. Deshalb zählen sie nicht nur in der Betriebsver-

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_____________ 71) So aber Henssler/Grau-Bissels, Arbeitnehmerüberlassung und Werkverträge, § 5 Rn. 347: geplante Einsatzdauer entscheidet. 72) Henssler/Grau-Bissels, Arbeitnehmerüberlassung und Werkverträge, § 5 Rn. 347; Löwisch/ Wegmann, BB 2017, 373, 377. 73) Oetker, NZA 2017, 29, 33; Löwisch/Wegmann, BB 2017, 373, 377; a. A. Urban-Crell/ Germakowski/Bissels/Hurst, AÜG, § 14 Rn. 80 unter Vergleich mit §§ 1 Abs. 1b Satz 2, 8 Abs. 4 Satz 3 AÜG. 74) Löwisch/Wegmann, BB 2017, 373, 377; Ulber/zu Dohna-Jaeger, AÜG, § 14 Rn. 94d. 75) Löwisch/Wegmann, BB 2017, 373, 377; Oetker, NZA 2017, 29, 32. 76) Oetker, NZA 2017, 29, 33; Urban-Crell-Germakowski/Bissels/Hurst, AÜG, § 14 Rn. 79; Wank, RdA 2017, 100, 115; Thüsing-Thüsing, AÜG, § 14 Rn. 75. 77) Begr. zum RegE. v. 2.6.2016, BR-Drucks. 294/16, S. 10, 13, 26 = Begr. zum RegE. v. 20.7.2016, BT-Drucks. 18/9232, S. 15, 17, 29; BAG, NZA 2016, 559 Rn. 29. 78) OLG Hamburg, DB 2007, 2762. 79) EuGH, NZA 2017, 41(Betriebsrat der Ruhrlandklinik). 80) BAG, BAGE 158, 121.

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fassung, sondern durch den Verweis in § 3 MitbestG und in § 3 DrittelbG auch in der Unternehmensmitbestimmung. Das verträgt sich nicht mit der „neuen“ Zählweise nach § 14 Abs. 2 Satz 5 und 6 AÜG, weswegen von dort richtigerweise der Vorbehalt zu importieren ist, dass die Einsatzdauer sechs Monate betragen muss, bevor das Mitzählen einsetzt. dd) Konzernzurechnung 57

Die Konzernzurechnung nach § 5 MitbestG oder § 2 DrittelbG fingiert eine Konzernbelegschaft: Arbeitnehmer der Töchterunternehmen werden der Konzernmutter zugerechnet. Das gilt auch dann, wenn die Obergesellschaft als Holding selbst keine Arbeitnehmer beschäftigt.81) Diese Konzernbelegschaft kann durch den von ihr bei der Mutter gewählten Aufsichtsrat unmittelbar gegenüber dem herrschenden Unternehmen die Arbeitnehmerinteressen im Aufsichtsrat geltend machen. Das Arbeitsrecht verwendet hierfür keinen eigenen Konzernbegriff, sondern verweist in § 54 BetrVG (für den Konzernbetriebsrat) und in § 5 MitbestG und § 2 Abs. 1 DrittelbG (für die Unternehmensmitbestimmung) auf den Konzerntatbestand des § 18 AktG, so dass der Über-Unterordnungskonzern erfasst ist, nicht aber der Gleichordnungskonzern.82) Das eröffnet Gestaltungsmöglichkeiten.

58

In der Unternehmensmitbestimmung löst die Konzernzurechnung zwei unterschiedliche Rechtsfolgen aus: Einmal geht es um die Zählung der Belegschaft – für die Schwellenwerte und damit das Ob der Mitbestimmung. Zum anderen verschafft die Konzernzugehörigkeit (im Inland!, siehe Rn. 25) den betroffenen Arbeitnehmern das aktive und passive Wahlrecht.

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Während § 5 MitbestG die vertragliche oder faktische Konzernierung im Über-Unterordnungskonzern in gleicher Weise berücksichtigt, differenziert § 2 DrittelbG: Für den Schwellenwert zählen nur kraft Beherrschungs- oder Eingliederungsvertrag konzernierte Unternehmen – weswegen der faktische GmbH-Konzern mitbestimmungsfrei bleibt, wenn in keinem Unternehmen mehr als 500 Arbeitnehmer und im Konzern nicht mehr als 2.000 Arbeitnehmer vertreten sind. Diese Ungleichbehandlung ist nach der Rechtsprechung nicht zu beanstanden.83)

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§ 5 MitbestG regelt anders als das DrittelbG – innerhalb seines Geltungsbereichs, also für Konzerne mit mehr als 2.000 Beschäftigten – zudem eine Reihe von Sonderfällen, insbesondere um der Mitbestimmungsflucht zu begegnen: –

Das betrifft die mitbestimmte Gesellschaft & Co. KG an der Konzernspitze, bei der die Arbeitnehmer der KG dem Komplementär-Unternehmen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG zugerechnet werden (Rn 63). In diesem Fall werden nach § 5 Abs. 2 MitbestG bei Berechnung des Schwellenwertes in der KomplementärGesellschaft nicht nur deren Arbeitnehmer und die der KG berücksichtigt, sondern auch die der abhängigen Konzernunternehmen.

_____________ 81) LG Stuttgart, AG 1989, 445. 82) BAG, NZA 2012, 633, 636. 83) KG, ZIP 2007, 1566; OLG Hamburg, DB 2007, 2762; Habersack, AG 2007, 641, 649; Mohr/Rehm, BB 2009, 1806, 1807.

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Über eine bloße Zurechnung hinaus geht die Konzernfiktion nach § 5 Abs. 3 MitbestG. Sofern Mitbestimmung an der Konzernspitze nicht in Betracht kommt – weil dort etwa eine Gesellschaft ausländischen Rechts, eine Einzelperson84) oder eine öffentlich-rechtliche juristische Person85) steht –, gilt dasjenige nach §§ 1, 4 MitbestG potentiell mitbestimmte Unternehmen als herrschendes Unternehmen, das in der Konzernhierarchie am höchsten steht. Das ist von vornherein nur im mehrstufigen Konzern relevant und setzt auch dort voraus, dass der als Konzernspitze fingierten Tochtergesellschaft ein gewisses Mindestmaß an Leitungsmacht über die Enkelinnen zukommt86) – auch wenn einige OLGe „mitbestimmungsfreundlich“ bei bloßer Kapitalmehrheit ohne eigenen Einfluss von vermittelter Herrschaft i. S. d. § 5 Abs. 3 MitbestG ausgehen.87) Auch der Europäische Betriebsrat auf Konzernebene kann nur im Über-Unterordnungskonzern (Unternehmensgruppe i. S. v. Art. 2 Abs. 1 Buchst. b) RL-2009/38/EG [EBR-RL]) vorkommen.88) Freilich gilt dort eine europarechtliche Besonderheit gemäß der Definition des „Herrschenden Unternehmens“ in § 6 EBRG (maßgebend auch für die SE, § 2 Abs. 3 SEBG), der auf die nur potentielle Beherrschung abstellt. Sonderfall ist der „Konzern im Konzern“. Gesellschaftsrechtlich kann zwischen Tochter und Enkelin kein eigenes, „zweites“ Konzernverhältnis bestehen89) – mitbestimmungsrechtlich ist diese Doppelung anerkannt.90) Konsequenzen hat dies für die Arbeitnehmer der Enkelinnen: Ihnen kommt in jedem Falle ein Wahlrecht zum Aufsichtsrat der Konzernmutter zu – nach h. M. wählen sie indes „mitbestimmungssichernd“ auch zum Aufsichtsrat der Tochter, sofern die (Groß)Mutter Leitungsmacht über die betreffende Enkelgesellschaft dauerhaft an die Tochter delegiert hat.91) Das ist doppelt fragwürdig – weil die Eigenständigkeit der Tochter deren Konzernierung mit der Mutter in Frage stellt,92) und weil der mitbestimmungsrechtliche Sondervorteil der Arbeitnehmer der Enkelin nicht zu rechtfertigen ist.93)

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ee) Zurechnung der KG-Arbeitnehmer auf die Komplementär-GmbH Personengesellschaften sind mitbestimmungsfrei – und dies auch dann, wenn ihre Mitglieder juristische Personen sind. Das gleicht § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG nur für die KG aus, indem der juristischen Person die Arbeitnehmer der KG (und die Ar_____________ 84) Einzelperson als „herrschendes Unternehmen“: BAG, NZA 1994, 931. 85) Bund als „herrschendes Unternehmen“: BGH, [VEBA/Gelsenberg], NJW 1978, 104; Gebietskörperschaft als „herrschendes Unternehmen“: OLG Düsseldorf, ZIP 2014, 517; weiter Bayer in: MünchKomm-AktG, § 15 Rn. 38 m. w. N. 86) Seibt, ZIP 2008, 1301, 1305 ff; Habersack, AG 2007, 641, 647 f; Henssler, ZfA 2005, 289, 308. 87) OLG Stuttgart, NJW-RR 1995, 1067; OLG Düsseldorf, NZA 2007, 707; OLG Frankfurt, ZIP 2008, 880; OLG Düsseldorf, ZIP 2014, 517; OLG Hamburg, ZIP 2017, 1621; zustimmend Gach in: MünchKomm-AktG, § 5 MitbestG Rn. 38; Wißmann/Kleinsorge/Schubert, MitbestR, § 5 MitbestG Rn. 70. 88) BAG, NZA 2004, 863. 89) H. M., nur Bayer in: MünchKomm-AktG, § 18 Rn. 39 ff m. w. N. 90) BAG, ZIP 1984, 269 ff. 91) OLG München, ZIP 2008, 2414; Habersack/Henssler-Habersack, MitbestR, § 5 MitbestG Rn. 35 ff; Oetker in: ErfKomm, § 5 MitbestG Rn. 8 f. 92) Richardi in: FS Zeuner, S. 147, 157 f; Meik, BB 1991, 2441, 2443 f. 93) Semler, DB 1997, 805, 810.

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beitnehmer der von der KG abhängigen Gesellschaften, § 4 Abs. 1 Satz 2 MitbestG) unter bestimmten Voraussetzungen zugerechnet werden, sodass die Mitbestimmung dann – bei Erreichen des Schwellenwertes bei der Komplementär-Gesellschaft greift. Die Bedeutung der Vorschrift ist gering; sie trifft nur eine kleine Zahl von Komplementärinnen, vor allem die GmbH in der GmbH & Co. KG und eben auch nur dann, wenn hierdurch der Schwellenwert von 2.000 überschritten wird. In der Praxis wird die Norm ausgehebelt, indem die Komplementärstellung in der deutschen KG einer Fremdrechts-GmbH übertragen wird, auf die das MitbestG insgesamt nicht anwendbar ist, oder einer SE. Mitbestimmungsfrei bleibt auch die Stiftung & Co. Das kann auch nachträglich durch Komplementäraustausch geschehen. Das DrittelbG kennt keine Entsprechung, weswegen die GmbH mit bis zu 500 Arbeitnehmern mitbestimmungsfrei bleibt, wenn sie zusammen mit der KG (und deren Töchtern) mehr als 500 Beschäftigte aber eben nicht mehr als 2.000 hat. 64

Auf die KGaA mit einer entsprechenden Komplementärin ist die Norm nicht anwendbar, weil sie keine Personengesellschaft ist und ggf. selbst mitbestimmt. Für die Kapitalgesellschaft & Co. OHG wird die analoge Anwendung diskutiert; m. E. zu Unrecht, weil der Gesetzeswortlaut eindeutig ist und dem Gesetzgeber des § 4 MitbestG die OHG bekannt war.

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Die Norm verlangt weiter mehrheitliche Gesellschafteridentität. Die Mehrheit der Kommanditisten müssen auch in der GmbH die Mehrheit nach Anteilen oder Stimmen haben. Nur dann lässt sich die GmbH & Co. KG als einheitliches Unternehmen unter einheitlicher Führung verstehen. Insbesondere die Einheitsgesellschaft, bei der die GmbH-Anteile in das Gesamthandsvermögen der KG eingebracht sind, gehört hierher; auf sie ist § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG zumindest analog anzuwenden.

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Als Rückausnahme („sofern nicht“) nimmt § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG a. E. diejenige juristische Person aus, die selbst einen eigenen Geschäftsbetrieb mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmer hat (und also der Drittelbeteiligung unterfällt). Nicht mitzurechnen sind diejenigen Arbeitnehmer, die in Ausfüllung der Komplementärfunktion die Geschäfte der KG führen. ff) Gemeinschaftsbetrieb

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In der Literatur wird die Auffassung vertreten, ein „Gemeinschaftsbetrieb mehrerer Unternehmen“ – also die unter gemeinsamer Leitung stehende betriebliche Arbeitsorganisation (§ 1 Abs. 1 Satz 2 BetrVG) – bewirke die (doppelte) Arbeitnehmerzurechnung in der Unternehmensmitbestimmung – sodass die betroffenen Arbeitnehmer nicht nur bei ihrem Vertragsarbeitgeber zählen, sondern zugleich bei den am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Fremdunternehmen.94) Eine gesetzliche _____________ 94) Hjort, NZA 2001, 696, 698; Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 34 Rn. 45; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Trümner, BetrVG, § 1 Rn. 229; Thüsing/ Forst in: FS Kreutz (2010), S. 867 ff; mit Einschränkungen auch: Habersack/HensslerHenssler, MitbestR, § 3 MitbestG Rn. 120: Zuordnung nach Weisungsrecht; ebenso Lambrich/ Reinhard, NJW 2014, 2229, 2232; Richardi-Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 84, der einen Arbeitnehmer nur denjenigen Unternehmen zuordnen will, mit denen er auch im Arbeitsverhältnis steht – was aber nicht nur den Vertragsarbeitgeber einschließt, sondern auch arbeitsrechtliche Drittbeziehungen; so auch LG Hamburg, ZIP 2008, 2364.

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Grundlage hierfür fehlt, auch wenn das BAG für die betriebsverfassungsrechtliche (!) Unternehmensgröße den größeren Gemeinschaftsbetrieb anstelle des kleineren Unternehmens berücksichtigt.95) Die Literatur steht dem überwiegend kritisch gegenüber – teils mit Ausdifferenzierungen.96) Das OLG Hamburg hat die Frage offengelassen.97) LG Bremen98) und LG Hannover99) haben im Hinblick auf den klaren Wortlaut des § 1 MitbestG, dessen Begriff „beschäftigt“ durch die Bezugnahme auf § 5 BetrVG in § 3 MitBestG das Bestehen eines rechtlichen Arbeitsverhältnisses voraussetzt, eine Mehrfachzurechnung zu jedem Trägerunternehmen verneint. Das OLG Düsseldorf hat mit Recht angemerkt, dass über einen Gemeinschaftsbetrieb im faktischen Konzern § 2 Abs. 2 DrittelbG konterkariert würde.100) Das BAG hat sich für den Bereich der Unternehmensmitbestimmung bislang nur mit der Frage auseinander setzen müssen, ob die mit einem Unternehmen arbeitsvertraglich verbundenen Arbeitnehmer des gemeinsamen Betriebs bei der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat bei jedem Trägerunternehmen wahlberechtigt sind – und das aktive Wahlrecht nach § 5 Abs. 2 Satz 1 DrittelbG bejaht.101) Ob diese Arbeitnehmer auch bei den für die Unternehmensmitbestimmung maßgeblichen Schwellenwerten den Trägerunternehmen „wechselseitig“ zuzurechnen sind, hat es – da dem Statusverfahren des § 98 AktG vorbehalten – ausdrücklich offengelassen;102) eine höchstrichterliche Entscheidung hierzu steht noch aus. Eine dogmatische Lösung nimmt den Wortlaut zum Ausgangspunkt: „Unternehmen“ ist der Rechtsträger, zu ihm müssen die Arbeitnehmer in einem Rechtsverhältnis stehen. Sowenig Zeitarbeitnehmer zählen (siehe Rn. 37), sowenig zählen Arbeitnehmer anderer Fremdunternehmen. Der betriebsverfassungsrechtliche Betriebsbegriff ist für den Unternehmensbegriff der Unternehmensmitbestimmung unbeachtlich. Überdies ist die Rechtsfigur des Gemeinschaftsbetriebes darauf ausgerichtet, in der Arbeitsorganisation gemeinsame Belange der Arbeitnehmer in der Belegschaft gegenüber der gemeinsamen Leitungsmacht in den zentralen mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten des BetrVG (!) zur Geltung zu bringen – zu denen wiederum die wirtschaftlichen Angelegenheiten (§§ 111 ff BetrVG) gar nicht rechnen. Insofern also ist jeder „Import“ dieser Rechtsfigur unternehmensmitbestimmungsrechtlich dysfunktional! Indes bleibt für den Anwender ein entsprechendes Rechtsrisiko. Weil _____________ 95) So für den Wirtschaftsausschuss auf Unternehmensebene BAG, NZA 1991, 643; weiter BAG, NZA 2005, 420. 96) Bonanni, Der gemeinsame Betrieb mehrerer Unternehmen, (2003), S. 294 f: ausschließliche Zuordnung zum Vertragsarbeitgeber; Kolbe, Mitbestimmung und Demokratieprinzip (2013), S. 335 f; Annuß in: FS v. Hoyningen-Huene (2014), S. 25 ff; Hohenstatt/Schramm, NZA 2010, 846; Zöllner in: FS Semler (1993), S. 995, 1012 f; Hirte/Mülbert/Roth-Oetker, Großkomm-AktG, § 3 MitbestG Rn. 27; ähnlich Wanhöfer, Gemeinschaftsbetrieb und Unternehmensmitbestimmung (1994), S. 82 ff; Manthey/Hinrichs, NZG 2014, 1096, 1099. 97) OLG Hamburg, DB 2007, 2762. 98) LG Bremen, BeckRS 2010, 17611. 99) LG Hannover, Beschl. v. 14.5.2012 – 25 O 65/11, juris, mit zust. Anm. Lüers/Schomaker, BB 2013 565. 100) OLG Düsseldorf, AG 2017, 666, 670. 101) BAG, NZA 2013, 853; bestätigt durch BAG, Beschl. v. 14.8.2013 – 7 ABR 46/11, juris. 102) BAG, NZA 2013, 853, 855; für eine Übertragung auf die Mitbestimmungsschwellenwerte Mückl, BB 2013, 2301; dagegen Prinz, SAE 2013, 90, 93.

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der BGH indes Rechtstreue über sozialpolitische Mitbestimmungsfreude stellt, darf es als gering eingeschätzt werden. gg) Tariflicher Einheitsbetrieb 69

§ 3 BetrVG erlaubt seit 2002 dem Tarifvertrag, die Betriebsstruktur zu regeln – auch unternehmensübergreifend in den Fällen des § 3 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG. Schließt ein Tarifvertrag Betriebe oder Sparten verschiedener Unternehmen zusammen, führt das ebenfalls nicht dazu, dass die Mitarbeiter des einen Unternehmens in der Unternehmensmitbestimmung des anderen Unternehmens, zu dem sie in keinem Rechtsverhältnis stehen, mitzählen und dort Wahlrecht genießen.103) § 3 Abs. 5 BetrVG beschränkt die Wirkungen eines solchen Tarifvertrags auf die Betriebsverfassung; auch würde die Tarifautonomie unangemessen mit solchen Folgewirkungen belastet.

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Allerdings werden sich Gewerkschaften nur ausnahmsweise dazu bereitfinden, einen die Unternehmensmitbestimmung erschwerenden Organisationstarifvertrag abzuschließen. d) Tendenzprivileg

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Die Unternehmensmitbestimmung kann – wie die Mitbestimmung in den wirtschaftlichen Angelegenheiten des BetrVG – Unternehmen mit verfassungsrechtlich besonders geschütztem „geistig-ideellen“ Betätigungsfeld treffen – und wirkte dort als unverhältnismäßige Freiheitsbeschränkung. Tendenzschutz ist ein allgemeines arbeitsrechtliches Prinzip, das sich im Individualarbeitsrecht ebenso findet wie in der Mitbestimmung. § 1 Abs. 4 MitbestG und § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 DrittelbG nehmen deswegen Tendenzunternehmen von der Unternehmensmitbestimmung insgesamt aus – regulatorisches Vorbild ist der Tendenzschutz nach § 118 BetrVG in der Betriebsverfassung: Die Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten entfällt; im Übrigen wird sie reduziert.

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Dass Unternehmen Gewinne erzielen wollen, ist nur im Fall der Caritas tendenzschädlich. Alle anderen Tendenzen können ohne Weiteres gewinn- oder ertragsorientiert verfolgt werden (Presse, private Hochschule etc.).104)

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Geschützt sind folgende Unternehmenszwecke105):

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Mit „politischen“ Zwecken werden mit Blick auf Art. 21 GG zuerst die Einrichtungen der politischen Parteien (Bildungsträger usw.) geschützt, aber auch Nebenzweck-GmbHs wirtschafts- und sozialpolitischer Verbände mit politischen Zielen – nicht dagegen von reinen Interessenverbänden (Mieterverein).



Koalitionspolitische Zwecke i. S. d. Art. 9 Abs. 3 GG verfolgen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, wobei Tariffähigkeit nicht erforderlich ist. Als mitbestimmungsfreie GmbH kommen die Bildungswerke und andere Einrichtungen der Koalitionen in Betracht, aber auch ihre gemeinsamen Einrichtungen, ganz gleich ob sie tariflich geregelt sind (§ 4 Abs. 2 TVG) oder nur schuldrechtlich.

_____________ 103) Rolf, Unternehmensübergreifende Betriebsratsstruktur nach § 3 BetrVG (2004), S. 91. 104) Etwa BAG, NZA-RR 2013, 78, 79. 105) Eingehend Richardi-Forst, BetrVG, § 118 Rn. 63 ff.

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Erziehung knüpft an die Schulfreiheit des Art. 7 GG an und erfasst die methodische Unterweisung in einer Mehrzahl von Fächern mit dem Ziel der Persönlichkeitsbildung. Erfasst sind sowohl Privatschulen, Internate, Waisenhäuser als auch Berufsbildungseinrichtungen – nicht dagegen Sprach- und Sportschulen oder Computer- und Fahrschulen, die nur Wissen oder Fähigkeiten vermitteln ohne die Persönlichkeit bilden zu wollen. Zudem verlangt Erziehung ein nachhaltiges umfassendes Konzept, weswegen ein Zoo schon wegen der kurzen Besuche keine erzieherische Einrichtung sein kann.106)

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Wissenschaft ist nach Art. 5 Abs. 3 GG jeder planmäßige und ernsthafte Versuch zur Ermittlung der Wahrheit, gleich ob grundlagen- oder anwendungsorientiert und umfasst gleichberechtigt Forschung und Lehre. Deswegen ist auch die Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse geschützt. Dazu zählen (Groß-)Forschungseinrichtungen, Privatuniversitäten und Fachhochschulen, landwirtschaftliche Versuchsgüter, wissenschaftliche Bibliotheken und Museen, je nach Ausrichtung auch ein Zoo oder ein Botanischer Garten. Wissenschaftsverlage können sich zusätzlich auf diese Tendenz stützen. (Rechtlich verselbständigte) Forschungsabteilungen der Industrie oder Unternehmen zur Auftragsforschung sollen hingegen ausscheiden – weil sie in ihrer Forschungstätigkeit nicht hinreichend unabhängig von Weisungen der Anteilseigner oder Auftraggeber sind.107) Diese Beschränkung ist in Art. 5 Abs. 3 GG nicht angelegt. Auch Auftragsforscher spüren der Wahrheit nach – und Drittmittelforschung an staatlichen Universitäten „im Auftrag“ der Drittmittelgeber ist geschützte Forschung. Art. 5 Abs. 3 GG setzt tatbestandlich keine spezifische Unabhängigkeit der Forscher voraus, sondern will diese gerade schützen. Solange sich der Einfluss des Auftraggebers auf den Erkenntnisgegenstand beschränkt und die Ergebnisoffenheit der Wahrheitsbestrebungen gewahrt bleibt, ist das Forschung. Auch dass der Auftraggeber oder Anteilseigner mit den Forschungsergebnissen in erster Linie wirtschaftliche Zwecke verfolgt, schadet entgegen dem BAG nicht: Das (selbständige) Forschungsunternehmen ist seinem Unternehmenszweck nach unmittelbar auf Forschung ausgerichtet; Erträge und Gewinnerzielung schaden so wenig wie bei Privatuniversitäten oder Presseunternehmen.

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Kunst i. S. v. Art. 5 Abs. 3 GG ist, was der Künstler dafür hält. Kennzeichnend ist „die freie schöpferische Gestaltung“ zum Zweck der Kommunikation.108) (Musik-, Tanz-)Theater, Kabarett, Programmkinos, Orchester, Museen und Galerien, Zirkus, Buch- und Musikverlage fallen hierunter. Nicht dagegen Sportunternehmen, reine Unterhaltungsbetriebe (gewöhnliche Kinos ohne künstlerische Zwecksetzung) oder bloße absatzmittelnde Handelsunternehmen (Buchhandlung) oder technische Produktionsstätten (Tonträgerherstellung, Lohndruckerei), wenn ihnen eine eigene verlegerische Programmatik fehlt.109)

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_____________ 106) BAG, NZA 1990, 402. 107) Richardi-Forst, BetrVG, § 118 Rn. 82; BAG, NZA 1990, 402 obiter für unselbständige Forschungsabteilungen, die dem Erwerbszweck untergeordnet seien. 108) BVerfG, BVerfGE 67, 213: „anachronistischer Zug“. 109) BAG, NZA 1990, 240 zur Tendenzeigenschaft eines Buchclubs.

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Zwecke der Berichterstattung oder Meinungsäußerung i. S. v. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG sind Verlage und Presse unter Einschluss von Funk und Fernsehen. Geschützt ist die staatsfreie und eben mitbestimmungsfreie Meinungsbildung. Dabei gilt infolge der unmittelbaren Bezugnahme auf Art. 5 Abs. 1 GG der weite verfassungsrechtliche Pressebegriff. Unternehmen, die Zeitschriften oder Zeitungen veröffentlichen, aber auch alle Buchverlage sind geschützt und zwar auch dann, wenn das Verlagsprogramm auf Fachbücher (auch: Schulbücher) beschränkt ist oder besonders breit ausgestaltet ist und keine besondere inhaltliche Programmatik (etwa Belletristik) sichtbar ist.110) Nicht hierher gehören bloße Hilfsfunktionen wie der Zeitschriften- oder Buchhandel oder auch die reine Lohndruckerei, die ohne eigenen Programmeinfluss „alles druckt“. Die unselbständige Verlagsdruckerei ist Teil des Verlages und hat an dessen Tendenz teil. Ist sie rechtlich verselbständigt, muss in dem Druckereiunternehmen inhaltlich-programmatischer Einfluss auf die Druckwerke genommen werden können – sonst fehlt die eigene Tendenz.

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Karitative Zwecke – also der selbstlose und freiwillige Dienst am leidenden Menschen – verfolgen vor allem Krankenpflegeeinrichtungen. Zu eng ist Caritas mit Blick auf den Leidensbegriff verstanden, wenn soziale Unterstützung insbesondere von Arbeitslosen oder von Jugendlichen nicht hierher zählen soll.111) Richtig ist allerdings, dass nicht jede soziale Aufgabe karitativ ist; die Ausrichtung auf den einzelnen Menschen in seinem Leid entscheidet. Wegen fehlender Unmittelbarkeit wurde dem DRK-Blutspendedienst das Tendenzprivileg versagt.112) An der Selbstlosigkeit fehlt es, wenn das Unternehmen Gewinn abwerfen soll – Kostendeckung hingegen darf angestrebt werden.113) Die Hilfe muss freiwillig und ohne staatlichen Zwang erfolgen; mit der Aufnahme in einen Krankenhausbedarfsplan unterwirft sich der Krankenhausträger der Behandlungspflicht freiwillig, bleibt also tendenzgeschützt.114)

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Die Kirchen und ihre als GmbH geführten Einrichtungen (Pressedienste!) sind von vornherein und gesondert aus jeder Mitbestimmung ausgenommen – um die umfassende Kirchenautonomie zu wahren. „Isolierten“ Tendenzschutz genießen „konfessionell ausgerichtete“ Unternehmen, also solche, die zwar einerseits unabhängig von der Kirche sind, sich aber doch auf deren Glaubensausrichtung festgelegt haben wie ein konfessionelles Eheanbahnungsinstitut. Religiös ausgerichteten Krankenhäusern wird dieser Tendenzschutz hingegen (zu Unrecht) versagt, weil die Heilbehandlung nicht der Bekenntnisausübung diene.115) Konfessioneller Zweck verlangt keine religiöse Bekenntnisausübung. Weltanschauungen werden vom Wortlaut nicht erfasst, müssen aber mit Blick auf Art. 4 Abs. 1 GG gleich-

_____________ 110) 111) 112) 113) 114) 115)

BAG, NZA 1990, 240. Offengelassen, aber ernstlich erwägend BAG, NZA 2001, 1325. LG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.2013 – 33 O 126/12, juris. Etwa BAG, NZA 2014, 1417, 1420. BAG, NZA 1996, 1056; kritisch Mohr/Rehm, BB 2009, 1806, 1809. LAG Hamm, NZA-RR 2000, 532.

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gestellt werden, sodass auch eine anthroposophische GmbH Tendenzschutz genießt (allg. M.). Die Liste ist abschließend – andere Tendenzen gibt es nicht. Wohl aber kann ein Unternehmen mehrere oder gemischte Tendenzen verfolgen, etwa als konfessioneller Verlag agieren, ohne den Tendenzschutz einzubüßen.

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Um in den Genuss dieser Mitbestimmungsfreiheit zu gelangen, muss das Unternehmen selbst – also „unmittelbar und überwiegend“116) einen der besonders geschützten Tendenzzwecke verfolgen. Die Tendenz muss also Zweck des Unternehmens sein und darf keine untergeordnete, unterstützende Hilfstätigkeit sein. Dabei geht es stets darum, ob im Unternehmen selbst die für diese Tendenzverwirklichung maßgebenden „programmatischen Entscheidungen“ getroffen werden – denn eben diese sollen vom Mitbestimmungseinfluss verschont werden. Welcher Art oder Richtung die Programmatik ist, spielt keine Rolle. Jedes Tendenzunternehmen hat tendenzfreie Teile, so dass mit Blick auf die Unternehmensmitbestimmung entschieden werden muss, ob das Unternehmen als Ganzes mitbestimmt ist oder eben nicht. Besonders gilt das für „Mischunternehmen“ mit unterschiedlichen Zwecken. Dazu ist es in einem ersten Schritt erforderlich, die tendenzbezogenen Unternehmensteile und die tendenzfreien Teile zu bestimmen. Das ist mitunter schwierig: Eine Druckerei in einem Verlagshaus ist Teil der verlegerischen meinungsbildenden Tendenz, wenn dort vor allem die eigenen Verlagserzeugnisse gedruckt werden – hingegen tendenzfrei, wenn es sich um eine „Lohndruckerei“ handelt, die in nennenswertem Umfang Fremdaufträge ausführt, ohne dass der Verleger auf die Erzeugnisse inhaltlichen Einfluss nähme.

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In einem zweiten Schritt ist sodann zu klären, ob der Tendenzteil oder der tendenzfreie Teil den Ausschlag gibt: Das bestimmt die überwiegende „gesellschaftsrechtliche“ Meinung nach einer qualitativen Geprägetheorie: Nach ihr wird „wertend“ bestimmt, welcher Unternehmenszweck das „Gesamtgepräge“ des „Erscheinungsbildes“ material ausmacht.117) Der Nachteil dieser Theorie besteht darin, dass sie für die eigentliche Wertung keinen Maßstab hat – es geht um bloßes Meinen oder Fürrichtighalten nach diffusem Rechtsgefühl. Das BAG indes, das die Geprägetheorie einst erfunden hatte,118) ist für § 118 BetrVG inzwischen zu einer „qualitativ-numerischen“ Sicht übergegangen (wie sie auch im Tarifrecht bei Mischbetrieben angewandt wird): Der Tendenzanteil wird nach dem Arbeitszeitanteil („Manntage“) errechnet.119) Andere quantitative Elemente (Umsatz, Ertrag) spielen keine Rolle.

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Tendenzkonzerne gibt es nicht. Die Konzernmutter ist dann mitbestimmungsfrei, wenn sie selbst Tendenzzwecke verfolgt – das kann auch durch Ausübung der Lei-

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_____________ 116) BAG, NZA 2014, 1417, 1419. 117) OLG Hamburg, NJW 1980, 1803; Habersack/Henssler-Habersack, MitbestR, § 1 MitbestG Rn. 60; Gach in: MünchKomm-AktG, § 1 MitbestG Rn. 33; Richardi-Thüsing, BetrVG, § 118 Rn. 51 f. 118) BAG, NJW 1955, 1574. 119) BAG, NZA 1990, 402 und seither ständig, etwa BAG, NZA 2006, 1422; explizit für die Unternehmensmitbestimmung nun auch LG Frankfurt/Oder, AE 2010, 197; zustimmend Bauer/Lingemann, NZA 1995, 813; weitere Nachweise bei Weber in: GK-BetrVG, § 118 Rn. 70.

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tungsmacht geschehen. Tendenzfreie Hilfsunternehmen im Konzern sind selbständig mitbestimmt, etwa eine Zeitungszustellungs-Tochtergesellschaft einer Verlagsgesellschaft.120) Auf der anderen Seite ist die Konzernzurechnung (siehe Rn. 57) für das Tendenzprivileg unbeachtlich: Ob Tochterunternehmen im Konzern tendenziös sind, spielt für die Tendenz der Mutter keine Rolle; eine „Gesamttendenz“ des Konzerns gibt es nicht.121) 85

Das BAG lässt in der Betriebsverfassung einen Verzicht auf Tendenzschutz zu, auch durch Tarifvertrag.122) Für die Unternehmensmitbestimmung als Organisationsrecht ist der Gedanke des Normanwendungsverzichts so nicht übertragbar: In der Sache handelt es sich hier um eine „freiwillige“ Unternehmensmitbestimmung eines gesetzlich mitbestimmungsfreien Unternehmens, dazu siehe Rn. 92 ff. 2.

Mitbestimmungsgestaltung

a) Mitbestimmungsvermeidung 86

Wiewohl die Vorteile der Unternehmensmitbestimmung (auffällig) oft betont werden, sind Unternehmer uneinsichtig und wollen jedenfalls die Beinahe-Parität des MitbestG vermeiden, weil diese der Arbeitnehmerseite erheblichen Einfluss verschafft, insbesondere die Gesellschafterversammlung hinsichtlich der Geschäftsführerbestellung „entmachtet“ (siehe Rn. 144 f) und externe Gewerkschaftsvertreter beteiligt. Der unkontrollierte Informationsfluss ist eine weitere Sorge. Überdies sichert die betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, vor allem die Beratung mit dem Wirtschaftsausschuss nach §§ 106 ff BetrVG (in Unternehmen schon ab 100 Arbeitnehmern), eine umfassende Beratung der die Belegschaft angehenden wirtschaftlichen Fragen.

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Vermeidungsstrategien123) setzen an allen Tatbestandselementen der Unternehmensmitbestimmung nach deutschem Recht an:

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An der Rechtsform: Mitbestimmungsfrei sind Stiftungen, Personengesellschaften und ausländische Kapitalgesellschaften, die nach Centros, Inspire Art und Überseering ihren Verwaltungssitz nun auch in Deutschland nehmen können.124) In Betracht kommt auch die Stiftung & Co. KG als Holding im GmbH-Konzern. Eine Zurechnung nach § 4 MitbestG kann nicht erfolgen, da die Stiftung selbst nicht mitbestimmt ist.125) Ein Sonderfall ist die Flucht in die Europäische Aktiengesellschaft (SE), mit der das bisherige Mitbestimmungsstatut „eingefro-

_____________ 120) BVerfG (Kammer), NJW 2003, 3189. 121) OLG Hamburg, NJW 1980, 1803; OLG Brandenburg, AG 2013, 686; Rieble, Tendenz-SE, AG 2014, 224, 228 ff; Loritz, Mitbestimmung und Tendenzschutz im Konzern, ZfA 1985, 497 ff; Gach in: MünchKomm-AktG, § 5 MitbestG Rn. 27; Habersack/Henssler-Habersack, MitbestR, § 5 MitbestG Rn. 59; a. A. Martens, AG 1980, 289 ff. 122) BAG, NZA 2001, 1325; zum Verzicht auf den betriebsverfassungsrechtlichen Tendenzschutz durch Dienstvereinbarung LAG Frankfurt/Oder, AE 2010, 197. 123) Brandes, ZIP 2008, 2193 ff; Götze/Winzer/Arnold, ZIP 2009, 245 ff; Müller-Bonanni/ Müntefering, BB 2009, 1699 ff; Rieble, BB 2014, 2997; Wisskirchen/Bissels/Dannhorn, DB 2007, 2258; Olbertz/Sturm, GmbHR 2014, 1254. 124) EuGH, Slg 1999, I-1459; EuGH, Slg 2002, I-09919; EuGH, Slg 2003, I-10155. 125) Seibt, ZIP 2011, 249, 251.

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ren“ werden kann, auch wenn das Unternehmen mit seiner späteren Entwicklung (insbesondere Wachstum über 500/2.000 Arbeitnehmer, aber auch Verlust des Tendenzschutzes, etwa in der Konzernmutter) nach deutschem Recht in die Mitbestimmung hineinwüchse. Diese Wege bedeuten eine Flucht aus der GmbH. Bei der Gründung einer SE durch einen Treuhänder, um anschließend die SE Gesellschaftsanteile von mitbestimmten Gesellschaften erwerben zu lassen, droht hingegen der Missbrauchstatbestand des § 43 SEBG.126) Recht effektiv ist auch die SE & Co. KG und die SE & Co. KGaA, wenn die zuvor mitbestimmungsfreie (auch Vorrats-) SE durch Komplementär-Austausch installiert wird. Gegenüber der Komplementär-SE ist das deutsche Mitbestimmungsrecht und damit § 4 MitBestG nicht anwendbar.127) Gerade für die deutsch-rechtliche GmbH & Co. bietet sich ein solcher Komplementäraustausch zur Abwehr drohender Mitbestimmung an. –

An der Arbeitnehmerzahl: Reduktion der Stammarbeitnehmerzahl durch Personalabbau, Verringerung der Fertigungstiefe nebst Einschaltung von Subunternehmern128) und der Einsatz von (nicht zählenden, siehe Rn. 51) Zeitarbeitnehmern kann die Mitarbeiterzahl unter dem Schwellenwert von 500 oder 2.000 Mitarbeitern halten.

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Das Verteilen der Belegschaften auf verschiedene Rechtsträger ist effektiv vor allem gegenüber der Drittelbeteiligung, weil die kompensatorische Konzernzurechnung (siehe Rn. 60 ff) nur auf Beherrschungs- oder Eingliederungsverträge reagiert – nicht aber auf die faktische Konzernierung.129) Das hilft nicht mehr, sobald die Konzernbelegschaft in Deutschland 2.000 Arbeitnehmer überschreitet – weil dann die scharfe Zurechnungsregel des § 5 MitbestG greift. Dann kann der Konzernzurechnung nur mehr durch Entkonzernierung begegnet werden, insbesondere durch Entherrschungsvertrag. Ebenfalls in Betracht kommt die treuhänderische Übertragung der Anteile von Tochtergesellschaften an eine Bank oder ein Private-Equity-Unternehmen, insbesondere im Vorgriff auf eine anstehende Veräußerung.

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Die Flucht ins Ausland erfolgt selten mit Produktionsstandorten; allerdings wird mitunter das Unternehmenswachstum auf ausländische Standorte verschoben. Effektiv funktioniert die Errichtung einer Konzernstruktur mit Holdinggesellschaft im Ausland.130) Das kann die Mitbestimmung wegen § 5 Abs. 3 MitbestG womöglich nicht vollends aushebeln (siehe Rn. 60) – indes kann die ausländische Holding ihre Entscheidungen mitbestimmungsfrei treffen und der deutschen Tochter als konzernleitende Maßnahme übermitteln – ohne dass der dort womöglich bestehende Aufsichtsrat wesentliche Einwirkungsmöglichkeiten hätte. _____________

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126) Drinhausen/Keinath, BB 2011, 2699 m. w. N. 127) Instruktiv Schubert, Unternehmensmitbestimmung in der SE & Co KGaA, insbesondere S. 378 ff. 128) Zu den verschiedenen Varianten des Fremdpersonaleinsatzes: Rieble in: Rieble/Junker/ Giesen, S. 16 ff; Maschmann, NZA 2013, 1305. 129) Vgl. den Fall KG Berlin, AG 2007, 671. 130) Zu diesem Trend Henssler, ZfA 2018, 174, 192 ff.

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b) Freiwillige Mitbestimmung 92

Wenige private Unternehmen ohne Mitbestimmungspflicht sehnen sich nach deren Einführung oder der Steigerung von der Drittelbeteiligung zur Beinaheparität. Etwas anders fällt die Einschätzung im Zuge der Privatisierung kommunaler Unternehmen aus (Klinika, Versorgungsunternehmen). Hier wird vielfach von der Kommune als Anteilseigner darauf bestanden, dass sich die aus der politischen (Mit)Bestimmung entlassenen Unternehmen der Unternehmensmitbestimmung unterwerfen. Neuerdings sind Mitbestimmungsvereinbarungen mit Gewerkschaften und Betriebsräten zu verzeichnen: Einführung oder Steigerung der Mitbestimmung als Gegenleistung für eine Sanierungshilfe der Belegschaft. In der Sache geht es um drei typische Fälle: – Unternehmen, die an sich der Mitbestimmung unterfielen, aber kraft Tendenzschutz ausgenommen sind (siehe Rn. 71 ff) und auf diesen Schutz verzichten. – Unternehmen, deren Rechtsform mitbestimmungsfrei ist, sich aber freiwillig der Mitbestimmung unterwerfen wollen – etwa die GmbH & Co mit bis zu 2.000 Beschäftigten, die die Drittelbeteiligung will (siehe Rn. 18). –

Unternehmen, denen zum gewünschten Mitbestimmungsstatut die Unternehmensgröße fehlt. So kann eine mitbestimmungsfreie GmbH mit 400 Beschäftigten freiwillig die Drittelbeteiligung oder die Beinaheparität eingehen; eine drittelbeteiligte GmbH mit 1.000 Beschäftigten kann sich dem MitbestG zuordnen wollen.

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Denkbar ist schließlich die Vereinbarung alternativer Mitbestimmungsmodelle, etwa über einen „Konsultationsrat“.

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Ein Rechtsrahmen für die vereinbarte Mitbestimmung fehlt dem deutschen Recht. Das Europäische Vereinbarungsmodell gilt nur für die Europäische Aktiengesellschaft (SE), die Europäische Genossenschaft und für grenzüberschreitende Verschmelzungen. Die deutsche GmbH kann diesen Rechtsrahmen also nur durch Verschmelzung nach §§ 122a ff. UmwG nutzen. Die freiwillige Mitbestimmung fußt typischerweise auf einem zweiaktigen Regelwerk: Neben eine Vereinbarung, in der sich die Gesellschafter oder die GmbH zu einer bestimmten Form der Mitbestimmung verpflichten, tritt der gesellschaftsrechtliche „Vollzug“ durch eine entsprechende Satzungsgestaltung. Weil die GmbH keine Satzungsstrenge kennt (anders § 23 Abs. 5 AktG), ist hier die freiwillige Mitbestimmung möglich. Sofern die GmbH (noch) keinen Aufsichtsrat hat, muss ein solcher als Organ auf Satzungsgrundlage konstituiert werden. Zudem muss geregelt werden, wie die Arbeitnehmervertreter zu bestellen sind, etwa durch die Gesellschafter auf Vorschlag des (Gesamt-)Betriebsrats. Ob Arbeitnehmern bzw. ihren Organen durch Satzung ein eigenes Bestellungs- oder Entsendungsrecht eingeräumt werden kann, ist bestritten.131) Indes verbietet die körperschaftliche Struktur der Gesellschaft keine Wahl- oder Entsenderechte – schon weil ein fakultativer Aufsichtsrat durch erneute Satzungsänderung abgeschafft werden kann.132) Allerdings ist zu beachten, dass der Betriebsrat außerhalb der Betriebsverfassung grundsätzlich nicht rechtsfähig und

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_____________ 131) Dazu Schöpfe, in: FS Werner (1984), S. 911 ff; Hommelhoff, ZHR 148 (1984), 118; Beuthien, ZHR 148 (1984), 95; Seibt, AG 2005, 413; Henssler, in: FS H. P. Westermann, S. 1019. 132) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 52 Rn. 29; Henssler/Strohn-Henssler, GesR, § 52 GmbHG Rn. 4.

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prozessfähig ist. Ihm kann deswegen auch kein eigenes Entsenderecht eingeräumt werden. Wie wollte er dieses vor Gericht durchsetzen? Der Vertrag, mit dem sich die Gesellschaft oder die Gesellschafter der Mitbestimmung unterwerfen, ist schuldrechtlicher Natur und begründet eine Pflicht zur Herbeiführung einer bestimmten Satzungsgestaltung. Durch Tarifvertrag kann die freiwillige Mitbestimmung nicht geregelt werden, weil diese die Unternehmensverfassung betrifft – wohingegen der Tarifvertrag nach dem TVG nur betriebsverfassungsrechtliche Fragen regeln kann.133) Die Betriebsvereinbarung steht von vornherein nicht zur Verfügung. Möglich sind schließlich – wie bei der AG – Stimmbindungsvereinbarungen mit den Gesellschaftern, mit deren Hilfe die freiwillige Zuwahl von Arbeitnehmern in den Aufsichtsrat erreicht wird.134) Das hat der Gesetzgeber bewusst möglich gemacht, indem er bei Schaffung des BetrVG 1952 und der damals dort geregelten Drittelbeteiligung die Inkompatibilität von Arbeitnehmereigenschaft und Aufsichtsratsmitglied des AktG 1937 aufgehoben hat, um „nicht auszuschließen, dass die Hauptversammlung freiwillig außer dem von den Arbeitnehmern gewählten Drittel von Aufsichtsratsmitgliedern noch weitere Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat wählt“.135) 3.

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Streitigkeiten

Ob eine GmbH einem (mitbestimmungsgesetzlichen) Zwang zur Errichtung eines Aufsichtsrats unterfällt und nach welchen Vorschriften der Aufsichtsrat zusammenzusetzen ist, ist wegen § 27 EGAktG notwendig im Statusverfahren nach §§ 97 ff AktG zu klären.136) Den absurden Versuch des Bundesjustizamtes, die Mitbestimmung über Ordnungsgeldverfahren nach § 335 i. V. m. § 325 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB wegen fehlenden Aufsichtsratsberichts zu erzwingen, hat das BVerfG gestoppt.137)

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Das betrifft drei Fälle:

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Die GmbH ist bislang aufsichtsratsfrei und unterfällt erstmals einem Mitbestimmungsstatut (DrittelbG oder MitbestG);138) dabei kommt es auch in Betracht, dass die GmbH als Mutter eines faktischen Konzerns direkt von der Mitbestimmungsfreiheit in die Beinaheparität wechselt, sobald die Konzernbelegschaft 2.000 Arbeitnehmer überschreitet – oder als vom DrittelbG nicht erfasste GmbH & Co direkt in den Anwendungsbereich des § 4 MitbestG fällt (siehe Rn. 18).



Die GmbH ist bislang drittelbeteiligt und wächst in das MitbestG hinein (oder umgekehrt).139) – Die GmbH fällt aus der Mitbestimmung heraus – auch hier muss zur „Beseitigung“ des Aufsichtsrats ein Statusverfahren durchgeführt werden.140) _____________

133) Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 433 m. w. N. 134) BGH, AG 1975, 242 mit zustimmender Anmerkung Mertens; einschränkend Spindler in: MünchKomm-GmbHG, § 52 Rn. 76. 135) BT-Drucks. I/3585, S. 19. 136) BAG, NZA 2008, 1025. 137) BVerfG, NZG 2014, 460; dazu Manthey/Hinrichs, NZG 2014, 1096. 138) BAG, NZA 2008, 1025; Mohr/Rehm, BB 2009, 1806, 1809. 139) Vgl. den Fall LG Dortmund, Beschl. v. 25.10.2007 – 18 O 55/07, juris. 140) LG Berlin, ZIP 2007, 424; OLG Frankfurt, ZIP 2011, 21; Kowalski/Schmidt, DB 2009, 551, 553.

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Aufsichtsrat

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Das Statusverfahren ist auch außerhalb der Mitbestimmungsgesetze für die GmbH anwendbar, § 27 EGAktG. Es greift auch für die im Wege der Sachgründung errichtete GmbH, die von Anfang an wegen ihrer Arbeitnehmerzahl mitbestimmungspflichtig ist.141) Der Aufsichtsratsstatus ist demnach in zwei unterschiedlichen Verfahrensschritten zu prüfen. Solange kein Statusverfahren durchgeführt ist, bewendet es beim bisherigen Status (Sperrwirkung gemäß § 96 Abs. 4 AktG), bei der GmbH typischerweise also bei der Mitbestimmungsfreiheit und der dadurch bewirkten Aufsichtsratsfreiheit.142) Kein Arbeitsgericht kann für eine GmbH eine Aufsichtsratswahl von Arbeitnehmervertretern durchsetzen, solange nicht der Mitbestimmungsstatus festgestellt ist.

100

Im außergerichtlichen Statusverfahren des § 97 AktG prüft die Geschäftsführung in eigener Verantwortung, ob ein Aufsichtsrat zu bilden und nach welchen Vorschriften er zusammenzusetzen ist. Kommt die Geschäftsführung zu dem Schluss, dass ein Aufsichtsrat errichtet werden muss (oder umgekehrt wegfällt) oder dass der bestehende Aufsichtsrat falsch zusammengesetzt wird, muss die Geschäftsführung die „richtige“ Zusammensetzung nebst den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften bekanntmachen – und zwar vor allem im elektronischen Bundesanzeiger als „Gesellschaftsblatt“ (§ 12) und in sämtlichen Betrieben der Gesellschaft und ihrer Konzernunternehmen. Entgegen Oetker verlangt die Vorschrift keine Begründung – insbesondere also keine Bekanntmachung der Konzernstruktur, der Arbeitnehmerzahlen oder Ausführungen zum Tendenzschutz.143) Erforderlich ist zusätzlich der verfahrensleitende Hinweis des § 97 Abs. 1 Satz 3 AktG: Er nämlich erklärt die Rechtsfolge dieses Verfahrens nach Abs. 2. Wird nicht innerhalb eines Monats nach der Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger ein Gerichtsverfahren nach § 98 AktG eingeleitet, so gilt die Bekanntmachung als richtig und ist der Aufsichtsrat zur nächsten Hauptversammlung entsprechend der Bekanntmachung (neu) zu besetzen.

101

Dieses gerichtliche Statusprüfungsverfahren des § 98 AktG144) kann selbständig in Gang gesetzt werden von den Antragsberechtigten des § 98 Abs. 2 AktG. Für die Geschäftsführung ist das außergerichtliche Verfahren des § 97 AktG i. d. R. der einfachere und vorrangige Weg. Jedes Mitglied eines bestehenden Aufsichtsrats und vor allem jeder Gesellschafter ist antragsbefugt, ebenso die betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretungen, der qualifizierte Belegschaftsteil und die vorschlagsberechtigten Gewerkschaften und Spitzenorganisationen.145) Zur gerichtlichen Statusfeststellung ist ausschließlich zuständig das Landgericht (Kammer für Handelssachen) im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach dem FamFG (§ 99 Abs. 1 AktG). Das Verfahren sperrt nach § 97 Abs. 3 AktG jedes (weitere) außergerichtliche Statusverfahren. Auch ist den Arbeitsgerichten im Rahmen ihrer Zuständigkeit für das Wahlverfahren die Inzidentfeststellung eines „neuen“ Mitbestimmungsstatus ver_____________ 141) BAG, NZA 2008, 1025. 142) Dazu Henssler/Michel, SAE 2009, 134, 134 ff; Manthey/Hinrichs/Hörtz, NZG 2013, 1370, 1372. 143) Oetker, ZHR 149 (1985), 575, 590; richtig die h. M., etwa Habersack in: MünchKommAktG, § 97 Rn. 24. 144) Dazu Mohr/Rehm, BB 2009, 1806, 1810 f. 145) Eingehend Habersack in: MünchKomm-AktG, § 98 Rn. 12 ff.

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§ 52

Aufsichtsrat

wehrt. Gegen die Entscheidung ist nach § 99 Abs. 3 Satz 2 AktG die sofortige Beschwerde an das OLG statthaft, die nur auf Rechtsfehler gestützt werden kann. Die Rechtskraft der Entscheidung wirkt – wie in jedem Statusverfahren – gegen alle, § 99 Abs. 5 AktG. Hiervon zunächst unabhängig entscheiden die Arbeitsgerichte gemäß § 2a Abs. 1 Nr. 3 ArbGG über Mitbestimmungsfragen, „soweit über die Wahl von Vertretern der Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat und über ihre Abberufung mit Ausnahme der Abberufung nach § 103 Abs. 3 des Aktiengesetzes zu entscheiden ist“. Das heißt: Sämtliche Fragen des aktiven und passiven Wahlrechts und des Wahlverfahrens werden arbeitsgerichtlich geklärt, insbesondere im Zuge der Wahlanfechtung nach § 22 MitbestG und § 11 DrittelbG.

102

III. Aufsichtsratsbesetzung 1.

Größe

Welche Größe der fakultative Aufsichtsrat hat, bestimmt die Satzung frei. Richtigerweise kann er auch aus nur einer Person bestehen.146) Das Wort „Rat“ impliziert keine Mehrzahl – auch der Betriebsrat besteht in Betrieben von 5 bis 20 Arbeitnehmern aus nur einer Person (§ 9 BetrVG). Abs. 1 stellt die Größe zur Disposition – und macht keine Vorgaben hinsichtlich der Entscheidungsfähigkeit, etwa eine ungerade Mitgliederzahl. Für die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats ist die Satzung verantwortlich. Trifft die Satzung keine Regelung über die Größe, so ist nach Abs. 1 § 95 Satz 1 AktG anzuwenden, weswegen der Aufsichtsrat dann aus drei Personen besteht.

103

Greift das DrittelbG, so wird § 95 AktG erstens insgesamt anwendbar und zweitens zwingend, § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG. Der Aufsichtsrat besteht also aus drei Personen, die Satzung kann aber eine größere Zahl vorgeben, die durch drei teilbar sein muss, § 95 Satz 3 AktG – allerdings sind die nach Grundkapital gestaffelten Höchstzahlen in § 95 Satz 4 AktG (9/15/21 Mitglieder) zu beachten.

104

Nach dem MitbestG ist der Aufsichtsrat je nach Unternehmens- bzw. Konzernbelegschaftsgröße mit 12, 16 oder 20 Mitgliedern besetzt, die je zur Hälfte Anteilseigner- und Arbeitnehmervertreter sind, § 7 Abs. 1 MitbestG. Vergrößerung qua Satzung über 20 ist unzulässig.147) Da die GmbH für Großunternehmen mit mehr als 10.000 Beschäftigten praktisch nicht genutzt wird, bleibt es beim 12er-Rat.

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2.

Besetzung

Für Aufsichtsratsmitglieder gibt Abs. 1 i. V. m. §§ 100 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 sowie § 105 AktG die persönlichen Amtsvoraussetzungen vor: Aufsichtsrat kann nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein, die keiner Betreuung in Vermögensangelegenheiten unterliegt. Das Aufsichtsratsmitglied darf nicht Mitglied der Geschäftsführung, Prokurist oder General-Handlungsbevollmächtigter sein (§ 105 AktG) und auch nicht gesetzlicher Vertreter eines von der Gesellschaft _____________ 146) H. M., Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 52 Rn. 32; Henssler/Strohn-Henssler, GesR, § 52 GmbHG Rn. 5. 147) BGH, NZG 2012, 347.

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Aufsichtsrat

abhängigen Unternehmens. Wohl aber darf das GmbH-Aufsichtsratsmitglied viele andere Aufsichtsratsmandate haben (§ 100 Abs. 2 Nr. 1 AktG) oder eine „Überkreuzaufsicht“ nach § 100 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 AktG ausüben148) (anders aber, wenn die GmbH mitbestimmt ist, weil dann weiterreichende Verweisungen greifen) – oder aber zugleich dem Aufsichtsrat und einem weiteren Beirat angehören. Auch können Arbeitnehmer, insbesondere Leitende Angestellte, in den Aufsichtsrat berufen werden. 107

Für kapitalmarktorientierte GmbHs verlangt § 100 Abs. 5 AktG mindestens ein Mitglied mit Sachverstand auf den Gebieten der Rechnungslegung oder Abschlussprüfung. Darüber hinaus müssen die Mitglieder in ihrer Gesamtheit über Sektorkenntnis verfügen. Das Übergangsrecht für Alt-Aufsichtsratsmitglieder enthält § 12 Abs. 4 und 5 EGAktG.

108

Diese Amtsvorgaben sind nach § 52 Abs. 1 an sich dispositiv, wenn nicht die Gesellschaft mitbestimmt ist. Greift hingegen die Mitbestimmung, lässt die Verweisung in § 6 Abs. 2 S. 1 MitbestG bzw. § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG diese und weitere aktienrechtliche Vorschriften zwingend gelten. Trotz der Dispositivität soll ein Regelungskern für den echten Aufsichtsrat mit Kontrollbefugnis unverzichtbar sein.149) Die Satzung verhielte sich widersprüchlich, wenn sie einerseits ein echtes Aufsichtsorgan installierte, andererseits aber die Funktionstrennung von Geschäftsführung und Aufsicht aufhöbe. Die Gegenauffassung150) hat vor allem das Gesetz auf ihrer Seite. Wenn die Satzung ein Board errichtet, in welchem auch Geschäftsführer sitzen, so mag man dessen Kontrolltauglichkeit bezweifeln. Nichts anderes gilt für juristische Personen als Mitglieder.151) § 52 Abs. 1 eröffnet umfassenden konzeptionellen Spielraum – auch weil die Gesellschafterversammlung als effektives Aufsichtsorgan im Hintergrund steht. Auf der anderen Seite kann die Satzung weitere persönliche Voraussetzungen formulieren, etwa bestimmte Sachkenntnis verlangen – aber nur für Anteilseignervertreter, § 100 Abs. 4 AktG. Vorsicht ist mit Blick auf § 6 Abs. 3 AGG geboten, wenn ein bestimmtes Lebensalter152) oder eine Staatsangehörigkeit gefordert werden.

109

Für Arbeitnehmervertreter gelten diese Anforderungen ebenfalls. Allerdings müssen die Personen zunächst Arbeitnehmer des Unternehmens sein; das Volljährigkeitserfordernis folgt zusätzlich aus dem passiven Wahlrecht (§ 4 Abs. 3 Satz 1 DrittelbG, § 7 Abs. 4 Satz 1 MitbestG) – dort ist zugleich gefordert, dass die Arbeitnehmervertreter dem Unternehmen mindestens ein Jahr angehören. § 6 Abs. 2 Satz 1 MitbestG lässt überdies Prokuristen als Arbeitnehmervertreter weithin zu (und modifiziert damit § 105 Abs. 1 AktG). Das DrittelbG enthält keine solche Erleichterung. Leitende Angestellte sind im DrittelbG nicht wählbar (§ 3 Abs. 1); § 15 Abs. 1 Satz 2 MitbestG hingegen reserviert ihnen einen Sitz. Externe Arbeitnehmervertreter können im DrittelbG ab dem dritten Arbeitnehmervertreter (also ab dem neunköpfigen _____________ 148) Str. für die AG, weil Nr. 1 vom obligatorischen Aufsichtsrat spricht, in Nr. 3 das Adjektiv hingegen fehlt; für die Gegenansicht Habersack in: MünchKomm-AktG, § 100 Rn. 38. 149) Allg. Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 52 Rn. 8 m. w. N. 150) Scholz-Schneider, GmbHG, § 52 Rn. 256. 151) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 52 Rn. 34. 152) BGH, NZA 2012, 797.

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§ 52

Aufsichtsrat

Aufsichtsrat) gewählt werden (§ 4 Abs. 2); das MitbestG reserviert im 12- und 16köpfigen Aufsichtsrat zwei Mandate für Gewerkschaftsvertreter, im 20-köpfigen sogar drei (§ 7 Abs. 2 MitbestG), doch können die Gewerkschaftsvertreter auch Arbeitnehmer des Unternehmens sein. So ist den Gewerkschaften ein Vorschlagsrecht zugewiesen. Weitere „Repräsentationsvorgaben“ sind nicht zu beachten. Der mitbestimmungstypische Geschlechterproporz nach § 4 Abs. 4 DrittelbG (im MitbestG fehlt eine Entsprechung) ist unverbindliche Soll-Vorschrift – anders als im BetrVG fehlt jeder Durchsetzungsmechanismus einer Geschlechterquote (vgl. § 15 Abs. 2 BetrVG i. V. m. § 15 Abs. 5 WahlO). Auch wenn – insbesondere im Konzern, aber auch in der GmbH und Co. – Belegschaften verschiedener Unternehmen zusammengefasst werden, verzichtet das Gesetz auf unternehmensbezogene Repräsentationsvorgaben. Im Aufsichtsrat einer Kapitalanlage GmbH muss – zwingend – mindestens ein unabhängiges Mitglied vertreten sein, § 18 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Satz 1 KAGB. 3.

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Insbesondere Frauenquote

Die feste Frauenquote von 30 % nach dem Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst153) betrifft die GmbH nicht – sondern nur die paritätisch mitbestimmte und börsennotierte AG, § 96 Abs. 2 AktG. Für die gesetzlich mitbestimmte GmbH (auch schon bei Drittelbeteiligung) ist im neuen Abs. 2 die Pflicht vorgesehen, autonom eine „weiche“ Quote für Aufsichtsräte und Geschäftsführer festzulegen. Zuständig ist im Fall der Drittelbeteiligung die Gesellschafterversammlung, die diese Zuständigkeit dem Aufsichtsrat übertragen kann. Zwar bestimmt § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG i. V. m. § 111 Abs. 5 AktG, der Aufsichtsrat sei zuständig, doch ist § 52 Abs. 2 Satz 1 ist spezieller. Unter den übrigen Mitbestimmungsgesetzen ist nur der Aufsichtsrat zuständig, Abs. 2 Satz 3. Das Gesetz unterscheidet zwischen den Mitbestimmungsregimen, weil nach § 31 Abs. 1 Satz 1 MitbestG, § 12 MontanMitbestG oder § 13 Satz 1 MitbestErgG der Aufsichtsrat die Personalkompetenz über die Geschäftsführer hat.154) Die Festlegung nach Abs. 2 Satz 2 obliegt dem Aufsichtsrat in originärer Zuständigkeit, weswegen die Gesellschafterversammlung nicht per Weisung eingreifen kann.

111

Nach § 5 Satz EGGmbHG musste die erste Quote bis 30. September 2015 beschlossen sein; gemäß Satz 2 durfte die erste Quotenerfüllungsfrist nicht länger als bis zum 30. Juni 2017 währen. Harte Sanktionen sieht das Gesetz nicht vor. Der „leere“ Stuhl im Aufsichtsrat greift nur für die gesetzlich feste Quote. Zu den QuotenEinzelheiten einschließlich der Rechtsfolgen siehe die Kommentierung zu § 36.

112

Weil die Quotenpflicht an die gesetzliche Mitbestimmung anknüpft, greift sie nicht für den fakultativen Aufsichtsrat. Auch führt jede Mitbestimmungsvermeidung (siehe Rn. 86 ff) zum Entfall der Aufsichtsratspflicht und damit aus der Quotenpflicht.

113

_____________ 153) BGBl. 2015 I S. 642. 154) Müller-Bonanni/Forst, GmbHR 2015, 621, 625.

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§ 52 4.

Aufsichtsrat

Amtszeit

a) Amtsbeginn: Bestellung/Entsendung oder Wahl 114

Die Anteilseignervertreter werden von der Gesellschafterversammlung gewählt (bestellt), ohne nähere Satzungsregel mit einfacher Mehrheit, §§ 48 Abs. 1, 47 Abs. 1. Das kann auch im Umlaufverfahren des § 48 Abs. 2 geschehen. Die Satzung kann Gesellschaftern ein Entsenderecht verschaffen, das entweder einer bestimmten Person oder aber dem jeweiligen Inhaber des Anteils zustehen kann. Praktisch wird das insbesondere für Kommunen, Landkreise und Länder als Gesellschafter – hier ist dann zusätzlich fragwürdig, ob Aufsichtsratsmitglieder einem Weisungsrecht der Körperschaft des öffentlichen Rechtes unterstellt werden können.155) Jedenfalls beim freiwilligen Aufsichtsrat ist § 116 AktG nicht kraft Gesetzes anwendbar, sodass die Satzungsfreiheit Einflussnahmen der Gesellschafter durchaus zulässt.156) Allerdings muss sich das Weisungsrecht zumindest nach Auslegung positiv aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben;157) allein das Abbedingen der aktienrechtlichen Vorschriften im Gesellschaftsvertrag reicht hierzu nicht aus.158) Erst bei der nach dem DrittelbG oder dem MitbestG mitbestimmten GmbH ist jene Vorschrift zwingend anzuwenden, sodass das Aufsichtsratsmitglied auf das Unternehmensinteresse verpflichtet ist und hiergegen verstoßende Weisungen nicht befolgen darf.159)

115

Entsenderechte Dritter (also von Nichtgesellschaftern) sind umstritten: Teils sollen sie gegen körperschaftliche Strukturprinzipien verstoßen (weswegen § 101 Abs. 2 Satz 1 AktG, den § 52 Abs. 1 nicht erwähnt, hier nicht gelten müsse),160) teilweise wird nur gefordert, dass das Entsenderecht von den Gesellschaftern jederzeit aufgehoben werden kann.161) Jedenfalls möglich bleiben Stimmbindungen.

116

Arbeitnehmervertreter nach DrittelbG und MitbestG werden gewählt. Die (einfachere) Entsendung durch eine betriebsverfassungsrechtliche Vertretung ist nur nach Maßgabe einer Mitbestimmungsvereinbarung möglich, die der GmbH nur im Fall der grenzüberschreitenden Verschmelzung nach dem MgVG eröffnet ist. Das Wahlverfahren des DrittelbG ist der Betriebsverfassung nachgebildet; das DrittelbG enthält nur eine rudimentäre Regelung in den §§ 5, 7; die Einzelheiten folgen aus der Wahlordnung zum DrittelbG.162) Das Wahlverfahren nach dem MitbestG ist deutlich _____________ 155) Zum Meinungsstand Henssler/Strohn-Henssler, GesR, § 52 GmbHG Rn. 11. Aufsichtsratsprotokolle können wegen § 3 Nr. 4 IFG nicht von Behördenvertretern herausverlangt werden, VG Berlin, Urt. v. 13.11.2013 – 2 K 293.12, juris. 156) BVerwG, NJW 2011, 3735 m. kriti. Anm. Altmeppen; zustimmend Brötzmann, GmbHR 2011, 1208; vgl. weiter Heidel, NZG 2012, 48; Spindler, ZIP 2011, 689, 694; Weckerling-Wilhelm/ Mirtsching, NZG 2011, 327, 329; Schäfer, Mitbestimmung in kommunalen Eigengesellschaften (1988); Altmeppen, NJW 2003, 2561; Altmeppen in: FS Uwe H. Schneider, S. 1; Ehlers, JZ 1987, 218; zur Haftung bei Weisungsgebundenheit Vetter, GmbHR 2012, 181, 184 f; Ziche/Herrman, DÖV 2014, 111. 157) Sächsisches OVG, AG 2012, 883. 158) BVerwG, NJW 2011, 3735, 3736. 159) Rodewald/Wohlfarter, GmbHR 2013, 689, 690; kritisch Ziche/Herrmann, DÖV 2014, 111, 112. 160) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 52 Rn. 43 m. w. N. 161) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 52 Rn. 12. 162) Näher zum Wahlverfahren nach dem DrittelbG Wißmann/Kleinsorge/Schubert, MitbestR, § 5 DrittelbG Rn. 15 ff; Habersack/Henssler-Habersack, MitbestR, § 5 DrittelbG Rn. 6 ff.

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§ 52

Aufsichtsrat

komplizierter, vor allem weil hier die unmittelbare und die komplizierte Delegiertenwahl miteinander konkurrieren, §§ 9-18 MitbestG.163) Auch die Wahlen nach dem MitbestG sind in der Wahlordnung zu diesem Gesetz geregelt. Geschehen im Wahlvorgang Fehler, ist die Wahlanfechtung möglich, § 22 MitbestG. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung bleiben die (fehlerhaft) Gewählten im Amt; die nächste Wahl der Arbeitnehmervertreter erledigt jedes noch rechtshängige Wahlanfechtungsverfahren. Eine gerichtliche Bestellung nach § 104 AktG kommt im fakultativen Aufsichtsrat nicht in Betracht, da § 104 AktG von der Verweisung in § 52 Abs. 1 nicht erfasst ist und für eine analoge Anwendung kein Bedürfnis besteht.164) Die Gesellschaft bleibt ohne fakultativen Aufsichtsrat handlungsfähig, weil seine satzungsmäßigen Aufgaben der Gesellschafterversammlung zufallen.165) Diese Rückfallkompetenz ist bei fakultativen Organen der GmbH allgemein anerkannt.166) Sie lässt sich mit der Stellung der Gesellschafterversammlung als oberstes Organ der GmbH167) oder einer ergänzenden Satzungsauslegung begründen.168)

117

b) Amtsende Das Amt endet als höchstpersönliches durch Tod, Amtsniederlegung und mit Ablauf der Amtszeit – falls die Satzung eine solche bestimmt.169) Sonst ist das Aufsichtsratsmitglied auf unbestimmte Zeit berufen. Die Höchstamtszeit des § 102 AktG ist in der Verweisung des Abs. 1 nicht enthalten. Sie gilt aber, wenn das DrittelbG oder das MitbestG greifen, weil dann deren schärfere Verweisungen die Amtszeit übernehmen.

118

Auch Arbeitnehmervertreter verlieren ihr Amt durch Tod, Niederlegung und Ablauf der Amtszeit (dieselbe wie für Anteilseignervertreter, § 15 Abs. 1 MitbestG, § 5 Abs. 1 DrittelbG).

119

Hinzu kommt der Verlust der Wählbarkeit: Endet das Arbeitsverhältnis (etwa durch Kündigung oder durch Wechsel in freie Mitarbeit) oder wird das Aufsichtsratsmitglied zum Leitenden Angestellten befördert (nur im DrittelbG, § 24 Abs. 2 MitbestG), so scheidet der Arbeitnehmer aus dem Aufsichtsrat aus, § 24 Abs. 1 MitbestG. Im DrittelbG fehlt eine Vorschrift, doch handelt es sich um ein allgemeines Prinzip der Mitbestimmung, vgl. § 24 Nr. 4 BetrVG. Dem Arbeitnehmer fehlt die Legitimations-

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_____________ 163) Zu den Wahlen nach dem MitbestG Gach in: MünchKomm-AktG, § 15 MitbestG Rn. 5 ff; Raiser/Veil/Jacobs, MitbestG/DrittelbG, Vor § 9 MitbestG Rn. 1 ff; Wißmann/Kleinsorge/ Schubert, MitbestR, Vor § 9 MitbestG Rn. 1 ff. 164) OLG Frankfurt, GmbHR 2014, 477; Spindler in: MünchKomm-GmbHG, § 52 Rn. 147, der eine gerichtliche Bestellung allerdings für möglich hält, wenn die Satzung auf § 104 AktG verweist; a. A. Scholz-Schneider, GmbHG, § 52 Rn. 242, wenn dem Aufsichtsrat wesentliche Funktionen innerhalb der Entscheidungsorganisation der Gesellschaft zugebilligt worden sind. 165) BGH, NJW 1954, 799; OLG Frankfurt, NJW-RR 1995, 36. 166) Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 45 Rn. 111 m. w. N. 167) Liebscher in: MünchKomm-GmbHG, § 45 Rn. 111. 168) Ulmer/Habersack/Löbbe-Hüffer/Schürnbrand, GmbHG, § 45 Rn. 27; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rn. 11. 169) BGH, BGHZ 123, 15.

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§ 52

Aufsichtsrat

grundlage.170) Dasselbe gilt, wenn der aus einem Tochterunternehmen gewählte Arbeitnehmer mit dem Tochterunternehmen aus dem die Wählbarkeit tragenden Konzernzusammenhang ausscheidet. Das ist im DrittelbG schon der Fall, wenn der Vertragskonzern endet (siehe Rn. 58). 121

Der Arbeitgeberwechsel durch Betriebsübergang nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB führt ebenfalls zum Verlust des Amtes, wenn das Arbeitsverhältnis eines unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieds auf ein Unternehmen übergeht, das weder nach § 4 Abs. 1 MitbestG noch nach § 5 MitbestG bei der Wahl jenes Aufsichtsrats zu berücksichtigen ist. Es fehlt dann an den besonderen Wählbarkeitsvoraussetzungen des § 7 Abs. 4 MitbestG.171) Allerdings kann das Aufsichtsratsmitglied durch Widerspruch nach § 613a Abs. 6 BGB den Arbeitgeberwechsel und damit den Amtsverlust hindern – wenn beim Veräußerer der mitbestimmte Aufsichtsrat fortbesteht.

122

Die Abberufung von Eignervertretern ist durch das bestellende Organ frei möglich; für die vorzeitige Abberufung bei fester Amtszeit ist im Zweifel eine ¾-Mehrheit erforderlich, weil Abs. 1 und die Mitbestimmungsgesetze auf § 103 Abs. 1 Satz 2 AktG verweisen,172) allerdings unter Satzungsvorbehalt. Ein Abberufungsrecht des Entsendeberechtigten kommt nur kraft Satzungsklausel in Betracht, weil Abs. 1 nicht auf § 103 Abs. 2 AktG verweist. Eine ergänzende Satzungsauslegung, die dann doch den Entsendeberechtigten zur Abberufung ermächtigt173) scheidet richtigerweise aus. Die Verweisung erfasst auch nicht § 103 Abs. 3 AktG, weswegen die gerichtliche Abberufung aus wichtigem Grund ausscheidet.174) Sie kann nicht durch Satzung begründet werden.175) Grund: Es steht der einfachere Weg der freien Abberufung offen. Im obligatorischen GmbH-Aufsichtsrat ist § 103 Abs. 3 AktG dagegen anwendbar, nach § 6 Abs. 2 Satz 1 MitbestG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG oder § 18 Abs. 2 Satz 3 KAGB.176) Das Verfahren wird nur auf Antrag des Aufsichtsrats eingeleitet, § 103 Abs. 3 Satz 1 und 2 AktG. Der Aufsichtsrat beschließt hierüber mit einfacher Mehrheit, wobei das betroffene Mitglied nicht stimmberechtigt ist.177) Zuständig ist das Amtsgericht des Gesellschaftssitzes, § 23a Abs. 2 Nr. 4 GVG i. V. m. § 375 Nr. 3 FamFG, § 14 AktG.

123

Für die Abberufung von Arbeitnehmervertreter ist zu unterscheiden: –

Im fakultativen Aufsichtsrat können sie jederzeit nach § 103 Abs. 1 AktG abberufen werden, auch aus wichtigem Grund178) – wie Eignervertreter.

_____________ 170) BAG, NZA 2001, 461; LAG Nürnberg, NZA-RR 2006, 358; Habersack/Henssler-Henssler, MitbestR, § 12 DrittelbG Rn. 16. 171) Wißmann/Kleinsorge/Schubert, MitbestR, § 24 MitbestG Rn. 5. 172) Spindler in: MünchKomm-GmbHG § 52 Rn. 198, 203. 173) So Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 52 Rn. 49. 174) Ulmer/Habersack/Löbbe-Heermann, GmbHG, § 51 Rn. 50; Scholz-Schneider, GmbHG, § 52 Rn. 292. 175) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 52 Rn. 48 m. w. N. 176) Zu den Anforderungen Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 52 Rn. 198. 177) BayObLG, AG 2003, 427. 178) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 52 Rn. 47; Ulmer/Habersack/LöbbeHeermann, GmbHG, § 52 Rn. 50.

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Aufsichtsrat



Im obligatorischen Aufsichtsrat gilt zwingend § 103 Abs. 3 AktG, weswegen eine gerichtliche Abberufung auch der Arbeitnehmervertreter aus wichtigem Grund möglich ist. Vorübergehenden Interessenkonflikten ist durch ein Ruhen des Aufsichtsratsmandats, genauer: mit dem Verlust des Stimmrechts nach § 136 AktG (analog) zu begegnen, etwa wenn der Gewerkschaftsführer einen Streik gegen die Gesellschaft führt.179) Die freie Abberufung der Arbeitnehmervertreter ist (theoretisch) nach Maßgabe von § 12 DrittelbG oder § 23 MitbestG möglich, jeweils mit näherer Konkretisierung in der WahlO. Dazu braucht es eine Belegschaftsabstimmung mit Dreiviertelmehrheit; im Fall der Delegiertenwahl eines entsprechenden Delegiertenbeschlusses.

Da bei der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder Ersatzmitglieder mitgewählt werden können, treten diese an die Stelle des ausgeschiedenen Mitglieds, § 101 Abs. 3 AktG i. V. m. § 17 MitbestG und § 7 DrittelbG. Ist kein Ersatzmitglied (mehr) vorhanden, bleiben nur gerichtliche Ersatzbestellung oder Nachwahl.180)

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c) Feststellung des Amtsverlustes Der automatische Amtsverlust muss mitunter festgestellt werden; dafür sind nach h. M. die ordentlichen Gerichte zuständig, weil die Sonderzuweisung des § 2a Abs. 1 Nr. 3 ArbGG nicht greift: Es geht weder um Wahl noch um Abberufung der Arbeitnehmervertreter, sondern um den Amtsverlust kraft Gesetzes.181) Einschlägig ist nicht das Statusverfahren des § 98 AktG, weil es nicht um die abstrakte Zusammensetzung des Aufsichtsrats geht. Für diesen passt auch schon die Kontinuitätsanordnung des § 96 Abs. 2 AktG und die Vorstandskompetenz des § 97 AktG nicht. Auch wenn dieses Verfahren bei den unternehmensrechtlichen Streitigkeiten in § 375 Nr. 3 FamFG vergessen worden ist, ist es richtigerweise der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuzuordnen.182) 5.

125

Publizität (Abs. 3 Satz 2)

Abs. 3 Satz 2 ordnet zwingend an, dass Aufsichtsratsmitglieder (auch Arbeitnehmervertreter) publik gemacht werden – durch eine zum Handelsregister gegebene Liste, die bei Mitgliederwechsel entsprechend zu aktualisieren ist.

126

Weil die Norm zwingend ist, kann die Gesellschaft der Publizität nicht dadurch entgehen, dass das Aufsichtsorgan „Beirat“ oder anderswie genannt wird. Allerdings muss ein solcher Beirat ein Mindestmaß an Organ- also Aufsichtsbefugnissen haben, um als funktionaler Aufsichtsrat zu gelten.183) Ein reines Beratungsgremium ist nicht publizitätspflichtig – ebenso wenig der neben einem Aufsichtsrat konstituierte Beirat.

127

_____________ 179) Dazu Hanau/Wackerbarth, Unternehmensmitbestimmung und Koalitionsfreiheit (2004), S. 86 f; Hirte/Mülbert/Roth-Oetker, § 26 MitbestG Rn. 19 ff. 180) Gach in: MünchKomm-AktG, § 24 MitbestG Rn. 7. 181) Vgl. Habersack/Henssler-Henssler, MitbestR, § 24 MitbestG Rn. 9; Raiser/Veil/Jacobs, MitbestG/DrittelbG, § 24 MitbestG Rn. 4; Wißmann/Kleinsorge/Schubert, MitbestR, § 24 MitbestG Rn. 19 m. w. N. 182) Vgl. schon BGH, NJW 1963, 905. 183) Henssler/Strohn-Henssler, GesR, § 52 GmbHG Rn. 23b.

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Ist der Aufsichtsrat mitbestimmt, greift parallel die Bekanntmachungspflicht aus § 19 MitbestG und § 8 DrittelbG.

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Der Vorsitzende des Aufsichtsrats muss zudem auf den Geschäftsbriefen verzeichnet sein (siehe § 35a Abs. 1 Satz 1, siehe Rn. 5; ebenso siehe § 71 Abs. 5 Halbs. 2). IV. Rechtsstellung und Haftung des Aufsichtsratsmitglieds 1.

Korporative Rechtsstellung und Vergütung

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Das Mitglied des Aufsichtsrats mit Organfunktion hat eine korporative Rechtsstellung im gesellschaftsrechtlichen Organisationsgefüge. Daneben kann seine Rechtsstellung durch Anstellungsvertrag geregelt sein, bei Gesellschaftern tritt deren Mitgliedschaft hinzu, die auch schon in der Satzung mit einem Recht zum Mandat versehen sein kann. Es verhält sich nicht anders als bei Geschäftsführern (siehe § 35 Rn. 13 [Jacoby]). Ob das Aufsichtsratsmandat vergütet wird oder Ehrenamt ist, entscheidet zuerst die Satzung, daneben der Gesellschafterbeschluss, § 113 AktG (nach Abs. 1 und den Mitbestimmungsgesetzen anwendbar). Das Angemessenheitsgebot aus § 113 Abs. 1 Satz 3 AktG beschränkt aber nicht den einstimmigen Gesellschafterbeschluss, weil die Gesellschafter nicht vor sich selbst zu schützen sind.

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Arbeitnehmervertreter sind nach den Mitbestimmungsgesetzen den Anteilseignervertretern nur gleichzustellen – ein mitbestimmungsrechtliches Vergütungsgebot gibt es nicht. Ist das Mandat als Ehrenamt ausgestaltet, besteht Anspruch auf Aufwendungsersatz, § 670 BGB (ggf. i. V. m. § 27 Abs. 3 BGB). Erhält der Aufsichtsrat eine Vergütung, kann er daneben Aufwendungsersatz nur verlangen, wenn die Aufwendungen nicht schon durch die Vergütung abgedeckt sein sollen. Pauschalierte Aufwendungen („Sitzungsgeld“) sind Vergütung, wenn keine Abrechnung erfolgt.

132

Sollen Aufsichtsratsmitglieder (oder deren Unternehmen) separate (Beratungs-)Leistungen an die Gesellschaft erbringen (vor allem: Anwälte), ist für entsprechende Mandatierung nach § 114 Abs. 1 AktG grundsätzlich die Zustimmung des gesamten Aufsichtsrats erforderlich.184) Dagegen verweist weder Abs. 1 noch das DrittelbG oder das MitbestG auf § 115 AktG, weswegen die Kreditgewährung an Aufsichtsratsmitglieder keinen Beschränkungen unterliegt. Grenze jeder Vergütung sind § 299 StGB und andere Fälle der Aufsichtsratsbestechung.185) 2.

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Haftung

Die (dispositive) Haftungsregelung des Abs. 1, der auf die §§ 116, 93 Abs. 1 und 2 Satz 1 und 2 AktG verweist, knüpft an eine entsprechende Pflichtverletzung des Aufsichtsratsmitglieds an – setzt also eine Pflichtverantwortung wie nach §§ 116, 93 AktG voraus. Für den fakultativen Aufsichtsrat sind indes keine zwingenden Pflichten definiert. Folgt der Aufsichtsrat dem in Abs. 1 geregelten Leitbild, so wird jedes Aufsichtsratsmitglied von einer entsprechenden Aufsichtspflicht im Unterneh_____________ 184) Dazu BGH, NZG 2006, 712; BGH, NZG 2007, 103; BGH, ZIP 2007, 1056; dazu Weiß, BB 2007, 1853; BGH, GmbHR 2009, 1103 mit Anm. Rohde; BGH, NJW 2012, 3235; Scheuffele/Baumgartner, GmbHR 2010, 400; Lorenz/Pospiech, NZG 2011, 81; Ullrich, GmbHR 2012, 1153; zur Genehmigungsfähigkeit OLG Köln, NZG 2013, 548. 185) Dazu und zur rechtswidrigen Praxis gegenüber Betriebsratsmitgliedern im Aufsichtsrat: Rieble, AG 2016, 315 ff.

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mensinteresse erfasst, Abs. 1, § 111 Abs. 1 AktG. Für bloße Beratungsgremien hingegen kann es keine Aufsichtspflicht geben – sondern nur die Pflicht zu sorgfältiger Beratung und ggf. Aufdeckung von Interessenkonflikten; diese aber ist nicht organtypisch. Da die Pflichtenstellung des Aufsichtsrats frei wählbar ist, kommt die strenge Organhaftung nach Abs. 1 i. V. m. §§ 116, 93 AktG nur für jene „Aufsichtsräte“ in Betracht, die organschaftlich mindestens zur Aufsicht über die Geschäftsführer berufen sind. Sind dem Aufsichtsrat weitergehende Pflichten überantwortet – etwa die Prüfung und Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Geschäftsführung – so handelt es sich um Vermögensbetreuungspflichten, die in die Strafbarkeit wegen Untreue münden können.186) Insofern ist bei der Ausgestaltung der Aufsichtsratsaufgaben eine sorgfältige Verantwortungs- und Risikoanalyse geboten.187) Da die Vergütungsvorgaben für Vorstände von Aktiengesellschaften in § 87 Abs. 1 AktG für GmbH-Geschäftsführer insgesamt nicht gelten (siehe § 35 Rn. 13 [Jacoby]) und auch für die paritätisch mitbestimmte GmbH jede Analogie an der Regelungslücke scheitert,188) trifft den Aufsichtsrat keine entsprechende Vergütungsverantwortung.

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Gehaftet wird nach Abs. 1 i. V. m. § 116 AktG i. V. m. § 93 Abs. 1, 2 AktG nur gegenüber der Gesellschaft und nicht gegenüber den Gesellschaftsgläubigern.189) Es handelt sich um eine reine Innenhaftung. Eine unmittelbare Haftung gegenüber Dritten kommt für den fakultativen Aufsichtsrat nur wegen unerlaubter Handlung in Betracht. Hierbei ist vor allem an § 823 Abs. 2 BGB wegen Verletzung eines gläubigerschützenden Schutzgesetzes, an § 826 BGB oder auch an § 823 Abs. 1 BGB zu denken.190) Auch gegenüber Gesellschaftern, deren Schaden sich regelmäßig als Reflexschaden der Gesellschaft darstellt, kommt eine Haftung allenfalls nach §§ 823, 826 BGB in Betracht.191) Ein faktisches Aufsichtsratsmitglied, das fehlerhaft oder sogar gar nicht bestellt ist, sich aber als Aufsichtsratsmitglied geriert oder Organbefugnisse ausübt, haftet wie ein echtes Aufsichtsratsmitglied. Entscheidend für die Haftung ist die Begründung eines Rechtsscheins, als Aufsichtsrat tätig zu sein.192) Wurde der Schaden durch mehrere Aufsichtsratsmitglieder verursacht, haften diese als Gesamtschuldner gemäß §§ 421 ff BGB. Ein Aufsichtsratsmitglied, das über beruflich erworbene Spezialkenntnisse verfügt, unterliegt einem erhöhten Haftungsmaßstab, sofern sein Spezialgebiet betroffen ist.193)

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_____________ 186) Vgl. BGH, NJW 2016, 2585 sowie grundlegend die „ARAG-Garmenbeck“-Entscheidung des BGH, NJW 1997, 1926; weiter van Venrooy, GmbHR 2009, 449. 187) Exemplarisch Schwerdtfeger, NZG 2017, 455 ff. 188) Dazu Habersack, ZHR 174 (2010), 2, 6 ff; Rieble/Schmittlein, Vergütung von Vorständen und Führungskräften (2011) Rn. 40 ff. 189) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 52 Rn. 34; Ulmer/Habersack/LöbbeHeermann, GmbHG, § 52 Rn. 148. 190) Siehe hierzu Spindler in: MünchKomm-GmbHG, § 52 Rn. 696 ff. 191) Ulmer/Habersack/Löbbe-Heermann, GmbHG, § 52 Rn. 150. 192) Spindler in: MünchKomm-GmbHG, § 52 Rn. 626 m. w. N. 193) BGH, NJW-RR 2011, 1670; allg. zum Sorgfaltsmaßstab für Aufsichtsratsmitglieder Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 52 Rn. 72.

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Die Haftung gegenüber der Gesellschaft richtet sich ausschließlich nach § 93 Abs. 1, 2 AktG, d. h. § 93 Abs. 3 – 6 AktG sind nicht einschlägig, da diese nicht in die Verweisung in Abs. 1 einbezogen sind (arg. e contrario). Das ergibt schon der insoweit eindeutige Wortlaut. Dezidiert und überzeugend hat sich hiermit der BGH in der Rechtssache DOBERLUG auseinandergesetzt und aufgezeigt, dass die Nichteinbeziehung der § 93 Abs. 3 – 6 AktG dem Telos des § 52 Abs. 1 entspricht, gesetzgeberisch intendiert ist und eine Haftung des fakultativen Aufsichtsrates in diesen Fällen (in der zugrundeliegenden Konstellation ging es um § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG) ausscheiden soll.194) Die vom BGH vertretene Ansicht entspricht der Interessenlage, die der Gründung eines fakultativen Aufsichtsrates zugrunde liegt: Der fakultative Aufsichtsrat wird allein im Interesse der Gesellschafter errichtet. Dritte oder der „allgemeine Rechtsverkehr“ sollen durch den fakultativen Aufsichtsrat nicht geschützt werden.195) Dementsprechend erscheint es nicht interessengerecht, den fakultativen Aufsichtsrat für Drittschäden haften zu lassen, was aber die Folge wäre, wenn man § 93 Abs. 3 (Nr. 6) AktG für anwendbar hielte.196)

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Jede Haftung setzt voraus, dass der Gesellschaft durch die Tätigkeit des Aufsichtsrats ein Schaden im Sinne der §§ 249 ff BGB entstanden ist. Für den Fall, dass es nur zu einer Verminderung der Insolvenzmasse kommt, haftet der (fakultative) Aufsichtsrat nicht. In diesem Fall liegt der Schaden beim Insolvenzgläubiger und nicht bei der Gesellschaft. Deren Vermögen wäre in jedem Fall gemindert gewesen (durch Zahlung an die Insolvenzgläubiger), sodass nach der Differenzhypothese ein Schaden gerade fehlt.197) § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG, der für diesen Fall einen Anspruch begründen könnte, wird – wie bereits ausgeführt – von Abs. 1 gerade nicht in Bezug genommen.

138

Hingegen gilt für den obligatorischen Aufsichtsrat das Gegenteil: Hier verweisen sowohl § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG als auch § 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG, § 3 Abs. 2 MontanMitbestG, § 3 Abs. 1 Satz 2 MontanMitbestErgG und § 18 Abs. 2 Satz 3 KAGB auf § 116 AktG und damit auf § 93 AktG.198) Eine Differenzierung zwischen den obligatorischen Aufsichtsräten ist im Hinblick auf die Haftung nach §§ 116, 93 AktG nicht geboten.199)

139

Ein Verzicht auf Schadensersatzansprüche ist durch Beschluss der Gesellschafterversammlung möglich, auch wenn ein Verweis auf § 93 Abs. 4 AktG fehlt. Ebenso _____________ 194) BGH, NJW 2011, 221 m. w. N. im Anschluss an RGZ 161, 129; zustimmend: Keiluweit, BB 2011, 1795; im Ergebnis zustimmend: Karsten Schmidt, GmbHR 2010, 1319; a. A. Schürnbrand, NZG 2010, 1207, 1212, der die entsprechende Anwendbarkeit von § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG bejaht; Altmeppen, ZIP 2010, 1973, der meint, auf eine Anwendbarkeit des § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG komme es gar nicht an, da die Haftung nach § 93 Abs. 1 und 2 AktG ausreiche. 195) Dem BGH zustimmend: Keiluweit, Unterschiede zwischen obligatorischen und fakultativen Aufsichtsgremien – ein Vergleich zwischen Aktiengesellschaft und GmbH, BB 2011, 1795, 1799 f. 196) Weller, GWR 2010, 541. 197) BGH, NJW 2011, 221; OLG Hamburg, ZinsO 2013, 2447. 198) BGH, NJW 2011, 221; Habersack, Anmerkung zu BGH, JZ 2010, 1191, 1192; Henssler/ Strohn-Henssler, GesR, § 52 GmbHG Rn. 35. 199) Ulmer/Habersack/Löbbe-Heermann, GmbHG, § 52 Rn. 307.

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tritt eine Ersatzpflicht des Aufsichtsrats nicht ein, wenn die Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluss der Gesellschafterversammlung beruht.200) Das Fehlen des entsprechenden Verweises auf § 93 Abs. 4 AktG bedeutet nur, dass ein Verzicht auf Schadensersatzansprüche ohne Karenzzeit (§ 93 Abs. 4 Satz 3 AktG) möglich ist.201) Hielte man einen Verzicht aufgrund des fehlenden Verweises für unzulässig, stellte dies den fakultativen Aufsichtsrat schlechter als den obligatorischen. Neben diesen nachträglichen Haftungserleichterungen, kann die Satzung einen Haftungshöchstbetrag vorsehen oder den Haftungsmaßstab auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz beschränken.202) Das Gegenteil muss für den obligatorischen Aufsichtsrat aufgrund der umfassenden Inbezugnahme der §§ 116, 93 AktG in den entsprechenden mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften gelten: Der Verzicht ist hier erst nach drei Jahren möglich, § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG.203) Damit haftet der Aufsichtsrat der mitbestimmten GmbH schärfer als ihr Geschäftsführer für den § 43 Abs. 3 Satz 3 gilt. Aufsichtsratsmitglieder haben turnusmäßig nach Rechnungslegung und Tätigkeitsbericht einen Anspruch auf Entlastung. Diese führt – soweit nicht ein anderes vereinbart ist – zum Verzicht auf alle Schadensersatzansprüche aus den §§ 116, 93 AktG.204)

140

Im Hinblick auf die Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen den fakultativen Aufsichtsrat statuiert Abs. 4 eine – zumindest nach dem BGH zwingende – Verjährungsfrist von fünf Jahren (str.).205) Für den obligatorischen Aufsichtsrat ergibt sich diese zwingende Verjährungsfrist bereits aus den entsprechenden Verweisen auf §§ 116, 93 Abs. 6 AktG.

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Eine D&O-Versicherung zugunsten der Aufsichtsratsmitglieder ist zulässig.206) Der zwingende Selbstbehalt des § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG findet aufgrund der durch das VorstAG eingefügten, eingeschränkten Verweisung in Abs. 1 jedoch gerade keine Anwendung auf den fakultativen Aufsichtsrat.207) Auch in den obligatorischen Aufsichtsräten gibt es keinen Zwang zu einem Selbstbehalt mangels Verweisung in den mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften.208) Denn der von den mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften in Bezug genommene § 116 AktG verweist gerade nicht auf § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG.

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_____________ 200) Henssler/Strohn-Henssler, GesR, § 52 GmbHG Rn. 20; Vetter, GmbHR 2012, 181, 187. 201) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 52 Rn. 77; Ulmer/Habersack/LöbbeHeermann, GmbHG, § 52 Rn. 152; Vetter, GmbHR 2012, 181, 187. 202) Statt vieler Spindler in: MünchKomm-GmbHG, § 52 Rn. 621 m. w. N; weiter ScholzSchneider, GmbHG, § 52 Rn. 524, der eine Beschränkung auf Vorsatz zulässt. 203) So auch Henssler/Strohn-Henssler, GesR, § 52 GmbHG Rn. 35. 204) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 52 Rn. 36; Baumbach/Hueck-Zöllner/ Noack, GmbHG, § 52 Rn. 79. 205) BGH, NJW 1975, 1318 (für eine Publikums-KG), a. A. statt vieler Ulmer/Habersack/ Löbbe-Heermann, GmbHG, § 52 Rn. 153 m. w. N. 206) Spindler in: MünchKomm-GmbHG, § 52 Rn. 427; Vetter, GmbHR 2012, 181, 188. 207) Kerst, WM 2010, 594, 597. 208) Spindler in: MünchKomm-GmbHG, § 52 Rn. 427.

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V. Aufgaben 1. 143

2. 144

Satzungsautonomie und fakultativer Aufsichtsrat

Der freiwillige Aufsichtsrat muss die unabdingbaren Kernkompetenzen von Gesellschafterversammlung und Geschäftsführung achten; insofern ist die Satzungsautonomie beschränkt: Weder kann der Aufsichtsrat zur (umfassenden) organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft berufen werden, weil dies nach § 35 Aufgabe der Geschäftsführung ist; noch kann der Aufsichtsrat die Satzung ändern, weil dies zwingend Aufgabe der Gesellschafterversammlung ist (§ 53).209) Darüber hinaus will ein Teil der Literatur dem Aufsichtsrat eine „typisierte Funktion“ zumessen – mit Blick auf die Verkehrserwartung.210) Daraus soll eine Mindestaufsichtskompetenz erwachsen.211) Vetter begründet dies mit den Anforderungen, die eine „Good Corporate Governance“ stelle.212) Im Gesetz findet diese Auffassung keine Stütze, weil Abs. 1 gerade keinen Mindestaufgabenbestand nach dem Vorbild des AktG formuliert. Eine Aufsichtsratstypik lässt sich auch allenfalls bei der mitbestimmten GmbH und auch nur kraft der dort geltenden gesetzlichen Aufgabenzuweisung feststellen. Für den nach Abs. 1 fakultativen Aufsichtsrat fehlt diese Typik; die Behauptung einer Verkehrserwartung trägt keine Gesetzesergänzung. Zu Weisungsrechten gegenüber dem (entsandten) Aufsichtsratsmitglied siehe Rn. 114. Gesetzlicher Aufsichtsrat

Ist nach dem DrittelbG oder dem MitbestG ein Aufsichtsrat zu bilden, erlangt dieser seine Aufgaben aus der mitbestimmungsrechtlichen Verweisung auf aktienrechtliche Vorschriften. Während das DrittelbG verhältnismäßig harmlos dem Aufsichtsrat (nur) die Kontrolle der Geschäftsführung zuweist (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG i. V. m. § 111 AktG – wozu allerdings auch die Prüfung des Jahresabschlusses rechnet, § 171 AktG), der Gesellschafterversammlung aber die Geschäftsführerbestellung belässt, schließt die h. M. aus § 31 Abs. 1 Satz 1 MitbestG, dass der Aufsichtsrat dort die Geschäftsführer beruft und abberuft213) – und zwar im ersten Abstimmungsgang mit 2/3-Mehrheit (§ 31 Abs. 2 MitbestG), die der Arbeitnehmerseite zunächst ein Veto verschafft (bis sie im dritten Abstimmungsgang überstimmt werden kann, § 31 Abs. 3 Satz 1 MitbestG). Zugleich entscheidet der Aufsichtsrat über die Anstellungsverträge mit den Geschäftsführern der GmbH und damit auch über deren Vergütung (für die § 87 AktG nicht gilt, siehe § 35 Rn. 9 [Jacoby]).214) Das gilt selbst dann, wenn die Vergütung nicht mit dem Geschäftsführer, sondern mit einem Dritten vereinbart wird.215) Der Aufsichtsrat vertritt die Gesellschaft bei Abschluss des Anstellungsvertrages gegenüber dem Geschäftsführer, § 112 AktG. Bestellung und Anstellung kann der Aufsichtsrat nicht auf einen Ausschuss übertragen. Für die Be_____________ 209) Zu den Einzelheiten Oppenländer/Trölitzsch, GmbH-Geschäftsführung, § 9 Rn. 68; Ulmer/ Habersack/Löbbe-Heermann, GmbHG, § 52 Rn. 86 ff. 210) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 52 Rn. 27. 211) So auch Henssler/Strohn-Henssler, GesR, § 52 GmbHG Rn. 12. 212) Vetter, GmbHR 2011, 449, 452 ff. 213) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 52 Rn. 302. 214) Henssler/Strohn-Henssler, GesR, § 52 GmbHG Rn. 40. 215) Zur AG BGH, NZG 2015, 792 Rn. 24.

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stellung ergibt sich das aus § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG, § 107 Abs. 3 Satz 4 AktG. Für die Anstellung ist die genannte Norm nicht eindeutig, aber aus ihrem Verweis auf § 87 AktG kann geschlossen werden, dass die Aufsichtsratsmitglieder die Vergütungsentscheidung nicht delegieren können.216) Die Personalkompetenz des Aufsichtsrats ist fragwürdig, weil die Geschäftsführerbestellung keine zentrale Mitbestimmungsfrage ist, im Gegenteil geht es um die Konstituierung der „Arbeitgeberseite“, die mit Blick insbesondere auf das Tarifsystem und die betriebliche Mitbestimmung an sich gegnerfrei zu erfolgen hat. Die starke Unternehmensmitbestimmung führt systemwidrig dazu, dass die Arbeitnehmerseite Einfluss darauf nehmen kann, wer ihr als Verhandlungspartner gegenübertritt.

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Dass die Arbeitnehmerbeteiligung in der AG zu einer solchen Machtverstärkung gegenüber dem Vorstand führt, ist angesichts der Unternehmensverfassung unausweichlich. Für die GmbH besteht dazu keine Notwendigkeit. Jedenfalls aber muss das (von jeder Mitbestimmung freie) Recht der Gesellschafterversammlung, nach § 111 Abs. 4 Satz 3 AktG, den Aufsichtsrat mit qualifizierter Mehrheit zu überstimmen, entsprechend für die Geschäftsführerbestellung greifen. Davon abgesehen kann die Gesellschafterversammlung am mitbestimmten Aufsichtsrat vorbei dem Geschäftsführer Weisungen geben (siehe Rn. 156).

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Der Aufsichtsrat erlangt die Personalkompetenz, sobald er nach den Vorschriften des MitbestG zusammengesetzt ist. Das kann wegen § 96 Abs. 4 AktG (i. V. m. § 6 Abs. 1 Satz 1 MitbestG bzw. § 27 EGAktG) erst nach Abschluss eines Statusverfahrens geschehen. Die Gefahr eines Schwebezustandes, in dem ein pflichtwidrig nicht bestellter Aufsichtsrat zuständig wäre, besteht damit nicht.217) Die laufende Bestellung und Anstellung der Geschäftsführer bleiben wirksam. Allerdings kann der nunmehr mitbestimmte Aufsichtsrat die Bestellung nach Ablauf von fünf Jahren seit der erstmaligen Anwendung des MitbestG ohne Grund widerrufen, § 37 Abs. 3 Satz 5, Satz 1 MitbestG. Das birgt eine Erleichterung, weil davor und auch sonst ein wichtiger Grund nötig ist, § 31 MitbestG, § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG.218)

147

Schließlich gehört zur „Governance-Funktion“ des gesetzlichen Aufsichtsrats in der mitbestimmten GmbH, eine Frauenquote für den Aufsichtsrat selbst, aber auch für die Geschäftsführer festzulegen, Abs. 2. Für die beiden Managementebenen darunter ist die Geschäftsführung zur Quotenfestsetzung berufen, § 36. Die Quoten selbst sind unverbindlich – den „leeren Stuhl“ des § 96 Abs. 2 S. 6 AktG gibt es nur im Rahmen der harten Quote für börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen. Die GmbH wird stets nur von der „weichen Quote“ erfasst. Sanktioniert wird allein das Verfahren und nie die Verfehlung des selbstgesetzten Quotenziels (siehe § 36 Rn. 22 [Rieble]).

148

Starken Einfluss auf die Geschäftsführung besorgt § 32 MitbestG. Danach kann die Geschäftsführung bestimmte Beteiligungsrechte der Gesellschaft an einer anderen Gesellschaft nur aufgrund von Beschlüssen des Aufsichtsrates ausüben, § 32 Abs. 1 _____________

149

216) Str. vgl. Bernhardt/Bredol, NZG 2015, 419, 421 m. w. N. 217) Das übersieht Fedke, NZG 2017, 848, 850. Er muss deshalb die Rückfallkompetenz der Gesellschafterversammlung analog anwenden. 218) Str. vgl. Bernhardt/Bredol, GmbH, NZG 2015, 419, 42 m. w. N.

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Satz 1 MitbestG. Allerdings entscheiden nur die Anteilseigner, § 32 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 MitbestG. Damit soll verhindert werden, dass Arbeitnehmerinteressen in der anderen Gesellschaft doppelt berücksichtigt werden.219) Doch gilt das nur, wenn beide Gesellschaften dem MitbestG unterfallen und die Beteiligung mindestens ein Viertel erreicht, § 32 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 MitbestG. 3.

Beschlussfassung

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Der Aufsichtsrat entscheidet in Sitzungen (also unter Anwesenden, ggf. auf einer Videokonferenz). Beschlüsse im Umlaufverfahren sind möglich, näher § 108 Abs. 4 AktG. Die Einberufung der Aufsichtsratssitzungen erfolgt durch dessen Vorsitzenden; dessen förmliche Bestellung ist mit Blick auf das Doppelstimmrecht nur für den vom MitbestG erfassten Aufsichtsrat erforderlich, vgl. § 27 Abs. 1 MitbestG und § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG, § 107 Abs. 1 Satz 1 AktG.

151

Der Aufsichtsrat tagt nichtöffentlich, § 109 AktG, und zwar auch dann, wenn es sich um eine kommunale GmbH handelt.220)

152

Dass ein Aufsichtsratsmitglied in eigenen (persönlichen) Angelegenheiten nicht mitstimmen darf, folgt schon aus § 47 Abs. 4 analog (siehe Rn. 53). Darüber hinaus müssen konkrete Interessenkonflikte aller Art zum Ruhen des Stimmrechts führen (für Arbeitnehmervertreter siehe Rn. 119).

153

Ist der Aufsichtsrat falsch besetzt – was bei Arbeitnehmervertretern insbesondere durch Entfall der Wählbarkeit eintreten kann, so sind die Grundsätze des fehlerhaften Organverhältnisses221) ebenso wenig anwendbar wie bei von vornherein nichtig gewählten Aufsichtsräten.222) Dagegen ist der nur anfechtbar gewählte Mandatsträger vorläufig im Amt.223) Beschlüsse, die der falsch besetzte Aufsichtsrat gefasst hat, sind grundsätzlich nichtig.224) Die Bestandsschutzregeln der §§ 241 ff AktG gelten schon aktienrechtlich nicht für Aufsichtsratsbeschlüsse.225)

154

Unrettbar nichtig sind Rechtsakte eines beschlussunfähigen Aufsichtsrats (auch: § 108 Abs. 2 Satz 3 AktG).226) Von solchen Extremfällen abgesehen entschärft die weithin anerkannte „Relevanztheorie“ Rechtsrisiken: Stimmen Nichtberechtigte im Aufsichtsrat ab, soll die Nichtigkeitsfolge davon abhängen, ob gerade diese (Nicht-)-

_____________ 219) Raiser/Veil/Jacobs, MitbestG/DrittelbG, § 32 MitbestG Rn. 1. 220) Wilhelm, Öffentlichkeit und Haftung bei Aufsichtsräten in einer kommunalen GmbH, DB 2009, 944. 221) Hierzu Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 473 ff. 222) J. Koch in: MünchKomm-AktG, § 250 Rn. 28 f. 223) OLG Frankfurt, AG 2011, 36; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 101 AktG Rn. 69 ff; a. A. nun BGH, NZG 2013, 456 im Hinblick auf Stimmabgabe und Beschlussfassung im Aufsichtsrat; so schon Vetter, ZIP 2012, 701; zustimmend Tielmann/Struck, BB 2013, 1548; kritisch Schürnbrand, NZG 2013, 481. 224) Panetta, NJOZ 2008, 4294 f; einschränkend BGH, NZG 2013, 456: Nichtigkeit nur, wenn die Stimme des Nichtmitglieds ursächlich für die Beschlussfassung geworden ist. 225) Eingehend BGH, NJW 1993, 2307; BGH, NZG 2012, 1027, 1028; Henssler/Strohn-Drescher, GesR, § 241 AktG Rn. 7; Wißmann/Kleinsorge/Schubert, MitbestR, § 25 MitbestG Rn. 81. 226) BGH, NJW-RR 2002, 1461.

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Stimme kausal für das Beschlussergebnis war.227) Das gilt auch dann, wenn ausgeschiedene Aufsichtsräte weiter an der Organtätigkeit mitwirken.228) Umstritten ist hingegen der umgekehrte Fall, dass ein Aufsichtsratsmitglied an der Ausübung seiner Amtstätigkeit gehindert wird:229) Die Relevanztheorie ist – mit Blick auf das Behinderungsverbot des § 26 Satz 1 MitbestG – jedenfalls dann nicht anzuwenden, wenn der zu Unrecht ausgeschlossene Aufsichtsrat der Arbeitnehmerbank angehört. Die Rechtssicherheit der Relevanztheorie ist aber begrenzt, weil sie nur ein Kriterium von vielen ist, die wesentliche von unwesentlichen Verfahrensfehlern abgrenzen. Daneben werden noch Ordnungsvorschriften und verzichtbare Verfahrensregeln ausgenommen.230) Inhaltsverstöße führen dagegen immer zur Nichtigkeit.231) VI. Mitbestimmung und Gesellschafterversammlung Die Mitbestimmungsgesetze regeln den obligatorischen Aufsichtsrat durch großzügige Verweise auf das AktG. Darin steckt großes Veränderungspotential für die GmbHVerfassung, weil diese sich grundlegend von der AG unterscheidet. Während in der AG der Vorstand die Geschäfte eigenverantwortlich führt (§ 76 Abs. 1 AktG), der Aufsichtsrat dazu allenfalls ein Vetorecht hat (§ 111 Abs. 4 Satz 1 f AktG) und die Hauptversammlung grundsätzlich nicht beteiligt ist (§ 119 Abs. 2 AktG), genießen die Gesellschafter der GmbH ein umfassendes Weisungsrecht aus § 37 Abs. 1. Dementsprechend obliegt es ihnen, die Geschäftsführung zu prüfen und zu überwachen, § 46 Nr. 6.232) Was der Verweis auf § 111 AktG in § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG oder § 18 Abs. 2 Satz 3 DrittelbG daran ändert, läuft auf die Grundsatzfrage hinaus, wie weit die Mitbestimmungsgesetze das Gesellschaftsrecht beeinflussen.233) 1.

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„Mitbestimmungsfreies“ Weisungsrecht gegenüber dem Geschäftsführer

Der Ausgangspunkt ist eindeutig: Das Weisungsrecht der Gesellschafter wird durch § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG nicht verdrängt.234) Anders als bei der Geschäftsführerbestellung und -anstellung (siehe Rn. 144) modifizieren die Mitbestimmungsgesetze die GmbH-Verfassung hier nicht. Auch § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG sagt hierzu nichts, weil er anders als § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG keine Geschäftsführungsbefug_____________ 227) Etwa Hüffer/Koch, AktG, § 108 Rn. 27; Habersack/Henssler-Habersack, MitbestR, § 25 MitbestG Rn. 41. 228) Macht, MittBayNot 2004, 81, 86. 229) Gegen die Anwendung der Relevanztheorie (und für unbedingte Nichtigkeit) in diesen Fällen Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rn. 77; Hölters-Hambloch-Gesinn/Gesinn, § 108 Rn. 69; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, 3. Aufl. 2013, § 108 Rn. 94; anders OLG Stuttgart, ZIP 1985, 539; OLG Karlsruhe, AG 1996, 224; Hirte/Mülbert/Roth, Großkomm-AktG, 4. Aufl. 2005, § 108 Rn. 152; Wißmann/Kleinsorge/Schubert, MitbestR, § 25 MitbestG Rn. 84. 230) Überblick bei Spindler/Stilz-Spindler, AktG, § 108 Rn. 69 ff und Fleischer, DB 2013, 160 (Teil 1), 217 (Teil 2). 231) Spindler/Stilz-Spindler, AktG, § 108 Rn. 74. 232) Spindler in: MünchKomm-GmbHG, § 52 Rn. 265. 233) Dazu Ulmer, Der Einfluß des Mitbestimmungsgesetzes auf die Struktur von AG und GmbH, 1979; Martens, Zum Verhältnis von Mitbestimmungs- und Gesellschaftsrecht, ZHR 148 (1984), 183 ff und exemplarisch Canaris, DB-Beilage 14/1981. 234) BGH, NJW 1997, 1985, 1987.

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nis verteilt. Überdies können auch im Aktienrecht Weisungsbefugnis und Zustimmungsvorbehalt nebeneinander bestehen, vgl. § 308 Abs. 3 AktG.235) Umstritten ist die Rechtslage, wenn Gesellschafter per Weisung Geschäfte regeln, die zugleich einem Zustimmungsvorbehalt unterliegen. Der BGH äußerte sich dazu nicht.236) Da Gesellschafterbeschlüsse durch die Geschäftsführung umgesetzt werden müssen, könnte dort der Zustimmungsvorbehalt greifen. 157

Der Kompetenzkonflikt ist zugunsten der Gesellschafterversammlung aufzulösen: Die Mitbestimmung ist systembedingt nicht an die Gesellschafter gerichtet. Weisungen ohne Umsetzungsspielraum können deswegen keinem Zustimmungsvorbehalt unterfallen.237) Die Gegenmeinung erlegt den Gesellschaftern auf, den Weg des § 111 Abs. 4 Satz 3 f AktG zu gehen.238) Die Gesellschafterversammlung müsste den Beschluss mit Drei-Viertel-Mehrheit fassen, wodurch sich der Aufsichtsrat in Konflikte zwischen Gesellschaftern einmischen könnte, § 111 Abs. 4 Satz 4 AktG. Das Mitbestimmungsrecht lässt nicht erkennen, dass so tiefgreifend in die GmbH-Verfassung eingegriffen werden sollte.239) Dementsprechend ist ein Umkehrschluss zu § 31 Abs. 1 Satz 1 MitbestG geboten, wonach ohne ausdrückliche Regelung die gesetzliche Unternehmensverfassung der mitbestimmten Gesellschaft erhalten bleibt. In den Worten des BGH: „Ist danach der Aufsichtsrat der mitbestimmten GmbH kein neben der Gesellschaft bestehendes besonderes Organ, sondern in ihre hierarchische Verfassung eingebunden […], in welcher die Gesellschafterversammlung in den wesentlichen Fragen das letzte Entscheidungsrecht hat …“.240) Das mitbestimmungsfreie Weisungsrecht beschränkt die mitbestimmungstypische kollektive Gemengelage („Filz“) und stärkt die Corporate Governance in der GmbH.241)

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Der Aufsichtsrat kommt nach einer Weisung nur zum Zuge, wenn die Satzung einen expliziten Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG enthält. Dieser schränkt das Weisungsrecht ein. Andernfalls könnte der statuarische Zustimmungsvorbehalt durch Weisungen der einfachen Gesellschaftermehrheit ausgehöhlt werden, was regelmäßig nicht dem Willen der satzungsgebenden Gesellschafter entspricht.242) 2.

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Overruling bei Zustimmungsvorbehalten

Gegen solche Zustimmungsvorbehalte können sich die Gesellschafter gemäß § 111 Abs. 4 Satz 3 f AktG durchsetzen. Danach müsste die Geschäftsführung verlangen, dass die Gesellschafter über die Maßnahme beschließen. Ihre Zustimmung müsste _____________ 235) Oetker, ZIP 2015, 1461, 1464. 236) BGH, NJW 1997, 1985, 1987. 237) Scholz-Schneider, GmbHG, § 52 Rn. 133; Habersack/Henssler-Habersack, MitbestR, § 25 MitbestG Rn. 65; Wißmann/Kleinsorge/Schubert, MitbestR, § 25 Rn. 214; Spindler in: MünchKomm-GmbHG, § 52 Rn. 381; Wicke-Wicke, GmbHG, § 37 Rn. 6; Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 52 Rn. 64; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Band I, 1980, § 11 II 1, S. 613; Redlich, Die Kompetenzen von Gesellschafterversammlung und Aufsichtsrat in der mitbestimmten GmbH (2003) S. 40 ff, 90. 238) Raiser/Veil/Jacobs, MitbestG/DrittelbG, § 25 Rn. 92 m. w. N. 239) Begr. zum RegE. des MitbestG, BT-Drucks. 7/2172, S. 17. 240) BGH, BGHZ 135, 48 = NJW 1997, 1985 unter B 3 b. 241) Vgl. von Werder, AG 2004, 166 ff; Wank, GmbHR 1980, 121. 242) Oetker, ZIP 2015, 1461, 1468 m. w. N.

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mit mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen beschlossen werden. Indes ist beides an die Gesellschaftsstruktur der GmbH anzupassen. Die Initiativlast des Vorstands im Aktienrecht beruht auf § 119 Abs. 2 AktG. Die Gesellschafterversammlung ist grundsätzlich befugt auf die Geschäftsführung Einfluss zu nehmen, womit sie nicht erst von der Geschäftsführung angerufen werden muss.243) Eine qualifizierte Mehrheit widerspräche dem mitbestimmungsfreien Weisungsrecht, weil die Gesellschafter auch dort den Zustimmungsvorbehalt überwinden (nur eben präventiv) und dafür eine einfache Mehrheit genügt, § 47 Abs. 1.244) Die qualifizierte Mehrheit ist hingegen nötig, wenn das Weisungsrecht durch einen statuarischen Zustimmungsvorbehalt beschränkt ist. Dann steht den Gesellschaftern kein Instrument zur Verfügung, um den Zustimmungsvorbehalt mit einfacher Mehrheit präventiv auszuschließen – die Entscheidungsstruktur ist verändert. VII. Aufsichtsrat in der Insolvenz 1.

Insolvenz der (mitbestimmten) GmbH

Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, aber nach Eintritt der Insolvenzreife, treffen zumindest den obligatorischen Aufsichtsrat beachtliche Haftungsrisiken nach den mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG, § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG, § 3 Abs. 2 MontanMitbestG, § 3 Abs. 1 Satz 2 MontanMitbestErgG und § 18 Abs. 2 Satz 3 KAGB) i. V. m. § 116 Satz 1 AktG i. V. m. § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG, wenn Zahlungen entgegen § 64 Satz 1 getätigt werden. Für den fakultativen Aufsichtsrat gilt § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG hingegen nicht (siehe Rn. 135).245) Für diesen bleibt es beim „allgemeinen Pflichtverletzungstatbestand“.246)

160

Ist das Insolvenzverfahren eröffnet oder auch nur ein starker vorläufiger Verwalter bestellt, so bleibt der Aufsichtsrat zwar im Amt,247) doch ohne Bedeutung. Aufsicht und Kontrolle des Unternehmens in der Insolvenz werden durch die Gläubigerversammlung (§§ 157 ff InsO), den fakultativen Gläubigerausschuss (§ 69 InsO) und das Insolvenzgericht (§§ 58, 59 InsO) ausgeübt. Der Verwalter steht außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Organisationsverfassung, ist insbesondere kein Ersatzgeschäftsführer.248)

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Kontroll- und Weisungsrechte der Anteilseigner wären systemwidrig. Der Aufsichtsrat kann (wie die Gesellschafterversammlung) noch im insolvenzfreien Bereich agieren.249)

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_____________ 243) Oetker, ZIP 2015, 1461, 1465; Scholz-Schneider, GmbHG, § 52 Rn. 147; Habersack/ Henssler-Habersack, MitbestR, § 25 MitbestG Rn. 67; Raiser/Veil/Jacobs, MitbestG/ DrittelbG, § 25 Rn. 93. 244) Ebenso Scholz/Schneider, GmbHG, § 52 Rn. 147; Spindler in: MünchKomm-GmbHG, § 52 Rn. 365; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 52 Rn. 254; a. A. Raiser/Veil/ Jacobs, MitbestG/DrittelbG, § 25 Rn. 92; Ulmer/Habersack/Löbbe-Heermann, GmbHG, § 52 Rn. 243. 245) BGH, NJW 2011, 221 m. w. N.; Weller, GWR 2010, 541, 543. 246) Thiessen, ZGR 2011, 275, 291; Henssler/Strohn-Henssler, § 52 GmbHG Rn. 20. 247) Gottwald/Haas/Hossfeld, InsR-Hdb., § 92 Rn. 330 f m. w. N.; Spindler in: MünchKommGmbHG, § 52 Rn. 707. 248) Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 11 Rn. 118 ff; vgl. auch BGH, ZIP 1984, 82 (noch zur KO). a. A. Karsten Schmidt, Insolvenzordnung und Gesellschaftsrecht, ZGR 1998, 633, 634 f. 249) BGH, ZInsO 2006, 260; BGH, ZIP 2007, 438; Ott/Vuia in: MünchKomm-InsO, § 80 Rn. 112.

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Daneben ist es denkbar, dass Schuldnerbefugnisse in der Insolvenz nicht (allein) vom vertretungsbefugten Geschäftsführer, sondern unter Einbezug von Gesellschafterversammlung und ggf. dem Aufsichtsrat wahrgenommen werden. Das gilt aber nicht für die Eigenverwaltung der §§ 270 ff InsO (vgl. § 276a InsO),250) weil der Schuldner hier unter insolvenzspezifischer Aufsicht steht, mit der sich die gesellschaftsrechtliche nicht verträgt.251) 163

Umgekehrt kann das Insolvenzgericht die Mitglieder des Aufsichtsrats – wie andere Organmitglieder – nach §§ 97 ff i. V. m. § 101 InsO zu Auskunft und Mitwirkung heranziehen. Für die Aufsichtsratsmitglieder bleiben also nur insolvenzbedingte Pflichten.

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Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in wirtschaftlichen Angelegenheiten sichert die InsO selbst – durch besondere Informations- und Konsultationsrechte des Betriebsrats, der

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zum Bericht des Verwalters Stellung nehmen kann, § 156 Abs. 2 Satz 1 InsO,



bei der Aufstellung des Insolvenzplans (durch den Verwalter, nicht dagegen beim Schuldnerplan) beratend mitwirkt, § 218 Abs. 3 InsO,



gegenüber dem Insolvenzgericht zum Insolvenzplan Stellung nimmt, § 232 Abs. 1 Nr. 1 InsO,



am Erörterungstermin der Gläubigerversammlung teilnimmt, § 235 Abs. 3 Satz 1 InsO.

Daneben stehen die „normalen“ Beteiligungsrechte des Betriebsrats, ggf. modifiziert durch die InsO, vor allem über Interessenausgleich und Sozialplan (§§ 111 ff BetrVG, §§ 121 – 128 InsO). 2.

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Insolvenz im GmbH-Konzern

Die Insolvenz bewirkt eine Entkonzernierung252) auch im mitbestimmungsrechtlichen Sinn nach § 5 MitbestG und § 2 DrittelbG. Daran hat das Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen253) nichts geändert, weil es nur Mechanismen zur Koordination der Verfahrensbeteiligten vorsieht, ohne deren Einfluss zu ändern.254) a) Insolvenz des beherrschten Unternehmens

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Das ist für die Insolvenz der Tochter schon nach dem eben Gesagten zwingend: Jeder herrschende Einfluss auf die vom Verwalter geführte Tochter verträgt sich nicht mit dessen insolvenzrechtlicher Unabhängigkeit. Weder ein Beherrschungsvertrag noch die Stimmrechtsmehrheit kann einem anderen Unternehmen Beeinflussungsrechte auf die insolvente Einheit verschaffen. Weisungen der Anteilseigner oder des _____________ 250) Dazu Klöhn, NZG 2013, 81. 251) So schon AG Duisburg, ZInsO 2002, 1046. 252) Eingehend Rieble/Kolbe, KTS 2009, 281, 282 ff; kritisch Wernicke/Schneider, BB 2018, 948 mit Blick auf faktische Einflüsse des Verwalters. 253) BGBl. 2017 I S. 866. 254) Wernicke/Schneider, BB 2018, 948, 954.

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durch Beherrschungsvertrag legitimierten Unternehmens sind nicht auf die gemeinschaftliche Haftungsverwirklichung aller Gläubiger ausgerichtet. Jedes externe Weisungsrecht beeinträchtigt die Insolvenz und ist durch § 80 InsO ausgeschlossen. Jene Weisungsrechte hätten gesellschaftsrechtlich auch nur die insolvenzrechtlich verdrängten Organe getroffen, § 308 Abs. 1 Satz 1 AktG.255) Ob der Beherrschungsvertrag von Rechts wegen endet256) oder ob er mit Blick auf den Sanierungszweck der InsO zwar erhalten bleibt,257) aber nach § 275 Abs. 1 BGB nur wegen (vorübergehender) rechtlicher Unmöglichkeit ausgesetzt ist, spielt keine Rolle. b) Insolvenz des herrschenden Unternehmens Theoretisch ließe sich die Beherrschung durch das insolvente, kraft Beherrschungsvertrag oder Mehrheitseignerschaft herrschende Unternehmen fortsetzen. Indes: Die InsO schließt Konzernherrschaft von vornherein aus, weil das die Rechtsmacht und Verantwortung des Verwalters übersteigt.258) Der Verwalter ist insolvenzrechtlich nur für das insolvente Unternehmen legitimiert; Tochtergesellschaften darf er verwerten, indes nicht unternehmerisch beherrschen und führen. Damit überschritte er die Grenze zur [nach wie vor inexistenten] Konzerninsolvenz,259) was sich schon daran zeigt, dass die Gläubiger der Tochter gegenüber schädlichen Einflüssen schutzlos gestellt wären. Der Verwalter darf keine Verlustausgleichsansprüche der Tochter auslösen, für die die insolvente Mutter typischerweise keine Befriedigung bieten kann.260) Das vom BGH betonte Wertmehrungsgebot261) trägt keinen Übergriff in die Geschäftschancen von Tochterunternehmen der insolventen Mutter.

168

c) Mitbestimmungsfolgen Die Unternehmensmitbestimmung ignoriert das Trennungsprinzip und sieht den Konzern als „regulatorische Einheit“ (siehe Rn. 57 ff). Mit der Entkonzernierung entfällt dieser Zusammenhang. Mit der Insolvenz der Muttergesellschaft endet für die Dauer des Insolvenzverfahrens die Konzernierung insgesamt. Der insolventen Muttergesellschaft können also die Arbeitnehmer der Tochtergesellschaft nicht mehr nach § 5 MitbestG oder § 2 Abs. 2 DrittelbG zugerechnet werden. Ist die Tochter insolvent, so scheidet diese aus dem Konzernverbund aus (mit ihren Töchtern, also den Enkelinnen), insofern verkleinert sich die Konzernbelegschaft entsprechend. In beiden Fällen kann das Mitbestimmungsstatut absinken (von Parität zur Drittelbeteiligung) oder die Mitbestimmung entfallen, weil die Muttergesellschaft über nicht mehr als 500 Arbeitnehmer verfügt. Der Wechsel des Mitbestimmungsstatuts ist im _____________ 255) Oetker/Friese, DZWIR 2000, 397, 402; Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 548; Caspers in: MünchKomm-InsO, § 120 Rn. 7; a. A. Piepenburg, NZI 2004, 231 ff. 256) So für die KO BGH, ZIP 1988, 229; Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 297 Rn. 38. 257) Zeidler, NZG 1999, 692, 696 f; Trelendenburg, NJW 2002, 647, 649 f; Bultmann, ZInsO 2007, 785, 787 ff. 258) AG Duisburg, ZInsO 2002, 1046 unter III.A.2.c) der Gründe; anders Jaeger-Windel, InsO (2007), § 80 Rn. 82 und Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 549 Fn. 68. 259) § 11 InsO ordnet ein rechtsträgerbezogenes Verfahren an; für rechtlich selbständige Konzernunternehmen gilt das Trennungsprinzip; vgl. Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528. Das spiegelt sich auch in den §§ 269a ff. InsO. 260) So schon Karsten Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen (1990), S. 224 ff. 261) BGH, NJW 2017, 1749 Rn. 13.

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Statusverfahren des § 98 AktG geltend zu machen, auch während eines Insolvenzverfahrens, indes nicht vom Verwalter, der auf die Gesellschaftsorgane keinen Einfluss zu nehmen hat. 170

Die Entkonzernierung hat für Belegschaftsvertreter im Aufsichtsrat (nicht aber für Gewerkschaftsvertreter) personelle Konsequenzen: Ihr Amt hängt nach § 24 Abs. 1 MitbestG von der Wählbarkeit ab – und damit nach § 7 Abs. 2 MitbestG von der Unternehmenszugehörigkeit. Diese fingiert § 5 MitbestG für die Arbeitnehmer abhängiger Tochtergesellschaften im Konzern. Entfällt mit der Konzernierung diese Fiktion, so verlieren die Arbeitnehmer ihre Wählbarkeit und damit ihr Aufsichtsrats-Mandat.262) Das Ersatzmitglied des § 17 MitbestG rückt nach.

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Ausgeschiedene Aufsichtsratsmitglieder verlieren mit der Organzugehörigkeit ihre innergesellschaftliche Rechtsstellung; „Dennoch-Amtshandlungen“ sind unwirksam. Das bedeutet vor allem, dass die Stimmabgabe im Gremium unbeachtlich ist und Beschlussnichtigkeit droht (siehe Rn. 153 f). Da der Aufsichtsrat indes in der Insolvenz kaum Kompetenzen hat, ist das Rechtsrisiko gering.

_____________ 262) Gach in: MünchKomm-AktG, § 24 MitbestG Rn. 6; Wißmann/Kleinsorge/Schubert, MitbestR, § 24 Rn. 5.

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Abschnitt 4 Abänderungen des Gesellschaftsvertrags § 53 Form der Satzungsänderung Arnd Arnold

(1) Eine Abänderung des Gesellschaftsvertrags kann nur durch Beschluß der Gesellschafter erfolgen. (2) 1Der Beschluß muß notariell beurkundet werden, derselbe bedarf einer Mehrheit von drei Vierteilen der abgegebenen Stimmen. 2Der Gesellschaftsvertrag kann noch andere Erfordernisse aufstellen. (3) Eine Vermehrung der den Gesellschaftern nach dem Gesellschaftsvertrag obliegenden Leistungen kann nur mit Zustimmung sämtlicher beteiligter Gesellschafter beschlossen werden. Literatur: Goette, Auslandsbeurkundungen im Kapitalgesellschaftsrecht, in: Festschrift für Karlheinz Boujong, 1996, S. 131; Habersack, Unwirksamkeit „zustandsbegründender“ Durchbrechungen der GmbH-Satzung sowie darauf gerichteter schuldrechtlicher Nebenabreden, ZGR 1994, 354; Knoche, Wirksamkeit von Auslandsbeurkundungen im Gesellschaftsrecht, in: Jubiläums-Festschrift des Rheinischen Notariats, 1998, S. 297; Kröll, Beurkundung gesellschaftsrechtlicher Vorgänge durch einen ausländischen Notar, ZGR 2000, 111; Leuschner, Satzungsdurchbrechende Beschlüsse bei AG und GmbH, ZHR 180 (2016), 422; Noack, Zur Bindung des Erwerbers eines Geschäftsanteils an Beschlusslagen bei der GmbH, GmbHR 1994, 349; Poeschke, Satzungsbrechende Beschlüsse in der GmbH, DStR 2012, 1089; Priester, Satzungsänderung und Satzungsdurchbrechung, ZHR 151 (1987) 40; Zöllner, Satzungsdurchbrechung, in: Festschrift für Hans-Joachim Priester, 2007, S. 879. Übersicht I. II. III. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Allgemeines .......................................... 1 Satzungsänderung ................................ 3 Beschlussfassung (Abs. 1, 2) ............... 6 Zuständigkeit der Gesellschafter .......... 6 Gesellschafterversammlung .................. 8 Vertretung ........................................... 10 Notarielle Beurkundung ..................... 11 Beschlussmehrheit .............................. 13 Weitere Erfordernisse ......................... 14

I.

Allgemeines

7. Beschlussmängel .................................. 15 IV. Zustimmungserfordernisse (Abs. 3) ................................................ 16 V. Schranken der Satzungsänderung ..... 20 VI. Satzungsdurchbrechung .................... 21 VII. Pflicht zur Satzungsänderung ......... 25 VIII. Bedingte und befristete Satzungsänderung, Rückwirkung ......... 27 IX. Aufhebung und Änderung ............... 30

Die Vorschrift behandelt die Änderung des Gesellschaftsvertrags (Satzung). Sie bedarf – anders als der ursprüngliche Abschluss des Gesellschaftsvertrags – nicht des Einverständnisses aller Gesellschafter, sondern es genügt ein Mehrheitsbeschluss. Freilich bedarf dieser Beschluss anders als gewöhnliche Gesellschafterbeschlüsse einer qualifizierten Mehrheit, und seine Wirksamkeit setzt die Einhaltung zusätzlicher Formalerfordernisse (notarielle Beurkundung, Eintragung ins Handelsregister) voraus.1) Die _____________ 1)

Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 53 Rn. 1.

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1

§ 53

Form der Satzungsänderung

Vorschrift enthält grundsätzlich zwingendes Recht:2) Weder kann eine Satzungsänderung ausgeschlossen werden, noch können für sie geringere Voraussetzungen vorgesehen werden. Möglich ist nach Absatz 2 Satz 2 nur die Aufstellung zusätzlicher Erfordernisse. 2

Satzungsänderungen sind ab Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister bis zu ihrer Löschung möglich. Möglich ist daher auch eine Satzungsänderung während der Abwicklung, soweit sie dem Zweck des Verfahrens nicht entgegensteht.3) Gleiches gilt für die Insolvenz.4) Vor Eintragung der GmbH ist § 53 dagegen nicht anwendbar; soll bereits zu diesem Zeitpunkt die Satzung geändert werden, ist ein einstimmiger Beschluss erforderlich.5) II. Satzungsänderung

3

§ 53 betrifft nur Änderungen des materiellen Satzungsinhalts. Damit sind alle Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags gemeint, die die korporative Gestaltung der Gesellschaft bestimmen, also die Organisation der Gesellschaft oder ihr Verhältnis zu den Gesellschaftern regeln.6) Dagegen betrifft die Regelung nicht die Änderung sog. unechter Satzungsbestandteile. Hierunter fallen neben den bloß deklaratorischen Bestimmungen insbesondere schuldrechtliche Nebenabreden der Gesellschafter, die in die Satzung aufgenommen worden sind: Sie können mit einfacher Mehrheit geändert werden, soweit durch die Aufnahme in die Satzung nicht signalisiert werden soll, dass ihre Aufhebung und Änderung nur nach den Regeln der Satzungsänderung möglich sein soll. Erst recht liegt keine Satzungsänderung vor, wenn Vereinbarungen der Gesellschafter außerhalb des Gesellschaftsvertrags aufgehoben oder geändert werden.7)

4

Unklar ist, ob unter § 53 auch bloße Änderungen des Satzungstexts fallen, mit denen keine materielle Satzungsänderung verbunden ist. Dieser Fall kann etwa eintreten, wenn Satzungsinhalte geändert werden sollen, die überholt sind (z. B. Gründungskosten, Übernahmeerklärungen bei der Gründung) oder sich außerhalb der Satzung geändert haben (z. B. Einziehung eines Anteils gemäß § 24). Weitgehend unstreitig ist, dass es auch in diesem Fall der Eintragung ins Handelsregister und eines Gesellschafterbeschlusses bedarf. Da es an einer § 179 Abs. 1 Satz 2 AktG entsprechenden Regelung fehlt, kann eine derartige „Fassungs“-Änderung

_____________ 2) 3) 4) 5)

6) 7)

Eingehend Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 53 Rn. 2 ff. BGHZ 24, 279, 286 – für AG; BayObLG, NJW-RR 1996, 417; OLG Frankfurt/M., NJW 1974, 463; Scholz-Priester, GmbHG, § 53 Rn. 184. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 53 Rn. 15; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schnorbus, GmbHG, § 53 Rn. 95; Scholz-Priester, GmbHG, § 53 Rn. 184. OLG Köln, BB 1995, 2545 f; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 53 Rn. 82; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schnorbus, GmbHG, § 53 Rn. 96; a. A. Henssler/StrohnGummert, GesR, § 53 GmbHG Rn. 13; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Hoffmann, GmbHG, § 53 Rn. 45. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 53 Rn. 8; Scholz-Priester, GmbHG, § 53 Rn. 5. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 53 Rn. 4.

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§ 53

Form der Satzungsänderung

auch nicht an die Geschäftsführer oder den Aufsichtsrat delegiert werden.8) Für den Gesellschafterbeschluss gelten nach vorzugswürdiger Auffassung die §§ 53 f nicht, da es an einer materiell-rechtlichen Änderung fehlt. Daher sind weder die qualifizierte Mehrheit des Absatzes 2 Satz 1 noch eine notarielle Beurkundung erforderlich.9) Notwendig ist allerdings aus Publizitätsgründen eine Eintragung ins Handelsregister, die aber keine konstitutive Wirkung hat.10) Beispiele für Satzungsänderungen bilden etwa die Änderung der Firma und des Sitzes, des Unternehmensgegenstands, der Dauer der Gesellschaft, des Geschäftsjahrs, der Vertretungsbefugnis, der Übertragbarkeit der Geschäftsanteile, die Einführung oder Abschaffung eines Aufsichtsrats oder die Einführung, Änderung oder Aufhebung von Sonderrechten einzelner Gesellschafter. Eine § 53 unterfallende Satzungsänderung soll auch dann vorliegen, wenn die Satzung vollständig neugefasst wird.11) Wird eine GmbH unter Verwendung des Musterprotokolls gegründet, muss dessen Wortlaut bei späteren Änderungen nicht beibehalten werden.12)

5

III. Beschlussfassung (Abs. 1, 2) 1.

Zuständigkeit der Gesellschafter

Die Änderung des Gesellschaftsvertrags setzt nach Absatz 1 einen Beschluss der Gesellschafter voraus. Diese Regelung ist unabdingbar. Der Gesellschaftsvertrag kann daher nicht vorsehen, dass ein anderes Organ, Organmitglieder, Gesellschafter oder Dritte für die Änderung des Gesellschaftsvertrags zuständig sein sollen.13) Ferner kann auch kein Zustimmungsvorbehalt zugunsten eines Organs, eines Dritten oder einer Behörde vorgesehen werden.14) Zulässig soll allein ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten einzelner Gesellschafter sein.15)

6

Besonderheiten gelten allerdings in der Insolvenz. So kann in einem Insolvenzplan eine Satzungsänderung (zur Zulässigkeit siehe § 225a Abs. 2 und 3 InsO) gegebenenfalls unter den Voraussetzungen des § 245 InsO (Obstruktionsverbot) auch gegen den Willen der Mehrheit der Anteilseigner beschlossen werden. Zudem ist der Insolvenzverwalter, wenn er das schuldnerische Unternehmen mit der Firma veräußert, berechtigt, eine Ersatzfirma zu bilden und die hierzu erforderliche Satzungs-

7

_____________ 8) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Hoffmann, GmbHG, § 53 Rn. 59; Rowedder/ Schmidt-Leithoff-Schnorbus, GmbHG, § 53 Rn. 12; a. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/ Casper, GmbHG, § 53 Rn. 32. 9) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 53 Rn. 24 f; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 53 Rn. 35; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 53 Rn. 31; a. A. OLG Brandenburg, NZG 2001, 129, 130; Michalski/Heidinger/Leible/J. SchmidtHoffmann, GmbHG, § 53 Rn. 28; Scholz-Priester, GmbHG, § 53 Rn. 19. 10) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 53 Rn. 35; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 53 Rn. 31. 11) OLG Köln, NJW-RR 1993, 223, 224; Harbarth in: MünchKomm-GmbHG, § 53 Rn. 39. 12) OLG München, GmbHR 2010, 312. 13) BGHZ 43, 261, 264; Scholz-Priester, GmbHG, § 53 Rn. 62. 14) RGZ 169, 65, 80; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 53 Rn. 7. 15) Harbarth in: MünchKomm-GmbHG, § 53 Rn. 57; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 53 Rn. 94.

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§ 53

Form der Satzungsänderung

änderung vorzunehmen.16) Bereits keine Satzungsänderung stellt es dar, wenn der Insolvenzverwalter nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die nach § 155 Abs. 2 Satz 1 InsO zum Beginn eines neuen Geschäftsjahres führt, wieder zum in der Satzung vorgesehenen Rhythmus zurückkehrt. Der Insolvenzverwalter kann diese Entscheidung daher selbst treffen, muss sie jedoch beim Handelsregister anmelden oder in sonstiger Weise dem Registergericht mitteilen.17) 2.

Gesellschafterversammlung

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Der Beschluss über die Satzungsänderung wird üblicherweise i. R. einer Gesellschafterversammlung erfolgen. Diese kann jedenfalls dann auch im Ausland stattfinden, wenn die Satzung dies vorsieht und das Teilnahmerecht der Gesellschafter hierdurch nicht verkürzt wird.18) Umstritten ist, ob daneben auch eine Beschlussfassung auf schriftlichem Weg (§ 48 Abs. 2) zulässig ist.19) Dies dürfte möglich sein. Wird das Verfahren nach § 48 Abs. 2 gewählt, so geben die Gesellschafter ihre Stimmen zu Protokoll eines oder verschiedener Notare ab; sodann wird der Satzungsbeschluss vom nach Absatz 2 bestellten Notar festgestellt.

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Auf die geplante Beschlussfassung über eine Änderung des Gesellschaftsvertrags ist bei der Einberufung (§ 51) hinzuweisen. Dabei ist das Ziel der Satzungsänderung genau zu benennen; allgemeine Floskeln genügen nicht. Allerdings muss die geplante Formulierung nicht wiedergegeben werden.20) 3.

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Vertretung

Bei der Beschlussfassung können sich die Gesellschafter vorbehaltlich abweichender Satzungsregelung vertreten lassen. Für die Form der Vollmacht gilt § 47 Abs. 3. Möglich ist auch die nachträgliche Genehmigung vollmachtlosen Vertreterhandelns.21) Zu beachten ist allerdings das Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB).22) Es ist etwa verletzt, wenn ein Gesellschafter einen Mitgesellschafter bei _____________ 16) OLG Hamm, ZIP 2018, 596, 597; KG, ZIP 2017, 1564, 1565 f (für AG); Priester, DNotZ 2016, 892, 896 f; Linardatos, ZIP 2017, 901, 906 ff; gegen die Zulässigkeit einer Firmenänderung durch den Insolvenzverwalter OLG München, ZIP 2016, 1222, 1223, dazu ablehnend EWiR 2016, 553 (Schultze); s. a. schon Ulmer, NJW 1983, 1697, 1701; skeptisch gegenüber einer entsprechenden Kompetenz des Insolvenzverwalters, aber im Einzelfall für eine Zustimmungspflicht der Gesellschafter Leuering, NJW 2016, 3265, 3268. 17) BGH, ZIP 2015, 88, 89 f = NZG 2015, 157, dazu EWiR 2015, 223 (Wachter); BGH, ZIP 2017, 732, 733, dazu EWiR 2017, 341 (Nordholtz). 18) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 53 Rn. 11; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 53 Rn. 53; a. A. OLG Hamm, NJW 1974, 1057. 19) Dagegen BGHZ 15, 324, 328 = NJW 1955, 220; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schnorbus, GmbHG, § 53 Rn. 56; dafür Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 53 Rn. 55; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 53 Rn. 12; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 53 Rn. 26; Scholz-Priester, GmbHG, § 53 Rn. 66; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 53 Rn. 46. 20) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 51 Rn. 26; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 53 Rn. 10. 21) Vgl. BayObLG, NJW-RR 1989, 807; OLG München, ZIP 2011, 772, 773; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 53 Rn. 56. 22) BGH, ZIP 1988, 1046, 1047; Scholz-Priester, GmbHG, § 53 Rn. 101; Harbarth in: MünchKomm-GmbHG, § 53 Rn. 63.

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Form der Satzungsänderung

der Abstimmung vertritt. Doch kann der Vertreter von dem Verbot befreit werden. Wird ein Mitgesellschafter bevollmächtigt, ist regelmäßig von einer stillschweigenden Gestattung des Selbstkontrahierens auszugehen.23) 4.

Notarielle Beurkundung

Der Beschluss über die Satzungsänderung bedarf der notariellen Beurkundung. Für die Beurkundung gelten im Einzelnen die §§ 36, 37 BeurkG:24) Dies gilt auch bei der Einpersonengesellschaft.25) Der Notar muss damit über seine Wahrnehmung des Abstimmungsvorgangs und des Ergebnisses berichten. Werden stattdessen die strengeren Bestimmungen der §§ 8 ff. BeurkG angewendet, soll dies aber unschädlich sein.26)

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Eine notarielle Beurkundung ist auch dann erforderlich, wenn über die Satzungsänderung im Ausland beschlossen wird. Art. 11 Abs. 1 EGBGB, nach dem ein Rechtsgeschäft formgültig ist, wenn es die Formerfordernisse des Rechts, das auf das seinen Gegenstand bildende Rechtsverhältnis anzuwenden ist, oder des Rechts des Staates erfüllt, in dem es vorgenommen wird, ist im Gesellschaftsrecht zwar nicht schlechthin unanwendbar, gilt aber bei verfassungsbezogenen Rechtsakten nicht.27) Abweichendes folgt auch nicht aus Art. 11 Rom I-VO, weil diese nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. f gesellschaftsrechtliche Fragen nicht regelt. Allerdings kann auch eine ausländische Urkundsperson die Beurkundung vornehmen, wenn die ausländische Beurkundung gleichwertig ist.28)

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5.

Beschlussmehrheit

Für die Satzungsänderung ist eine Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen erforderlich. Damit setzt eine Sperrminorität voraus, dass der oder die Betreffenden über mehr als 25 % der Stimmen verfügen. Für die Berechnung gilt § 47 Abs. 2. Ungültige Stimmen, Stimmen nicht erschienener Gesellschafter und Stimmenthaltungen sind also unerheblich. Für die Abstimmung gelten die Stimm_____________ 23) BGH, NJW 1976, 958, 959. 24) LG Essen, BB 1982, 1821, 1822; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 53 Rn. 48. 25) OLG Celle, ZIP 2017, 1623, 1624. 26) OLG Köln, NJW-RR 1993, 223, 224; Scholz-Priester, GmbHG, § 53 Rn. 70; Nordholtz/ Hupka, DNotZ 2018, 404, 406 f; a. A. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 53 Rn. 70. 27) Looschelders, Internationales Privatrecht, Art. 11 EGBGB Rn. 46; Goette in: FS Boujong, S. 131, 134 ff; Kröll, ZGR 2000, 111, 114 ff; s. a. Bischoff in: NK-BGB, § 11 EGBGB Rn. 38 ff; Knoche in: FS Rheinisches Notariat, S. 297, 301 ff, die Art. 11 EGBGB im Gesellschaftsrecht generell für unanwendbar halten. Für die Anwendung des Ortsrechts dagegen OLG Düsseldorf, NJW 1989, 2200; Palandt-Thorn, BGB, Art. 11 EGBGB Rn. 2, 13; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Hoffmann, GmbHG, § 53 Rn. 82 ff; offenlassend BGH, ZIP 2004, 2324, 2325, dazu EWiR 2005, 75 (Werner). 28) RGZ 88, 227, 231; BGHZ 80, 76, 78 = ZIP 1981, 402; BGH, NJW-RR 1989, 1259, 1261 = ZIP 1989, 1052; BGH, NJW 2014, 2026, 2029 = ZIP 2014, 317, dazu EWiR 2014, 171 (Seibt); Spellenberg in: MünchKomm-BGB, Art. 11 EGBGB, Rn. 86 ff; a. A. LG Kiel, MittBayNot 1997, 116 f – Auslandsbeurkundung grundsätzlich unzulässig; für Verschmelzung auch: LG Augsburg, ZIP 1996, 1872, 1873; Scholz-Priester, GmbHG, § 53 Rn. 74; Goette in: FS Boujong, S. 131, 141 ff.

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Form der Satzungsänderung

verbote des § 47 Abs. 4 nicht.29) Steht einem Dritten ein Nießbrauch oder Pfandrecht an einem Anteil zu, so ist seine Zustimmung auch dann nicht erforderlich, wenn durch die Satzungsänderung seine Rechte mittelbar beeinträchtigt werden, da sich die §§ 1071, 1276 BGB nur auf die Stimmabgabe des betroffenen Gesellschafters, nicht aber auf den Gesellschafterbeschluss beziehen.30) Ebenso ist bei Beteiligung eines Minderjährigen keine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nach § 1822 Nr. 3 BGB erforderlich.31) Einer förmlichen Feststellung des Beschlussergebnisses bedarf es nicht.32) 6. 14

Die Satzung kann nach Absatz 2 Satz 2 das Mehrheitserfordernis verschärfen, aber nicht abschwächen. Denkbar sind z. B. Einstimmigkeit, doppelte Mehrheiten (Stimmund Kapitalmehrheiten) etc. Daneben sind nach Absatz 2 Satz 2 weitere Satzungsregelungen möglich, die die Satzungsänderung erschweren. So kann etwa auch das Beschlussverfahren erschwert werden (z. B. durch ein Anwesenheitsquorum) oder ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten eines Gesellschafters begründet werden. 7.

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Weitere Erfordernisse

Beschlussmängel

Bei Beschlussmängeln gelten die allgemeinen Regeln über fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse (siehe § 47 Rn. 62 ff [Casper]).33) Wird die Satzungsänderung nicht notariell beurkundet, so ist der Beschluss entsprechend § 241 Nr. 2 AktG nichtig.34) Doch wird der Mangel analog § 242 Abs. 1 AktG geheilt, wenn der Beschluss ins Handelsregister eingetragen worden ist.35) Wird die Drei-Viertel-Mehrheit nicht erreicht und dennoch eine Satzungsänderung beurkundet, so ist der Beschluss nur anfechtbar.36) Einberufungsmängel (§ 51) können dagegen entsprechend § 241 Nr. 1 AktG zur Nichtigkeit des Beschlusses führen, die allerdings nach § 242 Abs. 2 AktG durch Zeitablauf geheilt werden kann.37) IV. Zustimmungserfordernisse (Abs. 3)

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In bestimmten Fällen bedarf die Satzungsänderung zum Schutz einzelner oder aller Gesellschafter der Zustimmung des oder der Betroffenen. Die Zustimmungserklärung ist nicht Bestandteil des satzungsändernden Beschlusses, sondern ein weiteres Wirksamkeitserfordernis. Ohne sie ist der Gesellschafterbeschluss (schwebend) _____________ 29) OLG Stuttgart, NZG 1998, 601, 603; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 53 Rn. 14. 30) RGZ 139, 224, 228; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 53 Rn. 39; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 53 Rn. 14; a. A. Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schnorbus, GmbHG, § 53 Rn. 63. 31) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 53 Rn. 25. 32) Scholz-Priester, GmbHG, § 53 Rn. 84. 33) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 53 Rn. 83; Rowedder/Schmidt-LeithoffSchnorbus, GmbHG, § 53 Rn. 89. 34) OLG Köln, NJW-RR 1993, 223, 224. 35) BGH, ZIP 1995, 1983, 1984. 36) BGHZ 104, 66, 69 f = ZIP 1988, 703; BayObLG, DNotZ 1992, 533, 534; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 53 Rn. 100. 37) KG Berlin, NJW-RR 1996, 103, 104.

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Form der Satzungsänderung

unwirksam.38) Wird der Beschluss trotz fehlender Zustimmung ins Handelsregister eingetragen, so wird die Unwirksamkeit entsprechend § 242 Abs. 2 AktG geheilt, wenn der Mangel nicht innerhalb von drei Jahren nach Eintragung gerichtlich geltend gemacht wird.39) Die Zustimmungserklärung ist Willenserklärung und kann formlos vor, während oder nach der Beschlussfassung erklärt werden.40) Wird sie erklärt, so bindet sie auch den Rechtsnachfolger.41) Hat der betroffene Gesellschafter für die Satzungsänderung gestimmt, ist eine gesonderte Zustimmung entbehrlich.42)

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Ausdrücklich geregelt wird von Absatz 3 eine Zustimmungspflicht der betroffenen Gesellschafter für den Fall der Leistungsvermehrung. Hierunter fallen etwa die Begründung neuer Einlage-, Unterlassungs- oder Nebenleistungsverpflichtungen, die Verstärkung oder Verlängerung entsprechender Verpflichtungen oder ihre stärkere Sanktionierung.43) Notwendig ist allerdings eine unmittelbare Leistungsvermehrung. Bei einer Kapitalerhöhung ist die Zustimmung aller Gesellschafter daher nicht erforderlich, auch wenn Gesellschafter, die keine neue Einlage übernehmen, von einer Ausfallhaftung getroffen werden können.44) Absatz 3 ist zwingend. Allerdings kann die Satzung vorsehen, dass nach Art, Ausmaß und Umfang beschriebene Leistungsvermehrungen auch ohne Zustimmung des Betroffenen möglich sind.45)

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Über den Wortlaut des Absatzes 3 hinaus ist auch in weiteren Fällen für eine Satzungsänderung neben einem Beschluss der Gesellschafter mit qualifizierter Mehrheit die Zustimmung bestimmter oder aller Gesellschafter notwendig. So bedarf eine Änderung des Gesellschaftszwecks (Gewinnerzielung, gemeinnütziger Zweck etc.) entsprechend § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB der Zustimmung aller Gesellschafter, da sich hierdurch der Inhalt der Mitgliedschaft grundlegend verändert.46) Sonderrechte können analog § 35 BGB nur mit Zustimmung des Betroffenen entzogen werden.47) Gleichfalls bedarf die nachträgliche Einführung oder Ausweitung der beschränkten Abtretbarkeit des Gesellschaftsanteils der Zustimmung der Betroffenen.48) Auch die Ungleichbehandlung verschiedener Gesellschaftergruppen ist nur mit Zustimmung der Benachteiligten möglich.49) Schließlich kann eine Schiedsabrede, die nach

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_____________ 38) 39) 40) 41) 42) 43) 44) 45) 46) 47) 48) 49)

RGZ 121, 238, 244. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 53 Rn. 102. Scholz-Priester, GmbHG, § 53 Rn. 94. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 53 Rn. 89; Noack, GmbHR 1994, 349, 351 f. Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schnorbus, GmbHG, § 53 Rn. 77. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 53 Rn. 21; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 53 Rn. 87. RGZ 93, 251, 253; RGZ 122, 159, 163. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 53 Rn. 33; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 53 Rn. 22. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 53 Rn. 42; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 53 Rn. 118. BGH, NJW-RR 1989, 542 ff; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 53 Rn. 47; s. a. OLG Hamm, ZIP 2016, 1481, 1482. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 53 Rn. 34. RGZ 80, 385, 389; Saenger/Inhester-Inhester, GmbHG, § 53 Rn. 43; Scholz-Priester, GmbHG, § 53 Rn. 56.

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Form der Satzungsänderung

der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auch Beschlussmängelstreitigkeiten erfassen kann, nur mit Zustimmung aller Gesellschafter nachträglich in die Satzung aufgenommen werden.50) V. Schranken der Satzungsänderung 20

Der Beschluss zur Satzungsänderung darf nicht gegen zwingendes Recht oder die guten Sitten (§ 138 BGB) verstoßen. Ferner dürfen dem Gesellschafter durch die Satzungsänderung nicht absolut unentziehbare Mitgliedschaftsrechte genommen werden. Hierzu zählen etwa das Recht auf Teilnahme an der Gesellschafterversammlung oder das Austrittsrecht aus wichtigem Grund, nicht aber das Stimmrecht, das Gewinnrecht und das Recht auf den anteiligen Liquidationserlös; freilich können die letztgenannten Rechte ebenfalls grundsätzlich nicht ohne Zustimmung des Betroffenen vollständig entzogen werden.51) VI. Satzungsdurchbrechung

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Als Satzungsdurchbrechung bezeichnet man alle Beschlüsse, mit denen die Gesellschafter für einen Einzelfall eine von der Satzung abweichende Regelung treffen, den Satzungstext aber unangetastet lassen und ihn für die Zukunft weiterhin als verbindlich betrachten wollen. Für ihre rechtliche Behandlung wird heute überwiegend zwischen punktuellen und zustandsbegründenden Satzungsdurchbrechungen unterschieden.52) Soweit derartige Beschlüsse eine zustandsbegründende Dauerwirkung entfalten, sind sie unwirksam, da sie materiell satzungsändernd wirken.53) Unzulässig sind daher etwa Beschlüsse, mit denen für ein Aufsichtsratsmitglied eine längere Amtszeit vorgesehen wird, als in der Satzung vorgesehen ist,54) oder mit denen die Zustimmung zum Kauf einer gegenstandsfremden Tochtergesellschaft erteilt wird.55)

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Dagegen sollen satzungsdurchbrechende Beschlüsse, die nur punktuelle Wirkung haben (z. B. einmalige erhöhte Gewinnausschüttung oder die einmalige Befreiung von einem Wettbewerbsverbot), möglich sein.56) Sie verstoßen zwar gegen die _____________ 50) BGH, ZIP 2009, 1003, 1005, dazu EWiR 2009, 477 (Dürr/Wiggenhorn); Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt-Hoffmann, GmbHG, § 53 Rn. 150; Harbarth in: MünchKommGmbHG, § 53 Rn. 237 ff. 51) S. dazu Scholz-Priester, GmbHG, § 53 Rn. 44 ff; Ulmer/Habersack/Winter-Ulmer, GmbHG, § 53 Rn. 68 f. 52) BGHZ 123, 15, 18 ff = ZIP 1993, 1074; Priester, ZHR 151 (1987), 40 ff; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 53 Rn. 29; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 53 Rn. 38. Skeptisch gegenüber der Unterscheidung: Habersack, ZGR 1994, 354, 363 f; Leuschner, ZHR 180 (2016), 422, 437 ff; Poeschke, DStR 2012, 1089 ff; Zöllner in: FS Priester, S. 879, 888 f. 53) BGHZ 123, 15, 18 ff = ZIP 1993, 1074; OLG Düsseldorf, ZIP 2016, 2270, 2271 f = EWiR 2017, 107 (Längsfeld); OLG Köln, NJW-RR 1996, 1439, 1440 f; OLG Köln, DB 2000, 2465 f – für AG; OLG Nürnberg, BB 2000, 687 f; aus dem Schrifttum nur ScholzPriester, GmbHG, § 53 Rn. 30; differenzierend Leuschner, ZHR 180 (2016), 422, 439 f. 54) BGHZ 123, 15, 18 ff = ZIP 1993, 1074. 55) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 53 Rn. 30. 56) Scholz-Priester, GmbHG, § 53 Rn. 30a; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 53 Rn. 31; für die zustandsbegründende Wirkung eines Gewinnverwendungsbeschlusses aber OLG Dresden, NZG 2012, 507, 508.

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§ 53

Form der Satzungsänderung

Satzung, sind jedoch nicht materiell satzungsändernd. Allerdings unterliegen derartige Beschlüsse grundsätzlich der Anfechtung, soweit nicht alle Gesellschafter zugestimmt haben.57) Die Anfechtbarkeit durch einen dissentierenden Gesellschafter kann jedoch ausgeschlossen werden, indem die Satzungsdurchbrechung förmlich beschlossen wird. Dies setzt voraus, dass in der Ladung entsprechend § 51 Abs. 2 – 4 angekündigt wird, dass ein satzungsdurchbrechender Beschluss gefasst werden soll, der Beschluss mit satzungsändernder Mehrheit gefasst und notariell beurkundet wird.58) Dagegen ist eine Eintragung der Satzungsdurchbrechung ins Handelsregister nicht erforderlich, weil kein Interesse des Rechtsverkehrs an der Information über eine – historische – einmalige Abweichung von der Satzung besteht.59) Entspricht ein Beschluss diesen Vorgaben nicht, so kann er unter Umständen in eine schuldrechtliche Nebenabrede umgedeutet werden, mit der sich die Beteiligten außerhalb des Gesellschaftsverhältnisses verpflichten, sich als Gesellschafter so zu verhalten, dass der vereinbarten Regelung Geltung verschafft wird.60) Im Übrigen können die Gesellschafter die Problematik einer Satzungsdurchbrechung von vornherein vermeiden, indem sie in die Satzung eine sog. Öffnungsklausel aufnehmen, die es den Gesellschaftern erlaubt, durch einen mit einfacher Mehrheit gefassten Beschluss von einer konkret bezeichneten Satzungsregel abzuweichen.61) So soll aufgrund einer entsprechenden Öffnungsklausel etwa die Befreiung vom Wettbewerbsverbot oder vom Verbot des Selbstkontrahierens möglich sein.62) Öffnungsklauseln können auch eine von der satzungsmäßigen Regelung abweichende Gewinnverteilung durch Gesellschafterbeschluss erlauben. Sie müssen aber die Zustimmung des durch die abweichende Gewinnverteilung benachteiligten Gesellschafters vorsehen.63)

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Umstritten ist, ob aufgrund einer entsprechenden Öffnungsklausel auch nachträglich ein (fakultativer) Aufsichtsrat durch Gesellschafterbeschluss eingerichtet werden kann, ohne dass die Förmlichkeiten einer Satzungsänderung eingehalten werden müssen. Dies wird teilweise bejaht.64) Demgegenüber verlangt das Kammergericht

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_____________ 57) BGHZ 210, 186, 192 = ZIP 2016, 1160, 1161; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 53 Rn. 31; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 53 Rn. 39. 58) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schnorbus, GmbHG, § 53 Rn. 46. 59) Priester, ZHR 151 (1987), 40, 53 f; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 53 Rn. 39; Zöllner in: FS Priester, S. 879, 891 f; vgl. auch Leuschner, ZHR 180 (2016), 422, 450 ff; a. A. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 53 Rn. 49; Habersack, ZGR 1994, 354, 366 ff. 60) BGHZ 123, 15, 20 = ZIP 1993, 1074 – für Verhaltens- und Unterlassungspflichten; vgl. zu satzungsdurchbrechenden schuldrechtlichen Nebenabreden auch BGH, ZIP 2010, 1541, 1542, dazu EWiR 2010, 639 (Wahl/Schult); zu den Grenzen einer Umdeutung OLG Hamm, ZIP 2015, 969, 971 f = NZG 2015, 678, dazu EWiR 2015, 373 (H. P. Westermann). 61) BayObLG, NJW-RR 2002, 248, 249; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schnorbus, GmbHG, § 53 Rn. 48; skeptisch: Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 53 Rn. 27. 62) Gehrlein/Born/Simon-Leitzen, GmbHG, § 53 Rn. 40; Priester, NZG 2016, 774 f. 63) OLG München, MittBayNot 2011, 416, 417. 64) Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-Giedinghagen, GmbHG, § 52 Rn. 7; Priester, NZG 2016, 774, 776 f; Otto, GmbHR 2016, 19, 22 f. Vgl. auch BGHZ 123, 15, 20 = ZIP 1993, 1074, wo eine entsprechende Satzungsbestimmung nicht beanstandet wurde.

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§ 53

Form der Satzungsänderung

auch bei Bestehen einer Öffnungsklausel die notarielle Beurkundung des Beschlusses sowie die Eintragung ins Handelsregister, da es sich um eine dauerhafte Änderung der Gesellschaftsverfassung handele, und zieht allein eine Überwindung des Mehrheitserfordernisses nach § 53 Abs. 2 in Betracht.65) Dies überzeugt indes nicht: Wenn man die spätere Errichtung eines Aufsichtsrats als Satzungsänderung ansieht, müsste auch § 53 Abs. 2 gelten. Im Übrigen geht es hier der Sache nach aber nicht um eine Satzungsänderung, sondern um die Frage, ob die Satzung die Organstruktur verbindlich festlegen muss. Dies erscheint indes nicht erforderlich. Die Interessen der Gesellschafter bleiben gewahrt, da sie der Öffnungsklausel zugestimmt haben, und der Rechtsverkehr wird über die Einrichtung eines Aufsichtsrats bereits dadurch ausreichend informiert, dass nach § 52 Abs. 2 eine aktuelle Liste der Aufsichtsratsmitglieder zum Handelsregister einzureichen ist.66) VII.

Pflicht zur Satzungsänderung

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Eine Verpflichtung der Gesellschafter zur Satzungsänderung kann sich aus der Treuepflicht ergeben, wenn die Satzungsänderung im Interesse der Gesellschaft dringend geboten und dem Gesellschafter zumutbar ist.67) Weiterhin kann auch die Satzung vorsehen, dass die Gesellschafter unter bestimmten Umständen zu einer Satzungsänderung verpflichtet sind. Wird eine derartige Bestimmung nachträglich eingefügt, unterliegt sie Absatz 3. Schließlich kann sich eine Pflicht zur Satzungsänderung auch aus schuldrechtlichen Absprachen der Gesellschafter ergeben. Diese bedürfen nicht der notariellen Beurkundung.68) Koordinieren Gesellschafter ihr Abstimmungsverhalten in einem Stimmrechtskonsortium, so kann im Konsortium über das Abstimmungsverhalten auch bei einer Satzungsänderung für die Beteiligten bindend mit einfacher Mehrheit beschlossen werden.69)

26

Auch die Gesellschaft kann sich gegenüber Dritten zur Satzungsänderung verpflichten. Allerdings muss sich eine derartige Verpflichtung auf einen konkreten Einzelfall und eine bestimmte Regelung beschränken. Zudem kann der Geschäftsführer eine derartige Verpflichtung für die Gesellschaft nur dann wirksam eingehen, wenn ein entsprechender Ermächtigungs- bzw. Zustimmungsbeschluss der Gesellschafter vorliegt.70) Eine Eintragung der Verpflichtung ins Handelsregister ist dagegen wegen fehlenden Publizitätsinteresses der Allgemeinheit nicht erforderlich.71)

_____________ 65) KG, ZIP 2016, 673, 674 = EWiR 2016, 267 (Weiß); KG, NZG 2018, 660, 664. 66) Dazu eingehend Priester, NZG 2016, 774, 776. 67) BGHZ 98, 276 ff = ZIP 1986, 1383, dazu EWiR 1986, 1107 (Riegger); Baumbach/HueckZöllner/Noack, GmbHG, § 53 Rn. 85; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 53 Rn. 81; zurückhaltend Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schnorbus, GmbHG, § 53 Rn. 83. 68) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 53 Rn. 39; Scholz-Priester, GmbHG, § 53 Rn. 36. 69) BGH, ZIP 2009, 216, 219, dazu EWiR 2009, 173 (Göz); König, ZGR 2005, 417, 422 ff; K. Schmidt, ZIP 2009, 737, 742 ff; Zöllner in: FS Ulmer, S. 725; s. a. Schäfer, ZGR 2009, 768 ff; a. A. Habersack, ZHR 164 (2000), 1 ff. 70) Scholz-Priester, GmbHG, § 53 Rn. 35; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 53 Rn. 42. 71) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 53 Rn. 42; a. A. Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 53 Rn. 41.

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§ 53

Form der Satzungsänderung

VIII. Bedingte und befristete Satzungsänderung, Rückwirkung Eine Satzungsänderung, die unter einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung steht, ist unwirksam; eine Ausnahme gilt auch nicht für solche Bedingungen, deren Vorliegen dem Registerrichter bei der Anmeldung nachgewiesen werden kann.72) Zulässig ist es aber, den Geschäftsführer anzuweisen, die Satzungsänderung nur dann beim Handelsregister anzumelden, wenn ein bestimmtes Ereignis eintritt oder nicht eintritt. Freilich darf dem Geschäftsführer kein Entscheidungsermessen eingeräumt werden, weil für eine Satzungsänderung allein die Gesellschafter zuständig sind. Da eintretende Gesellschafter sich in der Zwischenzeit nicht im Handelsregister über die Beschlusslage informieren können, wird man überdies annehmen müssen, dass zwischen Beschlussfassung und Anmeldung nicht mehr als ein Jahr vergehen darf.73)

27

Hingegen ist eine Befristung von Satzungsänderungen möglich.74) Daher können die Gesellschafter verfügen, dass eine Satzungsänderung erst zu einem bestimmten Zeitpunkt in Kraft treten oder zu einem späteren Zeitpunkt außer Kraft treten soll.

28

Satzungsänderungen werden grundsätzlich mit ihrer Eintragung wirksam. Eine rückwirkende Änderung ist im Außenverhältnis nicht möglich.75) Allein im Innenverhältnis ist eine Vorverlegung der Wirksamkeit bei Zustimmung aller Gesellschafter möglich.76) Daher kann etwa das Geschäftsjahr nicht rückwirkend geändert werden.77) Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der Insolvenzverwalter nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die nach § 155 Abs. 2 Satz 1 InsO zum Beginn eines neuen Geschäftsjahres führt, wieder zum in der Satzung vorgesehenen Rhythmus zurückkehrt, da es in diesem Fall an einer Satzungsänderung fehlt.78)

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IX. Aufhebung und Änderung Satzungsändernde Beschlüsse können vor ihrer Eintragung durch Gesellschafterbeschluss wieder aufgehoben werden; dabei genügt die einfache Mehrheit, da es sich um keine Satzungsänderung handelt.79) Ebenso bedarf es nicht der Mitwirkung der Gesellschafter, die der ursprünglichen Satzungsänderung zuzustimmen hatten. Eine Änderung des Beschlusses ist dagegen nur unter Einhaltung der Voraussetzungen der §§ 53 f möglich; Gleiches gilt für die Aufhebung oder Änderung eines satzungsändernden Beschlusses nach Eintragung ins Handelsregister.80) _____________ 72) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 53 Rn. 27; a. A. Scholz-Priester, GmbHG, § 53 Rn. 185. 73) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 53 Rn. 42; Scholz-Priester, GmbHG, § 53 Rn. 186. 74) Scholz-Priester, GmbHG, § 53 Rn. 185; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 53 Rn. 28. 75) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 53 Rn. 60; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 53 Rn. 45; Scholz-Priester, GmbHG, § 53 Rn. 187. 76) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 53 Rn. 44; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 53 Rn. 29. 77) OLG Frankfurt/M., GmbHR 1999, 484; OLG Schleswig, NJW-RR 2000, 1425; diff. noch LG Frankfurt/M., GmbHR 1978, 112; LG Frankfurt/M., GmbHR 1979, 208. 78) BGH, ZIP 2015, 88, 89 f = NZG 2015, 157, dazu EWiR 2015, 223 (Wachter), gegen OLG Frankfurt/M, ZIP 2014, 433, 434 f, dazu EWiR 2014, 393 (Egerlandt). 79) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 53 Rn. 26; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 53 Rn. 52; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 53 Rn. 84. 80) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 53 Rn. 48; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schnorbus, GmbHG, § 53 Rn. 87.

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§ 54

Anmeldung und Eintragung der Satzungsänderung

§ 54 Anmeldung und Eintragung der Satzungsänderung Arnd Arnold

(1) 1Die Abänderung des Gesellschaftsvertrags ist zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. 2Der Anmeldung ist der vollständige Wortlaut des Gesellschaftsvertrags beizufügen; er muß mit der Bescheinigung eines Notars versehen sein, daß die geänderten Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags mit dem Beschluß über die Änderung des Gesellschaftsvertrags und die unveränderten Bestimmungen mit dem zuletzt zum Handelsregister eingereichten vollständigen Wortlaut des Gesellschaftsvertrags übereinstimmen. (2) Bei der Eintragung genügt, sofern nicht die Abänderung die in § 10 bezeichneten Angaben betrifft, die Bezugnahme auf die bei dem Gericht eingereichten Dokumente über die Abänderung. (3) Die Abänderung hat keine rechtliche Wirkung, bevor sie in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft eingetragen ist. Literatur: Harbarth, Freigabeverfahren für strukturändernde Gesellschafterbeschlüsse in der GmbH, GmbHR 2005, 966; Meurer, Keine Übertragbarkeit des aktienrechtlichen Freigabeverfahrens (§ 246a AktG) auf die GmbH, GmbHR 2013, 729; Noack, Zur Bindung des Erwerbers eines Geschäftsanteils an Beschlusslagen bei der GmbH, GmbHR 1994, 349; Priester, Registersperre kraft Richterrechts?, GmbHR 2007, 296. Übersicht I. Allgemeines .......................................... 1 II. Anmeldung (Abs. 1) ............................ 2 III. Prüfung durch das Registergericht ....... 9

I. 1

IV. Eintragung und Bekanntmachung (Abs. 2, 3) ............................................ 13

Allgemeines

Die Satzungsänderung ist ebenso wie der ursprüngliche Gesellschaftsvertrag zum Handelsregister einzureichen und einzutragen. Damit wird eine Prüfung der Änderung durch das Registergericht gewährleistet, und die Öffentlichkeit wird über den aktuellen Inhalt der Satzung informiert.1) Vor der Eintragung hat die Satzungsänderung nach Absatz 3 keine rechtliche (Außen-)Wirkung. II. Anmeldung (Abs. 1)

2

Die Satzungsänderung ist gemäß Absatz 1 Satz 1 von der Gesellschaft anzumelden. Die Anmeldung hat nach § 12 Abs. 1 HGB elektronisch in öffentlich beglaubigter Form zu erfolgen. Die Gesellschaft wird dabei von ihren Geschäftsführern in vertretungsberechtigter Zahl vertreten (§ 35); nur bei bestimmten Beschlüssen sieht § 78 vor, dass alle Geschäftsführer die Anmeldung vornehmen müssen. Prokuristen sind nicht allein zur Anmeldung befugt, sondern können nur i. R. unechter Gesamtvertretung mitwirken.2) Befindet sich die Gesellschaft in der Liquidation, so _____________ 1) 2)

Scholz-Priester, GmbHG, § 54 Rn. 1; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 54 Rn. 1. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 54 Rn. 2; Harbarth in: MünchKomm-GmbHG, § 54 Rn. 12.

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§ 54

sind die Liquidatoren zuständig.3) Daneben kann die Anmeldung gemäß § 378 FamFG auch durch den beurkundenden Notar erfolgen.4) Schließlich kann auch ein bevollmächtigter Dritter die Satzungsänderung anmelden; seine Vollmacht bedarf in diesem Fall ebenfalls der öffentlichen Beglaubigung.5) Die Satzungsänderung ist beim Handelsregister anzumelden, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat (§ 7 Abs. 1). Soll der Sitz verlegt werden, ist diese Satzungsänderung noch beim Gericht des alten Sitzes anzumelden (§ 13h HGB). Hat die Gesellschaft einen Doppelsitz, so ist eine zusätzliche Anmeldung beim Handelsregister der Zweigniederlassung nicht erforderlich, da die Registerführung beim Gericht der Hauptniederlassung konzentriert ist.6)

3

Eine öffentlich-rechtliche Pflicht zur Anmeldung der Satzungsänderung besteht nicht. Registergerichtliche Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung der Eintragung sind nicht möglich; dies ergibt sich im Umkehrschluss aus § 79 Abs. 2. Damit bleibt es den Gesellschaftern überlassen, ob und wann sie die von ihnen beschlossene Satzungsänderung in Kraft setzen.7) Die Anmeldung kann daher bis zur Eintragung auch jederzeit ohne Begründung formlos zurückgenommen werden. Zu entscheiden haben hierüber die Gesellschafter, nicht der oder die Geschäftsführer.8)

4

Davon unabhängig ist die privatrechtliche Verpflichtung der Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft, die Satzungsänderung anzumelden. Hierzu können sie von den Gesellschaftern auch nach § 37 Abs. 1 angewiesen werden. Kommen die Geschäftsführer ihrer Pflicht zur Anmeldung nicht nach, können sie sich nach § 43 schadensersatzpflichtig machen, und es kann ein wichtiger Grund für ihre Abberufung entstehen.9) Eine Anmeldepflicht besteht lediglich dann nicht, wenn der Gesellschafterbeschluss nichtig oder – wegen fehlender Zustimmung nach § 53 Abs. 3 – schwebend unwirksam ist; Anfechtbarkeit genügt nur dann, wenn mit einer Anfechtungsklage ernsthaft zu rechnen ist.10)

5

Ist zu der Satzungsänderung die Zustimmung einzelner Gesellschafter erforderlich, muss der Anmeldung ein Nachweis über die Erteilung der Zustimmungen beigefügt werden, der etwa durch Beschlussniederschrift, förmliche Zustimmungserklärung oder Bestätigung des betroffenen Gesellschafters über die erfolgte Zustim-

6

_____________ 3) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schnorbus, GmbHG, § 54 Rn. 6; Scholz-Priester, GmbHG, § 54 Rn. 6. 4) OLG Oldenburg, ZIP 2011, 2360, 2361 = NZG 2011, 1233; Henssler/Strohn-Gummert, GesR, § 54 GmbHG Rn. 2. 5) OLG Köln, ZIP 1987, 34 f; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 54 Rn. 3. 6) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 54 Rn. 6; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 54 Rn. 14. 7) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 54 Rn. 18; Scholz-Priester, GmbHG, § 54 Rn. 23. 8) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 54 Rn. 18; Scholz-Priester, GmbHG, § 54 Rn. 26. 9) Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schnorbus, GmbHG, § 54 Rn. 8; Scholz-Priester, GmbHG, § 54 Rn. 24. 10) Harbarth in: MünchKomm-GmbHG, § 54 Rn. 25; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 54 Rn. 12.

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mung geführt werden kann.11) Ferner ist nach Absatz 1 Satz 2 neben dem Gesellschafterbeschluss in urkundlicher Ausfertigung (§ 53 Abs. 2) oder beglaubigter Abschrift auch der Wortlaut der Satzung in der künftig geltenden Fassung beizufügen. Hierdurch soll es jedermann ermöglicht werden, sich durch Einsicht ins Handelsregister über die aktuelle Fassung des Gesellschaftsvertrags zu informieren. Die Zusammenstellung des aktualisierten Satzungstextes ist Aufgabe der Geschäftsführer, die diese Aufgabe aber an einen Notar delegieren dürfen.12) Der neue Satzungstext muss mit der Bescheinigung des Notars (§ 39 BeurkG) versehen werden, dass die geänderten Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags mit dem Beschluss über die Änderung des Gesellschaftsvertrags und die unveränderten Bestimmungen mit dem zuletzt zum Handelsregister eingereichten vollständigen Wortlaut des Gesellschaftsvertrags übereinstimmen. Dies gilt auch, wenn die Satzung vollständig neu gefasst wurde und daher im Protokoll enthalten ist, da auch in diesem Fall zur Erleichterung des Rechtsverkehrs eine separate Urkunde notwendig ist.13) Dagegen muss sich die Bescheinigung nicht auch auf eine zusammen mit der angemeldeten Satzungsänderung beschlossene, aufschiebend befristete Satzungsänderung beziehen, wenn der Befristungszeitpunkt noch nicht eingetreten ist.14) 7

Die Vorgaben des Absatzes 1 Satz 2 sind auch dann einzuhalten, wenn bei einer im vereinfachten Verfahren gegründeten Gesellschaft die im Musterprotokoll enthaltenen Angaben geändert werden.15) Dabei sollte es genügen, wenn sich die Notarbescheinigung auf die Nummern 1 bis 5 des Musterprotokolls bezieht, die die statutarischen Bestimmungen enthalten; doch soll auch eine Bescheinigung über den gesamten Text des Musterprotokolls möglich sein.16) Wird bei der Änderung nicht vom Wortlaut des Musterprotokolls abgewichen, kann vom Registergericht kein vollständig neuer Gesellschaftsvertrag verlangt werden.17) Abweichungen vom Wortlaut des Musterprotokolls sind aber bei Änderungen von Firma und Sitz erforderlich, weil diese Angaben nur im einleitenden Satz des Musterprotokolls enthalten sind, der die Errichtung der Gesellschaft betrifft, und sich damit bei der unveränderten Beibehaltung von Nr. 1 des Musterprotokolls ein falscher Inhalt ergäbe.18) Entsprechendes kann bei einer Änderung der Kapitalziffer gelten.19) Kann in

_____________ 11) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 54 Rn. 12; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 54 Rn. 9. 12) BayObLG, DNotZ 1989, 393, 394; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 54 Rn. 18. 13) OLG Jena, ZIP 2016, 526, 527, dazu EWiR 2016, 365 (Blasche); Scholz-Priester, GmbHG, § 54 Rn. 15; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 54 Rn. 17; a. A. BayObLG, BB 1993, 1830; OLG Celle, DNotZ 1982, 493 f; OLG Zweibrücken, NZG 2002, 93; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 54 Rn. 5. 14) OLG München, DNotZ 2010, 636, 637. 15) OLG München, ZIP 2009, 2392, dazu EWiR 2010, 185 (Wachter). 16) DNotI-Report 2010, 217, 218; Wicke, GmbHG, § 2 Rn. 19; vgl. auch OLG Karlsruhe, ZIP 2018, 1242, 1243 f. 17) OLG Düsseldorf, ZIP 2010, 1343, dazu EWiR 2010, 531 (Wachter). 18) OLG München, GmbHR 2010, 312; OLG Karlsruhe, ZIP 2018, 1242, 1243. 19) OLG München, ZIP 2010, 1902, 1903.

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diesen Fällen keine in sich widerspruchsfreie neue Fassung der Satzung hergestellt werden, müssen die Gesellschafter über eine Anpassung der Satzung beschließen.20) Aus Absatz 3 folgt, dass in der Anmeldung die Satzungsänderungen grundsätzlich nicht einzeln bezeichnet werden müssen, sondern eine globale Bezugnahme auf den beigefügten Beschluss genügt. Eine Ausnahme gilt nur für Änderungen der Festlegungen gemäß § 10; sie müssen in der Anmeldung schlagwortartig bezeichnet werden.21) Dabei spielt es keine Rolle, ob nur einzelne Bestimmungen geändert werden oder die Satzung völlig neu gefasst wird.

8

III. Prüfung durch das Registergericht An die Anmeldung der Satzungsänderung schließt sich die Prüfung durch das Registergericht an. Dieses hat dabei ggf. von Amts wegen Ermittlungen durchzuführen (§ 26 FamFG). Seine Prüfungsbefugnis ist anders als bei der Anmeldung der Gesellschaft unbeschränkt, da § 9c Abs. 2 bei Satzungsänderungen nicht anwendbar ist.22) Wird die Eintragung der Satzungsänderung abgelehnt, kann die Gesellschaft hiergegen Beschwerde (§ 58 Abs. 1 FamFG) und danach ggf. Rechtsbeschwerde (§ 70 FamFG) einlegen.

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Zu prüfen hat das Registergericht im Einzelnen zunächst die Legitimation des Anmeldenden, die Vollständigkeit und die Ordnungsmäßigkeit der eingereichten Unterlagen.23) Weiterhin ist zu untersuchen, ob die ggf. erforderlichen Zustimmungen einzelner Gesellschafter vorliegen24) und ob der Gesellschafterbeschluss nichtig ist, selbst wenn die Eintragung zur Heilung der Nichtigkeit führen würde.25) Dagegen muss die bloße Anfechtbarkeit grundsätzlich nicht geprüft werden; eine Eintragung soll aber dann nicht in Betracht kommen, wenn Vorschriften verletzt sind, die auch im Interesse der Gläubiger oder der Öffentlichkeit bestehen.26) Ist bereits Anfechtungsklage erhoben worden, kann das Registergericht das Verfahren nach § 21 FamFG aussetzen. Die Möglichkeit eines Freigabeverfahrens besteht nicht, da § 246a AktG bei der GmbH nicht entsprechend anwendbar ist.27) Sonder-

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_____________ 20) OLG Karlsruhe, ZIP 2018, 1242, 1243; OLG München, ZIP 2010, 1902, 1903. 21) BGH, NJW 1987, 3191 f; BayObLG, GmbHR 1979, 15; BayObLG, GmbHR 1985, 262 f; OLG Düsseldorf, NZG 1999, 118; OLG Hamm, NJW-RR 1994, 361; OLG Hamm, ZIP 2001, 2229, 2230; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 54 Rn. 7. 22) So im Anschluss an BT-Drucks. 13/8444, S. 80 BayObLG, GmbHR 2001, 728; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 54 Rn. 8; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 54 Rn. 23 und im Grundsatz auch Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 54 Rn. 42; a. A. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 54 Rn. 21. 23) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 54 Rn. 19; Scholz-Priester, GmbHG, § 54 Rn. 24. 24) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 54 Rn. 10; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 54 Rn. 24. 25) BayObLG, NJW-RR 1987, 927, 928; OLG Köln, NJW-RR 1993, 223, 224. 26) Scholz-Priester, GmbHG, § 54 Rn. 44; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 54 Rn. 52; skeptisch Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schnorbus, GmbHG, § 54 Rn. 25 f; gegen die Relevanz einer bloßen Anfechtbarkeit auch OLG München, ZIP 2012, 2150, 2151. 27) KG, ZIP 2011, 1474 = NZG 2011, 1068, dazu EWiR 2011, 711 (Nikoleyczik); Baumbach/ Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 54 Rn. 28; Scholz-Priester, GmbHG, § 57 Rn. 50; Meurer, GmbHR 2013, 729 ff; a. A. Bayer/Lieder, NZG 2011, 270 ff; Harbarth, GmbHR 2005, 966 ff.

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regeln bestehen allerdings gemäß §§ 16 Abs. 2 Satz 1, 36 Abs. 1, 125 Satz 1, 198 Abs. 3 UmwG für eintragungspflichtige Beschlüsse bei Umwandlungen, da hier bei der Anmeldung erklärt werden muss, dass eine Klage gegen die Wirksamkeit des Beschlusses nicht oder nicht fristgemäß erhoben oder eine solche Klage rechtskräftig abgewiesen oder zurückgenommen worden ist. Allerdings besteht insoweit gemäß § 16 Abs. 3 UmwG auch für die GmbH ausnahmsweise die Möglichkeit eines Freigabeverfahrens. 11

Das Registergericht darf einen Beschluss nicht schon deshalb beanstanden, weil er missverständlich oder unzweckmäßig ist.28) Eine Ausnahme besteht lediglich dann, wenn die Änderung einem anderen Teil der Satzung widerspricht.29) Auch darf das Registergericht die Satzungsänderung nicht davon abhängig machen, dass unveränderte rechtswidrige Satzungsbestandteile berichtigt werden.30) Dies ist allein dann möglich, wenn eine vollständige Neufassung der Satzung beschlossen wird.31)

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Ist ein Teil der Satzungsänderung nichtig oder kann er aus anderen Gründen nicht eingetragen werden, so hat das Registergericht die Eintragung insgesamt abzulehnen. Dies gilt lediglich dann nicht, wenn die Anmeldung die Einschränkung enthält, dass lediglich die wirksamen Teile eingetragen werden sollen.32) IV. Eintragung und Bekanntmachung (Abs. 2, 3)

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Für die Eintragung der Satzungsänderung ins Handelsregister ist nach Absatz 2 zu unterscheiden, ob die Änderung die wesentlichen Bestandteile der Satzung nach § 10 betrifft oder nicht. Ist dies der Fall, so muss die Änderung selbst ins Handelsregister eingetragen werden.33) Andernfalls genügt eine Bezugnahme auf die beim Gericht eingereichten Dokumente über die Änderung. Auf jeden Fall ist nach § 382 Abs. 2 FamFG der Tag der Eintragung zu vermerken; gleiches gilt für den Tag der Beschlussfassung.34)

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Die Änderung wird nach Absatz 3 erst mit der Eintragung ins Handelsregister im Außenverhältnis wirksam. Wegen § 15 HGB kommt es dabei letztlich auf die Bekanntmachung an. Innerhalb der Gesellschaft sind Organe und Gesellschafter jedoch schon vorher an den Änderungsbeschluss gebunden.35) Dies gilt auch für den _____________ 28) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 54 Rn. 26; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schnorbus, GmbHG, § 54 Rn. 27. Wohl weiter Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 54 Rn. 46, nach dem auch irreführende Bestimmungen beanstandet werden können. 29) BayObLG, NJW-RR 1993, 494, 495. 30) OLG Hamm, NJW-RR 1997, 167, 168; BayObLG, ZIP 1996, 2109, 2110; Roth/AltmeppenAltmeppen, GmbHG, § 54 Rn. 28; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 54 Rn. 47; Priester, GmbHR 2007, 296 ff. 31) OLG München, ZIP 2006, 132 f; Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 54 Rn. 27. 32) BayObLG, NJW-RR 1987, 927, 928; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 54 Rn. 17. Anders wohl Scholz-Priester, GmbHG, § 54 Rn. 46. 33) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 54 Rn. 39. 34) OLG Hamm, NZG 2002, 425, 426; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schnorbus, GmbHG, § 54 Rn. 30; Scholz-Priester, GmbHG, § 54 Rn. 53; gegen eine Pflicht zur Eintragung des Tages der Beschlussfassung: Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 54 Rn. 33. 35) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 54 Rn. 36; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 54 Rn. 20.

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§ 55

Erhöhung des Stammkapitals

Anteilserwerber, wobei es keine Rolle spielt, ob er den Beschluss beim Erwerb seiner Beteiligung kannte.36) Wird ein formnichtiger Beschluss eingetragen, so wird die fehlende Beurkundung entsprechend § 242 Abs. 1 AktG geheilt.37) Bei anderen Mängeln beginnt mit der Eintragung der Lauf der dreijährigen Heilungsfrist entsprechend § 242 Abs. 2 AktG.38) Wird ein Beschluss nach Eintragung aufgrund einer Anfechtungsklage durch rechtskräftiges Urteil für nichtig erklärt, ist dies analog § 248 Abs. 1 AktG ins Handelsregister einzutragen.

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Im Übrigen kann ein in das Handelsregister eingetragener Beschluss gemäß § 398 FamFG von Amts wegen als nichtig gelöscht werden, wenn er durch seinen Inhalt zwingende gesetzliche Vorschriften verletzt und seine Beseitigung im öffentlichen Interesse erforderlich erscheint. Daneben kann auch den Gesellschaftern ein Anspruch auf Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustands zustehen.39)

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_____________ 36) Noack, GmbHR 1994, 349, 351; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 54 Rn. 20. 37) BGH, ZIP 1995, 1983, 1984. 38) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 54 Rn. 52; s. a. BGHZ 80, 212, 216 = ZIP 1981, 609. 39) Scholz-Priester, GmbHG, § 54 Rn. 57; Emde, ZIP 2000, 1753 ff.

§ 55 Erhöhung des Stammkapitals Michael Arnold/Felix Born

(1) Wird eine Erhöhung des Stammkapitals beschlossen, so bedarf es zur Übernahme jedes Geschäftsanteils an dem erhöhten Kapital einer notariell aufgenommenen oder beglaubigten Erklärung des Übernehmers. (2) 1Zur Übernahme eines Geschäftsanteils können von der Gesellschaft die bisherigen Gesellschafter oder andere Personen, welche durch die Übernahme ihren Beitritt zu der Gesellschaft erklären, zugelassen werden. 2Im letzteren Fall sind außer dem Nennbetrag des Geschäftsanteils auch sonstige Leistungen, zu welchen der Beitretende nach dem Gesellschaftsvertrag verpflichtet sein soll, in der in Absatz 1 bezeichneten Urkunde ersichtlich zu machen. (3) Wird von einem der Gesellschaft bereits angehörenden Gesellschafter ein Geschäftsanteil an dem erhöhten Kapital übernommen, so erwirbt derselbe einen weiteren Geschäftsanteil. (4) Die Bestimmungen in § 5 Abs. 2 und 3 über die Nennbeträge der Geschäftsanteile sowie die Bestimmungen in § 19 Abs. 6 über die Verjährung des Anspruchs der Gesellschaft auf Leistung der Einlagen sind auch hinsichtlich der an dem erhöhten Kapital übernommenen Geschäftsanteile anzuwenden. Literatur: Gerber/Pilz, Die Barkapitalerhöhung um einen Rahmenbetrag bei der GmbH, GmbHR 2005, 1324; Kühne/Dietel, Anwachsung des Bezugsanspruchs aus einem Kapitalerhöhungsbeschluss bei Verzicht bzw. Nichtausübung eines GmbH-Gesellschafters?, NZG 2009, 15; Nentwig, Durchsetzung von Sanierungsmaßnahmen in der GmbH, GmbHR 2012, 664; Niesse/Hemme, Minderheitenschutz bei freiwilligen Zuzahlungen in die Kapital-

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§ 55

Erhöhung des Stammkapitals

rücklage im Lichte des § 7 Abs. 8 ErbStG, GmbHR 2014, 293; Priester, Das gesetzliche Bezugsrecht bei der GmbH, DB 1980, 1925; Spliedt, Debt-Equity-Swap und weitere Strukturänderungen nach dem ESUG, GmbHR 2012, 462; Willemsen/Rechel, Insolvenzrecht im Umbruch – ein Überblick über den RegE-ESUG, BB 2011, 834; Wirth/M. Arnold, Umwandlungen von Stammaktien in Vorzugsaktien, ZGR 2002, 859. Übersicht I. Überblick .............................................. 1 II. Der Kapitalerhöhungsbeschluss ......... 7 1. Zeitpunkt für eine Kapitalerhöhung ................................................... 8 2. Mindestinhalt ...................................... 10 3. Freiwilliger Inhalt ................................ 15 4. Aufhebung des Kapitalerhöhungsbeschlusses ........................................... 20 III. Zulassungsbeschluss und Bezugsrecht ......................................... 21 1. Verhältnis von Zulassungsbeschluss und Bezugsrecht .................................. 21

I.

2. 3. IV. 1. 2. 3. 4.

Bezugsrecht ......................................... 23 Bezugsrechtsausschluss ....................... 27 Übernahme neuen Kapitals .............. 31 Übernahmevertrag .............................. 31 Inhalt der Übernahmeerklärung ......... 35 Übernehmer ......................................... 37 Rechte und Pflichten nach Abschluss des Übernahmevertrags .... 38 V. Insolvenz und Kapitalerhöhung ...... 41 VI. Kosten der Kapitalerhöhung ............ 46

Überblick

1

§ 55 ist die Grundnorm für die Kapitalerhöhung einer GmbH. Das GmbHG unterscheidet zwischen der Kapitalerhöhung gegen Einlagen (§§ 55 – 57a) und der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 57c – 57o). Sachkapitalerhöhungen (§ 56) sind ein Unterfall der Kapitalerhöhung gegen Einlagen. Bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen, die auch als effektive Kapitalerhöhung bezeichnet wird, werden der Gesellschaft von den bisherigen oder neu eintretenden Gesellschaftern zusätzliche Mittel als Eigenkapital zur Verfügung gestellt. Dagegen wird bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln die Stammkapitalziffer lediglich durch Umwandlung anderer Formen von Eigenkapital erhöht. Sie wird daher auch als nominelle Kapitalerhöhung bezeichnet.

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Hauptzweck einer effektiven Kapitalerhöhung ist in aller Regel die Zuführung von neuem Eigenkapital, z. B. durch Zuführung von Barmitteln oder Umwandlung von Fremdkapital, etwa Forderungen, in Eigenkapital (Sachkapitalerhöhung). Daneben sind auch Situationen denkbar, in denen die Stärkung der Eigenkapitalbasis lediglich Nebenfolge, nicht aber Hauptzweck der Kapitalerhöhung ist. Das kann etwa bei der Aufnahme neuer Gesellschafter oder der Verstärkung einer Konzernbeziehung der Fall sein.

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Im Gegensatz zum AktG kennt das GmbHG keine bedingte Kapitalerhöhung. In einem anderen Punkt fand durch das MoMiG aber eine Annäherung an das Aktienrecht statt: § 55a GmbHG regelt seit Inkrafttreten des MoMiG die bisher nur aus dem Aktienrecht bekannte Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital.

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Neben einer effektiven Kapitalerhöhung gibt es noch weitere Möglichkeiten, der Gesellschaft Eigenkapital oder eigenkapitalähnliche Mittel zuzuführen. Zu nennen sind hier insbesondere: Zuzahlungen in das Eigenkapital nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB,1) die Vereinbarung einer Nachschusspflicht oder Einzahlung von Nachschüssen _____________ 1)

Dazu Niesse/Hemme, GmbHR 2014, 293.

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auf eine bestehende Nachschusspflicht (§ 26), Erfüllung oder Übernahme von Nebenleistungspflichten (§ 3 Abs. 2) sowie Gewährung von nachrangigen Gesellschafterdarlehen oder Ausgabe von Genussrechten bzw. Genussscheinen.2) Aus der Treupflicht kann sich eine Verpflichtung der Gesellschafter ergeben, eine Kapitalerhöhung nicht zu blockieren.3) Eine Verpflichtung, für eine Kapitalerhöhung zu stimmen, dürfte sich aus der Treupflicht in aller Regel nicht ergeben, sondern höchstens aus schuldrechtlichen Vereinbarungen der Gesellschafter untereinander, mit der Gesellschaft oder mit Dritten.4) In Einzelfällen könnte sich eine Pflicht zur Zustimmung zu einer Kapitalerhöhung auch aus den Regeln ergeben, die der Bundesgerichtshof5) in seiner Entscheidung „Sanieren oder Ausscheiden“ entwickelt hat.6) Eine Verpflichtung von Gesellschaftern, neues Kapital zu übernehmen, kann sich aus der Treupflicht nicht ergeben. Ausnahmen sind nur bei Kapitalmaßnahmen zur Umstellung von DM auf Euro denkbar.7) In schuldrechtlichen Vereinbarungen mit der Gesellschaft, anderen Gesellschaftern oder Dritten kann sich ein Gesellschafter aber zur Leistung von Einlagen verpflichten.

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Die wesentlichen Schritte einer Barkapitalerhöhung ohne Ausnutzung genehmigten Kapitals gemäß § 55a GmbHG sind:

6



Kapitalerhöhungsbeschluss der Gesellschafterversammlung, der den Anforderungen von § 53 Abs. 1 und Abs. 2 genügt (notarielle Beurkundung sowie qualifizierte Mehrheit);



ggf. Zulassungsbeschluss (§ 55 Abs. 2); str., dazu siehe Rn. 21 ff;



Übernahme der neuen Einlagen durch Übernahmeerklärungen der Übernehmer und deren Annahme durch die Gesellschaft (Übernahmevertrag);



Leistung der Einlage (§ 56a);



Anmeldung der Kapitalerhöhung zum Handelsregister (§ 57);



Prüfung durch das Registergericht (§§ 57, 57a);



Wirksamwerden der Kapitalerhöhung durch Eintragung im Handelsregister;



Bekanntmachung der Eintragung nach § 10 HGB.

_____________ 2) 3)

4) 5) 6) 7)

Ausführl. zu den verschiedenen Möglichkeiten der Eigenkapitalbeschaffung bei der GmbH, Schwaiger in: Beck‘sches Hdb. GmbH, § 7. Zur Treupflicht: BGHZ 183, 1 = ZIP 2009, 2289 = DB 2009, 2596, dazu EWiR 2009, 739 (Armbrüster); Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 55 Rn. 57; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55 Rn. 6; Lieder in: MünchKomm-GmbHG, § 55 Rn. 32 ff; vgl. zur Parallelproblematik im Aktienrecht: Scholz in: Münch-Hdb. GesR, Bd. 4, § 57 Rn. 13. Weiter: Wegmann in: Münch-Hdb. GesR, Bd. 3, § 53 Rn. 14. BGHZ 183, 1 = ZIP 2009, 2289 = DB 2009, 2596, dazu EWiR 2009, 739 (Armbrüster). Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55 Rn. 6; Lieder in: MünchKomm-GmbHG, § 55 Rn. 33b ff; vgl. auch Nentwig, GmbHR 2012, 664. Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 55 Rn. 57; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55 Rn. 6.

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II. Der Kapitalerhöhungsbeschluss 7

Der Kapitalerhöhungsbeschluss ist ein satzungsändernder Beschluss, weil er die nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 zwingend in der Satzung ausgewiesene Stammkapitalziffer ändert. Der Kapitalerhöhungsbeschluss unterliegt daher den allgemeinen Regelungen über satzungsändernde Beschlüsse (§§ 53, 54). Der Kapitalerhöhungsbeschluss ist zwingend von der Gesellschafterversammlung mit drei Vierteln der abgegebenen Stimmen zu fassen (sofern die Satzung keine höhere Mehrheit oder andere Erfordernisse wie z. B. die Zustimmung einzelner Gesellschafter vorsieht) und notariell zu beurkunden. Das Erfordernis der notariellen Beurkundung ist auch gewahrt, wenn die Gesellschafter ihre Stimmen im schriftlichen Verfahren gemäß § 48 Abs. 2 ohne Versammlung zu Protokoll eines oder mehrerer Notare erklären.8) Bei Beschlussfassung in einer Gesellschafterversammlung bedarf es der rechtzeitigen Ankündigung der Kapitalerhöhung in der Tagesordnung.9) 1.

Zeitpunkt für eine Kapitalerhöhung

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Eine Kapitalerhöhung kann auch in der Liquidation oder in der Insolvenz von der Gesellschafterversammlung beschlossen werden (zu den Problemen, die sich bei einer Kapitalerhöhung in der Insolvenz stellen, siehe Rn. 41 ff).10) Vor Eintragung der GmbH kann durch Vereinbarung aller Gesellschafter die Gründungssatzung im Hinblick auf den Stammkapitalbetrag geändert werden. Außerdem ist es zulässig, eine förmliche Kapitalerhöhung nach § 55 zu beschließen, die erst in der Zeit nach Eintragung der GmbH im Handelsregister wirksam werden soll.11) Eine Kapitalerhöhung kann auch beschlossen werden, wenn das bisherige Kapital nicht voll eingezahlt ist. § 182 Abs. 4 AktG, wonach bei AG das Grundkapital nicht erhöht werden soll, solange Einlagen ausstehen, gilt für die GmbH nicht, auch nicht entsprechend. Etwas anderes gilt bei Kapitalerhöhungen durch Aufstockung bestehender Anteile. Wegen eines möglichen Rückerwerbs von Geschäftsanteilen durch Vormänner gemäß § 22 Abs. 4 kommt eine Kapitalerhöhung durch Aufstockung bestehender Anteile nur in Betracht, wenn die Einlagen für die betreffenden Geschäftsanteile voll geleistet sind, sie noch vom Gründungsgesellschafter oder dessen Gesamtrechtsnachfolger gehalten werden oder die Frist des § 22 Abs. 3 abgelaufen ist.12)

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Lautet das Stammkapital der Gesellschaft noch auf DM, was nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EGGmbHG zulässig ist, muss vor oder gleichzeitig mit einer Kapitalerhöhung noch das Stammkapital auf Euro umgestellt werden.13) Vor einer Umstellung des Stamm-

_____________ 8) Wegmann in: Münch.-Hdb. GesR, Bd. 3, § 53 Rn. 13. 9) Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 53 Rn. 56. 10) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55 Rn. 32; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 55 Rn. 34. 11) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 55 Rn. 34. 12) BGHZ 63, 116, 117 f = GmbHR 1975, 35 = DB 1975, 44; Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 24. 13) Zu den inhaltlichen Anforderungen an einen Kapitalerhöhungsbeschluss zur Euroglättung, vgl. OLG Hamm, GmbHR 2011, 654 = NZG 2011, 1304 (LS).

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kapitals auf Euro kann eine Änderung des Stammkapitals nicht im Register eingetragen werden. 2.

Mindestinhalt

Im Kapitalerhöhungsbeschluss ist der Betrag anzugeben, um den das Stammkapital erhöht werden soll. Wird das Bezugsrecht der Altgesellschafter gewahrt, ist der Betrag der Kapitalerhöhung so zu bemessen, dass jeder Gesellschafter im Verhältnis seines bisherigen Anteilsbesitzes neues Kapital zeichnen kann. Der Erhöhungsbetrag muss mindestens 1 € (§ 5 Abs. 2 Satz 1) oder ein Vielfaches davon betragen.14) Die neue Stammkapitalziffer muss im Beschluss nicht genannt werden,15) auch eine separate Änderung des Gesellschaftsvertrags ist nicht zwingend.16) Es genügt, wenn – ohne einen weiteren Gesellschafterbeschluss – die Geschäftsführung bei der Anmeldung der Kapitalerhöhung zum Handelsregister den sich aus der Übernahme des neuen Kapitals ergebenden neuen Betrag des Stammkapitals nennt (§ 54 Abs. 1 Satz 2).17) Eine gesonderte Ermächtigung im Kapitalerhöhungsbeschluss ist nicht zwingend, schadet aber auch nicht.

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Die Gesellschafterversammlung hat die Möglichkeit, einen festen Kapitalerhöhungsbetrag oder in Anlehnung an das im Aktienrecht übliche Vorgehen eine „bis-zu“Kapitalerhöhung zu beschließen. Bei der „bis-zu“-Kapitalerhöhung wird ein Höchstbetrag bestimmt und der genaue Betrag der Kapitalerhöhung davon abhängig gemacht, in welcher Höhe neues Kapital übernommen wird. Die Angabe eines Mindestbetrags ist nicht zwingend. Wird ein fester Kapitalerhöhungsbetrag beschlossen, hat dies den Nachteil, dass die Kapitalerhöhung nur dann zum Handelsregister angemeldet und eingetragen werden kann, wenn das neue Kapital in voller Höhe übernommen wird. Ein fester Erhöhungsbetrag empfiehlt sich daher nur, wenn die Übernahmeerklärungen der Alt- oder Neugesellschafter mit dem Kapitalerhöhungsbeschluss notariell beurkundet werden oder die vollständige Übernahme aus anderen Gründen gesichert ist.

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Bei der „bis-zu“-Kapitalerhöhung ist im Beschluss zwingend eine Frist von höchstens sechs Monaten für die Durchführung der Kapitalerhöhung zu nennen.18) Die Ansicht, dass im Falle einer „bis-zu“-Kapitalerhöhung die Angabe der Frist entbehrlich sei, weil das Gesetz das nicht vorschreibe,19) kann spätestens seit Einführung des genehmigten Kapitals (§ 55a) nicht mehr überzeugen. Ohne eine solche

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_____________ 14) Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 55 Rn. 21; Wegmann in: Münch-Hdb. GesR, Bd. 3, § 53 Rn. 6. 15) BGH, ZIP 2007, 2416, 2417 = GmbHR 2008, 147 = DB 2007, 2826; Wegmann in: MünchHdb. GesR, Bd. 3, § 53 Rn. 5; Gerber/Pilz, GmbHR 2005, 1324, 1327 ff; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 55 Rn. 8; Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 55 Rn. 57. 16) Näher Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 37. 17) RGZ 85, 205, 207; Wegmann in: Münch-Hdb. GesR, Bd. 3, § 53 Rn. 5; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 55 Rn. 25. 18) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55 Rn. 9; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 55 Rn. 20; Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 19. Für die AG: LG Hamburg, AG 1995, 93; OLG Hamburg, AG 2000, 326, 327 = DB 2000, 762 = NZG 2000, 549, dazu EWiR 2000, 893 (Rottnauer); RGZ 55, 65, 68. 19) Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 55 Rn. 11.

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Frist kann die „bis-zu“ -Kapitalerhöhung nicht hinreichend vom genehmigten Kapital abgegrenzt werden. Nach Durchführung einer „bis-zu“-Kapitalerhöhung muss nicht durch erneuten Gesellschafterbeschluss die Stammkapitalziffer in der Satzung angepasst werden; es genügt die Angabe durch die Geschäftsführung in der Anmeldung zum Handelsregister (siehe Rn. 10). 13

Die Bestimmungen des § 55 Abs. 3 und 4 sind zu beachten, insbesondere, dass über § 55 Abs. 4 die Bestimmungen in § 5 Abs. 3 über die Nennbeträge der Geschäftsanteile auch für die Kapitalerhöhung gelten. Grundsätzlich müssen die Nennbeträge der neu auszugebenden Geschäftsanteile im Kapitalerhöhungsbeschluss nur festgelegt werden, wenn die Satzung hierüber noch keine Bestimmung getroffen hat20) oder ein Gesellschafter mehrere Geschäftsanteile übernehmen soll (Abs. 4 i. V. m. § 5 Abs. 2 Satz 2). Gemäß § 55 Abs. 3 wird das Kapital durch Ausgabe neuer Geschäftsanteile erhöht, nicht durch Erhöhung des Nennbetrags bestehender Geschäftsanteile. § 55 Abs. 3 ist aber dispositiv. Durch ausdrückliche anderweitige Regelung im Kapitalerhöhungsbeschluss kann von § 55 Abs. 3 abgewichen und das Kapital durch Erhöhung der Nennbeträge bereits bestehender Geschäftsanteile erhöht werden (sog. Aufstockung).21) Dann gehört allerdings die Nennung der Übernehmer zum Mindestinhalt des Kapitalerhöhungsbeschlusses.22)

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Bei Sachkapitalerhöhungen sind zusätzlich der Gegenstand der Sacheinlage und der Nennbetrag des Geschäftsanteils, auf den sich die Sacheinlage bezieht, zu bezeichnen (§ 56). 3.

Freiwilliger Inhalt

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Eine Nennung der Übernehmer im Kapitalerhöhungsbeschluss (oder in einem Zulassungsbeschluss) ist nicht erforderlich,23) es sei denn, das Kapital wird durch Aufstockung der Nennbeträge bestehender Geschäftsanteile erhöht. Die zur Übernahme Berechtigten ergeben sich aus dem Bezugsrecht. Wird das Bezugsrecht ausgeschlossen, liegt eine ausdrückliche Nennung der Übernehmer nahe. Zwingend ist dies aber auch dann nicht. Die Gesellschafter können die Bestimmung der Übernehmer auch dem Geschäftsführer überlassen24) oder unabhängig vom Kapitalerhöhungsbeschluss einen Zulassungsbeschluss gemäß Absatz 2 fassen.

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Es empfiehlt sich, die laufenden Nummern der neuen Geschäftsanteile im Beschluss anzugeben. Nach § 40 Abs. 1 und Abs. 2 sind die Geschäftsführer und der Notar verpflichtet, die Gesellschafterliste bei einer Kapitalerhöhung auch im Hinblick auf die laufenden Nummern der Geschäftsanteile zu ergänzen. Außerdem empfiehlt es sich, im Zusammenhang mit dem Kapitalerhöhungsbeschluss ggf. die Gründungsangaben zur Übernahme der ursprünglichen Stammeinlagen, sofern bereits _____________ 20) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55 Rn. 13 mit dem Beispiel, dass laut Satzung „die Nennbeträge einheitlich auf EUR 1 lauten“. 21) BGHZ 63, 116; 117 f = GmbHR 1975, 35 = DB 1975, 44; OLG Hamm, DB 1982, 945, 946 = GmbHR, 1983, 102; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55 Rn. 17; ScholzPriester, GmbHG, § 55 Rn. 24. 22) Wicke, GmbHG, § 55 Rn. 8. 23) BayObLG, NJW 1982, 1400, 1401 = ZIP 1981, 1207 = GmbHR 1982, 185. 24) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55 Rn. 14.

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möglich (dazu siehe § 3 Rn. 15 [Schäfer]), zu streichen oder jedenfalls klar zu stellen, dass die im Gesellschaftsvertrag genannten Stammeinlagen bei der Gründung übernommen wurden.25) Weitere Angaben im Kapitalerhöhungsbeschluss sind nur erforderlich, wenn von dem Gesellschaftsvertrag oder den abdingbaren Vorschriften des GmbHG abgewichen werden soll. Das ist insbesondere der Fall, wenn die neuen Geschäftsanteile mit besonderen Rechten oder Pflichten ausgestattet werden sollen (z. B. im Hinblick auf den Beginn des Gewinnbezugsrechts oder besondere Rechte wie erhöhte Gewinnbeteiligung). In solchen Fällen kann zur Beseitigung von Missverständnissen eine weitergehende Anpassung des Gesellschaftsvertrags erforderlich sein.26) Wird zur Gewinnberechtigung nichts bestimmt, nehmen die neuen Geschäftsanteile voll am Gewinn des Jahres teil, in dem die Kapitalerhöhung wirksam wird.27) Wird die Fälligkeit der Einlagen im Kapitalerhöhungsbeschluss nicht geregelt, kann bis zur Eintragung im Handelsregister nur die Erbringung der Mindesteinlage nach § 56a i. V. m. § 7 Abs. 2 Satz 1 gefordert werden. Es muss dann also zunächst nur ein Viertel des Nennbetrags geleistet werden.

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Sollen die Geschäftsanteile zum Nennbetrag ausgegeben werden, bedarf es im Kapitalerhöhungsbeschluss keiner besonderen Festlegung des Ausgabebetrags (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 2). Eine Ausgabe neuer Geschäftsanteile unter dem Nennbetrag ist unzulässig; ein entsprechender Beschluss wäre nichtig. Sollen die Geschäftsanteile zu einem über dem Nennbetrag liegenden Ausgabebetrag (Agio) ausgegeben werden, muss das Agio im Beschluss festgelegt werden (§ 3 Abs. 2).28) Ein Agio durch rein schuldrechtliche Vereinbarung ohne statuarische Grundlage, bei dem der Ausgabebetrag dem Nennwert entspricht, ist aber ebenfalls zulässig.29) Die neuen Geschäftsanteile können bei Wahrung des Bezugsrechts – bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs – auch dann zum Nennwert ausgegeben werden, wenn der anteilige Wert des Unternehmens darüber liegt.30) Es besteht daher auch keine Verpflichtung der Gesellschafter oder der Geschäftsführung, vor der Kapitalerhöhung den Unternehmenswert zu ermitteln. Das Bezugsrecht schützt die überstimmte Minderheit hinreichend vor einer Verwässerung. Jedenfalls ist eine Ausgabe der neuen Geschäftsanteile zum Nennwert zulässig, wenn der Beschluss nicht angefochten wird. Im Falle eines Bezugsrechtsausschlusses darf der Ausgabebetrag allerdings nicht unangemessen niedrig sein (Rechtsgedanke des § 255 Abs. 2 AktG).

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_____________ 25) Vgl., BayObLG, DB 1971, 1612; OLG Hamm, BB 1996, 921, 922 = GmbHR 1996, 363 = NJW-RR 1996, 482; Harbarth in: MünchKomm-GmbHG, § 53 Rn. 195; Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 37. 26) OLG München, ZIP 2010, 1902, 1903 = DB 2010, 1637; Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 37. 27) Wegmann in: Münch-Hdb. GesR, Bd. 3, § 53 Rn. 11; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/ Casper, GmbHG, § 55 Rn. 29. 28) BGH, ZIP 2007, 2416, 2417 = GmbHR 2008, 147 = DB 2007, 2826. 29) BGH, ZIP 2007, 2416, 2417 = GmbHR 2008, 147 = DB 2007, 2826. 30) A. A. OLG Stuttgart, BB 2000, 1155 ff = GmbHR 2000, 333 = DB 2000, 135; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55 Rn. 11; Gerber/Pilz, GmbHR 2005, 1324; Roth/ Altmeppen-Roth, GmbHG, § 55 Rn. 25; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 238 ff.

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Ein Agio ist auf der Passivseite nach § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB (nicht: § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB) in die Kapitalrücklage einzustellen. Das Agio unterliegt nicht dem Kapitalschutz, wie sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ergibt.31) Etwaige Zuzahlungen auf rein schuldrechtlicher Ebene können in der freien Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB verbucht werden.32) 4.

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Aufhebung des Kapitalerhöhungsbeschlusses

Die Gesellschafterversammlung kann den Kapitalerhöhungsbeschluss bis zur Eintragung im Handelsregister jederzeit aufheben. Hierfür soll nach verbreiteter Ansicht die einfache Mehrheit genügen.33) Richtigerweise ist für eine Aufhebung des Kapitalerhöhungsbeschlusses aber die gleiche qualifizierte Mehrheit erforderlich wie für die Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses. Nach Eintragung im Handelsregister kann die Kapitalerhöhung nur durch eine Kapitalherabsetzung wieder rückgängig gemacht werden. III. Zulassungsbeschluss und Bezugsrecht 1.

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Verhältnis von Zulassungsbeschluss und Bezugsrecht

Absatz 2 geht davon aus, dass zusammen mit oder nach einem Kapitalerhöhungsbeschluss von den Gesellschaftern ein Beschluss gefasst wird, durch den festgelegt wird, welche Personen (bisherige Gesellschafter oder andere Personen) zur Übernahme von Geschäftsanteilen zugelassen werden. Das GmbHG enthält keine mit § 186 AktG vergleichbare Regelung, wonach den Gesellschaftern bei Kapitalerhöhungen ein gesetzliches Bezugsrecht zusteht und dieses Bezugsrecht nur im Kapitalerhöhungsbeschluss selbst unter besonderen Voraussetzungen abbedungen werden kann. Absatz 2 ist aber im Lichte der insbesondere im Aktienrecht in den letzten Jahrzehnten gewonnenen Erkenntnisse auszulegen. Gesellschaftern einer GmbH steht bei Kapitalerhöhungen ebenso wie Aktionären einer AG ein gesetzliches Bezugsrecht analog § 186 AktG zu.34) Diese Ansicht ist ohne weiteres mit dem Wortlaut des Gesetzes in Einklang zu bringen: Durch Absatz 2 wird bei Anerkennung eines gesetzlichen Bezugsrechts lediglich klargestellt, dass das neue Kapital nicht notwendigerweise nur von den bisherigen Gesellschaftern übernommen werden muss, es also zu einem Ausschluss des Bezugsrechts und einer Erweiterung des Gesellschafterkreises kommen kann.35) Ein Zulassungsbeschluss i. S. v. Absatz 2 _____________ 31) BGH, ZIP 2007, 2416, 2417 = GmbHR 2008, 147 = DB 2007, 2826. 32) OLG München, AG 2007, 292, 294 = ZIP 2007, 126 = DB 2006, 2734; BGHZ 174, 112 = ZIP 2008, 337 (LS) = AG 2008, 122 – zur KGaA; BayObLG, ZIP 2002, 1484 = DB 2002, 940 = NZG 2002, 583. 33) Etwa Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55 Rn. 5; Wegmann in: Münch-Hdb. GesR, Bd. 3, § 53 Rn. 16; vgl. zur Gegenauffassung auch Scholz-Priester, GmbHG, § 53 Rn. 188, § 55 Rn. 36. 34) Inzwischen folgt dem – jedenfalls im Ergebnis – die wohl überwiegende Auffassung: Vgl. statt vieler Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 41 f; Lieder in: MünchKomm-GmbHG, § 55 Rn. 70; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55 Rn. 19 ff; Priester, DB 1980, 1925; für die a. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 55 Rn. 52. Die Frage wurde vom BGH, ZIP 2005, 985, 987 = GmbHR 2005, 925 = DB 2005, 1267, dazu EWiR 2005, 599 (Priester) offengelassen. 35) Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 47.

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Erhöhung des Stammkapitals

ist nur dann erforderlich, wenn das Bezugsrecht ganz oder teilweise ausgeschlossen wurde oder nach den Übernahmen durch die Gesellschafter ein „unausgenutzter Rest“ verbleibt, der Dritten zur Übernahme angeboten werden soll (zur Anwachsung bei übrigen Bezugsberechtigten im Falle der Nichtausübung, siehe Rn. 23).36) Dann muss in einem Zulassungsbeschluss, für den die einfache Mehrheit genügt,37) bestimmt oder in bestimmbarer Weise festgelegt werden, mit wem die Geschäftsführer namens der Gesellschaft Übernahmeverträge bezüglich der Übernahmen neuen Kapitals schließen dürfen. Der Zulassungsbeschluss kann auch im Kapitalerhöhungsbeschluss enthalten sein. Fehlt es an einem ausdrücklichen Zulassungsbeschluss, entsteht das Bezugsrecht mit dem Kapitalerhöhungsbeschluss für jeden Gesellschafter entsprechend seiner Beteiligungsquote. Aus Gründen der Vorsicht ist der Praxis aber anzuraten, auch bei Gewährung eines Bezugsrechts die Übernehmer des neuen Kapitals im Beschluss zu nennen. Ist ein Zulassungsbeschluss nicht erforderlich, liegt im Kapitalerhöhungsbeschluss bereits die Ermächtigung der Geschäftsführer, mit den Gesellschaftern Übernahmeverträge abzuschließen.38) 2.

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Bezugsrecht

Wie im Aktienrecht ist im GmbH-Recht zwischen dem allgemeinen Bezugsrecht, das aus der Mitgliedschaft folgt, und dem konkreten Bezugsanspruch zu unterscheiden. Im Gegensatz zum Aktienrecht (§ 186 Abs. 3 Satz 1 AktG) kann im GmbH-Recht das allgemeine Bezugsrecht in der Satzung mit Zustimmung aller Gesellschafter ausgeschlossen werden.39) Das allgemeine Bezugsrecht ist untrennbarer Bestandteil der Mitgliedschaft und kann nicht Gegenstand einer gesonderten Verfügung sein. Der konkrete Bezugsanspruch entsteht als selbständiges Recht mit Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses. Der konkrete Bezugsanspruch ist gerichtet auf Teilnahme an der Kapitalerhöhung entsprechend dem bisherigen Anteil des jeweiligen Gesellschafters.40) Der konkrete Bezugsanspruch kann als selbständiges Recht übertragen werden, auch vor Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses als zukünftiger konkreter Bezugsanspruch.41) Für die Abtretung des konkreten Bezugsanspruches gilt § 15 Abs. 3 bis 5, d. h. die Abtretung des Bezugsanspruchs bedarf notarieller Beurkundung, und die Beschränkungen nach § 15 Abs. 5 sind zu beachten. Bezugsberechtigt ist, wer zum Zeitpunkt der Fassung des Kapitaler_____________ 36) Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, § 55 Rn. 28. Dieses Problem kann bei einer „Bis-zu“Kapitalerhöhung nicht auftreten. 37) Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, § 55 Rn. 28. Wenn erst im Zulassungsbeschluss das Bezugsrecht ausgeschlossen wird (str., ob zulässig), ist auch für den Zulassungsbeschluss eine qualifizierte Mehrheit erforderlich. 38) Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 41, 47; a. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 55 Rn. 55. 39) Wicke, GmbHG, § 55 Rn. 11; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55 Rn. 22. 40) Im Grundsatz anerkannt in BGH, ZIP 2005, 985, 987 = GmbHR 2005, 925 = DB 2005, 1267, dazu EWiR 2005, 599 (Priester). 41) Wicke, GmbHG, § 55 Rn. 11. Zum insoweit vergleichbaren Gewinnauszahlungsanspruch vgl. M. Arnold, Der Gewinnauszahlungsanspruch des GmbH-Minderheitsgesellschafters, S. 14 f.

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§ 55

Erhöhung des Stammkapitals

höhungsbeschlusses Gesellschafter ist. Das Bezugsrecht wird durch Übermittlung der formgerechten Übernahmeerklärung an die Gesellschaft ausgeübt. Entgegen der Ansicht des Bundesgerichtshofs42) kann das Bezugsrecht auch teilweise ausgeübt werden. Ein Grund, im GmbH-Recht, anders als im Aktienrecht, nur die vollständige Ausübung des Bezugsrechts anzuerkennen, ist nicht ersichtlich.43) Insbesondere lässt sich als Grund nach dem MoMiG nicht mehr anführen, dass ein Gesellschafter bei einer Kapitalerhöhung nur einen weiteren Geschäftsanteil übernehmen kann.44) Üben Gesellschafter ihr Bezugsrecht (teilweise) nicht aus, stehen die verbleibenden Bezugsrechte den übrigen Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligung zu.45) Ein Zulassungsbeschluss ist auch in diesem Fall nur erforderlich, wenn die verbleibenden Geschäftsanteile Nicht-Gesellschaftern angeboten werden sollen. Ist das nicht der Fall, ist ohne (weiteren) Zulassungsbeschluss eine zweite Bezugsrechtsrunde durchzuführen. Führt (auch) sie nicht zur vollständigen Zeichnung, ist eine Anmeldung zum Handelsregister nur bei Vorliegen einer „Bis-zu“-Kapitalerhöhung möglich (siehe Rn. 11).46) Andernfalls, also bei einem beschlossenen Festbetrag, ist die Kapitalerhöhung ohne entsprechenden Anpassungsbeschluss gescheitert.47) 24

Eine bestimmte Frist für die Ausübung des Bezugsrechts ist im GmbH-Recht nicht vorgesehen. Der Kapitalerhöhungsbeschluss kann eine solche Frist bestimmen. Ist keine Frist gesetzt, muss der Gesellschafter sein Bezugsrecht trotzdem innerhalb einer angemessenen Frist ausüben.48) Die Angemessenheit ist dann aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. § 186 Abs. 1 Satz 2 AktG kann als Anhaltspunkt dienen.

25

Jeder GmbH-Gesellschafter kann sein Bezugsrecht durch Leistungsklage gegen die GmbH auf Abschluss des Übernahmevertrags durchsetzen. Eine solche Klage gegen die GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer, ist möglich, da im Kapitalerhöhungsbeschluss ohne Bezugsrechtsausschluss zumindest konkludent die Geschäftsführer ermächtigt werden, den Übernahmevertrag abzuschließen.49) Bei Nichtbeachtung des – im Beschluss nicht ausgeschlossenen – Bezugsrechts kann der übergangene Gesellschafter nach Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister gegenüber dem Gesellschafter, der die Anteile übernommen hat, aus Treupflicht einen Anspruch auf Übertragung entsprechender Anteile aus der Kapitaler_____________ 42) BGH, ZIP 2005, 985 = GmbHR 2005, 925 = DB 2005, 1267, dazu EWiR 2005, 599 (Priester). 43) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55 Rn. 21. 44) BGH, ZIP 2005, 985, 987 = GmbHR 2005, 925 = DB 2005, 1267, dazu EWiR 2005, 599 (Priester). 45) Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, § 55 Rn. 24; Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 51; a. A. Kühne/Dietel, NZG 2009, 15 ff, die aber in erster Linie dogmatische Bedenken gegen die Herleitung über eine „Anwachsung“ haben. 46) Vgl. auch Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 51. 47) Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 51; Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, § 55 Rn. 24. 48) Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 50. 49) Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 41, 47; a. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 55 Rn. 55.

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höhung haben. Bei Eingriff in das Bezugsrecht durch Abschluss von Übernahmeverträgen mit Dritten besteht ein Schadensersatzanspruch gegen die Gesellschaft. Der Gesellschaft selbst oder von ihr abhängigen Unternehmen steht auch bei Anteilsbesitz kein Bezugsrecht zu.50) Die Gesellschafter können auf ihren konkreten Bezugsanspruch verzichten, und das bereits vor seiner Entstehung.51) 3.

26

Bezugsrechtsausschluss

Das Bezugsrecht kann im Kapitalerhöhungsbeschluss ausgeschlossen werden. Durch den Ausschluss des Bezugsrechts ändern sich die Mehrheits- und Formerfordernisse des Kapitalerhöhungsbeschlusses nicht. Der Bezugsrechtsausschluss ist vor der Beschlussfassung anzukündigen. Für ein Berichtserfordernis analog § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG besteht keine gesetzliche Grundlage. Erforderlich ist allerdings, dass die Gesellschafter über die Gründe für den Bezugsrechtsausschluss, die Begünstigten und den Ausgabepreis – mündlich oder schriftlich52) – informiert werden.

27

In materieller Hinsicht ist ein Bezugsrechtsausschluss nur dann zulässig, wenn er erforderlich und verhältnismäßig ist.53) Der Maßstab ist bei der GmbH – von Publikumsgesellschaften abgesehen – eher strenger als im Aktienrecht. Ein Bezugsrechtsausschluss wird – insbesondere bei personalistisch geprägten GmbHs – nur in Ausnahmefällen zulässig sein. Die Erleichterung bei 10 %-Kapitalerhöhungen gemäß § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG findet auf die GmbH keine Anwendung. Wird das Bezugsrecht teilweise ausgeschlossen, weil der Erhöhungsbetrag zur Entstehung von Geschäftsanteilen führen würde, die nicht auf volle Euro lauten, ist ein geringfügiger teilweiser Bezugsrechtsausschluss grundsätzlich zulässig. Auch dann sollte allerdings darauf geachtet werden, dass der Erhöhungsbetrag so gewählt wird, dass der Bezugsrechtsausschluss möglichst gering ist. Bei Sacheinlagen, die die Gesellschaft benötigt und die sie durch anderweitigen Kauf nicht erhalten kann, kommt ein Bezugsrechtsausschluss grundsätzlich in Frage. Auch dann ist i. R. d. Erforderlichkeit allerdings sehr sorgfältig zu prüfen, ob der Bezugsrechtsauschluss nicht durch eine gemischte Bar-/Sachkapitalerhöhung vermieden werden kann, bei der den übrigen Gesellschaftern ein Baranteil angeboten wird. Das gilt umso mehr, wenn das Bezugsrecht zugunsten anderer Gesellschafter ausgeschlossen wird. Bei der Einbringung von Sacheinlagen kann ebenso wie bei der Kooperation mit anderen Unternehmen oder bei Kapitalerhöhungen in Krisensituationen aber ein Bezugsrechtsausschluss gerechtfertigt sein; das gilt insbesondere dann, wenn der Über-

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_____________ 50) Ausführlich Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 55 Rn. 68 ff. 51) Zum teilweise vergleichbaren Fall des Dividendenverzichts Wirth/M. Arnold, ZGR 2002, 859, 885 f. 52) Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 61a; a. A. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55 Rn. 23; Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 55 Rn. 25; Lieder in: MünchKommGmbHG, § 55 Rn. 84, die analog § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG eine Pflicht zur schriftlichen Berichterstattung annehmen. 53) BGHZ 71, 40 = DB 1978, 974 = NJW 1978, 1316 – Kali & Salz; BGHZ 83, 319, 321 = ZIP 1982, 689 = NJW 1982, 2444 – Philipp Holzmann, alle zur AG. Vgl. zur GmbH die Kommentierungen bei Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 54 ff; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 55 Rn. 24 f.

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nehmer der neuen Anteile nur bereit ist, die neuen Anteile zu übernehmen, wenn die übrigen Gesellschafter kein Bezugsrecht erhalten.54) 29

Wenn das Bezugsrecht ausgeschlossen wird, darf der Ausgabepreis nicht unangemessen niedrig sein (§ 255 Abs. 2 AktG analog). Das bedeutet aber nicht, dass der Ausgabepreis zwingend nach einem betriebswirtschaftlich anerkannten Verfahren zu ermitteln ist,55) es genügt, wenn die Höhe des Ausgabepreises im Ergebnis richtig ist. Wird ein unangemessen niedriger Ausgabepreis festgesetzt, werden die betroffenen Gesellschafter nicht nur im Hinblick auf ihr Stimmrecht verwässert, sondern auch im Hinblick auf ihre Vermögensrechte.

30

Entspricht der Bezugsrechtsausschluss nicht den formellen oder materiellen Anforderungen, ist der Kapitalerhöhungsbeschluss anfechtbar, aber nicht nichtig.56) Der Kapitalerhöhungsbeschluss ist auch dann anfechtbar, wenn zwar das Bezugsrecht formell gewahrt, aber faktisch ausgeschlossen wird. Wichtigstes Beispiel für einen faktischen Bezugsrechtsausschluss ist die Festsetzung eines unangemessen hohen Ausgabepreises. IV. Übernahme neuen Kapitals 1.

Übernahmevertrag

31

Durch die Übernahme der neuen Geschäftsanteile verpflichtet sich der Übernehmer, die Einlage gemäß den Festsetzungen des Kapitalerhöhungsbeschlusses oder gemäß den gesetzlichen Vorgaben zu leisten.57) Der Übernahmevertrag ist ein körperschaftlicher Vertrag, weil das von dem Übernehmer angestrebte Mitgliedschaftsrecht auf der Grundlage des satzungsändernden Kapitalerhöhungsbeschlusses und des Übernahmevertrags kraft Gesetzes mit der Eintragung im Handelsregister entsteht.

32

Vertragspartner sind der Übernehmer und die Gesellschaft, vertreten durch ihre Gesellschafter; die Gesellschafter können den Geschäftsführer (auch konkludent) zum Abschluss des Übernahmevertrags ermächtigen. Rechtstechnisch entspricht die Übernahmeerklärung der aktienrechtlichen Zeichnung. Wenn im Kapitalerhöhungsbeschluss das Bezugsrecht nicht, auch nicht teilweise, ausgeschlossen wird, ist im Kapitalerhöhungsbeschluss eine Ermächtigung der Geschäftsführer zum Abschluss des Übernahmevertrags zu sehen.58) Die Übernahmeerklärung ist notariell zu beglaubigen. Die Annahmeerklärung der Gesellschaft ist – mangels abweichender Regelung im Gesetz – formfrei. Die Gesellschaft kann die Annahme der Übernahmeerklärung auch konkludent erklären, z. B. durch die Anmeldung der Kapitalerhöhung zum Handelsregister59). Werden Anteile von den bisherigen Gesellschaftern übernommen, ist bei Annahme durch die Gesellschafter § 181 BGB zu be_____________ 54) Vgl. Hüffer/Koch-Koch, AktG, § 186 Rn. 31. 55) So aber Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55 Rn. 26. 56) BGH, ZIP 2005, 985, 987 = GmbHR 2005, 925 = DB 2005, 1267, dazu EWiR 2005, 599 (Priester); s. a. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55 Rn. 27. 57) BGHZ 140, 258 = ZIP 1999, 310 = GmbHR 1999, 287, dazu EWiR 1999, 323 (Wilhelm). 58) Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 41, 47. 59) Da die Annahme dann nicht gegenüber dem Übernehmer erklärt wird, ist § 151 BGB anzuwenden.

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achten.60) Praktisch ist dies meist kein Problem, weil bei Wahrung des Bezugsrechts von einer Ermächtigung der Geschäftsführer auszugehen ist. In anderen Fällen wird eine stillschweigende Ermächtigung durch den Zulassungsbeschluss naheliegen.61) Es bietet sich an, die Ermächtigung der Geschäftsführer bereits im Kapitalerhöhungsbeschluss aus Gründen der Vorsicht ausdrücklich festzulegen. Wird die Erklärung des Übernehmers mit dem Kapitalerhöhungsbeschluss zusammen notariell beurkundet, ist die Form der notariellen Beglaubigung gewahrt; die Voraussetzungen der §§ 8, 13 BeurkG müssen allerdings im Hinblick auf die Übernahmeerklärung erfüllt sein.62) Wird die Form der Übernahmeerklärung nicht gewahrt, heilt die Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister den Formmangel.63) Wenn die Verpflichtung zur Übertragung bestimmter Vermögensgegenstände nach allgemeinen Vorschriften einer besonderen Form bedarf (Grundstücke, Geschäftsanteile an einer GmbH), schlägt dies auf die Übernahmeerklärung und den Übernahmevertrag durch.64) Die Übernahmeerklärung kann auch für einen erst noch zu fassenden Kapitalerhöhungsbeschluss abgegeben werden.65)

33

Vom Übernahmevertrag zu unterscheiden ist ein Vertrag, in dem sich ein Gesellschafter oder ein Dritter gegenüber der Gesellschaft verpflichtet, bei einer späteren Kapitalerhöhung neues Kapital zu übernehmen. Für einen solchen Vorvertrag gilt die Formvorschrift des § 55 nach inzwischen h. M. nicht.66) Die Gesellschafter können sich auch untereinander zur Vornahme der Kapitalerhöhung verpflichten und oder dies unter gewisse Voraussetzungen stellen. Eine solche Verpflichtung bedarf ebenfalls keiner bestimmten Form.67)

34

2.

Inhalt der Übernahmeerklärung

Die Übernahmeerklärung muss die Person des Übernehmers, die Zahl der übernommenen Geschäftsanteile (mit Nennbeträgen und Nummern), die Bezeichnung des Kapitalerhöhungsbeschlusses68) sowie eine bestimmte Bezeichnung der kapitalerhöhenden Gesellschaft enthalten. Wenn die Übernahmeerklärung zusammen mit dem Kapitalerhöhungsbeschluss beurkundet wird, genügt die Protokollierung der Erklärung, dass die Stammeinlagen wie im Beschluss bezeichnet übernommen werden.69) Eine Pflicht, analog § 185 AktG das Datum des Erhöhungsbeschlusses, _____________ 60) 61) 62) 63) 64) 65) 66)

67) 68) 69)

BGHZ 49, 117 = NJW 1968, 398, 399 = GmbHR 1968, 162. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55 Rn. 29. RGZ 73, 45; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55 Rn. 34. Für die Kapitalerhöhung: Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 82 f. Im Aktienrecht ist anerkannt, dass in solchen Fällen auch der Zeichnungsvertrag der zivilrechtlichen Form bedarf, Hüffer/Koch-Koch, AktG, § 185 Rn. 23a m. w. N. Wegmann in: Münch-Hdb. GesR, Bd. 3, § 53 Rn. 28 m. w. N. OLG München NZG 2005, 757; Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 55 Rn. 40; Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 117; Lieder in: MünchKomm-GmbHG, § 55 Rn. 160; a. A. noch Vorauflage Rn. 34; Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, 20. Aufl., § 55 Rn. 40; RGZ 149, 385, 395. Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 89. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55 Rn. 39; a. A. (nicht erforderlich) Baumbach/ Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 55 Rn. 33. Vgl. Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 79.

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den Ausgabebetrag und den Tag, an dem die Übernahme unverbindlich wird, zu nennen, besteht nicht (zu den Anforderungen bei Sacheinlagen, siehe § 56 Rn. 5 ff [M. Arnold/Born]). Der Übernehmer kann allerdings eine Frist für die Annahme durch die Gesellschaft oder die Eintragung der Kapitalerhöhung bestimmen.70) Nach Ablauf der Frist wird der Übernehmer dann von seiner Pflicht zur Leistung der Einlage frei. 36

Zusätzlich ist Absatz 2 Satz 2 zu beachten. Übernehmen Dritte i. R. einer Kapitalerhöhung Geschäftsanteile, sind auch sonstige Leistungen, zu welchen der Beitretende nach der Satzung verpflichtet sein soll, in die Übernahmeerklärung aufzunehmen. Schuldrechtliche Nebenabreden, die nicht auf der Satzung beruhen, müssen nicht in die Übernahmeerklärung aufgenommen werden. 3.

37

Übernehmer

Hinsichtlich der Rechtsqualität der Übernehmer gilt bei der Kapitalerhöhung nichts anderes als bei der Gründung (siehe § 2 Rn. 55 ff [Schäfer]). Übernehmer können natürliche und juristische Personen sein, außerdem Personenhandelsgesellschaften und Gesellschaften bürgerlichen Rechts,71) Bruchteilsgemeinschaften und Erbengemeinschaften.72) Bei Minderjährigen oder betreuten Übernehmern gelten die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen.73) 4.

Rechte und Pflichten nach Abschluss des Übernahmevertrags

38

Für den Übernehmer begründet der Übernahmevertrag die Verpflichtung, die Einlage gemäß den Festsetzungen des Kapitalerhöhungsbeschlusses oder gemäß den gesetzlichen Vorgaben zu leisten. Der Übernehmer kann sich nach den Grundsätzen vom Wegfall der Geschäftsgrundlage von seiner Pflicht zur Leistung der Einlage lösen, wenn die Kapitalerhöhung endgültig scheitert oder – auch wenn in der Übernahmeerklärung keine Frist gesetzt wurde (siehe Rn. 35) – wenn die Kapitalerhöhung nicht innerhalb einer angemessenen Zeit durchgeführt wird.74) Bereits geleistete Einlagen kann er dann gemäß § 346 BGB i. V. m. § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB zurückfordern.75)

39

Die neuen Mitgliedschaftsrechte entstehen erst mit Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister.76) Bis zur Eintragung im Handelsregister steht nicht nur der Erwerb der Mitgliedschaft, sondern auch der Übernahmevertrag unter dem Vorbehalt, dass die Kapitalerhöhung wirksam wird. Trotzdem hat die Gesellschaft einen durchsetzbaren Anspruch gegen den Übernehmer. Der Übernehmer erwirbt _____________ 70) BGHZ 140, 258 = ZIP 1999, 310, 311 = GmbHR 1999, 287, dazu EWiR 1999, 323 (Wilhelm); Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 84. 71) BGHZ 78, 311 = ZIP 1981, 183 = GmbHR 1981, 188; OLG Hamm, BB 1996, 921, 921 f = GmbHR 1996, 363 = NJW-RR 1996, 482; Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 104. 72) OLG Hamm, GmbHR 1975, 83, 84; Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 104. 73) Zum Erfordernis einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, vgl. Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 107 f. 74) BGH GmbHR 2015, 1315 Rn. 16; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55 Rn. 40; Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 84, 98. 75) BGH GmbHR 2015, 1315 Rn. 16. 76) OLG Düsseldorf, GmbHR 2000, 569.

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durch den Übernahmevertrag keinen Anspruch auf Durchführung der Kapitalerhöhung.77) Im Falle des Scheiterns haftet die Gesellschaft in der Regel nicht auf Schadensersatz.78) Angesichts dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erscheint es zweifelhaft, ob die Gesellschaft nach Abschluss des Übernahmevertrags verpflichtet ist, die Durchführung der Kapitalerhöhung zu betreiben.79) Mit Aufhebung des Kapitalerhöhungsbeschlusses jedenfalls erlischt eine solche Pflicht, wenn man sie denn bejaht.80) Vor Eintragung der Kapitalerhöhung kann der Übernehmer seine Mitgliedschaftsrechte aufschiebend bedingt auf das Wirksamwerden der Kapitalerhöhung veräußern. Seine Rechtsstellung aus dem Übernahmevertrag kann der Übernehmer mit Zustimmung der Gesellschaft und unter Beachtung der Vorschriften des § 15 übertragen.81)

40

V. Insolvenz und Kapitalerhöhung Die Kapitalerhöhung wird häufig gewählt, um ein Insolvenzverfahren abzuwenden, die Gesellschaft trotz Insolvenz fortzusetzen oder um die Gesellschaft zu sanieren. Nach heute h. M. schließt die Insolvenzeröffnung eine Kapitalerhöhung nicht aus.82)

41

Die vor Insolvenzeröffnung beschlossene Kapitalerhöhung kann daher noch durchgeführt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die angemeldete Kapitalerhöhung zwar weiter zu behandeln,83) tatsächlich stehen dem jedoch Hindernisse entgegen: Die Gesellschafter können den Kapitalerhöhungsbeschluss jederzeit aufheben und den Geschäftsführer anweisen, die Anmeldung zurückzunehmen; sie bleiben „Herren des Kapitalerhöhungsverfahrens“.84) Solche Maßnahmen führen dazu, dass die Übernehmer von ihren Verpflichtungen frei werden. Die Maßnahmen sind auch nicht anfechtbar. Es fehlt schon an einer Gläubigerbenachteiligung (§ 129 Abs. 1 InsO), da die Einlageforderung noch nicht vorbe-

42

_____________ 77) BGHZ 140, 258 = ZIP 1999, 310, 311 = GmbHR 1999, 287, dazu EWiR 1999, 323 (Wilhelm). 78) BGHZ 140, 258 = ZIP 1999, 310, 311 = GmbHR 1999, 287, dazu EWiR 1999, 323 (Wilhelm). 79) So aber Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 100; offengelassen von BGHZ 140, 258 = ZIP 1999, 310, 311 = GmbHR 1999, 287, dazu EWiR 1999, 323 (Wilhelm). 80) BGHZ 140, 258 = ZIP 1999, 310, 311 = GmbHR 1999, 287; Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 100. 81) Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 97. 82) Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 55 Rn. 5; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55 Rn. 43; Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 32; OLG Hamm, GmbHR 1989, 126 = DB 1989, 167, dazu EWiR 1989, 267 (Ebenroth); a. A. die ältere Auffassung: RGZ 77, 155; RGZ 85, 207. 83) BGH, ZIP 1995, 28 = GmbHR 1995, 113 = DB 1995, 208, dazu EWiR 1995, 107 (v. Gerkan); KG Berlin, NZG 2000, 103, 104; Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 33. Nach a. A. wird der Kapitalerhöhungsbeschluss wirkungslos, vgl. Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 55 Rn. 44. 84) KG Berlin, NZG 2000, 103, 104.

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haltlos bestand. Außerdem sind die Übernehmer im Fall der Insolvenzeröffnung berechtigt, den Übernahmevertrag aus wichtigem Grund zu kündigen.85) 43

Hat der Übernehmer bereits geleistet, kann er die Einlage zurückfordern; er ist mit dieser Forderung jedoch einfacher Insolvenzgläubiger. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO findet keine Anwendung, da der Gesellschafter-Übernehmer der GmbH Eigenund kein Fremdkapital zuführen wollte. Eine Kündigung aus wichtigem Grund scheidet aus, wenn die Übernahme in Kenntnis der Verhältnisse erklärt oder die Kapitalerhöhung in Kenntnis der Verhältnisse beschlossen wurde.86) Wenn die Kapitalerhöhung trotz der geschilderten Hindernisse eingetragen wird, kann der Insolvenzverwalter die Einlagen oder ein Agio von den Übernehmern einfordern, ohne zuvor gemäß § 46 Nr. 2 einen Gesellschafterbeschluss einzuholen.87)

44

Auch nach Insolvenzeröffnung können die Gesellschafter eine Kapitalerhöhung beschließen (siehe Rn. 41).88) An der Leistungspflicht der Übernehmer kann in einem solchen Fall kein Zweifel bestehen, da die Verhältnisse bei Beschlussfassung über die Kapitalerhöhung bekannt sind. Problematisch ist die Frage, ob die neuen Mittel aus der Kapitalerhöhung in die Insolvenzmasse fallen. Sie ist wohl zu bejahen, da nach § 35 InsO auch die Mittel zur Insolvenzmasse gehören, die der Schuldner während des Insolvenzverfahrens erwirbt.89) Das hat aber zur Folge, dass sich niemand an einer solchen Kapitalerhöhung beteiligen wird. Als Lösungsweg wird vorgeschlagen,90) über §§ 217, 249 InsO (abweichende Verwertung) die Kapitalerhöhung so in den Insolvenzplan einzubauen, dass die durch die Kapitalerhöhung erlangten Mittel als Liquidität verfügbar bleiben. Das setzt aber voraus, dass Forderungsverzichte und Stundungen entsprechend berechnet werden. Die Verwaltung mit Bindung an den Sanierungszweck obliegt dann dem Insolvenzverwalter, bis das Insolvenzverfahren aufgehoben wird (§ 258 InsO).

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Nach § 225a Abs. 3 InsO (ESUG) können im Insolvenzplan alle Regelungen getroffen werden, die gesellschaftsrechtlich zulässig sind. Dies umfasst auch Kapitalerhöhungen, ggf. unter Ausschluss des Bezugsrechts. Eine Beteiligung der Gesellschafterversammlung bei solchen Maßnahmen ist nicht erforderlich.91) Zu den Möglichkeiten, im Insolvenzplanverfahren die Kapitalerhöhung auch gegen den Willen der Gesellschafter zu beschließen, vgl. §§ 217, 225a Abs. 2 Satz 3, 245 Abs. 3 InsO (ESUG).92) Praktisch relevant ist dies vor allem für den sog. Debt-Equity-Swap (siehe § 56 Rn. 14 ff [M. Arnold/Born]).93) _____________ 85) BGH, ZIP 1995, 28 = GmbHR 1995, 113 = DB 1995, 208, dazu EWiR 1995, 107 (v. Gerkan); OLG Hamm, GmbHR 1989, 126 = DB 1989, 167, dazu EWiR 1989, 267 (Ebenroth). 86) OLG Hamm, DB 1989, 167, 167 f = GmbHR 1989, 126, dazu EWiR 1989, 267 (Ebenroth). 87) BGH, DStR 2008, 60, 62 = ZIP 2007, 2416 = GmbHR 2008, 147. 88) Für die AG: EWiR 1988, 945 (Timm). 89) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55 Rn. 43; Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 34. 90) Hüffer/Koch-Koch, AktG, § 182 Rn. 32b; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55 Rn. 43. 91) Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 13a. 92) Zu diesen Regelungen Willemsen/Rechel, BB 2011, 834, 839; Spliedt, GmbHR 2012, 462. 93) Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 13a.

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Genehmigtes Kapital

VI. Kosten der Kapitalerhöhung Bei einer Kapitalerhöhung entstehen Kosten durch die notarielle Beurkundung des Kapitalerhöhungsbeschlusses (§§ 108 Abs. 1 Satz 2, 105 Abs. 1 GNotKG), die notarielle Beglaubigung der Übernahmeerklärungen (§ 97 GNotKG) sowie die Beglaubigung der Handelsregisteranmeldung (§ 105 GNotKG). Hinzu kommen die Kosten der Handelsregistereintragung. Der Geschäftswert richtet sich nach dem Erhöhungsbetrag bzw. dem Betrag der einzelnen Übernahmeerklärungen unter Beachtung des Mindestwertes.

§ 55a Genehmigtes Kapital Michael Arnold/Felix Born

(1) 1Der Gesellschaftsvertrag kann die Geschäftsführer für höchstens fünf Jahre nach Eintragung der Gesellschaft ermächtigen, das Stammkapital bis zu einem bestimmten Nennbetrag (genehmigtes Kapital) durch Ausgabe neuer Geschäftsanteile gegen Einlagen zu erhöhen. 2Der Nennbetrag des genehmigten Kapitals darf die Hälfte des Stammkapitals, das zur Zeit der Ermächtigung vorhanden ist, nicht übersteigen. (2) Die Ermächtigung kann auch durch Abänderung des Gesellschaftsvertrags für höchstens fünf Jahre nach deren Eintragung erteilt werden. (3) Gegen Sacheinlagen (§ 56) dürfen Geschäftsanteile nur ausgegeben werden, wenn die Ermächtigung es vorsieht. Literatur: Bormann/Trautmann, Wandelschuldverschreibungen im Lichte des § 55a GmbHG, GmbHR 2016, 37; Born, Berichtspflichten nach Ausnutzung genehmigten Kapitals mit Ausschluss des Bezugsrechts. Zugleich Besprechung OLG Frankfurt/M. v. 5.7.2011 – 5 U 104/10, ZIP 2011, 1613 – Deutsche Bank, ZIP 2011, 1793; Bayer/ Hoffmann/Lieder, Ein Jahr MoMiG in der Unternehmenspraxis, GmbHR 2010, 9; Cramer, Das genehmigte Kapital der GmbH nach dem MoMiG, GmbHR 2009, 406; Klett, Das genehmigte Kapital bei der GmbH. Praxisfragen zu Hintergrund und Verfahren des neuen § 55a GmbHG, GmbHR 2008, 1312; Kramer, Praxisfragen und Gestaltungshinweise zur Nutzung des genehmigten Kapitals bei der GmbH, GmbHR 2015, 1073; Lieder, Der Einfluss des genehmigten Kapitals auf die Dogmatik des GmbH-Rechts, ZGR 2010, 868; Niggemann/Wansleben, Berichtspflichten und Folgen ihrer Verletzung bei der bezugsrechtsfreien Ausnutzung genehmigten Kapitals, AG 2013, 267; Priester, Genehmigtes Kapital bei der GmbH. Das MoMiG beschert uns einen neuen § 55a GmbHG, GmbHR 2008, 1177; Terbrack, Schlafender Riese oder Papiertiger? Eine Bestandsaufnahme zum genehmigten Kapital bei der GmbH im Lichte der aktuellen Rechtsprechung, DNotZ 2012, 917; Weitnauer, Die Gesellschafterfremdfinanzierung aus Sicht von Finanzinvestoren – ein Resümee der Änderungen des MoMiG und der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen vor dem Hintergrund der Finanzkrise, BKR 2009, 18. Übersicht I. Allgemeines .......................................... II. Ermächtigung zur Kapitalerhöhung .................................................. 1. Allgemeines ........................................... 2. Inhalt des Ermächtigungsbeschlusses .....

1 7 7 9

III. Ausübung der Ermächtigung ........... 16 IV. Bezugsrecht und Bezugsrechtsausschluss ............................................ 21 V. Sacheinlagen ....................................... 25

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§ 55a

Genehmigtes Kapital

VI. Übernahme der Stammeinlagen und Anpassung der Satzung ............. 26 VII. Registerverfahren .............................. 28

I.

VIII. Bilanzielle Behandlung ................... 31 IX. Genehmigtes Kapital in Insolvenz und Liquidation .................................. 32

Allgemeines

1

Der durch das MoMiG1) geschaffene § 55a führt das bisher nur bei der AG mögliche genehmigte Kapital (vgl. §§ 202 ff AktG) bei der GmbH ein. Die Regelung beruht auf einem Vorschlag des Bundesrats.2) Weder der Referentenentwurf3) noch der Regierungsentwurf4) zum MoMiG enthielt einen Vorschlag für die Einführung eines genehmigten Kapitals. Durch die Einführung des genehmigten Kapitals wird der Handlungsspielraum der Gesellschafter erweitert. Die Eckdaten des genehmigten Kapitals folgen dem Vorbild des Aktienrechts: Die Gesellschafter können die Geschäftsführer für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren ermächtigen, das Stammkapital ohne weiteren Gesellschafterbeschluss gegen Stammeinlagen zu erhöhen. Der Nennbetrag des genehmigten Kapitals darf die Hälfte des Stammkapitals, das zur Zeit der Ermächtigung vorhanden ist, nicht übersteigen. Die Ein-tragung der Ermächtigung des Vorstands zur Erhöhung des Stammkapitals im Handelsregister bewirkt noch keine Änderung des Stammkapitals; das Stammkapital ist erst mit Eintragung der Kapitalerhöhung erhöht.

2

Die rechtspolitische Notwendigkeit eines genehmigten Kapitals für die GmbH ist umstritten.5) Der Siegeszug des genehmigten Kapitals im Aktienrecht basiert auf Gründen, die für die GmbH nicht oder nur eingeschränkt gelten. Das Institut des genehmigten Kapitals wird auch bei der AG vor allem von (börsennotierten) Publikumsgesellschaften genutzt, insbesondere weil im Aktienrecht die Einberufung einer Hauptversammlung aufwendig ist und eine erhebliche Vorlaufzeit benötigt. Ein weiterer Grund ist die mögliche Blockade ordentlicher Kapitalerhöhungen durch Anfechtungsklagen. GmbHs hingegen sind häufig keine Publikumsgesellschaften, die Gesellschafterversammlung lässt sich kurzfristig einberufen und Anfechtungsklagen werden seltener erhoben. Der Bundesrat hat das genehmigte Kapital damit begründet, dass mit dem Instrument des genehmigten Kapitals „für den Erwerb von Beteiligungen, Unternehmen oder zur Realisierung von Kapitalerhöhungen kurzfristig neue Anteile geschaffen werden“ könnten, „um im richtigen Moment rasch handeln zu können“. Ob dies die Einführung eines genehmigten Kapitals bei der GmbH rechtfertigt, ist angesichts der Tatsache, dass im GmbHRecht Gesellschafterversammlungen meist kurzfristiger und unproblematischer einberufen und abgehalten werden können als im Aktienrecht, sehr zweifelhaft.

3

Ungeachtet der zweifelhaften rechtspolitischen Notwendigkeit eröffnen sich durch das genehmigte Kapital für die Praxis in bestimmten Sondersituationen Vorteile: _____________ 1) 2) 3) 4) 5)

BGBl. I 2008, 2026. BT-Drucks. 16/6140, S. 68. RefE MoMiG v. 19.5.2006, abrufbar unter www.gmbhr.de/volltext.htm. BT-Drucks. 16/6140. Das genehmigte Kapitel wird in der Praxis auch nur zögerlich eingesetzt, vgl. Bayer/ Hoffmann/Lieder, GmbHR 2010, 9 ff; positive rechtspolitische Würdigung bei Lieder, ZGR 2010, 868, 911 ff.

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z. B. bei der Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen durch eine GmbH6) oder bei einem Start-Up, wenn in kurzen Abständen Kapitalerhöhungen zur Finanzierung des Geschäftsbetriebs erforderlich sind.7) Das genehmigte Kapital kann Kostenvorteile bieten, wenn es in einer Gesellschafterversammlung geschaffen wird, in der ohnehin Satzungsänderungen beschlossen werden und daher die Gebührenobergrenze erreicht wird, oder wenn sich durch Ausnutzung der Ermächtigung in verschiedenen Tranchen die Gebührendegression oder die Gebührenobergrenze ausnutzen lässt.8) Nicht in jedem Fall aber ist das genehmigte Kapital kostengünstiger. Das ist schon deshalb nicht der Fall, weil zwei Handelsregisteranmeldungen statt einer erforderlich sind. Sowohl die Schaffung des genehmigten Kapitals als auch die Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital müssen zum Handelsregister angemeldet werden. Zur Regelungstechnik: Die drei Absätze des § 55a sind dem Aktienrecht fast wörtlich entnommen. Absatz 1 Satz 1 entspricht § 202 Abs. 1 AktG, und Absatz 1 Satz 2 entspricht § 202 Abs. 3 Satz 1 AktG. Absatz 2 entspricht § 202 Abs. 2 Satz 1 AktG und Absatz 3 entspricht § 205 Abs. 1 AktG. Wegen dieses Gleichlaufs erscheint es naheliegend, bei der Anwendung des neuen § 55a auf die Auslegung der §§ 202 ff AktG in Rechtsprechung und Schrifttum zurückzugreifen.9) Die an das Aktienrecht angelehnte Regelungstechnik ist insofern problematisch, als die Unterschiede in der Organisationsverfassung zwischen AG und GmbH in der gesetzlichen Regelung keinen Niederschlag finden. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass bei der GmbH oft kein Aufsichtsrat besteht. Weiterhin ist davor zu warnen, Erkenntnisse aus dem Aktienrecht, die darauf basieren, dass AG oft börsennotierte Publikumsgesellschaften sind, unbesehen auf die GmbH zu übertragen, die regelmäßig einen geschlossenen Gesellschafterkreis hat.

4

Neben § 55a finden auf Kapitalerhöhungen aus genehmigtem Kapital die Vorschriften über die ordentliche Kapitalerhöhung nach den §§ 55 ff Anwendung, soweit das Institut des genehmigten Kapitals keine Abweichung erfordert.

5

Die Durchführung der Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital unterscheidet sich, nach dem die Geschäftsführung über die Ausnutzung genehmigten Kapitals beschlossen hat, nicht wesentlich von dem Ablauf einer ordentlichen Kapitalerhöhung nach § 55. Obwohl es an einer entsprechenden Klarstellung im GmbHG fehlt, ist davon auszugehen, dass rechtstechnisch die Ermächtigung in der Satzung zur Ausgabe neuer Geschäftsanteile an die Stelle des Beschlusses der Gesellschafterversammlung über die Erhöhung des Grundkapitals gemäß § 55 Abs. 1 tritt.10) Die wesentlichen Schritte bei einer Bar- und Sachkapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital sind:

6



Schaffung genehmigten Kapitals als Inhalt der Gründungssatzung oder durch Satzungsänderungen;

_____________ 6) Vgl. Weitnauer, BKR 2009, 18, 19; Lieder, ZGR 2010, 868, 915; s. a. Bormann/Trautmann, GmbHR 2016, 37 – 44. 7) Vgl. etwa Klett, GmbHR 2008, 1312, 1313; Lieder, ZGR 2010, 868, 915. 8) Ausführl. zu den (eingeschränkten) Kostenvorteilen vgl. Cramer, GmbHR 2009, 406, 407 f. 9) Priester, GmbHR 2008, 1177, 1178. 10) Vgl. § 203 Abs. 1 Satz 2 AktG.

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Eintragung des genehmigten Kapitals im Handelsregister;



Bekanntmachung im Handelsregister nach § 10 HGB;



Beschlussfassung der Geschäftsführer über die Ausnutzung des genehmigten Kapitals;



Übernahme der neuen Einlagen durch Übernahmeerklärung der Übernehmer und deren Annahme durch die Gesellschaft (Übernahmevertrag);



Leistung der Einlage (§ 56a);



Anmeldung der Kapitalerhöhung zum Handelsregister (§ 57);



Prüfung durch das Registergericht (§§ 57, 57a) sowie



Wirksamwerden der Kapitalerhöhung durch Eintragung im Handelsregister;



Bekanntmachung im Handelsregister nach § 10 HGB.

II. Ermächtigung zur Kapitalerhöhung 1.

Allgemeines

7

Durch eine Ermächtigung gemäß Absatz 1 Satz 1 übertragen die Gesellschafter die Zuständigkeit zur Kapitalerhöhung auf die Geschäftsführer.11) Genehmigtes Kapital kann schon Inhalt der Gründungssatzung sein (Abs. 1 Satz 1) oder durch nachträgliche Satzungsänderung beschlossen werden (Abs. 2). Bei nachträglicher Satzungsänderung sind die Vorschriften des § 53 Abs. 2 einzuhalten. Der satzungsändernde Beschluss ist notariell zu beurkunden und bedarf einer qualifizierten Mehrheit. Die Satzungsänderung ist zum Handelsregister anzumelden und wird erst mit Eintragung im Handelsregister wirksam. Sowohl ein in der Gründungssatzung enthaltenes als auch ein durch Satzungsänderung geschaffenes genehmigtes Kapital sind gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 GmbHG – entsprechend § 39 Abs. 2 AktG – im Handelsregister einzutragen. Die geänderte Satzung ist unter Vorlage des vollständigen Satzungswortlauts zum Handelsregister anzumelden. Es genügt gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 die Anmeldung der Satzungsänderung durch die Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Zahl oder durch einen Geschäftsführer und einen Prokuristen in Fällen der sog. unechten Gesamtvertretung. § 78 und § 57 finden keine Anwendung; die Anmeldung muss nicht durch sämtliche Geschäftsführer bewirkt werden. Erforderlich ist die schlagwortartige Kennzeichnung in der Anmeldung.12)

8

Das genehmigte Kapital kann erst ausgenutzt werden, wenn es im Handelsregister eingetragen und damit wirksam ist (§ 54 Abs. 3). Daher können die Anmeldung und Eintragung der Ermächtigung und die Anmeldung und Eintragung der Kapitalerhöhung nicht verbunden werden. 2.

9

Inhalt des Ermächtigungsbeschlusses

Ein genehmigtes Kapital muss zum Inhalt haben, dass die Geschäftsführer ermächtigt werden, das Stammkapital der Gesellschaft (einmalig oder mehrmals) bis zu einem _____________ 11) Priester, GmbHR 2008, 1177, 1178. 12) Wicke, GmbHG, § 55a Rn. 6.

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bestimmten Betrag zu erhöhen. Abs. 1 und Abs. 2 geben dabei zwei Schranken vor: –

Der Nennbetrag des genehmigten Kapitals darf die Hälfte des Betrags des Stammkapitals, das zur Zeit der Ermächtigung im Handelsregister eingetragen ist, nicht übersteigen, und



die Ermächtigung kann für höchstens fünf Jahre erteilt werden.

Für die Frage, ob das genehmigte Kapital die Hälfte des zur Zeit der Ermächtigung vorhandenen Stammkapitals überschreitet, kommt es auf den Zeitpunkt der Eintragung des genehmigten Kapitals im Handelsregister an.13) Das bedeutet, dass zeitgleich oder nachträglich beschlossene Kapitalerhöhungen Einfluss auf den Maximalbetrag des genehmigten Kapitals haben, wenn sie vor der Ermächtigung im Handelsregister eingetragen werden.14) Ein zuvor eingetragenes und noch nicht ausgenutztes genehmigtes Kapital ist auf den Maximalbetrag des genehmigten Kapitals anzurechnen.15) Der Nennbetrag ist in der Gründungssatzung oder im Ermächtigungsbeschluss konkret zu beziffern.16) Die Dauer der Ermächtigung ist durch konkretes Datum (z. B. „bis 30. Juni 2013“) oder durch Bezeichnung seiner Berechnungsgrundlagen (z. B. „von der Eintragung an für fünf Jahre“) anzugeben. Die Fünf-JahresFrist berechnet sich grundsätzlich vom Zeitpunkt der Eintragung der Gründungssatzung oder vom Zeitpunkt der Eintragung der Satzungsänderung an (§§ 187 Abs. 1, 188 BGB). Üblich und empfehlenswert ist die Angabe eines festen Enddatums,17) weil sich nur dann direkt aus der Ermächtigung ersehen lässt, wann die Frist zur Ausübung der Ermächtigung abläuft. Die Frist wird nur gewahrt, wenn die Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital vor Fristende durchgeführt und in das Handelsregister eingetragen ist.18) Es ist möglich, die Frist durch satzungsändernden Beschluss zu verlängern. Die Verlängerung wird mit Eintragung der Satzungsänderung wirksam. Der gleiche Effekt kann durch Aufhebung des genehmigten Kapitals und Beschluss und Eintragung eines neuen genehmigten Kapitals erreicht werden.

10

Im Aktienrecht wird der Beschluss der Hauptversammlung über die Schaffung eines genehmigten Kapitals häufig aufgeteilt in die Ermächtigung und die formelle Satzungsänderung. Notwendig ist diese Aufteilung jedoch nicht.19) Auch im GmbHRecht genügt zur Schaffung eines genehmigten Kapitals ein Beschluss der Gesellschafterversammlung über die Änderung der Satzung.

11

Enthält der Ermächtigungsbeschluss keine Fristsetzung, kann nicht im Wege der Auslegung auf die gesetzliche Fünf-Jahres-Frist zurückgegriffen werden; vielmehr

12

_____________ 13) 14) 15) 16)

Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 55a Rn. 14. Hüffer/Koch-Koch, AktG, § 202 Rn. 13. Scholz in: Münch-Hdb. GesR, Bd. 4, § 59 Rn. 16. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55a Rn. 11; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG § 55a Rn. 13; Hüffer/Koch-Koch, AktG, § 202 Rn. 12; Klett, GmbHR 2008, 1312, 1314 (von der bloßen prozentualen Angabe sollte abgesehen werden). 17) Vgl. Klett, GmbHR 2008, 1312, 1313. 18) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 55a Rn. 11; Hüffer/Koch-Koch, AktG, § 202 Rn. 11. 19) Vgl. Happ-Ihrig, Aktienrecht, Ziff. 12.06, Rn. 19.1.

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ist der Beschluss gemäß § 241 Nr. 3 AktG analog nichtig.20) Verstößt die im Beschluss genannte Frist gegen die gesetzliche Begrenzung auf fünf Jahre, gilt das Gleiche; der Beschluss ist dann ebenfalls nichtig.21) Jedenfalls in diesem Fall des Überschreitens der Höchstfrist ist nach § 242 Abs. 2 AktG analog Heilung möglich.22) Fehlt die Fristsetzung vollständig, wird diese Heilungsmöglichkeit im Schrifttum zumindest teilweise ebenfalls bejaht.23) Sowohl hinsichtlich der Frist als auch hinsichtlich des Nennbetrags gelten bei Heilung gemäß § 242 Abs. 2 AktG analog die nach § 55a Abs. 1 möglichen Höchstgrenzen. 13

Eine Volleinzahlung des im Handelsregister eingetragen Stammkapitals oder des gesetzlichen Mindestkapitals ist keine Voraussetzung für die Eintragung eines genehmigten Kapitals. § 203 Abs. 3 gilt nicht entsprechend.24) Etwas anderes gilt gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 für die UG und zwar bereits bei Schaffung genehmigten Kapitals. Soll auf Grundlage des genehmigten Kapitals eine Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen durchgeführt werden, ist das nur möglich, wenn es die Ermächtigung ausdrücklich vorsieht (Abs. 3). Ein genehmigtes Kapital kann nicht vorsehen, dass die Geschäftsführer befugt sind, das Kapital aus Gesellschaftsmitteln zu erhöhen.25) Das Sacheinlageverbot bei der UG nach § 5a Abs. 2 Satz 2 führt nicht dazu, dass bei der UG ein genehmigtes Kapital nur ohne die Möglichkeit einer Sacheinlage geschaffen werden kann.26) Ein genehmigtes Kapital mit der Möglichkeit der Sacheinlage ist bei der UG dann zulässig, wenn das genehmigte Kapital so bemessen ist, dass bei seiner Ausnutzung gegen Sacheinlage das Mindeststammkapital erreicht oder überschritten werden kann (§ 5a Abs. 5).27)

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Über den gesetzlichen Mindestinhalt hinaus können den Geschäftsführern im Ermächtigungsbeschluss Weisungen hinsichtlich der Modalitäten der Kapitalerhöhung gegeben werden; bspw. im Hinblick auf den Ausgabebetrag, den Nennbetrag der neuen Geschäftsanteile, die Art möglicher Sacheinlagen oder den Zeitpunkt der Gewinnteilhabe der neuen Geschäftsanteile. Zusätzlich ist zu beachten: Wenn die Ermächtigung nichts Bestimmtes vorschreibt, sind die Geschäftsführer nur berechtigt, Geschäftsanteile auszugeben, die den gleichen Regeln unterliegen wie die bisherigen Geschäftsanteile. § 204 Abs. 1 AktG, der bei der AG solche Bestim_____________ 20) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 55a Rn. 10, 12; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55a Rn. 11; s. a. OLG Celle, AG 1962, 347 f; LG Mannheim, BB 1957, 689 f; Hüffer/ Koch-Koch, AktG, § 202 Rn. 11. 21) Scholz-Priester, GmbHG, § 55a Rn. 50; Wicke, GmbHG, § 55a Rn. 9. 22) Lieder in: MünchKomm-GmbHG, § 55a Rn. 85; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 55a Rn. 12; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55a Rn. 11; Hüffer/Koch-Koch, AktG, § 202 Rn. 11, 14. 23) So Wicke, GmbHG, § 55a Rn. 9; Scholz-Priester, GmbHG, § 55a Rn. 50; Ulmer/Habersack/ Löbbe-Casper, GmbHG, § 55a Rn. 16; a. A. (Heilung nur bei Überschreiten) Lieder in: MünchKomm-GmbHG, § 55a Rn. 85; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 55a Rn. 12; Hüffer/Koch-Koch, AktG, § 202 Rn. 11. 24) Wicke, GmbHG, § 55a Rn. 14. 25) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55a Rn. 8; Hüffer/Koch-Koch, AktG, § 202 Rn. 6. 26) So aber – wenn auch mit Ausnahmen – Scholz-Priester, GmbHG, § 55a Rn. 49. 27) Das ergibt sich als Konsequenz aus BGH, ZIP 2011, 955 = GmbHR 2011, 699 = NJW 2011, 1881, dazu EWiR 2011, 349 (Berninger).

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mungen dem Vorstand überlässt, kann für die GmbH nicht gelten, weil der Vorstand einer AG einen wesentlich größeren Entscheidungsspielraum hat als ein GmbH-Geschäftsführer und die Gesellschafterversammlung der GmbH die Entscheidungsbefugnis über Strukturfragen der Gesellschaft behalten muss.28) Die Ermächtigung kann beschränkt werden und der Geschäftsführung die Kapitalerhöhung nur zu bestimmten Zwecken (z. B. zur Bedienung einer Wandelanleihe) erlauben. Es bietet sich an, im Beschluss festzulegen, dass die Geschäftsführer ermächtigt sind, die weiteren Einzelheiten der Kapitalerhöhung aus dem genehmigten Kapital festzulegen und den Wortlaut der Satzung an das erhöhte Kapital anzupassen (dazu siehe Rn. 27). Für die Änderung oder Aufhebung eines beschlossenen genehmigten Kapitals gilt nichts anderes als für sonstige Satzungsänderungen. Ist das genehmigte Kapital noch nicht im Handelsregister eingetragen, kann die Gesellschafterversammlung es jederzeit mit sofortiger Wirkung durch Gesellschafterbeschluss, der den Voraussetzungen, die an eine Satzungsänderung zu stellen sind, genügen muss, wieder aufheben.29) Nach Eintragung des genehmigten Kapitals wird eine Aufhebung oder Änderung des genehmigten Kapitals erst mit Eintragung der Satzungsänderung im Handelsregister wirksam.30)

15

III. Ausübung der Ermächtigung Über die Ausübung der Ermächtigung entscheiden die Geschäftsführer durch Beschluss. Der Beschluss der Geschäftsführung ist nicht formbedürftig. Allerdings werden die Registergerichte ohne Vorlage einer schriftlichen Urkunde die Kapitalerhöhung kaum eintragen (§ 57).31) Bis zur Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister können die Geschäftsführer ihre Entscheidung auch wieder ändern oder aufheben.32)

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Die Geschäftsführer haben über sämtliche ihnen i. R. d. Ermächtigung übertragenen Fragen nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Selbstverständlich sind die Vorgaben der Ermächtigung hinsichtlich des Ob, Wann und Wie der Kapitalerhöhung zu beachten. Insbesondere darf die Kapitalerhöhung den Höchstbetrag der Ermächtigung nicht überschreiten, sie muss ihn aber auch nicht voll ausschöpfen. Die Ausnutzung der Ermächtigung kann in mehreren Tranchen geschehen, auch wenn dies im Ermächtigungsbeschluss nicht ausdrücklich klargestellt wurde. Falls die GmbH einen Aufsichtsrat hat, kann die Entscheidung der Geschäftsführung über die Ausnutzung des genehmigten Kapitals nach der Satzung oder dem Zu-

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_____________ 28) Priester, GmbHR 2008, 1177, 1180; Wicke, GmbHG, § 55a Rn. 11; Scholz-Priester, GmbHG, § 55a Rn. 17; Ulmer/Habersack/Löbbe-Casper, GmbHG, § 55a Rn. 17; a. A. (nur Gleichbehandlungsgebot als Grenze) Lieder in: MünchKomm-GmbHG, § 55a Rn. 37; Baumbach/ Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 55a Rn. 16. 29) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55a Rn. 7; Scholz-Priester, GmbHG, § 55a Rn. 12; a. A. (einfacher Gegenbeschluss) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 55a Rn. 9; differenzierend Ulmer/Habersack/Löbbe-Casper, GmbHG, § 55a Rn. 19. 30) Ulmer/Habersack/Löbbe-Casper, GmbHG, § 55a Rn. 19. 31) Priester, GmbHR 2008, 1177, 1179; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 55a Rn. 24. 32) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 55a Rn. 24.

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stimmungskatalog des Aufsichtsrats einer Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen.33) Zwingend ist dies aber nicht; die Vorschrift des § 202 Abs. 3 Satz 2 AktG, wonach bei der AG neue Aktien nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats ausgegeben werden sollen, findet auf die GmbH keine Anwendung;34) dies gilt auch dann, wenn die Gesellschaft einen obligatorischen Aufsichtsrat hat oder ein Bezugsrechtsauschluss beschlossen wird. 18

Der Gesellschafterversammlung steht ein Weisungsrecht zu (§§ 37, 45).35) Eine solche Weisung kann bereits im Ermächtigungsbeschluss enthalten sein oder zu einem späteren Zeitpunkt erteilt werden36) und unterliegt nicht den Vorschriften über eine Satzungsänderung oder Kapitalerhöhung. Eine Pflicht zur vorherigen Information der Gesellschafterversammlung, um Gelegenheit zur Ausübung von Weisungsrechten zu geben, besteht nicht, auch nicht bei Ausschluss des Bezugsrechts (siehe Rn. 22), es sei denn, die Vorabinformation ist im Ermächtigungsbeschluss angeordnet oder es greifen die ungeschriebenen Grundsätze über das Zustimmungserfordernis der Gesellschafter bei grundlegenden Maßnahmen und Entscheidungen.37)

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Im Grundsatz gelten für den Ausnutzungsbeschluss der Geschäftsführer die gleichen inhaltlichen Anforderungen wie für einen Kapitalerhöhungsbeschluss der Gesellschafterversammlung nach § 55 (siehe § 55 Rn. 7 ff [M. Arnold/Born]). In erster Linie ist der Betrag der Kapitalerhöhung festzulegen. Die Geschäftsführer können auch eine „bis-zu“-Kapitalerhöhung wählen und legen Zahl und Nennbetrag der neuen Geschäftsanteile fest. Höhe und Stückelung haben etwaigen Satzungsregelungen Rechnung zu tragen. Die Geschäftsführer können auch eine Kapitalerhöhung durch Aufstockung bestehender Geschäftsanteile vorsehen, wenn das der Ermächtigungsbeschluss zulässt.38) Dem steht nicht entgegen, dass in § 55a Abs. 1 Satz 1 von der Ausgabe neuer Geschäftsanteile gesprochen wird. Auch bei der ordentlichen Kapitalerhöhung wird eine Kapitalerhöhung durch Aufstockung von Nennwerten unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig gehalten (siehe § 55 Rn. 13 [M. Arnold/Born]). Es ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber diese Möglichkeit beim genehmigten Kapital ausschließen wollte.39) Es spricht nichts dagegen, dass die Geschäftsführer an denselben Übernehmer mehrere Anteile ausgeben (§ 5 Abs. 2 Satz 2). Dazu bedarf es keiner eigenen Ermächtigung.40) Des Weiteren entscheiden die Geschäftsführer über die Fälligkeit der Einlagepflicht und über die Zahlung eines Ausgabebetrags sowie über die Gewinnberechtigung, falls _____________ 33) Insofern mag die Einführung des genehmigten Kapitals Anlass zur Überarbeitung des Zustimmungskatalogs geben. 34) Kramer, GmbHR 2015, 1073, 1074; Priester, GmbHR 2008, 1177, 1180; Wicke, GmbHG, § 55a Rn. 13; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55a Rn. 18. 35) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55a Rn. 9; Lieder in: MünchKomm-GmbHG, § 55a Rn. 30 ff; Priester, GmbHR, 2008, 1177, 1179; a. A. Wicke, GmbHG, § 55a Rn. 7. 36) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55a Rn. 9; Lieder, ZGR 2010, 868, 902 ff. 37) Ausführlich Lieder, ZGR 2010, 868, 905. 38) A. A. Wicke, GmbHG, § 55a Rn. 13 – keine ausdrückliche Zulassung erforderlich. 39) Priester, GmbHR 2008, 1177, 1179. 40) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 55a Rn. 26; Scholz-Priester, GmbHG, § 55a Rn. 24; Wicke, GmbHG, § 55a Rn. 13.

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der Ermächtigungsbeschluss insoweit keine Vorgaben macht. Machen die Geschäftsführer von einer im Ermächtigungsbeschluss vorgesehenen Möglichkeit zur Sachkapitalerhöhung Gebrauch, muss der Beschluss der Geschäftsführung über die Ausnutzung des genehmigten Kapitals die in § 56 niedergelegten Anforderungen erfüllen. Außerdem entscheiden die Geschäftsführer über den Ausschluss des Bezugsrechts und die Zulassung der Übernehmer sowie über die Ausgabe der neuen Geschäftsanteile gegen Sacheinlagen, soweit der Ermächtigungsbeschluss dies vorsieht und keine konkretisierenden Vorgaben macht.41) Die Geschäftsführer haben bei ihrer Entscheidung den Gleichbehandlungsgrundsatz der Gesellschafter zu beachten (§ 53a AktG gilt entsprechend).42)

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IV. Bezugsrecht und Bezugsrechtsausschluss Ebenso wenig wie in § 55 wird in § 55a ein Ausschluss des Bezugsrechts geregelt. Dies ist folgerichtig, weil im GmbH-Recht das Bezugsrecht auch bei der ordentlichen Kapitalerhöhung nicht gesetzlich geregelt ist. Allerdings ist auch bei Kapitalerhöhungen aus genehmigtem Kapital ein ungeschriebenes gesetzliches Bezugsrecht der Gesellschafter anzuerkennen.43) Die Gesellschafter haben einen Anspruch darauf, entsprechend ihrer Anteilsquote an der Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital beteiligt zu werden. Ebenso wie im Aktienrecht kann dieses gesetzliche Bezugsrecht in der Ermächtigung bereits ausgeschlossen werden (§ 203 Abs. 1 Satz 1 AktG i. V. m. § 186 Abs. 3, 4 AktG). Die Ermächtigung kann aber auch dem Geschäftsführer die Entscheidung über den Bezugsrechtsausschluss überlassen (§ 203 Abs. 2 AktG).44) Ist im Ermächtigungsbeschluss weder ein Bezugsrechtsausschluss noch eine Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss enthalten, besteht keine Möglichkeit, bei der Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital das Bezugsrecht auszuschließen.

21

Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Bezugsrechtsausschlusses gilt bei der GmbH für die Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital nichts anderes wie für die Kapitalerhöhung nach § 55 (siehe § 55 Rn. 27 ff [M. Arnold/Born]). Auch wenn das zu schaffende genehmigte Kapital einen Bezugsrechtsausschluss oder die Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss vorsieht, bedarf es keines Berichts an die Gesellschafterversammlung gemäß §§ 203 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG analog.45) Allerdings ist der Bezugsrechtsausschluss in der Tagesordnung anzukündigen. Ebenso wenig wie im Aktienrecht46) ist die Geschäftsführung im

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_____________ 41) Wicke, GmbHG, § 55a Rn. 11, 13; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 55a Rn. 20; s. a. OLG München ZIP 2012, 330, 331. 42) Priester, GmbHR 2008, 1177, 1180; Wicke, GmbHG, § 55a Rn. 13. 43) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55a Rn. 20; Cramer, GmbHR 2009, 406, 409; Roth/ Altmeppen-Roth, GmbHG, § 55a Rn. 20; Priester, GmbHR 2008, 1177, 1181; Terbrack, DNotZ 2012, 917, 923. 44) OLG München, ZIP 2012, 330, 331 = NJW-RR 2012, 612, dazu EWiR 2012, 113 (Lieder); Priester, GmbHR 2008, 1177, 1182; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55a Rn. 23; Kramer, GmbHR 2015, 1073, 1076. 45) A. A. Terbrack, DNotZ 2012, 917, 925. 46) BGHZ 164, 241, 245 ff = ZIP 2005, 2205 = NZG 2006, 18, dazu EWiR 2006, 35 (Hirte).

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Genehmigtes Kapital

GmbH-Recht verpflichtet, bei Ausschluss des Bezugsrechts einen Vorabbericht an die Gesellschafter zu erstatten. Die nachträgliche Berichterstattung über die Ausnutzung genehmigten Kapitals unterliegt bei der GmbH ähnlichen Regeln wie bei der AG.47) Die Geschäftsführer haben in der Gesellschafterversammlung, der der Jahresabschluss für das betreffende Geschäftsjahr vorgelegt wird, zu berichten und Rede und Antwort zu stehen. Die Pflicht, im Jahresabschluss Anhangsangaben zur Ausnutzung genehmigten Kapitals zu machen, lässt sich aus § 160 Abs. 1 Nr. 3 AktG analog ableiten; für die mündliche Berichterstattung in der Gesellschafterversammlung gilt § 176 Abs. 1 Satz 2 AktG entsprechend.48) Im Hinblick auf die Festsetzung des Ausgabebetrags ist darauf hinzuweisen, dass bei einem Bezugsrechtsauschluss § 255 Abs. 2 AktG entsprechend gilt (dazu siehe § 55 Rn. 29 [M. Arnold/Born]). 23

Die Erleichterungen der Siemens/Nold-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind im Hinblick auf den Bezugsrechtsausschluss für die GmbH nur sehr eingeschränkt nachzuvollziehen.49) Bei der GmbH fehlt es häufig an einem zwingenden Aufsichtsrat, der das Handeln der Geschäftsführer i. S. d. Gesellschaft und der Anteilseigner kontrollieren könnte. Insbesondere in personalistischen GmbHs ist zudem das Bezugsrecht für die persönliche Stellung des Gesellschafters regelmäßig von weit entscheidender Bedeutung als für den Aktionär einer – ggf. sogar börsennotierten – AG. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass dem grundsätzlich weisungsabhängigen Geschäftsführer einer GmbH kein Einfluss auf die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises eingeräumt werden kann. Ein Gesichtspunkt der Siemens/Nold-Rechtsprechung bleibt allerdings auch im GmbH-Recht erhalten: Es würde dem Sinn einer Ermächtigung zum Bezugsrechtsauschluss widersprechen, wenn bereits zum Zeitpunkt der Erteilung der Ermächtigung tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen müssten, dass der Geschäftsführer genötigt sein könnte, eine Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss durchzuführen.50) Es erscheint aber durchaus bedenkenswert, einen Bezugsrechtsausschluss durch Geschäftsführer nur dann für zulässig zu halten, wenn keine Zeit besteht, die Gesellschafterversammlung mit der Frage des Bezugsrechtsausschlusses zu befassen.51) Zwar ist im Aktienrecht anerkannt, dass das genehmigte Kapital ein eigenständiges Rechtsinsti_____________ 47) BGHZ 136, 133, 140 = ZIP 1997, 1499, 1501 = NJW 1997, 2815, dazu EWiR 1997, 1013 (Hirte); BGHZ 164, 241 = ZIP 2005, 2205, 2206 = NZG 2006, 18, dazu EWiR 2006, 35 (Hirte); zu weitgehend OLG Frankfurt/M., ZIP 2011, 1613 = NZG 2011, 1029 = AG 2011, 713, dazu EWiR 2011, 655 (Müller-Eising); ausführl. zur nachträglichen Berichterstattung Born, ZIP 2011, 1793 ff; Niggemann/Wansleben, AG 2013, 267. 48) Die Siemens/Nold-Rspr. zur nachträglichen Berichtspflicht lässt sich auf § 160 Abs. 1 Nr. 3 AktG und § 176 Abs. 1 Satz 2 AktG zurückführen, vgl. Born, ZIP 2011, 1793 ff; a. A. Niggemann/Wansleben, AG 2013, 267, 273 f. Die mündliche Erläuterungspflicht gemäß § 176 Abs. 1 Satz 2 AktG gilt in der GmbH entsprechend, vgl. Baumbach/HueckHaas, GmbHG, § 42a Rn. 3. 49) Vgl. zur Siemens/Nold-Rspr. BGHZ 136, 133, 138 ff = ZIP 1997, 1499 = NJW 1997, 2815, dazu EWiR 1997, 1013 (Hirte); BGHZ 164, 241 ff = ZIP 2005, 2205 = NZG 2006, 18, dazu EWiR 2006, 35 (Hirte). 50) BGHZ 136, 133, 138 = ZIP 1997, 1499 = NJW 1997, 2815, dazu EWiR 1997, 1013 (Hirte). 51) Vgl. dazu Priester, GmbHR 2008, 1177, 1182; dagegen Lieder, ZGR 2010, 868, 898 f.

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Genehmigtes Kapital

tut ist und keine Subsidiarität gegenüber einer ordentlichen Kapitalerhöhung anzuerkennen ist.52) Dies muss aber nicht auch für das GmbH-Recht gelten. Enthält das genehmigte Kapital eine Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss, gelten die beschriebenen Grundsätze (siehe § 55 Rn. 27 ff [M. Arnold/Born]) über die sachliche Rechtfertigung des Ausschlusses des Bezugsrechts bei der konkreten Entscheidung über den Bezugsrechtsausschluss entsprechend. Wird das Bezugsrecht bereits im Ermächtigungsbeschluss ausgeschlossen, ist der Beschluss gemäß § 243 Abs. 1 AktG analog anfechtbar, wenn der Bezugsrechtsausschluss nicht den formellen und materiellen Anforderungen genügt. Bei Ausschluss des Bezugsrechts durch die Geschäftsführer auf Grundlage eines genehmigten Kapitals gelten für die Rechtskontrolle die Grundsätze des Aktienrechts aus der Commerzbank/MangustaRechtsprechung des Bundesgerichtshofs entsprechend.53) Bis zur Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister können die Gesellschafter versuchen, mit einer vorbeugenden Unterlassungsklage die Eintragung zu verhindern. Nach Eintragung im Handelsregister bleibt eine allgemeine Feststellungsklage auf Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses der Geschäftsführer und eines etwaigen Zustimmungsbeschlusses des Aufsichtsrats. Auch im Erfolgsfall ändert eine solche Klage aber nichts an der Wirksamkeit der im Handelsregister eingetragenen Kapitalerhöhung. Liegt der Entscheidung der Geschäftsführer eine Weisung der Gesellschafterversammlung oder eines anderen Gesellschaftsorgans zugrunde, kann auch die Feststellung begehrt werden, dass diese Weisung rechtswidrig bzw. nichtig ist. Außerdem kommen Schadensersatzansprüche gegen die Geschäftsführer gemäß § 43 Abs. 2 in Frage.54)

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V. Sacheinlagen Gemäß § 55a Abs. 3 dürfen Geschäftsanteile nur gegen Sacheinlagen ausgegeben werden, wenn es die Ermächtigung vorsieht. Bei der UG ist zusätzlich erforderlich, dass mit der Kapitalerhöhung das Mindeststammkapital erreicht oder überschritten (§ 5a Abs. 5) wird (für die Ermächtigung siehe Rn. 13).55) Den Gesellschaftern steht es frei, den Geschäftsführern im Ermächtigungsbeschluss engere Vorgaben für die Ausgabe neuer Geschäftsanteile gegen Sacheinlagen zu machen, bspw. im Hinblick auf die Art möglicher Sacheinlagen. Die aktienrechtlichen Regelungen in § 205 Abs. 2 bis 5 AktG finden auf die Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital gegen Sacheinlagen grundsätzlich entsprechende Anwendung, soweit nicht spezifisches GmbH-Recht entgegensteht.56) Eine obligatorische Sacheinlageprüfung findet bei der GmbH nicht statt (siehe § 56 Rn. 8 [M. Arnold/Born]), auch nicht bei Sachkapitalerhöhungen aus genehmigtem Kapital. – Zu den Konsequenzen der verdeckten

_____________ 52) Vgl. OLG Karlsruhe, AG 2003, 444, 445 = DB 2002, 2095 = NZG 2002, 959, dazu EWiR 2002, 299 (Hirte); Bayer in: MünchKomm-AktG, § 202 Rn. 80 ff. 53) BGHZ 164, 249 ff = ZIP 2005, 2207 = NJW 2006, 374, dazu EWiR 2006, 65 (Hirte). 54) Priester, GmbHR 2008, 1177, 1182. 55) Das ergibt sich als Konsequenz aus BGH, ZIP 2011, 955 = GmbHR 2011, 699 = NJW 2011, 1881, dazu EWiR 2011, 349 (Berninger). 56) Priester, GmbHR 2008, 1177, 1183.

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Sacheinlage siehe § 56 Abs. 2, der auf § 19 Abs. 4 verweist, und die Kommentierung zu diesen Vorschriften. VI. Übernahme der Stammeinlagen und Anpassung der Satzung 26

Für die Übernahmeerklärung gilt nichts anderes als bei der ordentlichen Kapitalerhöhung nach § 55. Grundsätzlich fällt auch bei Kapitalerhöhungen aus genehmigtem Kapital der Abschluss des Übernahmevertrags in die Kompetenz der Gesellschafter. Es ist allerdings davon auszugehen, dass mit der Schaffung genehmigten Kapitals die Aufgabe zum Abschluss des Übernahmevertrags auf die Geschäftsführer übertragen wird.57)

27

Probleme bereitet die Anpassung der Satzung an den neuen Betrag des Stammkapitals. Das GmbHG kennt keine § 179 Abs. 1 Satz 2 AktG vergleichbare Vorschrift zur Ermächtigung des Aufsichtsrats zur Anpassung der Satzung. Es bleibt damit dabei, dass die Satzung – auch hinsichtlich der Fassung – nur von der Gesellschafterversammlung geändert werden kann. In der Konsequenz würde das bedeuten, dass eine Ausnutzung genehmigten Kapitals ohne satzungsändernden Beschluss der Gesellschafterversammlung nicht möglich wäre. Teilweise wird vorgeschlagen, dieses Problem über eine analoge Anwendung von § 179 Abs. 1 Satz 2 AktG zu lösen.58) Naheliegender und mit der Organisationsverfassung der GmbH besser in Einklang zu bringen ist die Lösung, die auch bei einer „bis zu“-Kapitalerhöhung Anwendung findet (siehe § 55 Rn. 10 [M. Arnold/Born]): Es genügt, wenn – ohne einen weiteren Gesellschafterbeschluss – bei der Anmeldung der Kapitalerhöhung zum Handelsregister der sich aus der Übernahme des neuen Kapitals ergebende neue Betrag des Stammkapitals genannt wird (§ 54 Abs. 1 Satz 2).59) Aufgrund der weithin vertretenen a. A. empfiehlt es sich aber, mit dem genehmigten Kapital sogleich die Geschäftsführer zur Anpassung der Fassung der Satzung zu ermächtigen. VII.

28

Registerverfahren

Das Registerverfahren nach Abschluss des Übernahmevertrags unterscheidet sich nicht von dem Registerverfahren zur Eintragung einer Kapitalerhöhung gemäß § 55. Statt des notariell beurkundeten Gesellschafterbeschlusses über die Kapitalerhöhung ist der Beschluss der Geschäftsführer über die Ausnutzung des genehmigten Kapitals vorzulegen.60) Die Handelsregisteranmeldung ist von sämtlichen Geschäftsführern zu unterzeichnen (§ 78). Die aktuelle Gesellschafterliste ist gemäß § 40 Abs. 2 von dem Notar einzureichen, der die Unterschriften unter der Anmeldung der Durchführung beglaubigt hat und mit deren Übermittlung zum Handelsregister beauftragt wurde.61) Die konstitutive Eintragung im Handelsregister bewirkt, dass die Mitgliedschaftsrechte in der Person der Übernehmer mit allen Rechten und _____________ 57) Priester, GmbHR 2008, 1177, 1181. 58) OLG München, ZIP 2012, 330, 331 = NJW-RR 2012, 612, dazu EWiR 2012, 113 (Lieder); Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG § 55a Rn. 33 ff; Priester, GmbHR 2008, 1177, 1180; Klett, GmbHR 2008, 1312, 1314; Terbrack, DNotZ 2012, 917, 928. 59) So auch Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 55a Rn. 31. 60) Ulmer/Habersack/Löbbe-Casper, GmbHG, § 55a Rn. 42; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG § 55a Rn. 27; a. A. Wicke, GmbHG, § 55a Rn. 15, der es genügen lässt, wenn sämtliche Angaben in der Handelsregisteranmeldung enthalten sind. 61) Wicke, GmbHG, § 55a Rn. 15.

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Pflichten entstehen. Die Eintragung ist nach allgemeinen Grundsätzen bekannt zu machen (§ 10 HGB). Das Registergericht prüft, ob die Vorschriften von Gesetz und Satzung eingehalten wurden. Insbesondere bei einem Bezugsrechtsausschluss kann es dazu kommen, dass einzelne Gesellschafter versuchen, die Kapitalerhöhung im Registerverfahren zu blockieren. Es fällt dabei nicht in die Prüfungskompetenz des Registergerichts, die sachliche Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses zu überprüfen. Die damit zusammenhängenden Rechts- und Sachfragen sind der ordentlichen Gerichtsbarkeit vorbehalten. Das Registergericht hat Anfechtungsgründe nur insoweit zu berücksichtigen, als durch die Gesetzesverletzung öffentliche Interessen (Drittinteressen, insbesondere von neuen Gesellschaftern oder von Gläubigern) betroffen sind, nicht aber, wenn ein Gesetzesverstoß „nur“ die Interessen der gegenwärtigen Gesellschafter berührt.62) Es ist den Altgesellschaftern grundsätzlich selbst überlassen, eine Fehlerhaftigkeit von Kapitalerhöhungen auf dem ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen.63) Einzelnen Gesellschaftern steht auch kein Recht zu, am Eintragungsverfahren durch Gewährung rechtlichen Gehörs beteiligt zu werden.64)

29

Der Registerrichter hat die Eintragung der Kapitalerhöhung abzulehnen, wenn die Ermächtigung nichtig ist. Dies ist bspw. anzunehmen bei fehlender oder ungenauer Angabe der Frist für die Ausübung oder bei fehlender Bezifferung des Nennbetrags des genehmigten Kapitals. Bei fehlerhafter Ausübung des genehmigten Kapitals ist Gelegenheit zur Beseitigung des Fehlers zu geben. Soweit die Fehler nicht behebbar sind, ist die Eintragung abzulehnen. Wird die Kapitalerhöhung bei fehlerhafter Ausnutzung gleichwohl eingetragen, ist die Kapitalerhöhung wirksam, es sei denn, es fehlt eine wirksame Ermächtigungsgrundlage i. S. d. § 55a.65) Es bleibt die bereits erwähnte Möglichkeit, Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO zu erheben. Das Rechtsschutzinteresse liegt in der Möglichkeit, Sekundäransprüche und sonstige Rechtsbehelfe geltend zu machen.66)

30

VIII. Bilanzielle Behandlung Da die bloße Ermächtigung des Geschäftsführers zur Kapitalerhöhung noch keine Änderung des Grundkapitals bewirkt, zeigt sich das genehmigte Kapital in der Bilanz nicht. § 160 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 AktG sind entsprechend anzuwenden.

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IX. Genehmigtes Kapital in Insolvenz und Liquidation Fasst die Gesellschaft einen Auflösungsbeschluss, ist darin zumindest eine Weisung an die Geschäftsführer zu sehen, ohne erneuten Beschluss keine Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital durchzuführen.67) _____________ 62) Wicke, GmbHG, § 55a Rn. 17; Hüffer/Koch-Koch, AktG, § 184 Rn. 6b. 63) OLG Frankfurt/M., AG 2002, 352, 353 = DB 2002, 86 = NZG 2002, 91; vgl. auch Hüffer/Koch-Koch, AktG, § 184 Rn. 7, § 181 Rn. 18. 64) OLG Frankfurt/M., AG 2002, 352 ff = DB 2002, 86 = NZG 2002, 91. 65) Lieder in: MünchKomm-GmbHG, § 55a Rn. 87; Wicke, GmbHG, § 55a Rn. 17. 66) BGHZ 164, 249 ff = ZIP 2005, 2207 = NJW 2006, 374, dazu EWiR 2006, 65 (Hirte); Wicke, GmbHG, § 55a Rn. 17. 67) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 55a Rn. 37.

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33

Wenn nach einem Beschluss der Geschäftsführung über eine Ausnutzung genehmigten Kapitals das Insolvenzverfahren eröffnet wird, bleibt den Gesellschaftern die Möglichkeit, den Geschäftsführer anzuweisen, die Anmeldung zurückzunehmen. Insofern bleiben die Gesellschafter weiterhin „Herren des Kapitalerhöhungsverfahrens“. Ebenso hat ein Übernehmer die Möglichkeit, im Fall der Insolvenzeröffnung den Übernahmevertrag aus wichtigem Grund zu kündigen, es sei denn, er hat den Übernahmevertrag in Kenntnis der Verhältnisse abgeschlossen. – Zur ordentlichen Kapitalerhöhung und der Insolvenz siehe § 55 Rn. 41 ff [M. Arnold/Born].

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Auch nach einer Insolvenzeröffnung können die Gesellschafter den Geschäftsführer anweisen, eine Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital zu beschließen. Es stellt sich dann aber das Problem, dass die neuen Mittel aus der Kapitalerhöhung in die Insolvenzmasse fallen. – Zur ordentlichen Kapitalerhöhung und der Insolvenz siehe § 55 Rn. 41 ff [M. Arnold/Born].

§ 56 Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen Michael Arnold/Felix Born

(1) 1Sollen Sacheinlagen geleistet werden, so müssen ihr Gegenstand und der Nennbetrag des Geschäftsanteils, auf den sich die Sacheinlage bezieht, im Beschluß über die Erhöhung des Stammkapitals festgesetzt werden. 2Die Festsetzung ist in die in § 55 Abs. 1 bezeichnete Erklärung des Übernehmers aufzunehmen. (2) Die §§ 9 und 19 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 finden entsprechende Anwendung. Literatur: Cahn/Simon/Theiselmann, Debt Equity Swap zum Nennwert!, DB 2010, 1629; Ekkenga, Neuerliche Vorschläge zum Nennwert einer Rechnung beim Debt-EquitySwap – Erkenntnisfortschritt oder Wiederbelebungsversuche am untauglichen Objekt?, DB 2012, 331; Ekkenga, Sachkapitalerhöhung gegen Schuldbefreiung, ZGR 2009, 581; Habersack, Einbringung eines Gesellschafterdarlehens im Rahmen eines Debt Equity Swap, in: FS Kübler, 2015, S. 219; Happ, Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen im GmbHRecht und „Sacherhöhungsbericht“, BB 1985, 1927; Hoffmann, Sind wertlose Forderungen gegen Kapitalgesellschaften zum Nennwert einlagefähig?, BB 1992, 575; Kanzler/Mader, Sanierung um jeden Preis? – Schutz der Neugläubiger nach Durchführung eines insolvenzrechtlichen Debt-Equity-Swaps –, GmbHR 2012, 992; Kleindiek, Verdeckte (gemischte) Sacheinlage nach MoMiG: Rückwirkende Neuregelung und Wertanrechnung. Zugleich Besprechung der Entscheidung BGHZ 185, 44 (ADCOCOM), ZGR 2011, 334; Meilicke, Die Kapitalaufbringungsvorschriften als Sanierungsbremse – Ist die deutsche Interpretation des § 27 Abs. 2 AktG richtlinienkonform? (Teil 1), DB 1989, 1067 und (Teil 2) DB 1989, 1119; Pentz, Die Anrechnung bei der verdeckten (gemischten) Sacheinlage, GmbHR 2010, 673; Spliedt, Debt Equity Swap und weitere Strukturänderungen nach dem ESUG, GmbHR 2012, 462; Wirsch, Debt Equity Swap und Risiko der Insolvenzanfechtung, NZG 2010, 1131. Übersicht I. Allgemeines .......................................... 1 II. Besonderheiten der Sachkapitalerhöhung ............................................... 5 III. Sachkapitalerhöhungsbeschluss ....... 10 IV. Übernahmeerklärung ........................ 11

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V. Mängel der Kapitalerhöhung ........... 12 VI. Einbringung von Forderungen ........ 14 VII. Schütt-aus-hol-zurückVerfahren ............................................ 18

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Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen

I.

§ 56

Allgemeines

Die Vorschrift wurde durch die GmbH-Novelle von 19801) neu gefasst, inhaltlich aber nur geringfügig geändert. Das MoMiG2) brachte mit der einheitlichen Verwendung des Begriffs „Geschäftsanteil“ und Neufassung der Verweise lediglich redaktionelle Anpassungen. Mittelbar ist das MoMiG aber für die Sachkapitalerhöhung sehr bedeutsam: Durch das MoMiG wurden die Rechtsfolgen einer verdeckten Sacheinlage wesentlich entschärft (siehe Rn. 12 f).

1

§ 56 Abs. 1 bestimmt, dass bei Sachkapitalerhöhungen besondere Anforderungen an den Kapitalerhöhungsbeschluss und die Übernahmeerklärung zu stellen sind. Bei Sachkapitalerhöhungen muss im Beschluss und in der Übernahmeerklärung der Gegenstand der Sacheinlage und der Nennbetrag des Geschäftsanteils, auf den sich die Sacheinlage bezieht, festgesetzt werden. Es gelten damit für den Kapitalerhöhungsbeschluss und die Übernahmeerklärung bei der Sachkapitalerhöhung die gleichen Anforderungen wie bei der Sachgründung gemäß § 5 Abs. 4. Über den Verweis in Absatz 2 sind insbesondere die Vorschriften zur Differenzhaftung gemäß § 9 und zur verdeckten Sacheinlage gemäß § 19 Abs. 4 von Bedeutung.

2

Zweck des § 56 ist in erster Linie die Offenlegung der Sacheinlage und die Erleichterung der registerrechtlichen Wertprüfung.3)

3

Der Ausschluss von Sacheinlagen bei der UG gemäß § 5a Abs. 2 Satz 2 gilt nicht nur für Sachgründungen, sondern auch für Sachkapitalerhöhungen.4) Bei der UG kann nur dann eine Sachkapitalerhöhung beschlossen und durchgeführt werden, wenn damit der Betrag des Mindeststammkapitals der GmbH (25.000 €) erreicht oder überschritten wird.5)

4

II. Besonderheiten der Sachkapitalerhöhung Absatz 1 Satz 1 ist nahezu deckungsgleich mit § 5 Abs. 4 Satz 1. Auf die Erläuterungen zur Sachgründung kann daher grundsätzlich verwiesen werden. Die für eine Sacheinlage erforderlichen Festsetzungen müssen jedoch bei der Sachkapitalerhöhung nicht im Gesellschaftsvertrag gemacht werden; es genügt der Sachkapitalerhöhungsbeschluss. Die Festsetzungen sind auch in die Übernahmeerklärung gemäß § 55 Abs. 1 aufzunehmen.

5

Der Begriff der Sacheinlage in § 56 Abs. 1 Satz 1 entspricht dem in § 5 Abs. 4 Satz 1 (zu den Einzelheiten siehe § 5 Rn. 17 ff [Schäfer]). Einlagefähig sind alle Vermögensgegenstände, deren Wert feststellbar ist6) und die verkehrsfähig, d. h. übertragbar

6

_____________ 1) 2) 3) 4) 5)

6)

BGBl. I 1980, 836. Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026. Vgl. Wicke, GmbHG, § 56 Rn. 1; Scholz-Priester, GmbHG, § 56 Rn. 1. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 56 Rn. 2a, § 5a Rn. 20 ff; Scholz-Priester, GmbHG, § 56 Rn. 23a. BGH, ZIP 2011, 955 = NJW 2011, 1881 = NZI 2011, 547, dazu EWiR 2011, 349 (Berninger); s. a. Scholz-Priester, GmbHG, § 56 Rn. 23a; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 56 Rn. 2a; § 5a Rn. 23 f. BGH, ZIP 2004, 1642, 1643 = GmbHR 2004, 1219 = DB 2004, 1985.

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§ 56

Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen

sind.7) Als Sacheinlage kommen damit sowohl Einzelgegenstände (Sachen und Rechte) als auch Sach- und Rechtsgesamtheiten wie ein Betrieb oder Unternehmen, ein Nachlass oder eine Insolvenzmasse in Betracht.8) Forderungen gegen die Gesellschaft können Gegenstand einer Sacheinlage sein. Dienstleistungen können nicht Gegenstand einer Sacheinlage sein.9) Obligatorische Nutzungsrechte sind einlagefähig, sofern die Nutzungsdauer in Form einer festen Laufzeit oder als konkret bestimmte Mindestdauer feststeht.10) Eigene Geschäftsanteile der Gesellschaft11) oder von der Gesellschaft ausgegebene Genussscheine, die eine Beteiligung am Gewinn oder Liquidationserlös verbriefen,12) können nicht als Sacheinlage in die Gesellschaft eingebracht werden. 7

Der Wert der Sacheinlage muss zum Anmeldezeitpunkt mindestens den Nennbetrag der dafür übernommenen Geschäftsanteile erreichen (Grundsatz der realen Kapitalaufbringung). Andernfalls haftet der Übernehmer gemäß §§ 56 Abs. 2, 9 Abs. 1 Satz 1 auf den Differenzbetrag. Kann dieser Differenzbetrag vom Einleger nicht beigebracht werden, haften die übrigen Gesellschafter nach § 24 im Verhältnis ihrer Beteiligung (siehe § 24 Rn. 5 [Bartels]). Im Hinblick auf die Differenzhaftung und die Bewertung der Sacheinlage gilt bei der Sachkapitalerhöhung nichts anderes als bei der Gründung (siehe § 5 Rn. 28 [Schäfer]). Die Differenzhaftung erstreckt sich nicht auf ein den Nennbetrag übersteigendes Agio.13)

8

Der Wortlaut des Gesetzes verlangt anders als bei der Sachgründung keinen Sachkapitalerhöhungsbericht, in dem der Wert der Sacheinlage dargelegt wird. Nach einer Ansicht soll dem Registergericht trotzdem ein Sachkapitalerhöhungsbericht oder vergleichbare Unterlagen vorzulegen sein.14) Nach a. A. kann das Registergericht i. R. seiner Prüfungspflicht nach seinem pflichtgemäßen Ermessen solche Unterlagen anfordern.15) Die wohl überwiegende Meinung hält angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts zu Recht einen Sachkapitalerhöhungsbericht für entbehrlich.16) Da das Registergericht i. R. seiner umfassenden Prüfungspflicht sogar _____________ 7) Wicke, GmbHG, § 56 Rn. 2. 8) Scholz-Priester, GmbHG, § 56 Rn. 9, Wicke, GmbHG, § 56 Rn. 2; Rowedder/SchmidtLeithoff-Schnorbus, GmbHG, § 56 Rn. 8. 9) BGH, ZIP 2009, 713, 714 = BGHZ 180, 38 = GmbHR 2009, 540 – Qivive, dazu EWiR 2009, 443 (Schodder). 10) BGH, ZIP 2004, 1642, 1644 = GmbHR 2004, 1219 = DB 2004, 1985. 11) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 56 Rn. 5; Wicke, GmbHG, § 56 Rn. 2; MichalskiHermanns, GmbHG, § 56 Rn. 40. 12) Scholz-Priester, GmbHG, § 56 Rn. 20; Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 56 Rn. 7. Eine Ausnahme gilt, soweit die Genussscheine bereits entstandene Forderungen gegen die Gesellschaft verbriefen. In einem solchen Fall gilt nichts anderes als bei der Einbringung sonstiger bereits entstandener Forderungen gegen die Gesellschaft, vgl. ScholzPriester, GmbHG, § 56 Rn. 20. 13) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 56 Rn. 8. 14) OLG Stuttgart, BB 1982, 398; Scholz-Priester, GmbHG, § 56 Rn. 38 f. 15) LG Memmingen, NZG 2005, 322, 323 = Rpfleger 2005, 200 (LS); Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 56 Rn. 7, § 57a Rn. 1; Wicke, GmbHG, § 56 Rn. 6. 16) Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 56 Rn. 17; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 56 Rn. 7; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schnorbus, GmbHG, § 56 Rn. 30; Happ, BB 1985, 1927, 1928 f; diff. ThürOLG, GmbHR 1994, 710, 712.

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einen Sachverständigen mit der Wertermittlung der Sacheinlage beauftragen könnte,17) spricht allerdings nichts dagegen, dass es zunächst von den Geschäftsführern geeignete Unterlagen für seine Prüfung verlangt. Dies ist letztlich Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, den auch das Registergericht i. R. seiner Prüfung zu beachten hat. Eine solche Prüfung ist jedoch nur angezeigt, wenn es hinreichende Anhaltspunkte gibt, dass die Sacheinlage erheblich überbewertet wurde (vgl. §§ 57a, 9c Abs. 1 Satz 2).18) Eine Prüfung der Sacheinlage analog § 183 Abs. 3 AktG ist nicht erforderlich. Bei einer Sacheinlage muss die Gegenleistung der Gesellschaft nicht zwingend allein in der Ausgabe neuer Geschäftsanteile bestehen. Wenn ein Vermögensgegenstand eingebracht wird, der einen höheren Wert als der Nennwert der dafür übernommenen Geschäftsanteile hat, kann die Gesellschaft den Differenzbetrag dem Übernehmer vergüten (sog. gemischte Sacheinlage, siehe § 5 Rn. 20 [Schäfer]).19) Die gemischte Sacheinlage unterliegt den Regelungen über Sachkapitelerhöhungen. Bei der gemischten Sacheinlage muss zur Vermeidung der Differenzhaftung der Wert der Sacheinlage zuzüglich der von der Gesellschaft zu leistenden Zahlung den Nennwert der neuen Geschäftsanteile erreichen. Die gemischte Sacheinlage ist von der gemischten Bar-/Sachkapitalerhöhung zu unterscheiden, bei der ein Sacheinleger eine Sacheinlage und die übrigen Übernehmer der neuen Anteile eine Bareinlage erbringen. Die gemischte Bar-/Sachkapitalerhöhung kann auch so ausgestaltet sein, dass ein Gesellschafter teils eine Bar- und teils eine Sacheinlage erbringt (Mischeinlage).

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III. Sachkapitalerhöhungsbeschluss Bei der Sachkapitalerhöhung muss der Kapitalerhöhungsbeschluss zusätzliche Anforderungen erfüllen. Es sind der Gegenstand der Sacheinlage und der Nennbetrag des Geschäftsanteils, auf den sich die Sacheinlage bezieht, hinreichend deutlich festzusetzen. Diese Festsetzungen müssen aber anders als bei der Sachgründung nicht in die Satzung übernommen werden.20) In der Satzung muss nur der neue Betrag des Stammkapitals geändert werden. Der Gegenstand der Sacheinlage kann an Stelle der Festsetzung im Kapitalerhöhungsbeschluss auch durch gleichzeitig beschlossene Satzungsänderung festgesetzt werden.21) Weiterhin muss der Kapitaler-

_____________ 17) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 57a Rn. 1; Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57a Rn. 10. 18) Ähnlich Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57a Rn. 10; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 56 Rn. 7 a. E.; OLG Köln, GmbHR 1996, 682, 684 = DB 1996, 2068 = NJW-RR 1996, 1250. 19) Vgl. auch OLG Stuttgart, GmbHR 1982, 109; OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 214 = DB 1996, 368 = NJW-RR 1996, 605; OLG Köln, GmbHR 1996, 288; Schwandtner in: MünchKomm-GmbHG, § 5 Rn. 207 – 215. 20) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 56 Rn. 2; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 56 Rn. 4. 21) BGH, ZIP 2008, 180 = GmbHR 2008, 207 = NZG 2008, 146; vgl. auch Vorinstanz OLG Brandenburg, ZIP 2007, 969 = GmbHR 2007, 711 (LS).

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höhungsbeschluss die Person des Übernehmers der Sacheinlage enthalten.22) Auch im Fall einer gemischten Sacheinlage oder gemischten Bar-/Sachkapitalerhöhung muss der Erhöhungsbeschluss die nach § 56 erforderlichen Angaben enthalten.23) Bei gemischten Sacheinlagen sollte der Betrag angegeben werden, den der Sacheinleger von der Gesellschaft erhält,24) nach der Rechtsprechung genügt es aber, wenn sich der Betrag aus den Umständen ergibt.25) Bei gemischten Bar-/Sachkapitalerhöhungen ist anzugeben, welche Geschäftsanteile für welchen Nennwert gegen Sacheinlage und welche gegen Bareinlage übernommen werden.26) IV. Übernahmeerklärung 11

Die – notariell zu beglaubigende – Übernahmeerklärung hat außer den nach § 55 erforderlichen Angaben bei Sachkapitalerhöhungen auch die im Kapitalerhöhungsbeschluss getroffenen Festsetzungen zu enthalten (Abs. 1 Satz 2). Eine Bezugnahme auf die Festsetzungen im Kapitalerhöhungsbeschluss genügt, wenn dieser Beschluss der Übernahmeerklärung nach § 44 BeurkG als Anlage beigefügt wird.27) Die Übernahmeerklärung kann auch mit dem Kapitalerhöhungsbeschluss in einer Urkunde verbunden werden.28) V. Mängel der Kapitalerhöhung

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Besondere Probleme entstehen, wenn eine Bareinlage eines Gesellschafters bei wirtschaftlicher Betrachtung und aufgrund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Bareinlage getroffenen Abrede vollständig oder teilweise als Sacheinlage zu bewerten ist (verdeckte Sacheinlage).29) Verdeckte Sacheinlagen führen seit Inkrafttreten des MoMiG gemäß § 19 Abs. 4 nicht mehr zur Unwirksamkeit der Verträge über die Sacheinlage und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung. Die Verpflichtung des Einlegers zur Leistung der Bareinlage besteht fort. Der Wert der eingebrachten Sacheinlage wird aber auf die Bareinlageverpflichtung angerechnet (§ 19 Abs. 4 Satz 3). Die Beweislast für die Werthaltigkeit der als verdeckte Sacheinlage geleisteten Vermögensgegenstände trägt der Einleger. Außerdem kommt eine Haftung der Gesellschafter und Geschäftsführer gemäß § 9a in Betracht, wenn der _____________ 22) Scholz-Priester, GmbHG, § 56 Rn. 24; Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 56 Rn. 10; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 56 Rn. 4; a. A. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 56 Rn. 6. 23) Wegmann in: Münch-Hdb. GesR, Bd. 3, § 53 Rn. 9; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/ Casper, GmbHG, § 56 Rn. 25 f. 24) Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 56 Rn. 9. 25) Vgl. BGH, NZG 2008, 146, 147 = ZIP 2008, 180 = GmbHR 2008, 207 m. w. N. 26) Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 56 Rn. 9; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/ Casper, GmbHG, § 56 Rn. 23. 27) Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 56 Rn. 16; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/ Casper, GmbHG, § 56 Rn. 28. 28) BGH, WM 1966, 1262, 1263; Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 56 Rn. 16; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 56 Rn. 28. 29) Vgl. BGH, GmbHR 2016, 479, 481 f; BGH, ZIP 2012, 1857 = NZI 2012, 929, dazu EWiR 2013, 147 (Wenzel); BGHZ 185, 44 = ZIP 2010, 978 = DB 2010, 1226 – ADCOCOM, dazu EWiR 2010, 421 (Wenzel); BGH, ZIP 2011, 1101 = GmbHR 2011, 705 = NZG 2011, 667, dazu EWiR 2011, 669 (Cramer).

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Gesellschaft in Folge der verdeckten Sacheinlage ein Schaden entstanden ist. Die verdeckte Sacheinlage kann auch in Form einer verdeckten gemischten Sacheinlage auftreten, wenn die Gesellschaft an den Inferenten für die verdeckte Sacheinlage einen Preis zahlt, der den Betrag der Bareinlageverpflichtung übersteigt und insgesamt eine unteilbare Leistung vorliegt. Auch in solchen Fällen ist an § 19 Abs. 4 anzuknüpfen.30) – Ausführlich zur verdeckten Sacheinlage siehe § 19 Rn. 14 ff [Bartels]. Wenn der Kapitalerhöhungsbeschluss oder die Übernahmeerklärung die Anforderungen des § 56 nicht erfüllt, besteht grundsätzlich ein Eintragungshindernis und der Beschluss ist anfechtbar. Das gilt insbesondere in Fällen der verdeckten Sacheinlage. Daran ändert die Neuregelung in § 19 Abs. 4 GmbHG nichts.

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VI. Einbringung von Forderungen Sollen Forderungen gegen die Gesellschaft in Eigenkapital umgewandelt werden, ist die Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen ein gangbarer Weg. Daneben bestehen aber auch noch weitere Möglichkeiten.31) Grundsätzlich sind Forderungen einlagefähige Gegenstände (siehe Rn. 6). Der häufigste Fall ist die Einbringung von Darlehensforderungen, bspw. aus Gesellschafterdarlehen, gegen Ausgabe neuer Geschäftsanteile. Aber auch bei manchen Gestaltungsmöglichkeiten des Schütt-aushol-zurück-Verfahrens werden Forderungen in die Gesellschaft eingebracht (siehe Rn. 18 f). Erbracht wird die Sacheinlage durch Erlassvertrag oder Abtretung der Forderung an die Gesellschaft, sodass die Forderung im Wege der Konfusion erlischt. Bei Geldforderungen kommt auch eine Aufrechnung in Betracht. Eine Barkapitalerhöhung mit nachfolgender Übertragung der Forderung zur Erfüllung der Einlageverpflichtung erfüllt den Tatbestand der verdeckten Sacheinlage und kommt deshalb nicht in Betracht.32)

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Die Problematik bei der Einbringung von Forderungen liegt in der Bewertung der eingebrachten Forderungen. Es ist streitig, ob Forderungen mit ihrem Nominalwert33) oder ihrem wirklichen Wert anzusetzen sind.34) Nach der Rechtsprechung35) können Forderungen nur dann zum Nennwert eingebracht werden, wenn der Nennwert dem wirklichen Wert der Forderungen entspricht. Entspricht der Nennwert der Forderung nicht dem wirklichen Wert, kann die Forderung nur zu einem niedrigeren Wert eingebracht werden. Bei der Bewertung der Forderung kommt es in erster Linie auf die Bonität der Gesellschaft an. Eine gute Bonität bedeutet aber

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_____________ 30) BGHZ 185, 44 =ZIP 2010, 978 = DB 2010, 1226 – ADCOCOM, dazu EWiR 2010, 421 (Wenzel); vgl. Kleindiek, ZGR 2011, 334 ff; Pentz, GmbHR 2010, 673. 31) Z. B. die Ausgabe von Genussscheinen gegen Abtretung der Forderung an die Gesellschaft. 32) BGH, ZIP 1996, 19, 20 = GmbHR 1996, 217 = DB 1996, 132, dazu EWiR 1996, 439 (Limmer); s. a. BGH, GmbHR 2016, 479, 481 f; Lutter/Hommelhoff-Bayer, § 56 Rn. 9. 33) Hoffmann, BB 1992, 575, 577; Meilicke, (Teil 1), DB 1989, 1067, 1074 und (Teil 2) DB 1989, 1119 ff; Cahn/Simon/Theiselmann, DB 2010, 1629; Spliedt, GmbHR 2012, 462. 34) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 56 Rn. 9; Lieder in: MünchKomm-GmbHG, § 56 Rn. 19; A. Arnold in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 29, 37 ff; Ekkenga, DB 2012, 331. 35) BGHZ 125, 141 = ZIP 1994, 701 = GmbHR 1994, 394, dazu EWiR 1994, 467 (v. Gerkan); BGHZ 110, 47 = ZIP 1990, 156, 160 f = DB 1990, 311, dazu EWiR 1990. 223 (Lutter); BGH, ZIP 1984, 698 f = GmbHR 1984, 313 = DB 1984, 1338.

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noch nicht, dass in jedem Fall die Forderung zum Nennwert angesetzt werden kann. Vielmehr kann auch bei niedrig verzinslichen Forderungen aufgrund des Zeitfaktors ein Abschlag vorzunehmen sein. Da das MoMiG dem Konzept der eigenkapitalersetzenden Darlehen eine Absage erteilt hat (§ 30 Abs. 1 Satz 3), kann eigenkapitalersetzenden Darlehen nicht mehr generell die Einlagefähigkeit abgesprochen werden; vollwertige Darlehensforderungen sind generell tauglicher Einlagegegenstand.36) Der Bundesgerichtshof betont die Pflicht eines Notars, die Parteien über die Bedeutung der Vollwertigkeit der Forderung und die Gefahr der Differenzhaftung zu belehren.37) 16

Fraglich ist, ob eine Sachkapitalerhöhung durch Einbringung von Gesellschafterdarlehen nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gemäß § 135 InsO, § 6 AnfG angefochten werden kann.38) Nach Bayer ist die Kapitalerhöhung nicht anfechtbar, da der Gesellschafter keine Befriedigung i. S. d. § 135 InsO, § 6 AnfG erlange und der Geschäftsanteil den gleichen Nachrang habe wie das Gesellschafterdarlehen.39) Ekkenga führt dagegen aus, es falle schwer, die Anfechtbarkeit nur deshalb zu verneinen, „weil die Akteure die Abtretungs- oder Verzichtslösung gewählt haben und eine „Befriedigung“ des Darlehensgebers im wörtlich-technischen Sinne somit nicht stattgefunden hat“.40) Selbst wenn eine Befriedigung des Darlehensgebers durch die Ausgabe der neuen Geschäftsanteile angenommen würde,41) setzte die Anfechtbarkeit daneben noch eine Gläubigerbenachteiligung voraus. Die Umwandlung eines Gesellschafterdarlehens in einen Geschäftsanteil führt nicht dazu, dass der Masse Mittel zulasten der Gläubiger entzogen werden. Während Gesellschafterdarlehen nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nachrangig sind, werden Gesellschaftsanteile nur nach Maßgabe des § 199 Satz 2 InsO berücksichtigt.42) Insoweit fehlt es an der für eine Anfechtung erforderlichen Gläubigerbenachteiligung.43) Die Anfechtung ist daher ausgeschlossen.

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Da gemäß § 225a Abs. 3 InsO im Insolvenzplan jede Regelung getroffen werden kann, die gesellschaftsrechtlich zulässig ist, bringt das ESUG auch für den DebtEquity-Swap neue Gestaltungsmöglichkeiten. Im Rahmen des Insolvenzplans kann vorgesehen werden, dass durch einen Debt-Equity-Swap Forderungen von Gläubigern in Anteile am Schuldner umgewandelt werden. Neben der Befreiung von _____________ 36) Wicke, GmbHG, § 56 Rn. 3; Ekkenga, ZGR 2009, 581, 589 ff; a. A. für das Aktienrecht ohne nähere Begründung KG Berlin, AG 2010, 494, 496 f = ZIP 2010, 1849, dazu EWiR 2010, 627 (Burg/Marx). 37) BGH, ZIP 2007, 2126, 2127 = GmbHR 2007, 1331 = DB 2007, 2477, dazu EWiR 2007, 753 (Volmer). 38) Dafür wohl Ekkenga, ZGR 2009, 581, 588; dagegen die h. M., s. Habersack in: FS Kübler, 2015, S. 219, 224 ff; Scholz-Priester, GmbHG, § 56 Rn. 13; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 56 Rn. 10. 39) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 56 Rn. 10. 40) Ekkenga, ZGR 2009, 581, 588. 41) So Habersack in: FS Kübler, 2015, S. 219, 223 f; Wicke, GmbHG, § 56 Rn. 3; Wirsch, NZG 2010, 1131, 1132. 42) Habersack in: FS Kübler, 2015, S. 224 ff. 43) Vgl. dazu Wicke, GmbHG, § 56 Rn. 3; Habersack in: FS Kübler, 2015, S. 224 ff; Kübler/ Prütting/Bork-Preuß, InsO, § 135 Rn. 15.

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diversen Mitwirkungs-, Form-, Ladungs- und Bekanntmachungsvorschriften gemäß § 254a InsO44) schließt § 254 Abs. 4 InsO die Differenzhaftung für den Fall der Überbewertung ausdrücklich aus. Dies hat zu der Frage geführt, ob i. R. eines DebtEquity-Swaps durch einen Insolvenzplan Forderungen auch zum Nennwert eingebracht werden können.45) Nach der überzeugenden h. M. ist diese Frage zu verneinen;46) die Forderung darf nur zum Verkehrswert angesetzt werden.47) Richtigerweise ist davon auszugehen, dass die Wertprüfung i. R. d. Bestätigung des Insolvenzplans durch das Gericht erfolgt,48) wobei sowohl das Prüfungs- als auch das Insolvenzgericht eine (eingeschränkte) Prüfungskompetenz besitzen.49) Im Falle eines Missbrauchs der Privilegierung des § 254 Abs. 4 InsO kommt theoretisch eine Haftung nach § 826 BGB infrage.50) VII. Schütt-aus-hol-zurück-Verfahren Als Schütt-aus-hol-zurück-Verfahren gilt, wenn Gewinnansprüche wieder in die Gesellschaft eingebracht werden. Dieses Verfahren war in der Vergangenheit vor allem wegen der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung von einbehaltenen und ausgeschütteten Gewinnen interessant. Seit Einführung des Halbeinkünfteverfahrens werden Gewinne auf Ebene der Gesellschaft gleichbehandelt, unabhängig davon, ob sie ausgeschüttet werden. Ausschüttungen werden nur auf Ebene der Gesellschafter besteuert. Die positiven Steuereffekte des Schütt-aus-hol-zurückVerfahren sind damit entfallen.

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Wenn Gewinnanteils-Forderungen i. R. d. Schütt-aus-hol-zurück-Verfahren eingebracht werden, handelt es sich um eine Sachkapitalerhöhung.51) Allerdings hat der Bundesgerichtshof in späteren Entscheidungen eine Gestaltungsmöglichkeit anerkannt, die eine deutliche Nähe zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln hat.52) Aufgrund der geänderten steuerlichen Voraussetzungen bietet es sich heutzutage in aller Regel an, die Gewinne als Rücklage in der Gesellschaft zu belassen und eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln durchzuführen (siehe § 57c Rn. 14 [M. Arnold/Born]).53)

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_____________ 44) Dazu Scholz-Priester, GmbHG, § 56 Rn. 15a. 45) Vgl. dazu Spliedt, GmbHR 2012, 462, 467 f; Kanzler/Mader, GmbHR 2012, 992 ff; ScholzPriester, GmbHG, § 56 Rn. 15a. 46) Statt vieler: Kübler/Prütting/Bork-Spahlinger, InsO, § 225a Rn. 18 m. w. N. 47) Unter Vertretern der h. M. ist wiederum streitig, ob der Verkehrswert der Forderung nach Fortführungs- oder Liquidationswerten zu ermitteln ist. S. dazu Eidenmüller in: MünchKomm-InsO, § 225a Rn. 52; Kübler/Prütting/Bork-Spahlinger, InsO, § 225a Rn. 19. 48) Scholz-Priester, GmbHG, § 56 Rn. 15b; Spliedt, GmbHR 2012, 462, 467. 49) S. auch Kübler/Prütting/Bork-Spahlinger, InsO, § 225a Rn. 44 ff. 50) Kanzler/Mader, GmbHR 2012, 992, 996. 51) BGHZ 113, 335, 342 ff = ZIP 1991, 511 = GmbHR 1991, 255, dazu EWiR 1991, 1213 (Frey); Lieder in: MünchKomm-GmbHG, § 56 Rn. 23; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 56 Rn. 16; Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 56 Rn. 51. 52) BGHZ 135, 381 = ZIP 1997, 1337, 1338 = GmbHR 1997, 788, dazu EWiR 1998, 127 (Schultz); vgl. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 56a Rn. 17a. 53) Vgl. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 56 Rn. 15 – 18; Ulmer/Habersack/LöbbeUlmer/Casper, GmbHG, § 56 Rn. 51; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 56a Rn. 17a.

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Leistungen auf das neue Stammkapital

§ 56a Leistungen auf das neue Stammkapital Michael Arnold/Felix Born

Für die Leistungen der Einlagen auf das neue Stammkapital finden § 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 sowie § 19 Abs. 5 entsprechende Anwendung. Literatur: Altmeppen, Cash-Pool, Kapitalaufbringungshaftung und Strafbarkeit der Geschäftsleiter wegen falscher Versicherung, ZIP 2009, 1545; Bormann/Urlichs, Kapitalerhöhungen im Cash Pooling – welche Erleichterungen bringt das MoMiG tatsächlich?, DStR 2009, 641; Goette, GmbH: Cash-Pooling bei der Kapitalaufbringung – verdeckte Sacheinlage, DStR 2006, 764; Komo, Kapitalaufbringung im Cash Pool – aktuelle Entwicklungen in Rechtsprechung und Literatur, BB 2011, 2307; Lieder, Kapitalaufbringung im Cash Pool nach neuem Recht, GmbHR 2009, 1177; Theusinger, Barkapitalerhöhung im Cash-Pool nach MoMiG, NZG 2009, 1017. Übersicht I. Allgemeines .......................................... 1 II. Fälligkeit und Höhe der Einlagenleistung .................................................. 2

I. 1

III. Art und Weise der Zahlung bei Barkapitalerhöhungen ......................... 7 IV. Vorleistung in der Gesellschaftskrise ...................................................... 13

Allgemeines

Die Vorschrift wurde durch die GmbH-Novelle von 1980 eingefügt. Die Verweisungen, die den wesentlichen Regelungsgehalt der Norm ausmachen, wurden durch das MoMiG1) an die neue Gesetzeslage angepasst. Durch Verweisung auf bestimmte Vorschriften, die im Gründungsstadium gelten, regelt § 56a Fälligkeit und Höhe der vor der Anmeldung der Kapitalerhöhung zum Handelsregister zu erbringenden Einlagen. Aufgrund der Verweisungen auf das Gründungsrecht unterscheidet sich die Regelung für die Leistung der Einlagen auf das neue Stammkapital bei der Kapitalerhöhung praktisch nicht von den entsprechenden Regelungen bei der Gründung. Insofern kann auf die Erläuterungen zu § 7 verwiesen werden. II. Fälligkeit und Höhe der Einlagenleistung

2

3

Im Hinblick auf Bareinlagen folgt aus der Verweisung auf § 7 Abs. 2 Satz 1, –

dass die Anmeldung der Kapitalerhöhung erst erfolgen darf, wenn auf jeden übernommenen Geschäftsanteil ein Viertel des Nennbetrags eingezahlt ist, und



dass auf ein etwaiges Agio nicht vor Anmeldung geleistet werden muss.

§ 56a verweist nicht auf § 7 Abs. 2 Satz 2, sodass die Kapitalerhöhung auch dann zum Handelsregister angemeldet werden kann, wenn noch nicht mindestens die Hälfte des Kapitalerhöhungsbetrags eingezahlt wurde. § 7 Abs. 2 Satz 1 gilt auch bei Kapitalerhöhungen durch Erhöhung der Nennbeträge. In diesem Fall muss ein Viertel des Aufstockungsbetrags vor der Anmeldung einbezahlt werden, auch wenn

_____________ 1)

BGBl. I 2008, 2026.

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der bisherige Geschäftsanteil voll oder so hoch einbezahlt ist, dass der Aufstockungsbetrag zu einem Viertel mit gedeckt wäre.2) Der Kapitalerhöhungsbeschluss oder die Übernahmeerklärung kann von § 56a i. V. m. § 7 Abs. 2 Satz 1 abweichende Regelungen treffen. Es kann festgesetzt werden, dass vor Anmeldung höhere Anteile fällig sind oder auch das Agio bereits vor Anmeldung zum Handelsregister zu leisten ist.3) Es kann nicht vorgesehen werden, dass vor der Anmeldung weniger als ein Viertel des Nennbetrags des Erhöhungsbetrags einzuzahlen ist.

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Für die Leistung von Sacheinlagen gelten die Regelungen in § 7 Abs. 3. Die Sacheinlagen sind vor der Anmeldung der Kapitalerhöhung zur Eintragung in das Handelsregister so zu bewirken, dass sie endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführer stehen, d. h. sie sind vor der Anmeldung grundsätzlich voll zu bewirken. In der Praxis wird zu diesem Zweck meist ein separater Einbringungsvertrag abgeschlossen, der die Leistung der Sacheinlagen regelt. Zwingend ist das aber nicht; die Leistung der Sacheinlagen kann auch Teil des Übernahmevertrags sein. Ist die Übertragung der Sacheinlagen nach zivilrechtlichen Regelungen formbedürftig, bedarf der Einbringungsvertrag einer entsprechenden Form. Aus Sicht des Sacheinlegers ist es empfehlenswert, nur unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses im Handelsregister zu leisten, was zulässig ist.4) Bei Grundstücken genügt die Eintragung einer Auflassungsvormerkung, wenn Auflassung und Eintragungsbewilligung erklärt sind oder der vollständige Antrag auf Eintragung der Auflassung beim Grundbuchamt vorliegt.5) Bei Einbringung von Grundstücken ist aber wegen der Bedingungsfeindlichkeit der Auflassung (§ 925 Abs. 2 BGB) keine aufschiebend bedingte Leistung möglich.

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Bei Barkapitalerhöhungen steht es dem Übernehmer frei, freiwillig bereits vor Anmeldung der Kapitalerhöhung den vollen Erhöhungsbetrag zu leisten.6) In Fällen, in denen ein Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft noch andere Verbindlichkeiten hat, empfiehlt es sich, eine eindeutige Leistungsbestimmung zu treffen.7) Die Aufrechnung durch den Übernehmer ist grundsätzlich unzulässig (§ 19 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 5 Abs. 4 Satz 1). Eine Ausnahme gilt nur bei Sachübernahmen oder Sachkapitalerhöhungen. – Vgl. die Kommentierung zu § 19 Abs. 2 [Bartels] und § 5 Abs. 4 Satz 1 [Schäfer].

6

_____________ 2)

3) 4) 5) 6) 7)

BGH, ZIP 2013, 1422 = DB 2013, 1656, dazu EWIR 2013, 617 (Giedinghagen/Thilo); BayObLG, ZIP 1986, 708 = GmbHR 1986, 384 = AG 1987, 20, dazu EWiR 1986, 483 (K. Schmidt); OLG Köln, ZIP 2013, 577, dazu EWIR 2013, 281 (Wachter); Baumbach/ Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 56a Rn. 2; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 56a Rn. 2; a. A. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 56a Rn. 3 – solange keine Unterbilanz vorliegt. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 56a Rn. 2. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 56a Rn. 3; Scholz-Priester, GmbHG, § 56a Rn. 43; a. A. Ulmer/Habersack/Löbbe-Ulmer/Casper, GmbHG, § 7 Rn. 61. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 56a Rn. 3. BGHZ 105, 300 = ZIP 1989, 27 = NJW 1989, 710, dazu EWiR 1989, 55 (K. Schmidt). Scholz-Priester, GmbHG, § 56a Rn. 9; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 56a Rn. 2; vgl. OLG Dresden, NZG 1999, 449; OLG Köln, ZIP 2001, 1497 = DB 2001, 1024 = BB 2001, 1424.

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III. Art und Weise der Zahlung bei Barkapitalerhöhungen 7

Aus § 57 Abs. 2 ergibt sich, dass die Bareinlage „endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer“ sein muss. Die Leistung der Bareinlage kann durch Barzahlung an die Geschäftsführung8) oder durch Buchgeld mittels Kontogutschrift oder Überweisung erfolgen.9) Führt die Gutschrift dazu, dass das Debetsaldo eines Bankkontos zurückgeführt wird, ist auch dann zur freien Verfügung geleistet, wenn das Kreditinstitut der Gesellschaft mit Rücksicht auf die Kapitalerhöhung auf einem anderen Konto einen Kredit zur Verfügung stellt, der den Einlagebetrag erreicht oder übersteigt.10) Die Leistung der Bareinlage ist dann fraglich, wenn auf ein Konto geleistet wurde, das gepfändet ist oder dessen Kreditlinie überzogen war.11) Die Bareinlage muss in den uneingeschränkten Verfügungsbereich der Geschäftsführung gelangen und darf in der Folge nicht an den Einleger zurückfließen.12) Wenn in engem zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit der ursprünglichen Einzahlung der Einlage von der Gesellschaft zurückgezahlt wird, liegt eine Umgehung der Kapitalaufbringung vor (sog. Hin- und Herzahlen);13) es fehlt in solchen Fällen an der Erfüllungswirkung, es sei denn, die Voraussetzungen von § 19 Abs. 5 liegen vor.

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Im Zuge der Kapitalerhöhung einer GmbH muss der vor der Eintragung der Maßnahme einzuzahlende und eingezahlte Betrag in dem Zeitpunkt, in dem die Kapitalerhöhung zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet wird, nicht mehr unversehrt vorhanden sein.14) Der Bundesgerichtshof hat mittlerweile die Forderung aufgegeben, dass die Mittel so eingesetzt werden müssen, dass der Gesellschaft ein dem aufgewandten Betrag entsprechendes Aktivum zufließt.15) Ist die Bareinlage nach dem Vorstehenden geleistet, können die Geschäftsführer darüber verfügen, ohne dass dadurch die Leistung der Einlage durch den Einleger in Frage gestellt werden kann, d. h. die Einlage nimmt am wirtschaftlichen Geschehen der Gesellschaft teil.

9

Problematisch bleiben allerdings die Fälle, in denen die Einlage letztlich von der Gesellschaft finanziert wird. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Fälle der Barkapitalerhöhung bei Gesellschaften, die Teilnehmer eines sog. physischen CashPools sind, über den der Inferent mittelbar oder unmittelbar Verfügungsgewalt hat. In einem physischen Cash-Pool werden bankarbeitstäglich die Salden der Bankkonten der teilnehmenden Gesellschaften auf ein zentrales Konto übertragen und auf diese Weise ausgeglichen; die Salden der Bankkonten der teilnehmenden Gesellschaften schließen in solchen Fällen immer mit einem Saldo von Null ab, während _____________ 8) 9) 10) 11) 12)

OLG Hamburg, GmbHR 2001, 972 = BB 2001, 2182 = NZG 2002, 53. BGHZ 150, 197 = ZIP 2002, 799, 800 ff = NJW 2002, 1716. BGHZ 150, 197 = ZIP 2002, 799 = NJW 2002, 1716. Scholz-Priester, GmbHG, § 56a Rn. 7. BGHZ 150, 197 = ZIP 2002, 799 = NJW 2002, 1716; BGHZ 165, 352 = ZIP 2006, 331 ff = GmbHR 2006, 306, dazu EWiR 2006, 307 (Naraschewski). 13) BGH, ZIP 2012, 1857, 1860 = NZI 2012, 929, dazu EWiR 2013, 147 (Wenzel); BGH, ZIP 2008, 1281, 1282 = GmbHR 2008, 818 = NJW-RR 2008, 1067, dazu EWiR 2009, 109 (Kleinschmidt/Hoos). 14) Zur AG: BGHZ 119, 177 = ZIP 1992, 1387, 1388 = GmbHR 1992, 815; vgl. auch BGHZ 150, 197 = ZIP 2002, 799, 800 f = NJW 2002, 1716. 15) BGHZ 150, 197 = ZIP 2002, 799, 800 ff = NJW 2002, 1716.

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Leistungen auf das neue Stammkapital

§ 56a

das Zentralkonto sich um den jeweiligen Übertrag verändert.16) Bei Barkapitalerhöhungen in Cash Pools besteht die Gefahr einer verdeckten Sacheinlage, wenn im Zeitpunkt der Weiterleitung des Einlagebetrags der Saldo auf dem Zentralkonto zulasten der kapitalerhöhenden Gesellschaft vor der Kapitalerhöhung negativ ist. In diesem Fall fließt der Gesellschaft im wirtschaftlichen Ergebnis in Folge der Weiterleitung der Bareinlage auf das Zentralkonto nicht der vereinbarte Barbetrag, sondern die Befreiung von einer Verbindlichkeit aus der Cash-Pool-Verbindung zu. Sie erhält damit der Sache nach eine Sacheinlage (Befreiung von einer Verbindlichkeit).17) Soweit die Einlage dagegen auf ein Zentralkonto des Inferenten weitergeleitet wird, dessen Saldo ausgeglichen oder zugunsten der Gesellschaft positiv ist, liegt ein reines Hin- und Herzahlen vor. Die Einlage wurde dann nicht zur freien Verfügung der Geschäftsführung geleistet, weil der eingezahlte Einlagebetrag absprachegemäß umgehend an den Inferenten zurückfließt und die Einlageforderung der Schuldnerin durch eine schwächere Rückzahlungsforderung ersetzt wird.18) Grundsätzlich liegt bei verdeckten Sacheinlagen oder Hin- und Herzahlen eine Erfüllung der Einlageverpflichtung nur vor, wenn die Voraussetzungen nach § 19 Abs. 4 und 5 vorliegen. Hat der Inferent weder mittelbar noch unmittelbar Verfügungsgewalt über das zentrale Konto des Cash-Pools, ist die Einlageleistung weder als verdeckte Sacheinlage noch als Hin- und Herzahlen zu qualifizieren.19) Im umgekehrten Fall bestehen seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs „Cash-Pool II“20) letztlich zwei Wege für die Durchführung einer Barkapitalerhöhung im Cash-Pool. Einmal kann die Barkapitalerhöhung im Cash-Pool unter folgenden Voraussetzungen durch das sog. Hin- und Herzahlen gemäß § 19 Abs. 5 durchgeführt werden:21) –

Die Bareinlage wird so geleistet, dass es sich nicht um eine verdeckte Sacheinlage handelt, d. h. der Saldo auf dem Zentralkonto ist vor der Kapitalerhöhung zugunsten der Gesellschaft null oder positiv.



Die Leistung der Gesellschaft i. R. d. physischen Cash-Pools auf das Zentralkonto ist durch einen insgesamt vollwertigen Rückgewähranspruch gedeckt.22)

_____________ 16) Theusinger, NZG 2009, 1017. 17) BGH, ZIP 2009, 1561, 1562 = GmbHR 2009, 926 = DB 2009, 1755 – Cash Pool II, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer); Theusinger, NZG 2009, 1017; vgl. auch Altmeppen, ZIP 2009, 1545 ff; bestätigt durch BGH, ZIP 2012, 1857, 1860 = NZI 2012, 929, dazu EWiR 2013, 147 (Wenzel). 18) Theusinger, NZG 2009, 1017. Zum Hin- und Herzahlen: BGHZ 165, 113, 116 = ZIP 2005, 2203 = GmbHR 2006, 43, dazu EWiR 2006, 33 (Tillmann); BGHZ 165, 352, 356 = ZIP 2006, 331 = GmbHR 2006, 306, dazu EWiR 2006, 307 (Naraschewski); BGHZ 174, 370 = ZIP 2008, 174 = GmbHR 2008, 203, dazu EWiR 2008, 403 (Henkel). 19) Komo, BB 2011, 2307, 2313. 20) BGH, ZIP 2009, 1561 ff = GmbHR 2009, 926 = DB 2009, 1755 – Cash Pool II, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer). 21) Im Anschluss an Theusinger, NZG 2009, 1017, 1018 und BGH, ZIP 2009, 1561 ff = GmbHR 2009, 926 = DB 2009, 1755 – Cash Pool II, dazu EWiR 2009, 537 (MaierReimer); vgl. auch Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 56a Rn. 5. 22) Zur Vollwertigkeit und deren Nachweis: OLG München, GmbHR 2011, 422 ff = ZIP 2011, 567 = DB 2011, 581, dazu EWiR 2011, 383 (Hangebrauck).

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§ 56a

Leistungen auf das neue Stammkapital



Der Rückgewähranspruch ist jederzeit fällig oder kann durch fristlose Kündigung der Gesellschaft jederzeit fällig gestellt werden.



Gemäß § 8 i. V. m. § 19 Abs. 5 ist das Hin- und Herzahlen oder die darauf gerichtete Vereinbarung in der Anmeldung zum Handelsregister offenzulegen.

11

Alternativ kann auf ein vom Cash-Pool nicht erfasstes Konto der kapitalerhöhenden Gesellschaft geleistet werden.23) Allerdings darf der auf diesem Sonderkonto gebuchte Betrag nicht alsbald nach Durchführung der Kapitalerhöhung in den CashPool zurückfließen.24) Ein Abfluss des eingezahlten Betrages in den Cash-Pool nach mehr als sechs Monaten dürfte unschädlich sein.

12

An dem Erfordernis der Offenlegung des Hin- und Herzahlens scheitert die Anwendung von § 19 Abs. 5 auf Altfälle vor MoMiG.25) IV. Vorleistung in der Gesellschaftskrise

13

Aus steuerlichen Gründen oder in finanziellen Notsituationen kann ein Bedürfnis entstehen, die Einlage vor Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses zu leisten. Bevor der Kapitalerhöhungsbeschluss gefasst und der Übernahmevertrag abgeschlossen wird, besteht keine Einlageschuld, die getilgt werden könnte.26) Grundsätzlich hat die Vorleistung daher bei Sach- und Barkapitalerhöhungen nur dann schuldtilgende Wirkung, wenn die Mittel zum Zeitpunkt der Beschlussfassung und der mit ihr üblicherweise verbundenen Übernahmeerklärung als solche – also nicht nur wertmäßig – noch zweifelsfrei im Gesellschaftsvermögen vorhanden sind.27) Die Tilgungswirkung der Vorleistung ist dann problematisch, wenn die Einlage vor Eintragung in andere Aktiva umgesetzt wurde oder sonst wie verbraucht wurde (z. B. zur Schuldentilgung).28) Vorleistungen auf eine spätere Kapitalerhöhung haben nach der Rechtsprechung dann Tilgungswirkung, wenn sich die Gesellschaft in der Krise befindet, der Inferent, um die Krise zu überwinden, vor Fassung des Kapitalerhöhungsbeschluss seine Einlage mit der für Dritte eindeutigen und klaren _____________ 23) Theusinger, NZG 2009, 1017, 1018; Goette, DStR 2006, 764, 767, zweifelnd Bormann/ Urlichs, DStR 2009, 641, 644 im Hinblick auf BGHZ 175, 265 = ZIP 2008, 788, 789 f = DB 2008, 920, dazu EWiR 2008, 513 (Weipert). 24) Ulmer/Habersack/Löbbe-Casper, GmbHG § 19 Rn. 207, dort auch zu der Diskussion, welche Auswirkungen eine Belastung des Gesellschaftsvermögens mit Verbindlichkeiten aus dem Cash-Pool hat. 25) OLG Koblenz, GmbHR 2011, 579, 581 = DZWIR 2011, 303; OLG Stuttgart, ZIP 2011, 1959, 1960 = GmbHR 2012, 215 = NZG 2012, 231, dazu EWiR 2012, 99 (Henkel); Lieder, GmbHR 2009, 1177, 1185; a. A. Schwandtner in: MünchKomm-GmbHG, § 19 Rn. 364. 26) Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 56a Rn. 9. 27) BGHZ 158, 283 = ZIP 2004, 849, 850 = GmbHR 2004, 736, dazu EWiR 2004, 851 (Priester); BGH, ZIP 1996, 1466 f = GmbHR 1996, 772 = NJW-RR 1996, 1249, dazu EWiR 1996, 885 (v. Gerkan); BGHZ 145, 150 = ZIP 2000, 2021 = GmbHR 2000, 1198, dazu EWiR 2001, 325 (Rawert); OLG Celle, ZIP 2010, 2298, 2299 = DB 2010, 2215 = ZInsO 2010, 1843, dazu EWiR 2010, 743 (Wachter), n. rkr.; OLG Nürnberg, ZIP 2010, 2300 (LS) = DZWIR 2011, 167 = ZBB 2011, 86 (LS), n. rkr.; insoweit bestätigt von BGH, ZIP 2012, 1857, 1860 = NZI 2012, 929, dazu EWiR 2013, 147 (Wenzel). 28) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 56 Rn. 19.

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Leistungen auf das neue Stammkapital

§ 56a

Zweckbestimmung erbringt, seine Einlageschuld zu tilgen, und dies in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Durchführung der Kapitalmaßnahme steht.29) Eine Krise der Gesellschaft liegt bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft vor.30) Der Bundesgerichtshof verlangt zudem, dass andere Maßnahmen als die Vorleistung auf eine spätere Kapitalerhöhung, wie die Zuführung von Mitteln in die Kapitalrücklage, nicht zur Verfügung stehen.31) Der Inferent muss die Vorleistung mit der Absicht erbringen, die Krise zu beseitigen.32) Umstritten ist, ob die Gesellschaft nach der pflichtgemäßen Einschätzung eines objektiven Dritten sanierungsfähig und die Voreinzahlung objektiv geeignet sein muss, die Gesellschaft durchgreifend zu sanieren.33)

14

Der unmittelbare zeitliche Zusammenhang zwischen Leistung der Einlage und Durchführung der Kapitalerhöhung besteht, wenn die Kapitalerhöhung bereits so konkret ist, dass die Gesellschafterversammlung zu deren Beschlussfassung einberufen wurde34) und mit der Kapitalerhöhung eine förmliche Übernahmeerklärung erfolgt.35) Ist eine Universalversammlung aller Gesellschafter ohne weiteres möglich, was bei einem Alleingesellschafter immer der Fall ist, muss die Kapitalerhöhung unverzüglich beschlossen werden.36)

15

Der Kapitalerhöhungsbeschluss hat unter Darlegung der Gesellschaftskrise den konkreten Zeitpunkt der Einlagenleistung zu nennen. Die Vorleistung ist aus Publizitätsgründen und hinsichtlich einer wirksamen Registerkontrolle sowohl im Kapitalerhöhungsbeschluss als auch in der Anmeldung offenzulegen. In der Anmeldung ist der konkrete Zeitpunkt anzugeben, zu welchem die Einlage geleistet wurde.37) Der beurkundende Notar hat über die Voraussetzungen einer Vorleistung aufzuklären.38)

16

_____________ 29) Vgl. BGHZ 168, 201 = ZIP 2006, 2214, 2216 ff = GmbHR 2006, 1328; OLG Celle, ZIP 2010, 2298, 2299 = DB 2010, 2215 = ZInsO 2010, 1843, dazu EWiR 2010, 743 (Wachter); Lutter/Hommelhoff-Lutter/Bayer, GmbHG, § 56 Rn. 21; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 56a Rn. 13; weitergehend Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 56a Rn. 9 ff, die auf das Vorliegen einer Krise verzichten; zur Sacheinlage: BGHZ 145, 150 = ZIP 2000, 2021, 2023 = GmbHR 2000, 1198, dazu EWiR 2001, 325 (Rawert); Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 56a Rn. 26. 30) BGHZ 168, 201 = ZIP 2006, 2214, 2216 = GmbHR 2006, 1328; Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 56 Rn. 21d. 31) BGHZ 168, 201 = ZIP 2006, 2214, 2216 = GmbHR 2006, 1328; Wicke, GmbHG, § 56a Rn. 5. 32) BGHZ 168, 201 = ZIP 2006, 2214, 2216 = GmbHR 2006, 1328; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 56a Rn. 23. 33) So BGHZ 168, 201 = ZIP 2006, 2214, 2216 = GmbHR 2006, 1328; Roth/AltmeppenRoth, GmbHG, § 56a Rn. 23; Wicke, GmbHG, § 56a Rn. 5; abl. Lutter/HommelhoffBayer, GmbHG, § 56 Rn. 22. 34) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 56 Rn. 21c; Wicke, GmbHG, § 56a Rn. 5. 35) BGHZ 168, 201 = ZIP 2006, 2214, 2216 = GmbHR 2006, 1328. 36) BGHZ 168, 201 = ZIP 2006, 2214, 2217 = GmbHR 2006, 1328 37) BGHZ 168, 201 = ZIP 2006, 2214, 2217 = GmbHR 2006, 1328. 38) BGH, ZIP 2008, 1928, 1929 f = GmbHR 2008, 766 = DB 2008, 1316.

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§ 57

Anmeldung der Erhöhung

§ 57 Anmeldung der Erhöhung Michael Arnold/Felix Born

(1) Die beschlossene Erhöhung des Stammkapitals ist zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden, nachdem das erhöhte Kapital durch Übernahme von Geschäftsanteilen gedeckt ist. (2) 1In der Anmeldung ist die Versicherung abzugeben, dass die Einlagen auf das neue Stammkapital nach § 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 bewirkt sind und dass der Gegenstand der Leistungen sich endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befindet. 2§ 8 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. (3) Der Anmeldung sind beizufügen: 1.

die in § 55 Abs. 1 bezeichneten Erklärungen oder eine beglaubigte Abschrift derselben;

2.

eine von den Anmeldenden unterschriebene Liste der Personen, welche die neuen Geschäftsanteile übernommen haben; aus der Liste müssen die Nennbeträge der von jedem übernommenen Geschäftsanteile ersichtlich sein;

3.

bei einer Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen die Verträge, die den Festsetzungen nach § 56 zugrunde liegen oder zu ihrer Ausführung geschlossen worden sind.

(4) Für die Verantwortlichkeit der Geschäftsführer, welche die Kapitalerhöhung zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet haben, finden § 9a Abs. 1 und 3, § 9b entsprechende Anwendung. Literatur: Schluck-Amend/Penk, Kapitalaufbringung nach dem MoMiG und der „Qivive“Entscheidung des BGH, DStR 2009, 1433; Streicher, Das Antragsrecht der Notare – eine Möglichkeit, Handelsregisteranmeldungen zu vereinfachen, GmbHR 2016, 686; Thomale/ Gutfried, Geschäftsanteilsverkehr als Regulierungsproblem – Zugleich Vorüberlegungen zu einer institutionenökonomischen Theorie des Erwerbs kraft Rechtsscheins, ZGR 2017, 61; von Werder/Hobuß, Handelsregisteranmeldung der Gründung einer Kapitalgesellschaft sowie späterer Kapitalmaßnahmen: Kompetenzen des Notars nach § 378 FamFG, BB 2018, 1031. Übersicht I. II. III. IV. V.

I. 1

Allgemeines .......................................... Voraussetzungen .................................. Inhalt der Anmeldung ........................ Versicherung der Geschäftsführer ..... Der Anmeldung beizufügende Unterlagen ............................................

1 4 5 6

VI. Folgen einer fehlerhafter Anmeldung ......................................... 13 VII. Eintragung ......................................... 14 VIII. Rechtsfolgen der Eintragung ......... 15

8

Allgemeines

Durch das MoMiG1) wurden die Verweise in § 57 auf § 7 und § 8 an die Änderungen des § 7 und § 8 angepasst.

_____________ 1)

Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026.

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§ 57

Anmeldung der Erhöhung

Da die Kapitalerhöhung Satzungsänderung ist, wird sie erst mit Eintragung im Handelsregister wirksam. § 57 ist deshalb als Ergänzung zu § 54 zu sehen. Durch § 57 Abs. 1 wird nur der Zeitpunkt der Anmeldung definiert, die Erforderlichkeit der Anmeldung ergibt sich bereits aus § 54. § 57 Abs. 2 und 3 ergänzen § 54 hinsichtlich des Inhalts der Anmeldung und der beizufügenden Erklärungen und Unterlagen.

2

Eine Trennung zwischen der Anmeldung des Beschlusses über die Kapitalerhöhung und deren Durchführung – wie bei der AG (§§ 184, 188 AktG) – sieht das Gesetz bei der GmbH nicht vor. Bei der GmbH ist die Kapitalerhöhung zum Handelsregister anzumelden, wenn sie durchgeführt wurde. Die Anmeldung ist durch sämtliche Geschäftsführer zu bewirken (§ 78) und hat die Versicherung zu enthalten, dass die Einlagen bewirkt sind und zur freien Verfügung der Geschäftsführer stehen (Abs. 2 Satz 1). In der Insolvenz wird die Kapitalerhöhung noch von den Geschäftsführern angemeldet.2) Eine Vertretung bei der Anmeldung ist nur möglich, wenn die Versicherung von der Anmeldung getrennt abgegeben wird; die Versicherung ist wegen der Strafsanktion (§ 82 Abs. 1 Nr. 3) ein höchstpersönliches Geschäft. Bei der isolierten Anmeldung mit getrennt abgegebener Versicherung ist eine Vertretung nach allgemeinen Grundsätzen möglich.3) Die Anmeldung hat elektronisch in öffentlich beglaubigter Form zu erfolgen (§ 12 HGB, § 40 BeurkG).

3

II. Voraussetzungen Nach Absatz 1 kann die beschlossene Kapitalerhöhung erst zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden, wenn das erhöhte Kapital durch Übernahmeerklärungen gedeckt ist, die Kapitalerhöhung also durchgeführt wurde. Der Wortlaut von Absatz 1 legt nahe, dass eine Verpflichtung zur Anmeldung einer beschlossenen und durchgeführten Kapitalerhöhung besteht. Hier ist zu differenzieren: Gegenüber Registergericht und Allgemeinheit besteht eine solche Verpflichtung nicht.4) Im Innenverhältnis sind die Geschäftsführer aber verpflichtet, die Kapitalerhöhung zu fördern und zum Handelsregister anzumelden, es sei denn, sie haben anders lautende Weisungen von den Gesellschaftern erhalten. Wurde in dem Kapitalerhöhungsbeschluss ein fester Erhöhungsbetrag angegeben, kann die Kapitalerhöhung nur angemeldet werden, wenn der Erhöhungsbetrag vollständig übernommen wurde (siehe § 55 Rn. 11 [M. Arnold/Born]).5) Enthält der Kapitalerhöhungsbeschluss eine variable Höhe („bis zu …“), genügt die Übernahme von Geschäftsanteilen in einer Höhe, die vom Kapitalerhöhungsbeschluss gedeckt ist. Des Weiteren muss die Mindesteinlage erbracht sein (§§ 56a, 7 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3; ebenso siehe § 56a Rn. 2 ff [M. Arnold/Born]). Nach Inkrafttreten des MoMiG gilt aufgrund der Strei_____________ 2) 3)

4) 5)

BayObLG, ZIP 2004, 1426 = DNotZ 2004, 881 = DB 2004, 1255; Wicke, GmbHG, § 54 Rn. 2. Str. wie hier: OLG Köln, ZIP 1987, 34 f = GmbHR 1987, 394 = DB 1986, 2376; ScholzPriester, GmbHG, § 57 Rn. 25, Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, § 78 Rn. 4; a. A. Rowedder/Schmidt-Leithoff-Schnorbus, § 57 Rn. 15; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 57 Rn. 2; zur Streitfrage, ob der Notar ein Antragsrecht gemäß § 378 Abs. 2 FamFG hat, s. Streicher, GmbHR 2016, 686, 687 f. Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57 Rn. 4. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 57 Rn. 3.

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chung des § 7 Abs. 2 Satz 3 a. F. für die Kapitalerhöhung einer Einpersonen-GmbH nichts anderes mehr.6) Da ein Agio nicht vom gläubigerschützenden Kapitalaufbringungsgrundsatz erfasst wird,7) muss das Agio nicht vor der Anmeldung der Kapitalerhöhung geleistet werden. III. Inhalt der Anmeldung 5

Die Anmeldung der Kapitalerhöhung ist auf die Änderung des Betrags des Stammkapitals in der Satzung gerichtet. Es ist zu empfehlen, in der Anmeldung den Betrag, um den das Stammkapital erhöht werden soll, und den geänderten Gesamtbetrag des Stammkapitals anzugeben. Zwingend ist dies nach richtiger Ansicht nicht,8) es sei denn, der Erhöhungsbetrag ist variabel. Dann muss entweder der Erhöhungsbetrag oder der geänderte Betrag des Stammkapitals angegeben werden.9) – Zur Anmeldung der geänderten Satzungsfassung bei Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital, siehe § 55a Rn. 27 [M. Arnold/Born]. IV. Versicherung der Geschäftsführer

6

Nach Absatz 2 Satz 1 ist „in der Anmeldung die Versicherung abzugeben“, dass die Einlagen geleistet wurden und zur freien Verfügung der Gesellschaft stehen. Diese Versicherung bei Anmeldung der Kapitalerhöhung entspricht der Versicherung der Geschäftsführer nach § 8 Abs. 2 bei Gründung der Gesellschaft (siehe § 8 Rn. 52 ff [Wachter]). Die Versicherung kann auch von der Anmeldung getrennt werden.10) Da sie nach dem Gesetzeswortlaut aber materiell Teil der Anmeldung ist, ist öffentliche Beglaubigung der Versicherung erforderlich.11) Falls die Einlagen gemäß dem Kapitalerhöhungsbeschluss in voller Höhe erbracht werden müssen, genügt es, wenn die Geschäftsführer versichern, dass die Einlage vollständig erbracht wurde.12) In allen anderen Fällen muss die Versicherung dagegen konkrete Angaben enthalten, von wem und in welcher Höhe die Einlage auf welchen Geschäftsanteil erbracht wurde.13)

7

Jedenfalls seit das Erfordernis „wertgleicher Deckung“ vom Bundesgerichtshof aufgegeben wurde (siehe § 56a Rn. 8 [M. Arnold/Born]), bedarf es keiner zusätzlichen Versicherung mehr, dass die Einlagen zum Zeitpunkt der Anmeldung noch unverändert, unverbraucht oder „wertgleich“ zur freien Verfügung der Geschäftsfüh_____________ 6) Wegmann in: Münch-Hdb GesR, Bd. 3, § 53 Rn. 57. 7) BGH, ZIP 2007, 2416 ff = GmbHR 2008, 147 = NZG 2008, 73. 8) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 57 Rn. 3; Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57 Rn. 7; Scholz-Priester, GmbHG, § 57 Rn. 4; a. A. die h. M., vgl. etwa Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 57 Rn. 4. 9) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 57 Rn. 3; Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57 Rn. 7. 10) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 57 Rn. 5, Scholz-Priester, GmbHG, § 57 Rn. 19. 11) Scholz-Priester, GmbHG, § 57 Rn. 19. 12) H. M. vgl. OLG Düsseldorf, DNotZ 1986, 180; LG Hagen, RNotZ 2008, 46, 47; Lutter/ Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 57 Rn. 5; Wicke, GmbHG, § 8 Rn. 9; Baumbach/HueckZöllner/Fastrich, GmbHG, § 57 Rn. 10. 13) Vgl. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 57 Rn. 7; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 57 Rn. 5; Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57 Rn. 10.

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Anmeldung der Erhöhung

rer stehen.14) Die Einlage nimmt vom Leistungszeitpunkt an am wirtschaftlichen Geschehen in der GmbH teil. Nach dem Bundesgerichtshof soll die Versicherung aber mit dem Zusatz versehen werden, dass der Einlagebetrag in der Folge nicht an den Einleger zurückgezahlt worden sei.15) Diese Rechtsprechung ist nach der Neufassung von § 19 Abs. 5 durch das MoMiG zweifelhaft geworden. Nach § 19 Abs. 5 ist es nun möglich, Leistungen an einen Gesellschafter zu bewirken, die wirtschaftlich einer Einlagenrückzahlung entsprechen. Der Gesellschafter wird von seiner Einlageverpflichtung aber nur frei, wenn die Leistung durch einen vollwertigen Rückgewähranspruch gedeckt ist, der jederzeit fällig ist oder durch fristlose Kündigung durch die Gesellschaft fällig werden kann. Bei Anmeldung der Gründung nach § 8 ist eine solche Leistung oder die Vereinbarung einer solchen Leistung anzugeben (§ 19 Abs. 5 Satz 2). Daraus wird zu Recht gefolgert, dass dies auch bei Anmeldung der Kapitalerhöhung offenzulegen ist und die Geschäftsführer das Vorliegen der Voraussetzungen für die Privilegierung nach § 19 Abs. 5 Satz 1 zu versichern haben.16) V. Der Anmeldung beizufügende Unterlagen Die der Anmeldung beizufügenden Unterlagen sind gemäß § 12 Abs. 2 HGB in elektronischer Form beim Handelsregister einzureichen. Der Anmeldung ist das notarielle Protokoll des Erhöhungsbeschlusses in beglaubigter Abschrift beizufügen, außerdem die Übernahmeerklärungen im Original oder in beglaubigter Abschrift (Abs. 3 Nr. 1). Sind die Übernahmeerklärungen im notariellen Protokoll des Kapitalerhöhungsbeschlusses enthalten (siehe § 55 Rn. 33 [M. Arnold/Born]), genügt die Vorlage einer Abschrift des notariellen Protokolls. Gegebenenfalls ist zusätzlich eine elektronische Aufzeichnung des Zulassungsbeschlusses oder des Bezugsrechtsausschlusses/-verzichts beizufügen.

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Außerdem ist eine Liste aller Personen beizufügen, die neue Geschäftsanteile übernommen haben (Abs. 3 Nr. 2). Die Liste muss deren Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Wohnort nennen. Es sind die Nennbeträge der übernommenen Geschäftsanteile und deren laufende Nummern oder die Beträge, um die die Nennwerte der Geschäftsanteile aufgestockt wurden (Aufstockungsbeträge), anzugeben. Bei juristischen Personen und Personengesellschaften ist es ausreichend, Firma und Sitz anzugeben. Bei Gesellschaften bürgerlichen Rechts oder Erbengemeinschaften haben sich die Angaben mangels Registerpublizität auf deren Gesellschafter bzw. Mitglieder zu beziehen.17) Die Liste ist von sämtlichen Geschäftsführern zu unterzeichnen. Daneben bleibt die Pflicht, eine neue Gesellschafterliste einzureichen, nach § 40 Abs. 2 unberührt.18)

9

_____________ 14) Vgl. BGHZ 119, 177 = ZIP 1992, 1387, 1390 = GmbHR 1992, 815; BGHZ 150, 197 = ZIP 2002, 799, 801 = NJW 2002, 1716; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 57 Rn. 7. 15) BGHZ 150, 197 = ZIP 2002, 799, 801 = NJW 2002, 1716. 16) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 57 Rn. 7a mit konkretem Formulierungsbeispiel; Schluck-Amend/Penk, DStR 2009, 1433, 1436. 17) Wicke, GmbHG, § 57 Rn. 5; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 57 Rn. 11. 18) Zu Reformvorschlägen, wonach eine notariell bescheinigte aktualisierte Gesellschafterliste für die Kapitalerhöhung konstitutive Wirkung haben sollte, Thomale/Gutfried, ZGR 2017, 61, 99, 113.

Michael Arnold/Felix Born

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§ 57

Anmeldung der Erhöhung

10

Wurden Sacheinlagen erbracht, sind die schuldrechtlichen und dinglichen Verträge ebenfalls beizufügen, sofern sie nicht bereits im Kapitalerhöhungsbeschluss enthalten sind oder formlos abgeschlossen wurden. Die Pflicht, die Verträge beizufügen, begründet keinen generellen Formzwang;19) faktisch besteht aber ein Formzwang, weil es ohne Dokumentation zu Verzögerungen im Registerverfahren kommen dürfte.

11

Da es sich bei der Kapitalerhöhung um eine Satzungsänderung handelt, ist der Anmeldung nach § 54 Abs. 1 Satz 2 auch eine von einem Notar bestätigte Neufassung der Satzung beizufügen.20)

12

Gleiches gilt nach h. M. auch für Wertnachweise entsprechend § 8 Abs. 1 Nr. 5.21) Jedenfalls nach Neufassung des GmbHG durch das MoMiG kann dieser h. M. nicht mehr gefolgt werden. Der Gesetzgeber hat in Kenntnis der Regelungslücke eine Pflicht oder einen Verweis auf § 8 Abs. 1 Nr. 5 nicht in § 57 aufgenommen. Da der Registerrichter aber von sich aus verpflichtet ist, eine Werthaltigkeitskontrolle durchzuführen, empfiehlt es sich, der Anmeldung geeignete Unterlagen beizufügen. Weitere Nachweise kann der Registerrichter nur bei erheblichen Zweifeln an der Bewertung einer Sacheinlage verlangen. VI. Folgen einer fehlerhafter Anmeldung

13

Machen die Geschäftsführer i. R. d. Anmeldung falsche Angaben, haften sie der Gesellschaft gemäß §§ 57 Abs. 4, 9a Abs. 1 als Gesamtschuldner auf Schadensersatz (siehe im Einzelnen die Kommentierung zu § 9a [Wachter]). Die Geschäftsführer machen sich bei vorsätzlichen Falschangaben zudem gemäß § 82 Abs. 1 Nr. 3 strafbar (siehe § 82 Rn. 18 f [Roth]). Die Anmeldung ist auch falsch, wenn ein Fall des § 19 Abs. 5 nicht ordnungsgemäß offengelegt wird.22) Gesellschafter oder Hintermänner haften für Falschangaben nicht und machen sich auch nicht strafbar.23) Eine Bank, die eine falsche Einlagenbestätigung abgibt, haftet analog § 37 Abs. 1 Satz 4 AktG auf den vollständigen Betrag der Bestätigung, auch wenn die Bestätigung gesetzlich nicht erforderlich war.24) VII. Eintragung

14

Gemäß § 382 FamFG, §§ 54 Abs. 2, 10 Abs. 1 Satz 1 GmbHG werden in das Handelsregister das erhöhte Stammkapital sowie das Datum der Beschlussfassung und der Eintragung eingetragen. _____________ 19) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 57 Rn. 12 m. w. N. 20) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 57 Rn. 13; Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57 Rn. 21; a. A. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 57 Rn. 5; zur Notarpraxis s. von Werder/Hobuß, BB 2018, 1031, 1032. 21) Befürwortend: Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 57 Rn. 14; abl.: Roth/AltmeppenRoth, GmbHG, § 57 Rn. 8. 22) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 57 Rn. 17. 23) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 57 Rn. 9; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 57 Rn. 20. 24) OLG München, ZIP 2007, 371, 373 f = WM 2007, 219 = AG 2007, 789, dazu EWiR 2007, 545 (Werner); Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 57 Rn. 19.

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Michael Arnold/Felix Born

§ 57a

Ablehnung der Eintragung

VIII. Rechtsfolgen der Eintragung Die Kapitalerhöhung wird wirksam, sobald sie ins Handelsregister eingetragen ist. Leidet der Kapitalerhöhungsbeschluss an einem Formmangel, wird dieser Mangel mit Eintragung analog § 242 Abs. 1 AktG geheilt.25) Andere Mängel werden drei Jahre nach Eintragung analog § 242 Abs. 2 AktG geheilt.26) Anfechtbare Beschlüsse sind schwebend wirksam, können aber trotz Eintragung für nichtig erklärt werden, wenn fristgerecht Klage erhoben wird.27) Zum Schutz der Gläubiger findet § 77 Abs. 3 entsprechende Anwendung.28) Zur Anwendbarkeit des Freigabeverfahrens siehe § 57a Rn. 2 [M. Arnold/Born]. Eine Eintragung aufgrund eines Freigabeverfahrens ist jedenfalls analog § 246a Abs. 4 AktG bestandskräftig. Die Rückabwicklung einer nichtigen oder für nichtig erklärten Kapitalerhöhung erfolgt nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft.29) Mängel der Übernahmeerklärung kann der Übernehmer nach der Eintragung grundsätzlich nicht mehr geltend machen, es sei denn, ihm ist der Mangel nicht zurechenbar wie bei vollmachtloser Vertretung oder beschränkter Geschäftsfähigkeit.30)

15

_____________ 25) BGH, ZIP 1995, 1983, 1984 = GmbHR 1996, 49 = NJW 1996, 257, dazu EWiR 1996, 75 (Kort). 26) BGHZ 80, 212 = ZIP 1981, 609, 611 = GmbHR 1982, 67; KG Berlin, NJW-RR 1996, 103, 104 = GmbHR 1995, 735; OLG Stuttgart, DB 2000, 1218, 1220 = GmbHR 2000, 721 = NZG 2001, 40, dazu EWiR 2000, 945 (Werner). 27) Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 57 Rn. 25. 28) So schon RGZ 85, 314 f; a. A. Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57 Rn. 28 m. w. N. zum Streitstand. 29) OLG Stuttgart, NZG 2001, 40, 41, 44 = DB 2000, 1218 = GmbHR 2000, 721, dazu EWiR 2000, 945 (Werner); Lutter/Hommelhoff-Lutter/Bayer, GmbHG, § 57 Rn. 25; Baumbach/ Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57 Rn. 28; Scholz-Priester, GmbHG, § 57 Rn. 49. 30) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Bayer, GmbHG, § 57 Rn. 26; Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57 Rn. 27 m. w. N.

§ 57a Ablehnung der Eintragung Michael Arnold/Felix Born Für die Ablehnung der Eintragung durch das Gericht findet § 9c Abs. 1 entsprechende Anwendung. Literatur: Bayer/Lieder, Das aktienrechtliche Freigabeverfahren für die GmbH, NZG 2011, 1170; Fleischer, Zur (Nicht-)Anwendbarkeit des Freigabeverfahrens nach § 246a AktG, DB 2011, 2132. Übersicht I.

Allgemeines und Prüfungsmaßstab ................................................. 1

I.

Allgemeines und Prüfungsmaßstab

II. Entscheidung des Registergerichts und Rechtsbehelfe ................................ 3

§ 57a regelt das Prüfungsrecht und die Prüfungspflicht des Registergerichts durch Verweis auf § 9c. Im Rahmen des Eintragungsverfahrens hat das Registergericht die Ordnungsgemäßheit des Kapitalerhöhungsbeschlusses, der Anmeldung, der ÜberMichael Arnold/Felix Born

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1

§ 57a

Ablehnung der Eintragung

nahmeerklärungen, der Versicherung nach § 57 Abs. 2 sowie der weiteren Anlagen zur Anmeldung zu überprüfen. 2

Die in § 9c Abs. 2 geregelten Einschränkungen der materiellen Prüfungspflicht finden bei Kapitalerhöhungen keine Anwendung, da § 9c Abs. 2 nicht in die Verweisung aufgenommen wurde. Trotz dieser umfassenderen Prüfungskompetenz bei Kapitalerhöhungen ist davon auszugehen, dass die Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Bezugsrechtsausschlusses nicht in die Prüfungskompetenz des Registergerichts fällt. Anfechtungsgründe hat das Registergericht nur insoweit zu berücksichtigen, als durch die Gesetzesverletzung öffentliche Interessen (Drittinteressen, insbesondere von neuen Gesellschaftern oder von Gläubigern) betroffen sind, nicht aber, wenn ein Gesetzesverstoß „nur“ die Interessen der gegenwärtigen Gesellschafter berührt (siehe § 55a Rn. 29 [M. Arnold/Born]). Ist bereits Anfechtungsklage erhoben, kann das Registergericht das Verfahren nach § 21 FamFG aussetzen. Für die Möglichkeit eines Freigabeverfahrens analog § 246a AktG sprechen gute Gründe;1) das KG Berlin hat dies jedoch abgelehnt.2) II. Entscheidung des Registergerichts und Rechtsbehelfe

3

Bei Sacheinlagen ist auch die Werthaltigkeit zu überprüfen. Bei der Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen kommt der richterlichen Prüfungspflicht daher eine besondere Bedeutung zu.3) Einen Sachkapitalerhöhungsbericht kann das Registergericht, wie oben ausgeführt (siehe § 56 Rn. 8 [M. Arnold/Born]), nicht verlangen. Es kann allerdings von den Geschäftsführern die Vorlage geeigneter Unterlagen für seine Prüfung anordnen. Eine genauere Prüfung ist jedoch nur angezeigt, wenn es hinreichende Anhaltspunkte gibt, dass die Sacheinlage erheblich überbewertet wurde (siehe § 56 Rn. 8 [M. Arnold/Born]). Genügen dem Registergericht die Ausführungen der Geschäftsführung nicht, kann das Registergericht einen Sachverständigen beauftragen oder eigene Ermittlungen (§ 26 FamFG) anstellen. Stichtag für die Bewertung der Sacheinlagen ist der Anmeldezeitpunkt:4) Da eine wertgleiche Deckung nicht mehr erforderlich ist, entfällt die entsprechende Prüfung (dazu siehe § 56a Rn. 8 [M. Arnold/Born]). Die registerrechtliche Prüfung bezieht sich auch nicht auf das Aufgeld.

4

Ergeben sich bei der Prüfung behebbare Mängel, ist vom Registergericht eine Zwischenverfügung mit angemessener Nachbesserungsfrist zu erlassen (§ 382 Abs. 4 FamFG). Sind die Mängel nicht behebbar oder werden sie nicht beseitigt, wird der Antrag abgewiesen.

5

Gegen eine Abweisung des Antrags und gegen eine Zwischenverfügung kann die Gesellschaft Beschwerde einlegen. Sie wird dabei durch ihre Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Zahl vertreten. Beschwerdegericht ist das Oberlandesgericht, weitere Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof ist möglich (§§ 70 ff FamFG). Behebbare Mängel können bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens behoben werden.5) _____________ 1) 2) 3) 4) 5)

Vgl. Bayer/Lieder, NZG 2011, 1170; Fleischer, DB 2011, 2132. KG Berlin, ZIP 2011, 1474 = GmbHR 2011, 1044 = NZG 2011, 1068, dazu EWiR 2011, 711 (Nikoleyczik). Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG § 57a Rn. 2. OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 214 = DB 1996, 368 = NJW-RR 1996, 605; a. A. OLG Jena, GmbHR 1994, 710 – Zeitpunkt des Kapitalerhöhungsbeschlusses. Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 57a Rn. 6.

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Michael Arnold/Felix Born

§ 57c

Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln

§ 57b (aufgehoben)1) Michael Arnold/Felix Born

_____________ 1)

Aufgehoben durch Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und Bekämpfung von Missbräuchen – MoMiG v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026.

§ 57c Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln Michael Arnold/Felix Born (1) Das Stammkapital kann durch Umwandlung von Rücklagen in Stammkapital erhöht werden (Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln). (2) Die Erhöhung des Stammkapitals kann erst beschlossen werden, nachdem der Jahresabschluss für das letzte vor der Beschlussfassung über die Kapitalerhöhung abgelaufene Geschäftsjahr (letzter Jahresabschluss) festgestellt und über die Ergebnisverwendung Beschluss gefasst worden ist. (3) Dem Beschluss über die Erhöhung des Stammkapitals ist eine Bilanz zugrunde zu legen. (4) Neben den §§ 53 und 54 über die Abänderung des Gesellschaftsvertrags gelten die §§ 57d bis 57o. Literatur: Fett/Spiering, Typische Probleme bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, NZG 2002, 358. Übersicht I. Allgemeines .......................................... 1 II. Voraussetzungen für einen Beschluss über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ..................... 6 III. Inhalt des Kapitalerhöhungsbeschlusses .............................................. 10

I.

IV. Verhältnis zum Schütt-aus-holzurück-Verfahren ............................... 14 V. Kombination mit Kapitalherabsetzung oder ordentliche Kapitalerhöhung ............................................. 15 VI. Nichtigkeit des Kapitalerhöhungsbeschlusses ................................ 17

Allgemeines

Die §§ 57c bis 57o regeln die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln. Ursprünglich waren diese Regelungen nicht im GmbHG, sondern im KapErhG enthalten. 1995 wurden die Regelungen durch Art. 4 UmwBerG in das GmbHG eingefügt. Die Regelungen zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln weisen eine große inhaltliche Nähe zu den §§ 207 bis 220 AktG auf, sodass die Kommentierungen zu diesen Vorschriften herangezogen werden können.1)

1

Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ist – ebenso wie die Kapitalerhöhung gegen Einlagen und die Kapitalherabsetzung – eine Satzungsänderung gemäß §§ 53, 54 (vgl. auch § 57c Abs. 4). Anders als die Kapitalerhöhung gegen Einlagen werden durch die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln allerdings keine neuen Bar- oder Sachmittel von außen der Gesellschaft zugeführt. Bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln handelt es sich lediglich um einen sog. Passivtausch, _____________

2

1)

Vgl. bspw. die Kommentierung von M. Arnold in: MünchKomm-AktG, §§ 207 bis 220.

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§ 57c

Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln

bei dem ausschüttungsfähige Rücklagen in nicht ausschüttungsfähiges Stammkapital umgewandelt werden. Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln reduziert insoweit die Möglichkeiten der Gesellschafter, Gesellschaftsvermögen zu entnehmen. Aus Unternehmenssicht liegt der Sinn einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln in erster Linie darin, im Laufe der Jahre angesammelte Rücklagen dauerhaft im Unternehmen zu binden, um nach außen die verbreiterte Eigenkapitalgrundlage der Gesellschaft zu dokumentieren. 3

Zu einer Übernahme von Geschäftsanteilen auf das erhöhte Kapital kann es bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln – mangels Zuführung neuer Mittel von außen – nicht kommen. Durch die Eintragung der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln im Handelsregister entstehen neue Anteilsrechte, die von den Altgesellschaftern ipso iure erworben werden. Kapitalaufbringungsregeln (insbesondere §§ 5, 7 Abs. 2, §§ 9 ff, 56) gelten bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nicht. Der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln muss lediglich eine geprüfte Bilanz zugrunde gelegt werden (§§ 57e und 57f), die entsprechende Kapital- oder Gewinnrücklagen aufweist (§ 57d). Dieses Verfahren dient der Prüfung, ob das in Stammkapital umzuwandelnde Eigenkapital tatsächlich im Gesellschaftsvermögen vorhanden ist.

4

Da die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln eine Satzungsänderung darstellt, sind für die Beschlussfassung der Gesellschafter eine Mehrheit von drei Viertel der abgegebenen Stimmen sowie notarielle Beurkundung erforderlich. § 53 Abs. 3 findet keine Anwendung, sodass eine Zustimmung aller Gesellschafter nicht erforderlich ist.2) Stellt der Gesellschaftsvertrag für Satzungsänderungen weitere Erfordernisse auf, sind auch diese zu beachten.

5

Der Ablauf einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ist einfacher als bei den anderen Formen der Kapitalerhöhung, weil kein neues Kapital übernommen wird: –

Feststellung des letzten Jahresabschlusses (§ 57c Abs. 2);



Beschluss über Gewinnverwendung (§ 57c Abs. 2, Ausnahme: § 57n Abs. 2 Satz 2);



falls der Stichtag der letzten Jahresbilanz bei der Anmeldung der Kapitalerhöhung zum Handelsregister länger als acht Monate zurück liegt: Erstellung und Prüfung einer Zwischenbilanz (§ 57f);



Beschluss der Gesellschafterversammlung über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, der den Anforderungen von § 53 Abs. 1 und 2 genügt (notarielle Beurkundung sowie qualifizierte Mehrheit);



Anmeldung der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln zum Handelsregister (§ 57i).

II. Voraussetzungen für einen Beschluss über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln 6

Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln kann nur beschlossen werden, wenn sich die Gesellschaft nicht in der Liquidation befindet.3) Eine bereits beschlossene _____________ 2) 3)

Scholz-Priester, GmbHG, § 57c Rn. 3. Scholz-Priester, GmbHG, vor § 57c Rn. 18.

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Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln

§ 57c

Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln darf nach beschlossener Liquidation nicht mehr im Handelsregister eingetragen werden. Eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln widerspräche aufgrund der fehlenden Zuführung neuer Mittel dem durch den Auflösungsbeschluss geänderten Gesellschaftszweck. Außerdem muss für das letzte vor der Beschlussfassung über die Kapitalerhöhung abgelaufene Geschäftsjahr der Jahresabschluss festgestellt sein (Abs. 2). Zuständig ist dafür, wenn in der Satzung nichts Abweichendes geregelt ist, die Gesellschafterversammlung. Schließlich erfordert Absatz 2, dass über die Ergebnisverwendung für das abgelaufene Geschäftsjahr gemäß den Vorgaben der Satzung beschlossen worden ist, sofern nicht die Ausnahme des § 57n Abs. 2 eingreift. Die Anforderungen des § 57c Abs. 2 gelten unabhängig davon, ob dem Beschluss nach Absatz 3 eine Jahresbilanz oder eine Zwischenbilanz zugrunde gelegt wird.

7

Die zeitliche Reihenfolge der drei Beschlüsse, die Voraussetzung für eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln sind (Feststellung des Jahresabschlusses, Gewinnverwendung und Kapitalerhöhung), ist nicht veränderbar.4) Die Beschlüsse können allerdings in einer Gesellschafterversammlung in der genannten Reihenfolge gefasst werden.5) Weiterhin ist es möglich, dass die Gesellschafterversammlung die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln unter der aufschiebenden Bedingung beschließt, dass der bereits vorliegende und testierte Jahresabschluss festgestellt und die Gewinnverteilung entsprechend beschlossen wird.6) Der Erhöhungsbeschluss kann aber erst dann zum Handelsregister angemeldet werden, wenn der Jahresabschluss festgestellt und die Gewinnverteilung beschlossen wurde, also die Bedingung eingetreten ist. In diesem Fall müssen sich die Geschäftsführer darauf einstellen, dass sie dem Handelsregister den Eintritt der Bedingung gesondert nachweisen müssen.

8

Weiterhin ist es erforderlich, dass dem Erhöhungsbeschluss gemäß Absatz 3 eine Bilanz zugrunde gelegt wird. Dem Erhöhungsbeschluss muss nicht zwingend die letzte Jahresbilanz zugrunde gelegt werden. Es ist auch möglich, dem Erhöhungsbeschluss eine Zwischenbilanz, die bei Anmeldung zum Handelsregister nicht älter acht Monate sein darf, zugrunde zu legen (§§ 57e, 57f).

9

III. Inhalt des Kapitalerhöhungsbeschlusses Der notwendige Mindestinhalt des Kapitalerhöhungsbeschlusses ergibt sich aus einer Gesamtschau der §§ 57c ff, die an mehreren Stellen hierzu Bestimmungen enthalten: Aus dem Beschluss muss sich der genaue Erhöhungsbetrag ergeben. Es genügt, wenn der Erhöhungsbetrag im Beschluss bestimmbar festgelegt ist. Die Gesellschafter-

_____________ 4) 5) 6)

LG Duisburg, GmbHR 1990, 85, 86. Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57c Rn. 4a; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 57c Rn. 13. LG Duisburg, GmbHR 1990, 85, 86; Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 57c Rn. 9; Wicke, GmbHG, § 57c Rn. 4; a. A. Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57c Rn. 4a, die ebenso wie Wicke nur schwebende Unwirksamkeit des Kapitalerhöhungsbeschlusses annehmen, wenn die Beschlüsse nicht in der vom Gesetz vorgegebenen Reihenfolge gefasst werden.

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§ 57c

Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln

versammlung muss, ohne der Geschäftsführung Ermessen einzuräumen, über den Erhöhungsbetrag entscheiden.7) 11

Anders als bei der regulären Kapitalerhöhung ist die Angabe eines Höchstbetrags nicht ausreichend; es gibt also keine „bis-zu“-Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln. Hierfür besteht aber auch kein Bedürfnis, weil es mangels Übernahmeerklärungen nicht dazu kommen kann, dass die Kapitalerhöhung „unterzeichnet“ ist. Die neue Ziffer des Stammkapitals im Beschluss anzugeben, ist bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln empfehlenswert, aber genauso wenig erforderlich wie bei der ordentlichen Kapitalerhöhung.8)

12

Im Beschluss ist anzugeben, dass das Kapital durch Umwandlung von Rücklagen erhöht wird9) und welche Bilanz dem Kapitalerhöhungsbeschluss zugrunde liegt (Abs. 3). Der Beschluss hat die Rücklage genau zu bezeichnen. Er muss also festlegen, in welchem Umfang Kapital- oder Gewinnrücklagen zur Kapitalerhöhung herangezogen werden. § 56 (Sachkapitalerhöhungen) findet auf die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln keine Anwendung. Dies gilt auch dann, wenn die umzuwandelnde Kapitalrücklage zuvor durch eine Sacheinlage in die Kapitalrücklage gebildet wurde.10)

13

Der Erhöhungsbeschluss muss in hinreichend bestimmter Art und Weise Angaben darüber enthalten, wie die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ausgeführt wird, d. h. ob die Nennbeträge der bisherigen Geschäftsanteile erhöht oder ob neue Anteile geschaffen werden. Möglich ist es auch, beide Vorgehensweisen zu kombinieren. Dann ist genaue Angabe erforderlich, bei welchem Gesellschafter wie vorgegangen wird.11) Sollen die neuen Anteile gemäß § 57n Abs. 2 bereits am Gewinn des letzten vor der Beschlussfassung abgelaufenen Geschäftsjahrs teilnehmen, ist dies im Beschluss festzulegen. Wenn es beim Regelfall des § 57n Abs. 1 bleibt und die neuen Anteile am Gewinn des gesamten Geschäftsjahrs teilnehmen, in dem die Kapitalerhöhung beschlossen wird, bedarf es keiner ausdrücklichen Regelung der Gewinnbeteiligung. IV. Verhältnis zum Schütt-aus-hol-zurück-Verfahren

14

Der Bundesgerichtshof hat in einer Leitentscheidung zum Schütt-aus-hol-zurückVerfahren12) eine Gestaltung anerkannt, die eine deutliche Nähe zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln aufweist (siehe § 56 Rn. 19 [M. Arnold/Born]).13) Das ist aber nur eine von mehreren Gestaltungsmöglichkeiten: Wenn ausgeschüttete Gewinne zunächst in Rücklagen eingelegt werden, kann auch eine reine Kapitaler_____________ 7) OLG Karlsruhe, ZIP 2007, 270, 272 = DB 2007, 331 = DStR 2007, 406, dazu EWiR 2007, 193 (Linnerz) – zur AG. 8) Wicke, GmbHG, § 57c Rn. 6. 9) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 57c Rn. 10. 10) Wicke, GmbHG, § 57c Rn. 5, jedoch mit der Einschränkung „regelmäßig“; OLG Hamm, ZIP 2008, 1475 = DStR 2008, 988 = AG 2008, 713, dazu EWiR 2008, 291 (v. Hase) – zur AG. 11) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 57c Rn. 10. 12) BGHZ 135, 381 = ZIP 1997, 1337 ff = GmbHR 1997, 788, dazu EWiR 1998, 127 (Schultz). 13) Vgl. Scholz-Priester, GmbHG, vor § 57c Rn. 16.

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Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln

§ 57c

höhung aus Gesellschaftsmitteln in Betracht kommen. Daneben bleibt der Weg über die Sachkapitalerhöhung möglich. V. Kombination mit Kapitalherabsetzung oder ordentliche Kapitalerhöhung Es ist nicht möglich, eine reguläre oder vereinfachte Kapitalherabsetzung mit einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln zu verbinden. Ganz abgesehen davon, dass ein solches Vorgehen keinen Sinn ergeben würde, würde es schon daran scheitern, dass die Kapitalherabsetzung erst ein Jahr nach der Beschlussfassung und der Veröffentlichung zum Handelsregister angemeldet wird (§ 58 Abs. 1 Nr. 3). Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln hingegen muss innerhalb von acht Monaten nach dem Bilanzstichtag angemeldet sein (§§ 57c Abs. 1, 57f Abs. 1). Der Bilanzstichtag muss dabei vor dem Tag des Kapitalerhöhungsbeschlusses liegen (§ 57c Abs. 2 und 3 i. V. m. § 57d Abs. 1).

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Die Verbindung einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln mit einer ordentlichen Kapitalerhöhung ist hingegen möglich,14) es sei denn, beide Arten der Kapitalerhöhung werden in einem einzigen Beschluss zu einem einheitlichen Vorgang verbunden.15) Die Beschlüsse können in einer Gesellschafterversammlung gefasst werden, es muss sich allerdings die zeitliche Abfolge der beiden Kapitalerhöhungen aus ihnen ergeben. Wegen § 57j, der die zwingende Verteilung der Geschäftsanteile bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln unter den Gesellschaften im Verhältnis ihrer bisherigen Geschäftsanteile vorsieht, müssen die Kapitalerhöhungen unabhängig voneinander gehalten und getrennt in der angegebenen Reihenfolge in das Handelsregister eingetragen werden.16) Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln kann auch unter der Bedingung beschlossen werden, dass eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen gemäß §§ 55f ff zustande kommt.17)

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VI. Nichtigkeit des Kapitalerhöhungsbeschlusses Eine Nichtigkeit des Kapitalerhöhungsbeschlusses gemäß § 241 Nr. 3 AktG kommt in erster Linie in Betracht, wenn dem Beschluss keine Bilanz zugrunde gelegt wird oder die Feststellung des Jahresabschlusses oder die Gewinnverwendung nicht wirksam beschlossen wurde.18) Diesem Fall steht es gleich, wenn ein Beschluss über die Gewinnverwendung oder die Feststellung des Jahresabschlusses aufgrund erfolgreicher Anfechtungsklage als von Anfang an nichtig anzusehen ist. Auch die Nichteinhaltung der in Absatz 2 vorgesehenen Reihenfolge (Feststellung des Jahresabschlusses, Gewinnverwendung, Kapitalerhöhung) führt zur Nichtigkeit des Kapitalerhöhungsbeschlusses.19) Für nichtige Kapitalerhöhungsbeschlüsse aus Gesellschaftsmitteln gilt das gleiche wie für alle anderen nichtigen Beschlüsse: Der Registerrichter darf den nichtigen Beschluss nicht eintragen. Unter den _____________ 14) Wicke, GmbHG, § 57c Rn. 8; Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 57c Rn. 14. 15) Lutter/Hommelhoff-LutterKleindiek, GmbHG, § 57c Rn. 15. 16) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 57c Rn. 14; Fett/Spiering, NZG 2002, 358, 368. 17) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 57c Rn. 7. 18) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 57c Rn. 14. 19) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 57c Rn. 14; a. A. Wicke, GmbHG, § 57c Rn. 4; Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57c Rn. 5.

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§ 57d

Ausweisung von Kapital- und Gewinnrücklagen

Voraussetzungen des § 242 AktG kann es zur Heilung kommen. Das Registergericht kann nach § 398 FamFG vorgehen und den schon eingetragenen Beschluss löschen. Mit der Löschung wird die Kapitalerhöhung beseitigt.20) _____________ 20) OLG Frankfurt/M., DB 2002, 86 = AG 2002, 352 = NZG 2002, 91.

§ 57d Ausweisung von Kapital- und Gewinnrücklagen Michael Arnold/Felix Born

(1) Die Kapital- und Gewinnrücklagen, die in Stammkapital umgewandelt werden sollen, müssen in der letzten Jahresbilanz und, wenn dem Beschluss eine andere Bilanz zugrunde gelegt wird, auch in dieser Bilanz unter „Kapitalrücklage“ oder „Gewinnrücklagen“ oder im letzten Beschluss über die Verwendung des Jahresergebnisses als Zuführung zu diesen Rücklagen ausgewiesen sein. (2) Die Rücklagen können nicht umgewandelt werden, soweit in der zugrunde gelegten Bilanz ein Verlust, einschließlich eines Verlustvortrags, ausgewiesen ist. (3) Andere Gewinnrücklagen, die einem bestimmten Zweck zu dienen bestimmt sind, dürfen nur umgewandelt werden, soweit dies mit ihrer Zweckbestimmung vereinbar ist. Übersicht I. Allgemeines .......................................... 1 II. Begriff der Kapital- und Gewinnrücklagen ............................................... 2

I. 1

III. Umwandlungsverbote ......................... 6 IV. Mängel ................................................... 9

Allgemeines

Absatz 1 bezeichnet die Bilanzposten, die in Stammkapital umgewandelt werden können: nämlich Kapital- und Gewinnrücklagen. Ferner wird in Absatz 1 festgelegt, wie die umwandlungsfähigen Rücklagen ausgewiesen sein müssen. Ergänzt wird die Regelung durch die Umwandlungsverbote in Absätzen 2 und Abs. 3. Gemeinsamer Zweck der Regelungen in § 57d ist die Sicherstellung der Kapitalaufbringung bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln.1) Das Gesetz will verhindern, dass das Stammkapital erhöht wird, ohne dass dieser Erhöhung ausreichendes Vermögen der Gesellschaft gegenübersteht. Auf eine eigene Prüfung durch einen Kapitalerhöhungsprüfer wird verzichtet. Stattdessen schreibt das Gesetz vor, dass der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln geprüfte Bilanzen zugrunde zu legen sind. Grundsätzlich ist die Bilanz des letzten Geschäftsjahrs maßgebend (§ 57e Abs. 1). Wird der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln eine Zwischenbilanz zugrunde gelegt (§ 57f Abs. 1), müssen letzte Jahresbilanz und Zwischenbilanz ausreichend freie Rücklagen ausweisen. Nicht in jedem Fall müssen die Rücklagen in der letzten Jahresbilanz ausgewiesen sein. Nach Absatz 1 genügt es für die Umwandlungsfähigkeit auch, wenn die umzuwandelnden Beträge im letzten Beschluss über die _____________ 1)

Vgl. Scholz-Priester, GmbHG, § 57d Rn. 1.

1218

Michael Arnold/Felix Born

Ausweisung von Kapital- und Gewinnrücklagen

§ 57d

Verwendung des Jahresergebnisses als Zuführung zu den Kapital- oder Gewinnrücklagen ausgewiesen sind. II. Begriff der Kapital- und Gewinnrücklagen Bei der Auslegung des Begriffs „Kapital- und Gewinnrücklagen“ ist auf die Bestimmungen des HGB zurückzugreifen. Zu den Kapitalrücklagen gehören alle Einlagen, die nicht Stammkapital sind. Sämtliche in § 272 Abs. 2 HGB genannten Positionen können zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln verwendet werden. Insbesondere Kapitalrücklagen, die durch Zahlung eines Agios nach § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB entstanden sind, oder sonstige Zuzahlungen der Gesellschafter in die freie Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB fallen darunter.

2

Gemäß § 272 Abs. 3 HGB umfasst der Begriff Gewinnrücklagen nur Rücklagen, die aus dem Ergebnis gebildet wurden. Nach § 266 Abs. 3 Buchst. A. Ziff. III. HGB fallen darunter die gesetzliche Rücklage, die Rücklage für eigene Anteile, die satzungsmäßigen Rücklagen und andere Gewinnrücklagen. Die gesetzliche Rücklage ist im GmbH-Recht nur insoweit relevant, als sie für die UG (haftungsbeschränkt) gemäß § 5a Abs. 3 vorgesehen ist. Davon abgesehen existiert bei der GmbH – anders als bei der AG – keine gesetzliche Rücklage.

3

Die Kapital- und Gewinnrücklagen können nur insoweit umgewandelt werden, als sie in der letzten Jahresbilanz, ggf. in der Zwischenbilanz oder im letzten Beschluss über die Verwendung des Jahresergebnisses ausgewiesen sind. Daraus folgt, dass stille Reserven oder stille Rücklagen nicht zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln herangezogen werden, d. h. nicht in Stammkapital umgewandelt werden können. Sollen stille Reserven oder stille Rücklagen in Stammkapital umgewandelt werden, sind sie unter Beachtung der Bilanzierungsvorschriften zunächst aufzulösen und dann in Rücklagen umzuwandeln.2)

4

Gewinne des vorangegangenen Geschäftsjahres können in Stammkapital umgewandelt werden, wenn der Gewinnverwendungsbeschluss vorsieht, dass entsprechende Beträge den Gewinnrücklagen zugewiesen werden. Ein Gewinnvortrag kann nicht umgewandelt werden. Wenn der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln eine Zwischenbilanz zugrunde gelegt wird, muss der umzuwandelnde Gewinn des abgelaufenen Geschäftsjahres in der Zwischenbilanz – nicht erst in der Jahresbilanz – bereits explizit als Rücklage ausgewiesen sein.3) Werden Gewinne des vorangegangenen Geschäftsjahrs, die den Gewinnrücklagen zugewiesen wurden, in Stammkapital umgewandelt, ist es nicht möglich, die neuen Geschäftsanteile gemäß § 57n Abs. 2 Satz 1 am Gewinn des letzten vor der Beschlussfassung über die Kapitalerhöhung abgelaufenen Geschäftsjahres zu beteiligen. Eine Beteiligung am Gewinn des vorangegangenen Geschäftsjahrs ist nur möglich, wenn über die Kapitalerhöhung vor der Gewinnverwendung Beschluss gefasst wird (§ 57n Abs. 2 Satz 2). Das schließt dann aber aus, die umzuwandelnden Rücklagen – wie von § 57d Abs. 1

5

_____________ 2) 3)

Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 57d Rn. 6. Scholz-Priester, GmbHG, § 57d Rn. 6; Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57d Rn. 5.

Michael Arnold/Felix Born

1219

§ 57d

Ausweisung von Kapital- und Gewinnrücklagen

gefordert – im letzten Beschluss über die Verwendung des Jahresergebnisses auszuweisen. III. Umwandlungsverbote 6

Gemäß Absatz 3 können nicht sämtliche Gewinnrücklagen in Stammkapital umgewandelt werden. Zweckbestimmte Gewinnrücklagen können nach Absatz 3 nur umgewandelt werden, soweit dies mit ihrer Zweckbestimmung vereinbar ist. Mit dem Begriff „andere Gewinnrücklagen“ in Absatz 3 wird nicht nur auf den Begriff der „anderen Gewinnrücklagen“ in § 266 Abs. 3 Buchst. A. Ziff. III. 4. HGB Bezug genommen. Vielmehr erfasst Absatz 3 sämtliche Gewinnrücklagen, die in § 266 Abs. 3 Buchst. A. Ziff. III. HGB genannt sind, auch die satzungsmäßigen Rücklagen.4) Die Einschränkung für zweckbestimmte Gewinnrücklagen in Absatz 3 hat für satzungsmäßige Gewinnrücklagen allerdings kaum Bedeutung, weil die Zweckbestimmung von der Gesellschafterversammlung jederzeit geändert werden kann.5) Die Zweckbindung kann auch konkludent durch Fassung des Erhöhungsbeschlusses aufgehoben werden.6) Ergibt sich die Zweckbindung aus der Satzung, kann die Satzung so geändert werden, dass die Satzungsänderung mit der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln im Handelsregister eingetragen wird.7)

7

Ist gemäß § 272 Abs. 4 HGB für Anteile an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmen eine Rücklage gebildet worden, kann diese Rücklage nicht in Nennkapital umgewandelt werden.8) Ob für solche Fälle § 57d Abs. 3 direkt anwendbar ist oder nicht, kann dahinstehen. Die Voraussetzungen, unter denen eine solche Rücklage aufgelöst werden kann, sind in § 272 Abs. 4 HGB abschließend geregelt. Danach ist die Rücklage nur aufzulösen, soweit die Anteile an dem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligtem Unternehmen veräußert, ausgegeben oder eingezogen werden oder auf der Aktivseite ein niedrigerer Betrag angesetzt wird. Nur in diesen Fällen steht der Verwendung dieser Rücklage zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nichts im Weg.9) Nicht umwandlungsfähig ist ferner die Rücklage für eigene Anteile nach § 266 Abs. 3 A III Nr. 2 HGB a. F. Nach § 272 Abs. 1a HGB n. F. sind die eigenen Anteile inzwischen in der Vorspalte offen von dem Posten „bezeichnetes Kapital“ abzusetzen. Diese Beträge können schon deshalb nicht Gegenstand einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln sein, weil es sich nicht um Rücklagen handelt (vgl. § 57c Abs. 1). Nachschüsse i. S. d. §§ 26 bis 28, die in der Kapitalrücklage ausgewiesen sind, sind erst dann umwandlungsfähig, wenn sie tatsächlich eingezahlt sind.10) _____________ 4) 5) 6) 7) 8)

Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57d Rn. 10. Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57d Rn. 10. Wicke, GmbHG, § 57d Rn. 5; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 57d Rn. 7. Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57d Rn. 11. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 57d Rn. 6; Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 57d Rn. 8; Scholz-Priester, GmbHG, § 57d Rn. 12. 9) I. Erg. ebenso: Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 57d Rn. 8 mit Verweis auf Lieder in: MünchKomm-GmbHG, § 57d Rn. 30; Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57d Rn. 1. 10) Wicke, GmbHG, § 57d Rn. 6.

1220

Michael Arnold/Felix Born

Zugrundelegung der letzten Jahresbilanz; Prüfung

§§ 57e–57g

Nach Absatz 2 können Rücklagen nicht umgewandelt werden, soweit in der zugrunde gelegten Bilanz ein Verlust, einschließlich eines Verlustvortrags, ausgewiesen ist. Diese Regelung trägt der Tatsache Rechnung, dass keine Verpflichtung besteht, Rücklagen zur Vermeidung eines Bilanzverlusts aufzulösen. Soweit ein Bilanzverlust oder ein Verlustvortrag ausgewiesen wird und Rücklagen bestehen bleiben, können diese Rücklagen nicht in Stammkapital umgewandelt werden. Diese Regelung soll sicherstellen, dass das Stammkapital mit Gesellschaftsvermögen unterlegt ist. Der durch Absatz 2 vermittelte Schutz ist für sich allein genommen noch nicht umfassend: Auch nach dem Stichtag der der Kapitalerhöhung zugrunde gelegten Bilanz kann es durch negative Entwicklungen zu Verlusten kommen, die zur Unterdeckung der Rücklagen führen. Solche Verluste müssen, soweit erkennbar, bei der Kapitalerhöhung berücksichtigt werden, auch wenn sie in der zugrunde gelegten Bilanz nicht ausgewiesen sein können. Das zeigt sich schon daran, dass die Geschäftsführer gemäß § 57i Abs. 1 Satz 2 gegenüber dem Registergericht zu erklären haben, dass seit dem Stichtag der zugrunde gelegten Bilanz keine Vermögensminderung eingetreten ist, die der Kapitalerhöhung entgegenstünde, wenn die Kapitalerhöhung am Tag der Anmeldung beschlossen worden wäre.

8

IV. Mängel Soweit § 57d Gläubigerinteressen schützt (Abs. 1 und Abs. 2), führen Verstöße zur Nichtigkeit des Kapitalerhöhungsbeschlusses gemäß § 241 Nr. 3 AktG11) analog. Absatz 3 schützt nur Gesellschafterinteressen. Verstöße gegen diese Vorschrift führen daher nur zur Anfechtbarkeit.12) Unterdeckung wegen Vermögensminderungen nach dem Stichtag der zugrunde gelegten Bilanz führen, ob erkennbar oder nicht, nicht zur Nichtigkeit des Kapitalerhöhungsbeschlusses.13) In solchen Fällen besteht gemäß § 30 ein Ausschüttungsverbot bis der Wert des Gesellschaftsvermögens den neuen Stammkapitalbetrag erreicht; eine Nachschusspflicht der Gesellschafter sieht das Gesetz nicht vor. Ist die zugrunde gelegte Bilanz nichtig, schlägt die Nichtigkeit auf den Kapitalerhöhungsbeschluss durch.14) _____________ 11) 12) 13) 14)

Scholz-Priester, GmbHG, § 57d Rn. 15. Scholz-Priester, GmbHG, § 57d Rn. 15. Vgl. Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57d Rn. 8. Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57d Rn. 9; wohl Scholz-Priester, GmbHG, § 57d Rn. 15.

§§ 57e – 57g § 57e Zugrundelegung der letzten Jahresbilanz; Prüfung Michael Arnold/Felix Born

(1) Dem Beschluss kann die letzte Jahresbilanz zugrunde gelegt werden, wenn die Jahresbilanz geprüft und die festgestellte Jahresbilanz mit dem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk der Abschlussprüfer versehen ist und wenn ihr Stichtag höchstens acht Monate vor der Anmeldung des Beschlusses zur Eintragung in das Handelsregister liegt. Michael Arnold/Felix Born

1221

9

§§ 57e–57g

Anforderungen an die Bilanz

(2) Bei Gesellschaften, die nicht große im Sinne des § 267 Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs sind, kann die Prüfung auch durch vereidigte Buchprüfer erfolgen; die Abschlussprüfer müssen von der Versammlung der Gesellschafter gewählt sein.

§ 57f Anforderungen an die Bilanz (1) 1Wird dem Beschluss nicht die letzte Jahresbilanz zugrunde gelegt, so muss die Bilanz den Vorschriften über die Gliederung der Jahresbilanz und über die Wertansätze in der Jahresbilanz entsprechen. 2Der Stichtag der Bilanz darf höchstens acht Monate vor der Anmeldung des Beschlusses zur Eintragung in das Handelsregister liegen. (2) 1Die Bilanz ist, bevor über die Erhöhung des Stammkapitals Beschluss gefasst wird, durch einen oder mehrere Prüfer darauf zu prüfen, ob sie dem Absatz 1 entspricht. 2Sind nach dem abschließenden Ergebnis der Prüfung keine Einwendungen zu erheben, so haben die Prüfer dies durch einen Vermerk zu bestätigen. 3Die Erhöhung des Stammkapitals kann nicht ohne diese Bestätigung der Prüfer beschlossen werden. (3) 1Die Prüfer werden von den Gesellschaftern gewählt; falls nicht andere Prüfer gewählt werden, gelten die Prüfer als gewählt, die für die Prüfung des letzten Jahresabschlusses von den Gesellschaftern gewählt oder vom Gericht bestellt worden sind. 2Im Übrigen sind, soweit sich aus der Besonderheit des Prüfungsauftrags nichts anderes ergibt, § 318 Abs. 1 Satz 2, § 319 Abs. 1 bis 4, § 319a Abs. 1, § 319b Abs. 1, § 320 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und die §§ 321 und 323 des Handelsgesetzbuchs anzuwenden. 3Bei Gesellschaften, die nicht große im Sinne des § 267 Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs sind, können auch vereidigte Buchprüfer zu Prüfern bestellt werden.

§ 57g Vorherige Bekanntgabe des Jahresabschlusses Die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags über die vorherige Bekanntgabe des Jahresabschlusses an die Gesellschafter sind in den Fällen des § 57f entsprechend anzuwenden. Literatur: Fett/Spiering, Typische Probleme bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, NZG 2002, 358. Übersicht I. Allgemeines .......................................... 1 II. Anforderungen an die Jahresbilanz ..................................................... 2

I. 1

III. Anforderungen an die Zwischenbilanz ..................................................... 5 IV. Acht-Monats-Frist ............................. 12 V. Mängel der Bilanz .............................. 13

Allgemeines

Nach § 57c Abs. 3 ist der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln eine Bilanz zugrunde zu legen. §§ 57e, 57f konkretisieren die inhaltlichen Anforderungen, die an eine solche Bilanz zu stellen sind. § 57e nennt die Voraussetzungen, unter denen 1222

Michael Arnold/Felix Born

Vorherige Bekanntgabe des Jahresabschlusses

§§ 57e–57g

die letzte Jahresbilanz der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln zugrunde gelegt werden kann. Kann dem Kapitalerhöhungsbeschluss nicht die letzte Jahresbilanz zugrunde gelegt werden (etwa weil die Acht-Monats-Frist nicht gewahrt werden kann), kann eine Zwischenbilanz zugrunde gelegt werden. § 57f bestimmt die Anforderungen, die an eine solche Zwischenbilanz zu stellen sind. II. Anforderungen an die Jahresbilanz Wird der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln die letzte Jahresbilanz zugrunde gelegt, ist der Aufwand für die Gesellschaft deutlich geringer, als wenn eine gesonderte Zwischenbilanz aufgestellt wird. Die im regelmäßigen Geschäftsgang aufzustellende Jahresbilanz muss ohnehin die umzuwandelnden Rücklagen ausweisen. Die Jahresbilanz, die der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln zugrunde gelegt wird, ist nach den allgemeinen Regeln zu erstellen und festzustellen. Sie muss aber unabhängig von der Größe der Gesellschaft geprüft werden. § 57e Abs. 1 führt damit bei kleinen Kapitalgesellschaften i. S. d. § 267 Abs. 1 HGB zu einer gesonderten Prüfungspflicht. Umstritten ist, ob die Bilanz einer kleinen Kapitalgesellschaft nach den Vorschriften der §§ 316 ff HGB geprüft werden muss,1) oder ob lediglich die in § 57f Abs. 3 Satz 2 GmbHG in Bezug genommenen Vorschriften beachtet werden müssen.2) Der Streit wird insbesondere hinsichtlich Gegenstand und Umfang der Prüfung nach § 317 HGB sowie des Inhalts des Bestätigungsvermerks nach § 322 HGB relevant, auf die in § 57f Abs. 3 Satz 2 nicht verwiesen werden. Da sich die gesonderte Prüfungspflicht für kleine Kapitalgesellschaften bei Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln aus dem GmbHG und nicht aus dem HGB ergibt, ist es systematisch konsequent, auf § 57f abzustellen. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass § 57e eine über diese Mindestanforderungen hinausgehende Prüfungspflicht für kleine Kapitalgesellschaften statuieren will.3) Der Inhalt des Bestätigungsvermerks richtet sich damit bei großen und mittelgroßen Kapitalgesellschaften nach § 322 HGB, bei kleinen dagegen nach § 57f Abs. 2 Satz 2.4) Lässt eine kleine Gesellschaft ihre Bilanz freiwillig prüfen, bedarf es keiner erneuten Prüfung, um diese Bilanz der Kapitalerhöhung zugrunde zu legen, wenn zumindest die Anforderungen von § 57f beachtet wurden.5) Hat eine kleine Kapitalgesellschaft eine ungeprüfte, aber festgestellte Bilanz und soll eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln durchgeführt werden, kann die Prüfung bis zur Fassung des Erhöhungsbeschlusses nachgeholt werden.6)

2

Der Abschlussprüfer bei kleinen Gesellschaften ist für die Prüfung gemäß § 57e Abs. 2 Halbs. 2 von der Gesellschafterversammlung zu wählen. Aus § 57f Abs. 2 Satz 2 GmbHG, § 318 Abs. 1 Satz 2 HGB ergibt sich aber, dass der Gesellschafts-

3

_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)

Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, §§ 57e – g Rn. 2 a. E. Vgl. Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57e Rn. 2: „mindestens“; Roth/ Altmeppen-Roth, GmbHG, § 57e Rn. 4. Vgl. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 57e Rn. 4; Wicke, GmbHG, §§ 57e – g Rn. 3. Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57e Rn. 2; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 57e Rn. 6. Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57e Rn. 2. Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 57e – g Rn. 3.

Michael Arnold/Felix Born

1223

§§ 57e–57g

Vorherige Bekanntgabe des Jahresabschlusses

vertrag die Kompetenz auch auf ein anderes Organ übertragen kann.7) Wurde die Bilanz von Personen geprüft, die zwar Abschlussprüfer sind oder die Voraussetzungen von § 57e Abs. 2 erfüllen, aber weder vom gesetzlich noch gesellschaftsvertraglich zuständigen Organ gewählt wurden, kann die Bestellung bis zur Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses durch das zuständige Organ nachgeholt werden.8) 4

Bei kleinen sowie bei mittelgroßen Gesellschaften i. S. d. § 267 Abs. 2 HGB ist nach §§ 57e Abs. 2, 57f Abs. 3 Satz 2 GmbHG die Prüfung durch vereidigte Buchprüfer sowie Buchprüfungsgesellschaften ausreichend. III. Anforderungen an die Zwischenbilanz

5

Anstelle der üblichen Jahresbilanz kann der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln gemäß § 57f auch eine eigens für diesen Zweck erstellte Zwischenbilanz zugrunde gelegt werden. Dieser Aufwand lohnt sich nur, wenn für die Jahresbilanz die AchtMonats-Frist des § 57e Abs. 1 abgelaufen ist, die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln aber noch vor Feststellung der Jahresbilanz für das nächste Geschäftsjahr durchgeführt werden soll. Nach § 57d Abs. 1 müssen die umzuwandelnden Rücklagen nicht nur in der Zwischenbilanz, sondern auch in der letzten Jahresbilanz ausgewiesen sein. Rücklagen, die in der Zwischenbilanz erstmals gebildet werden, können daher mangels Ausweises in der vorherigen Jahresbilanz nicht in Eigenkapital umgewandelt werden.9) Die in der Zwischenbilanz ausgewiesenen Rücklagen können gegenüber der letzten Jahresbilanz vermindert sein; sie müssen aber den Erhöhungsbetrag decken. Für die Erstellung der Zwischenbilanz gelten neben § 57d die allgemeinen Regeln über die Aufstellung des Jahresabschlusses. Die Zwischenbilanz ist von den Geschäftsführern aufzustellen. Die Regeln über den Bilanzansatz und die Grundsätze der Bilanzkontinuität sind zu beachten.10) Eine gesonderte GuV ist nicht erforderlich.11)

6

Die Sperrwirkung des § 57d Abs. 2 bezieht sich auf die der Kapitalerhöhung zugrunde gelegte Bilanz. Das bedeutet, dass auch ein nur in der Zwischenbilanz ausgewiesener Verlust oder Verlustvortrag die umwandlungsfähigen Rücklagen mindert. Wird ein Verlustvortrag aus der letzten Jahresbilanz in der Zwischenbilanz durch Gewinne gemindert, erhöht sich umgekehrt der Betrag der umwandlungsfähigen Rücklagen.12)

7

Die Zwischenbilanz muss geprüft werden. Gemäß § 57f Abs. 3 Satz 1 müssen die Abschlussprüfer von den Gesellschaftern gewählt werden. Mangels anderweitiger _____________ 7) Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57e Rn. 3; Lutter/Hommelhoff-Lutter/ Kleindiek, GmbHG, § 57e – g Rn. 7; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 57e Rn. 5. 8) Vgl. Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 57e – g Rn. 3; Roth/AltmeppenRoth, GmbHG, § 57e Rn. 5. 9) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 57e–g Rn. 4; vgl. zur Möglichkeit, durch Änderung des Geschäftsjahrs die Zwischen- zu einer Jahresbilanz zu machen Fett/Spiering, NZG 2002, 358, 361. 10) Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57f Rn. 2. 11) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 57e – g Rn. 4; Scholz-Priester, GmbHG, § 57g Rn. 3. 12) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 57e – g Rn. 6.

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Michael Arnold/Felix Born

Vorherige Bekanntgabe des Jahresabschlusses

§§ 57e–57g

Bestimmung gelten die Prüfer als gewählt, die zur Prüfung des letzten Jahresabschlusses von den Gesellschaftern gewählt oder vom Gericht bestimmt wurden. Bei kleinen GmbHs i. S. d. § 267 Abs. 1 HGB, die nicht freiwillig geprüft werden, ist in jedem Fall eine Wahl des Prüfers erforderlich. Die Wahl des Prüfers der Zwischenbilanz kann gemäß § 57f Abs. 3 Satz 2, § 318 Abs. 1 Satz 2 HGB auch auf ein anderes Organ übertragen werden. Wird im Gesellschaftsvertrag die Kompetenz zur Bestellung des Jahresabschlussprüfers auf ein anderes Organ übertragen, ist im Wege der Auslegung zu bestimmen, ob sich diese Regelung auch auf den Abschlussprüfer der Zwischenbilanz bezieht.13) Bei kleinen und mittelgroßen Gesellschaften i. S. d. § 267 Abs. 3 HGB können auch Buchprüfer oder Buchprüfungsgesellschaften zu Prüfern bestellt werden. Über die Verweisung in § 57f Abs. 3 Satz 2 sind die Ausschlussgründe nach §§ 319 Abs. 2 – 4, 319a Abs. 1, 319b Abs. 1 HGB zu beachten. Der Prüfungsauftrag ist den gewählten Prüfern unverzüglich nach deren Wahl durch die Geschäftsführer zu erteilen, der Aufsichtsrat ist mangels Verweises auf § 318 Abs. 1 Satz 4 HGB nicht zuständig.14) Die Prüfung der Zwischenbilanz richtet sich nach § 57f Abs. 3 Satz 2 und den darin in Bezug genommenen Vorschriften des HGB. Die Vorschriften des HGB sind dabei nur insoweit anzuwenden, als es Sinn und Zweck der Zwischenbilanz gebieten.15) Das Informations- und Auskunftsrecht der Prüfer richtet sich grundsätzlich nach § 57f Abs. 3 Satz 2, § 320 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 HGB und ist beschränkt auf den Umfang der Zwischenbilanz.16) Der von den Prüfern nach § 57f Abs. 3 Satz 2, § 321 HGB zu erstattende Prüfungsbericht ist ebenfalls auf den Umfang der Zwischenbilanz begrenzt.17)

8

Da § 57f Abs. 3 Satz 2 nicht auf § 322 HGB verweist, ergibt sich der Inhalt des Bestätigungsvermerks direkt aus § 57f Abs. 2 Satz 2 und dem beschränkten Umfang der Zwischenbilanz.18) Der Prüfer der Zwischenbilanz sowie seine Hilfspersonen sind nach § 57f Abs. 3 Satz 2, § 323 HGB zur unabhängigen und gewissenhaften Prüfung verpflichtet und haften bei Pflichtverletzung auf Schadensersatz.

9

Die Zwischenbilanz bedarf nach h. M. keiner Feststellung durch die Gesellschafterversammlung. Eine formlose, durch den Erhöhungsbeschluss konkludent erteilte Zustimmung soll genügen.19) Dies ist zweifelhaft, weil nach allgemeinen Grundsätzen Bilanzen stets festgestellt werden müssen, nicht zuletzt um sie hinreichend klar von einem Entwurf unterscheiden zu können.20)

10

_____________ 13) Vgl. auch Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 57e – g Rn. 7; Baumbach/ Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57e Rn. 8. 14) Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57f Rn. 8; a. A. Lutter/HommelhoffLutter/Kleindiek, GmbHG, § 57e – g Rn. 10. 15) Vgl. Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57f Rn. 5. 16) Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57f Rn. 5, 9. 17) Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57f Rn. 5, 10. 18) Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 57f Rn. 5; einschränkend Lutter/Hommelhoff-Lutter/ Kleindiek, GmbHG, § 57e – g Rn. 9. 19) Scholz-Priester, GmbHG, § 57g Rn. 3. 20) Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57f Rn. 12; a. A. Lutter/HommelhoffLutter/Kleindiek, GmbHG, § 57e – g Rn. 5.

Michael Arnold/Felix Born

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§ 57h 11

Arten der Kapitalerhöhung

§ 57g bestimmt schließlich, dass zum Schutz der Gesellschafter die Vorschriften des Gesellschaftsvertrags über die Bekanntgabe des Jahresabschlusses auch für die Zwischenbilanz gelten. Enthält der Gesellschaftsvertrag keine Vorschriften über die Bekanntgabe des Jahresabschlusses, gelten die allgemeinen Grundsätze über die Bekanntgabe des Jahresabschlusses entsprechend für die Zwischenbilanz. Eine Verpflichtung, die Zwischenbilanz nach § 325 HGB offenzulegen, gibt es nicht. Die Zwischenbilanz wird nur insofern öffentlich gemacht, als sie der Anmeldung der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln zum Handelsregister beizufügen ist und somit von jedermann beim Handelsregister eingesehen werden kann (§ 12 HGB). IV. Acht-Monats-Frist

12

Der Stichtag der Jahres- oder Zwischenbilanz, die dem Kapitalerhöhungsbeschluss zugrunde gelegt wird, darf höchstens acht Monate vor der Anmeldung des Beschlusses zum Handelsregister liegen (§§ 57e Abs. 1, 57f Abs. 1 Satz 2). Bei Geschäftsjahresende am 31.12. muss die Kapitalerhöhung also bis zum 31.8. des Folgejahres angemeldet werden. Fristüberschreitung auch nur um einen Tag muss zur Ablehnung der Eintragung durch das Registergericht führen. Wird die Eintragung aufgrund einer fehlerhaften Anmeldung abgelehnt und wird die zweite Anmeldung nicht innerhalb der Acht-Monats-Frist eingereicht, kann die eingereichte Bilanz der Kapitalerhöhung nicht mehr zugrunde gelegt werden.21) Erlässt das Registergericht aufgrund eines behebbaren Mangels22) lediglich eine Zwischenverfügung, wird die Frist auch dann gewahrt, wenn der Mangel erst nach Fristablauf behoben wird.23) V. Mängel der Bilanz

13

Wurde die Bilanz nicht geprüft oder nur ein eingeschränkter Bestätigungsvermerk erteilt, ist der Kapitalerhöhungsbeschluss entsprechend § 241 Nr. 3 AktG nichtig.24) Heilung ist bei Eintragung im Handelsregister entsprechend § 242 Abs. 2 AktG möglich.25) _____________ 21) Vgl. Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 57e – g Rn. 11. 22) Beispiel: Bilanz wird versehentlich nicht mit der Anmeldung an das Registergericht gesandt. 23) Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57e Rn. 4; Scholz-Priester, GmbHG, § 57g Rn. 16; einschränkend Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 57e – g Rn. 11, allerdings mit Bezugnahme auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. 24) Vgl. zur AG: BayObLG, ZIP 2002, 1398, 1400 = DB 2002, 1544 = AG 2002, 397; Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57e Rn. 5 m. w. N. 25) Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 57e – g Rn. 12.

§ 57h Arten der Kapitalerhöhung Michael Arnold/Felix Born (1) 1Die Kapitalerhöhung kann vorbehaltlich des § 57l Abs. 2 durch Bildung neuer Geschäftsanteile oder durch Erhöhung des Nennbetrags der Geschäftsanteile ausgeführt werden. 2Die neuen Geschäftsanteile und die Geschäftsanteile, deren Nennbetrag erhöht wird, müssen auf einen Betrag gestellt werden, der auf volle Euro lautet. 1226

Michael Arnold/Felix Born

§ 57h

Arten der Kapitalerhöhung

(2) 1Der Beschluss über die Erhöhung des Stammkapitals muss die Art der Erhöhung angeben. 2Soweit die Kapitalerhöhung durch Erhöhung des Nennbetrags der Geschäftsanteile ausgeführt werden soll, ist sie so zu bemessen, dass durch sie auf keinen Geschäftsanteil, dessen Nennbetrag erhöht wird, Beträge entfallen, die durch die Erhöhung des Nennbetrags des Geschäftsanteils nicht gedeckt werden können. Übersicht I. Allgemeines .......................................... 1 II. Nennwerte neuer Anteilsrechte ......... 3

I.

III. Berücksichtigung im Kapitalerhöhungsbeschluss ................................. 5 IV. Beschlussmängel .................................. 6

Allgemeines

§ 57a nennt die zwei Möglichkeiten, wie die Erhöhung des Stammkapitals ausgeführt werden kann: Entweder werden die Nennbeträge der Geschäftsanteile erhöht oder es werden neue Geschäftsanteile gebildet. Zwischen diesen beiden Möglichkeiten kann die Gesellschafterversammlung bei der Beschlussfassung über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln wählen. Da gemäß § 57j mit Wirksamwerden der Erhöhung die neuen Geschäftsanteile den Gesellschaftern ipso iure im Verhältnis ihrer bisherigen Geschäftsanteile zustehen, muss die inhaltliche Gestaltung der Kapitalerhöhung bereits im Kapitalerhöhungsbeschluss festgelegt werden. Die beiden in § 57h Abs. 1 genannten Möglichkeiten können auch kombiniert werden1) (vgl. § 57l Abs. 2 Satz 2).

1

Die Möglichkeit, die Kapitalerhöhung durch Bildung neuer Geschäftsanteile auszuführen, besteht grundsätzlich nicht für Geschäftsanteile, die nicht voll eingezahlt sind (vgl. § 57l Abs. 2).

2

II. Nennwerte neuer Anteilsrechte Nach Absatz 1 Satz 2 müssen die neuen Geschäftsanteile auf einen Betrag gestellt werden, der auf volle Euro lautet. § 57h in der Fassung des MoMiG spiegelt damit die Regelung des § 5 Abs. 2, der die Freiheit bei der Bestimmung der Nennwerte ebenfalls nur noch dahingehend beschränkt, dass der Nennwert des Geschäftsanteils auf volle Euro lauten muss. Es ist auch möglich, Gesellschaftern i. R. einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln mehrere neue Geschäftsanteile zuzuweisen.2) Die Nennwerte der Geschäftsanteile müssen nicht gleich hoch sein.

3

Absatz 2 Satz 2 bestimmt, dass bei Ausführung der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln durch Aufstockung der Nennbeträge keine Spitzenbeträge (d. h. Geschäftsanteile, die nicht auf volle Euro lauten würden) entstehen dürfen. Lässt sich das nicht vermeiden, muss die Kapitalerhöhung durch Kombination der Nennwertaufstockung mit der Neubildung von Geschäftsanteilen ausgeführt werden. Entstehen bei der Neubildung von Geschäftsanteilen Spitzenbeträge, weil ein neuer Geschäftsanteil nicht auf volle Euro lautet, gilt § 57k.

4

_____________ 1) 2)

Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57h Rn. 1; Scholz-Priester, GmbHG, § 57h Rn. 7. Wicke, GmbHG, § 57h Rn. 1; Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57h Rn. 5.

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§ 57i

Anmeldung und Eintragung des Erhöhungsbeschlusses

III. Berücksichtigung im Kapitalerhöhungsbeschluss 5

Die nach § 57h erforderlichen Festsetzungen müssen in den Kapitalerhöhungsbeschluss aufgenommen werden (Abs. 2 Satz 1). Die Angaben müssen so exakt sein, dass hinsichtlich der Ausführung der Kapitalerhöhung keine Ermessensspielräume der Geschäftsführer bestehen. IV. Beschlussmängel

6

Werden die Vorgaben des § 57h nicht beachtet, führt dies regelmäßig analog § 241 Nr. 3 AktG zur Nichtigkeit des Beschlusses. Der Kapitalerhöhungsbeschluss ist insbesondere dann nichtig, wenn im Kapitalerhöhungsbeschluss nicht hinreichend bestimmt ist, ob die Kapitalerhöhung durch Bildung neuer Geschäftsanteile oder durch Aufstockung der Nennbeträge der bisher bestehenden Geschäftsanteile ausgeführt wird. Auch wenn die neugebildeten Geschäftsanteile nicht auf volle Euro lauten, bei einer Nennbetragsaufstockung entgegen Absatz 2 Satz 2 freie Spitzenbeträge verbleiben3) oder die Anzahl der neuen Geschäftsanteile nicht durch Auslegung geklärt werden kann, ist der Beschluss nach h. M. nichtig. Wird der Beschluss trotz solcher Fehler eingetragen, gelten bei der Rückabwicklung die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft.4) _____________ 3) 4)

Scholz-Priester, GmbHG, § 57h Rn. 11; Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57h Rn. 10. Wicke, GmbHG, § 57h Rn. 4.

§ 57i Anmeldung und Eintragung des Erhöhungsbeschlusses Michael Arnold/Felix Born

(1) 1Der Anmeldung des Beschlusses über die Erhöhung des Stammkapitals zur Eintragung in das Handelsregister ist die der Kapitalerhöhung zugrunde gelegte, mit dem Bestätigungsvermerk der Prüfer versehene Bilanz, in den Fällen des § 57f außerdem die letzte Jahresbilanz, sofern sie noch nicht nach § 325 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs eingereicht ist, beizufügen. 2Die Anmeldenden haben dem Registergericht gegenüber zu erklären, dass nach ihrer Kenntnis seit dem Stichtag der zugrunde gelegten Bilanz bis zum Tag der Anmeldung keine Vermögensminderung eingetreten ist, die der Kapitalerhöhung entgegenstünde, wenn sie am Tag der Anmeldung beschlossen worden wäre. (2) Das Registergericht darf den Beschluss nur eintragen, wenn die der Kapitalerhöhung zugrunde gelegte Bilanz für einen höchstens acht Monate vor der Anmeldung liegenden Zeitpunkt aufgestellt und eine Erklärung nach Absatz 1 Satz 2 abgegeben worden ist. (3) Zu der Prüfung, ob die Bilanzen den gesetzlichen Vorschriften entsprechen, ist das Gericht nicht verpflichtet. (4) Bei der Eintragung des Beschlusses ist anzugeben, dass es sich um eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln handelt.

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Michael Arnold/Felix Born

Anmeldung und Eintragung des Erhöhungsbeschlusses

§ 57i

Übersicht I. Allgemeines .......................................... 1 II. Anlagen zur Handelsregisteranmeldung ................................................ 2 III. Prüfung durch das Registergericht und Eintragung .................................... 4

I.

IV. Mängel des Kapitalerhöhungsbeschlusses ............................................. 5 V. Haftung der Geschäftsführer ............. 6 VI. Heilung verdeckter Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ....... 7

Allgemeines

Da die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln Satzungsänderung ist, gilt für die Anmeldung und Eintragung der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln zunächst § 54. § 54 wird durch § 57i ergänzt. Wie jede Satzungsänderung wird die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln mit der Eintragung im Handelsregister wirksam (§ 54 Abs. 3). Mit der Eintragung im Handelsregister ist das Stammkapital erhöht und die neuen Geschäftsanteile oder die Aufstockungen der Nennwerte stehen ipso iure den Gesellschaftern zu.

1

II. Anlagen zur Handelsregisteranmeldung Absatz 1 regelt in erster Linie, welche Anlagen der Anmeldung zum Handelsregister beizufügen sind. Das sind: –

Notarielle Niederschrift über die Gesellschafterversammlung mit dem Erhöhungsbeschluss in Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift.



Die der Erhöhung des Stammkapitals zugrunde gelegte, mit dem Bestätigungsvermerk der Prüfer versehene Bilanz.



Wird der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln eine Zwischenbilanz nach § 57f zugrunde gelegt, ist außerdem die letzte Jahresbilanz beizufügen, es sei denn, die letzte Jahresbilanz wurde bereits beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers eingereicht (§ 325 Abs. 1 HGB).



Versicherung sämtlicher Geschäftsführer nach Absatz 1 Satz 2, dass nach ihrer Kenntnis seit dem Stichtag der zugrunde gelegten Bilanz bis zum Tag der Anmeldung keine Vermögensminderung eingetreten ist, die der Kapitalerhöhung entgegenstünde, wenn sie am Tag der Anmeldung beschlossen worden wäre. Dieses Erfordernis ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass zwischen dem Bilanzstichtag der zugrunde gelegten Bilanz und der Anmeldung zum Handelsregister maximal acht Monate liegen können und insofern grundsätzlich die Gefahr besteht, dass zwischen dem letzten Bilanzstichtag und der Anmeldung zum Handelsregister eine Vermögensminderung eintritt, die dazu führt, dass das in Stammkapital umzuwandelnde Eigenkapital tatsächlich nicht mehr im Gesellschaftsvermögen vorhanden ist. Diese mögliche Lücke im Kapitalschutz soll durch die Versicherung der Geschäftsführer weitgehend geschlossen werden. Die Erklärung darf von den Geschäftsführern nicht ins Blaue hinein abgegeben werden; die Geschäftsführer haben zu prüfen, ob Vermögensminderungen eingetreten sind.1) Dann erst können sie die Versicherung abgeben. Es empfiehlt sich, die Versicherung in dem vom Gesetz vorgegebenen Wortlaut abzugeben.

_____________ 1)

Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 57i Rn. 5.

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2

§ 57i

Anmeldung und Eintragung des Erhöhungsbeschlusses

Weniger aussagekräftige Formulierungen wie „die Geschäftsführer gehen davon aus“ oder „die Entwicklung ist positiv“ genügen nicht den Anforderungen des Absatzes 1 Satz 2.

3



Der Wortlaut des Gesellschaftsvertrags in der nach Wirksamwerden der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln geltenden Fassung zusammen mit der Bestätigung des Notars gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2.



Abschrift der aktuellen notariellen Gesellschafterliste gemäß § 40 (§ 57 Abs. 3 Nr. 2 findet keine Anwendung).



Die Anmeldung muss durch sämtliche Geschäftsführer unterzeichnet (§ 78) und elektronisch in notariell beglaubigter Form beim Handelsregister eingereicht werden (§ 12 HGB).

Die Versicherung gemäß Absatz 1 Satz 2 haben die Geschäftsführer selbst abzugeben; Vertretung ist insoweit nicht möglich, da die Erklärung wegen des Straftatbestands in § 82 Abs. 1 Nr. 4 höchstpersönlich abzugeben ist. Bei der Anmeldung zum Handelsregister selbst ist Vertretung nach allgemeinen Regeln möglich (siehe § 57 Rn. 3 [M. Arnold/Born]).2) III. Prüfung durch das Registergericht und Eintragung

4

Das Registergericht hat die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln wie jede Satzungsänderung zu prüfen und zusätzlich die Beachtung der Vorgaben des §§ 57c ff zu prüfen. Aufgrund des Testats des Prüfers muss die Bilanz gemäß § 57i Abs. 3 vom Registergericht nicht geprüft werden. Das Registergericht hat – neben den sonstigen formellen und materiellen Anforderungen an den Kapitalerhöhungsbeschluss – lediglich den Ausweis der Rücklagen in der Bilanz nach § 57d Abs. 1, die Vorgaben von § 57d Abs. 2 und 3 sowie die strikte Einhaltung der Acht-MonatsFrist gemäß § 57e Abs. 1 zu prüfen.3) Im weiteren Verfahren bestehen keine Unterschiede zum Verfahren nach § 57a (siehe § 57a Rn. 3 [M. Arnold/Born]; bei behebbaren Mängeln hat Zwischenverfügung zu ergehen, bei nicht behebbaren Mängeln erfolgt Abweisung des Antrags). IV. Mängel des Kapitalerhöhungsbeschlusses

5

Ist der Kapitalerhöhungsbeschluss nichtig, sind die neuen Anteilsrechte auch bei – fehlerhafter – Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister nicht entstanden.4) Eine Heilung entsprechend § 242 Abs. 2 AktG drei Jahre nach Eintragung ist möglich.5) Da bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln keine Einlagen geleistet werden, kann § 77 Abs. 3 keine analoge Anwendung finden.6) Die Regelungen über die fehlerhafte Gesellschaft finden ebenso keine Anwendung.7) _____________ 2) 3) 4) 5) 6) 7)

Zum Streitstand Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 57i Rn. 2. Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 57i Rn. 8. Scholz-Priester, GmbHG, § 57i Rn. 18; Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 57i Rn. 13. Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 57i, Rn. 13. Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 57i Rn. 13. Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57i Rn. 18; Lutter/Hommelhoff-Lutter/ Kleindiek, GmbHG, § 57i Rn. 13; krit. Scholz-Priester, GmbHG, § 57i Rn. 17.

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§ 57j

Verteilung der Geschäftsanteile

Umstritten ist, ob bei Übertragung nichtiger Anteilsrechte an Dritte gutgläubiger Erwerb nach § 16 möglich ist.8) Sonstige Mängel des Eintragungsverfahrens, wie bspw. mangelhafte Prüfung (Nichterkennen der Überschreitung der Acht-MonatsFrist oder fehlende Versicherung nach Absatz 1 Satz 2), lassen die Wirksamkeit der Kapitalerhöhung unberührt und führen auch nicht zur Amtslöschung gemäß § 395 FamFG. Nachforderung von Unterlagen gemäß § 14 HGB durch das Registergericht ist auch nach Eintragung noch möglich. Falls die umgewandelten Rücklagen aufgrund falscher Bilanzierung oder mittlerweile eingetretener Verluste im Zeitpunkt der Anmeldung nicht (mehr) wie bilanziert vorhanden waren, kann das – mangels Einlagen und Übernahmeerklärungen – nicht zu einer Differenzhaftung der Gesellschafter führen. Die Kapitalerhaltung wird in einem solchen Fall über § 30 gesichert, der Ausschüttungen verbietet, bis der Wert des Gesellschaftsvermögens das neue Stammkapital wieder erreicht. V. Haftung der Geschäftsführer Eine vorsätzlich falsch abgegebene Erklärung ist gemäß § 82 Abs. 1 Nr. 4 strafbewehrt. Eine vorsätzlich falsche Erklärung kann zur Haftung gegenüber Gläubigern gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 82 Abs. 1 Nr. 4 führen. Gegenüber der GmbH gilt § 43 Abs. 2.

6

VI. Heilung verdeckter Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln Beschließt die Gesellschafterversammlung eine Barkapitalerhöhung, bei deren Durchführung keine Zahlungen der Gesellschaft an die GmbH geleistet werden, sondern nur Rücklagen in Stammkapital umgewidmet werden, kann das geheilt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass umwandlungsfähige Rücklagen tatsächlich vorhanden sind. Bei der Heilung sind die Anforderungen an die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln einzuhalten.9) _____________ 8) 9)

Dafür: Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57i Rn. 18; dagegen: Lutter/ Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 57i Rn. 13. Vgl. zu Einzelheiten Scholz-Priester, GmbHG, § 57i Rn. 19.

§ 57j Verteilung der Geschäftsanteile Michael Arnold/Felix Born

1

Die neuen Geschäftsanteile stehen den Gesellschaftern im Verhältnis ihrer bisherigen Geschäftsanteile zu. 2Ein entgegenstehender Beschluss der Gesellschafter ist nichtig. Literatur: Habel, Abtretung künftiger Aufstockungsbeträge bei Kapitalerhöhungen, GmbHR 2000, 267. Übersicht I. Allgemeines .......................................... 1 II. Erwerbende Gesellschafter ................. 3

III. Dingliche Rechte ................................. 4 IV. Nichtigkeitsfolge ................................. 5

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7

§ 57j I.

Verteilung der Geschäftsanteile

Allgemeines

1

Bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln erwerben die Gesellschafter die neuen Anteilsreichte ipso iure mit Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister. § 57j regelt, dass die bisherigen Gesellschafter die neuen Geschäftsanteile zwingend im Verhältnis ihrer bisherigen Geschäftsanteile erhalten. Diese Regelung gilt – anders als der Wortlaut nahelegt – nicht nur, wenn bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln neue Geschäftsanteile ausgegeben werden, sondern auch dann, wenn die Nennbeträge der schon bestehenden Geschäftsanteile aufgestockt werden.1)

2

Von der Regelung in § 57j Satz 1 kann auch mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter nicht abgewichen werden.2) Der Gegenmeinung ist zuzugeben, dass § 57j Satz 2 einen Nichtigkeitsgrund schafft, der – anders als andere Nichtigkeitsgründe – nicht durch ein korrespondierendes öffentliches Interesse (z. B. von Gläubigern) gedeckt ist. Trotzdem ist die gesetzgeberische Wertung zu akzeptieren. Wünschen die Gesellschafter eine von Satz 1 abweichende Verteilung, kann dieses Ergebnis durch rechtsgeschäftliche Veräußerungen nach Eintragung im Handelsregister unproblematisch erreicht werden.3) II. Erwerbende Gesellschafter

3

Die neuen Anteilsrechte entstehen automatisch mit Eintragung des Erhöhungsbeschlusses im Handelsregister in der Person, die zu diesem Zeitpunkt Gesellschafter ist.4) Umstritten ist, ob es insoweit auf die wirkliche Rechtslage oder die Eintragung in die Gesellschafterliste ankommt.5) Unstreitig ist, dass die Eintragung in die Gesellschafterliste Voraussetzung für die Ausübung von Gesellschafterrechten ist. Die Gesellschaft selbst nimmt an der Kapitalerhöhung teil, wenn sie eigene Geschäftsanteile hält (§ 57l Abs. 1). Falls vor der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln Geschäftsanteile ohne gleichzeitige Anpassung des Stammkapitals eingezogen wurden, verteilt sich der Erhöhungsbetrag auf die verbliebenden Geschäftsanteile.6) III. Dingliche Rechte

4

Mit der h. M. ist anzunehmen, dass sich dingliche Rechte im Zweifel auch auf die neuen Anteilsrechte erstrecken.7) Bei schuldrechtlichen Vereinbarungen wird die Vertragsauslegung in der Regel ergeben, dass eine Erstreckung, bspw. eines Vorkaufsrechts, auf die neuen Anteilsrechte vereinbart ist. Eine ausdrückliche Klarstellung in vertraglichen Vereinbarungen ist dringend anzuraten und üblich. _____________ 1) 2)

3) 4) 5)

6) 7)

Wicke, GmbHG, § 57j Rn. 1. OLG Dresden, NZG 2001, 756 f = DB 2001, 584 = AG 2001, 532; Wicke, GmbHG, § 57j Rn. 1, 3; Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 57j Rn. 6; Baumbach/ Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57j Rn. 4; a. A. Scholz-Priester, GmbHG, § 57j Rn. 3. OLG Dresden, NZG 2001, 756, 757 = DB 2001, 584 = AG 2001, 532. Habel, GmbHR, 2000, 267, 269; Wicke, GmbHG, § 57j Rn. 1. Für wirkliche Rechtslage: Wicke, GmbHG, § 57j Rn. 1; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 57j Rn. 1a; Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 57j Rn. 1 m. w. N; Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57j Rn. 1. Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 57j Rn. 3. Vgl. Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG, § 57j Rn. 2.

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Michael Arnold/Felix Born

§ 57k

Teilrechte; Ausübung der Rechte

IV. Nichtigkeitsfolge Die Nichtigkeitsfolge des Satzes 2 betrifft jedenfalls jene Teile des Kapitalerhöhungsbeschlusses, die gegen die Regelungen in Satz 1 verstoßen. Ob das zur Gesamtnichtigkeit führt, richtet sich nach § 139 BGB.8) Auch Umgehungen, wie z. B. direkte Abtretungsverpflichtungen im Erhöhungsbeschluss sind – anders als nachträgliche rechtsgeschäftliche Veräußerungen – vom Verbot des § 57j erfasst. Eine selbständige Abtretungsvereinbarung, wonach die Anteile aufschiebend bedingt auf die Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses anderweitig verteilt werden, wird vom Verbot aber nicht erfasst.9) Eine Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister trotz Verstoßes gegen § 57j Satz 1 führt gemäß § 242 Abs. 2 AktG analog nach drei Jahren zur Heilung. _____________ 8)

9)

5

OLG Dresden, NZG 2001, 756, 757 = DB 2001, 584 = AG 2001, 532, Scholz-Priester, GmbHG, § 57j, Rn. 6; Lutter/Hommelhoff-Lutter/Kleindiek, GmbHG, § 57j Rn. 8; Baumbach/Hueck-Zöllner/Fastrich, GmbHG, § 57j Rn. 4. Ähnlich Wicke, GmbHG, § 57j Rn. 3.

§ 57k Teilrechte; Ausübung der Rechte Michael Arnold/Felix Born

(1) Führt die Kapitalerhöhung dazu, dass auf einen Geschäftsanteil nur ein Teil eines neuen Geschäftsanteils entfällt, so ist dieses Teilrecht selbständig veräußerlich und vererblich. (2) Die Rechte aus einem neuen Geschäftsanteil, einschließlich des Anspruchs auf Ausstellung einer Urkunde über den neuen Geschäftsanteil, können nur ausgeübt werden, wenn Teilrechte, die zusammen einen vollen Geschäftsanteil ergeben, in einer Hand vereinigt sind oder wenn sich mehrere Berechtigte, deren Teilrechte zusammen einen vollen Geschäftsanteil ergeben, zur Ausübung der Rechte (§ 18) zusammenschließen. Übersicht I. Allgemeines ............