Globalismus und New Labour: Zur diskursiven Konstruktion von Globalisierungsprozessen im Großbritannien der Blair-Ära [1. Aufl.] 9783839417843

Diskursive Aspekte spielen in der Globalisierungsforschung bisher eine eher untergeordnete Rolle. Vor diesem Hintergrund

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German Pages 364 Year 2014

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Table of contents :
Inhalt
Abkürzungen
1. Einleitung
1.1 Vorbemerkung
1.2 Gegenstand, Zielstellung und Aufbau der Untersuchung
2. Theoretisch-methodische Überlegungen
2.1 Einleitung
2.2 Interdisziplinärer Ansatz und spezielle Eignung der Cultural Studies
2.3 Globalisierungstheorien
2.4 Konstruktivismus und Diskursanalyse
2.4.1 Einleitung
2.4.2 Kritische Diskursanalyse
2.4.3 Diskursbegriff
2.4.4 Diskursmodell
2.4.5 Textkorpus und Textanalyse
2.5 Postnationalismus und Postkolonialismus
2.6 Schlussbemerkung
3. Sprache, Macht, Wissen, Wahrheit, Ideologie und Repräsentation
3.1 Einleitung
3.2 Macht, Wissen und Wahrheit
3.3 Ideologie
3.4 Repräsentation und die Rolle des/der kritischen Intellektuellen
4. Der Globalisierungsbegriff
4.1 Einleitung
4.2 Globalisierung und Globalität
4.3 Globalisierung oder Amerikanisierung?
4.4 Globalisierung, Zeit-Raum-Kompression und flexible Akkumulation
4.5 Technologischer Fortschritt und Wissensgesellschaft
4.5.1 Einleitung
4.5.2 Technologischer Fortschritt als Motor der Globalisierung
4.5.3 Wissensgesellschaft
4.5.4 Geistige Eigentumsrechte
4.6 Globalisierung und Nationalstaat
5. Das Konzept des Globalismus
5.1 Einleitung
5.2 Globalismus, Globalisierung und Imperialismus
5.2.1 Einleitung
5.2.2 Imperialismus und Globalisierung
5.2.3 Globalismus und Orientalismus
5.3 Globalismus als diskursive Formation
6. New Times, Globalisierung und die Entstehung von New Labour
6.1 Einleitung
6.2 New Times und die ›Thatcher-Revolution‹
6.3 Die ›Revolution‹ des Subjekts
6.4 Labour Party und Gewerkschaften
6.5 Der Third Way und Labours Rückkehr an die Macht
7. Globalismus und Ökonomie
7.1 Einleitung
7.2 Ökonomische Freiheit, Marktwirtschaft und Rolle des Staates
7.3 Ökonomische Integration, Freihandel, sozialer Fortschritt und Demokratie
7.4 Kapital und Arbeit
7.5 Marktwirtschaft und Umweltfragen
7.6 Finanzwelt
8. Globalismus und Wohlfahrtsstaat
8.1 Einleitung
8.2 Kapitalismus und Wohlfahrtsstaat
8.3 New Labour und die Modernisierung des Wohlfahrtsstaates
8.4 Modernisierung des Wohlfahrtsstaates: Abbau oder Umbau?
9. Globalismus und Internationale Beziehungen
9.1 Einleitung
9.2 Die Notwendigkeit einer neuen internationalen Ordnung
9.3 Blair und Bush: Forces for Good?
9.3.1 Einleitung
9.3.2 Gemeinschaft, Werte, Verantwortung und nationale Interessen
9.3.3 Modellcharakter des westlichen Gesellschaftsentwurfes
9.3.4 Globaler Interventionismus und Souveränitätsbegriff
10. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Statistische Übersichten
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Globalismus und New Labour: Zur diskursiven Konstruktion von Globalisierungsprozessen im Großbritannien der Blair-Ära [1. Aufl.]
 9783839417843

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Holger Rossow Globalismus und New Labour

Holger Rossow (PD Dr. phil. habil.) lehrt Cultural Studies an der Universität Rostock.

Holger Rossow

Globalismus und New Labour Zur diskursiven Konstruktion von Globalisierungsprozessen im Großbritannien der Blair-Ära

Zugleich: Habilitation, Philosophische Fakultät der Universität Rostock, 2011.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2011 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Lektorat & Satz: Holger Rossow Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1784-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Abkürzungen | 9 1.

Einleitung | 11

1.1 Vorbemerkung | 11 1.2 Gegenstand, Zielstellung und Aufbau der Untersuchung | 15 2.

Theoretisch-methodische Überlegungen | 19

2.1 Einleitung | 19 2.2 Interdisziplinärer Ansatz und spezielle Eignung der Cultural Studies | 20 2.3 Globalisierungstheorien | 22 2.4 Konstruktivismus und Diskursanalyse | 24 2.4.1 Einleitung | 24 2.4.2 Kritische Diskursanalyse | 28 2.4.3 Diskursbegriff | 29 2.4.4 Diskursmodell | 34 2.4.5 Textkorpus und Textanalyse | 35 2.5 Postnationalismus und Postkolonialismus | 36 2.6 Schlussbemerkung | 39 3.

Sprache, Macht, Wissen, Wahrheit, Ideologie und Repräsentation | 41 Einleitung | 41 Macht, Wissen und Wahrheit | 43 Ideologie | 49

3.1 3.2 3.3 3.4 Repräsentation und die Rolle des/der kritischen Intellektuellen | 56 4.

4.1 4.2 4.3 4.4

Der Globalisierungsbegriff | 63 Einleitung | 63 Globalisierung und Globalität | 66

Globalisierung oder Amerikanisierung? | 71 Globalisierung, Zeit-Raum-Kompression und flexible Akkumulation | 79 4.5 Technologischer Fortschritt und Wissensgesellschaft | 88 4.5.1 Einleitung | 88 4.5.2 Technologischer Fortschritt als Motor der Globalisierung | 90 4.5.3 Wissensgesellschaft | 93 4.5.4 Geistige Eigentumsrechte | 98 4.6 Globalisierung und Nationalstaat | 102

5.

Das Konzept des Globalismus | 113

5.1 Einleitung | 113 5.2 Globalismus, Globalisierung und Imperialismus | 115 5.2.1 Einleitung | 115 5.2.2 Imperialismus und Globalisierung | 116 5.2.3 Globalismus und Orientalismus | 122 5.3 Globalismus als diskursive Formation | 130 6.  New Times, Globalisierung und die Entstehung von New Labour | 137 6.1 Einleitung | 137 6.2 New Times und die ›Thatcher-Revolution‹ | 139 6.3 Die ›Revolution‹ des Subjekts | 142 6.4 Labour Party und Gewerkschaften | 147 6.5 Der Third Way und Labours Rückkehr an die Macht | 153 7.  Globalismus und Ökonomie | 159 7.1 Einleitung | 159

7.2 Ökonomische Freiheit, Marktwirtschaft und Rolle des Staates | 162 7.3 Ökonomische Integration, Freihandel, sozialer Fortschritt und Demokratie | 172 7.4 Kapital und Arbeit | 182 7.5 Marktwirtschaft und Umweltfragen | 196 7.6 Finanzwelt | 213 8.  Globalismus und Wohlfahrtsstaat | 223 8.1 Einleitung | 223 8.2 Kapitalismus und Wohlfahrtsstaat | 226

8.3 New Labour und die Modernisierung des Wohlfahrtsstaates | 235 8.4 Modernisierung des Wohlfahrtsstaates: Abbau oder Umbau? | 239 9.  Globalismus und Internationale Beziehungen | 247 9.1 Einleitung | 247 9.2 Die Notwendigkeit einer neuen internationalen Ordnung | 251 9.3 Blair und Bush: Forces for Good? | 256 9.3.1 Einleitung | 256

9.3.2 Gemeinschaft, Werte, Verantwortung und nationale Interessen | 259 9.3.3 Modellcharakter des westlichen Gesellschaftsentwurfes | 269 9.3.4 Globaler Interventionismus und Souveränitätsbegriff | 273 10. Zusammenfassung | 287

Literaturverzeichnis | 315 Statistische Übersichten | 353



Abkürzungen

APEC BSP CBI CDA CGG Defra EAA EFN EFW-Index EFWP EU FAO FRJ FSA FSBR GDP GFATM GTN HDR HSFK IEA IFS IMF IPR MDGs NAFTA NGO NSS OECD PNAC TNC TRIPS TULO

Asia Pacific Economic Co-operation Bruttosozialprodukt Confederation of British Industry Critical Discourse Analysis Commission on Global Governance Department for Environment, Food and Rural Affairs External Assistance to Agriculture Economic Freedom Network Economic Freedom of the World Index Economic Freedom of the World Project Europäische Union/European Union Food and Agriculture Organization of the United Nations Föderale Republik Jugoslawien Financial Services Authority Financial Statement and Budget Report Gross Domestic Product Global Fund to Fight AIDS, Tuberculosis and Malaria Global Trade Negotiations Human Development Report Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung Institute of Economic Affairs Institute for Fiscal Studies International Monetary Fund Intellectual Property Right Millennium Development Goals North American Free Trade Agreement Non-governmental Organisation National Security Strategy Organisation for Economic Cooperation and Development Project for the New American Century Transnational Corporation Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights Trade Union & Labour Party Liaison Organisation

10 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

UNCTAD UNO WEF WTO WWW

United Nations Conference of Trade and Development United Nations Organisation World Economic Forum World Trade Organisation World Wide Web

Anmerkung: Zur Vermeidung von Missverständnissen durch die Verwendung von Abkürzungen in Zitaten werden für die internationalen Organisationen in der gesamten Untersuchung die üblichen englischen Abkürzungen verwendet.

1. Einleitung

1.1 V ORBEMERKUNG Der Fall der Berliner Mauer 1989 und das Ende des Kalten Krieges beseitigten zahlreiche politische, ökonomische und kulturelle Barrieren, die im Ergebnis des Zweiten Weltkrieges aufgerichtet worden waren. Am Beginn des neuen Jahrtausends steht die gesamte Welt für viele BeobachterInnen scheinbar am Beginn einer neuen Entwicklungsphase, die gekennzeichnet ist durch rapide weltweite Veränderungen und sich intensivierende wechselseitige Verknüpfungen, Bedingtheiten und Abhängigkeiten, die in der Regel unter dem Begriff der Globalisierung subsumiert werden. Diese Globalisierung erfasst die Gesellschaft in nahezu allen Bereichen, wobei das Spektrum von der internationalen Wirtschafts- und Finanzwelt über die Beziehungen zwischen verschiedenen Ländern und Kulturen bis hin zu Veränderungen in der persönlichen Arbeitswelt reicht. Die durch Zeit und Raum gesetzten Grenzen haben durch eine neue Phase der Zeit-Raum-Kompression in den letzten Dekaden des 20. Jahrhunderts weiter an Bedeutung verloren. Gleichzeitig findet aber auch eine Fragmentierung von Produktionsprozessen, Arbeitsmärkten, politischen Strukturen und Gesellschaften statt: »So, while globalization has positive, innovative, dynamic aspects – it also has negative, disruptive, marginalizing aspects.«1 Kein Staat kann sich diesen Entwicklungen entziehen. Tony Blair, britischer Premierminister von 1997-2007, kann stellvertretend für jene stehen, die Globalisierung als einen komplexen Prozess auffassen beziehungsweise darstellen, der zwar auch mit Gefahren und neuen Herausforderungen verbunden, aber grundsätzlich positiv und beherrschbar ist. In seiner »Doctrine of the International Community« weist er 1999 darauf hin, dass die globalen Veränderungen sich nicht im Ende des Kalten Krieges, technologischen Innovationen oder der Verbreitung von Demokratie erschöpfen: »I believe the world has changed in a more fundamental way. Globalisation has transformed our economies and our working practices. But globalisation is not just economic. It is also a political and security phe-

1

UNDP 1999, 25.

12 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

nomenon.«2 In einer solcherart veränderten Welt hat für Blair Isolationismus keinen Platz mehr, und internationale Kooperation ist nicht länger eine mögliche Option, sondern eine Notwendigkeit, der sich niemand entziehen kann: »We live in a world where isolationism has ceased to have a reason to exist. By necessity we have to co-operate with each other across nations.«3 Unter den Bedingungen einer zunehmend interdependenten Welt wird internationale Kooperation von Blair als Voraussetzung für Wohlstand, politische Innovation und Sicherheit beschrieben: »We are all internationalists now, whether we like it or not. We cannot refuse to participate in global markets if we want to prosper. We cannot ignore new political ideas in other countries if we want to innovate. We cannot turn our backs on conflicts and the violation of human rights within other countries if we want still to be secure.«4

Die enthusiastische Annahme der Idee der Globalisierung als Weg vorwärts nicht nur für Großbritannien und Europa, sondern die gesamte Welt zumindest durch die im Untersuchungszeitraum dominanten Kräfte in der Labour Party war Teil ihres Projektes, sich als eine grundlegend modernisierte Partei darzustellen, die bereit ist für die neuen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Die vorliegende Untersuchung analysiert das Verhältnis zwischen New Labour als Regierungspartei und ausgewählten Aspekten der Globalisierung sowie des flankierenden Globalisierungsdiskurses, wobei New Labour als Regierungspartei beziehungsweise Großbritannien in einem übernationalen Bezugssystem sowohl als wichtige Akteure dieser Prozesse als auch als Betroffene verstanden werden. Dieses Bezugssystem ist für Lee eine Welt, »in which the local, national, and transnational are increasingly intertwined, whether it be the production of commodities, social movements, or ideas and values in Hong Kong, New York, or Moscow […] The forces behind this internationalization are increasingly outside direct state control, and yet they form the dynamic edge for changes all over the world.«5

Dass sich bestimmte Prozesse bis zu einem gewissen Grade direkter nationalstaatlicher Kontrolle entziehen, bedeutet aber nicht mit Notwendigkeit, dass diese unmöglich geworden ist – auch wenn dies von PolitikerInnen gelegentlich suggeriert wird. Großbritannien, aber auch die anderen europäischen Akteure, Japan, China und vor allem die USA sind nicht nur passiv in dieses Bezugssystem eingebettet und von ihm quasi fremdbestimmt. Viel-

2 3 4 5

Blair 1999b, o.S. Ebenda. Ebenda. Lee 1996, 217.

E INLEITUNG | 13

mehr stellen sie gleichzeitig die wichtigsten Akteure im Prozess der Globalisierung dar: sie ›produzieren‹ ein sich ständig veränderndes Bezugssystem, in dem sie agieren und auf das sie reagieren. Die Globalisierung wird – dies ist die zentrale Prämisse dieser Untersuchung – als Prozess betrachtet, der sich weder auf einzelne Ursachen noch auf isolierte Folgen in begrenzten Bereichen reduzieren lässt. Unter den BefürworterInnen der Globalisierung dominiert die Auffassung, dass die Welt sich in einem Prozess zunehmender Integration befindet, der zwar primär von den Kräften des Marktes getrieben, aber mit Notwendigkeit zu ökonomischem Fortschritt und einer besseren Welt für eine immer größere Anzahl von Menschen und Ländern führen wird. Für kritische BeobachterInnen hingegen dominieren im Globalisierungsprozess die ökonomischen und finanziellen Interessen einer sehr kleinen sozialen Schicht. Zudem wird der Prozess aus ihrer Sicht von einer sehr begrenzten Gruppe von Ländern zum Nachteil der Mehrheit dominiert. Keine dieser Simplifizierungstendenzen wird aber der Komplexität der Globalisierung gerecht, und zugleich verstellen sie den Blick sowohl auf die vorhandenen Gefahren als auch die Chancen. Aber auch die Anerkennung des generell zwiespältigen Charakters bestimmter Globalisierungsprozesse greift nicht weit genug. Sie vernachlässigt die Tatsache, dass konkrete Prozesse sehr verschiedene Konsequenzen in unterschiedlichen Kontexten, für unterschiedliche Länder und für unterschiedliche soziale Schichten in bestimmten Ländern zeitigen. Die enorme Vielfalt von Verlaufsbedingungen (ökonomisch, politisch, technologisch, sozial, ökologisch und kulturell) wird nicht einmal ansatzweise erfasst. Der Untersuchung liegt die Annahme zugrunde, dass analytisch zwischen den Prozessen, die gemeinhin unter dem Begriff Globalisierung subsumiert werden, sowie dem korrespondierenden Globalisierungsdiskurs unterschieden werden muss und dass Letzterer mehr kritische Aufmerksamkeit verdient, als ihm bisher zuteil geworden ist. Für eine gezielte theoretische Durchdringung und konkrete Analyse des Globalisierungsdiskurses wird in dieser Untersuchung das Konzept des Globalismus entwickelt. Dem Konzept ist zwar ein gesondertes Kapitel gewidmet,6 es soll aber, da es eine der entscheidenden Grundlagen für die gesamte Untersuchung darstellt, hier knapp skizziert werden. Globalismus wird verstanden als ein Diskurs, der (i) den Anspruch erhebt, autoritative Beschreibungen und Erklärungen für die gegenwärtig unter dem Begriff der Globalisierung subsumierten Prozesse und Phänomene bereitzustellen, der (ii) einen aktiven Beitrag zur Ausgestaltung der Globalisierung leistet und (iii) seinerseits permanent in Wechselwirkung mit fortschreitenden Globalisierungsprozessen modifiziert wird. Der Globalismus ist nicht identisch mit der Gesamtheit der Diskurse, die einen wie auch immer gearteten Bezug zur Globalisierung haben – es ist also zwischen Globalismus und Globalisierungsdiskursen zu differenzieren. Globalismus ist so-

6

Vgl. Kap. 5.

14 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

mit ein Diskurs, der in einer ganz konkreten historischen Situation ›Wissen‹ über Globalisierungsprozesse produziert, in vermittelter Weise im Sinne eines sozialen Konstruktivismus Wirklichkeit konstituiert und in den immer auch gesellschaftliche Machtkonstellationen eingeschrieben sind.7 Im Zentrum des Globalismus stehen vermeintlich neutrale und objektive Repräsentationen einer globalisierten Welt, der künftig zu erwartenden Veränderungen und ihrer Ursachen sowie der daraus erwachsenden Konsequenzen und Notwendigkeiten, wobei die unterschiedlichen Argumente um einen ökonomischen Kern herum organisiert sind.8 So wird beispielsweise für die Länder der sogenannten Dritten Welt üblicherweise eine Modernisierungsnotwendigkeit proklamiert, um sie in die Lage zu versetzen, am globalen ökonomischen und sozialen Fortschritt zu partizipieren. ›Fortschritt‹ wird dabei als eine Funktion von freier Marktwirtschaft, Freihandel und Demokratie definiert, wobei letztere nicht unabdingbar ist, solange Stabilität gewährleistet werden kann, d.h. die Sicherheit von Eigentum und ausländischen Investitionen. Charakteristisch ist eine nur sehr schwach ausgeprägte Berücksichtigung konkreter historischer Umstände, kultureller Besonderheiten sowie unterschiedlicher Traditionen, Werte- und Glaubenssysteme sowie spezifischer Bedürfnisse, die diese Länder auszeichnen. Es gibt zwar zahlreiche Lippenbekenntnisse zu der Notwendigkeit, die Unterschiedlichkeit der von der Globalisierung betroffenen Länder zu berücksichtigen, aber diese koexistieren mit der Überzeugung, dass die Anwendung gleicher Maßnahmen in unterschiedlichsten Kontexten zu gleichen oder zumindest ähnlichen Ergebnissen führen würde. Aus dieser Begriffsbestimmung erwachsen für die Analyse des Verhältnisses von Globalisierung und Globalismus u.a. folgende Fragen: Wie wird das ›Wissen‹ über Globalisierungsprozesse in Diskursen produziert, zirkuliert, bewahrt, artikuliert oder disartikuliert, und welche Rolle spielen dabei Machtkonstellationen? Wie entwickeln konkrete Akteure bestimmte Präferenzen, und in welcher Weise reflektieren diese Präferenzen unterschiedliche (insbesondere ökonomische) Interessen? In welcher Beziehung steht die Herausbildung dieser Präferenzen zu politischen, ökonomischen und kulturellen Rahmenbedingungen, in denen die Akteure verortet sind? Welchen Einfluss hat das als Bestandteil des Globalismus produzierte und zirkulierte ›Wissen‹ über Globalisierungsprozesse auf deren aktive Ausgestaltung?

7 8

Zum Konzept des sozialen Konstruktivismus vgl. S. 25ff. Eine detaillierte Analyse der Kernelemente des Globalismus wird im Abschnitt 5.3 vorgenommen.

E INLEITUNG | 15

1.2 G EGENSTAND , Z IELSTELLUNG UND AUFBAU DER U NTERSUCHUNG Mittlerweile liegen zahllose Untersuchungen unterschiedlicher Disziplinen zu verschiedensten Aspekten des Globalisierungsprozesses und auch zu New Labour vor. Bisher fehlen jedoch systematische Untersuchungen des Zusammenhangs zwischen Globalisierungsprozessen, den sie ›begleitenden‹ Diskursen sowie der Aufnahme und aktiven Mitgestaltung dieser Diskurse durch New Labour. Eine Ausnahme stellt New Labour, New Language von Fairclough dar, in dem zwar bestimmte Teilaspekte der hier behandelten Problematik untersucht werden (u.a. Third Way, Kosovo), es ihm aber nicht primär um eine Analyse des Verhältnisses von Globalisierung und Globalisierungsdiskursen geht.9 Im Folgenden wird der Versuch unternommen, zentrale Aspekte der Globalisierung und des Globalismus sowie ihres Verhältnisses zueinander mit speziellem Fokus auf Großbritannien und die ersten zehn Regierungsjahre von New Labour an der Wende zum 21. Jahrhundert zu analysieren. Dabei wird nicht etwa die Erfassung möglichst vieler Aspekte angestrebt, sondern vielmehr eine Konzentration auf jene Bereiche und Fragestellungen, die als Teile des globalen Kontextes besonders relevant für die Untersuchung Großbritanniens sowie der Entwicklung und gegenwärtigen Positionierung der Labour Party erscheinen. Es ist ferner nicht das Ziel, die Annahmen, Behauptungen und ›Glaubenssätze‹, die das Korpus des Globalismus ausmachen, systematisch zu widerlegen. Schon der Versuch würde implizieren, dass es sich beim Globalismus lediglich um den Versuch des Betruges, der Desinformation oder der Manipulation durch eine beziehungsweise im Interesse einer ganz bestimmten Gruppe handelt. Der Globalismus ist aber eben nicht eine monolithische Ideologie, die im Sinne marxistischer Orthodoxien als bloßer Ausdruck von Klasseninteressen begriffen werden kann. Die Zielstellung besteht vielmehr in einer kritischen und kontextspezifischen Untersuchung konkreter Teilbereiche und Elemente des Globalismus, ihrer historischen Einordnung und, wo möglich, dem Aufzeigen diskursiver Alternativen zu bestimmten Elementen des Globalismus. Eine weitere zentrale Komponente der Untersuchung ist der Versuch der Entwicklung eines neuen interdisziplinären Forschungsansatzes, der geeignet ist, Globalisierung und Globalismus als mehrdimensionale Phänomene zu erfassen, zu deren Analyse unterschiedliche Einzeldisziplinen zwar ihren jeweiligen Beitrag leisten können, ohne aber der Komplexität des Gegenstandes gerecht zu werden. Notwendig erscheint u.a. eine ganz spezifische Repolitisierung der Cultural Studies zumindest für den Bereich der Globalisierungsstudien. Diese beinhaltet einerseits sowohl auf der nationalen als auch auf der globalen Ebene eine stärkere Einbettung kultureller Phänomene und Prozesse in diskursive, politische, soziale und ökonomische Kontexte 9

Fairclough 2001.

16 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

und andererseits eine neuerliche Integration ökonomischer Fragestellungen, ohne jedoch wieder in ökonomischen Reduktionismus beziehungsweise Determinismus zu verfallen. Der pragmatische Aspekt einer solchen Herangehensweise wurde von Grossberg 1996 beschrieben, der darauf hinwies, dass die Cultural Studies ihre theoretische Adäquatheit nicht in akademischen oder eng gefassten epistemologischen Begriffen definieren. Kriterien ihrer Bewertung seien vielmehr ihre Beziehungen zu und die Ermöglichung von Interventionen in den Praktiken, Strukturen und Kämpfen der gegenwärtigen Welt. Dabei geht es nicht um einen Anspruch auf Totalität oder Universalität, sondern vorrangig um ein besseres Verständnis unserer Realitäten und die Eröffnung von Alternativen: »[S]o that we can get somewhere else (some place, we hope, that is better – based on more just principles of equality and the distribution of wealth and power), so that we can have a little more control over the history that we are already making.«10 Der Aufbau der Untersuchung reflektiert aber nicht nur diesen pragmatischen Aspekt und die Spezifik des Untersuchungsgegenstandes, sondern auch die im Kapitel 2 genauer beschriebenen theoretisch-methodischen Überlegungen. Dabei wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass die Untersuchung des Verhältnisses von Globalisierung und Globalismus einerseits eine klare und nachvollziehbare theoretisch-methodische Differenzierung der jeweiligen Herangehensweise an die beiden Phänomene erfordert und andererseits auch das Verhältnis zwischen den beiden und die Rolle von New Labour nicht aus dem Fokus geraten dürfen. Im Kapitel 2 werden die hier schon kurz umrissenen theoretischmethodischen Probleme detailliert erläutert. Den Ausgangspunkt bildet dabei die Überzeugung, dass die hier zu untersuchende Problematik eine interdisziplinäre Herangehensweise zwingend erfordert und die Cultural Studies im Zusammenspiel mit anderen Disziplinen dafür besonders geeignet sind. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei der vorliegenden Untersuchung um eine interdisziplinäre Analyse handelt und dass von potenziellen RezipientInnen mit sehr unterschiedlichem disziplinären Hintergrund ausgegangen wird, werden die verwendeten Theorie- und Methodenansätze stärker expliziert als dies vielleicht in einer disziplinären Untersuchung erforderlich wäre.11 Diese Notwendigkeit wird noch dadurch verstärkt, dass die Vorgehensweise bei der Analyse der Globalisierung nicht unbedingt im Forschungs-Mainstream angesiedelt ist. Soweit es die Untersuchung des Globalismus betrifft, wird zwar auf relativ etablierte Theorien und Methoden zurückgegriffen, aber das hier entwickelte Konzept des Globalismus ist zumindest in dieser systematischen Form neu.

10 Grossberg 1996a, 179-180. 11 Diese grundsätzliche Überlegung beeinflusst auch die Darstellungsweise der Untersuchung insgesamt.

E INLEITUNG | 17

Das dritte Kapitel stellt eine Ergänzung und Weiterung der theoretischen Überlegungen im Kapitel 2 dar und ist auf die Diskussion der für diese Untersuchung zentralen Begriffe Sprache, Macht, Wissen, Wahrheit, Ideologie und Repräsentation fokussiert. Die Notwendigkeit einer Klärung dieser Begriffe sowie der zwischen ihnen bestehenden Beziehungen erwächst sowohl aus ihrer Bedeutung für die Analyse des Globalismus als auch dem interdisziplinären Charakter dieser Untersuchung. Da eine ausführliche Darstellung den Rahmen dieser Untersuchung sprengen würde, werden nur jene Aspekte berücksichtigt, die für die Analyse und das Verständnis des Verhältnisses von Globalismus und Globalisierung als unerlässlich erachtet werden. Die Kapitel 4 und 5 sind der Klärung der zentralen Begriffe Globalisierung und Globalismus gewidmet. Sie bilden zusammen mit den Kapiteln 2 und 3 die Grundlage für die konkreten Analysen in den Kapiteln 7, 8 und 9. Im Kapitel 4 werden die Begriffe Globalisierung und Globalität präzisiert, die hier präferierten Konzeptualisierungen werden entwickelt und wesentliche Teilbereiche der Globalisierung werden erläutert. Dies erscheint nicht nur angesichts der Vielfalt von Globalisierungsprozessen, der Unterschiedlichkeit der von ihnen betroffenen Staaten, gesellschaftlichen Schichten und Individuen notwendig, sondern auch vor dem Hintergrund des breiten Spektrums möglicher Ausdeutungen des Begriffes Globalisierung in der Globalisierungsdebatte sowohl in unterschiedlichen als auch innerhalb einzelner Disziplinen. Das Kapitel 5 wendet sich dem Problem des Globalismus zu. Den Ausgangspunkt bildet die bereits oben erwähnte Überzeugung, dass theoretisch und analytisch zwischen den unter dem Begriff der Globalisierung subsumierten Prozessen, die in der Tendenz zur Entstehung eines globalen sozialen Raumes führen, und den korrespondierenden Globalisierungsdiskursen unterschieden werden muss, diese aber eng miteinander verwoben sind. Es wird untersucht, welcher Natur diese Korrelationen sind, wie sie theoretisch adäquat durchdrungen und konkret analysiert werden können. Zu diesem Zweck wird das bereits weiter oben erwähnte Konzept des Globalismus entwickelt. Im Kapitel 6 wird die historische Dimension des Phänomens New Labour in den Mittelpunkt der Untersuchung gerückt. Im Zentrum stehen dabei neben der zumindest in der britischen Forschungslandschaft einflussreichen Idee der New Times die ›Thatcher-Revolution‹ und die sogenannte Revolution des Subjekts. Es wird gezeigt, dass alle drei Phänomene ganz entscheidenden Einfluss auf die konkrete Ausprägung von New Labour hatten. Die Analyse der Rückkehr von Labour an die Macht wird ergänzt durch eine Diskussion der Implikationen des Verhältnisses der Partei zu den Gewerkschaften und der Bedeutung des Konzepts des Third Way für das Gesellschafts- und Politikverständnis von New Labour. In den Kapiteln 7 - 9 wird die konkrete Ausprägung des Globalismus analysiert. Dabei wird jeweils eingebettet in eine allgemeine Diskussion des Globalisierung-Globalismus-Nexus die konkrete Rolle von New Labour bei

18 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

der Rezeption und Produktion des Globalismus untersucht. Dabei geht es nicht vorrangig um eine umfassende Analyse der ausgewählten Teilaspekte (Ökonomie, Wohlfahrtsstaat und internationale Beziehungen), die jeweils selbständige Untersuchungen erfordern würden, sondern vielmehr um ein exemplarisches Aufzeigen des Charakters des Globalismus, seiner Funktion für die Ausgestaltung der Globalisierung und der Rolle von New Labour.

2. Theoretisch-methodische Überlegungen

2.1 E INLEITUNG Alleiniger Ausgangspunkt für die Selektion der theoretischen und methodischen Ansätze ist die Komplexität des Untersuchungsgegenstandes, der in vielfacher Weise ein Überschreiten tradierter Grenzen von Einzeldisziplinen nicht nur wünschenswert erscheinen lässt, sondern zwingend erfordert. Der äußerst heterogene Forschungsgegenstand bestimmt also die theoretischen und methodischen Ansätze, die für die Untersuchung herangezogen wurden. Diese problem- und gegenstandsorientierte Arbeitsweise unterscheidet sich von einer fachorientierten, bei der häufig die tradierten Theorien und Methoden a priori die Auswahl beziehungsweise den Ausschluss bestimmter Aspekte des Untersuchungsgegenstandes nach sich ziehen. Jede Disziplin versucht, durch die Definition und Abgrenzung ›ihres‹ Untersuchungsgegenstandes nicht zuletzt auch ihre eigenständige Position und Daseinsberechtigung sowohl in der Wissenschaftslandschaft als auch in den akademischen Strukturen zu begründen. Mit Blick auf die Problematik disziplinärer Arbeit und der Untersuchung globaler Prozesse in ihren Auswirkungen auf heutige Gesellschaften weist Lee zu Recht darauf hin, dass gegenwärtige kulturelle Phänomene »are not neatly subsumable under disciplinary categorizations […]. When coupled with the view that the nation-state is the basic unit of social and cultural analysis, this has produced a situation in which the current methodological and theoretical frameworks are increasingly counterproductive for the analysis of non-state interactions, especially those which draw on processes with different spatio-temporal flows and organizations.«1

Die Lösung für die von Lee beschriebenen Probleme liegt also in einem inter- beziehungsweise transdisziplinären Ansatz, der aber seinerseits, wenn er

1

Lee 1996, 221.

20 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

nicht nur behauptet, sondern auch konsequent angewandt wird, ebenfalls zu gravierenden Schwierigkeiten führt. Diese werden noch dadurch verschärft, dass es in dieser Untersuchung nicht ›nur‹ um Globalisierung oder Globalismus geht, sondern um das Verhältnis der beiden Phänomene zueinander und die Rolle, die New Labour in diesem Spannungsfeld spielt. Selbst dann, wenn man sich auf Globalisierung konzentriert, wird schnell deutlich, dass unterschiedliche Disziplinen stark abweichende und teilweise konfligierende Vorstellungen von der ›Realität‹ der Globalisierung entwickelt haben. So beschreibt Nederveen Pieterse Globalisierung als ein multidimensionales Phänomen, das in den verschiedenen Gesellschaftswissenschaften ganz unterschiedlich konzeptualisiert wird: »Thus in social science there are as many conceptualizations of globalization as there are disciplines.«2 Für ihn können die verschiedenen Phänomene, denen sich die unterschiedlichen Disziplinen zuwenden, nur »in terms of an open-ended synthesis of several disciplinary approaches«3 verstanden werden, wobei die Gesellschaftswissenschaften bestimmte Bereiche wie Technologie, Umwelt und Landwirtschaft gar nicht adäquat abdecken können. Die komplexe Beziehung zwischen dem Charakter der Globalisierung und disziplinären Strukturen wird von Hay und Marsh, die einen interdisziplinären Ansatz fordern, folgendermaßen beschrieben: »[A]n account which privileges (empirically or, worse still, causally) one ›moment‹ (whether social, cultural, political or economic) can but only fail to capture the complexity and contingency of contemporary change.«4 Soweit es den Begriff beziehungsweise das Konzept des Globalismus betrifft, sind die Probleme etwas anders gelagert. Der Begriff wird entweder gar nicht verwendet, verweist auf völlig andere Phänomene oder wird in einem deutlich anderen Sinne verwendet.5 Im Folgenden werden der interdisziplinäre Ansatz und die in der Untersuchung zentralen methodisch-theoretischen Ansätze knapp umrissen und ihre Auswahl begründet.

2.2 I NTERDISZIPLINÄRER ANSATZ UND SPEZIELLE E IGNUNG DER C ULTURAL S TUDIES Interdisziplinarität wird hier in einem Sinne verstanden, der über die traditionelle Vorstellung hinausgeht, dass Interdisziplinarität lediglich eine »(re-)combination of methods from several academic disciplines in the pursuit of an overarching research project«6 sei. Grossberg betont mit Blick auf 2 3 4 5 6

Nederveen Pieterse 1995, 45. Ebenda. Hay and Marsh 2000, 3. Vgl. Abschnitt 5.3. Lenz 1999, 19.

T HEORETISCH - METHODISCHE Ü BERLEGUNGEN | 21

die Praxis der Cultural Studies, dass diese die permanente Herausforderung einer Neudefinierung ihrer selbst beinhalte: »[I]n response to changing geographical and historical conditions and to changing political demands; it involves making a home for it within specific disciplines even as it challenges the legitimacy of the disciplinization of intellectual work.«7 Die Cultural Studies erscheinen daher in besonderer Weise geeignet, sich der hier untersuchten komplexen Fragestellung anzunähern. Das in dieser Untersuchung zugrunde gelegte Verständnis der Cultural Studies lehnt sich u.a. an Grossberg an, der diese als ein »particular project and practice« betrachtet, als »a contested field«. Für ihn sind die Cultural Studies im normativen, nicht aber deskriptiven Sinne »an academic practice of strategically deploying theory to gain knowledge which can help reconstitute political strategies. It seeks a politics based on a new kind of authority, posed in the face of relativism, cynicism, and conservatism.«8 In diesem Zusammenhang steht auch die von Hall betonte »attention [of Cultural Studies] to all those voices, positions, experiences which have been ruled out of any dominant intellectual and political formation«.9 Angesichts der Spezifik des Untersuchungsgegenstandes erscheint ein Forschungsansatz erforderlich, der beispielsweise weder die ökonomische Dimension der Globalisierung vernachlässigt noch die Analyse internationaler Beziehungen oder sich wandelnder institutioneller Strukturen. Ein solcher Ansatz strebt jedoch keine Aufhebung traditioneller Grenzen zwischen den Disziplinen an, versteht die Cultural Studies also nicht als Metadisziplin oder -theorie und folgt auch nicht dem (post)modernen Trend, soziale und kulturelle Veränderungen als Folge eines vermeintlich unkontrollierbaren Globalisierungsprozesses zu verstehen.10 Für die wissenschaftliche Praxis bedeutet dies aus der Sicht von Grossberg aber nicht, »that the cultural studies scholar knows the other disciplines (effectively becoming multidisciplinary) but that, whenever necessary, he or she draws on the disciplines, critically and reflectively appropriating the most useful knowledge«.11 Mit Blick auf die Legitimität der Cultural Studies gegenüber den traditionellen Disziplinen argumentiert Robbins zu Recht, dass die Frage nicht darin bestünde, ob diese ein spezifisches Untersuchungsobjekt haben, sondern ob »the object chosen or shaped for itself can be publicly represented as in some sense a progress in relation to the contiguous disciplinary objects that immediately preceded and/or surround it«.12 Diese relativ allgemeinen

7 8 9

Grossberg 1997, 5. Grossberg 1996b, 142. Hall 1996a, 396. Der Rückgriff auf die kritische Diskursanalyse für die Untersuchung des Globalismus entspricht dieser Zielsetzung (vgl. S. 28ff.). 10 Lenz 1999, 19. 11 Grossberg 1996b, 145. 12 Robbins 1996, 192.

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Feststellungen können durch spezifischere Aussagen Appadurais noch ergänzt werden, der mit Blick auf die Komplexität von Globalisierungsprozessen feststellt, dass diese von existierenden Theorien und Modellen nur unzureichend erfasst wird: »The complexity of the current global economy has to do with certain fundamental disjunctures between economy, culture and politics which we have barely begun to theorize.«13 Die Cultural Studies scheinen aufgrund ihres interdisziplinären Ansatzes sowie ihrer problemund gegenstandsorientierten Arbeitsweise in besonderer Weise geeignet, einen Beitrag zur Analyse und theoretischen Durchdringung dieser komplexen Zusammenhänge zu leisten.

2.3 G LOBALISIERUNGSTHEORIEN Angesichts des Forschungsgegenstandes der Untersuchung erhebt sich zwangsläufig die Frage, warum überhaupt der Versuch der Entwicklung und Anwendung eines neuen, aus den Cultural Studies erwachsenden interdisziplinären Forschungsansatzes unternommen wird und nicht einfach existierende Globalisierungstheorien verwendet werden. An dieser Stelle ist kein Raum für eine ausführliche Kritik zentraler Aspekte verschiedener Globalisierungstheorien, aber es soll zumindest auf einige problematische Punkte hingewiesen werden, auf die im Zusammenhang mit konkreten Fragestellungen noch genauer eingegangen wird. Im Zentrum unterschiedlicher Globalisierungstheorien, die in Detailfragen teilweise stark divergieren, steht die Annahme einer Intensivierung sozialer Beziehungen im weltweiten Maßstab, die einhergeht mit einer zeitlich-räumlichen Kompression als Folge des technologischen Fortschritts insbesondere in den Bereichen Transport und Kommunikation. Durch die zunehmende Überwindung zeitlich-räumlicher Begrenzungen entsteht demnach zumindest tendenziell ein globaler sozialer Raum. So weist der Human Development Report (HDR) 1999 darauf hin, dass Globalisierung zwar kein neues Phänomen ist, betont aber zugleich, dass die gegenwärtige Phase distinktive Charakteristika aufweist: »Shrinking space, shrinking time and disappearing borders are linking people’s lives more deeply, more intensely, more immediately than ever before.«14 Auch Lenz verweist auf Veränderungen unserer Vorstellungen von der räumlichen Definition von Gemeinschaften und Kulturen durch Globalisierungsprozesse: »[T]he multiple interactions of the new communication networks, global migrations, and spatial and cultural de- and reterritorializations have made the notion of spatially defined communities and cultures obsolete, or at least highly questionable.«15 Diese Einschätzungen werden hier durchaus geteilt, aber mit Blick

13 Appadurai 1999, 221. 14 UNDP 1999, 2. 15 Lenz 1999, 8.

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auf die Verwendbarkeit existierender Globalisierungstheorien ist die entscheidende Frage, ob die Entstehung eines globalen sozialen Raumes als lediglich ein Merkmal eines bestimmten historischen Typs sozialer Beziehungen gesehen wird oder ob der zeitlich-räumliche Aspekt als zentrale Ursache beziehungsweise Schlüssel zum Verständnis sozialer Prozesse erachtet wird. Rosenberg weist in seiner Kritik der GlobalisierungstheoretikerInnen darauf hin, dass die Behauptung der Entstehung eines globalen sozialen Raumes in der Konsequenz zunehmend traditionelle Begründungen für die Erklärung sozialer Phänomene verdrängt: »[B]y extrapolating the geographical dimension of this process into an alternative, spatio-temporal problematic for social science; and finally, by pitting this new problematic not simply against competing perspectives in the contemporary social sciences, but also against the classical foundations of modern social thought as a whole – in all these ways, they have raised their sights beyond any purely descriptive role for the concept.«16

Globalisierung, die ursprünglich selbst als das Ergebnis bestimmter historischer Prozesse erscheint (eine Ansicht, die in dieser Untersuchung geteilt wird), wird zunehmend als Ursache für die aktuellen Veränderungen umgedeutet: »[I]t is globalisation which now explains the changing character of the modern world – and even generates ›retrospective discoveries‹ about past epochs in which it must be presumed not to have existed.«17 Im Zusammenhang dieser Umkehrung von explanandum und explanans unterscheidet Rosenberg einerseits zwischen einer ›theory of globalisation‹ und andererseits einer ›globalisation theory‹: »[T]he former might be constructed out of anything presumed to generate the spatiotemporal phenomena involved; the latter, by contrast, must derive its explanatory mechanism within those phenomena themselves: in short, it needs – even presupposes – a spatio-temporal reformulation of social theory itself.«18

Da eine solche Neuformulierung hier abgelehnt wird, fungiert der Terminus Globalisierung im Folgenden lediglich als deskriptiver Sammelbegriff für eine Vielzahl komplexer Prozesse, nicht aber als explanans für eben diese Prozesse. Zugleich soll an dieser Stelle aber auch darauf hingewiesen werden, dass es möglich und durchaus üblich ist, eine solche Umkehrung von explanandum und explanans im Globalismus zu instrumentalisieren, um kritische Stimmen zurückzuweisen, die viele Aspekte der Globalisierung eher

16 Rosenberg 2000, 3. 17 Ebenda. 18 Ebenda, 4.

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als Resultat des Wirkens politischer Akteure denn als Folge einer ›räumlichzeitlichen Problematik‹ begreifen. Bauman, den vor allem die menschlichen Konsequenzen der Globalisierung interessieren, verweist auf einen weiteren problematischen Aspekt gängiger Globalisierungstheorien, wenn er über den Begriff Globalisierung schreibt, dass dieser das Schicksal aller Modewörter teilt: »[T]he more experiences they pretend to make transparent, the more they themselves become opaque. The more numerous are the orthodox truths they elbow out and supplant, the faster they turn into no-questions asked canons. Such human practices as the concept tried originally to grasp recede from view, and it is now the ›facts of the matter‹, the quality of ›the world out there‹ which the term seems to ›get straight‹ and which it invokes to claim its own immunity to questioning. ›Globalization‹ is no exception to that rule.«19

In Übereinstimmung mit Baumans Einschätzung legt diese Untersuchung besonderen Wert auf die präzise Kennzeichnung der jeweiligen Globalisierungsprozesse, ihre konkreten Ursachen, die für sie verantwortlichen Akteure und die von ihnen Betroffenen. Für den Globalismus typische Argumentationsmuster, in denen ›die Globalisierung‹ für bestimmte Veränderungen verantwortlich gemacht wird, werden grundsätzlich abgelehnt.

2.4 K ONSTRUKTIVISMUS

UND

D ISKURSANALYSE

2.4.1 Einleitung Im Hintergrund dieser Untersuchung stehen natürlich die Fragen, wie unterschiedliche Globalisierungsprozesse historisch eingeordnet werden können, worin ihr besonderer Charakter besteht und welche Konsequenzen sie haben. Vordergründig versteht sie sich aber als ein Beitrag zur Erklärung der Ursachen bestimmter Globalisierungsprozesse beziehungsweise ihrer konkreten Verläufe. Die Antwort auf die Frage nach den Ursachen ist aber nicht nur akademischer Natur. So schreibt Scholte mit Blick auf die Globalisierungsforschung, dass »[v]iable explanation provides sound prediction, prescription and action«.20 Ein solches Verständnis von wissenschaftlicher Arbeit entspricht dem der Cultural Studies (zumindest in der hier vertretenen Version), die Gesellschaft nicht nur beschreiben, sondern sich, wenn auch in vermittelter Form, in deren Gestaltung einbringen wollen. Die in verschiedenen Untersuchungen beziehungsweise Disziplinen präferierten Erklärungen von Globalisierungsprozessen sind natürlich in hohem Maße von der jeweiligen Konzeptualisierung abhängig, wobei sich in den 19 Bauman 1998b, 1. 20 Scholte 2005, 121.

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unterschiedlichen Disziplinen einige mehr oder weniger stark verbreitete und einflussreiche Haupttypen unterscheiden lassen. Im Bereich der für die Untersuchung von Globalisierungsprozessen besonders relevanten Studien zu internationalen Beziehungen wären u.a. Realismus, Liberalismus, Neorealismus und Neoliberalismus, Marxismus sowie sozialer Konstruktivismus zu nennen.21 Es ist offensichtlich, ohne dies hier im Einzelnen erläutern zu können, dass diese und weitere Ansätze (u.a. Postmodernismus, Postnationalismus, Postkolonialismus, Feminismus) beziehungsweise Mischformen jeweils in besonderer Weise geeignet sind, ganz bestimmte Globalisierungsprozesse beziehungsweise ihre Ursachen erklären zu können. Für die vorliegende Untersuchung wird ein Ansatz gewählt, der sich dem sozialen Konstruktivismus zuordnen lässt und der mit den hier verwendeten Sprach-, Text- und Diskursbegriffen korrespondiert. Da der Begriff des Konstruktivismus in verschiedenen Disziplinen sehr unterschiedlich interpretiert wird, soll das in dieser Untersuchung zugrunde gelegte Verständnis kurz charakterisiert werden. Die zentrale Annahme praktisch aller Spielarten besteht darin, dass Wirklichkeit konstruiert ist und dass Sprache, Texte und Diskurse eine wichtige Rolle im Prozess dieser Konstruktion spielen. Die Unterschiede zeigen sich aber, sobald genauer danach gefragt wird, welche ›Wirklichkeit‹ gemeint ist und wie man sich die ›Konstruktion‹ konkret vorzustellen hat. So schreiben Berger und Luckmann in Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit, das mittlerweile zum Klassiker der Sozialwissenschaften geworden ist, dass »Wirklichkeit gesellschaftlich konstruiert ist«.22 Searle unterscheidet zwischen »gesellschaftlichen und institutionellen Tatsachen« einerseits und »rohen Tatsachen« andererseits, und folgerichtig spricht er im Titel seines Buches von der »Konstruktion der gesellschaftlichen Wirklichkeit« und nicht einer »gesellschaftliche[n] Konstruktion der Wirklichkeit« wie Berger und Luckmann.23 Auf die Details dieser Unterscheidung und die Konsequenzen für die ›Konstruktion‹ kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Wichtiger erscheint mit Blick auf das Verhältnis von Globalismus und Globalisierung die Frage nach der konkreten Rolle, die Sprache, Texte, Repräsentationen und Diskurse bei der Konstruktion von Wirklichkeit spielen. Hier wird der von Fairclough vorgeschlagenen Unterscheidung zwischen ›construction‹ und ›construal‹ gefolgt: »[W]e may textually construe (represent, imagine, etc.) the social world in particular ways, but whether our representations or construals have the effect of changing its

21 Vgl. Baylis and Smith (Eds.) 2001, 141-249; Scholte 2005, 123-135. 22 Berger und Luckmann 1999, 1. 23 Searle 1997; Berger und Luckmann 1999. Präferiert wird hier die Sichtweise von Searle.

26 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR construction depends upon various contextual factors – including the way social reality already is, who is construing it, and so forth.«24

Die möglichen konkreten Effekte auf die gesellschaftliche Wirklichkeit sind dabei aber immer vermittelter Natur und eingebunden in komplexe soziale Machtkonstellationen – vermittelt über Veränderungen unseres Wissens, unserer Ansichten und Überzeugungen, über ideologische Effekte, über die Beeinflussung sozialer Beziehungen und Strukturen sowie des Verhaltens bestimmter Akteure.25 Auch wenn im Abschnitt 3.3 im Kontext der Ideologieproblematik genauer auf die Frage eingegangen wird, sei an dieser Stelle betont, dass eine konstruktivistische Sichtweise ein bestimmtes Verständnis des Handelns der Akteure beinhaltet. Die Beschreibung in dem folgenden Zitat von Woods bezieht sich zwar speziell auf die »world economy«, lässt sich aber verallgemeinern: »We cannot simply assume that the preferences of actors within the system reflect objectively definable competing ›interests‹. Rather, the way actors understand their own preferences will depend heavily upon prevailing beliefs and patterns of thinking in the world economy, many of which are embodied in institutions. The question this poses is: whose interests and ideas are embodied in the rules and norms of the system?«26

Die Idee, dass Wirklichkeit gesellschaftlich konstruiert ist, hat seit dem Beginn der 1980er auch in Studien der internationalen Beziehungen zunehmend an Bedeutung gewonnen, wobei realistische beziehungsweise neorealistische Ansätze auch weiterhin klar dominieren, die als materialistisch bezeichnet werden können. Für Jackson bedeutet dies, »the distribution of material power, such as military forces and economic capabilities, defines balances of power between states and explains the behavior of states«.27 KonstruktivistInnen weisen einen solchen Ansatz als einseitig zurück und argumentieren ihrerseits, dass die wichtigsten Aspekte der internationalen Beziehungen sozialer und nicht materieller Natur sind: »The social and political world, including the world of international relations, is not a physical entity or material object that is outside human consciousness. Consequently, the study of international relations must focus on the ideas and beliefs that inform the actors on the international scene as well as the shared understandings between them.«28

24 Fairclough 2004, 8-9. 25 Die Abschnitte 3.2 und 3.3 greifen die Problemkreise Macht, Wissen, Wahrheit und Ideologie im Detail auf. 26 Woods 2001, 288. 27 Jackson 2006, 162. 28 Ebenda.

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Es geht in dieser Debatte allerdings nicht um ein Entweder-oder, sondern vielmehr um unterschiedliche Perspektiven – nur ein extrem konstruktivistisches Verständnis würde die Bedeutung materieller Aspekte negieren. Mit Blick auf Wendts für die Internationalen Beziehungen extrem einflussreichen Artikel »Anarchy Is What the State Makes of It. The Social Construction of Power Politics« weist Jackson darauf hin, dass die Annahme, dass Ideen und Überzeugungen eine wichtige Rolle spielen, weitreichende Konsequenzen für die Möglichkeit eines Wandels des internationalen Systems hat: »If the thoughts and ideas that enter into the existence of international relations change, then the system itself will change as well, because the system consists in thoughts and ideas.«29 Die hier nur skizzierte grundlegende Annahme, dass gesellschaftliche Wirklichkeit (und somit auch Globalisierung) sozial konstruiert ist, und die Betonung der Bedeutung von Ideen, Überzeugungen und Wissen lenken den Blick bei Untersuchungen konkreter Globalisierungsprozesse natürlich viel stärker auf Globalisierungsdiskurse, die hier im Zentrum stehen, als in Arbeiten zur Globalisierung, die andere Ansätze präferieren. Die Wahl eines diskursanalytischen Ansatzes für die Untersuchung des Globalismus ist somit zwar naheliegend, da es sich beim Globalismus um einen Diskurs handelt, erfordert aber doch eine etwas ausführlichere Begründung. Die Anerkennung der Existenz verschiedener Globalisierungsdiskurse ist zunächst einmal davon unabhängig, ob man die Globalisierung befürwortet, ihr kritisch, aber aufgeschlossen gegenübersteht, sie rundweg ablehnt oder ihre Existenz leugnet. Die Faktizität dieser Globalisierungsdiskurse wird vielfach belegt: Über Globalisierung wird kommuniziert, und der Begriff wird in einer Vielzahl von speziellen Diskursen verwendet, die beispielsweise in den Bereichen Politik, Ökonomie und Kultur verortet sind. Diese Existenz könnte synchronisch und diachronisch dokumentiert werden: Wie sprechen Menschen darüber? Wer sind die sprechenden Subjekte (Individuen, Gruppen, politische Parteien, Institutionen, wissenschaftliche Disziplinen, internationale Organisationen)? Welches sind die Behauptungen, Sichtweisen und Annahmen der sprechenden Subjekte? Wer kontrolliert oder dominiert, was und von wem an welcher Stelle gesagt werden kann? Wie wird das Wissen über Globalisierungsprozesse in Diskursen produziert, zirkuliert, bewahrt, artikuliert oder disartikuliert? Die Faktizität von Diskursen über Globalisierung ist jedoch nicht gleichzusetzen mit dem Konzept des Globalismus, wie es in der folgenden Untersuchung entwickelt wird. Eine Konzeptualisierung und umfassende Analyse des Globalismus erweist sich als weitaus problematischer als Untersuchungen von thematisch begrenzteren beziehungsweise institutionell klarer abgegrenzten Diskursen. Die politischen, ökonomischen, historischen und kulturellen Fragestellungen, die durch die unterschiedlichen unter dem Begriff der Globalisierung subsumierten Prozesse aufgeworfen werden, sind zahlreicher, und die

29 Ebenda; Wendt 1992.

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Bandbreite der involvierten Institutionen und der Disziplinen, die sich mit verschiedenen Aspekten der Globalisierung befassen, ist viel größer. Eine umfassende Analyse des Globalismus würde daher die Einbeziehung verschiedener Einzeldisziplinen erfordern, wobei das von diesen Disziplinen produzierte Wissen jedoch nicht einfach akkumuliert werden könnte, sondern wiederum zum Forschungsgegenstand werden müsste. Die zu stellenden Fragen wären u.a. folgende: Welche synchronischen und diachronischen intertextuellen Beziehungsgeflechte existieren innerhalb der Disziplinen? Welche interdiskursiven Zusammenhänge lassen sich herstellen – zwischen den Subdiskursen verschiedener Disziplinen, mit nichtwissenschaftlichen beziehungsweise außerdisziplinären Diskursen? Welche nicht-diskursiven Gegebenheiten beeinflussen die verschiedenen Diskurse? Es wäre vermessen, eine solche Zielstellung für eine einzelne Analyse zu formulieren. In der vorliegenden Untersuchung sollen vielmehr notwendige konzeptuelle Vorarbeiten geleistet werden, die durch eine exemplarische Untersuchung einiger der zentralen Aspekte der Globalisierung und des Globalismus mit jeweils konkretem Bezug auf Großbritannien und New Labour ergänzt werden. 2.4.2 Kritische Diskursanalyse Die konkrete Analyse des Globalismus in dieser Untersuchung ist eingebettet in ein allgemeineres Verständnis kritischer Diskursanalyse, wie es sich zum Beispiel bei van Dijk findet und dem hier im Wesentlichen gefolgt wird. Da dieses Verständnis einerseits ganz maßgeblich die Analyse determiniert und andererseits durchaus nicht allgemein akzeptiert ist, soll es in seinen Grundpositionen im Folgenden etwas ausführlicher umrissen werden. Für van Dijk ist critical discourse analysis (im Folgenden CDA) »a type of discourse analytical research that primarily studies the way social power abuse, dominance, and inequality are enacted, reproduced, and resisted by text and talk in the social and political context. With such dissident research, critical discourse analysts take explicit positions, and thus want to understand, expose, and ultimately resist social inequality […] CDA is not so much a direction, school, or specialization next to the many other ›approaches‹ in discourse studies. Rather, it aims to offer a different ›mode‹ or ›perspective‹ of theorizing, analysis, and application throughout the field.«30

Eine solche Ausrichtung der CDA verknüpft sich auf vielfältige Weise mit dem weiter oben formulierten Verständnis von Cultural Studies, das dieser Untersuchung zugrunde liegt und ebenfalls nicht allgemein akzeptiert ist. Anknüpfungspunkte sind u.a. die Fokussierung auf soziale Probleme und politische Fragestellungen, der inter- beziehungsweise transdisziplinäre An-

30 Van Dijk 2001, 352.

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satz und das intensive Interesse an Beziehungen von Macht und Dominanz sowie ihrer Existenzweisen in der Gesellschaft. Da die CDA keine spezifische Forschungsrichtung ist, gibt es auch keinen einheitlichen theoretischen Rahmen. Die verschiedenen Typen der CDA sind daher durch eine theoretische und analytische Vielfalt gekennzeichnet. Van Dijk weist aber auch darauf hin, dass in den meisten Varianten der CDA Fragen nach der speziellen Art und Weise gestellt werden, in der Diskursstrukturen gesellschaftliche Dominanz reproduzieren: »Thus the typical vocabulary of many scholars in CDA will feature such notions as ›power‹, ›dominance‹, ›hegemony‹, ›ideology‹, ›class‹, ›gender‹, ›race‹, ›discrimination‹, ›interests‹, ›reproduction‹, ›institutions‹, ›social structure‹ and ›social order‹, besides the more familiar discourse analytical notions.«31

Einige dieser Konzepte, u.a. Macht, Hegemonie und Ideologie, spielen auch für die Analyse des Globalismus eine ganz zentrale Rolle. Daher werden ihre theoretischen Grundlagen im Kapitel 3 in größerer Ausführlichkeit erneut aufgegriffen. Vor dem Hintergrund der allgemeineren Orientierungen und Zielsetzungen, die die CDA auszeichnen, wird in der vorliegenden Untersuchung eine spezielle Variante der Diskursanalyse präferiert, die sich durch eine Betonung sozial-theoretischer Aspekte auszeichnet. Dies steht im scheinbaren Gegensatz zu eher linguistisch orientierten Ansätzen, die stärker die Komponenten Text und Interaktion hervorheben. Mit der hier gewählten Vorgehensweise wird aber nicht etwa die Bedeutung solcher linguistisch orientierten Spielarten der Diskursanalyse in Frage gestellt, sondern vielmehr der Überzeugung Rechnung getragen, dass eine solche detaillierte linguistische Analyse die vorherige Abklärung der grundsätzlichen Fragen erfordert: Wie kann Globalismus konzeptualisiert werden? Welche ›Globalismussubdiskurse‹ können unterschieden werden? In welcher Beziehung stehen sie zur Globalisierung? Damit wird natürlich nicht gesagt, dass eine detaillierte Analyse von ausgewählten Texten und diskursiven Praktiken nicht begonnen werden kann, ja sollte, sobald bestimmte ›Subdiskurse‹ des Globalismus identifiziert worden sind. Konkrete Ergebnisse solcher Untersuchungen wiederum müssten fortlaufend in die stärker sozial-theoretisch ausgerichtete Arbeit integriert werden. 2.4.3 Diskursbegriff Mit Blick auf die in dieser Untersuchung unterstellte konstitutive Funktion von Diskursen (u.a. Konstituierung von ›Objekten‹ des Wissens, sozialen Subjekten und Formen des ›Ichs‹, sozialen Beziehungen und konzeptuellen Strukturen) sowie der Bedeutung von Interdiskursivität und Intertextualität

31 Ebenda, 354.

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liegt es nahe, sich bei der Analyse des Globalismus auch auf die Arbeiten von Foucault zu stützen, die, ob nun in unkritischer Übernahme, produktiver Auseinandersetzung oder vehementer Ablehnung, eine Vielzahl unterschiedlichster Untersuchungen beeinflusst haben. In diesem Zusammenhang weisen Bublitz et al. auf ein interessantes Phänomen hin, das schon seit geraumer Zeit zu beobachten sei. Begriffe wie Diskurs, Genealogie und Archäologie erfreuen sich einer gewissen ›Beliebtheit‹ in aktuellen Diskussionen der Geistes- und Sozialwissenschaften. In Anbetracht der Popularität des diskursanalytischen Vokabulars »scheint jedoch eine forschungspraktische Anwendung und methodologische Reflexion der diskursanalytischen Methode im (engeren) Sinne Foucaults eher marginal zu bleiben«.32 Die vorliegende Untersuchung soll u.a. auch einen Beitrag zur Änderung dieser Situation leisten, wobei es jedoch nicht um eine kritiklose Übernahme foucaultscher Positionen gehen kann, sondern lediglich um eine Instrumentalisierung bestimmter Aspekte der Diskursanalyse im Sinne von Foucault, die als besonders geeignet für die Untersuchung des Globalismus erscheinen. Zu den theoretisch einflussreichsten Arbeiten Foucaults gehören zweifellos L’archéologie du savoir (1969) und seine Inauguralvorlesung, L’ordre du discours (1970). Ohne deren Komplexität oder Wirkungsgeschichte auch nur ansatzweise würdigen zu können, soll doch etwas ausführlicher auf die dort entwickelten zentralen Begriffe Diskurs und diskursive Praxis eingegangen werden. In der Archäologie des Wissens definiert Foucault diese folgendermaßen: »Diskurs wird man eine Menge von Aussagen nennen, insoweit sie zur selben diskursiven Formation gehören. Er bildet keine rhetorische oder formale, unbeschränkt wiederholbare Einheit, deren Auftauchen oder Verwendung in der Geschichte man signalisieren (und gegebenenfalls erklären) könnte. Er wird durch eine begrenzte Zahl von Aussagen konstituiert, für die man eine Menge von Existenzbedingungen definieren kann. Der so verstandene Diskurs ist keine ideale und zeitlose Form, die obendrein eine Geschichte hätte. Das Problem besteht also nicht darin, sich zu fragen, wie und warum er zu diesem Zeitpunkt hat auftauchen können und Gestalt annehmen können. Er ist durch und durch historisch: Fragment der Geschichte, Einheit und Diskontinuität der Geschichte selbst, und stellt das Problem seiner eigenen Grenzen, seiner Einschnitte, seiner Transformationen, der spezifischen Weisen seiner Zeitlichkeit eher als seines plötzlichen Auftauchens inmitten der Komplizitäten der Zeit.«33

Foucault folgend wird in dieser Untersuchung der Versuch unternommen, bestimmte Aussagen als zum Diskurs des Globalismus gehörig zu charakterisieren und nachzuweisen, dass es ein ganz konkreter historischer Kontext war, in dem sich dieser entwickelt hat. Wichtig für die Analyse des Globa-

32 Bublitz et al. 1999, 14. 33 Foucault 1992, 170.

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lismus ist auch Foucaults Hinweis, dass die diskursive Praxis nicht auf der individuellen Ebene angesiedelt ist: »Man kann sie nicht mit dem expressiven Tun verwechseln, durch das ein Individuum eine Idee, ein Verlangen, ein Bild formuliert, noch mit der rationalen Aktivität, die in einem System von Schlussfolgerungen verwandt wird; noch mit der ›Kompetenz‹ eines sprechenden Subjekts, wenn es grammatische Sätze bildet. Sie ist eine Gesamtheit von anonymen, historischen, stets im Raum und in der Zeit determinierten Regeln, die in einer gegebenen Epoche und für eine gegebene soziale, ökonomische, geographische oder sprachliche Umgebung die Wirkungsbedingungen der Aussagefunktion definiert haben.«34

Fairclough ist überzeugt, dass Foucaults Beitrag vor allem nützlich sein könnte »in such areas as the relationship of discourse and power, the discursive construction of social subjects and knowledge, and the functioning in social change«, da dies die Gebiete sind, in denen »linguistically-oriented approaches […] weak and undeveloped« sind.35 Dies heißt aber nicht, dass der Globalismus mittels einer unreflektierten Anwendung Foucaults oder seiner Diskurskonzeption(en) analysiert werden könnte. Ferner bedeutet es nicht, dass hier alle seine Ansichten im Allgemeinen und im Besonderen seine späteren Machtkonzeptualisierungen geteilt werden. Zu jenen, die Foucaults Konzept der diskursiven Formation aufgegriffen und weiterentwickelt haben, gehört auch Hall, der diese in der folgenden Definition beschreibt als »a cluster (or formation) of ideas, images and practices, which provide ways of talking about, forms of knowledge and conduct associated with, a particular topic, social activity or institutional site in society. These discursive formations, as they are known, define what is and is not appropriate in our formulations of, and our practices in relation to, a particular subject or site of social activity; what knowledge is considered useful, relevant and ›true‹ in that context; and what sorts of persons or ›subjects‹ embody its characteristics.«36

In Halls Definition wird ein zentrales theoretisches Problem diskursiver Formationen angesprochen, das hier kurz skizziert werden soll, da es insbesondere für die Globalismusanalyse von ganz entscheidender Bedeutung ist – die Abgrenzung beziehungsweise Einheit der diskursiven Formation. Dieses Problem stellt sich in besonderer Schärfe für eine diskursive Formation, die quasi ›globale Dimensionen‹ hat. Foucault beginnt seine Diskussion dieses Problems mit folgender Hypothese: »Die in ihrer Form verschiedenen, in der Zeit verstreuten Aussagen

34 Ebenda, 171. 35 Fairclough 1993, 38. 36 Hall 1997, 6, Herv. i.O.

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bilden eine Gesamtheit, wenn sie sich auf ein und dasselbe Objekt beziehen.«37 Für ihn wird aber schnell deutlich, dass es das Objekt des Diskurses selbst ist, das problematisiert werden muss. Für das im Vergleich zur Globalisierung relativ begrenzte Objekt »Wahnsinn« gelangt Foucault zu folgender Schlussfolgerung: »Die Geisteskrankheit ist durch die Gesamtheit dessen konstituiert worden, was in der Gruppe all der Aussagen gesagt worden ist, die sie benannten, sie zerlegten, sie beschrieben, sie explizierten, ihre Entwicklungen erzählten, ihre verschiedenen Korrelationen anzeigten, sie beurteilten und ihre eventuell die Sprache verliehen, indem sie in ihrem Namen Diskurse artikulierten, die als die ihren gelten sollten. Aber mehr noch: Die Gesamtheit von Aussagen ist weit davon entfernt, sich auf ein einziges Objekt zu beziehen, das ein für allemal gebildet ist, und es unbeschränkt als ihren Horizont unerschöpflicher Idealität zu bewahren […].«38

Neben der Instabilität des Objektes ist es die konstituierende Funktion des Diskurses, die von besonderer Wichtigkeit ist. Wenn aber die Objekte des Diskurses, die ihm seine Einheit verleihen und der Gesamtheit der Aussagen einen gemeinsamen Referenzpunkt geben sollen, instabil sind und permanent neu konstituiert werden, muss die Frage nach der Einheit des Diskurses neu gestellt werden. Foucault fragt, »ob die Einheit eines Diskurses nicht eher durch den Raum, in dem verschiedene Objekte sich profilieren und ständig sich transformieren, als durch die Permanenz oder die Besonderheit eines Objekts gebildet wird. Die charakteristische Beziehung, die die Individualisierung einer Menge von den Wahnsinn betreffenden Aussagen gestatten würde, wäre demnach: Die Regel gleichzeitigen oder sukzessiven Auftauchens verschiedener Objekte, die darin benannt, beschrieben, analysiert, geschätzt oder beurteilt werden. Die Einheit der Diskurse über den Wahnsinn wäre nicht auf die Existenz des Gegenstands ›Wahnsinn‹ oder die Konstitution eines einzigen Horizontes von Objektivität gegründet; es wäre das Spiel der Regeln, die während einer gegebenen Periode das Erscheinen von Objekten möglich machen […].«39

Foucaults Argumentation folgend kann man einerseits das Objekt des Globalisierungsdiskurses, ›die Globalisierung‹, als instabil und permanent neu konstituiert konzeptualisieren. Andererseits wird es aber auch möglich, Globalisierungsprozesse als konkrete historische Phänomene von dem diskursiven Objekt der ›Globalisierung‹ zu unterscheiden. Zu fragen wäre in diesem Kontext auch nach der Zugehörigkeit bestimmter Aussagen zu einer diskursiven Formation sowie dem Verhältnis von Aussage und diskursiver Formation. Für Hall scheint dieses Verhältnis

37 Foucault 1992, 49. 38 Ebenda. 39 Ebenda, 50.

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klar zu sein, wenn er, wie oben zitiert, schreibt, dass die diskursiven Formationen »define what is and is not appropriate in our formulations of, and our practices in relation to, a particular subject or site of social activity«.40 Für Foucault scheint diese quasi definitorische Gerichtetheit so aber nicht gegeben zu sein, wie er in der Archäologie des Wissens ausführt: »Eine Aussage gehört zu einer diskursiven Formation, wie ein Satz zu einem Text und eine Proposition zu einer deduktiven Gesamtheit gehört. Während aber die Regelmäßigkeit eines Satzes durch die Gesetze einer Sprache und die Regelmäßigkeit einer Proposition durch die Gesetze einer Logik definiert wird, wird die Regelmäßigkeit der Aussagen durch die diskursive Formation selbst definiert. Ihre Zugehörigkeit und ihr Gesetz bilden ein und dieselbe Sache. Das ist nicht paradox, da die diskursive Formation sich nicht durch Formationsprinzipien, sondern durch eine tatsächliche Streuung definiert, da sie für die Aussagen keine Bedingung der Möglichkeit, sondern ein Gesetz der Koexistenz ist, und da umgekehrt die Aussagen keine austauschbaren Elemente, sondern durch ihre Existenzmodalität charakterisierte Gesamtheiten sind.«41

Auch wenn graduelle Unterschiede zwischen den Sichtweisen von Foucault und Hall nicht zu übersehen sind, liegen sie doch in den zentralen Aussagen letztlich relativ nahe beieinander. Das bei Foucault auch in der Charakterisierung des Verhältnisses zwischen diskursiven Formationen und Aussagen offensichtliche Bemühen, den Eindruck einer wie auch immer gearteten monodirektionalen Determiniertheit zu vermeiden, ist sicherlich auch der Tatsache geschuldet, jeden möglichen Vorwurf potenzieller KritikerInnen, er vertrete strukturalistische Positionen, von vornherein zu entkräften. Dass Foucault nicht wirklich überzeugt war, in diesem Bemühen erfolgreich gewesen zu sein, zeigt das Schlusskapitel der Archäologie des Wissens, in dem er sich mit dem von einem fiktionalen Dialogpartner vorgetragenen Vorwurf des Strukturalismus auseinandersetzt. Die hier skizzierten Elemente des Diskursbegriffes von Foucault und die Konzeptualisierungen diskursiver Formationen durch Foucault und Hall (wobei Halls Sichtweise auf das Verhältnis zwischen diskursiven Formationen und Aussagen präferiert wird) bilden die theoretische Basis für das im Folgenden beschriebene Diskursmodell von Fairclough, das seinerseits die Grundlage der konkreten Diskursanalyse in dieser Untersuchung ist.

40 Hall 1997, 6. 41 Foucault 1992, 170.

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2.4.4 Diskursmodell Die Analyse des Globalismus stützt sich im Wesentlichen auf eine modifizierte Version des von Fairclough entwickelten dreidimensionalen Diskursmodells, das daher etwas genauer vorgestellt werden soll. Fairclough erklärt, dass in seinem Diskursmodell »[a]ny discursive ›event‹ (i.e. any instance of discourse) is seen as being simultaneously a piece of text, an instance of discursive practice, and an instance of social practice.« Dabei bezieht sich die ›Textdimension‹ auf die Analyse von Texten. Die Dimension der ›diskursiven Praxis‹ verweist auf die Prozesse der Textproduktion und –interpretation. Die dritte Dimension besteht in der ›sozialen Praxis‹. Hier geht es um für die Analyse wichtige Aspekte, wie zum Beispiel die institutionellen und organisatorischen Umstände diskursiver Ereignisse, deren Einfluss auf die diskursive Praxis und die konstituierenden Effekte von Diskursen.42 Fairclough ist zuzustimmen, wenn er darauf hinweist, dass dieses Modell nicht ausschließlich genutzt werden sollte, sondern nur eine Möglichkeit zur Analyse gesellschaftlichen Wandels darstellt.43 Er schlägt vier Minimalforderungen für die Operationalisierung des Modells vor. Diese müsste multidimensional, multifunktional, historisch orientiert und kritisch sein. Der multidimensionale Charakter ergibt sich aus dem dreidimensionalen Diskursmodell. Dieses ermöglicht es, sowohl Zusammenhänge zwischen diskursivem und sozialem Wandel zu analysieren als auch »detailed properties of texts to be related systematically to social properties of discursive events as instances of social practice«. Der multifunktionale Aspekt besteht in der Berücksichtigung des Beitrages, den sich verändernde Diskurspraktiken zu Modifizierungen in den folgenden drei Bereichen leisten: »knowledge (including beliefs and commons sense), social relations, and social identities«. Zugleich geht es um die Erfassung der Wechselbeziehungen zwischen diesen drei Bereichen. Die historische Dimension besteht in der Fokussierung auf »structuring or ›articulatory‹ processes in the construction of texts, and in the longer term constitution of ›orders of discourse‹ (that is, total configurations of discursive practices in particular institutions, or indeed in a whole society)«. Die Forderung nach einer kritischen Analyse ergibt sich aus der Tatsache, dass die Beziehungen zwischen diskursiven und gesellschaftlichen Veränderungen typischerweise für die involvierten Personen nicht offensichtlich sind: »›Critical‹ implies showing connections and causes which are hidden; it also implies intervention, for example providing resources for those who may be disadvantaged through change.« 44 Während die Analyse diskursiver Praktiken sich auf den Text und intertextuelle Beziehungen konzentriert, werden in der Analyse der sozialen Praktiken die Konzepte Ideologie und Hegemonie in den Vordergrund ge-

42 Fairclough 1993, 4. 43 Ebenda, 8. 44 Ebenda, 8-9.

T HEORETISCH - METHODISCHE Ü BERLEGUNGEN | 35

rückt, wobei Diskurse grundsätzlich als in Wechselbeziehung zu anderen Diskursen stehend begriffen werden. Innerhalb dieser interdiskursiven Beziehungen – dies ist eine der zentralen Annahmen dieser Untersuchung und des zugrunde liegenden Diskursverständnisses – sind einige Diskurse relativ mächtiger als andere, ihre Legitimität ist höher, einzelne Diskurse sind hegemonisch und andere werden subordiniert. Diskurse sind mit anderen Worten immer von Machtbeziehungen durchdrungen. Zur Vermeidung von Missverständnissen und zur theoretischen Präzisierung wird hier eine Modifizierung des Diskursmodells von Fairclough vorgeschlagen. Problematisch erscheint insbesondere der Begriff der sozialen Praxis, der zwar in neueren Arbeiten von Fairclough unter Aufgabe des hier beschriebenen Modells anders konzeptualisiert wird, ohne aber das Problem befriedigend lösen zu können.45 Notwendig erscheint eine deutlichere terminologische Unterscheidung von sozialer Praxis als einer Dimension des Diskursmodells von Fairclough einerseits und der in den Texten repräsentierten sozialen Praxis beziehungsweise gesellschaftlichen Wirklichkeit. Die Berührungsfläche zwischen den beiden Praxen könnte vielleicht am ehesten als ein Interface konzeptualisiert werden, das dadurch gekennzeichnet ist, dass einerseits die konstituierenden Effekte der Diskurse in die gesellschaftliche Wirklichkeit hineingreifen. Andererseits sind die von Fairclough als Teil der Dimension der sozialen Praxis des Diskurses beschriebenen institutionellen und organisatorischen Umstände der diskursiven Praxis auch Teil der gesellschaftlichen Wirklichkeit und wirken ihrerseits auf den Diskurs zurück. 2.4.5 Textkorpus und Textanalyse Für die Auswahl der Texte, die in dieser Untersuchung berücksichtigt werden, war entscheidend, dass sie einen Bezug zu New Labour oder zu konkreten Phänomenen beziehungsweise Prozessen haben, die unter dem Begriff der Globalisierung subsumiert werden können, wobei den Kern der Analyse jene Texte bilden, auf die beide Kriterien gleichermaßen zutreffen. Grundlage für die weitere Selektion waren die in den Kapiteln 7 - 9 behandelten thematischen Schwerpunkte des Globalisierung-Globalismus-Nexus sowie der konkrete Bezug zu den Prozessen der Rezeption und Produktion des Globalismus durch New Labour. Dabei geht es nicht um eine umfassende und systematische Analyse der ausgewählten Schwerpunkte, Ökonomie, Wohlfahrtsstaat und internationale Beziehungen, sondern vielmehr um ein exemplarisches Aufzeigen der Wechselwirkungen zwischen Globalisierung und Globalismus sowie der konkreten Positionierung von New Labour. Die ausgewählten Texte lassen sich ferner verschiedenen Textsorten zuordnen. In Sonderheit sind dies öffentliche Reden und Interviews; Wahlkampfmanifeste und andere Publikationen von Parteien und Regierungsin-

45 Vgl. z.B. Fairclough 2004, 25.

36 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

stitutionen; wissenschaftliche beziehungsweise wissenschaftsnahe Fachliteratur; Publikationen nationaler und internationaler Organisationen. In Ergänzung wurde in größerem Umfang auf Artikel des Economist zurückgegriffen. Dieser erscheint nicht nur aufgrund seiner speziellen Verknüpfung von politischen, sozialen und kulturellen Fragen einerseits und ökonomischen Aspekten andererseits, sondern auch wegen seines internationalen Renommees, seiner weltweiten Verbreitung und der Tatsache, dass seine Leserschaft zu den Entscheidungseliten und MeinungsmultiplikatorInnen gehört, als besonders geeignet für die Untersuchung des Globalismus. Berücksichtigt werden ferner Texte von diskursbildenden Institutionen, die Teil weltweiter Bemühungen sind, nicht nur marktliberale Ansichten zu verbreiten, sondern die im nationalen und internationalen Rahmen auch ganz gezielt Einfluss auf politische Prozesse und die öffentliche Meinungsbildung nehmen. Dazu gehören das international renommierte Cato Institute mit Sitz in Washington, das Economic Freedom of the World Project (EFWP), das britische Institute of Economic Affairs (IEA) und die Confederation of British Industry (CBI).46 Die Analyse öffentlicher Reden und Interviews konzentriert sich auf das Führungspersonal von New Labour und insbesondere auf Blair, der im gesamten Untersuchungszeitraum nicht nur Premierminister, sondern auch Parteivorsitzender war. Er hat sowohl den politischen Diskurs als auch das öffentliche Erscheinungsbild von New Labour wie kein anderer Politiker geprägt hat. Im Kapitel 9, das dem Globalismussubdiskurs internationale Beziehungen gewidmet ist, wird der Kreis der berücksichtigten Personen durch Bush ergänzt. Bei der Analyse der ausgewählten Texte in den Kapiteln 7 - 9 werden die Textdimension, die diskursive Praxis der Textproduktion und die soziale Praxis von Diskursen zwar berücksichtigt, aber der Schwerpunkt liegt auf dem Versuch, exemplarisch zu zeigen, wie vor dem Hintergrund der aus der Globalisierung vermeintlich erwachsenden ›Notwendigkeiten‹ und ›Zwänge‹ in Diskursen ›Wirklichkeit‹ konstituiert und zum Ausgangspunkt politischen Handelns und sozialen Wandels wird. Die kritische inhaltliche Analyse der Texte steht dabei ganz klar im Zentrum, da es hier nicht primär um eine im engeren Sinne linguistische Analyse geht. Bei der konkreten Analyse von Texten beziehungsweise Textfragmenten werden deshalb auch nicht systematisch bestimmte Algorithmen abgearbeitet, sondern jeweils nur ausgewählte textuelle Phänomene kritisch analysiert.

2.5 P OSTNATIONALISMUS

UND

P OSTKOLONIALISMUS

Die Untersuchung des Zusammenhangs von Globalisierung und Globalismus, von Phänomenen wie Supraterritorialität und globaler Interkonnektivität sowie der Prozesse der Rezeption und Produktion des Globalismus durch

46 Zu Details vgl. S. 160f.

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New Labour erfordern, in bestimmten Bereichen über Vorstellungen von Beziehungen zwischen Nationalstaaten hinauszugehen. Die gegenwärtige und zukünftige Rolle von Nationen beziehungsweise Nationalstaaten darf zwar nicht unterschätzt werden, aber zugleich sind sie auch nicht länger als der ausschließliche Ausgangspunkt entsprechender Analysen tauglich.47 Appadurai stellt daher in »Patriotism and Its Futures« folgende Forderung: »We need to think ourselves beyond the nation. This is not to suggest that thought alone will carry us beyond the nation or that the nation is largely a thought or an imagined thing. Rather, it is to suggest that the role of intellectual practices is to identify the current crisis of the nation and, in identifying it, to provide part of the apparatus of recognition for postnational social forms.«48

Ein Hinausgehen über die Nation ist erforderlich, denn nur so können postnationale Formationen berücksichtigt werden, die bereits in vielfältigen Formen existieren und die sowohl auf globaler als auch auf lokaler Ebene wirksam werden: »These formations are now organized around principles of finance, recruitment, coordination, communication, and reproduction that are fundamentally postnational and not just multinational or international […]. The new organizational forms are more diverse, more fluid, and more ad hoc, more provisional, less coherent, less organized, and simply less implicated in the comparative advantages of the nation-state.«49

Diese Veränderungen sind naturgemäß von besonderer Relevanz für die Problematik des Handelns globaler Akteure (u.a. internationaler Institutionen, transnational operierender Konzerne und sozialer Bewegungen). Lee weist in diesem Zusammenhang auf ein Paradoxon hin, das für die Untersuchung des Verhältnisses von New Labour, Großbritannien und den Globalisierungsherausforderungen von entscheidender Bedeutung ist. Dieses erwächst aus dem Wechselspiel lokaler, nationaler und transnationaler Phänomene und Prozesse, das eine Welt hervorbringt, in der die Beschäftigung mit lokalen Problemen immer auch eine Einbettung in »cross-national contexts« erfordert, während das Verstehen der entstehenden globalen Ordnung gleichzeitig eine größere kulturelle Sensibilität gegenüber diesen Problemen an anderen Orten erfordert: »From this interplay, a paradox emerges: there can be no understanding of the global without understanding it as the ways in which different ›local sites‹ are coordinated;

47 Vgl. Abschnitt 4.6. 48 Appadurai 1993, 411. 49 Ebenda, 418.

38 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR yet there can be no understanding of any ›local‹ without understanding the global of which it is a part.«50

Ungeachtet der grundsätzlichen Akzeptanz der These, dass sich die globalen Bedingungen, unter denen der Nationalstaat operiert, radikal verändert haben, wird im Folgenden auch deutlich gemacht, dass es zu früh und auch nicht gerechtfertigt ist, sein Ende zu verkünden. Dies ist auch ein weiterer Grund für die Ablehnung zentraler Annahmen von bestimmten Spielarten der Globalisierungstheorie, auf die bereits an anderer Stelle eingegangen wurde.51 Neben dem Postnationalismus bieten sich für die Untersuchung bestimmter Aspekte des Zusammenhangs von Globalisierung und Globalismus für Teilbereiche auch theoretische Ressourcen der postkolonialen Studien an, die u.a. kulturelle Differenz und Vielfalt stärker in den Vordergrund rücken, als dies die meisten Globalisierungstheorien tun. Dabei geht es nicht etwa um eine Trennung zwischen der kolonialen Vergangenheit und einer vermeintlich postkolonialen Gegenwart, sondern um die Analyse jener Bereiche der aktuellsten Phase der Globalisierung, in denen die Reorganisation des Kapitalismus nach dem Ende des Kalten Krieges durch fortwirkende ältere Beziehungen von Macht, Abhängigkeit und Ungleichheit beeinflusst wird, die im Prozess der Dekolonialisierung zwar modifiziert, aber nicht eliminiert wurden. So schreiben Joseph und Wilson in der Einleitung zu Global Fissures. Postcolonial Fusions, dass unsere gegenwärtige Welt zwar durch die Globalisierung geformt wird, weisen aber darauf hin, »[that it] is also shaped by the conditions of postcolonialism«.52 Sobald gewisse Ähnlichkeiten zwischen Prozessen und Beziehungen während der Kolonialzeit und der gegenwärtigen Globalisierungsphase einmal in das Bewusstsein gehoben worden sind, wird beispielsweise deutlich, dass die Wahrnehmung und die diskursive Repräsentation des Verhältnisses zwischen ›Entwicklern‹ und ›Zu-Entwickelnden‹ im Globalisierungsdiskurs noch immer sehr stark an Vorstellungen während der Kolonialzeit erinnert und anknüpft. Die ›Zu-Entwickelnden‹ wurden und werden auch heute noch immer als eher passive Objekte des zivilisatorischen Einflusses der ›Entwickler‹ dargestellt beziehungsweise wahrgenommen. Die ›Entwickler‹ stellen in dieser Konstellation sowohl die ›gemeinsamen‹ Ziele als auch das notwendige Instrumentarium (Wissen, Regeln, Werte, Normen und Institutionen) zu ihrer Verwirklichung. Angesichts der intensiven und teilweise kontroversen Diskussionen über den Begriff des Postkolonialismus erscheint eine knappe terminologische Klärung angezeigt. Loomba weist darauf hin, dass der Begriff angesichts der Tatsachen, dass das Zeitalter des Kolonialismus vorbei ist und Nachkom-

50 Lee 1996, 218. 51 Vgl. Abschnitt 2.3. 52 Joseph and Wilson 2006a, xi.

T HEORETISCH - METHODISCHE Ü BERLEGUNGEN | 39

men der vormals kolonialisierten Länder überall auf der Welt leben, scheinbar impliziert, dass die gesamte Welt ›postkolonial‹ sei. Dabei erwachsen die terminologischen Probleme u.a. aus den möglichen Implikationen des Präfixes ›post‹: »it implies an ›aftermath‹ in two senses – temporal, as in coming after, and ideological, as in supplanting it«. Die Kontroversen beziehen sich im Wesentlichen auf die zweite Bedeutungsvariante: »if the inequities of colonial rule have not been erased, it is perhaps premature to proclaim the demise of colonialism«. Bestimmte Länder können im Sinne formaler Unabhängigkeit postkolonial und durch weiter bestehende ökonomische und/oder kulturelle Abhängigkeiten gleichzeitig neokolonial sein.53 Vor diesem Hintergrund wird der Begriff des Postkolonialismus hier nicht in einem weiten Sinne gebraucht, um eine Vielzahl verschiedenster kultureller, ökonomischer und politischer Praktiken sowie unterschiedlicher Formen der Marginalisierung zu beschreiben, sondern immer im konkreten Bezug auf die historischen Prozesse der Kolonialisierung beziehungsweise Dekolonialisierung, die nicht nur auch weiterhin das Verhältnis zwischen den früheren Kolonien und den Kolonialmächten beeinflussen, sondern auch ihre jeweiligen Positionierungen im Kontext der Globalisierung. Eine solche Sichtweise berücksichtigt sowohl die Bedeutung formaler Dekolonialisierung als auch das Fortwirken unterschiedlichster Formen der Kolonialisierung: »unequal relations of colonial rule are reinscribed in the contemporary imbalances between ›first‹ and ›third‹ world nations. The new global order does not depend upon direct rule.«54 Im Abschnitt 5.2 wird im Zusammenhang mit der Diskussion des Verhältnisses von Globalisierung und Imperialismus sowie der jeweiligen Diskurse die Problematik des Postkolonialismus im Detail aufgegriffen. Die dortige Diskussion der Grenzen und Möglichkeiten des Orientalismuskonzepts von Said bei der Anwendung auf bestimmte Globalisierungsprozesse beziehungsweise auf den Globalismus zeigt u.a., dass postkoloniale Ansätze auch weiterhin einen wertvollen Beitrag zur Analyse einer zunehmend, aber sehr ungleich globalisierten Welt am Beginn des 21. Jahrhunderts leisten können, aber nicht ausreichend sind.

2.6 S CHLUSSBEMERKUNG Die Berücksichtigung verschiedener Forschungsansätze ist nicht etwa einer theoretisch-methodischen Beliebigkeit geschuldet, sondern im Wesentlichen den folgenden zwei Aspekten. Zum einen ist sie Ausdruck des oben skizzierten Bemühens, die Cultural Studies als ein ›offenes Feld‹ zu bewahren. Ein Feld, auf dem Theorie zwar wichtig ist, das notwendige Ringen um eine theoretische Durchdringung aber nicht in einer Weise vorangetrieben wer-

53 Loomba 2000, 7. 54 Ebenda.

40 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

den sollte, durch die politische Bezüge und Theorie sich wechselseitig ausschließen und die Cultural Studies Gefahr laufen, zu einer »post-political speaking-in-tongues variety«55 zu degenerieren. Neben dieser grundsätzlichen Erwägung gründet sich der Rückgriff auf die verschiedenen oben beschriebenen Ansätze und Methoden zum anderen auf die Tatsache, dass folgende Einschätzung der Forschungslandschaft durch Lee geteilt wird: »[T]raditional area-based and disciplinary models of global processes are out of touch with the hybrid and multilateral nature of global changes. International relations programs think globally but lack a rich, ›thick‹ understanding of local culture, especially in the more dynamic areas of social and cultural changes. Area programs encourage work on local cultures, but have generally overlooked the global processes that are changing them. Cultural studies programs have focused on contemporary culture, but lack historical and comparative depth.«56

Die Hauptherausforderung der folgenden Untersuchung liegt in der Komplexität des Verhältnisses zwischen dem Globalismus einerseits und der konstruierten gesellschaftlichen Wirklichkeit andererseits. Einer Wirklichkeit, die es aufgrund einer zunehmend globalen Interdependenz vielfältiger Probleme in den Bereichen Politik, Ökonomie, Soziales und Kultur problematisch werden lässt, zum Zwecke der Analyse einzelne Aspekte zu betrachten, die aufgrund ihrer Natur nicht isoliert verstanden werden können. Die Notwendigkeit einer Repolitisierung der Cultural Studies, des Überschreitens disziplinärer Grenzen und der Verwendung alternativer Forschungsstrategien beziehungsweise -methoden mit ihren unterschiedlichen Leistungsmöglichkeiten im konkreten Forschungsprozess erwächst somit aus der Spezifik des Forschungsgegenstandes und -ziels, nicht aber einer theoretisch-methodischen Beliebigkeit.

55 Pfister 1996, 294. 56 Lee 1996, 219.

3. Sprache, Macht, Wissen, Wahrheit, Ideologie und Repräsentation

3.1 E INLEITUNG Sowohl die Analyse des Globalismus als auch der interdisziplinäre Charakter dieser Untersuchung lassen es wünschenswert erscheinen, den im Folgenden angenommenen Zusammenhang zwischen Sprache, Macht, Wissen, Wahrheit, Ideologie und Repräsentation sowie die Rolle des/der Intellektuellen zumindest in groben Zügen zu skizzieren. Da eine ausführliche Darstellung dieses Zusammenhangs den Rahmen dieser Untersuchung sprengen würde, werden nur jene Aspekte berücksichtigt, die für die Analyse und das Verständnis des Verhältnisses von Globalismus und Globalisierung als unerlässlich erachtet werden. Den grundlegenden Ausgangspunkt für die Analyse des Globalismus bildet ein konkretes Verständnis von Sprache, das im Folgenden kurz charakterisiert werden soll. 1921 definierte Sapir Sprache als »a purely human and noninstinctive method of communicating ideas, emotions, and desires by means of a system of voluntarily produced symbols«,1 wobei hier der kommunikative Aspekt entscheidend ist. Diese auch heute noch tragfähige, aber doch sehr allgemeine Definition von Sprache erfordert eine Konkretisierung. Bezüglich des Verhältnisses von Sprache, SprecherInnen und Wirklichkeit wird hier von den folgenden drei Annahmen ausgegangen: (i) Bedeutung kann von individuellen SprecherInnen nur aus dem Sprachsystem heraus generiert werden. (ii) Der begriffliche Zugang des Menschen zur Welt ist nur durch Sprache und Sprachsysteme möglich. (iii) Sprache ist immer abhängig von historischen Entwicklungen und sozialen Beziehungen, d.h. sie mag zwar abstrakt sein, die generierten und kommunizierten Bedeutungen sind es aber nie. Aus diesem Verständnis von Sprache lässt sich ein Diskurskonzept entwickeln, das auf der Annahme basiert, dass Diskurse das Produkt sozialer, historischer und institutioneller Formationen sind und dass institutionalisier-

1

Sapir 1921, zit. nach Swann et al. 2004, 162.

42 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

te Diskurse Bedeutung generieren. Individuelle SprecherInnen können innerhalb eines Sprachsystem zwar potenziell eine unbegrenzte Zahl von Bedeutungen generieren, aber in der Praxis ist diese Zahl immer durch die Strukturen des Sprachsystems und durch die zu einem bestimmten Zeitpunkt jeweils vorherrschenden gesellschaftlichen Beziehungen begrenzt und determiniert. Diese Strukturen werden wiederum selbst durch verschiedene Diskurse repräsentiert. Der determinierende Effekt der Strukturen zeigt sich im individuellen Sprachgebrauch, weil im Prozess des Sprachlernens nicht abstrakte Fertigkeiten erworben werden. Alle Sprechenden operieren mit Notwendigkeit, wenn sie sich verständlich machen wollen, nicht nur innerhalb des Sprachsystems und etablierter Diskurse, in die sie eintreten, sondern repräsentieren zugleich bereits verschiedene Subjektivitäten (Klasse, Gender, Nationalität, Ethnizität). Für individuelle Sprechende ist es daher immens schwierig, nicht die bereits in der Sprache und in etablierten Diskursen angelegten Annahmen, Überzeugungen, Normen und Wertvorstellungen zu reproduzieren. Berger und Luckmann betonen in diesem Zusammenhang, dass Sprache als ein Zeichensystem Objektcharakter hat: »Ich treffe auf sie als einen Tatbestand außerhalb meiner selbst, und ihre Wirkung auf mich ist zwingend. Sprache zwingt mich in ihre vorgeprägten Muster.«2 Sofern man den Globalismus als einen mittlerweile etablierten Diskurs betrachtet, so bedeutet dies, dass es für individuelle TeilnehmerInnen, die in diesen Diskurs eintreten, sehr schwierig ist, nicht die bereits in ihm angelegten Annahmen, Überzeugungen oder Wertvorstellungen zu reproduzieren. Harland beschreibt die komplexen Beziehungen zwischen dem Sprachsystem, der ›Welt‹ und dem sprechenden Individuum folgendermaßen: »The individual absorbs language before he [or she] can think for himself: indeed the absorption of language is the very condition of being able to think for himself [or herself]. The individual can reject particular knowledges that society explicitly teaches him [or her], he [or she] can throw off particular beliefs that society forcibly imposes upon him [or her] – but he [or she] has always already accepted the words and meanings through which such knowledges and beliefs were communicated to him [or her]. They lie within him like an undigested piece of society.«3

Harland fasst hier zentrale Fragen im Kontext von Sprache und Diskurs zusammen. Einerseits akzeptiert er die determinierende Funktion des Sprachsystems, betont aber andererseits zugleich die Möglichkeit zum Widerstand innerhalb des Systems, das nicht eine abstrakte und statische Entität ist, sondern immer historisch spezifisch, gesellschaftlich vermittelt und konstruiert. In die gleiche Richtung zielt auch Fairclough, wenn er fordert, dass jene Konzeptualisierungen von Sprache abgelehnt werden sollten, die diese ent-

2 3

Berger und Luckmann 1999, 40. Harland 1987, 12-13.

S PRACHE, M ACHT , W ISSEN, W AHRHEIT , I DEOLOGIE UND R EPRÄSENTATION | 43

weder als »a purely individual activity« oder als ein »reflex of situational variables« begreifen.4 Letztere Ansicht, argumentiert Fairclough, »tends to be one-sidedly upon how language varies according to social factors, which suggests that types of social subject, social relations, and situation exist quite independently of language use, and precludes the possibility of language use actually contributing to their constitution, reproduction and change.«5

Ein zweiter Mangel dieser Konzeptualisierungen erscheint für die Analyse des Globalismus noch wichtiger. Die sozialen Variablen, die in Korrelation mit sprachlichen Variablen gesehen werden, erscheinen nur als relative Oberflächenmerkmale der sozialen Situationen des Sprachgebrauchs. Dabei wird die Möglichkeit einer Determinierung, Reproduktion und Transformation der Merkmale der Sprache durch soziale Strukturen auf einer tieferen Ebene nicht ausreichend in Betracht gezogen. Zu diesen zählt Fairclough »social relations between classes and other groups, ways in which social institutions are articulated in the social formation, and so forth«.6 Erst durch die Berücksichtigung jener tieferen Strukturen, wie sie beispielsweise die moderne Soziolinguistik leistet, wird eine Analyse der Beziehung zwischen Sprachgebrauch und sozialen Transformationen, die im Zentrum der Diskursentwicklung stehen, sowie das Hinausgehen über eine synchronische Sprachbeschreibung überhaupt erst möglich. Für die Analyse des Verhältnisses von Globalisierung und Globalismus ist es genau dieser Zusammenhang zwischen sozialen Transformationen und Diskursentwicklungen, der von besonderem Interesse ist.

3.2 M ACHT , W ISSEN

UND

W AHRHEIT

Eng mit der Analyse der sprachlichen Aspekte von Diskursen verknüpft und von entscheidender Bedeutung für die Untersuchung des Verhältnisses von Globalismus und Globalisierung ist die hier angenommene Konfiguration von Macht, Wissen und Wahrheit. Grundsätzlich werden hier Foucault und Hall folgend die Entwicklung, Inhalte, Strukturen und Effekte sowie TeilnehmerInnen von Diskursen als zumindest partiell durch Machtrelationen bestimmt konzeptualisiert. Es wird ferner davon ausgegangen, dass bestimmte diskursive Formationen ›Regeln‹ bereitstellen, die der Festlegung dessen dienen, was als ›Wissen‹ in einem bestimmten, historisch spezifischen Kontext anerkannt wird. Diese ›Regeln‹ bestimmen auch, was nicht als ›Wissen‹ zählt. Damit eng verknüpft ist das Problem des Wahrheitsge-

4 5 6

Fairclough 1993, 63. Ebenda. Ebenda.

44 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

haltes von spezifischen Aussagen sowie übergreifenden Theorien und Erklärungsmustern.7 Der Begriff der Macht wird in den verschiedensten Kontexten, in unterschiedlichen Disziplinen sowie natürlich auch in Alltagsdiskursen verwendet, aber es besteht bestenfalls eine nur sehr geringe Übereinstimmung, wenn es um die genaue inhaltliche Bestimmung des Konzepts geht. Es erscheint also unerlässlich, sowohl den hier verwendeten Machtbegriff als darauf aufbauend auch den Zusammenhang zwischen Diskursen und Macht zu charakterisieren. Angesichts der zentralen Rolle, die seiner Arbeit auf diesem Gebiet beigemessen wird, ist es kaum möglich, Foucault selbst beziehungsweise foucaultsche Herangehensweisen zu ignorieren. Zu den auffälligsten Gemeinsamkeiten zwischen Foucault selbst und seinen zahlreichen Epigonen gehören u.a. die Betonung von ›Wissen‹, ›Wahrheit‹, ›Diskurs‹, ›Selbst‹, ›Sexualität‹ und ›governmentality‹ als ›Orten‹ der Macht. Im Kontrast dazu stehen von marxistischen Positionen abgeleitete Ansätze, in deren Zentrum eher gesellschaftliche Widersprüche und (Klassen)Kämpfe lokalisiert sind, wobei die Quellen der Macht die Produktivkräfte, d.h. Kapital und Arbeit sind. In der Alltagssprache reflektiert die Verwendung des Machtbegriffes in hohem Maße tradierte politische Theorien und noch immer ein Verständnis von Macht, das ursprünglich auf einen Monarchen/eine Monarchin verwies und das um die Vorstellung einer Knappheit von Macht herum organisiert ist. Die Betonung von Klassengegensätzen und -kämpfen ist in neueren Spielarten der Cultural Studies zwar weitestgehend zurückgenommen worden, aber Rudimente des Grundmodells finden sich – oftmals uneingestanden – auch weiterhin in der Betonung der Unterdrückung von Gruppen, die aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihrer sexuellen Präferenzen, ihres Alters oder ihrer Genderzugehörigkeit definiert werden können.8 Foucaults Ansatz könnte stark vereinfachend dahingehend beschrieben werden, dass er sowohl traditionelle als auch marxistische Machtkonzepte, die auf der Knappheit von Macht basieren, ablehnte und ein alternatives Modell vorschlug, in dem er Macht und Wissen in Beziehung zueinander setzt. In Anbetracht der Fülle von detaillierten Untersuchungen zum foucaultschen Machtmodell soll dieses hier nur soweit charakterisiert werden, wie es für die Untersuchung des Globalismus als relevant erscheint. Für Foucault werden alle Formen von Wissen als durch Machtrelationen definiert verstanden, wobei Wissen und Macht so eng miteinander verwoben sind, dass es möglich wird, von Konvergenz zu sprechen. Macht konstituiert für Foucault nicht nur soziale Realität und Subjektivität, sondern Wissensdiskurse selbst sind gleichzeitig Ausdruck von Machtrelationen und Verkörperungen von Macht. Macht wird dabei nicht ausschließlich als negativ oder

7 8

Foucault 1992, passim; Hall 1997, 6. Hartley 2002, 181-182.

S PRACHE, M ACHT , W ISSEN, W AHRHEIT , I DEOLOGIE UND R EPRÄSENTATION | 45

notwendigerweise repressiv, sondern als Wissen produzierend konzeptualisiert: »Man muß wohl auch einer Denktradition entsagen, die von der Vorstellung geleitet ist, daß es Wissen nur dort geben kann, wo die Machtverhältnisse suspendiert sind, daß das Wissen sich nur außerhalb der Befehle, Anforderungen, Interessen der Macht entfalten kann. Vielleicht muß man dem Glauben entsagen, daß die Macht wahnsinnig macht und daß man nur unter Verzicht auf die Macht ein Wissender werden kann. Eher ist wohl anzunehmen, daß die Macht Wissen hervorbringt (und nicht bloß fördert, anwendet, ausnutzt); daß Macht und Wissen einander unmittelbar einschließen; daß es keine Machtbeziehung gibt, ohne daß sich ein entsprechendes Wissensfeld konstituiert, und kein Wissen, das nicht gleichzeitig Machtbeziehungen voraussetzt und konstituiert.«9

Die Analyse der Macht/Wissen-Konstellationen kann für Foucault nicht länger von einem Wissenssubjekt ausgehen, das frei oder unfrei in Relation zum Machtsystem ist, sondern das wissende Subjekt, die Wissensobjekte und die Wissensmodalitäten müssen als Effekte dessen, was er als Macht/Wissen und dessen historische Transformationen bezeichnet, verstanden werden: »Es ist also nicht so, daß die Aktivität des Erkenntnissubjekts ein für die Macht nützliches oder gefährliches Wissen hervorbringt; sondern die Formen und Bereiche der Erkenntnis werden vom Komplex Macht/Wissen, von den ihn durchdringenden und konstituierenden Prozessen und Kämpfen bestimmt.«10

Die Ausübung von Macht ist dabei niemals total und generiert permanent ihre eigenen Widerstände. Aus diesen Annahmen leitet Foucault dann eine Vorstellung von Macht ab, die nicht länger als ›Eigentum‹ zu begreifen ist: »Diese Macht ist nicht so sehr etwas, was jemand besitzt, sondern vielmehr etwas, was sich entfaltet; nicht so sehr das erworbene oder bewahrte ›Privileg‹ der herrschenden Klasse, sondern vielmehr die Gesamtwirkung ihrer strategischen Positionen – eine Wirkung, welche durch die Position der Beherrschten offenbart und gelegentlich erneuert wird.«.11 Mit Blick auf die Ausübung von Macht im Sinne von Foucault stellt sich natürlich die Frage, wie in einem konkreten sozialen Kontext eine Akzeptanz der Macht ›produziert‹ und wie die Macht legitimiert wird. Auf diesen

9 Foucault 1977, 39. 10 Ebenda, 39-40. 11 Ebenda, 26-27.

46 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

Aspekt wird im Zusammenhang mit Gramscis Hegemoniekonzept noch näher eingegangen.12 Die in dieser Untersuchung vertretene Position, dass gesellschaftliche Wirklichkeit konstruiert wird und dass Diskurse eine wichtige Rolle in diesem Prozess spielen, wirft auch die Frage auf, wie das Wissen über Globalisierungsprozesse in Diskursen produziert, zirkuliert, bewahrt, artikuliert oder disartikuliert wird und welche Rolle dabei Machtkonstellationen spielen. Bublitz et al. weisen in ihrer Beschreibung des Verhältnisses von Macht und Wissen bei Foucault darauf hin, dass diese ineinander verwoben sind. Dies hat für sie Konsequenzen sowohl für den Charakter von Diskursen als auch die Konzeptualisierung von Wahrheit: »Diskurse erscheinen als historisch-situierte Problematisierungen des bis dahin geltenden Wahren, mit dem Effekt neue Wahrheiten zu produzieren. […] Wahrheit ist also an Machttechniken und -wirkungen gebunden; sie erscheint als eine Dimension und Wirkmöglichkeit der Macht. Dies manifestiert sich u.a. darin, dass Diskurse Praktiken sind, die (allgemeinverbindliche) Wahrheiten produzieren und so soziale Wirklichkeit konstituieren.«13

In Übereinstimmung mit diesen Annahmen wird der Globalismus hier als ein Diskurs verstanden, der in einer ganz konkreten historischen Situation neue ›Wahrheiten‹ über Globalisierungsprozesse produziert, in vermittelter Weise soziale Wirklichkeit konstituiert und in den Machtkonstellationen eingeschrieben sind. Ein solches Verständnis des Verhältnisses von Wissen, Macht und Wahrheit kollidiert nahezu mit Notwendigkeit mit orthodoxen wissenschaftlichen Konventionen über den objektiven Charakter von Wissen.14 Said sah es daher als notwendig an, offen zu legen, wie der allgemeine Konsens »that ›true‹ knowledge is fundamentally nonpolitical (and conversely, that overtly political knowledge is not ›true‹ knowledge) obscures the highly if obscurely organized political circumstances obtaining when knowledge is produced. No one is helped in understanding this today when the adjective ›political‹ is used as a label to dis-

12 Vgl. S. 52. 13 Bublitz et al. 1999, 11. 14 »Scientific knowledge […] would aspire to be valid independently of the particular society or culture in which it was produced. While such knowledge may be refutable (which is to say that it may well be revised or improved upon in the future), the assumption would be that such improvement would come about through better observation or accumulation of information from the external world. The value of scientific knowledge would therefore depend upon the degree to which it corresponds to how an external and independent world really is (Edgar and Sedgwick (Eds.) 2002, 374).«

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credit any work for daring to violate the protocol of pretended suprapolitical objectivity.«15

Soweit diese Untersuchung betroffen ist, wird die von Said vertretene Position bezüglich des Charakters von Wissen und des der Wissensproduktion zugrundeliegenden Verhältnisses von Wissen, Wahrheit und Objektivität einerseits und Gesellschaft sowie Politik andererseits geteilt. Gleiches gilt auch für die Einschätzung von van Dijk, dass eine wertfreie Wissenschaft unmöglich: »science, and especially scholarly discourse, are inherently part of and influenced by social structure, and produced in social interaction«.16 Dieses Problem wird im Abschnitt 3.4 im Zusammenhang mit der Diskussion der Rolle des/der Intellektuellen aus einer anderen Perspektive weiter vertieft. Bei allen Unterschieden zwischen ihren Positionen, die hier gar nicht ausreichend gewürdigt werden konnten, lässt sich zusammenfassend konstatieren, dass Foucault, Bublitz et al., Said und van Dijk aus ihren unterschiedlichen Perspektiven den Blick auf die politischen, ökonomischen und institutionellen Rahmenbedingungen der Wissens- und Wahrheitsproduktion lenken – die ›Wahrheit‹ selbst wird zum Ort der Auseinandersetzung. Wissensregime existieren somit als Teil des sozialen Gesamtsystems und können als solche immer auch in Frage gestellt werden. Deshalb sind im Kontext der Globalismusanalyse die vielleicht wichtigsten Aspekte der Arbeit von Foucault sein tiefes Misstrauen gegenüber vermeintlichen ›Wahrheiten‹ und ›Notwendigkeiten‹ sowie ahistorischen Beschreibungen der Wirklichkeit (die auch einen ganz wesentlichen Teil des Globalismus ausmachen) und das Beharren auf der Möglichkeit gesellschaftlichen Wandels. Er selbst möchte zeigen, »daß viele Dinge, die Teil unserer Landschaft sind – und für universell gehalten werden –, das Ergebnis ganz bestimmter geschichtlicher Veränderungen sind. Alle meine Untersuchungen richten sich gegen den Gedanken universeller Notwendigkeiten im menschlichen Dasein. Sie helfen entdecken, wie willkürlich Institutionen sind, welche Freiheit wir immer noch haben und wieviel Wandel immer noch möglich ist.«17

Diese Ansichten werden hier vollauf geteilt und bilden eine wesentliche Grundlage der Analyse des Globalismus. Vor dem Hintergrund dieser theoretischen Überlegungen stellt sich auch die Frage nach konkreten Möglichkeiten der Produktion von Wissen, das in höherem Maße inklusiv, partizipatorisch und kollaborativ wäre.18 Eine ganz

15 16 17 18

Said 1995 [1978], 10. Van Dijk 2001, 352-353. Foucault 1993a, 16f. In Anlehnung an Arbeiten an der Universität Konstanz wird kollaborativ produziertes Wissen als mehr als die Summe des Wissens verschiedener AutorInnen

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wesentliche Voraussetzung für die Produktion solchen Wissens wäre, nicht nur die Globalisierungseliten und -gewinner, sondern auch die von den negativen Auswirkungen bestimmter Globalisierungsprozesse Betroffenen stärker in entsprechende Diskussionen zu integrieren, als dies gegenwärtig der Fall ist – quasi eine Mischung aus Weltwirtschaftsforum und Weltsozialgipfel. Selbst wenn solche Diskussionen theoretisch organisiert werden könnten, wären sie allerdings aufgrund der ihnen immanenten Machtrelationen nicht nur asymmetrisch, sondern würden im Ergebnis unterschiedlichster partikularer Interessen auch fast mit Notwendigkeit zu Konflikten führen, wie zum Beispiel auch der Weltklimagipfel in Kopenhagen 2009 gezeigt hat. Angesichts einer zunehmenden transplanetaren Interkonnektivität und wachsenden Bedeutung supraterritorialer sozialer Beziehungen stellt sich die grundsätzliche Frage, wie interkulturelle Kommunikation und eine Ländergrenzen übergreifende Bewältigung von Interessenkonflikten überhaupt organisiert werden können, ja, ob sie überhaupt möglich sind. Selbst wenn effektive globale Institutionen zur Steuerung bestimmter Globalisierungsprozesse existieren würden, wäre die Voraussetzung für praktisches Handeln eine vorgeschaltete Übereinkunft über Grundsätze vernünftigen Handelns. ›Vernunft‹ in diesem Zusammenhang erscheint aber ähnlich wie ›Wissen‹ nicht mehr a priori als objektiv, absolut oder universell, sondern kann immer nur Ergebnis des Bemühens sein, die faktische Partikularität unterschiedlicher Vernunftsansprüche (und Interessen) zu überwinden. Said stellte mit Blick auf die praktischen Aspekte dieses Problems und die neuen Herausforderungen am Beginn des 21. Jahrhunderts fest, dass diese eine Abkehr von den polemischen und oppositionellen Kommunikationsmodellen der Vergangenheit erforderlich machen. Notwendig wären vielmehr »models of reconciliation by which you can situate yourself and the other in a territory or in a space that isn’t all about fighting, that isn’t all about polemics and oppositional politics in the crude and reductive sense of the word«.19 Auch wenn eine solche Hinwendung zu weniger polemischen Kommunikationsmodellen sicherlich wünschenswert und in einzelnen Bereichen auch möglich ist, so erscheint sie zumindest mit Blick auf bestimmte Globalisierungsprobleme doch als eher unwahrscheinlich. Dies ist umso mehr der Fall, da der Konsens über nationale Grenzen hinweg etabliert wer-

verstanden. Es ist Ergebnis einer Diskussion, die solange geführt wird, bis ein (vorübergehender) inhaltlicher Konsens erzielt worden ist. Eine weitere Diskussion bleibt auch danach möglich, es handelt sich quasi um einen dynamischen Konsens. Vgl. ENFORUM-Projekt an der Universität Konstanz [http://www.infwiss.uni-konstanz.de/People/RK/Publikationen2002/ZFBB-ENFORUM.pdf – 01.12.2007]. Bei der Diskussion konkreter Fragestellungen wären ein möglichst hoher Grad der Inklusion und eine gleichberechtigte Partizipation der Betroffenen anzustreben. 19 Said, 2001f, 203.

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den muss. Entscheidend bleibt also, inwieweit konfligierende Interessen von den unterschiedlichen KommunikationsteilnehmerInnen in die Diskussionen über globale Probleme überhaupt eingebracht werden können. Die Welt ist zwar in vielfältiger Weise vernetzt und durch zahlreiche Interdependenzen charakterisiert, aber dies bedeutet nicht, dass es sich bereits um eine internationale oder gar globale Gemeinschaft handelt, die auf der Grundlage eines Grundkonsenses eine gerechtere Welt und einen Interessenausgleich nicht nur zwischen verschiedenen Staaten, sondern auch zwischen sozialen Schichten innerhalb dieser Staaten anstrebt. Baudot betont in seiner Beschreibung der gegenwärtigen Probleme einer globalisierten Welt, dass diese keine Gemeinschaft ist: »Plagued by violent conflicts and violations of fundamental human rights, it lacks the political institutions and the shared values that could replace a culture of competition and mistrust with a culture of cooperation and peace. Such a community has to be carefully constructed with deliberate effort. It would be imprudent to rely on the ›natural‹ evolution of humanity from group to global solidarity to achieve this end.«20

Diese Feststellung ist insbesondere vor dem Hintergrund der als Teil des Globalismus immer wieder behaupteten Existenz einer ›internationalen Gemeinschaft‹ wichtig.21

3.3 I DEOLOGIE Berger und Luckmann charakterisieren Ideologie folgendermaßen: »Wenn eine Wirklichkeitsbestimmung so weit ist, daß sich ein konkretes Machtinteresse mit ihr verbindet, so kann sie ›Ideologie‹ genannt werden.«22 In einer Fußnote schreiben sie ergänzend, dass das Wort »in so verschiedenem Sinne gebraucht [wurde], daß man schier an ihm verzweifeln könnte«.23 Dieser Einschätzung kann zwar voll und ganz beigepflichtet werden, aber auf den Begriff kann bei der Analyse des Globalismus trotzdem nicht verzichtet werden. Mit Blick auf die Cultural Studies wird hier in Übereinstimmung mit Carey die Ansicht vertreten, dass Ideologie auch weiterhin zu den wichtigsten konzeptuellen Kategorien der Cultural Studies gehört. Er ist überzeugt, die »British cultural studies could be described just as easily and perhaps more accurately as ideological studies for they assimilate, in a variety of complex ways, culture to ideology«.24 Ideologie wird dabei nicht primär als ein Instrument der Misrepräsentation gesellschaftlicher Wirklichkeit, der

20 21 22 23 24

Baudot 2001, 14. Eine detaillierte Analyse wird im Kap. 9 vorgenommen. Berger und Luckmann 1999, 132. Ebenda. Carey 1997, 97.

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Manipulation oder der Verschleierung von Interessenkonflikten verstanden (all dies kann sie natürlich auch sein!), sondern als Ausdruck eines permanenten Kampfes um Ideen und Bedeutungen, Wissen und ›Wahrheit‹. In der Einleitung dieser Untersuchung wird konstatiert, dass der Globalismus nicht als eine monolithische Ideologie, die im Sinne marxistischer Orthodoxien bloßer Ausdruck von Klasseninteressen ist, begriffen werden kann. Dies bedeutet aber weder, dass der Globalismus nicht auch ideologische Elemente beinhaltet, noch, dass er nicht auch konkrete Interessen reflektiert. Auch wenn die Problematik des Ideologiekonzepts sich darin nicht erschöpft, kann sie vor dem Hintergrund der Diskussion von Wissen, Macht und Wahrheit im Abschnitt 3.2 und mit Blick auf die Globalismusanalyse auf die folgenden Fragen reduziert werden: (i) Ist Ideologiekritik überhaupt möglich? (ii) Welcher Natur ist das Verhältnis von Repräsentationen, die Teil von Ideologien sind, zur sozialen Wirklichkeit? (iii) Inwieweit reflektieren Ideologien konkrete Interessen? (iv) Auf welche Weise tragen Ideologien zur Bewahrung beziehungsweise Veränderung des gesellschaftlichen Status quo bei? (v) Wie werden Ideologien in Texten konkret realisiert? Würde man Foucault konsequent folgen, wäre nicht nur eine kritische Analyse von Ideologien, sondern auch von Diskursen unmöglich. Die Unmöglichkeit einer Meta-Kritik von Ideologien begründet sich für Foucault u.a. dadurch, dass eine objektive Perspektive, die frei ist von den Machtbeziehungen, die ihrerseits wiederum in allen Ideologien impliziert sind, nicht möglich ist. Macht durchdringt für ihn alle Bereiche der Gesellschaft, und bereits die Vorstellung von Ideologiekritik wird problematisch, denn sie setzt die Idee von Wahrheit mit Notwendigkeit voraus. Für Foucault aber kann alles Wissen nur relativ sein, es ist immer historisch spezifisch und kann nicht außerhalb eines sozialen Kontextes gedacht werden. Es ist daher immer auch von Interessen durchdrungen. Die Akzeptanz der Durchdringung von Wissen durch Interessen durch Foucault impliziert aber eigentlich ›jemanden‹, der Interessen hat, ein Subjekt. Dies wird von Foucault aber beispielsweise in Überwachen und Strafen verneint: »Analysiert man die politische Besetzung des Körpers und die Mikrophysik der Macht, so muß man im Hinblick auf die Macht den Gegensatz Gewalt/Ideologie, die Metapher des Eigentums, das Modell des Vertrags sowie das der Eroberung fallenlassen; im Hinblick auf das Wissen ist der Gegensatz zwischen dem ›interessierten‹ und dem ›desinteressierten‹ ebenso aufzugeben wie das Modell der Erkenntnis und der Primat des Subjekts.«25

Foucaults hier zitierte Ansicht zur Analyse der komplexen Zusammenhänge zwischen der Relativität des Wissens, seiner Durchdringung von den Interessen handelnder Subjekte, von Machtfragen und der Möglichkeit von Ideologiekritik zeigt aber auch die Inkonsistenz seiner verschiedenen Arbeiten

25 Foucault 1977, 40.

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und die immer präsente Gefahr, ihn zur Begründung unterschiedlichster Positionen zu instrumentalisieren. In dem früheren Werk Archäologie des Wissens schien Foucault noch davon überzeugt zu sein, dass es zumindest in bestimmten Bereichen einen offensichtlichen Zusammenhang zwischen Wissen, Ideologie und Interessen gibt. Mit Bezug auf die Politische Ökonomie – ein Bereich, der für die Analyse des Globalismus naturgemäß von besonderer Bedeutung ist – stellte Foucault im Kapitel 6, »Wissenschaft und Wissen«, Folgendes fest: »Man kann wohl grob sagen […], daß die Politische Ökonomie in der kapitalistischen Gesellschaft eine Bedeutung hat, daß sie den Interessen der bürgerlichen Klasse dient, daß sie von ihr und für sie geschaffen worden ist, daß sie schließlich das Stigma ihrer Ursprünge bis in ihre Begriffe und ihren logischen Aufbau trägt; aber jede genauere Beschreibung der Beziehungen zwischen der epistemologischen Struktur der Ökonomie und ihrer ideologischen Funktion wird durch die Analyse der diskursiven Formation, die sie ermöglicht hat, und die Analyse der Gesamtheit der Gegenstände, Begriffe und theoretischen Wahlmöglichkeiten gehen müssen, die sie zu erarbeiten und zu systematisieren hatte; und man wird zeigen müssen, wie die diskursive Praxis, die eine solche Positivität ermöglichte, neben anderen Praktiken funktioniert hat, die diskursiver, aber auch politischer oder ökonomischer Ordnung sein konnten.«26

Einen ganz wesentlichen Beitrag zur Entwicklung des Wissensbegriffes sowie zur Präzisierung der Frage, inwieweit Ideologien Ausdruck von Interessen sind, hat der deutsche Soziologe Karl Mannheim (1893-1947) geleistet.27 Er hielt zwar grundsätzlich an dem Konzept von Ideologie fest, bestritt aber ihren von Marx behaupteten Klassencharakter. Einerseits wird die in traditionellen marxistischen Ideologiekonzeptionen zentrale Behauptung, dass es sich bei Ideologien um eine Entstellung oder Verdrehung der ›Wahrheit‹ handele, von Mannheim abgelehnt – die binäre Opposition zwischen Ideologie und ›wahrem‹ Wissen ist für ihn nicht aufrecht zu erhalten. Andererseits insistiert Mannheim, dass Ideen nicht losgelöst von der materiellen Basis der Gesellschaft existieren. Daraus leitet er ab, dass, in Abhängigkeit von ihrer jeweiligen materiellen Situation, unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen unterschiedliche Weltsichten haben, die zwar gleichermaßen valid sind, aber zu einer abweichenden Interpretation der Welt führen.28 Mithin kann es – und hier gibt es wieder Übereinstimmungen mit Foucault – keine singuläre ›Wahrheit‹ geben, die als Maßstab zur Beurteilung aller Ideologien dienen könnte. ›Wahrheit‹ kann immer nur in einem konkreten historischen und sozialen Kontext gedacht werden. Ungeachtet

26 Foucault 1992, 262. 27 Mannheim hat seine Wissenssoziologie in einer Reihe von Essays entwickelt, die 1929 in Ideologie und Utopie kulminierten. 28 Vgl. Edgar and Sedgwick (Eds.) 2002, 191.

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aller Kritik, der Mannheims Soziologie des Wissens unterzogen wurde, ist aber Kettler zuzustimmen, wenn er schreibt, dass Mannheims »sensitivity to cultural contexts, his informed skepticism about Marxist historical ontologies, his recognition of multiple modes of knowing, and other features of his prematurely disrupted thinking, repay critical attention today«.29 Zu ergänzen wäre, dass hier davon ausgegangen wird, dass es zwar »multiple modes of knowing« beispielsweise über Globalisierungsprozesse gibt, diese aber nicht gleichberechtigt nebeneinander stehen, sondern von sehr unterschiedlichem gesellschaftlichem Einfluss sind. Wesentliche Weiterentwicklungen traditioneller marxistischer Ideologiekonzeptionen sind insbesondere auch mit den Namen Gramsci und Althusser verknüpft, die in sehr unterschiedlicher Weise für die Untersuchung bestimmter Aspekte sowohl der Globalisierung als auch des Globalismus nutzbar gemacht werden können. So eröffnen zum Beispiel bestimmte Weiterentwicklungen der Ideen von Gramsci Möglichkeiten einer Analyse des Globalismus, die stärker als andere theoretische Ansätze (zum Beispiel Foucaults) das agierende Subjekt in das Zentrum politischer Prozesse rückt, die Relevanz des ökonomischen Kontextes betont, aber gleichzeitig einen Rückfall in ökonomischen Determinismus verhindert, wie er in traditionellen marxistisch geprägten Basis-Überbau-Modellen vorherrschte. Die Ursache dafür sieht Wood darin, dass die Neo-Gramscianer die Weltökonomie als eine übergreifende Struktur aus Wissen, Ideen und Institutionen sehen, die die Interessen der dominanten Akteure reflektiert und innerhalb derer Wettbewerb stattfindet.30 Dabei wird die Struktur selbst als absolut notwendig erachtet, um sowohl die Identitäten als auch die Präferenzen der Akteure zu verstehen. Gleichzeitig geraten den Neo-Gramscianern aber nicht (wie in zahlreichen neueren Arbeiten in den Cultural Studies) politökonomische Aspekte aus dem Fokus. Für sie ist der kapitalistische Konkurrenzkampf »the key driving force of the system […] which is then constrained by the need of the powerful to gain the consent of the less powerful«.31 Die Notwendigkeit, die Zustimmung auch der gesellschaftlich Schwächeren zu gewinnen, betont auch Hall, wenn er die Vorstellung von Globalisierung »as a non-contradictory, uncontested space« zurückweist und schreibt, »in order to maintain its global position, capital has had to negotiate and by negotiate I mean it had to incorporate and partly reflect the differences it was trying to overcome«.32 Hall greift hier das Hegemoniekonzept von Gramsci auf, mit dem dieser die Mechanismen der durch die dominante Klasse ausgeübten Kontrolle in modernen kapitalistischen Gesellschaften zu erklären versuchte. Gramsci war überzeugt, dass die permanente Reproduktion dieser Kontrolle in Anbe-

29 30 31 32

Kettler 1998, 164. Woods 2001, 289. Ebenda. Hall 1991, 32.

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tracht des allgemeinen Wahlrechtes, des Vorhandenseins von bürgerlichen Freiheiten und Rechten, der Existenz von Gewerkschaften und zahllosen Partikularinteressen nicht ausschließlich auf Zwang oder Gewalt fußen kann, sondern primär auf Konsens und der Legitimität der Macht. Dies schließt einen Rückgriff auf Zwangsmaßnahmen und notfalls auch Gewalt in Krisenzeiten natürlich nicht aus. In diesem Kontext weist Hall darauf hin, dass Gramscis Hegemoniekonzept ungeachtet seiner Betonung politischer, kultureller, ideologischer und intellektueller Dimensionen der Macht in modernen Gesellschaften nicht dahingehend interpretiert werden darf, dass es bei der Erringung beziehungsweise Sicherung der Hegemonie ausschließlich um einen Sieg im ideologischen Kampf geht: »In fact Gramsci always insisted that, if the ›economic nucleus‹ was not secured, hegemony could not be won.«33 Teile der Massenmedien, ein breites Spektrum von staatlichen sowie nichtstaatlichen Organisationen und Intellektuelle, die mit den herrschenden Gruppierungen sympathisieren, ob nun aus Überzeugung oder aus Nützlichkeitserwägungen, spielen eine ganz entscheidende Rolle bei der ideellen Produktion dieses Konsenses und der Legitimierung der bestehenden Machtverhältnisse, indem diese als ›normal‹ und die sie stützenden Wissensstrukturen als ›wahr‹ präsentiert werden.34 Menschen werden also in der Regel nicht gezwungen, gegen ihren Willen oder wider besseres ›Wissen‹, die Herrschaftsverhältnisse zu akzeptieren, sondern für Gramsci besteht Hegemonie vielmehr darin, dass die Erklärungen einer hegemonialen Minderheit für die gesellschaftlichen Verhältnisse als ›wahr‹ und ›natürlich‹ und ihre Interessen weitestgehend als allgemeine Interessen wahrgenommen werden. Eine historisch spezifische Klassenideologie wird naturalisiert und erscheint als gesunder Menschenverstand. Da die Ideen des hegemonialen Blocks aber nicht einfach passiv von der Mehrheit akzeptiert werden und ihr auch nicht aufgezwungen werden können, sind diese immer auch Verhandlungssache und müssen der konkreten Lebenswelt weitestgehend angepasst werden beziehungsweise werden quasi ›vor Ort‹ nochmals modifiziert.35 Mit Bezug auf Globalisierung schreibt Bruff: »[T]he hegemonic project of the transnational historical bloc […] must articulate its vision in variable ways across different spatial and temporal horizons. The intention is to enable other social groups to ›consent‹ to the project via attaching meanings to globalisation that are not antagonistic to the meanings attached to globalisation by the transnational historical bloc.«36

33 34 35 36

Hall 1998, 92. Vgl. auch Abschnitt 3.4 zur Rolle des/der Intellektuellen. Vgl. Hall 1998, 89-92. Bruff 2005, 275.

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Je größer der Bereich der persönlichen Lebenswelt ist, der sich sinnvoll und weitestgehend konfliktfrei auf der Grundlage der hegemonialen Ideologie erleben und begreifen lässt, desto höher ist der Grad ihrer Akzeptanz. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass es einen in Abhängigkeit von der konkreten Situation größeren oder kleineren Bereich gibt, der durch ein Nebeneinander von widersprüchlichen Überzeugungen gekennzeichnet ist, die sich einerseits aus den hegemonialen Ideen und andererseits direkt aus der persönlichen Lebenswelt speisen. Es sind insbesondere diese Widersprüche zwischen Ideen (z.B. Globalismus) und konkreten Erfahrungen (z.B. Globalisierungskonsequenzen), die es zu analysieren gilt. Gramscis Hegemoniekonzept darf aber nicht auf seine ideelle Dimension reduziert werden. Hegemoniale Minderheiten müssen neben dem Versuch der ideellen Konsensherstellung immer auch konkrete materielle Zugeständnisse an die Interessen und Bedürfnisse der Subordinierten beziehungsweise Benachteiligten machen. Mit seinem Verständnis von Hegemonie eröffnet Gramsci somit die Möglichkeit von Globalismusanalysen, in denen subordinierte beziehungsweise durch bestimmte Globalisierungsprozesse benachteiligte Gruppen nicht primär als passive Rezipienten einer dominanten Klassenideologie verstanden werden, sondern als potenzielle Partner in einer allerdings asymmetrischen Verhandlungssituation, deren Akzeptanz für den Status quo immer wieder neu herzustellen ist. Durch die Verfolgung eines von Positionen Gramscis aus- und darüber hinausgehenden Ansatzes wird es auch möglich, sich zielgerichteter der Problematik zu stellen, wie Ideologien in die Wirklichkeit hineinwirken und welche Rolle in diesem Prozess Interessen spielen. Mit Blick auf das Verhältnis von Globalismus und Globalisierungsprozessen wäre zu fragen, wie konkrete Akteure bestimmte Präferenzen entwickeln, in welcher Weise diese Präferenzen unterschiedliche Interessen (insbesondere ökonomische) reflektieren, in welcher Beziehung die Herausbildung dieser Präferenzen zu politischen, ökonomischen und kulturellen Rahmenbedingungen steht, in denen die Akteure verortet sind, und welchen Einfluss das als Bestandteil des Globalismus produzierte und zirkulierte hegemoniale Wissen über Globalisierungsprozesse auf deren Ausgestaltung durch aktives Handeln hat. Für Woods besteht kein Zweifel, dass es keine objektiv definierbaren Interessen gibt: »[T]he way actors understand their own preferences will depend heavily upon prevailing beliefs and patterns of thinking in the world economy, many of which are embodied in institutions.«37 Von der Bedeutung bestimmter Institutionen für die Produktion und Zirkulation von Ideologie war auch Althusser überzeugt, der mit seinen Arbeiten ganz wesentlich zur Entwicklung einer modernen Ideologiekritik und -analyse beigetragen hat. Althusser hielt die Ideologiekonzeption von Marx im Gegensatz zu vielen KritikerInnen zwar in ihren Grundzügen für zutreffend, war aber auch der Meinung, dass diese zu stark auf Ideen fokussiert war. Aus seiner Sicht

37 Woods 2001, 288.

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waren es vor allem ideologische Praktiken, die als selbstverständlich empfunden werden, gelebte reale Beziehungen, die menschliche Subjekte konstituieren, und nicht primär Ideen. Ideen, die, wie bereits oben erwähnt, vor allem als eine Verschleierung oder Verzerrung realer gesellschaftlicher Verhältnisse verstanden wurden und die die existierende gesellschaftliche Ordnung im Interesse der herrschenden Klasse als gültige Norm darstellen, legitimieren und somit stützen sollen. Ein solches Verständnis der gesellschaftlichen Funktion von Ideen und Ideologie stellte für Althusser zwar eine korrekte Darstellung der existierenden Verhältnisse dar, konnte aber nicht schlüssig erklären, wie diese permanent reproduziert werden. Für Althusser waren es konkrete gesellschaftliche Institutionen, für die er den Begriff ideologische Staatsapparate prägte, die diese reproduzierende Funktion übernehmen. Zu diesen zählte Althusser u.a. politische Parteien, die Medien, religiöse Institutionen, das Bildungs- und Rechtssystem sowie die Familie.38 Zwei Aspekte sind besonders hervorzuheben. Zum einen ging Althusser von einer relativen Autonomie der ideologischen Staatsapparate aus, die, ohne direkt miteinander verknüpft zu sein, aber doch eine ähnliche Wirkungsweise haben. Fiske beschreibt diese folgendermaßen: »They are all patriarchal; they are all concerned with the getting and keeping of wealth and possessions, and they all assert individualism and competition between individuals.«39 Zum anderen betonte Althusser, dass Ideologie nur durch die Apparate vermittelt ihre Wirkung erzeugen kann, indem sie individuelle Subjektivität konstituiert und diesen Individuen spezifische Rollen innerhalb der Gesellschaft zuweist. Althussers Ideologiekonzeptualisierung und der Begriff der ideologischen Staatsapparate stellten zweifellos eine Weiterentwicklung existierender theoretischer Ansätze und insbesondere des tradierten marxistischen Staatsverständnisses (der Staat als repressives Machtinstrument) dar. Soweit die Cultural Studies betroffen sind, kann Montgomery und Allan zugestimmt werden, die schon 1992 überzeugt waren, dass der von Althusser initiierte Kampf, »to displace an essentialist logic mobilized to anchor a conception of ideology as a series of ideas separated from material practice (along with the parallel view to a rational, self-constituted unitary human subject) has, for the most part, been fought and won.«40

Sie weisen zu Recht aber auch darauf hin, dass es Althusser nicht gelang, »[to develop] an elaborated stance regarding the possibilities for the reali-

38 Althusser 1998, 153-164. 39 Fiske 1987, 257. 40 Montgomery and Allan 1992, o.S.

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zation of a resistant or counter-hegemonic politic at the level of the textsubject encounter«.41 Die Arbeiten von Pêcheux, Foucault, der Dekonstruktionisten, von FeministInnen und in den Cultural Studies u.a. von Stuart Hall haben zweifellos wesentliche Impulse für ein besseres Verständnis des Charakters, der ›Produktion‹ und der Wirkungsweise von Ideologien geliefert, aber die komplexen Wechselbeziehungen zwischen Texten, Ideologien und der gesellschaftlichen Wirklichkeit sind noch immer nicht ausreichend theoretisiert. Dies liegt u.a. daran, dass diese Wechselbeziehungen nur dann verstanden werden können, wenn unterschiedliche Disziplinen beziehungsweise Theorieansätze stärker miteinander verknüpft werden. Für die CDA bedeutet dies laut Fairclough, »that textual analysis needs to be framed in this respect in social analysis which can consider bodies of texts in terms of their effects on power relations«.42 Die Notwendigkeit einer solchen Vorgehensweise ergibt sich aus dem Ideologiebegriff von Fairclough: »Ideologies are representations of aspects of the world which can be shown to contribute to establishing, maintaining and changing social relations of power, domination and exploitation.«43 Vor dem Hintergrund der Sichtweise von Fairclough, die hier geteilt wird, lenkt der folgende Abschnitt den Blick auf die repräsentative Funktion von Sprache, das Verhältnis zwischen Repräsentationen und der gesellschaftlichen Wirklichkeit sowie auf die Rolle des/der Intellektuellen bei der Produktion dieser Repräsentationen.

3.4 R EPRÄSENTATION UND DIE R OLLE DES / DER KRITISCHEN I NTELLEKTUELLEN Für die gegenwärtige Ausprägung des Globalismus und den Grad seiner gesellschaftlichen Akzeptanz sind Intellektuelle unterschiedlichster Provenienz von ganz wesentlicher Bedeutung, da sie, wie bereits oben diskutiert, in vielen Fällen nicht nur Teil der ideellen Konsensproduktion sind, sondern auch maßgeblich einen ganz spezifischen Diskurs mitgestalten. Eine Globalismusanalyse sollte daher nicht nur die Korrelation zwischen Globalisierung und Globalismus, sondern auch die Rolle von Intellektuellen reflektieren, die sie bei der Repräsentation gesellschaftlicher Verhältnisse spielen. Insbesondere vor dem Hintergrund kritischer Traditionen in den Cultural Studies und im Kontext der Globalisierung stellt sich die Frage nach der Verantwortung der Intellektuellen und ihrem Verhältnis zum Status quo. Angesichts der millionenfachen Benachteiligungen von Menschen durch bestimmte Aspekte der Globalisierung nicht nur in der Dritten Welt stellt Miyoshi ganz konkrete Forderungen an Intellektuelle auf: 41 Ebenda. 42 Fairclough 2004, 9. 43 Ebenda; vgl. auch Wodak 1996, 18.

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»In order to regain moral and intellectual legitimacy, scholars in TNC [transnational corporation] societies need to resuscitate the idea of opposition and resistance. They, we, need to identify the victims and the victimisers once again, and define our relations to them.«44

Die Aufgabe der Intellektuellen bestünde demnach nicht nur in einer kritischen Analyse bestehender gesellschaftlicher Verhältnisse, sondern auch in einem Eintreten für die Interessen der Opfer dieser Verhältnisse. Eine ähnliche Position vertrat auch Said, der zeitlebens nicht müde wurde, seinen Überzeugungen bezüglich der gesellschaftlichen Rolle der Intellektuellen und ihres Verhältnisses zu Autorität, Common Sense und Macht Ausdruck zu verleihen: »The intellectual always has a choice either to side with the weaker, the less well-represented, the forgotten or ignored, or to side with the more powerful.«45 Er war sich aber völlig der Tatsache bewusst, dass dies nicht nur in autoritären Staaten, sondern auch in Demokratien mit Problemen verknüpft ist: »The great problem […] is precisely the drowning out of the critical sense. That has to be opposed by the secular intellectual and the critical sense revised for various audiences, various constituencies.«46 Said insistierte aber auch, dass dies, wie ihm gelegentlich von seinen KritikerInnen vorgeworfen wurde, nicht als die Befürwortung einer oppositionellen Haltung um ihrer selbst willen verstanden werden darf. Für ihn bedeutete es, »asking questions, making distinctions, restoring to memory all those things that tend to be overlooked or walked past in the rush to collective judgment and action«.47 Neben den der Konzeption säkularer Kritik im Sinne von Said inhärenten praktischen Problemen, auf die weiter unten noch genauer eingegangen wird, darf natürlich nicht die Tatsache negiert werden, dass – aus unterschiedlichsten Motivationsstrukturen heraus – ein großer Teil der Intellektuellen gar nicht den Versuch unternimmt, dem von Said formulierten Ideal gerecht zu werden, oder die ihm zugrundeliegenden Überzeugungen ablehnt. Unabhängig davon, ob Intellektuelle nun kritische Analysen produzieren oder durch ihre Arbeiten den gesellschaftlichen Status quo stützen, schaffen sie doch in jedem Falle ganz spezifische Repräsentationen der jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse. Angesichts des interdisziplinären Charakters dieser Untersuchung und der Tatsache, dass der Begriff der Repräsentation sowohl in verschiedenen diskursorientierten Forschungsansätzen und in den Cultural Studies als auch in der Politikwissenschaft ganz unterschied-

44 Miyoshi 1997, 62; zu den ›TNC societies‹ gehören für Miyoshi die USA, Europa, Japan und weitere transnationale Handelszonen in der früheren Dritten Welt. 45 Said 1994b, 24. 46 Said 2001g, 223. 47 Said 1994b, 25.

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lich bestimmt wird, soll kurz charakterisiert werden, wie er hier verwendet wird. Zu unterscheiden ist zwischen zwei Hauptvarianten: Repräsentation als eine Funktion von Sprache beziehungsweise als politische Repräsentation. Letztere Variante verweist in der Politikwissenschaft (und auch in der Alltagssprache) auf die politische Repräsentation der Interessen politischer Subjekte durch bestimmte Institutionen, Interessenvertretungen, Parteien etc. und ist ganz eng mit der Idee eines demokratischen Prozesses verknüpft. Wenn der Begriff Repräsentation im Sinne einer Funktion von Sprache gebraucht wird, verweist er hier Swann et al. folgend auf die Art und Weise »in which language and other systems of communication (e.g. non-verbal communication, visual imagery) represent objects, ideas, people and events etc. The term is often used critically, implying that language does not simply convey ideas etc. but represents these in particular ways (e.g. in accordance with certain sets of values).«48

In diesem Sinne steht der Begriff auch für die Repräsentation bestimmter gesellschaftlicher Verhältnisse oder sozialer Gruppen beispielsweise durch die Massenmedien oder durch PolitikerInnen. Im Rahmen dieser Repräsentationsprozesse besteht immer auch die Möglichkeit einer Misrepräsentation gesellschaftlicher Verhältnisse oder einer stereotypisierenden Darstellung bestimmter Individuen oder sozialer Gruppen. Unabhängig davon, ob es sich um Repräsentationen oder Misrepräsentationen handelt, verweist der Begriff in Übereinstimmung mit dem in dieser Untersuchung zugrunde gelegten Diskursbegriff aber nicht ausschließlich auf eine einseitige sprachliche Repräsentation empirischer Erfahrungen oder bestimmter Aspekte der gesellschaftlichen Wirklichkeit, sondern immer auch auf die Wechselwirkungen zwischen Texten und gesellschaftlicher Wirklichkeit. Sofern man Minderheitspositionen – und es sind zweifelsohne Minderheitspositionen – wie die von Said, van Dijk oder Miyoshi bezüglich des Charakters von Wissen, der Notwendigkeit von Opposition und Widerstand sowie der Rolle des/der Intellektuellen akzeptiert, wirft dies im Rahmen einer Globalismusanalyse ganz konkret die Frage der gesellschaftlichen Bedeutung von Repräsentationen von Globalisierungsprozessen und ihren möglichen Konsequenzen auf. Die Frage der Repräsentation stellt sich nicht zuletzt auch, weil einerseits immer noch die meisten Intellektuellen aus den USA, Europa und Japan kommen und die nicht nur in der Wissenschaftswelt, sondern auch in der Politik einflussreichen Zeitschriften, Verlagshäuser, Universitäten und Think Tanks in eben diesen Ländern konzentriert sind. Andererseits sind aber viele der negativen Konsequenzen der Globalisierung in den Ländern der Dritten Welt besonders gravierend. Intellektuelle, die diese Konsequenzen kritisch analysieren und sich für die Interessen der Benachteiligten, ob nun in der Dritten Welt oder anderswo, engagieren,

48 Swann 2004, 264-265.

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müssen sich zwangsläufig mit dem Problem der Repräsentation auseinandersetzen. Said, für den der komplexe Zusammenhang von Repräsentation, Autorität, Wissen und der Rolle des/der Intellektuellen zeitlebens eine ganz zentrale Rolle spielte, beschreibt diesen Zusammenhang folgendermaßen: »Modern thought and experience have taught us to be sensitive to what is involved in representation, in studying the Other, in racial thinking, in unthinking and uncritical acceptance of authority and authoritative ideas, in the socio-political role of intellectuals, in the great value of a sceptical critical consciousness. Perhaps if we remember that the study of human experience usually has an ethical, to say nothing of a political consequence in either the best or worst sense, we will not be indifferent to what we do as scholars. And what better norm for the scholar than human freedom and knowledge?«49

Said war sich (in vielleicht höherem Maße als viele seiner KritikerInnen) des problematischen Charakters der Prozesse, die jedem Akt der Repräsentation inhärent sind, durchaus bewusst. Zentrale Probleme bestehen für ihn u.a. in dem Verhältnis zwischen der Repräsentation und dem ›realen‹ Gegenstück sowie insbesondere auch der Rolle, die diese Repräsentationen im politischen Prozess spielen. Beispielhaft für diese Problemsicht ist Saids Orientalism. Dort analysiert er die Instrumentalisierung von Repräsentationen, die von ihm unter dem Begriff des Orientalismus subsumiert werden, und beschreibt, welche Rolle diese bei der Sicherung und Legitimierung kolonialer Herrschaftsverhältnisse gespielt haben.50 Ähnlich wie Said gehen auch Ashcroft und Ahluwalia davon aus, dass eine direkte und aktive Verbindung zwischen Repräsentationen und politischen Prozessen existiert und dass es im Kontext von Kolonialismus und Imperialismus daher auch kein neutrales Wissen geben kann. Für sie ist Wissen »always a matter of representation, and representation a process of giving concrete form to ideological concepts, of making certain signifiers standing for signifieds. The power that underlies these representations cannot be divorced from the operations of political force, even though it is a different kind of power, more subtle, more penetrating and less visible.«51

Die Positionen von Ashcroft und Ahluwalia sowohl zum Charakter des Wissens als auch zur Relation zwischen Repräsentationen und politischen Prozessen werden hier als auch für den Globalismus zutreffend angenommen

49 Said 1995 [1978], 327. 50 Ebenda, passim. 51 Ashcroft and Ahluwalia 2001, 65.

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(konkrete Analysen von Repräsentationen ausgewählter Aspekte der Globalisierung und ihrer textuellen Realisierung finden sich in den Kapiteln 7 - 9). Neben einer Vielzahl von ganz konkreten Fragen bei der Analyse des Globalismus gilt es auch, zwei grundsätzlichere Probleme zu berücksichtigen. Das erste besteht darin, welchen Spielraum hegemoniale Repräsentationen, und um solche handelt es sich gegenwärtig beim Globalismus, angesichts der ihnen immanenten Machtrelationen überhaupt für individuelle Kritik lassen. Das zweite Problem besteht darin, ob nicht jeder Versuch einer kritischen Analyse solcher Repräsentationen mit Notwendigkeit nur zur Etablierung weiterer und ihrerseits reduktionistischer und exklusiver, wenn auch nicht hegemonialer Repräsentationen führen muss. Bezüglich des ersten Problems wurde bereits im Abschnitt 3.2 darauf hingewiesen, dass von bestimmten diskursiven Formationen ›Regeln‹ bereitgestellt werden, die der Festlegung dessen dienen, was überhaupt als ›Wissen‹ in einem bestimmten, historisch spezifischen Kontext anerkannt beziehungsweise abgelehnt wird. So schreibt Said in der Einleitung zu Orientalism mit Blick auf die Auswirkungen des Orientalismusdiskurses auf alle, die sich mit dem Orient befassten, »that without examining Orientalism as a discourse one cannot possibly understand the enormously systematic discipline by which European culture was able to manage – and even to produce – the Orient politically, sociologically, militarily, ideologically, scientifically, and imaginatively during the post-Enlightenment period. Moreover, so authoritative a position did Orientalism have that I believe no one writing, thinking, or acting on the Orient could do so without taking account of the limitations on thought and action imposed by Orientalism.«52

Soweit es den Spielraum betrifft, den der Globalismus für individuelle Kritik lässt, ließe sich der letzte Satz dahingehend abwandeln, dass der Globalismus natürlich nicht völlig determiniert, was über Globalisierung gesagt werden kann. Die wichtigere Frage ist aber, welchen gesellschaftlichen Einfluss alternative Repräsentationen der Globalisierung innerhalb des gegebenen politischen, ökonomischen, militärischen und kulturellen Bedingungsgefüges haben können. In diesem Zusammenhang erhebt Robbins den Vorwurf, dass Said – wie allerdings viele andere auch – in seiner Diskussion der oppositionellen und kritischen Rolle der Intellektuellen einem entscheidenden Problem ausweicht. Dieses besteht für ihn darin, dass Saids »secular ideal of the intellectual who ›speaks truth to power‹ […] pays no explicit attention to the decisive question – the same question in another form – of why power would listen, what might make it listen, what makes anyone listen. That is, it has

52 Said 1995 [1978], 3.

S PRACHE, M ACHT , W ISSEN, W AHRHEIT , I DEOLOGIE UND R EPRÄSENTATION | 61

nothing explicit to say about the source of counter-authority that intellectuals must be assumed to counterpose to ›power‹.«53

An dieser Stelle sei darin erinnert, dass in dieser Untersuchung davon ausgegangen wird, dass die möglichen Effekte von Sprache, Texten, Repräsentationen und Diskursen auf die gesellschaftliche Wirklichkeit immer vermittelter Natur und eingebunden in komplexe Machtkonstellationen sind. Nur über Veränderungen unseres Wissens (beziehungsweise dessen, was als Wissen akzeptiert wird), unserer Ansichten und Überzeugungen, über die Beeinflussung sozialer Beziehungen und Strukturen sowie des Verhaltens relevanter Akteure werden diese Effekte möglich.54 Auch wenn im Rahmen einer kritischen Diskursanalyse beispielsweise sprachliche Aspekte von Repräsentationen in den Vordergrund gerückt werden, bleibt das zentrale Problem das Verhältnis von Texten und gesellschaftlicher Wirklichkeit. Hier wird Saids Verständnis des Zusammenhangs von Texten und der gesellschaftlichen Wirklichkeit außerhalb des Textes geteilt: »The realities of power and authority – as well as the resistances offered by men and women, and social movements to institutions, authorities, and orthodoxies – are the realities that make texts possible, that deliver them to their readers, that solicit the attention of critics. I propose that these realities are what should be taken account of by criticism and the critical consciousness.«55

Das Zitat entkräftet zwar nicht völlig den Vorwurf von Robbins, zeigt aber doch, dass sich Said durchaus der Tatsache bewusst war, dass die kritischen Analysen und alternativen Repräsentationen von Intellektuellen immer nur in vermittelter Weise ihre gesellschaftliche Wirkung entfalten können. Vor dem Hintergrund dieser Feststellung ließe sich das zweite Problem dahingehend präzisieren, dass beim Versuch einer kritischen Analyse des Globalismus nicht nur die Produktion von weiteren und ihrerseits reduktionistischen und exklusiven Repräsentationen vermieden werden sollte, sondern auch nach Wegen gesucht werden muss, in höherem Maße inklusive, partizipatorische und kollaborative Alternativen wirksamer in den Globalisierungsdiskurs einzubringen. Ungeachtet der Probleme bei der Produktion von Repräsentationen der Situation insbesondere der von Globalisierungsprozessen Benachteiligten und der kritischen Analyse ihrer Ursachen kann auf die Arbeit der Repräsentation nicht verzichtet werden. Ein Ziel sollte es sein, wann immer dies möglich ist, die Repräsentationen beziehungsweise die Produktion des ihnen zugrunde liegenden Wissens offener zu gestalten. Die gegenwärtigen sozialen, kulturellen und politischen Rahmenbedingungen erscheinen allerdings

53 Robbins 1997, 77, Herv. i.O. 54 Vgl. Abschnitt 2.4.1. 55 Said 1991, 5.

62 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

nur sehr bedingt geeignet, Kommunikationssituationen für die erfolgreiche Auseinandersetzung mit globalen Problemen zu ermöglichen, die in höherem Maße die Interessen der Globalisierungsverlierer berücksichtigen.

4. Der Globalisierungsbegriff

4.1 E INLEITUNG ›Globalization‹ is on everybody’s lips; a fad word turning into a shibboleth, a magic incantation, a pass-key meant to unlock the gates to all present and future mysteries. For some, ›globalization‹ is what we are bound to do if we wish to be happy; for others ›globalization‹ is the cause of our unhappiness. For everybody, though, ›globalization‹ is the intractable fate of the world, an irreversible process; it is also a process which affects us all in the same measure and in the same way. We are all being ›globalized‹ – and being ›globalized‹ means much the same to all who ›globalized‹ are.1 ZYGMUNT BAUMAN

Im Folgenden wird – im Gegensatz zu vielen GlobalisierungskritikerInnen, die ›die Globalisierung‹ pauschal verdammen – grundsätzlich davon ausgegangen, dass im Zuge der Globalisierung neue Möglichkeiten für die Menschheitsentwicklung geschaffen werden können. Dies kann und wird aber nicht im Selbstlauf geschehen. Im HDR von 1999 wird dazu festgestellt: »Globalization offers great opportunities for human advance – but only with stronger governance. This era of globalization is opening many opportunities for millions of people around the world. Increased trade, new technologies, foreign investments, expanding media and Internet connections are fuelling economic growth and human advance. All this offers enormous potential to eradicate poverty in the 21st century –

1

Bauman 1998b, 1.

64 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR to continue the unprecedented progress in the 20th century. We have more wealth and technology – and more commitment to a global community – than ever before. Global markets, global technology, global ideas and global solidarity can enrich the lives of people everywhere, greatly expanding their choices. The growing interdependence of people’s lives calls for shared values and a shared commitment to the human development of all people.«2

Diese Einschätzung aus dem Jahre 1999 klingt angesichts der zahlreichen Probleme und der berechtigten Kritik an den negativen Folgen bestimmter Globalisierungsprozesse sowie der Ereignisse des 20. und am Beginn des 21. Jahrhunderts wie naiver Fortschrittsglaube, der seine Berechtigung schon seit Langem verloren haben sollte. Die verschiedenen Human Development Reports der letzten Jahre sind aber durchaus nicht Ausdruck eines pauschalen und ungerechtfertigten Optimismus. Ganz klar wird auch darauf hingewiesen, dass der Zugewinn an Offenheit und Mobilität sowie die fortschreitende Vernetzung und Interdependenz über nationale Grenzen hinweg neben erweiterten Möglichkeiten auch neue Gefährdungen produziert haben: TerroristInnen, DrogenschmugglerInnen und andere organisierte Kriminelle nutzen die neuen Möglichkeiten in vielleicht höherem Maße als dies die meisten gewöhnlichen BürgerInnen können. Das Ausmaß des Problems lässt sich zum Beispiel durch die folgenden Zahlen illustrieren: »The illegal drug trade in 1995 was estimated at $400 billion, about 8% of world trade, more than the share of iron and steel or of motor vehicles, and roughly the same as textiles (7.5%) and gas and oil (8.6%)«.3 Die mit dem Drogenschmuggel verbundenen Aktivitäten überschreiten nicht nur nationale und regionale Grenzen, sondern schließen zahlreiche Bereiche ein. So schreibt Pryce, die globale Drogenökonomie »links a variety of activities across many parts of the world: the pop star snorting coke, the junkie and urban street dealer; the problems of the peasant farmers growing coca and opium; the human mule and patterns of smuggling; money laundering which undermines the integrity of financial institutions; the corruption of states; the activities of narco-terrorists; detox and rehab programmes and so on.«4

Diese neuen Gefährdungen sind – falls überhaupt – nicht mehr ohne eine grenzüberschreitende Kooperation verschiedener Länder beherrschbar, da der Drogenhandel »has increasingly become a transnational phenomenon, driven and fashioned in critical ways by transnational actors«.5 Ungeachtet aller zweifellos vorhandenen Probleme, von denen der Drogenhandel angesichts des globalen Klimawandels, der Zerstörung zukünfti-

2 3 4 5

UNDP 1999, 1. Ebenda, 41. Pryce 2006, 607. Stares 1996, 5

D ER GLOBALISIERUNGSBEGRIFF | 65

ger Lebensgrundlagen und der fortgesetzten Ressourcenplünderung, des massenhaften Auftretens von Armut, Hunger und heilbaren Krankheiten in weiten Teilen der Welt noch eines der geringeren darstellt, muss jede kritische Analyse der Globalisierung der Versuchung widerstehen, diese als einen ausschließlich negativen und zerstörerischen Prozess zu beschreiben, der für diese Probleme in einem simplen Sinne ursächlich ist. Erforderlich ist vielmehr eine möglichst vorurteilsfreie Analyse der tatsächlichen Ursachen und Effekte der ablaufenden Prozesse und des empirischen Materials – wenngleich dieses nicht immer eindeutig ist und insbesondere mittel- und längerfristig durchaus Raum für divergierende Interpretationen lässt. Besondere Skepsis ist angebracht, wenn GlobalisierungsgegnerInnen, ganz ähnlich wie ihre BefürworterInnen, scheinbar einfache Lösungen beispielsweise für das Problem der ›Armut in der Welt‹ und Hilfe für ›die Globalisierungsopfer‹ offerieren. So wäre immer zu fragen, um welche konkreten Armen es denn überhaupt geht. Auf die Komplexität dieser Fragestellung wird beispielsweise auf der Global Trade Negotiations (GTN) Home Page6 hingewiesen: »Agendas which might do the most to enhance the welfare of the poorest around the world may do much harm to the (relatively) poor in rich countries. […] Thus, a coherent case against or for reforming globalization’s present course likely involves choices about precisely which set of poor people one chooses to fight for – those in the developed world, or the developing world. Of course, the elites running the globalization show need to be just as clear about these tradeoffs. While there will be many ›win-win‹ propositions for both, there will be many that are ›winlose‹, and honest activists would need to be clear about which are which.«7

Angesichts der Vielfalt von Globalisierungsprozessen, der Unterschiedlichkeit der von ihnen betroffenen Staaten, gesellschaftlichen Schichten und Individuen sowie des breiten Spektrums möglicher Ausdeutungen des Begriffes Globalisierung in der Globalisierungsdebatte, in unterschiedlichen Disziplinen und sogar innerhalb einzelner Disziplinen sollen im Folgenden zuerst der Versuch einer Präzisierung der Begriffe Globalisierung und Globalität unternommen und die hier präferierten Konzeptualisierungen vorgestellt

6

7

Die GTN Webplattform ist nach ihrer Selbstbeschreibung »a resource for those interested in learning about and further researching issues in international trade today. It is maintained by a group of Harvard affiliates at Harvard University’s Center for International Development, under the guidance of Professor Dani Rodrik and Professor Robert Lawrence. This website does not advance any particular ideology or trade agenda. Rather, it attempts to represent as full a range of opinions on international trade as possible objectively and without prejudice (GTN Homepage [http://www.cid.harvard.edu/cidtrade/site/about.html#about – 30.11.2007])«. GTN 2005, o.S.

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werden. Ergänzt wird diese terminologische Abgrenzung durch eine Diskussion der Frage, ob es sich bei der Globalisierung in ganz wesentlichen Bereichen nicht vielmehr um eine Amerikanisierung handelt. Vor dem Hintergrund dieser terminologischen Klärung werden dann weitere Teilaspekte der Globalisierung untersucht, die für eine Begriffsklärung unerlässlich erscheinen. Im Einzelnen sind dies Analysen der besonderen Rolle, die die Phänomene Zeit-Raum-Kompression und flexible Akkumulation für die aktuelle Phase der Globalisierung gespielt haben sowie des Verhältnisses zwischen Globalisierung und Nationalstaaten.

4.2 G LOBALISIERUNG UND G LOBALITÄT Die Begriffe Globalisierung und Globalität werden von den an der Globalisierungsdebatte beteiligten Akteuren unterschiedlichster Provenienz mit deutlich divergierenden Bedeutungen und Intentionen verwendet, und es gibt zwischen den Disziplinen, die sich aus ihren jeweils unterschiedlichen Perspektiven mit Globalisierungsphänomenen befassen, gravierende Unterschiede. Es geht im Folgenden aber nicht um eine ausführliche Diskussion unterschiedlicher Globalisierungs- beziehungsweise Globalitätskonzeptualisierungen (dies würde angesichts des Umfangs der im Kontext der Globalisierung mittlerweile produzierten Analysen und Theorien eine eigene Untersuchung erfordern), sondern vielmehr um eine knappe Charakterisierung und historische Einordnung der begrifflichen Problematik. Auf spezielle Aspekte wird dann im weiteren Verlauf der Untersuchung näher eingegangen. Es sei an dieser Stelle nochmals, wie bereits im Abschnitt 2.3 diskutiert, darauf hingewiesen, dass sich bei der Verwendung des Begriffes Globalisierung in der Literatur bei aller Unterschiedlichkeit zwei Tendenzen erkennen lassen. Zum einen fungiert er als explanandum: Globalisierung wird als das Ergebnis konkreter historischer Prozesse und Veränderungen in unterschiedlichsten Bereichen verstanden, die in der Tendenz zur Herausbildung einer Welt als einem gemeinsamen sozialen Raum führen. Zum anderen übernimmt er immer stärker die Funktion eines explanans: ›Globalisierung‹ wird zur Erklärung beziehungsweise Ursache der Veränderungen in der modernen Welt. Die Entstehung eines globalen sozialen Raumes ist nicht länger lediglich ein Merkmal eines bestimmten historischen Typs sozialer Beziehungen, sondern der zeitlich-räumliche Aspekt wird als zentrale Ursache sozialer Prozesse erachtet beziehungsweise dient als Schlüssel zu ihrem Verständnis. Die der zweiten Tendenz innewohnende Neuformulierung wesentlicher Bereiche der Sozialwissenschaften wird hier abgelehnt, und der Terminus Globalisierung wird lediglich als deskriptiver Sammelbegriff für eine Vielzahl komplexer Prozesse, nicht aber als explanans für eben diese Prozesse verwendet. Dies darf aber nicht dahingehend verstanden werden, dass das

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im Abschnitt 4.4 als Zeit-Raum-Kompression beschriebene Phänomen nicht einen gewichtigen Anteil an der Beschleunigung von Globalisierungsprozessen vor allem in den letzten Dekaden des 20. Jahrhunderts hatte.8 Seit den 1980ern begann der schon vorher existente Begriff der Globalisierung nahezu gleichzeitig in vielen Sprachen eine größere Verbreitung zu finden und wurde schnell Teil des Standardvokabulars von AkademikerInnen, JournalistInnen, PolitikerInnen, WirtschaftsvertreterInnen und auch der Werbebranche.9 Neue Begriffe gelangen in der Regel zu größerer Popularität beziehungsweise Verbreitung, wenn sie geeignet erscheinen, wichtige gesellschaftliche Veränderungen adäquat zu erfassen: »A new idea [or term] is needed to describe a new condition.«10 So setzte sich der von Jeremy Bentham in den 1780ern geprägte Begriff ›international‹ durch, »because it highlighted a deepening reality of his day […] the rise of nation-states and of cross-border transactions between them. People had not spoken of ›international relations‹ before this time, since humanity had not previously been organized into national communities governed by territorial states.«11

Im Gegensatz zu ›international‹ ist die Bedeutung des Begriffes Globalisierung allerdings weitaus schwieriger zu fassen, wie auch das große Spektrum entsprechender Konzeptualisierungen in der Literatur belegt. Auch wenn es innerhalb dieses Spektrums teilweise diametral entgegengesetzte Positionen zu Teilbereichen der Globalisierung gibt, sind doch einige übereinstimmende Annahmen auffällig, die sich auch im Alltagsdiskurs wiederfinden. Nach Scholte können wenigstens fünf allgemeinere Verwendungsweisen des Begriffes Globalisierung unterschieden werden: Internationalisierung, Liberalisierung, Universalisierung, Verwestlichung und Deterritorialisierung.12 Er ist allerdings überzeugt, dass die ersten vier dieser Konzeptualisierungen der Globalisierung redundant sind, die entsprechenden Forschungsansätze für die Untersuchung der Globalisierung Sackgassen darstellen und nur die fünfte Verwendung neue Erkenntnisse verspricht.13 Für ihn steht der Begriff Globalisierung für die Verbreitung transplanetarer und in der aktuellen Phase insbesondere supraterritorialer Beziehungen zwischen den Menschen und ein verändertes Verständnis des sozialen Raumes: »This conception contrasts with the other four notions of globalization […], all of which presume (usually implicitly rather than explicitly) a continuity in the underlying character of social geography.«14

8 9 10 11 12 13 14

Vgl. S. 79ff. Scholte 2001b, 14. Ebenda, 13. Ebenda. Ebenda, 14. Scholte 2005. 54-65. Ebenda, 59.

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Auch Nederveen Pieterse betont die unterschiedlichen Möglichkeiten der Konzeptualisierung der Globalisierung, wenn er Folgendes schreibt: »[W]e may well conceive of globalizations in the plural. Thus in social science there are as many conceptualizations of globalization as there are disciplines […] Accordingly, globalization may be understood in terms of an open-ended synthesis of several disciplinary approaches […] Another way to conceive of globalization’s plural is that there are as many modes of globalization as there are globalizing agents and dynamics or impulses […] We can further differentiate between globalization as policy and project […] or as unintended consequence.«15

Eine weitere Möglichkeit, die allerdings in der aktuellen Literatur eine eher marginale Rolle spielt, besteht in der Verwendung des Imperialismusbegriffes zur Kennzeichnung bestimmter Aspekte der aktuellen Situation. So weisen Smith und Baylis darauf hin, dass es durchaus möglich wäre zu fragen, ob es sich bei der Globalisierung nicht lediglich um »the latest stage of Western imperialism« handelt.16 Der Abschnitt 5.2 wendet sich dieser Frage im Detail zu. Die am weitesten verbreiteten Interpretationen des Begriffes Globalisierung sind nach Nederveen Pieterse »ideas that the world is becoming more uniform and standardized, through a technological, commercial and cultural synchronization emanating from the West, and that globalization is tied up with modernity«.17 Diese Art von Interpretation wird hier mit gewissen Einschränkungen bezüglich der Konsequenzen im Wesentlichen geteilt. Einerseits verläuft die globale Integration seit den 1980ern mit hoher Geschwindigkeit, Reichweite und Tiefe, insbesondere im ökonomischen Bereich. Nationale Grenzen sind aber nicht nur für den Austausch von Waren, Kapital und Informationen durchlässiger geworden, sondern auch für Ideen, kulturelle Produkte, Praktiken und Wertvorstellungen. Vorangetrieben wird die globale Integration aber vor allem durch Prozesse und Maßnahmen, die primär ökonomische Zielsetzungen haben. Zu den entsprechenden Instrumenten gehören die Liberalisierung und Deregulierung nationaler Märkte und Ökonomien sowie der Rückzug des Staates von vielen ökonomischen Aktivitäten – u.a. im Zuge der Restrukturierung des Wohlfahrtsstaates. Sowohl die Geschwindigkeit als auch der Charakter der Integrationsprozesse werden dabei ganz wesentlich von technologischen Entwicklungen insbesondere im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien bestimmt. Andererseits sind die meisten Globalisierungsprozesse aber auch von krassen Ungleichgewichten gekennzeichnet, die sich u.a. durch den unterschiedlichen Grad der Partizipation einzelner Ländern beziehungsweise be-

15 Nederveen Pieterse 1995, 45-46. 16 Smith and Baylis 2001, 10. 17 Nederveen Pieterse 1995, 45.

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stimmter sozialer Schichten innerhalb dieser Länder an den positiven oder negativen Konsequenzen dieser Prozesse manifestieren. Das Hauptproblem wird im HDR 1999 folgendermaßen beschrieben: »The new rules of globalization – and the players writing them – focus on integrating global markets, neglecting the needs of people that markets cannot meet. The process is concentrating power and marginalizing the poor, both countries and people.«18 In dem Bericht wurde wie bereits in früheren Jahren eine stärkere Berücksichtigung der Interessen derjenigen gefordert, die durch bestimmte Globalisierungsprozesse marginalisiert werden. Teil einer mutigeren Herangehensweise an die Probleme sollten globale und nationale Reformen sein, um eine Globalisierung mit einem menschlichen Antlitz zu erreichen. Die AutorInnen schlussfolgerten, »globalization is too important to be left as unmanaged as it is at present, because it has the capacity to do extraordinary harm as well as good«.19 Die Forderung nach einer Steuerung der Globalisierung beziehungsweise bestimmter Globalisierungsprozesse bedeutet zusammen mit der Feststellung, dass die Globalisierung ganz wesentlich durch konkrete ökonomischen Zielsetzungen dienende Maßnahmen vorangetrieben wird, aber nicht, dass die aktuelle Globalisierung insgesamt als ein gesteuerter Prozess verstanden werden kann. Für Bauman ist es eher die fehlende Steuerung, die ein Hauptcharakteristikum der Globalisierung darstellt. Dies kommt zum Beispiel in seiner Unterscheidung zwischen Globalisierung und Universalisierung zum Ausdruck: »The deepest meaning conveyed by the idea of globalization is that of the indeterminate, unruly and self-propelled character of world affairs; the absence of a center, of a controlling desk, of a board of directors, of a managerial office […] the idea of ›universalization‹ conveyed the hope, the intention, and the determination of ordermaking; […] it meant a universal order – the order-making on a universally, truly global scale.«20

Darüber hinaus steht der Begriff Universalisierung für Bauman für den Willen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, die Lebensbedingungen und -chancen aller Menschen auf höherem Niveau anzugleichen. Dies träfe auf den Begriff der Globalisierung aber nicht mehr zu: »Nothing of that has been left in the meaning of globalization.«21 In einem inhaltlich und historisch engen Zusammenhang mit der Globalisierung stehen sowohl der Begriff als auch das Phänomen der Globalität. Der Begriff wird hier in zwei Bedeutungsvarianten verwendet, die zwar eng miteinander verknüpft sind, aber doch unterschiedliche Aspekte betonen.

18 19 20 21

UNDP 1999, 30. Ebenda, v-vi. Bauman 1998b, 59, Herv. i.O. Ebenda.

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Zum einen steht der Begriff für die Idee beziehungsweise die bewusste Wahrnehmung der Welt als einem gemeinsamen sozialen Raum, als einem ›single‹ oder ›unitary place‹. Zum anderen verweist er auf transplanetare Interkonnektivität und supraterritoriale soziale Beziehungen, die diesen gemeinsamen Raum charakterisieren. Das Bewusstsein von der Welt als einem gemeinsamen sozialen Raum hat sich zwar über einen historisch längeren Zeitraum quasi als Begleiterscheinung von Globalisierungsprozessen herausgebildet, war je nach dem Grad der tatsächlichen globalen Integration unterschiedlich stark ausgeprägt, ist aber als Massenerscheinung eher ein Phänomen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Vor dem Hintergrund der langen Geschichte der Globalisierung und mit Blick auf die aktuelle Situation am Beginn des 21. Jahrhunderts betont Weaver die nunmehr tiefere und dauerhafte Verwurzelung der Idee der Globalität im Bewusstsein: »As a phenomenon, globality may now have entered the time scale of deep, persistent cultural developments not transient political change. I currently think of globality as a bundle of phenomena not a theory, and the bundle seems to me unevenly distributed, relatively permanent, and still unfolding.«22

Der Verweis auf die ungleiche Verteilung – geografisch und bezüglich verschiedener sozialer Gruppen und Schichten – der Globalität als einem Bündel von Phänomenen deckt sich mit der in dieser Untersuchung betonten Charakterisierung von Globalisierungsprozessen und deren Konsequenzen. Während der Jahrzehnte des Kalten Krieges waren es vor allem das Bewusstsein der Möglichkeit einer globalen nuklearen Auseinandersetzung, die potenziell zur Zerstörung der Lebensgrundlagen der ganzen Welt hätte führen können, und die ersten aus dem All aufgenommenen Bilder der Erde, die eine stärkere Ausprägung von Globalität bewirkten. Für das ausgehende 20. und den Beginn des 21. Jahrhunderts sind es neben einer globalen Populärkultur vor allem die zunehmende ökonomische Integration, die – und dies ist entscheidend – immer unmittelbarer für größere Teile der Bevölkerungen in allen Teilen der Welt erlebbar wird. Scholte weist darauf hin, dass noch vor hundert Jahren »global consciousness« im Wesentlichen auf Eliten begrenzt war, heute aber ein allgemein erlebtes Alltagsphänomen ist: Globen in den Klassenzimmern, Weltwetterberichte in den Nachrichten und Produkte aus der ganzen Welt in den Einkaufregalen.23 Darüber hinaus wären Probleme wie der globale Klimawandel zu nennen, aber auch die weltumspannende Medialisierung all der genannten Phänomene und natürlich das World Wide Web (WWW). Nicht zuletzt ist es die Allgegenwärtigkeit des Globalisierungsdiskurses, der die Idee einer gemeinsamen Welt stärkt. Bezüglich der ersten Bedeutungsvariante ist es also vor allem die tatsächliche subjekti-

22 Weaver 2003, o.S., Herv. i.O. 23 Scholte 2005, 116.

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ve Erlebbarkeit der Globalisierung, die zu einer stärkeren Ausprägung des Bewusstseins der Globalität führt. Für eine Analyse der historischen Zusammenhänge zwischen Globalisierung und Globalität in der zweiten Bedeutungsvariante (transplanetare Interkonnektivität und supraterritoriale soziale Beziehungen) ist es wichtig, dass diese nicht nur pauschal behauptet, sondern ganz konkrete Verbindungen nachgewiesen werden zwischen der »material evidence of global integration – the movement of biota, people, goods, capital, ideas, advisers, weapons – and the emergence of globality in all manner of eras and situations«.24 Für Scholte verweist der Begriff der Globalität in der zweiten Bedeutungsvariante im weiteren Sinne auf »social links between people located at points anywhere on earth. The global field is in these cases a social space in its own right. The globe, planet Earth, is not simply a collection of smaller geographical units like regions, countries and localities; it is also itself a specific arena of social life.«25

Im engeren Sinne steht für ihn Globalität für supraterritoriale Beziehungen. Dabei handelt es sich um soziale Beziehungen, die die territoriale Geografie substanziell transzendieren: »They are relatively delinked from territory, that is, spatial domains that are mapped on the land surface of the earth, plus any adjoining waters and air spheres.«26 Die zweite Bedeutungsvariante des Begriffes Globalität, im engeren wie im weiteren Sinne, bezieht sich somit auf Phänomene, die das Ergebnis von Globalisierungsprozessen sind, nicht aber deren Ursache. Im Folgenden wird der Terminus Globalisierung als Sammelbegriff für ein breites Spektrum von Prozessen verstanden, die in der Tendenz zur Entstehung eines globalen sozialen Raumes führen, der durch einen hohen Grad an supraterritorialer Interkonnektivität gekennzeichnet ist. Im Gegensatz dazu beschreibt Globalität einerseits die bewusste Wahrnehmung eines zunehmend globalen sozialen Raumes und andererseits die Existenz und die Charakteristika dieses Raumes.

4.3 G LOBALISIERUNG ODER AMERIKANISIERUNG ? Eine genauere Analyse des Verhältnisses von Globalisierung und Amerikanisierung sowie eine präzise terminologische Abgrenzung erscheinen u.a. deshalb notwendig, weil in den entsprechenden Debatten, teilweise auch in der Literatur und vor allem in Alltagsdiskursen eine gewisse begriffliche Unschärfe beziehungsweise gelegentliche Gleichsetzung nicht zu übersehen

24 Weaver 2003, o.S. 25 Scholte 2005, 61. 26 Ebenda.

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sind. Mit Blick auf die Frage der möglichen partiellen Deckungsgleichheit der Begriffe Amerikanisierung und Globalisierung betont Lenz die Notwendigkeit der Vermeidung einer simplistischen Gleichsetzung: »If ›modernization‹ has turned out to have been, and to be, not identical with ›Americanization‹, as many foreign observers had claimed earlier during this ›American Century‹, the more recent globalization processes are also not to be seen simply as processes of ›Americanization‹ in a new post-Fordist capitalism by the one remaining world power, but as happening and being conceived in different ways in a multicentered world.«27

Amerikanisierung sollte also nicht als ein monodirektionaler Prozess der aktiven Einflussnahme durch die USA einerseits und der passiven Fremdbestimmtheit der restlichen Welt verstanden werden – auch wenn am Beginn des 21. Jahrhunderts durchaus dieser Eindruck entstehen könnte. Bei historischer Betrachtung verschiedener Aspekte des Verhältnisses zwischen den USA und der restlichen Welt wird aber schnell klar, dass sich dieses nicht auf eine einseitige politische, ökonomische und militärische Dominierung beziehungsweise kulturelle Nivellierung fußend auf amerikanischen Modellen und getrieben primär durch Motivationen der freien Marktwirtschaft reduzieren lässt. So betont Lenz in seiner Analyse der Wechselbeziehungen zwischen der amerikanischen und anderen Kulturen den Austauschcharakter, die gegenseitige Beeinflussung und die aktive Aufnahme kultureller Einflüsse, wenn er eine »genuinely dialogic notion of cultural critique and of inter- and post-national American Culture Studies« fordert. Die damit verfolgte Zielstellung wäre, »to bring into view the processes of transculturation and rearticulation – which are always bi-directional – of the political role of American media and of the products of popular/mass culture in various parts of the world and of the cultural repercussions and preconditions of the different processes of what is summarily called globalization.«28

Dem ist zwar uneingeschränkt zuzustimmen, aber es ist auch nicht zu leugnen, dass die gegenwärtige Phase der Globalisierung durch das weitestgehende Fehlen einer ernsthaften Herausforderung für die politische, militärische und technologische Vorherrschaft der USA gekennzeichnet ist. Die daraus erwachsende Führungsrolle beziehungsweise der in den USA als selbstverständlich angenommene Führungsanspruch zeigen sich auch in zentralen Bereichen der Globalisierung. An dieser Einschätzung ändern auch die angebliche oder tatsächliche Bedrohung der USA durch ›Schurkenstaaten‹, terroristische Organisationen oder ein aufstrebendes China kurz-

27 Lenz 1999, 16-17, Herv. i.O. 28 Ebenda, 17, Herv. i.O.

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fristig nichts. Die zu beobachtende und zumindest partielle Gleichsetzung der Begriffe Globalisierung und Amerikanisierung ist daher auch nicht wirklich überraschend. Die aktuellen Diskussionen über das Phänomen der Amerikanisierung stehen in einem engen Zusammenhang mit der Idee der USA als einem Modell für ›ihre‹ Hemisphäre beziehungsweise den Rest der Welt, die sich bis in die Kolonialphase und die Anfänge des Staates zurückverfolgen lässt und bis in die Gegenwart fortwirkt.29 Für die Entwicklung der Idee eines American model war die historische Herausbildung eines spezifischen Werte- und Normensystems von zentraler Bedeutung, das nicht nur ganz wesentlich die Selbstwahrnehmung, sondern auch entscheidend die Weltsicht der amerikanischen Nation geprägt hat.30 Thomas Paine versicherte in Common Sense seinen Landsleuten schon vor Erringung der Unabhängigkeit, dass den Kolonien eine große Zukunft bevorstünde: »[W]e have every opportunity and every encouragement before us, to form the noblest purest constitution on the face of the earth. We have it in our power to begin the world over again. A situation, similar to the present, hath not happened since the days of Noah until now. The birthday of a new world is at hand, and a race of men, perhaps as numerous as all Europe contains, are to receive their portion of freedom from the event of a few months.«31

Die Modellidee findet sich auch im Zusammenhang mit dem Konzept der Manifest Destiny – im ursprünglichen Sinne die Bestimmung, die Grenzen einer freiheitlichen Ordnung und ihrer demokratischen Institutionen auf jene auszudehnen, die zur Selbstverwaltung und -bestimmung fähig sind. Die Ureinwohner und die Sklaven beziehungsweise deren Nachkommen wurden allerdings als dazu nicht fähig erachtet und von diesem Konzept ausgeschlossen. Der Begriff wird dem Herausgeber des United States Democratic Review, John L. O’Sullivan, zugesprochen, der in der nationalistisch geprägten Zeitschrift den Expansionismus in den 1840ern unterstützte. 1839 beschrieb

29 Vgl. dazu u.a. Hunt 1987, 19ff. 30 Grundsätzlich sollte zwischen mindestens zwei Bedeutungsvarianten des Begriffes Modell unterschieden werden, deren eindeutige Abgrenzung in diesem Kontext durchaus relevant ist. Einerseits kann ein Modell als ein nachahmenswertes Beispiel verstanden werden. Andererseits kann es als ein repräsentativer und vereinfachter Prototyp für ein komplexeres System stehen beziehungsweise auf dieses verweisen. Der Diskurs über das ›American model‹ und die Rolle der USA im Globalisierungsprozess verweist eindeutig auf die erste Bedeutungsvariante, während die Komplexität, für die die zweite Variante steht, weitgehend ignoriert wird. 31 Paine 1776, o.S.

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O’Sullivan in heroischen Worten die große Zukunft der USA sowie ihre Bestimmung und Verantwortung in der Welt: »We must onward to the fulfilment of our mission – to the entire development of the principle of our organization – freedom of conscience, freedom of person, freedom of trade and business pursuits, universality of freedom and equality. This is our high destiny, and in nature’s eternal, inevitable decree of cause and effect we must accomplish it.[…] For this blessed mission to the nations of the world, which are shut out from the life-giving light of truth, has America been chosen; and her high example shall smite unto death the tyranny of kings, hierarchs, and oligarchs, and carry the glad tidings of peace and good will where myriads now endure an existence scarcely more enviable than that of beasts of the field.«32

Von amerikanischen Führern und Politikern wurde der Begriff im Zusammenhang mit der kontinentalen Expansion der USA aufgegriffen und diente auch einer Revitalisierung des Gedankens einer historischen Mission der Amerikaner, wie er am Anfang des Staates stand. Die Ausweitung der amerikanischen Demokratie auf den Rest des Kontinentes erwies sich nicht nur als eine populäre Idee, die die Vorstellungskraft der Bevölkerung ansprach, sondern verlieh zugleich dem aus unstillbarem Landhunger gespeisten Expansionsstreben eine moralische Legitimation, die nur schwer in Frage zu stellen war. Kroes nimmt eine weitere für die Analyse des Verhältnisses von Globalisierung und Amerikanisierung hilfreiche Unterscheidung der Begriffe Americanism und Americanisation vor, wobei der Begriff des Americanism für ihn einen dualen Charakter hat. Im positiven Sinne fungiert der Begriff als ein Kürzel für »America’s hallowed repertoire of guiding ideals, explaining the nation’s course and destiny to the American people while at the same time providing an inspiration to non-Americans abroad.« Im negativen Sinne ist der Begriff die »antithesis to Europeanism, to everything that European intellectuals conceive of as their common cultural heritage«, wobei letztere Bedeutungsvariante den Bezugspunkt für Antiamerikanismus in Europa darstellt.33 Der Begriff der Americanisation beziehungsweise dessen diskursive Verwendung sind für Kroes allerdings eindeutig negativ konnotiert. Für ihn verweist der Begriff in Diskursen, die um die Zurückweisung amerikanischen Einflusses kreisen, üblicherweise auf den negativen Einfluss, den Amerika auf europäische Kulturen ausübt. In dieser polemischen Verwendung wird tendenziell unterstellt, dass negative kulturelle und soziale Trends in Europa eher das Ergebnis des Einflusses Amerikas als von parallel und relativ unabhängig ihre Wirkungen auf beiden Seiten des Atlantiks entfal-

32 O’Sullivan 1839, o.S., Herv. i.O. 33 Kroes 1996, x.

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tenden Kräften sind.34 Dies bedeutet aber nicht, dass Kroes die Möglichkeit einer direkten Beeinflussung anderer Kulturen durch die USA völlig ausschließt. Für ihn ist aber klar, dass selbst in diesen Fällen die Verwendung des Begriffes »unduly alarmist« ist: »It reduces the complex processes of cultural influence, of borrowing, imitation, and reception, to the stark binary form of a zero-sum game.«35 Aus historischer Perspektive ist Americanisation zuerst einmal ein Binnenphänomen, das seit der Staatsgründung eine gewisse Rolle gespielt hatte, aber erst zum Beginn des 20. Jahrhunderts verstärkt in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit rückte. Verschiedentlich wird für diesen Wandel der Erste Weltkrieg als ursächlich benannt. Nach dieser Lesart sei aus der Konfrontation der USA mit feindlichen Mächten unter der Bevölkerung eine intensivere Wahrnehmung der ›Fremden‹ in ihrer Mitte erwachsen. Obwohl dies sicherlich teilweise zutraf, ist die Bedeutung eines anderen Aspektes wohl doch höher einzuschätzen. In der Phase von zirka 1880 bis 1920 hatte sich der Charakter der Einwanderung grundsätzlich gewandelt. Die Einwanderer kamen in diesen Jahrzehnten überwiegend aus dem Osten und Südosten Europas, ihr religiöser Hintergrund war in vielen Fällen katholisch, orthodox oder jüdisch. Es ist an dieser Stelle nicht möglich, die veränderte Situation in all ihren Facetten zu beschreiben, jedoch verband sich grundsätzlich mit diesen neuen Einwanderergruppen das Gefühl, dass sie das, was von der Mehrheit als ›amerikanisch‹ empfunden wurde, intensiv in Frage stellten. Der melting pot schien erstmals in der Einwanderungsgeschichte der USA nicht seine wundersame Wirkung zu entfalten. Die bis dahin weitestgehend im Selbstlauf erfolgte Assimilation der Neuankömmlinge wurde insbesondere seit Ausbruch des Krieges durch eine Vielzahl von staatlichen und nichtstaatlichen Programmen gefördert. Mit dem Ende des Krieges und dem drastischen Rückgang der Einwanderung im Gefolge der Einführung von Quotenregelungen ließ das Interesse an der Americanisation jedoch wieder deutlich nach. Die Idee der Americanisation konnte nach einer kurzen Hochphase nie wieder diese Popularität erlangen.36 Im Ergebnis intensiver Debatten in den 1920ern, ob den USA mit der Idee des melting pots und der möglichst vollständigen Assimilation der ImmigrantInnen am besten gedient sei, wurde die Idee der Assimilation, wenn auch historisch betrachtet relativ spät, durch das Konzept eines kulturellen Pluralismus verdrängt oder zumindest ergänzt. Die Einschätzung, dass die Akzeptanz eines kulturellen Pluralismus eine relativ neue Erscheinung ist, wird auch von Appadurai geteilt: »[I]t is a twentieth-century idea, not really part of the founding principles of the United States. It is a co-optative reaction to the great migrations from Europe of the

34 Ebenda, x-xi. 35 Ebenda, xi. 36 Adams 1993, 21-23.

76 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR late nineteenth and early twentieth century, and the fact that it has since become a central aspect of American society, civics, and political science is one of the interesting puzzles of the cultural history of this century.«37

Dieser kulturelle Pluralismus wurde in den USA des 20. Jahrhunderts in immer stärkerem Maße zum Markenzeichen. Seine Tiefe und Akzeptanz sollten aber auch nicht überbewertet werden. So beschreibt Appadurai 1993 die USA als »a postnational space marked by its whiteness but marked too by its uneasy engagement with diasporic peoples, mobile technologies, and queer nationalities«.38 Im historischen Rückblick stellte die Americanisation ein ganz wesentliches Moment der inneren Stabilisierung der jungen Nation dar, die zugleich Voraussetzung für den Aufstieg zur Regional- und später Weltmacht war. Multikulturalismus und Multiethnizität konnten nicht akzeptiert oder sogar ermutigt werden, bevor die immer noch junge Nation nicht einen gewissen Grad der Stabilität erreicht hatte.39 Die Kohäsion, die an verschiedenen historischen Wendepunkten immer wieder bedroht oder zumindest in Frage gestellt wurde, musste durch ein System gemeinsamer Werte und Zielstellungen untermauert werden. Entscheidend im Rückblick war die Selektion beziehungsweise Präferierung bestimmter Werte, Normen und Zielstellungen – auch auf Kosten von möglichen Alternativen. Abschließend kann konstatiert werden, und hier stellt sich der direkte Zusammenhang zwischen dem historischen Phänomen der Americanisation und der gegenwärtigen Amerikanisierung her, dass eine wie auch immer geartete nach außen gerichtete Amerikanisierung auf einer in wesentlichen Bereichen erfolgreichen Binnenamerikanisierung basiert. Dies bedeutet aber nicht, wie dies von KritikerInnen einer vermeintlich globalen Amerikanisierung oftmals zumindest impliziert wird, dass es sich bei den USA um eine politisch oder kulturell homogene Entität handelt. Bei Betrachtungen des Phänomens der nach außen gerichteten Amerikanisierung dominiert oft der Eindruck, dass es sich bei dem kulturellen Austausch der USA mit dem Rest der Welt um eine Einbahnstraße handele. Eine solche eindimensionale Sichtweise ist aber unrealistisch, denn auch die USA sehen sich gegenwärtig starken externen kulturellen Einflüssen ausgesetzt. Lediglich bei Film- und Fernsehproduktionen besteht auch weiterhin eine klare Dominanz der USA, die nicht nur aufs Engste mit technologischen Aspekten verquickt, sondern für die USA auch von einem enormen wirtschaftlichen Interesse ist: »The single largest export industry for the United States is not aircraft or automobiles, it is entertainment – Hollywood films grossed more than $30 billion worldwide

37 Appadurai 1996, 24. 38 Appadurai 1993, 412. 39 Vgl. Adams 1993, 21.

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in 1997. The expansion of global media networks and satellite communications technologies gives rise to a powerful new medium with a global reach. These networks bring Hollywood to remote villages – the number of television sets per 1,000 people 40 almost doubled between 1980 and 1995, from 121 to 235.«

In den Bereichen Musik, Literatur, Essen und Trinken sowie Mode sind es aber auch weiterhin überwiegend lokale Anbieter, die lokale Bedürfnisse befriedigen.41 Eine realistische Interpretation des Charakters des amerikanischen ›Kulturexports‹ und seiner Wirkungsweise in den ›importierenden‹ Staaten muss auch der Tatsache Rechnung tragen, dass die individuelle Wahrnehmung von bestimmten Prozessen, die unter dem Begriff der Amerikanisierung subsumiert werden, maßgeblich von der Position des/der Beobachtenden geprägt wird. Was zum Beispiel Nicht-AmerikanerInnen als die undifferenzierte Wucht einer sowohl übermächtigen als auch scheinbar homogenen amerikanischen Kultur erscheinen mag, stellt sich für viele AmerikanerInnen eher als ein planloser und willkürlicher Prozess dar, in dem ›amerikanische‹ Produkte, Werte und Ideen von den ›Importeuren‹ korrumpiert werden. So weist Lenz darauf hin, dass undifferenzierte Vorwürfe der Amerikanisierung »have also obscured the complex dialectics of the modes of intercultural understanding; of the constructions, deconstructions, and reconstructions of competing metaphors, visions, and ideologies (often going back to earlier centuries) of ›America‹ and ›Europe‹ (or the ›West‹); and of their cultural functions and political repercussions. The communication media and the products of U.S.-American (mass) culture may be ›everywhere‹, and some Western European countries may (deceptively) look as if they are being totally ›Americanized‹, but its products and performative modes have always been, as Rob Kroes puts it […] ›creatively manipulate[d], reinterpret[ed], and recontextualize[d]‹.«42

Neben dem Zusammenhang zwischen dem historischen Prozess der Binnenamerikanisierung und dem Charakter der Außenamerikanisierung verdient ein dritter Aspekt Aufmerksamkeit: die politische Instrumentalisierung von Amerikanisierungsängsten. So wie in Europa die Europäische Union oftmals als Sündenbock für das Versagen nationaler Regierungen oder ihre unpopulären Entscheidungen herhalten muss, geschieht dies auch durch die Bemühung der Begriffe Amerikanisierung beziehungsweise Globalisierung. Welcher der beiden Begriffe jeweils präferiert wird, hängt weniger von dem konkreten Anlass als von

40 UNDP 1990, 4. 41 »Survey 20th Century. A Semi-Integrated World.« The Economist, 11.09.1999, o.S. 42 Lenz 1999, 21; Kroes 1996, 156.

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dem aktuellen Verhältnis individueller PolitikerInnen und Regierungen zu den USA, von innenpolitischen Konstellationen und der internationalen Stimmungslage ab. Das negative emotionale Potenzial, das mit dem Begriff der Amerikanisierung beispielsweise in Deutschland und Frankreich aktiviert werden kann, ist signifikant größer als in Großbritannien. Vieles von dem, was in diffuser Rhetorik – je nach Lage der Dinge – als Amerikanisierung oder Globalisierung an die eigene Bevölkerung und vor allem die WählerInnen vermittelt wird, steht vielfach mit keinem der beiden Prozesse in einem wie auch immer gearteten kausalen Zusammenhang. Solche Strategien sind aber durchaus nicht ausschließlich die Domäne von PolitikerInnen oder VertreterInnen der Arbeitgeberverbände. Lenz schreibt dazu: »Too often charges of ›Americanization‹ have functioned for scholars abroad as strategies of displacement, of ›othering‹ the unwanted processes and effects of social change, of the economic and social ›modernization‹ or ›globalization‹ that is happening in countries all over the world as the result of the impact of outside forces, of the powerful United States, instead of exploring the specific complex and contradictory historical dynamics of their own countries. In the case of (Western) Europe, the continuing charges of an almost total ›Americanization‹, of U.S. ›cultural imperialism‹, or of politically diverse versions of a so-called ›Anti-Americanism‹ have for a long time prevented us from seeing how strikingly different cultural and social developments in various European countries, especially after World War II, have been.«43

Abschließend lässt sich konstatieren, dass die Begriffe Globalisierung und Amerikanisierung für viele Menschen negativ konnotiert sind, da sie für etwas Bedrohliches stehen, das sich weitestgehend der eigenen Kontrolle und Einflussnahme entzieht. Was die Globalisierung betrifft, so wird diese Tendenz noch dadurch verstärkt, dass diese oftmals als etwas quasi ›Natürliches‹ und ›Unausweichliches‹ beschrieben wird. Der Begriff der Amerikanisierung wird tendenziell eher im kulturellen Bereich und für besonders ›verwerfliche‹ Veränderungen und Zustände in der sozialen und ökonomischen Sphäre verwendet. In Deutschland etwa in der bei PolitikerInnen jeder Provenienz genauso vagen wie beliebten Formulierung, dass man keine ›amerikanischen Verhältnisse‹ wolle.

43 Lenz 1999, 20.

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4.4 G LOBALISIERUNG , Z EIT -R AUM -K OMPRESSION UND FLEXIBLE AKKUMULATION Capital can always move away to more peaceful sites if the engagement with ›otherness‹ requires a costly application of force or tiresome negotiations. No need to engage, if avoidance will do.44 ZYGMUNT BAUMAN

In der Einleitung wurde bereits darauf hingewiesen, dass im Zentrum unterschiedlicher Globalisierungstheorien die Annahme einer Intensivierung sozialer Beziehungen im weltweiten Maßstab steht. Als ursächlich wird dabei oft eine zeitlich-räumliche Kompression als Folge des technologischen Fortschritts insbesondere in den Bereichen Transport und Kommunikation angenommen. Durch die Überwindung vormals vorhandener zeitlich-räumlicher Barrieren entsteht als Folge demnach zumindest tendenziell ein globaler sozialer Raum. Eine solche Betonung des ursächlichen Charakters zeitlichräumlicher Faktoren bedeutet aber auch, dass die aktive Rolle unterschiedlichster politischer, wirtschaftlicher und finanzieller Akteure bei der konkreten Ausgestaltung der Globalisierung und damit die Möglichkeit von Alternativen in den Hintergrund gedrängt werden. Die Zurückweisung der Überbetonung des ursächlichen Charakters zeitlich-räumlicher Aspekte in Verbindung mit der Vernachlässigung des Politischen bedeutet aber nicht, dass die als Zeit-Raum-Kompression beschriebenen Phänomene nicht einen gewichtigen Anteil an der Beschleunigung, Intensivierung und weiteren Ausbreitung von Globalisierungsprozessen in den letzten Dekaden des 20. Jahrhunderts hatten und in diesem Jahrhundert auch weiter haben werden. Neben den grundlegenden Veränderungen der geopolitischen Rahmenbedingungen durch das Ende des Kalten Krieges sowie die Implosion der Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten in den 1980ern und 90ern spielten die Reaktionen auf die Weltwirtschaftskrise in den westlichen Industriestaaten in den frühen 1970ern eine wesentliche Rolle für die neuerliche Beschleunigung insbesondere ökonomischer Globalisierungsprozesse. Die Weltwirtschaftskrise markierte nicht nur das Ende des, wenn auch nicht ungebrochenen, Wirtschaftsaufschwunges nach dem 2. Weltkrieg, sondern auch den Beginn einer radikalen Restrukturierung des kapitalistischen Weltsystems. Ein Aspekt dieses Prozesses war der Übergang von fordistischen Akkumulationsregimen zu neuen und flexibleren Formen der Produktion, Distribution und Konsumption, der hier als eine unter möglichen anderen Reaktionen auf die Wirtschaftskrise und nicht als notwendige beziehungsweise alternativlose Konsequenz verstanden wird. Dieser Übergang koinzi44 Bauman 1998b, 11.

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dierte mit einer neuen Phase der Zeit-Raum-Kompression, die hier, im Gegensatz zu bestimmten Spielarten der Globalisierungstheorie, aber nicht als ursächlich angenommen wird. Eines der damit verbundenen Probleme ist die Frage, wie sich die Rahmenbedingungen, Möglichkeiten und Limitierungen für politisches Handeln in einer Welt verändert haben, in der laut Bauman »the technological annulment of temporal/spatial distances tends to polarize [the human condition]«.45 Eine Welt, in der das Kapital auch weiterhin dominiert – nicht zuletzt durch seine Kontrolle über Raum und Zeit. Eine Welt, in der die physische Anwesenheit der TopmanagerInnen, ganz zu schweigen von den BesitzerInnen des Kapitals aufgrund der neuen Kommunikationsmöglichkeiten und Organisationsstrukturen nicht länger erforderlich ist und in der zunehmend flexiblere Akkumulationsregime traditionelle Formen politischen Handelns unterminieren. Im Zusammenhang mit der Analyse des Verlaufs sowie der Effekte des Übergangs zu flexibleren Akkumulationsformen, der aktuellen Phase der Zeit-Raum-Kompression und der Globalisierungsprozesse, deren Bestandteile sie sind, stellt sich insbesondere für jene, die nachteilig von den Veränderungen betroffen sind, die Frage, ob beziehungsweise wie auch sie aktiv Globalisierung mitgestalten könnten. Eine Annäherung an mögliche Antworten erfordert auf der theoretischen Ebene eine Untersuchung des kausalen Nexus zwischen flexiblen Modi der Akkumulation und sich verändernden Mustern der Distribution von Macht und politischer Handlungsfähigkeit zwischen gesellschaftlichen Akteuren innerhalb einzelner Länder, aber auch im globalen Maßstab. Neben der Vermeidung eines ökonomischen Determinismus erfordert eine solche Untersuchung die Einbettung der gegenwärtigen Veränderungen in einen größeren historischen Rahmen, um nicht nur die Diskontinuitäten, sondern auch die Kontinuitäten zwischen fordistischen und postfordistischen Akkumulationsregimen sowie den jeweilig dominanten Distributionsmustern von Macht und politischer Handlungsfähigkeit herauszuarbeiten. Dabei ist es, wie in der Einleitung beschrieben, unerlässlich, über die Grenzen traditioneller Disziplinen hinauszugehen, da die zu untersuchenden Phänomene innerhalb dieser nicht in ihrem komplexen Zusammenspiel von sozialen, kulturellen, politischen und ökonomischen Faktoren fassbar sind. Angesichts der herausragenden Bedeutsamkeit ökonomischer Aspekte für die Analyse sowohl der Globalisierung als auch des Globalismus erscheint eine Skizzierung des im Folgenden angenommenen Verhältnisses von ökonomischen und nichtökonomischen Aspekten wünschenswert. Schon die Verwendung solcher Begriffe wie Fordismus, Postfordismus und flexible Akkumulation gibt Anlass zu Diskussionen und könnte als eine

45 Ebenda, 18. Bauman grenzt sich mit dieser Einschätzung klar von jenen ab, die ausschließlich eine homogenisierende Wirkung der Zeit-Raum-Kompression im Besonderen und der Globalisierung im Allgemeinen betonen.

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Rückkehr zu simplistischen Basis-Überbau-Konzeptualisierungen interpretiert werden – eine Gefahr, auf die bereits im Abschnitt zu Ideologie hingewiesen wurde. Dieser durchaus realen Gefahr kann u.a. dadurch begegnet werden, dass beispielsweise die Begriffe Fordismus und Postfordismus nicht auf ihren zweifelsohne vorhandenen ökonomischen Gehalt reduziert werden. Hall weist in seiner Reaktion auf den Vorwurf des ökonomischen Determinismus im Zusammenhang mit dem Konzept des Fordismus darauf hin, dass zum Beispiel Gramsci den Begriff des Fordismus verwendet hat, »to connote a whole shift in capitalist civilization«.46 Für Hall impliziert der Begriff Postfordismus einerseits keine monodirektional determinierende Rolle des Ökonomischen, wie sie etwa noch in orthodoxen marxistischen Theorien angelegt war. Andererseits beinhaltet er für ihn aber auch die hier geteilte Überzeugung, »as all but the most extreme theorists and culturalists must recognize – that shifts of this order in economic life must be taken seriously in any analysis of our present circumstances«.47 An anderer Stelle analysiert Hall die Problematik des ökonomischen Determinismus im Zusammenhang mit ideologischen Fragen und kommt zu der Überzeugung, dass das Ökonomische »cannot effect a final closure on the domain of ideology, in the strict sense of always guaranteeing a result«.48 Hall sieht dafür zwei korrelierende Gründe. Der erste besteht darin, dass ideologische Kategorien ihren eigenen Gesetzen folgend generiert und transformiert werden, »though, of course, they are generated out of given materials«.49 Den zweiten Grund sieht Hall in der »necessary ›openness‹ of historical development to practice and struggle«.50 Die beiden von Hall angeführten Gründe sind gleichermaßen relevant für die Analyse des Globalismus. So ermöglicht es der erste beispielsweise, die Relation zwischen flexiblen Modi der Akkumulation und neoliberalen Diskursen zu untersuchen, ohne eine monodirektionale Kausalität anzunehmen. Der zweite Grund ist wichtig, weil aus der grundsätzlichen Offenheit historischer Entwicklungen Handlungsspielräume bei der Ausgestaltung der Globalisierung erwachsen, auch ohne dass die ökonomische Sphäre radikal verändert beziehungsweise als Extremvariante der Kapitalismus als ökonomisches System abgeschafft werden müsste. Die hier skizzierten theoretischen Positionen speisen sich zwar aus diversen Quellen, gewinnen aber mit Blick auf die Analyse des Globalismus im Allgemeinen sowie der Zeit-Raum-Kompression und flexiblen Modi der Akkumulation im Besonderen eine gewisse pragmatische Kohärenz, da sie sowohl auf der praktischen als auch der analytischen Ebene eine Herange-

46 47 48 49 50

Hall 1996b, 225. Ebenda. Hall 1996c, 44, Herv. i.O. Ebenda, 44-45, Herv. i.O. Ebenda, 45.

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hensweise ermöglichen, die zumindest etwas Handlungsspielraum und Wahlmöglichkeiten garantiert und nicht defätistisch davon ausgeht, dass ›natürliche‹, ›objektive‹ beziehungsweise ›unausweichliche‹ ›ökonomische Notwendigkeiten‹ oder die viel zitierte ›Logik des Marktes‹ mit Notwendigkeit zu bestimmten Ergebnissen führen. Der Charakter und das Ausmaß der gesellschaftlichen Veränderungen, die in den letzten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts stattgefunden haben, treten deutlicher hervor, wenn sie der Situation in der vorangegangenen Periode gegenübergestellt werden. Die Vermeidung dessen, was Hall als historische Amnesie51 bezeichnet hat, hilft, die veränderten Bedingungen am Beginn des 21. Jahrhunderts, die neuen Akteure, Handlungsräume und Regeln zu akzentuieren, dient zugleich aber auch dazu, die historischen, strukturellen und diskursiven Kontinuitäten zwischen der fordistischen und postfordistischen Periode herauszuarbeiten. Harvey schreibt, dass Henry Ford annahm, »the new kind of society could be built simply through the proper application of corporate power«.52 Eine Überzeugung, die gegenwärtig eine völlig neue Aktualität zu gewinnen scheint. Der Begriff Fordismus signalisierte die Fähigkeit, standardisierte Produkte für einen Massenmarkt in immer größeren Quantitäten zu produzieren, die wiederum von ArbeiterInnen konsumiert werden konnten, denen dafür ausreichend hohe Löhne zur Verfügung standen. Die Betonung technologischer Innovationen (u.a. die Einführung der Fließbandfertigung) sowie der Massenproduktion darf aber nicht den Blick darauf verstellen, dass es weitaus wichtigere Gründe für die Erfolgsgeschichte des Fordismus sowohl in kapitalistischen als auch staatswirtschaftlichen Ökonomien gab. So verweist zum Beispiel Waters auf folgende Aspekte: »Fordism owed its success not to its capacity to produce and market goods on a wide scale but to its social and political consequences. It was an extraordinarily effective means both of controlling the labour process and of satisfying workers’ aspirations at a material level. In the terms of a well-known formulation it turned proletarians into instrumental workers.«53

Eine zentrale Zielsetzung des Fordismus in kapitalistischen Ökonomien bestand neben der Profitmaximierung in der Eindämmung der dem System inhärenten Gefahr der Überakkumulation, d.h. Produktivitäts- und Produktionssteigerungen mussten mit einer Erhöhung der KonsumentInnennachfrage einhergehen.

51 »[W]e suffer increasingly from a process of historical amnesia in which we think that just because we are thinking about an idea it has only just started (Hall 1991, 20).« 52 Harvey 2001, 126. 53 Waters 1996, 80.

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In scharfem Kontrast zu der nicht nur ökonomisch dramatischen Situation während der Weltwirtschaftskrise in den 1930ern, die für viele ernsthaft die Überlebensfähigkeit des Kapitalismus – zumindest in der damaligen Ausprägung und vor dem Hintergrund der Existenz einer Alternative in Form der Sowjetunion – in Frage gestellt hatte, war die Nachkriegsperiode in den industriellen Staaten des Westens durch einen relativ hohen Grad an ökonomischer, politischer und sozialer Stabilität gekennzeichnet. Wie sich aber später zeigen sollte, waren die dem kapitalistischen System inhärenten Widersprüche sowie die systemischen Interessenkonflikte zwischen Kapital und Arbeit nicht dauerhaft gelöst, sondern nur temporär überdeckt worden. Diese wurden mit dem Ausklingen der Nachkriegserholung in den Ökonomien Westeuropas und Japans sowie mit der Entwicklung von Überkapazitäten, Inflationsproblemen, gesättigten Binnenmärkten in den meisten Industriestaaten und unter dem Druck wachsender internationaler Konkurrenz im Gefolge der Suche nach Exportmöglichkeiten wieder deutlicher sichtbar. Für Harvey waren der Nachkriegsaufschwung und die Stabilität das Ergebnis einer ganz bestimmten Konstellation, die nicht auf ökonomische Aspekte reduziert werden darf: »[It] was built upon a certain set of labour control practices, technological mixes, consumption habits, and configurations of political-economic power, and […] this configuration can reasonably be called Fordist-Keynesian.«54 Wichtig ist hier u.a. der Verweis auf das Zusammenspiel von Fordismus und einer Wirtschafts- und Finanzpolitik, die sich ganz wesentlich an den Theorien von John Maynard Keynes (1883-1946) orientierte. Parsons weist darauf hin, dass für den großen Einfluss, den Keynes in den Jahren zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg sowie in der Nachkriegsphase hatte, nicht zuletzt die Tatsache verantwortlich war, dass er im Gegensatz zu anderen Ökonomen seiner Zeit ganz bewusst versuchte, politischen Einfluss auszuüben. Bereits seine frühen ökonomischen Schriften belegen seine politische Methode: »public argument to win over economic opinion, followed by an academic theory aimed at converting his fellow economists«.55 Die von Keynes 1936 publizierte General Theory of Employment, Interest and Money war Ausdruck dieser Methode und der Überzeugung, dass er seine Bemühungen in einer theoretisch geschlossenen Schrift zusammenfassen müsse, um seiner Argumentation für eine aktive Rolle der Regierung in Wirtschaftsfragen größeren Nachdruck zu verleihen. Laut Parsons war für Keynes klar, dass weder Sozialismus noch Kapitalismus länger als mögliche Alternativen gelten konnten. Vielmehr wäre ein ökonomisches Arrangement erforderlich, in dem der Staat »took upon itself the task of regulating the levels of saving and investment. Capitalism and individualism would be left intact, while the chief

54 Harvey 2001, 124. 55 Parsons 1998, 124.

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defects of the market place – such as unemployment – would be corrected.«56 Für Harvey war aber schon die Periode von 1965 bis 1973 dadurch gekennzeichnet, dass die »inability of Fordism and Keynesianism to contain the inherent contradictions of capitalism became more and more apparent. On the surface, these difficulties could best be captured by one word: rigidity.«57 Eine Möglichkeit, mit diesen ›rigidities‹ umzugehen, war die Suche nach flexibleren Akkumulationsregimen, die im Folgenden kurz charakterisiert wird. Ungeachtet unterschiedlichster Einschätzungen scheint zumindest soweit Übereinstimmung zu bestehen, dass seit den 1970ern weitreichende sozioökonomische Veränderungen stattgefunden haben. Bezüglich des speziellen Charakters der Veränderungen sowie der Möglichkeiten, über eine bloße empirische Erfassung auch zu einer adäquaten Theoretisierung zu gelangen, gehen die Meinungen jedoch weit auseinander. So hob Hall in seiner Analyse des Verhältnisses zwischen den in der britischen Diskussion als New Times bezeichneten Veränderungen in den 1970ern und 80ern sowie dem Phänomen des ›Thatcherismus‹ deren transitorischen Charakter hervor und schlussfolgerte: »[We are] certainly not debating an epochal shift, of the order of the famous transition from feudalism to capitalism. But we have had other transitions from one regime of accumulation to another within capitalism, whose impact has been extraordinarily wide-ranging.«58

Harvey verweist ebenfalls auf den transitorischen Charakter der Veränderungen und ferner auf die immer vorhandene Gefahr, »of confusing the transitory and the ephemeral with more fundamental transformations in political-economic life«.59 Gleichzeitig ist er aber auch überzeugt, dass die Veränderungen politökonomischer Praktiken ausreichend gravierend waren, »to make the hypothesis of a shift from Fordism to what might be called a ›flexible‹ regime of accumulation«.60 Im Gefolge des Übergangs zu weniger ›rigiden‹ Akkumulationsregimen wurde der Begriff der Flexibilität zu einem der zentralen Schlagwörter des Globalismus, zu einem Glaubenssatz des Neoliberalismus, einem konstitutiven Bestandteil der politischen Rhetorik praktisch aller politischen Parteien sowie einer Eigenschaft, die ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen angeblich gleichermaßen benötigen. Für Dahrendorf ist der Begriff dazu bestimmt, »to convey something desirable, though for many it describes the

56 57 58 59 60

Ebenda, 125. Harvey 2001, 141-142. Hall 1996b, 232, Herv. i.O. Harvey 2001, 124. Ebenda.

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price they have to pay […] the word has so many connotations that it is hard to pin down to any particular meaning«.61 Zu den möglichen Bedeutungen gehören mit Sicherheit die folgenden: Deregulierung, reduzierter staatlicher Einfluss, Liberalisierung, verschärfter Lohndruck, ein höherer Anteil an Teilzeitarbeit und befristeten Arbeitsverträgen, Leiharbeit, Subunternehmen und Outsourcing, niedrigere Unternehmenssteuersätze, flexible Investment- und Marketingstrategien, Forderungen nach höherer ›Mobilität‹ der Beschäftigten (u.a. die Bereitschaft, ArbeitgeberInnen und Arbeitsorte zu wechseln sowie De- und Umqualifizierungen zu akzeptieren). Nicht zuletzt verweist der Begriff der Flexibilität auch auf die vermeintlich von ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen gleichermaßen geforderte Bereitschaft, auf die erhöhten kommerziellen, technologischen und organisatorischen Innovationsraten zu reagieren und sich den aus ihnen erwachsenden neuen Herausforderungen zu stellen. Bei genauerer Betrachtung wird aber schnell offensichtlich, dass die Veränderungen im Allgemeinen und die Forderungen nach mehr ›Flexibilität‹ im Besonderen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen, Kapital und Arbeit in radikal unterschiedlicher Weise betreffen. Die scheinbar universelle Idee der ›Flexibilität‹ verbirgt nach Bauman »its nature of social relation: the fact that it demands redistribution of power, and implies an intention to expropriate the power of resistance of those whose ›rigidity‹ is about to be overcome […] ›Flexibility‹ only pretends to be a ›universal principle‹ of economic sanity, one that applies in equal measure to both the demand and the supply side of the labour market. The sameness of the term conceals its sharply different substance on each side of the divide.«62

Zu den unmittelbareren Ergebnissen der Veränderungen gehören bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine radikale Restrukturierung der globalen Ökonomie, eine Periode der Deindustrialisierung in den USA, Japan und Westeuropa sowie Unternehmen, die bemüht waren, von der weltweiten Liberalisierung der Finanzmärkte, von billigeren Arbeitskräften, geringeren Arbeitsund Umweltschutzniveaus und daraus resultierenden niedrigeren Produktionskosten durch Arbeitsplatzverlagerungen insbesondere in der verarbeitenden Industrie in Länder der Dritten Welt zu profitieren. Nach dem Verschwinden des Eisernen Vorhangs kamen die Länder in Osteuropa als eine weitere Option für die Verlagerung von Produktionsstandorten hinzu. Die Öffnung Osteuropas stellte in zweifacher Hinsicht und in ganz besonderem Maße eine Herausforderung für die Arbeitskräfte in den industrialisierten Staaten des Westens dar, da sie westeuropäischen Firmen nicht nur ein riesiges Reservoir an billigen, hochqualifizierten und gefügigen Arbeitskräften bereitstellte, sondern auch Regierungen, die sich in einem Maße der neolibe-

61 Dahrendorf 1996, 25. 62 Bauman 1998b, 104.

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ralen Agenda verpflichtet fühlten, wie es zumindest in den 1980ern und 90ern in den meisten westlichen Staaten noch undenkbar gewesen wäre. Im Gefolge der globalen Neustrukturierung der internationalen Arbeitsteilung kam es zu einer deutlichen Verschärfung des Konkurrenzkampfes nicht nur zwischen verschiedenen Staaten, sondern zunehmend auch zwischen Regionen und lokalen Standorten. Ein Konkurrenzkampf, bei dem es nicht mehr nur darum geht, besonders attraktiv für neue Investitionen zu sein, sondern oftmals auch um die bloße Erhaltung bereits existierender Wirtschaftsansiedlungen und Arbeitsplätze. In zahlreichen Fällen hat die verschärfte Konkurrenz zu einem sogenannten ›race to the bottom‹ geführt, d.h. u.a. geringeren Löhnen und Lohnnebenleistungen, verringerten Arbeitsund Umweltschutzstandards, einer Reduzierung der Zahl der Vollzeitbeschäftigten bei gleichzeitigem Anstieg des Anteils der Teilzeitbeschäftigung und zunehmender Vergabe von Aufträgen an Subunternehmen beziehungsweise Zulieferer, deren Standards oftmals noch niedriger sind. Ein ›Rennen‹, das zunehmend auch die hochindustrialisierten Staaten der Ersten Welt betrifft. Ein weiterer Aspekt der globalen wirtschaftlichen Restrukturierung ist die zunehmende Dezentralisierung von Produktionsprozessen, die ganz wesentlich durch die neuerliche Beschleunigung der Raum-Zeit-Kompression ermöglicht wurde. Im Ergebnis der erhöhten Effizienz und der geringeren Kosten weltweiter logistischer Netzwerke, der enorm gewachsenen Möglichkeiten globaler Informations- und Kommunikationssysteme, nicht zuletzt aber auch ermöglicht durch großzügige staatliche Subventionen sind die Kosten für die Dezentralisierung von Produktionsprozessen und der relativ problemlosen Relokalisierung von Produktionsstandorten gesunken. Unternehmen werden in ihren Standortentscheidungen zunehmend flexibler, müssen sich aber verstärkt auch dem globalen Konkurrenzkampf stellen. So verwies der Chef des ›deutschen‹ Halbleiterkonzerns Infineon, Wolfgang Ziebart, in einem Interview 2007 auf die Tatsache, dass die Chipindustrie nach Asien »wandert« und dass zu diesem Zeitpunkt fünfundvierzig neue Chipfabriken gebaut wurden – vierzig in Fernost und nur fünf in Europa und den USA: »Wir sind der Prototyp einer globalen Branche. Unsere Produkte sind klein und leicht. Transportkosten spielen kaum eine Rolle. Die Siliziumscheiben, aus denen unsere Chips entstehen, wiegen 100 Gramm und kosten 1000 Dollar. Im Produktionsprozess fliegen sie dreimal um die Erde und werden doch nicht teurer. Für uns heißt das: Jeder Standort konkurriert mit jedem.«63

Die Antwort auf die Frage, ob es die Branche zu den niedrigsten Löhnen ziehe, darf wohl für andere Wirtschaftssektoren – natürlich unter Berück-

63 Süddeutsche Zeitung, 29./30.09.2007, 25.

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sichtigung weitere Kostenfaktoren wie beispielsweise Transportkosten – als verallgemeinerbar gelten: »Nicht unbedingt. Für die Ansiedelung von Halbleiter-Fabriken gibt es im globalen Wettbewerb neben den Kosten und der Verfügbarkeit gut ausgebildeter Spezialisten inzwischen noch ein anderes entscheidendes Kriterium: die Höhe staatlicher Fördermittel.«64

Im Gefolge der möglichen Dezentralisierung von Produktionsabläufen und der globalen Dominanz angebotsorientierter Wirtschaftspolitik können Unternehmen in steigendem Maße die Konditionen für ihre Investitionen und Standortentscheidungen diktieren. Die Standorte von einzelnen Produktionsstätten, die Zahl der Arbeitsplätze sowie die Höhe und Dauer von Investitionen werden zu einer Frage von ›Verhandlungen‹, deren Ausgang ganz wesentlich von der Höhe der möglichen Subventionen, der Großzügigkeit von steuerlichen Anreizen für potenzielle InvestorInnen sowie den geltenden Umweltstandards, dem Lohniveau, der Qualität des Arbeitsschutzes und dem gewerkschaftlichen Organisationsgrad der Beschäftigten bestimmt wird. Die materiellen Grundlagen für die neuerliche Beschleunigung der ZeitRaum-Kompression wurden hauptsächlich durch technologisch getriebene Veränderungen geschaffen. Zu nennen wären u.a. zunehmend global verknüpfte computerisierte Kommunikationsnetzwerke, globale elektronische Finanz- und Handelssysteme auf der Basis freier Wechselkurse und globale Logistiknetzwerke, die in ihrem Zusammenspiel die Relevanz von Zeit und Raum deutlich reduziert haben. Auch hier sollte die Novität der Veränderungen aber nicht überbewertet werden, da für die gesamte historische Entwicklung des Kapitalismus Innovationen charakteristisch waren, deren Hauptstoßrichtung in einer zunehmenden Überwindung räumlicher und zeitlicher Barrieren lag. Marx kommentierte dieses für ihn dem Kapitalismus inhärente Charakteristikum bereits 1857: »[W]hile capital must on one side strive to tear down every spatial barrier to intercourse, i.e. to exchange, and conquer the whole earth for its market, it strives on the other side to annihilate this space with time, i.e. to reduce to a minimum the time spent in motion from one place to another. The more developed the capital, therefore, the more extensive the market over which it circulates, which forms the spatial orbit of its circulation, the more does it strive simultaneously for an even greater extension of the market and for greater annihilation of space by time.«65

Mit Blick auf die Analyse des Globalismus und in Anbetracht der Frage möglicher Einflussnahme auf den weiteren Verlauf der Globalisierung durch

64 Ebenda. 65 Marx 1981 [1857-58], 539.

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die verschiedenen Akteure darf der Übergang zu flexibleren Akkumulationsregimen aber weder auf die technologischen Innovationen noch auf die Veränderungen ökonomischer Strukturen und organisatorischer Muster verkürzt werden, auch wenn diese als Rahmenbedingungen von entscheidender Bedeutung sind. Genauso wichtig sind die politischen, kulturellen und sozialen Implikationen des Postfordismus. Für Hall signalisiert der Begriff auch »greater social fragmentation and pluralism, the weakening of older collective solidarities and block identities and the emergence of new identities as well as the maximization of individual choice through personal consumption«.66 Abschließend soll mit Blick auf die Auswirkungen der Globalisierung im Allgemeinen und die Zeit-Raum-Kompression im Besonderen auf die Lebens- und Arbeitswelt großer Teile der Menschheit betont werden, dass Vorstellungen, diese würden einen homogenen globalen sozialen Raum schaffen, in dem alle gleichermaßen von den neuen Bedingungen profitieren, bei genauerer Analyse nicht bestätigt werden. Empirische Untersuchungen verweisen eher auf die Entwicklung einer Situation, die gleichzeitig von Prozessen der Globalisierung und Lokalisierung genkennzeichnet ist, »[which] sharply differentiate the existential conditions of whole populations and of various segments of each one of the populations«.67 Diese Feststellung trifft, wie im folgenden Abschnitt gezeigt wird, auch auf die Auswirkungen technologischen Fortschritts und den Übergang zur sogenannten Wissensgesellschaft zu.

4.5 T ECHNOLOGISCHER F ORTSCHRITT UND W ISSENSGESELLSCHAFT 4.5.1 Einleitung Knowledge and skills, creativity and innovation, adaptability and entrepreneurship are the ways by which the winners will win in the new economy. We all have a responsibility to ensure that we are all equipped to succeed in it. That way we can all prosper. All our people. And all our businesses. For the benefit of Britain.68 TONY BLAIR

66 Hall 1996b, 225. 67 Bauman 1998b, 2. 68 Blair 2000b, o.S.

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Rasante Entwicklungen im technologischen und wissenschaftlichen Bereich sind von entscheidender Bedeutung sowohl für den Verlauf der aktuellen Phase der Globalisierung als auch für ihre öffentliche Wahrnehmung. Für die Analyse der Rolle technologischer Entwicklungen im Rahmen von Globalisierungsprozessen und ihre Auswirkungen auf unterschiedlichste gesellschaftliche Bereiche scheinen neben anderen, die hier nicht berücksichtigt werden können, die folgenden Punkte von besonderer Relevanz zu sein: der technologische Fortschritt als Motor der Globalisierung, die Herausbildung von sogenannten Wissensgesellschaften und die ungleiche Partizipation unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen beziehungsweise Länder an den positiven Folgen des wissenschaftlich-technischen Fortschritts und am Potenzial der Wissensgesellschaft sowie die damit eng verbundene Fragestellung der geistigen Eigentumsrechte (Intellectual Property Rights, IPRs), die eine zunehmend gewichtigere Rolle spielt. Bezüglich der Datierung der für die aktuelle Phase der Globalisierung entscheidenden technologischen Entwicklungen und ihres Charakters gibt es ähnliche Sichtweisen wie schon für die Globalisierung selbst. Das Spektrum reicht von Positionen, die auch im technologischen Bereich von radikalen, ja ›revolutionären‹ Veränderungen in den letzten Jahrzehnten ausgehen, bis zu jenen, die zwar zur Kenntnis nehmen, dass es rasante Fortschritte gegeben hat, diese aber nur als Teil eines schon viel länger andauernden Innovationsprozesses betrachten. Zur ersten Gruppe gehört zum Beispiel Giddens, der in Runaway World. How Globalisation Is Reshaping Our Lives feststellt, dass er »would have no hesitation […] in saying that globalisation, as we are experiencing it, is in many respects not only new, but revolutionary […] Globalisation is political, technological and cultural, as well as economic. It has been influenced above all by developments in systems of communication, dating back only to the late 1960s.«69

Der von Giddens für die späten 1960er vorgenommenen Datierung für den Beginn radikaler Umwälzungen im Bereich der Kommunikationstechnologien wäre entgegenzuhalten, dass es seit dieser Zeit zwar eine deutliche Beschleunigung und Vereinfachung der Möglichkeiten des Informationsaustausches gegeben hat, es aber zweifelhaft ist, ob es sich wirklich um Änderungen mit ›revolutionären‹ Auswirkungen gehandelt hat. Zum einen erfolgte der Quantensprung eher im Gefolge der massenhaften Verbreitung von Personalcomputern und der kommerziellen Nutzung des WWW in den letzten zwei Jahrzehnten des ausgehenden Jahrhunderts, und zum anderen standen viele Möglichkeiten des weltweiten Austausches von Informationen und Waren bereits zum Beginn des 20. Jahrhunderts zur Verfügung. Auch für die Bewertung des Zusammenhangs zwischen technologischen Veränderungen und Globalisierungsprozessen erweist sich eine historische

69 Giddens 1999, 10.

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Kontextualisierung als notwendig, wenn Fehleinschätzungen der tatsächlichen oder vermeintlichen Ursachen für bestimmte Veränderungen vermieden werden sollen. So zitiert der Economist John Maynard Keynes und dessen Einschätzung der Situation in Europa vor dem ersten Weltkrieg und der damaligen Möglichkeiten des globalen Austausches von Informationen und Waren sowie des Grades der Internationalisierung des sozialen und ökonomischen Lebens: »The inhabitant of London could order by telephone, sipping his morning tea in bed, the various products of the whole earth, in such quantity as he might see fit, and reasonably expect their early delivery upon his doorstep; he could adventure his wealth in the natural resources and new enterprises of any quarter of the world.«70

In dem Artikel des Economist wird zwar darauf hingewiesen, dass die von Keynes beschriebenen Möglichkeiten nur einer Elite zur Verfügung standen, aber in gewisser Weise ist dies auch am Beginn des 21. Jahrhunderts noch immer der Fall, wie weiter unten noch genauer ausgeführt wird. Auch wenn man den bereits zu Beginn der 20. Jahrhunderts erreichten Grad der Raum-Zeit-Kompression als Maßstab nimmt, wird deutlich, dass viele der üblicherweise als Belege für eine ›radikale‹ oder ›revolutionäre‹ Veränderung am Ende des 20. Jahrhunderts angeführten Phänomene schon existierten. Mittels Telegraphenverbindungen waren die wichtigsten Finanzplätze miteinander verbunden, für bestimmte Waren existierten globale Märkte, Telefone und weltumspannende Postdienste erleichterten die grenzüberschreitende Kommunikation für eine zunehmende Zahl von Menschen und der Transport sowohl von Waren als auch Personen war durch die Einführung von Dampfschiffen schneller und kostengünstiger geworden.71 Die kritische Analyse von Positionen, die das Ausmaß der Veränderungen in den letzten Dekaden des 20. Jahrhunderts überbewerten beziehungsweise länger existierende Trends vernachlässigen und inflationär mit Begriffen wie ›revolutionär‹ zur Kennzeichnung der Veränderungen operieren, bedeutet allerdings nicht, dass es in bestimmten Bereichen keinen Innovationsschub gegeben hat. Grundsätzlich spielten und spielen technologische Innovationen neben ökonomischen Aspekten seit Jahrhunderten eine ganz wesentliche Rolle als Motor der Globalisierung. 4.5.2 Technologischer Fortschritt als Motor der Globalisierung Den offensichtlichsten Innovationsschub hat es vor allem in zwei Technologiebereichen gegeben: der Informations- und Kommunikationstechnologie 70 »Survey 20th Century. A Semi-Integrated World.« The Economist, 11.09.1999, o.S. 71 Scholte 2005, 91-96.

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sowie der Biotechnologie. Ungeachtet großer Fortschritte auch auf zahlreichen anderen Gebieten weisen diese beiden Bereiche besondere Merkmale auf. Bei ihnen handelt es sich laut dem HDR 1999 um fundamentale »leaps of innovation« und nicht nur um die bessere Erledigung bereits länger bekannter Aufgaben, sondern um »radically new ways of doing previously unimagined things«: »The fusion of computing and communications – especially through the Internet – has broken the bounds of cost, time and distance, launching an era of global information networking. In biotechnology the ability to identify and move genetic materials across species types has broken the bounds of nature, creating totally new organisms with enormous but unknown implications.«72

Die Veränderungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien sowie der Biotechnologie seit dem Beginn der 1990er – und darin liegt ihre wirkliche Bedeutung – sind nicht länger nur für einen kleinen Kreis von WissenschaftlerInnen oder die hoch entwickelten Industriestaaten von Bedeutung, sondern erfassen den gesamten Globus, wenn auch in sehr differenzierter Weise: »Both technologies are fuelling globalization, opening new markets and giving rise to new actors. Communications change economic competition, empowerment and culture, inspiring global conversation. Genetic engineering leads to complex links between farmers and indigenous people in biorich countries and the multinational pharmaceutical and agricultural industries.«73

Am Beginn der neunziger Jahre begann der Ausbau des ursprünglichen Internets zum WWW. Eine Entwicklung, die wesentlich auf die kostenlose Bereitstellung von Browsern und die drastisch billigeren Computer für den privaten Gebrauch zurückzuführen war: »In the early 1990s the Internet shifted from a specialized tool of the scientific community to a more userfriendly network transforming social interaction […] The Internet is the fastest-growing tool of communication ever.«74 Nicht nur die Zahl der privaten und kommerziellen InternetnutzerInnen, der Webserver, sondern auch die Informationsfülle (Zahl der Webseiten) und die ausgetauschten Datenmengen haben bei gleichzeitig sinkenden Transmissionskosten per Bit rasant zugenommen.75 Die Auswirkungen der Informations- und Kommunikationstechnologien zeigen sich u.a. im Bereich der grenzüberschreitenden Organisation ökonomischer Beziehungen, wobei dies nicht nur, wie gelegentlich von Globali-

72 73 74 75

UNDP 1999, 57. Ebenda. Ebenda, 58. UNDP 2001b, E-1-2.

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sierungskritikerInnen behauptet, den transnational operierenden Konzernen genutzt hat. Der Charakter der Grenzen von Nationalökonomien und der Möglichkeiten, innerhalb dieser Grenzen Einfluss auf die Tätigkeit der Konzerne zu nehmen, hat sich deutlich gewandelt: »Old economic boundaries around nations have given way to new centres of power in the private sector. Multinational corporations have spread their activities around the world thanks to fast and cheap communications, computer-aided design and the standardization of tasks – yet they can still coordinate and control their worldwide operations as a unit. They operate in an arena beyond the jurisdiction and accountability of any one country, in a global context that does not yet have an adequate framework for regulating them.«76

Die im Zusammenhang mit diesen Veränderungen oft – so auch in der zitierten Einschätzung des HDR 1999 – suggerierte Novität der Aufweichung nationaler ökonomischer Grenzen trifft allerdings nur bedingt zu. Bereits lange vor den technologischen Veränderungen am Ausgang des 20. Jahrhunderts existierte ein weltumspannendes Netz ökonomischer Beziehungen, haben Konzerne und Handelsunternehmen weltweit operiert und sich immer wieder der nationalen sowie internationalen Jurisdiktion entzogen – nicht selten mit Billigung oder mit aktiver Unterstützung durch ihre Herkunftsstaaten. Bezüglich der Auswirkungen des Globalisierungsprozesses ergibt sich auch im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien ein sehr differenziertes Bild. Die tiefgreifenden Wandlungen im Gefolge der technologischen Veränderungen sind zwar nicht zu leugnen, aber weitestgehend auf die reichen Länder sowie auf Minderheiten in den ärmeren beschränkt. Die Behauptung einer den Globus umspannenden cyberculture ist angesichts des in den armen Ländern grassierenden Analphabetismus sowie der fehlenden technischen und finanziellen Voraussetzungen für die Mehrheit der Weltbevölkerung bloßes Wunschdenken, wie auch die Zahlen zur Diffusion von Festnetz- und Mobilfunktelefonie sowie die Zahl der InternetnutzerInnen zeigen.77 Selbst für die Mehrheit der Menschen in den Industrienationen hat sich weniger verändert als von den Gurus der cyberculture gerne behauptet wird. Richtig ist allerdings, dass sich im Ergebnis der technologischen Entwicklungen der letzten Jahre ökonomische Ungleichheiten und die Ausdifferenzierung bezüglich der Bildungschancen zumindest für den Moment in vielen Fällen sogar noch verstärkt haben. Damit ist noch nichts darüber ausgesagt, ob zukünftig nicht auch das tägliche Leben der Mehrheit der Menschheit in radikaler Weise umgewälzt werden wird – der Economist hat 2007 jeden-

76 UNDP 1999, 58. 77 Vgl. Tabelle 1: Diffusion von Festnetz- und Mobilfunktelefonie und Anzahl der InternetnutzerInnen.

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falls mit einem vierzehnseitigen Sonderbeitrag und einem Leitartikel unter dem Titel »When everything connects. Information technology has nothing to lose but its cables« schon einmal die nächste ›Revolution‹ im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien verkündet.78 Es werden aber nicht die Technologien per se sein, die die Zukunft verändern werden, sondern ihre Diffusion und Instrumentalisierung als Ergebnis menschlicher Entscheidungen. Diese Unterscheidung ist von grundsätzlicher Bedeutung – die Menschen und nicht die Technologien sind die ProtagonistInnen in diesem Prozess. Entscheidungen, die wesentlich in gesellschaftliche Prozesse und Verhältnisse eingreifen, werden zwar auch weiterhin vor dem Hintergrund erweiterter technischer und wissenschaftlicher Möglichkeiten getroffen werden, sie bleiben aber letztlich immer willentliche – und nicht selten profitorientierte – Entscheidungen von Menschen und nicht unausweichliches Ergebnis des technologischen Fortschritts. 4.5.3 Wissensgesellschaft Der Begriff der Wissensgesellschaft nimmt einen zentralen Platz in den Globalisierungsdebatten ein und ist daher auch für die Analyse des Globalismus relevant. Die entscheidenden Ressourcen der Wirtschaft sind nicht mehr die Rohstoffe eines Landes oder seine vorteilhafte geografische Lage, sondern die Fähigkeiten, die Talente und das geistige Potenzial der gesamten arbeitenden Bevölkerung – mit anderen Worten, das ›Humankapital‹ der Gesellschaft. Die ökonomischen Konsequenzen des Übergangs zur Wissensgesellschaft schätzte Blair 2000 als ähnlich gravierend ein wie die der industriellen Revolution: »This new, knowledge-driven economy is a major change. I believe it is the equivalent of the machine-driven economy of the industrial revolution.«79 Aus der Neudefinition der entscheidenden Ressourcen der Wissensgesellschaft erwächst für den Staat zwangsläufig eine hohe Verantwortung für die Bildung seiner BürgerInnen auf allen Ebenen. Auf dem Weltwirtschaftsforum des Jahres 2000 äußerte Blair folgende Überzeugung: »Most of all, in an economy dominated by information and knowledge, education is king. Not just in school or university but throughout life […] Every pupil denied decent education is a national resource squandered.«80 Gleiche Bildungschancen und ein hoher Grad der Partizipation an der Wissensgesellschaft werden so Voraussetzungen für die individuelle menschliche und die gesamtgesellschaftliche Entwicklung. Betrachtet man die entsprechenden Zahlen für die Entwicklungsländer, wird überdeutlich, vor welchen Problemen diese stehen. Laut dem HDR von 2001 waren von den 4,6 Milliarden Men-

78 »When Everything Connects. Information Technology Has Nothing to Lose but Its Cables.« The Economist, 28.04.2007, o.S. 79 Blair 2000b, o.S. 80 Blair 2000d, o.S.

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schen in diesen Ländern mehr als 850 Millionen Analphabeten und fast 325 Millionen Kinder besuchten keine Schule.81 Auch wenn die Situation in den Entwicklungsländern mit ihrem grassierenden Analphabetismus besonders dramatisch ist, sind es aber nicht nur Probleme in den ärmeren Ländern, sondern auch die stärkere Verbreitung der für die Wissensgesellschaft typischen neuen Technologien in den Industriestaaten, die für bestimmte Bevölkerungsgruppen nicht ohne negative Nebeneffekte bleibt. Die folgenden Aussagen von Tyson beziehen sich zwar speziell auf die USA, sind aber zumindest für moderne Industriestaaten wie Großbritannien durchaus verallgemeinerbar: »When global corporations use modern technologies to restructure their operations, their productivity may increase, but their displaced workers may find jobs in other economic activities with lower productivity. When computer technologies bid up the demand and wages for college-educated labour they may reduce the demand and wages for high-school-educated workers.«82

Der Zugang zu den zweifellos vorhandenen Möglichkeiten der Wissensgesellschaft gewinnt also nicht nur an Bedeutung für den eigentlichen Wissenserwerb, sondern in der Folge auch für die jeweilig mögliche Positionierung auf dem Arbeitsmarkt. In den hoch entwickelten Industriestaaten sind es nicht länger nur die kaum oder gering qualifizierten Arbeitskräfte, die sich im Ergebnis der Arbeitskräftemigration nach dem Zweiten Weltkrieg verstärkter Konkurrenz ausgesetzt sahen – diese Art der Immigration ist zumindest in den meisten westeuropäischen Staaten wie auch in Großbritannien bereits in den 1970ern weitestgehend eingeschränkt worden.83 Am Beginn des 21. Jahrhunderts sind es zunehmend gut und sehr gut qualifizierte FacharbeiterInnen und HochschulabsolventInnen, die mit ausländischen KonkurrentInnen konfrontiert werden. Unter den Bedingungen einer global vernetzten und ökonomisch in hohem Maße integrierten Weltwirtschaft muss dies nicht notwendigerweise länger an konkreten Orten stattfinden. Selbst eine strikt protektionistische Einwanderungspolitik, die allerdings von den meisten hochindustrialisierten Staaten ohnehin nicht praktiziert wird (der Brain Drain zu Lasten der Entwicklungsländer geht weiter), würde zumindest in bestimmten Bereichen der Wissensgesellschaft an der Situation hochqualifizierter Arbeitskräfte nur wenig ändern. So ist es beispielsweise für eine britische Firma bis zu einem gewissen Grade nicht nur unerheblich, ob sich ihre Datenbanken in Surrey oder auf einem Server in Bangalore befinden, sondern auch, ob die IT-Fachkräfte in Großbritannien oder in Indien sind, ja selbst, ob sie BritInnen oder InderInnen sind. Angesichts der auf diesem Qualifikationsniveau in der Regel oh-

81 UNDP 2001a, 9. 82 Tyson 1998, o.S. 83 Baringhorst 1998, 153-154.

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nehin fehlenden Sprachbarrieren (es muss sich also nicht einmal um frühere Kolonien handeln, in denen Englisch in den Bildungseliten immer noch zur Allgemeinbildung gehört) ist es nicht länger die physische Nähe des Ortes zur Betriebszentrale oder anderen Firmenteilen, sondern der Kostenfaktor, der für die Standortentscheidung maßgeblich wird. Dieser ist, soweit es sich um die Kosten für den Austausch von Daten und Informationen handelt, zunehmend zu vernachlässigen. Die Firmen müssen sich also nicht länger mit gegebenenfalls restriktiven Einwanderungsregimen oder immigrationsfeindlichen Gewerkschaften in ihren Heimatländern auseinandersetzen, solange ihre Operationen im globalen Raum ungehindert vonstattengehen können. Welchen Umfang und Bedeutung diese Formen der Globalisierung nicht nur für die typischerweise in Nordamerika, Europa und Japan ›beheimateten‹ global operierenden Konzerne, sondern auch für zahlreiche andere Länder bereits erreicht haben, belegen auch die Zahlen aus dem HDR 2001: »Global corporations […] now typically have research facilities in several countries and outsource production worldwide. In 1999, 52% of Malaysia’s exports were hightech, 44% of Costa Rica’s, 28% of Mexico’s, 26% of the Philippines’s. Hubs in India and elsewhere now use the Internet to provide realtime software support, data processing and customer services for clients all over the world.«84

Bezüglich des differenzierten Bildes der Ausprägung von Wissensgesellschaften wurde oben bereits auf die gravierenden Unterschiede zwischen verschiedenen Staaten hingewiesen, die sich in ähnlicher Weise auch innerhalb von einzelnen Staaten finden. Für den ungleichen Zugang zu den Möglichkeiten der Wissensgesellschaft wurde im englischen Sprachraum die treffende Beschreibung digital divide geprägt. Eine von der britischen Regierung in Auftrag gegebene und 2000 veröffentlichte Studie mit dem Titel »Achieving Universal Access« der weltweit operierenden Consulting-Firma Booz Allen Hamilton, die sich auf die Beratung von Regierungen und Firmen insbesondere im Bereich der Informationstechnologie spezialisiert hat, charakterisiert sie als eine sich vergrößernde Kluft »between the connected and the unconnected in income, opportunity, and access to government services […] research shows an emerging ›digital divide‹ that threatens to leave 20 million people excluded from the Knowledge Economy in three years time, a gulf with severe economic, educational and social implications.«85

Die digitale Kluft zwischen denen, die online oder offline sind, droht im Zuge des Fortschreitens zu Wissensgesellschaften zukünftig ein immer gravierenderes Problem zu werden.

84 UNDP 2001a, 5. 85 Booz·Allen & Hamilton 2000, 3; Booz·Allen & Hamilton sind ein internationales Management- und Technologieberatungsunternehmen.

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Die Schwierigkeiten sind zwar in den armen Ländern besonders ausgeprägt, manifestieren sich aber auch in den reichen Industrienationen. Im HDR 1999 wird der typische Internetnutzer beschrieben als männlich, unter 35, mit Hochschulbildung und hohem Einkommen, in einer Stadt lebend und englischsprachig: »The consequence? The network society is creating parallel communications systems: one for those with income, education and – literally – connections, giving plentiful information at low cost and high speed; the other for those without connections, blocked by high barriers of time, cost and uncertainty and dependent on outdated information. With people in these two systems living and competing side by side, the advantages of connection are overpowering. The voices and concerns of people already living in human poverty – lacking incomes, education and access to public institutions – are being increasingly marginalized.«86

Es handelt sich also nicht nur um ein geografisches oder soziales, sondern auch um ein Gender-Problem. Die praktische Relevanz dieser Marginalisierung wird sich voraussichtlich zukünftig noch verstärken: Weltweit setzen ArbeitgeberInnen schon heute bei der Auswahl von KandidatInnen einen zunehmend höheren Grad an Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten im Bereich der Kommunikations- und Informationstechnologien als selbstverständlich voraus. Firmen, die im globalen Wettbewerb nicht in der Lage sind, die Vorteile der Informations- und Kommunikationstechnologien zu nutzen, werden zunehmend unter Konkurrenzdruck geraten. Darüber hinaus hängen sowohl der institutionalisierte als auch der individuelle Bildungsund Wissenserwerb sowie die Nutzung von Serviceleistungen immer stärker vom Zugang zum WWW ab, um nur einige Bereiche zu nennen. Angesicht der negativen Folgen, die mit dem Entstehen beziehungsweise der Vergrößerung der digitalen Kluft verbunden sind, wäre daher eine weitere Verstärkung der in einigen Ländern ohnehin bereits aktiven Rolle des Staates notwendig, um das WWW und andere moderne Informationsund Kommunikationstechnologien für eine möglichst hohe Zahl von NutzerInnen zugänglich zu machen. Die oben erwähnte Studie von Booz Allen Hamilton kam zu dem Schluss, dass der private Sektor zwar eine wichtige Funktion hat, die Führungsrolle aber vom Staat übernommen werden muss: »Although falling costs of PCs and Internet access will help drive up penetration rates, vibrant market forces are not sufficient to achieve genuinely universal access to the opportunities of the Internet.«87 Der Staat müsse die ›harte‹ und ›weiche‹ Infrastruktur schaffen: zum Beispiel die entsprechenden Kommunikationsnetzwerke und kostengünstige Internetzugangspunkte für sozial Schwache (›hart‹) sowie die erforderliche Ausbildung der Nutze-

86 UNDP 1999, 63. 87 Booz·Allen & Hamilton 2000, 3.

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rInnen, die Kodifizierung von cyberlaws und die Übernahme einer Vorbildrolle (›weich‹).88 Die vermeintlich alles revolutionierende Wirkung, die von den Informations- und Kommunikationstechnologien erwartet beziehungsweise ihnen zugesprochen wurde, muss auch Jahre nach dem Platzen der ›Internetblase‹ an den internationalen Aktienmärkten und den Problemen in der Realwirtschaft, die im Laufe des Jahres 2001 unübersehbar wurden, sicherlich mit einiger Skepsis betrachtet werden. So hat sich das Versprechen, dass das WWW beispielsweise zu einer Beseitigung physischer Barrieren führen und auch kleine sowie mittelgroße Firmen im globalen Maßstab konkurrenzfähig machen würde, nicht in dem prognostizierten Maße erfüllt. Auf dem Höhepunkt des Internet- und New-Economy-Hype hatte sich auch Blair in die Gruppe jener eingereiht, die durch das Internet die Prinzipien der Wirtschaft revolutioniert sahen: »The Internet is dissolving physical barriers, and levelling the business playing field. It doesn’t matter how small a company you are. You have the choice now of defining your business as global. Standard business thinking used to see big as inevitably beating small. Now fast beats slow.«89

Im Rückblick sind es aber nicht die reinen Internetunternehmen, die sich durchgesetzt haben, sondern bis auf wenige Ausnahmen wie Google, Amazon oder ebay eher traditionelle Unternehmen, die allerdings die neuen Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologien im Bereich Forschung und Entwicklung sowie zur Kostensenkung und Optimierung von Betriebsabläufen nutzen. Auch die in den Beziehungen zwischen Regierungen und ihren BürgerInnen vorhergesagte ›Revolution‹ ist bisher weitestgehend ausgeblieben. Daran ändern auch auf elektronischem Wege eingereichte Steuererklärungen, Online-Jobbörsen und ›virtuelle Rathäuser‹ vorerst nur wenig. Für die Bewertung des Potenzials der Wissensgesellschaft und der Möglichkeiten der Partizipation einzelner Staaten geht es aber nicht nur darum, ob die oben als ›hart‹ beziehungsweise ›weich‹ charakterisierte Infrastruktur zur Verfügung steht, sondern zunehmend darum, ob das wirklich relevante Wissen überhaupt allgemein zugänglich ist. Der weltweite Anstieg der Zahl der InternetnutzerInnen, der im WWW eingestellten Seiten und der transferierten Datenmengen liefert zwar Anhaltspunkte für die rasante quantitative

88 Ebenda, 7. 2005 gab es allein in England 6000 UK online centres. 2000 der Zentren, die Teil der kommunalen Infrastruktur sind, befinden sich in den sozial schwächsten Stadtbezirken. Die Zentren stellen unentgeltlich oder zu sehr geringen Kosten Zugangsmöglichkeiten sowie Hilfe und Unterstützung bei der Nutzung der Angebote zur Verfügung; vgl. SQW Limited and MORI Social Research Institute 2005, i; vgl. auch Avery et al. (Eds.) 2007, o.S. 89 Blair 2000b, o.S.

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Entwicklung, lässt aber keine Rückschlusse auf den Umfang und die Qualität des zirkulierten Wissens zu. 4.5.4 Geistige Eigentumsrechte Im Ergebnis des Übergangs zur Wissensgesellschaft in den führenden Industriestaaten und unter den Bedingungen verschärfter globaler Konkurrenz wird Wissen zu einer zunehmend wichtigeren Ressource und zu einem maßgeblichen Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Staaten. Als Folge gewinnt die Frage geistiger Eigentumsrechte immer mehr an Bedeutung. So wird im HDR 1999 festgestellt: »Knowledge is the new asset: more than half of the GDP in the major OECD countries is now knowledge-based. With such importance placed on these technologies, the new rules of globalization – liberalization, privatization and tighter intellectual property rights – are shaping their control and use, with many consequences for human development.«90

Der dominierende Trend besteht in einer zunehmenden Privatisierung von Wissen und einer immer restriktiveren Handhabung bereits vorhandener beziehungsweise dem Kampf um neue geistige Eigentumsrechte.91 Ein konsequenter Schutz solcher Rechte wird nicht nur vehement von VertreterInnen der führenden Industrienationen eingefordert, sondern scheint auf den ersten Blick auch im Interesse aller Staaten zu liegen. Die USA und ihre Gerichte spielen gegenwärtig bei der Durchsetzung von geistigen Eigentumsrechten eine besonders aktive Rolle – jedenfalls, wenn die PatentbesitzerInnen AmerikanerInnen beziehungsweise amerikanische Firmen sind. Bei der Bewertung sowohl dieses Verhaltens als auch der Argumentationen, mit denen nicht nur von den USA, sondern auch von Großbritannien und den anderen hochindustrialisierten Staaten der rigide Schutz von geistigen Eigentumsrechten eingefordert wird, ist es aufschlussreich, die Frage des Schutzes von geistigen Eigentumsrechten sowie der Positionierung einzelner Länder aus historischer Perspektive zu betrachten. Harvey beschrieb 1998 die Veränderungen folgendermaßen: »Twenty years ago, 70% of patents litigated in the courts were held invalid. Today the reverse is true. American lawyers predict that the protection of intellectual property will be the fastest growing area of law […] Now that the virtual company is here, many in America see ipr as the strategic asset for the next millennium – control that and you control it all.«92

90 UNDP 1999, 57. 91 Vgl. Stiglitz 2006, Kap. 4, »Patente, Profite und Menschen«. 92 Harvey 1998, o.S.

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Im Zuge des Übergangs zur Wissensgesellschaft haben seit Ende der 1970er die zunehmende Privatisierung der Forschung und Entwicklung, die Liberalisierung der Märkte sowie die ungleiche Verteilung des Besitzes sowie der Kontrolle über das gegenwärtige und zukünftige Wissen der Welt zwischen reichen und armen Ländern sowie zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen innerhalb dieser Länder laut dem HDR 1999 zu einer zunehmenden Marginalisierung beitragen. Diese Entwicklungen »have set off a race to lay claim to knowledge, and this has changed technology’s path. The risk is that poor people’s and poor countries’ interests are being left on the sidelines.«93 Die Distribution des Besitzes beziehungsweise der Möglichkeiten der Kontrolle, des Schutzes sowie der Nutzung von geistigen Eigentumsrechten zwischen den Industrieländern einerseits und den Entwicklungsländern andererseits ist allerdings extrem ungleich, so dass sich ein Verkürzen des technologischen Rückstandes zu den führenden Ländern äußerst schwierig gestalten dürfte. Im HDR 1999 wird davon ausgegangen, dass 97% aller Patente weltweit im Besitz der Industriestaaten waren. 1993 waren zehn Industriestaaten für 84% der weltweiten Forschung und Entwicklung verantwortlich und kontrollierten 95% aller US-Patente. Im Gegensatz dazu spielen Patente in vielen Entwicklungsländern kaum eine Rolle. Mehr als 80% der Patente, die in diesen Ländern erteilt worden sind, gehören BesitzerInnen in den Industriestaaten.94 In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich die Zahl der beantragten Patente rasant erhöht. Der World Intellectual Property Organization’s Patent Cooperation Treaty akzeptiert einen einzigen internationalen Antrag, der dann national in vielen Ländern gültig ist. Waren es 1979 noch 3000, so waren die entsprechenden Antragszahlen 7000 für 1985, mehr als 54000 für 1997 und 74000 für 1999.95 Neben dem Anstieg der Zahl der angemeldeten Patente sind es aber vor allem Veränderungen in der Handhabung der entsprechenden Schutzrechte, die interessant sind. Auch hier ist ein historischer Rückblick aufschlussreich, wenn es um die Frage geht, welche Länder überproportional von den früheren Regelungen profitierten beziehungsweise welchen unter den aktuellen Bedingungen Nachteile erwachsen. Im HDR 1999 wird auf den Umstand hingewiesen, dass viele der heute am weitesten entwickelten Industrienationen zwar gegenwärtig zu den stärksten Befürwortern von geistigen Eigentumsrechten gehören, in der Phase der eigenen Industrialisierung aber eher unverbindliche Regelungen hatten und sich ihre Einstellung erst änderte, als sie selbst zu Technologieexporteuren wurden. Das Beispiel der Schweiz kann sicherlich als repräsentativ für zahlreiche andere Industrieländer gelten:

93 UNDP 1999, 66. 94 Ebenda, 68. 95 Die Zahlen für 1979 und 1997 sind dem HDR 1999, die für 1985 und 1999 dem HDR 2001 entnommen; UNDP 1999, 67, UNDP 2001a, 103.

100 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR »In Switzerland in 1883, a leading textile manufacturer defended loose laws, saying ›Swiss industrial development was fostered by the absence of patent protection. If [it] had been in effect, neither the textile industry nor the machine-building industry […] would have flourished as they did.‹«96

Aktuellere Beispiele für die positiven Wirkungen schwacher Regelungen für den Schutz geistiger Eigentumsrechte stellen Japan und die neuen Industriestaaten Ostasiens dar: »The costs of industrial catch-up for Japan and the first-tier newly industrializing economies in East Asia were greatly reduced by the weak enforcement of intellectual property rights in the region before the mid-1980s. Tighter control under the TRIPS agreement has closed off old opportunities and increased the costs of access to new technologies.«97

Das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum (Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, im Folgenden TRIPS) ist seit der Gründung der WTO Teil der international verbindlichen Vereinbarungen und die Anerkennung Voraussetzung des Beitritts zur WTO. Das Spektrum reicht von Computerprogrammen über pharmazeutische Produkte bis hin zu transgenetischen Pflanzen. Jedes Land hat zwar nationale Regelungen für den Schutz geistigen Eigentums, aber die TRIPS-Vereinbarung schreibt Mindeststandards für Patente, Copyrights und Warenzeichen vor. Den Entwicklungsländern wurde eine Frist bis 2000 (den am wenigsten entwickelten bis 2005) zur Umsetzung der Vereinbarung, die sich an den Standards der Industrienationen orientierte, eingeräumt. Die TRIPS-Vereinbarung der WTO kann mittels Handelssanktionen durchgesetzt werden.98 Durch den verstärkten Schutz geistigen Eigentums erhöhen sich die Kosten des Technologietransfers, was insbesondere für die ärmeren und technologisch rückständigen Länder ein Problem darstellt. Daher fordert zum Beispiel der ehemalige Chefökonom der Weltbank, Stiglitz, den Schutz geistigen Eigentums auf die Bedürfnisse der Entwicklungsländer abzustimmen, um Innovationen und soziale Gerechtigkeit zu fördern.99 Es ist an dieser Stelle unmöglich, auf die Details der konkreten Wirkungen der TRIPS-Vereinbarung einzugehen, aber es sei doch auf die zusammenfassende Einschätzung des HDR 2001 mit dem Titel Making New Technologies Work for Human Development hingewiesen: »In this new global regime two problems are creating new hurdles for progress in human development. First, consensus is emerging that intellectual property rights can

96 97 98 99

UNDP 1999, 73. Ebenda, 69. Ebenda, 67. Stiglitz 2006, 156-158.

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go too far, hampering rather than encouraging innovation and unfairly redistributing the ownership of knowledge. Second, there are signs that the cards are stacked against fair implementation of TRIPS.«100

Für den Bereich der Forschung und Entwicklung muss eine ähnlich problematische Entwicklung für die relative Position der meisten Entwicklungsländer konstatiert werden: »Research and development has also shifted away from developing countries. Their share in the global total dropped from 6% in the mid-1980s to 4% in the mid-1990s.«101 Die Festlegung von Forschungsschwerpunkten wird dabei nicht so sehr von tatsächlichen Notwendigkeiten, sondern von Profitinteressen determiniert. So ist es auch nicht verwunderlich, dass beispielsweise Kosmetika und langsam reifende Tomaten auf der Liste der Forschungsprioritäten transnationaler Konzerne höher positioniert sind als Impfstoffe gegen Malaria oder dürreresistente Pflanzen für minderwertige Böden. Gerade die fortgeschrittensten Technologien sind für jene entworfen und preislich gestaltet, die auch zahlen können.102 D.h. sie sind oftmals außerhalb der Reichweite der armen Länder beziehungsweise für diese nicht wirklich geeignet (bestimmte Früchte wurden zum Beispiel genetisch dahingehend verändert, dass sie zwar optimal für eine industriell betriebene und hochgradig mechanisierte Landwirtschaft sind, aber nicht für die Bedürfnisse der FarmerInnen in armen Ländern).103 Verallgemeinernd ließe sich feststellen, dass am Beginn des 21. Jahrhunderts der technologische und wissenschaftliche Fortschritt sowie die konkreten Schwerpunktsetzungen in der Forschung ganz entscheidend von kommerziellen Interessen bestimmt und durch Marktmechanismen gesteuert werden. Die rasanten Fortschritte scheinen jenen Recht zu geben, die darin kein Problem, sondern vielmehr einen weiteren Beleg für Markteffizienz sehen. Die AutorInnen des HDR 2001 kommen aber zu der Schlussfolgerung, dass es praktisch in allen relevanten Bereichen eklatante Probleme gibt, die einer Teilhabe eines großen Teils der Weltbevölkerung an den Segnungen des wissenschaftlich-technologischen Fortschritts entgegenstehen. Der Markt sei zwar ein kraftvoller Motor, wenn es um das Vorantreiben der Entwicklung geht, »but it is not powerful enough to create and diffuse the technologies needed to eradicate poverty. Technology is created in response to market pressures – not the needs

100 101 102 103

UNDP 2001a, 103; vgl. auch Stiglitz 2006, 154-156. UNDP 1999, 67. Vgl. Stiglitz 2006, 162-163. »[M]any major corporations are seeking patents for the innovation of linking genetic characteristics to chemical triggers. What for? One likely use is to create seeds that will germinate and bear fruit only when used with the company’s brand of fertilizers or herbicides – increasing sales through dependency on inputs (UNDP 1999, 68).«

102 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR of poor people, who have little purchasing power. Research and development, personnel and finance are concentrated in rich countries, led by global corporations and following the global market demand dominated by high-income consumers.«104

Der weltweite Trend hin zu einer immer stärkeren Privatisierung von Forschung und damit letztlich Wissen wird diese Probleme, ohne ganz bewusstes Gegensteuern, voraussichtlich noch verschärfen. Das globale Forschungs- und Entwicklungspotenzial ist in einer relativ kleinen Gruppe von Ländern, den OECD-Staaten, konzentriert. In diesen Ländern betrug 1998 der Anteil der vom privaten Sektor ausgeführten Forschung und Entwicklung bereits über 60%, der Anteil des öffentlichen Sektors war gleichzeitig rückläufig. Die AutorInnen des HDR 2001 waren überzeugt, dass als Folge die Forschung die Möglichkeiten zur Entwicklung von Technologien für arme Menschen vernachlässigt.105 Folgende Zahlen belegen diese Einschätzung eindrucksvoll: Im Jahre 1998 betrugen die weltweiten Ausgaben für Gesundheitsforschung 70 Milliarden US-Dollar. Von diesen wurden gerade einmal 300 Millionen für die Entwicklung von HIV/AIDS-Impfstoffen und etwa 100 Millionen für die Malariaforschung verwendet. Zwischen 1975 und 1996 wurden weltweit 1223 neue Medikamente vermarktet, von denen nur dreizehn für die Behandlung tropischer Krankheiten entwickelt wurden – nur vier waren das direkte Ergebnis der Forschung der Pharmaindustrie.106 Die privaten Forschungseinrichtungen orientieren sich naturgemäß an der Marktnachfrage und an den Bedürfnissen der zahlungsfähigen Kundschaft, was laut dem HDR 2001 dazu führt, dass »only 10 percent of global health research focuses on the illnesses that constitute 90 percent of the global disease burden«.107 Das offensichtliche Versagen des Marktes könnte nur durch höhere öffentliche Ausgaben und Anreize für Forschung und Entwicklung kompensiert werden, aber die gegenwärtigen Trends zeigen eher in Richtung einer weiteren Privatisierung.

4.6 G LOBALISIERUNG UND N ATIONALSTAAT Bei aller Unterschiedlichkeit von Analysen zum Verhältnis von Globalisierung und Nationalstaatlichkeit scheint doch weitestgehend akzeptiert zu sein, dass Staaten nicht länger geschlossene Einheiten sind, dass sie ihre Ökonomien nicht länger effektiv kontrollieren können und dass sie aufgrund von Zwängen und Notwendigkeiten, die aus der Globalisierung erwachsen,

104 105 106 107

UNDP 2001a, 3. Ebenda. Ebenda. UNDP 2001b, o.S.

D ER GLOBALISIERUNGSBEGRIFF | 103

in vielen traditionellen nationalen Politikfeldern die Kontrolle zumindest partiell bereits verloren haben. Ein möglicher Ausgangspunkt einer Analyse der These vom vermeintlichen Ende des Nationalstaates ist die Anerkennung der tatsächlich erfolgten und künftig noch zu erwartenden Transformationen des klassischen Nationalstaates. Globalisierung, argumentiert zum Beispiel Scholte, »presented a fundamental challenge to the Westphalian states-system and its central principle of state sovereignty«.108 Er insistiert aber auch, dass die Globalisierung zwar das Ende der Souveränität gebracht hat, aber nicht das Ableben des Staates bedeutet.109 Für ihn gibt es gegenwärtig wenige Anzeichen, »that globalization is leading either to a centralized, sovereign world government, as liberal universalists have long predicted and advocated, or to anarchical governance through local communities, as promoted by some radical ecologists«, und er lenkt die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass sich Staaten mit Ausnahme einiger weniger Implosionen von Regierungen (z.B. in Somalia und Afghanistan) in der jüngeren Geschichte als sehr robust erwiesen haben.110 Es steht sicherlich außer Frage, dass nationale Regierungen in verschiedenen Bereichen zunehmend unter Druck geraten, ihre Souveränität zu bewahren, dass sie sich in hohem Maße der fundamentalen Veränderungen des externen Umfeldes, in dem sie operieren, bewusst sein müssen und dass sich die Rolle des Nationalstaates künftig weiter ändern wird. Gleichzeitig gibt es aber auch kaum Zweifel daran, dass er, trotz aller anderslautenden Prognosen, in naher Zukunft nicht verschwinden wird. Diese Position vertritt auch Zakaria, der in einem historischen Abriss den Aufstieg des Nationalstaates, seinen Machtzuwachs in den letzten Jahrhunderten und die von ihm schließlich erreichte Dominanz gegenüber anderen Akteuren skizziert. Vor diesem Hintergrund kommt er zu folgender Einschätzung: »This dominance will not disappear, but it will wane. The balance of power between the state and other elements of society has been shifting for the past quarter-century. The rise of fluid capital markets, information technology, global media, the end of communism, the inefficiencies of government regulation all point in the same direction against the autonomy and power of the state.«111

Die von Zakaria beschriebene Tatsache, dass verschiedenen Prozesse und Faktoren zu einer Aushöhlung nationaler Souveränität im traditionellen Sinne geführt haben, ist seit längerer Zeit weithin akzeptiert. Allerdings gibt es weitaus weniger Übereinstimmungen, wenn es um die Folgen konkreter Veränderungen oder um das Wirken spezifischer Faktoren geht. Gleiches

108 109 110 111

Scholte 2001b, 24. Ebenda, 23. Ebenda, 23. Zakaria 1999, o.S.

104 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

trifft auf die Quantifizierung des Ausmaßes der Aushöhlung der Souveränität sowie die unterschiedlichen Auswirkungen auf konkrete Staaten zu. Giddens geht davon aus, dass die Veränderungen nicht auf eine bestimmte Ursache zurückzuführen sind, sondern von einem ganzen Bündel von Faktoren vorangetrieben werden – »some structural, others more specific and historical. Economic influences are certainly among the driving forces – especially the global financial system.«112 Aber Giddens, und dies ist von entscheidender Bedeutung, wenn es um die Analyse des den Nationalstaaten verbliebenen Handlungsspielraumes geht, insistiert auch, dass diese Faktoren keine Naturgewalten sind: »They have been shaped by technology, and cultural diffusion, as well as by the decisions of governments to liberalise and deregulate their national economies.«113 Viele der Veränderungen seit den frühen 1970ern, die sowohl im politischen wie auch Alltagsdiskurs nicht selten unspezifisch ›der Globalisierung‹ zugeschrieben werden, sind das Ergebnis bewusst vorangetriebener Entwicklungen.114 Es liegt vermutlich in der Natur der Sache, dass nicht alle Akteure, die wesentlich bestimmte Veränderungen mitbewirkt haben, unbedingt das Licht der breiten Öffentlichkeit gesucht haben oder in Zukunft suchen werden. Mit dieser Bemerkung soll allerdings auch nicht den zahllosen Verschwörungstheorien das Wort geredet werden. Tatsache ist allerdings, dass die Forschungsbasis problematisch ist. Gurtov diskutiert eines der besser dokumentierten Beispiele, die 1973 von Privatpersonen gegründete, immer noch aktive und in ihrer Tätigkeit relativ offene Trilaterale Kommission.115 Neben dem Initiator, David Rockefeller, seinerzeit im Vorstand der Chase Manhattan Bank, gehörten der Gründungskommission VertreterInnen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen aus den USA und Kanada, aus Westeuropa und Japan an, darunter verschiedene Angehörige der Carter-Administration und Carter selbst.116 Gurtov beschreibt die Zielstellung der Trilateralen Kommission als die Förderung der interkapitalistischen Kooperation »through the removal of barriers to trade and investment among the three major regions represented in the organization and in the socialist and underdeveloped countries as well«.117 Den Gründern der ursprünglich nur für einen Zeitraum von drei Jahren geplanten Kommission ging es aber durchaus nicht nur um die Förderung

112 113 114 115

Giddens 1999, 14. Ebenda. Vgl. Scherrer 2000, Gurtov 1999, 31-55. Siehe Homepage der Trilateral Commission [http://www.trilateral.org – 11.01.2010]. Dort findet sich auch eine komplette Liste der aktuellen Mitglieder. 116 Gurtov 1999, 32-33; zu Details vgl. Sklar (Ed.) 1980. 117 Gurtov 1999, 33.

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von Handels- und Investitionsmöglichkeiten, sondern sie sahen die Aufgaben durchaus vielfältiger: »The Trilateral Commission was formed […] to foster closer cooperation among these core democratic industrialized areas of the world with shared leadership responsibilities in the wider international system. […] the most immediate purpose was to draw together – at a time of considerable friction among governments – the highest-level unofficial group possible to look together at the key common problems facing our three areas. At a deeper level, there was a sense that the United States was no longer in such a singular leadership position as it had been in earlier post-World War II years, and that a more shared form of leadership – including Europe and Japan in particular – would be needed for the international system to navigate successfully the major challenges of the coming years.«118

Der Umstand, dass die Kommission, der mittlerweile fast 400 und in vielen Fällen hochrangige Mitglieder angehören,119 auch weiterhin existiert, ist beredter Ausdruck der schon von den GründerInnen unterstellten Notwendigkeit, außerhalb von beziehungsweise parallel zu nationalen Regierungen und regionalen sowie internationalen Organisationen aktiv zu werden. Diese Notwendigkeit wird in der Selbstcharakterisierung der Kommission von 2010 angesichts der globalen Herausforderungen als noch gewachsen eingeschätzt: »The ›growing interdependence‹ that so impressed the founders of the Trilateral Commission in the early 1970s has deepened into ›globalization‹. That interdependence also has ensured that the current financial crisis has been felt in every nation and region. It has fundamentally shaken confidence in the international system as a whole. The Commission sees in these unprecedented events a stronger need for shared thinking and leadership by the Trilateral countries, who (along with the principal international organizations) have been the primary anchors of the wider international system.«120

Vor dem Hintergrund der letzten Finanz- und Wirtschaftskrise, die 2007 in den USA ihren Anfang nahm, steht einerseits wohl außer Frage, dass globa-

118 Homepage der Trilateral Commission [http://www.trilateral.org/about.htm – 11.01.2010]. 119 »There are 390 members of the Trilateral Commission today – 160 from Europe, 120 from North American, and 110 from Pacific Asia. They are distinguished leaders in business, media, academia, public service (excluding current national government leaders), labor unions, and other non-governmental organizations from the three regions (Homepage der Trilateral Commission [http:// www.trilateral.org/about.htm – Stand 11.01.2010]).« 120 Homepage der Trilateral Commission [http://www.trilateral.org/about.htm – 11.01.2010].

106 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

le Veränderungen in der politischen, ökonomischen und finanziellen Sphäre nicht nur den individuellen Handlungsspielraum von Nationalstaaten dramatisch eingeschränkt haben, sondern auch ihre Fähigkeit, ohne Berücksichtigung von Akteuren über der Ebene des Nationalstaates zu agieren. Zu diesen supraterritorialen Akteuren gehören neben den offiziellen Institutionen (IMF, World Bank, WTO, UN, EU, NAFTA etc.) natürlich auch Organisationen wie die Trilaterale Kommission und transnational operierende Konzerne. Andererseits zeigt die Geschichte moderner Nationalstaaten aber auch, dass für viele von ihnen bereits vor der aktuellen Phase der Globalisierung die Idee nationalstaatlicher Souveränität zwar ein erstrebenswertes Ideal dargestellt haben mag, aber in der harten Realität internationaler Beziehungen keineswegs garantiert gewesen sein dürfte. Zu nennen wären u.a. viele der früheren Kolonien, deren nominelle politische Unabhängigkeit nicht mit einer tatsächlichen Souveränität verwechselt werden darf, aber auch die Staaten, die bis zum Zusammenbruch des Kommunismus von der Sowjetunion dominiert wurden. Wenn auch in geringerem Maße lässt sich dies für die Dauer des Kalten Krieges auch über das Verhältnis zwischen den USA und den westeuropäischen Staaten sagen. Zudem sind in den von Machtpolitik charakterisierten internationalen Beziehungen kleinere und schwächere Staaten immer von mächtigeren Einzelstaaten und Koalitionen von Staaten, aber auch von transnational operierenden Wirtschaftsunternehmen beeinflusst, wenn nicht gar kontrolliert worden. Somit ist ein nicht unwesentlicher Teil der gegenwärtig geäußerten Besorgnis über die unsichere Zukunft des Nationalstaates wohl eher idealtypischen Vorstellungen von nationalstaatlicher Souveränität geschuldet als einer fundierten historischen Analyse. Unter Berücksichtigung dieser notwendigen Klarstellungen erscheint es aber letztlich doch berechtigt, in der aktuellen Globalisierungsphase von einer Krise klassischer Nationalstaatlichkeit im Sinne von umfassender Souveränität zu sprechen, die zunehmend nicht nur kleinere oder schwächere, sondern alle Staaten betrifft, wenn auch in unterschiedlicher Weise. Appadurai bestätigt in seiner Analyse des Begriffes ›postnational‹ die Krise des klassischen Nationalstaates. Der Ausgangspunkt der meisten gegenwärtigen Diskussionen ist für ihn die Annahme, dass wir uns in einem Prozess der Entwicklung in Richtung einer globalen Ordnung befinden, in der der Nationalstaat obsolet und durch andere Formen der Zugehörigkeit und Identität ersetzt werden wird. Diese Annahme wird für ihn dadurch gestützt, dass wir in verschiedenen Bereichen die Herausbildung von alternativen Formen der Organisation des Austausches von Ressourcen, Bildern und Ideen beobachten können. Diese stellen den Nationalstaat entweder aktiv in Frage oder sind zumindest friedliche Alternativen für politische Loyalitäten (z.B. die EU). Darüber hinaus sieht Appadurai aber noch eine weitere Möglichkeit: Nationen können durchaus auch weiterhin existieren, aber die fortgesetzte Erosion der Fähigkeit des Nationalstaates zur Monopolisierung von Loyalität wird zur weiteren Verbreitung von nationalen Formen führen, die

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weitestgehend von territorialen Staaten losgelöst sein werden. Zusammenfassend kommt Appadurai dann aber doch zu folgender Feststellung: »These are relevant senses of the term ›postnational‹, but none of them implies that the nation-state, in its classical territorial form, is as yet out of business. It is certainly in crisis, and part of the crisis is an increasingly violent relationship between the nation-state and its postnational others.«121

Die globalen Herausforderungen, denen sich Nationalstaaten am Beginn des 21. Jahrhunderts gegenüber sehen, dürfen aber nicht zu der undifferenzierten Annahme führen, diese seien die hilflosen Opfer exogener Kräfte. In diesem Kontext ist interessant, dass PolitikerInnen, die in ihrer Selbstdarstellung normalerweise ihre Handlungsfähigkeit und -bereitschaft betonen, dieser Annahme nicht sonderlich aktiv entgegentreten beziehungsweise ihr öffentlich sogar das Wort reden. Die generalisierte Annahme eines geradezu hilflosen Staates stellt aber eine eindeutige Unterschätzung seiner auch weiterhin existenten Funktionen und Potenzen dar. Hobsbawm gehört zu jenen, die zwar akzeptieren, dass Staaten an Macht eingebüßt haben, erinnert aber auch daran (und dies ist entscheidend für eine Analyse der Handlungsfähigkeit konkreter Staaten), dass zwischen zwei Sachverhalten differenziert werden muss: (i) was Staaten nicht tun können und (ii) was Staaten tun könnten, wenn sie denn wollten: »Much of what governments refrain from doing is rejected not because it is ineffective – for instance, economic protectionism and a degree of self-sufficiency can work – but because, for various reasons, governments do not desire it.«122 Nationale Regierungen mögen zwar aus unterschiedlichsten Gründen kein ›Verlangen‹ verspüren, in bestimmten Bereichen zu intervenieren, aber das Vorhandensein dieser Fähigkeit zumindest starker Staaten kann nicht negiert werden. Für jene, die sich angesichts der tatsächlichen oder vermeintlichen Bedrohungen durch bestimmte Globalisierungsprozesse allerdings hilfesuchend an ihren jeweiligen Staat wenden wollen, besteht für Agnew relativ wenig Hoffnung: »More than the ›enemies‹ of economic globalization […] powerful states have been its best friends […] partly because of the capture of governments by advocates of an ideology of economic globalization [and] also as a result of territorial competition between states for the increasingly footloose capital they helped liberate in the first place.«123

Agnew will diese Beobachtung allerdings nicht als ein Plädoyer für schwache Staaten verstanden wissen. Die Krise des Nationalstaates kann aber

121 Appadurai 1993, 419. 122 Hobsbawm 1996, 62. 123 Agnew 2001, o.S.

108 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

nicht auf das Wirken von Prozessen, die, wie Agnew betont, in vielen Fällen von nationalen Regierungen überhaupt erst ermöglicht worden sind, und Akteuren oberhalb der nationalen Ebene reduziert werden, sondern setzt sich unterhalb dieser Ebene fort. Dabei sind die internen mit den externen Problemen auf vielfältige Weise verschränkt. Die tatsächliche oder von vielen BürgerInnen zumindest in den ökonomisch hoch entwickelten und demokratisch verfassten Staaten empfundene zunehmende Bedeutungslosigkeit nationaler Wahlen und die rückläufigen Mitgliedszahlen vieler Parteien sind partiell auch Ausdruck des weit verbreiteten Gefühls, dass die einflussreichen Parteien – jedenfalls, wenn sie an der Macht sind – in grundsätzlichen Fragen keine wirklichen Alternativen mehr offerieren (können) oder die effektive Kontrolle über bestimmte Prozesse und Gegebenheiten ohnehin bereits verloren haben. Der tatsächliche teilweise Verlust nationalstaatlicher Handlungsfähigkeit an die nichtstaatlichen Akteure einer scheinbar unaufhaltsamen Globalisierung und das Verhalten von PolitikerInnen, die diesen Eindruck aus unterschiedlichsten Motivationen gelegentlich noch verstärken, haben das Gefühl der Ohnmacht bei vielen BürgerInnen noch weiter verstärkt. Ein Blick auf die Wahlbeteiligung in Großbritannien zeigt aber auch, wenn man die Wahlen von 1950 und 1951 sowie 2001 und 2005 einmal vernachlässigt, dass sich diese ungeachtet aller Klagen über Politikverdrossenheit seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges relativ stabil auf einem Niveau zwischen 70 und 80% gehalten hat.124 An dieser Stelle ist keine detaillierte Analyse des Wahlverhaltens in Großbritannien möglich, aber es sei zumindest darauf hingewiesen, dass die Gesamtzahlen für die Wahlbeteiligung die tatsächlichen Veränderungen seit etwa dem Anfang der 1970er nur unzureichend reflektieren. Neben einem sehr differenzierten Bild bezüglich der Wahlbeteiligung und der Präferenz verschiedener sozialer Gruppen, von Frauen und Männern sowie ethnischen Gruppen für bestimmte Parteien ist die Entwicklung der Wahlbeteiligung innerhalb bestimmter Altersgruppen besonders aufschlussreich. Eine entsprechende Untersuchung der selbsterklärten Wahlbeteiligung (self-reported voter turnout) für die Unterhauswahlen der Jahre 1970, 1983, 1997 und 2001 kam zu folgender Einschätzung: »Between 1970 and 2001, voter turnout rose in only one age category among men, (60-64), and women (65+). The largest fall in turnout among men was for voters aged 25 to 34 and 35 to 44 (both by 15 percentage points), and voters aged 25 to 34 among women (by 21 percentage points). In reality self-reported turnout tends to be higher than actual turnout.«125

124 Vgl. Tabelle 4b: Veränderung der selbsterklärten Wahlbeteiligung nach Altersgruppe und Geschlecht 1970-2001 in GB. 125 House of Commons Library 2004b, o.S.

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Die Untersuchung macht zwar keine Aussagen über die Ursachen dieser Veränderungen, lässt aber bei einer Berücksichtigung aller Altersgruppen zumindest den Schluss zu, dass es gerade die jüngeren WählerInnen sind, die sich offensichtlich durch Wahlen zum Unterhaus keine wirkliche Einflussmöglichkeit auf die Politik versprechen.126 Die tieferen Ursachen der Krise des Nationalstaates sind aber komplexerer Natur und können nicht auf extranationale Faktoren oder individuelle PolitikerInnen reduziert werden. Es ist daher wichtig, auch jene Faktoren zu berücksichtigen, die zur Schwächung der Verbindungen zwischen BürgerInnen und öffentlichen Angelegenheiten in demokratischen Staaten beigetragen haben und die Hobsbawm als ›infranational forces‹ bezeichnet. Hobsbawm nennt u.a. den Niedergang ideologischer Massenparteien, politisch mobilisierender ›Wahlkampfmaschinen‹ und anderer Organisationen für massenhafte staatsbürgerliche Aktivitäten wie beispielsweise die Gewerkschaften. Begleitet wurde dieser Niedergang von der Verbreitung einer individualistisch geprägten Konsumgesellschaft und den ihr gemäßen Wertvorstellungen. Die von Hobsbawm beschriebenen Veränderungen haben aber nicht nur ernsthafte Konsequenzen für die Rollen, die der Staat überhaupt noch in Anspruch nehmen beziehungsweise erfolgreich ausfüllen kann, sondern spielen auch jenen neoliberalen Akteuren in die Hände, die gar kein Interesse an einem starken Staat haben: »This withdrawal of citizens affects the legitimacy of national governments and their functions, as well as the demands which they can make upon the country’s inhabitants […] The state is weakened when it is not identified with a common good, or when only individual advantage and not common interest are recognized […] The currently widespread dislike of ›bureaucracy‹, ›government‹, ›excessive state interference‹ and the like may contain both a justified critique of the uses and modes of state power and the unjustified assumption that any limitation by superior authority of the individual’s right to do what she or he wishes, is unacceptable. We need to distinguish clearly between them.«127

Es ist mehr als wahrscheinlich, dass die von Hobsbawm beschriebene Situation bei vielen BürgerInnen, ob nun bewusst oder unbewusst, zu einer höheren Akzeptanz für die antistaatlichen und antikollektivistischen Agenden neoliberaler Akteure beigetragen hat, die weder ein Interesse an starken Staaten noch an sogenannten ›big governments‹ haben. Schon Adam Smith, einer der Gewährsmänner der Neoliberalen, war sich aber durchaus der Tatsache bewusst, dass Staaten nicht uneingeschränkt den Kräften des Marktes überlassen werden können. Es überrascht daher auch nicht, dass zwar immer wieder auf das von Smith beschriebene Wirken

126 Vgl. Tabelle 4b: Veränderung der selbsterklärten Wahlbeteiligung nach Altersgruppe und Geschlecht 1970-2001 in GB. 127 Hobsbawm 1996, 61.

110 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

der »invisible hand«128 des Marktes hingewiesen wird, aber nicht auf seine ebenso starke Überzeugung, dass es zur Erfüllung bestimmter Aufgaben unbedingt eines Staates bedarf. Für ihn ist die Aufgabe des »sovereign or commonwealth«, d.h. des Staates, »that of erecting and maintaining those public institutions and those public works, which, though they may be in the highest degree advantageous to a great society, are, however, of such a nature that the profit could never repay the expense to any individual or small number of individuals, and which it therefore cannot be expected that any individual or small number of individuals should erect or maintain.«129

Die spezifische Balance zwischen dem Staat und der Zivilgesellschaft sowie zwischen Interventionen der Regierung und dem Wirken von Marktmechanismen ist natürlich von der jeweiligen Situation in konkreten Ländern abhängig. Mit Blick auf die seit den 1980ern insbesondere in den USA und Großbritannien verstärkten Versuche, den Staat aus bestimmten Bereichen zurückzudrängen, schreibt Hobsbawm, dass der Versuch »to implement pure free-market policies since 1980 has confirmed their limitations, as the experience of societies of the Soviet type demonstrated the limitations of centralized planned economies relying exclusively (in theory) on state power«.130 Grundsätzlich müsste das Ziel von Veränderungen darin bestehen, die jeweilige Balance möglichst so zu gestalten, dass sie den Interessen der Mehrheit der Bevölkerung gerecht wird. Abschließend lässt sich festhalten, dass es durchaus berechtigt ist, von einer doppelten Krise des Nationalstaates zu sprechen, aber dass sein verschiedentlich verkündetes Ende als notwendige oder unausweichliche Konsequenz der Globalisierung weder kurz- noch mittelfristig zu erwarten steht. Entscheidend für die Zukunft des Nationalstaates werden die Schwerpunktsetzungen und die Politikfelder, die auch weiterhin oder wieder durch den Staat besetzt werden, und das Selbstverständnis der staatstragenden Kräfte sein: Welche Aufgaben können ohne gesamtgesellschaftlichen Schaden oder eine unakzeptable Bevorzugung partikularer Interessen an andere subnationale, nationale, internationale oder globale nichtstaatliche Gruppen, Institutionen und Akteure übergeben werden? Welche Entscheidungen können den Kräften des Marktes überlassen werden, ohne die Schwächsten in der Gesellschaft noch größeren Belastungen auszusetzen? Welche Fragen sollten völlig im Entscheidungsbereich der einzelnen BürgerInnen beziehungsweise der Familie verbleiben? Neben den generellen Problemen muss zwischen konkreten Ländern differenziert werden, die im Zuge des aktuellen Globalisierungsschubes in sehr unterschiedlichem Maße einen Verlust an nationalstaatlicher Souveränität in

128 Smith 1952 [1776], 194. 129 Ebenda, 315. 130 Hobsbawm 1996, 62.

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bestimmten Bereichen hinnehmen mussten. Gleichzeitig darf aber auch nicht übersehen werden, dass nach dem Ende des Kalten Krieges insbesondere die früheren Satellitenstaaten im Machtbereich der Sowjetunion an Souveränität gewonnen haben. Die Analyse sowohl der Globalisierung als auch der These vom Ende des Nationalstaates darf neben den Unterschieden zwischen konkreten Nationalstaaten aber auch die Existenz der USA nicht ignorieren. Zum einen, weil der globale Einfluss und die Machtfülle der USA am Beginn des 21. Jahrhunderts als Musterbeispiel für die fortgesetzte Bedeutung des Nationalstaates gelten können. Zum anderen, weil die Bestimmung des Begriffes Globalisierung die Frage aufwirft, ob es sich bei den subsumierten Prozessen nicht zumindest partiell vielleicht eher um eine Amerikanisierung weiter Teile der Welt handelt.131 Appadurai weist in seiner Analyse des Zusammenhangs zwischen Globalisierungsprozessen und der These vom Ende des Nationalstaates ganz konkret auf die Situation der USA und ihre Stellung innerhalb einer globalisierten Welt hin und kommt zu folgender Schlussfolgerung: »[W]e appear to be faced with a great, uncontested power that dominates the new world order; that draws in immigrants in the thousands; and that seems to be a triumphant example of the classic, territorial nation-state. Any argument about the emergence of a postnational global order will have to engage its greatest apparent falsification, the contemporary United States.«132

Die USA sind zweifellos das offensichtlichste Beispiel für einen Nationalstaat, der in sicherlich höherem Maße als die meisten anderen Staaten trotz aller globalen Veränderungen sowohl national als auch in der globalen Arena reale Souveränität besitzt. Aber selbst ohne eine Berücksichtigung der USA ist offensichtlich, dass es zwar gute Gründe gibt, eine Krise des klassischen Nationalstaatsmodells zu konstatieren, es aber verfrüht wäre, sein Ende zu verkünden.

131 Vgl. Abschnitt 4.3. 132 Appadurai 1993, 419.

5. Das Konzept des Globalismus

5.1 E INLEITUNG Globalization has become a key referent of contemporary political discourse and, increasingly, a lens through which policymakers view the context in which they find themselves. If we can assume that political actors have no more privileged vantage point from which to understand their environment than anyone else and […] that one of the principle discourses through which the environment now comes to be understood is globalization, the content of such ideas is likely to affect significantly political dynamics.1 HAY AND ROSAMOND [T]he way that people know their world has significant implications for the concrete circumstances of that world. Hence globalization has occurred in part because of certain patterns of social consciousness. Knowledge frameworks have a significance that is not reducible to forces of production, governance and identity. In short, the rise of globality could not transpire in the absence of mindsets that encourage such a development.2 SCHOLTE

1 2

Hay and Rosamond 2002, 148. Scholte 2005, 149.

114 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

Es ist nicht nur offensichtlich, dass unterschiedliche Globalisierungsprozesse die Lebensumstände der Menschheit ganz wesentlich beeinflussen und teilweise radikal verändern, sondern auch, dass bestimmte Prozesse in konkreten Ländern und für einzelne soziale Schichten sehr unterschiedliche Konsequenzen haben. Ebenso unübersehbar ist auch, dass sowohl diese Globalisierungsprozesse als insbesondere auch ihre Konsequenzen Gegenstand teilweise sehr kontrovers geführter Diskussionen sind. Der Begriff der Globalisierung selbst wird in einer Vielzahl von politischen, ökonomischen, militärischen sowie kulturellen Diskursen verwendet und spielt auch im Alltagsdiskurs eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die bloße Existenz dieser Diskurse über Globalisierung ist aber nicht mit dem Konzept des Globalismus als einer hegemonialen diskursiven Formation gleichzusetzen, das in diesem Kapitel entwickelt wird. Der Ausgangspunkt des folgenden Kapitels besteht in der Annahme, dass theoretisch und analytisch zwischen (i) den unter dem Begriff der Globalisierung subsumierten Prozessen, die in der Tendenz zur Entstehung eines globalen sozialen Raumes führen, (ii) Globalität einerseits im Sinne der bewussten Wahrnehmung eines zunehmend globalen sozialen Raumes und andererseits dessen Existenz sowie (iii) den korrespondierenden Globalisierungsdiskursen unterschieden werden muss, diese aber eng miteinander verwoben sind. Zu fragen ist, welcher Natur diese Korrelationen sind, wie sie theoretisch adäquat durchdrungen und konkret analysiert werden können. Zu diesem Zweck wird im Folgenden in zwei Schritten das bereits in der Einleitung skizzierte Konzept des Globalismus als einer hegemonialen diskursiven Formation entwickelt.3 Grundsätzlich wird, wie im Abschnitt 2.4 erläutert, davon ausgegangen, dass Diskurse nicht nur eine Reflexion bestimmter Gegebenheiten und Prozesse darstellen, sondern mit diesen in einem aktiven Wechselverhältnis stehen. Bezüglich des Verhältnisses zwischen Globalisierung und Globalismus wird eine direkte und aktive Beziehung zwischen politischen, ökonomischen, kulturellen und zahlreichen anderen Aspekten und Verlaufsformen der Globalisierung einerseits und einem diskursiven System andererseits angenommen, die sich wechselseitig ›produzieren‹ und beeinflussen. Im Folgenden wird in einem ersten Schritt eine Analyse der Zusammenhänge zwischen Globalismus, Globalisierung und Imperialismus vorgenommen. Dabei wird davon ausgegangen, dass es einerseits politische, ökonomische und kulturelle Effekte des Imperialismus gibt, die bis in die Gegenwart fortwirken, und dass es in Abhängigkeit von der jeweiligen Imperialismusdefinition durchaus möglich ist, mit diesem Begriff Gegebenheiten am Beginn des 21. Jahrhunderts adäquat zu beschreiben. Andererseits wird unterstellt, dass bestimmte aktuelle Entwicklungen und Konstellationen nicht länger durch den Imperialismusbegriff abgedeckt werden. Analog zu diesen Annahmen liegt der Schwerpunkt dieses Analyseschrittes auf der

3

Vgl. S. 13.

D AS K ONZEPT

DES

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Identifizierung von diskursiven Kontinuitäten und Diskontinuitäten zwischen Imperialismus und Globalismus. Anschließend wird dann in einem zweiten Schritt das Konzept des Globalismus als einer hegemonialen diskursiven Formation entwickelt, die es erlaubt, die Korrelationen von Globalisierung, Globalität und Globalisierungsdiskursen konkret zu analysieren und zu theoretisieren, wobei die Notwendigkeit aus zwei Tatsachen erwächst: Erstens hat der Globalismus einen signifikanten Einfluss auf den konkreten Verlauf und Charakter der Globalisierung, wie auch von Bruff betont wird: »We should […] take seriously the possibility that globalisation as a discursive construct has real, causal effects on policy outcomes and on the process of globalisation itself.«4 Zweitens spielt das Konzept in der Globalisierungsforschung eine nur untergeordnete und seiner Bedeutung nicht angemessene Rolle. Die vorliegenden unzureichenden Begriffsbestimmungen lassen eine Erweiterung und vor allem Systematisierung als unbedingt erforderlich erscheinen.

5.2 G LOBALISMUS , G LOBALISIERUNG UND I MPERIALISMUS 5.2.1 Einleitung Bevor die Zusammenhänge zwischen Globalismus, Globalisierung und Imperialismus überhaupt genauer analysiert werden können, bedarf es zunächst einmal einer vorläufigen Klärung des Begriffes Imperialismus. Ganz allgemein bezeichnet dieser ein Herrschaftsstreben, dessen Ziel darin besteht, andere Länder beziehungsweise deren Bevölkerung zu beeinflussen, auszubeuten und direkt oder indirekt zu beherrschen. Das dazu angewandte Spektrum von Mitteln und Methoden umfasst politische, ökonomische, militärische, kulturelle und ideologische Formen. Der spezifischere Begriff des klassischen Imperialismus steht für die Politik der territorialen Expansion (ca. 1880 bis 1918), die durch die Verschränkung einer Politik des expansiven Nationalismus mit pseudowissenschaftlichen Thesen (wie der des Sozialdarwinismus) und dem Anspruch, dass die territoriale Expansion letztlich nur einer weiteren Verbreitung der Zivilisation nach Afrika, Asien und Lateinamerika diene (die »Bürde des weißen Mannes«) und somit im Interesse der dortigen Bevölkerungen sei, gekennzeichnet war. Der Begriff des Imperialismus steht also einerseits (Bedeutungsvariante a) für konkrete historische Formen und Praktiken des Herrschaftsstrebens und in der Phase des klassischen Imperialismus für die territoriale Expansion Großbritanniens, Frankreichs, Deutschlands, aber auch der USA, Japans und Russlands. Andererseits (Bedeutungsvariante b) verweist der Begriff aber auch auf Ideen, Theorien und Diskurse, die sowohl diese Herrschafts4

Bruff 2005, 268, Herv. i.O.

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form als auch das Expansionsstreben nicht nur rechtfertigten, sondern deren konkrete Formen beeinflussten und von diesen wiederum selbst beeinflusst wurden. Auf der Basis dieser semantischen Differenzierung können nun für die weitere Analyse zwei Begriffspaare abgeleitet werden: Globalisierung und Imperialismus (Bedeutungsvariante a) sowie Globalismus und Imperialismus (Bedeutungsvariante b). Beim Versuch einer konkreten Analyse wird allerdings schnell deutlich, dass sich Theorien, Ideen und ›Diskurse‹ einerseits und historische, politische und ökonomische ›Realitäten‹ andererseits nicht einfach ›entflechten‹ lassen – jedenfalls nicht im Rahmen des hier verwendeten dreidimensionalen Diskursmodells von Fairclough.5 5.2.2 Imperialismus und Globalisierung Bevor näher auf das Verhältnis von Imperialismus (Bedeutungsvariante b) und Globalismus sowie die diskursiven Kontinuitäten und Diskontinuitäten zwischen den beiden Phänomenen eingegangen wird, soll hier zumindest in groben Zügen das Verhältnis von Imperialismus (Bedeutungsvariante a) und Globalisierung charakterisiert werden. Es lassen sich drei Hauptvarianten der Konzeptualisierung des Verhältnisses von Imperialismus (Bedeutungsvariante a) und Globalisierung unterscheiden. Die erste Variante besteht darin, mehr oder minder stark ausgeprägt zwar die Tatsache anzuerkennen, dass es sich bei der Globalisierung nicht ausschließlich um ein Phänomen des 20. und 21. Jahrhunderts handelt, aber keine expliziten Beziehungen zwischen Imperialismus und Globalisierung herzustellen. Das Konzept der Globalisierung dominiert sowohl analytisch als auch deskriptiv. Durchaus vorhandene Zusammenhänge beziehungsweise Kontinuitäten werden entweder nicht sonderlich betont oder völlig ausgespart. So kommen beispielsweise ansonsten durchaus globalisierungskritische Bücher ohne einen Indexeintrag Imperialismus aus (Hirst und Thompson 2000, James 2001 sowie Gilpin 2000). Eine zweite Variante stellen mehr oder weniger starke Überarbeitungen klassischer Imperialismustheorien dar.6 Zu diesen zählen u.a. marxistische beziehungsweise marxistisch beeinflusste Ansätze, die die Außenpolitik einzelner Staaten als ganz wesentlich durch die Wirtschaftsinteressen der ›herrschenden Klasse‹ bestimmt verstehen. Der Kern dieser Ansätze besteht nach Berg-Schlosser und Stammen in der Annahme, dass die durch ›Unterkonsumption‹ bedingt ›fallende Profitrate‹ im Inland Kapitalexport hervorruft. Kapitalexport und Monopolisierung der Wirtschaft führen im Zusammenspiel mit weiteren Faktoren zu einer zunehmenden Unterjochung der Welt: »Die auf diese Weise erfolgende Ausbeutung im internationalen Rahmen und die so entstehende internationale ›Schichtung‹ in arme und rei-

5 6

Vgl. S. 34. Hobson (1968) [1902], Hilferding (1973) [1910], Bucharin (1969) [1915], Luxemburg (1969) [1913] und Lenin (1971) [1916/17].

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che Länder trägt aber nach ihrer Auffassung auch wieder den Keim ihres Untergangs in sich.«7 Hirsch weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich einerseits einige der Annahmen, die sich beispielsweise in der Imperialismustheorie bei Lenin8 finden, zwar als falsch erwiesen haben, es aber andererseits durchaus möglich ist, bestimmte Aspekte der gegenwärtigen Situation auch weiterhin mit dem Begriff des Imperialismus zu beschreiben. So charakterisierte Lenin den Imperialismus als letztes Stadium des Kapitalismus und ging davon aus, dass das Bemühen des Finanz-Monopol-Kapitals, nach der zu Beginn des 20. Jahrhunderts beendeten Aufteilung der Welt neue Investitionsgebiete und Märkte zu sichern, mit Notwendigkeit zu kriegerischen Konflikten führen müsse und diese letztlich den Zusammenbruch des gesamten kapitalistischen Systems vorantreiben würden. Laut Hirsch »taugte [diese Diagnose] zwar in gewissem Grade zur Beschreibung des Kapitalismus bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, wird aber den heutigen Realitäten kaum gerecht«. Er schreibt aber auch, dass sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion eine »praktisch uneingeschränkte ökonomische, politische und militärische Herrschaft der metropolitanen ›Triade‹ USA/NAFTA, EU und Japan unter Führung der USA etabliert [hat]. Man kann dies durchaus als imperialistisches Herrschaftsverhältnis bezeichnen, auch wenn es sich wesentlich von dem unterscheidet, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts existierte.«9

Eine dritte Variante der Konzeptualisierung des Verhältnisses von Globalisierung und Imperialismus ist dadurch gekennzeichnet, dass explizit Verbindungen zwischen den beiden Phänomenen hergestellt werden, wobei teilweise mit dem Begriff des Neoimperialismus operiert wird. In Einzelfällen wird Globalisierung lediglich als Neologismus für Phänomene betrachtet, die traditionell als Imperialismus charakterisiert wurden.10 In der Mainstream-Literatur dominieren ganz eindeutig die erste und dritte beziehungsweise Mischformen der hier skizzierten Varianten, wobei die hier vorgenommene Unterscheidung zwischen den beiden Bedeutungsvarianten des Imperialismusbegriffes eher keine Rolle spielt. Die Analyse des Verhältnisses von Imperialismus (Bedeutungsvarianten a und b) und Globalisierung beziehungsweise Globalismus wird noch weiter dadurch erschwert, dass die tatsächliche Komplexität sowohl des Phänomens als auch des Begriffes Imperialismus weit über die Charakterisierung

7 8 9 10

Berg-Schlosser und Stammen 1995, 291. Lenin 1971 [1916/17]. Hirsch 2001, o.S. Vgl. zum Thema ›neuer Imperialismus‹ u.a. Panitsch 2000, Petras and Veltmeyer 2002, Went 2002, Hardt and Negri 2002 und Harvey 2005.

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in der Einleitung dieses Kapitels hinausgeht. So schreibt Edward Said in Culture and Imperialism, Imperialismus sei »a word and an idea today so controversial, so fraught with all sorts of questions, doubts, polemics, and ideological premises as nearly to resist use altogether. To some extent of course the debate involves definitions and attempts at delimitations of the very notion itself: was imperialism principally economic, how far did it extend, what were its causes, was it systematic, when (or whether) did it end?«11

So gibt Said, quasi als Eingeständnis der terminologischen Probleme, auch keine Definition des für seine Analysen zentralen Begriffes Imperialismus, sondern beschreibt nur die Art und Weise, in der er den Begriff verwendet: »As I shall be using the term, ›imperialism‹ means the practice, the theory, and the attitudes of a dominating metropolitan centre ruling a distant territory; ›colonialism‹, which is almost always a consequence of imperialism, is the implanting of settlements on distant territory […] In our time, direct colonialism has largely ended; imperialism, as we shall see, lingers where it has always been, in a kind of general cultural sphere as well as in specific political, ideological, economic, and social practices.«12

Die Unterscheidung zwischen ›colonialism‹ und ›direct colonialism‹ sowie die reduktive Definition des Kolonialismus als ›implanting of settlements on distant territory‹ sind allerdings nicht wirklich geeignet, die terminologischen Probleme zu lösen. Für Said scheint die Globalisierung im Wesentlichen eine (modifizierte) Fortsetzung des Imperialismus im Allgemeinen oder das Ergebnis eines modernen amerikanischen Imperialismus im Besonderen zu sein. So argumentierte er in den frühen 1990ern vor dem Hintergrund der Ereignisse in Jugoslawien und im Irak sowie der Tatsache, dass die USA nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die einzige Supermacht war, dass der Imperialismus zurückkehre. In einem Interview 1993 äußerte Said, dass sich die Welt, während er Culture and Imperialism schrieb, verändert hatte und der Imperialismus wieder auflebte: »It’s not ›after imperialism‹; there’s a latetwentieth-century renewal of it.«13 Wiederum in einem Interview 2001 schien er Globalisierung mit der Fortschreibung der Hegemonie der USA vermittels des globalen Kampfes gegen den Terrorismus gleichzusetzen: »Since the United States is the only global superpower, has or pretends to have interests everywhere, from China to Europe to southern Africa to Latin America and all of North America, terrorism becomes a handy instrument to perpetuate this hegemony.

11 Said 1994a, 3. 12 Ebenda, 8. 13 Said 2001f, 191.

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Terrorism is now viewed as resistance to globalization. That connection has to be made.«14

Für Sardar wiederum sind der europäische Kolonialismus und der Imperialismus durch den amerikanischen ›Neoimperialismus‹ ersetzt worden, und für ihn stellt die Globalisierung lediglich eine der »main features of postmodern times« dar: »The postmodern world is a world of shrinking boundaries, instant communication, and a popular culture that straddles the globe. It is a mass market where Western entertainment consciously creates its products for a global audience, diminishing both the West and the rest. It is also a world dominated by a single superpower; a world where the old European colonialism has been replaced by neo-imperialist superpower politics of a single superpower.«15

Auch Parry betont in ihrer Variante des Imperialismusbegriffes und der Charakterisierung der gegenwärtigen Situation die weltweite Vormachtstellung der USA: »[T]he connotations of the word [imperialism] are variable, referring not only to the whole or part of the west’s programme of overseas conquest, occupation and rule, but also to the institution of dependencies where no military or administrative presence was or is installed, a mode perfected by the United States in its role as the predominant force of a contemporary imperialism.«16

In den Definitionsversuchen von Said, Sardar und Parry zeigt sich, dass die Kennzeichnung jeglicher politischen, ökonomischen oder kulturellen Machtausübung oder Dominanz als ›Imperialismus‹ nicht nur theoretisch und politisch äußerst problematisch ist, sondern diesen Begriff analytisch praktisch wertlos werden lässt. So ist Nederveen Pieterse zuzustimmen, der angesichts der Situation am Ende des 20. Jahrhunderts die Notwendigkeit betont, neues konzeptuelles Handwerkszeug zu entwickeln, wenn er warnt, dass der Begriff des Imperialismus »may no longer be adequate to address the present situation. It may be adequate in relation to US actions in Panama or Grenada, but less to describe the Gulf War.«17 Interessanterweise verweist er in diesem Zusammenhang ebenfalls auf Doyles Definition von Imperium und Imperialismus, die Said in Culture and Imperialism wörtlich zitiert:

14 15 16 17

Barsamian and Said 2003, 89-90. Sardar 1999, 110. Parry 2001, 102. Nederveen Pieterse 1995, 59.

120 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR »Empire is a relationship, formal or informal, in which one state controls the effective political sovereignty of another political society. It can be achieved by force, by political collaboration, by economic, social, or cultural dependence. Imperialism is simply the process or policy of establishing or maintaining an empire.«18

Im Gegensatz zu Said scheint Nederveen Pieterse sich aber stärker der terminologischen Probleme bewusst zu sein beziehungsweise sie anzuerkennen, wenn Begriffe wie Kolonialismus, Neokolonialismus, Imperium und Imperialismus auf bestimmte Phänomene und Prozesse am Ende des 20. Jahrhunderts angewandt werden, wenn er schreibt, dass es nicht adäquat ist, sie beispielsweise für die Charakterisierung der Aktivitäten wichtiger nichtstaatlicher Akteure wie IMF, Weltbank, transnationalen Konzernen und regionalen Investmentbanken oder die Herausbildung regionaler Blöcke zu verwenden: »The casual use of terms as recolonization or neocolonialism to describe the impact of IMF conditionalities on African countries remains just that, casual. The situation has changed also since the emergence of regional blocs which can potentially exercise joint foreign policy (for example, the European Community) or which within themselves contain two or more ›worlds‹ (for example, NAFTA, APEC). Both these situations differ from imperialism in the old sense. Current literature on international political economy shows a shift from ›imperialism‹ to ›globalization‹.«19

Weitere konkrete Beispiele für wesentliche Unterschiede zwischen Imperialismus und Globalisierung finden sich in den hochindustrialisierten Ländern, die in zahlreichen Fällen auch frühere Kolonialmächte sind. Das im 19. und 20. Jahrhundert in Ländern wie Großbritannien weit verbreitete Phänomen eines gering entwickelten Widerstandes gegen die Praxis des Imperialismus ist bezüglich der Globalisierung nicht in gleicher Weise zu beobachten. Zumindest dann nicht, wenn es um bestimmte Entwicklungen geht, die in zunehmendem Maße auch viele BürgerInnen in den Industriestaaten des Westens negativ betreffen. Das Spektrum reicht dabei von Umweltproblemen bis zu erhöhtem Lohndruck im Gefolge eines sich verschärfenden globalen Konkurrenzkampfes und der angebotsorientierten Politik nationaler Regierungen. Es ist allerdings auch nicht zu übersehen, dass der Widerstand gegen Globalisierung immer dann nicht gleich weit verbreitet oder intensiv ist, wenn es sich um Beziehungen handelt, von denen auch weiterhin die Mehrheit der Bevölkerung in diesen Ländern profitiert, wie beispielsweise im Falle von niedrigen Endverbraucherpreisen für Kaffee oder Bananen, die nur durch die extrem niedrigen Löhne in den Erzeugerländern möglich sind. Dass die Imperialismusdebatte am Beginn des 21. Jahrhunderts überhaupt wieder mit größerer Intensität geführt wurde, war einerseits das Er-

18 Doyle 1986, 45, zitiert in Said 1994a, 8. 19 Nederveen Pieterse 1995, 59.

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gebnis der Außenpolitik der Bush-Administration seit dem Jahre 2000, des ›War on Terrorism‹ und der Kriege in Afghanistan und im Irak. Andererseits waren es Artikel wie jener von Michael Ignatieff 2003 unter dem Titel »The Burden« im New York Times Magazine veröffentlichte, die die öffentliche Debatte über die Rückkehr des Imperialismus anheizten. In dem Artikel ließ Ignatieff insbesondere auf die globalen Terrorbedrohungen verweisend weder einen Zweifel an der Machtfülle der USA noch an ihrer quasi imperialen Rolle: »Ever since George Washington warned his countrymen against foreign entanglements, empire abroad has been seen as the republic’s permanent temptation and its potential nemesis. Yet what word but ›empire‹ describes the awesome thing that America is becoming? It is the only nation that polices the world through five global military commands; maintains more than a million men and women at arms on four continents; deploys carrier battle groups on watch in every ocean; guarantees the survival of countries from Israel to South Korea; drives the wheels of global trade and commerce; and fills the hearts and minds of an entire planet with its dreams and desires.«20

Die Einschätzung von Ignatieff wurde auch von anderen einflussreichen KommentatorInnen gestützt, die teilweise sogar noch weiter gingen. So argumentierte Max Boot, seinerzeit der Redakteur der Meinungsseite des Wall Street Journal, im Oktober 2001 in der Zeitschrift The Australian, dass eine ›Dosis‹ US-Imperialismus die beste Reaktion auf den Terrorismus sein könnte: »[T]he September 11 attack was a result of insufficient [American] involvement and ambition. The solution is to be more expansive in the US’s goals and more assertive in their implementation.«21 Ohne das problematische Verhältnis von Imperialismus und Globalisierung hier erschöpfend analysieren zu können, lässt sich zumindest konstatieren, dass die gegenwärtigen globalen Strukturen zwar immer noch durch Verhältnisse von Ungleichheit, Ausbeutung und Dominanz gekennzeichnet sind, die sich partiell auf die Ära des Imperialismus zurückführen lassen, aber dass die Situation am Beginn des 21. Jahrhunderts in ihrer Gesamtheit zumindest mit einem relativ eng gefassten Begriff des Imperialismus nicht mehr adäquat zu beschreiben ist. Mit Blick auf die Struktur des heutigen kapitalistischen Weltsystems weist Hirsch zu Recht darauf hin, dass diese durch eine qualitativ neue Form der Internationalisierung der Produktion und ein wesentlich verändertes Verhältnis zwischen Staat und Kapital gekennzeichnet ist: »Wenn mit Imperialismus ein System gemeint ist, in dem in nationalem Rahmen organisierte Monopole mit Hilfe der jeweiligen Staaten ihre Interessen mittels räuberischer Expansionspolitiken verfolgen, ge-

20 Ignatieff 2003, o.S. 21 Boot 2001, o.S.

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hört dies weitgehend der Vergangenheit an.«22 Hier wird auch die Einschätzung von Hirsch geteilt, dass traditionelle Zentrum-Peripherie-Modelle die gegenwärtige Situation nur noch unzureichend beschreiben: »Der neue Schub der kapitalistischen Globalisierung hat zu sozial-räumlichen Differenzierungsprozessen geführt, die eine klare Unterscheidung von Zentrum und Peripherie immer schwieriger machen. In Teilen der Peripherie entstehen weltmarktintegrierte Wachstumspole und zugleich nehmen innerhalb der Zentren sozial-räumliche Ungleichheiten zu. Auch dort breiten sich teilweise ›Drittwelt‹-Lebensbedingungen aus.«23

Vor dem Hintergrund der in diesem Abschnitt skizzierten Beziehungen zwischen Imperialismus (Bedeutungsvariante a) und Globalisierung werden im Folgenden diskursive Kontinuitäten und Diskontinuitäten zwischen der Ära des Imperialismus und der Welt am Beginn des 21. Jahrhunderts analysiert. Als Ausgangspunkt fungiert das von Said im Rahmen seiner Imperialismuskritik u.a. in Orientalism (1978) und Culture and Imperialism (1994) entwickelte Konzept des Orientalismus, das näher daraufhin untersucht wird, inwieweit es einen Beitrag für die Entwicklung eines Globalismuskonzepts leisten kann, das sowohl die diskursiven Kontinuitäten als auch die Diskontinuitäten zwischen Imperialismus und Globalisierung berücksichtigen kann. Dabei wird allerdings auch deutlich werden, dass die oben vorgenommene Unterscheidung der zwei Begriffspaare Globalisierung und Imperialismus (Bedeutungsvariante a) beziehungsweise Globalismus und Imperialismus (Bedeutungsvariante b) zwar analytisch wünschenswert, in der Praxis aber kaum durchführbar ist, da die Begriffspaare Phänomene bezeichnen, zwischen denen es historische Zusammenhänge gibt und für die eine zeitliche Zäsur nicht möglich ist. Alle Versuche, ein vorher und nachher im Sinne einer chronologischen Abfolge zu konstruieren, können nur dann erfolgreich sein, wenn bei der Berücksichtigung der unterschiedlichen Aspekte der Globalisierung selektiv vorgegangen wird und die Kontinuitäten bewusst unterschlagen werden. 5.2.3 Globalismus und Orientalismus Mit dem im Kontext seiner Imperialismusanalyse entwickelten Konzept des Orientalismus versuchte Said, sowohl die historisch konkreten Formen des Imperialismus als auch die sie legitimierenden ›ideologischen Formationen‹ und Diskurse zu erfassen. Dabei ging er davon aus, dass der Imperialismus in vielfältiger Weise in die Gegenwart hineinwirkt. So betont er im ersten Kapitel von Culture and Imperialism, »Overlapping Territories, Intertwined Histories«, die Kontinuität zwischen dem klassischen europäischen Imperia-

22 Hirsch 2001, o.S. 23 Ebenda.

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lismus und der Welt der 1990er und kritisiert in diesem Zusammenhang andere WissenschaftlerInnen für ihre aus seiner Sicht zu starke Konzentration auf politische und ökonomische Fragestellungen und ihre vermeintliche Vernachlässigung bestimmter anderer Aspekte in ihren Arbeiten, was in der Konsequenz u.a. dazu führe, dass das Fortwirken des Imperialismus unterschätzt wird: »[S]carcely any attention has been paid to what I believe is the privileged role of culture in the modern imperial experience, and little notice taken of the fact that the extraordinary global reach of classical nineteenth- and early twentieth-century European imperialism still casts a considerable shadow over our own times […] This pattern of dominions or possessions laid the groundwork for what is in effect now a fully global world. […] This set of patterns, I believe, was first established and made possible by the modern empires.«24

Ebenfalls in Culture and Imperialism stellt Said explizit einen Zusammenhang zwischen den Phänomenen Imperialismus und Kolonialismus einerseits und bestimmten ›ideologischen Formationen‹ her, wenn er schreibt: »Neither imperialism nor colonialism is a simple act of accumulation and acquisition. Both are supported and perhaps even impelled by impressive ideological formations that include notions that certain territories and people require and beseech domination: the vocabulary of classic nineteenth-century imperial culture is plentiful with such word and concepts as ›inferior‹ or ›subject races‹, ›subordinate peoples‹, ›dependency‹, ›expansion‹, and ›authority‹.«25

Die Kontinuitäten zwischen Imperialismus und Globalisierung treten besonders deutlich hervor, wenn die Analyse auf eine konkrete Bedeutungsvariante des Orientalismuskonzepts von Said fokussiert wird, die er in der Einleitung zu Orientalism formuliert: »Orientalism as a Western style for dominating, restructuring, and having authority over the Orient.«26 Mit Bezug auf den Imperialismus verweist das Konzept des Orientalismus einerseits auf materiell verortete Beziehungen von Macht und Dominanz sowie andererseits auf Diskurse, die eben diese Beziehungen zumindest partiell verbergen und gleichzeitig bestimmte Verhaltensmuster beziehungsweise spezielle Handlungen rechtfertigen, die eben diese Beziehungen fortschreiben oder überhaupt erst ermöglichen. Auch wenn eine ähnliche Konstellation für das Verhältnis von Globalisierung und Globalismus angenommen wird, stellt sich angesichts des im Abschnitt 5.2.2 skizzierten Verhältnisses von Imperialismus und Globalisierung natürlich die Frage, welchen Beitrag der Orien-

24 Said 1994a, 3-4. 25 Ebenda, 8, Herv. i.O. 26 Said 1995 [1978], 3.

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talismusbegriff von Said für die Entwicklung eines Globalismuskonzepts leisten kann und wo seine Grenzen und Möglichkeiten liegen. Ein notwendiger erster Schritt besteht in der Identifizierung der unterschiedlichen Ebenen, auf denen konkrete Grenzen des Konzepts lokalisiert sind. Einerseits ermöglicht dies, die fortbestehende Anwendbarkeit von Saids Orientalismuskonzept auf ganz bestimmte Probleme deutlicher herauszuarbeiten. Andererseits hilft die Identifizierung spezifischer Limitierungen, die für die Entwicklung eines den aktuellen Verhältnissen angemessenen Globalismuskonzepts notwendigen konkreten Überarbeitungen und Weiterentwicklungen des Ansatzes von Said zu benennen. Die offensichtlichste Limitierung des Orientalismuskonzepts ist räumlicher Natur und wurde von Said selbst auch voll anerkannt. So erklärte er in einem Interview 2001, »Orientalism didn’t really cover Asia at all. So, I wanted [in Culture and Imperialism] to extend the analysis to include further and different places than the Arab and Islamic Near East.«27 In Culture and Imperialism, das zumindest partiell als eine Reaktion auf die teilweise massive Kritik an Orientalism gelesen werden kann, schreibt Said, dass er versucht hat, »to expand the arguments of the earlier book [Orientalism] to describe a more general pattern of relationships between the modern metropolitan West and its overseas territories«.28 Ungeachtet der räumlichen Erweiterung von Saids ursprünglichem Orientalismuskonzept bleiben große Teile der Welt beziehungsweise bestimmte Problemfelder notwendigerweise unberücksichtigt, da außer der räumlichen auch methodologische und konzeptuelle Erweiterungen erforderlich gewesen wären. So treten beim Versuch der Anwendung des Orientalismuskonzepts auf bestimmte Aspekte der Globalisierung und die korrespondierenden Diskurse methodologische Probleme noch deutlicher hervor, die bereits in Saids Imperialismusanalyse angelegt sind und von denen zwei hier skizziert werden sollen. Das erste ist von zahlreichen KritikerInnen Saids benannt worden und resultiert aus dem von ihm bei seiner Suche nach Alternativen zu den existierenden Orthodoxien analysierten Material und seiner Überbewertung der gesellschaftlichen Rolle von Literatur. Das zweite besteht in der Fokussierung auf die Konstruktion von Unterschieden und Gegensätzen zwischen dem ›Westen‹ und dem ›Orient‹. Beide Probleme zeigen sich besonders deutlich, wenn Said im abschließenden Kapitel von Culture and Imperialism die Welt am Ende des 20. Jahrhunderts analysiert. Bezüglich des ersten Problems schreibt beispielsweise Kennedy, dass Culture and Imperialism wohl deutlicher als alle anderen Bücher Saids seine Suche nach Alternativen zu den gängigen Orthodoxien – ob nun radikal oder konservativ – belegt, diese allerdings von zwei gegenläufigen Tendenzen gekennzeichnet ist:

27 Said 2001f, 183. 28 Said 1994a, xi.

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»[T]he radical impulse to link literature, politics and culture on the one hand, and the fundamental conservatism of Said’s literary tastes and loyalties on the other. The first is clearly discernible in his analysis of culture and imperialism and of resistance to imperial and neo-imperial domination. Conversely, his literary conservatism appears in the primarily Eurocentric and canonical texts chosen for analysis, his occasional apparent odd complicity with textual imperial attitudes, the general lack of sustained attention to non-Western writers and works and his somewhat problematic concept of oppositional humanism.«29

Saids Präferenz für westliche kanonische Texte sollte aber nicht – wie von einigen KritikerInnen – als bloßes Vorurteil abgetan werden, sondern muss vor dem Hintergrund seiner kulturellen Identität gesehen werden. Das grundsätzliche Problem beschreiben Ashcroft und Ahluwalia folgendermaßen: »Personal experiences, and the particular nature of personal history, have the power to dictate that certain interests are embedded so deeply in one’s cultural identity that they cannot be dislodged«.30 Konkret auf Said Bezug nehmend, fragen sie an anderer Stelle, ob der Konflikt zwischen Saids oppositioneller Einstellung und seiner Präferierung westlicher kultureller Formen überhaupt zu lösen ist. Die Bedeutung der Antwort auf diese Frage geht weit über die Person Saids hinaus, kann doch seine kulturelle Prägung und die Herausbildung einer bestimmten Identität in einer zunehmend globalisierten Welt als typisch für Millionen anderer Menschen nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb der ›westlichen Welt‹ gesehen werden: »The apparent contradiction he seems to embody demonstrates how very complex the construction of identity becomes, and how easy it is to stereotype identity in terms of certain kinds of specific cultural practices. Said’s boyhood experience of listening to the BBC [Sunday afternoon concerts of classical music] has been replicated millions of times over by young people in the Third World listening to American popular music. This is the very ground on which identity must be continually negotiated in an increasingly globalised world – the local becomes less and less able to separate itself from the global.«31

Neben Saids Präferenz für westliche kanonische Texte besteht ein weiteres Teilproblem darin, dass das von ihm präferierte Genre, der Roman, am Ausgang des 20. Jahrhunderts nicht mehr im gleichen Maße für die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Kultur und Politik relevant ist, wie noch für das 19. Jahrhundert. Cochran formuliert die Problematik noch grundsätzlicher, wenn er schreibt, dass Said zu stark dazu neige, das Problem auf der Ebene der literarischen Produktion zu sehen: »in the work of

29 Kennedy 2000, 97. 30 Ashcroft and Ahluwalia 2001, 10. 31 Ebenda, 12.

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famous writers and artists rather than focusing on the everyday nature of imperial penetration of cultures via the materiality of commodity exchanges«.32 Said schien sich dieser Tatsache aber durchaus bewusst zu sein: »Theoretically we are only at the state of trying to inventory the interpellation of culture and empire, but the efforts so far made are only slightly more than rudimentary. And as the study of culture extends into the mass media, popular culture, micropolitics, and so forth, the focus on modes of power and hegemony grows sharper.«33

Zunehmend ist es somit eher das weite Feld der durch die Massenmedien verbreiteten Populärkultur, auf dem die Wechselwirkungen zwischen Politik und Kultur realisiert werden. Dies geschieht vielleicht nicht so offensichtlich wie in den von Said analysierten Romanen des 19. Jahrhunderts, aber aufgrund des Massenpublikums vermutlich wirksamer. Für Hall sind es ganz wesentlich die neuen technologischen Möglichkeiten, die nicht nur die Geschwindigkeit und Reichweite des kulturellen Austausches und damit seiner Wirksamkeit prägen, sondern zunehmend auch seinen Charakter bestimmen: »Global mass culture is dominated by the modern means of cultural production, dominated by the image which crosses and re-crosses linguistic frontiers much more rapidly and easily, and which speak across languages in a much more immediate way. It is dominated by all the ways in which the visual and graphic arts have entered directly into the reconstitution of popular life, of entertainment and of leisure.«34

Cochran geht ebenfalls von grundsätzlichen Umwälzungen aus, wobei die neue Situation für ihn sowohl das Ergebnis politischer und ökonomischer Transformationen als auch technologischer Veränderungen ist, und konstatiert, dass sich im 20. Jahrhundert die Relevanz der Literatur für die Produktion von Kultur dramatisch verändert hat. Die Ursachen dafür sieht er u.a. in der massenhaften Erzeugung kultureller Produkte in den Bereichen Malerei, Fotografie, Film, Fernsehen, Radio und Software, die seit dem Aufkommen moderner Drucktechniken für die Literatur typisch war: »In other words, literature and the literary tradition no longer single-handedly dominate cultural production, and the economic force of the cultural commodity has upset the well-policed conjunctures of literature, universalism, and humanism. Without this privileged ideological investment, writing […] takes its more modest place alongside other sectors of culture.«35

32 33 34 35

Cochran 2001, 217. Said 1994a, 71-72, Herv. i.O. Hall 1991, 27. Cochran 2001, 217.

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Ähnlich argumentiert auch Turner, der auf die kulturellen und sozialen Konsequenzen des Postmodernismus und eines globalen Warenaustausches hinweist. Diese beschränken sich für ihn nicht nur auf eine Reorganisation der geistigen Welt einer Minderheit von Intellektuellen, sondern sie beeinflussen in immer stärkerem Maße die Alltagswelt. Der Postmodernismus verursacht, vermittelt durch das Medium kulturellen Wandels, soziale Veränderungen der Alltagswelt »through the hedonistic consumption of commodities in which even in the everyday world there is a profound sense of the simulation and inauthentication of cultures via the endless production of global commodities.«36 Es ist eben dieser Bereich, der von den Cultural Studies vor allem in seiner sozialen Dimension noch stärker erschlossen werden muss, da einerseits zumindest die eher traditionell orientierten Kulturwissenschaften der kommodifizierten Massenkultur immer noch relativ zurückhaltend gegenüberstehen, diese aber andererseits im Vergleich zur Hochkultur die größere soziale Bedeutung hat. Darüber hinaus stellt die Entwicklung einer sozial relevanten kommerzialisierten globalen Massenkultur auch eine Herausforderung für jene Intellektuellen dar, die sich in der Kultur-ZivilisationTradition (im britischen Kontext mit Arnold und Leavis verbunden) stehend, als Hüter kultureller Werte und Standards verstehen. Die ›Postmodernisierung‹ der Kultur wird somit zu einer »profound challenge to the monopolistic hold over high culture and elite values which has traditionally been enjoyed by the intellectual within the Academy.«37 Die zweite und für die Entwicklung eines Globalismuskonzepts wichtigere methodische Limitation des Orientalismusbegriffes, ob nun in der Variante Saids oder in neueren Spielarten, besteht in der charakteristischen Fokussierung auf die Konstruktion von Unterschieden und Gegensätzen zwischen dem ›Westen‹ und dem ›Orient‹. So argumentiert Said, dass der Orientalismus »aided and was aided by general cultural pressures that tended to make more rigid the sense of difference between the European and Asiatic parts of the world«.38 In seiner Analyse kommt er dann auch fast zwangsläufig zu der Schlussfolgerung, dass der wohl ausschlaggebende Faktor für den Orientalismus für VertreterInnen des Westens, die sich mit dem Osten befassten, ein ziemlich konstantes Gefühl der Konfrontation war: »The boundary notion of East and West, the varying degrees of projected inferiority and strength, the range of work done, the kinds of characteristic features ascribed to the Orient: all these testify to a willed imaginative and geographic division made between East and West, and lived through during many centuries.«39

36 37 38 39

Turner 1994, 17. Ebenda, 18. Said 1995 [1978], 204. Ebenda, 201.

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Zumindest partiell ist es möglich, Saids Sichtweise als eine logische Konsequenz seiner Analysemethode und seines Diskurskonzepts zu interpretieren. So weisen Ashcroft und Ahluwalia darauf hin, dass die Art, wie Said Letzteres nutzt, »dominance and power over cultural interaction« betont.40 Eine derartige Konstruktion und Betonung von Differenzen, Trennungen und Gegensätzen kann nicht in gleicher Weise für die Globalismusanalyse fortgeschrieben werden, es sei denn, man repräsentiert die Verhältnisse am Ende des 20. Jahrhunderts, wie dies Said wiederholt im letzten Kapitel von Culture and Imperialism, »Freedom from Domination in the Future«, tut, verkürzt als eine Art globalisierten amerikanischen Imperialismus. Dadurch gelingt es ihm scheinbar, die qualitativ neuen politischen Fragen, die sich in einer zunehmend globalisierten Welt stellen, auch weiterhin innerhalb seines Imperialismuskonzepts zu analysieren. Mit Blick auf kulturelle Aspekte ist Turner zuzustimmen, der schreibt, »globalization makes it very difficult to carry on talking about oriental and occidental cultures as separate, autonomous or independent cultural regimes«.41 Der Globalismus betont im Gegensatz zum Orientalismus viel stärker globale Inklusion, Gemeinsamkeiten und geteilte Interessen, was allerdings nicht heißt, dass dies auch der Realität entspricht.42 Die entscheidenden Grenzen des Orientalismusbegriffes Saids für die Entwicklung eines Globalismuskonzepts sind allerdings konzeptueller Natur. Sardar sieht einen Grund dafür, dass diese nicht so offensichtlich wie die räumlichen und methodischen Limitierungen sind, darin, dass Said den Orientalismus als einen ›Metadiskurs‹ konstruiert und präsentiert (was Sardar meint, ist ein Meisterdiskurs), der es ihm erlaubt, alle früheren Orientalismusdefinitionen in seine Analyse zu inkorporieren und dann auf unterschiedlichste Phänomene und Praktiken anzuwenden. Sardar listet sieben unterschiedliche Orientalismusdefinitionen Saids auf und stellt dann fest: »Using these all-embracing but contradictory definitions, Said constructs Orientalism as a relatively unified discourse spanning the entire course of history from antiquity to contemporary times.«43 Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass zu dem Zeitpunkt, als Said Culture and Imperialism schrieb, viele der am Beginn des 21. Jahrhunderts üblicherweise unter dem Begriff Globalisierung subsumierten Veränderungen bereits weithin anerkannte Phänomene waren und der Begriff selbst sowohl in der politischen Rhetorik als auch in akademischen Diskursen unterschiedlichster Disziplinen zum Standardvokabular gehörte. Obwohl Said sowohl die Faktizität als auch die Relevanz der Globalisierungsprozesse und des korrespondierenden Globalisierungsdiskurses anerkannte, waren seiner Analyse und letztlich der theoretischen Durchdringung jedoch

40 41 42 43

Ashcroft and Ahluwalia 2001, 70. Turner 1994, 9. Vgl. Abschnitt 5.3 und Kap. 7 und 9. Sardar 1999, 68.

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Grenzen gesetzt, die er zumindest innerhalb seines konzeptuellen Rahmens, der ganz wesentlich durch die Begriffe Orientalismus und Imperialismus abgesteckt war, nicht überwinden konnte. Der globale Kapitalismus in seinen gegenwärtigen Ausprägungen kann eben, ungeachtet aller Kontinuitäten, nicht in allen seinen Dimensionen einfach als die neueste Spielart des Imperialismus konzeptualisiert werden. Es gibt aber auch keinen Zweifel, dass Saids Arbeiten auch weiterhin nützliche Einsichten in die Geschichte, den Charakter und die Funktionsweisen des Imperialismus sowie des korrelierenden Orientalismusdiskurses ermöglichen. Die fortwirkende intellektuelle Kraft von Saids Kritik des Orientalismus und ihre praktische Anwendbarkeit auf wichtige Aspekte der gegenwärtigen Situation liegen speziell auf jenen Gebieten, die er als »overlapping territories« und »intertwined histories« charakterisiert.44 Diese werden nicht nur in vielfältigen historischen und strukturellen Kontinuitäten zwischen unserer globalisierten Welt und der Ära des ›klassischen‹ Imperialismus deutlich, sondern auch auf der diskursiven Ebene. Es überrascht daher auch nicht, dass Apologeten der Globalisierung in ihren gegenwärtigen Formen und Prioritätssetzungen bemüht sind, diese Kontinuitäten herunterzuspielen und vielmehr die Novität der unter dem Begriff der Globalisierung subsumierten Phänomene zu betonen. Dadurch werden diese dekontextualisiert, aus ihren historischen Zusammenhängen herausgelöst und letztlich die vorhandenen Verbindungen aufgelöst. Es ist aber auch klar, dass sowohl bestimmte aktuelle Globalisierungsprozesse als auch Aspekte des Globalismus zwar historisch mit dem Imperialismus beziehungsweise dem Orientalismus verbunden, aber nicht seine bloße Fortsetzung sind. Sie können daher auch nicht vollständig in den Grenzen von Saids Orientalismuskonzept und seiner Imperialismuskritik verstanden werden. In jenen Momenten, wenn sich die ›territories‹ nicht mehr überschneiden und die ›histories‹ nicht mehr miteinander verschlungen sind, werden die Grenzen von Saids Orientalismuskonzept besonders deutlich. Der Globalismus und die Globalisierung weisen in der gegenwärtigen Phase – bei Anerkennung aller Kontinuitäten – qualitativ neue Charakteristika auf, die weder mit Saids Konzept des Orientalismus noch mit seiner Vorstellung eines amerikanischen Imperialismus theoretisch und empirisch vollständig abgedeckt werden können. Die Feststellung, dass Saids Orientalismuskonzept nicht alle Aspekte einer globalisierten Welt am Beginn des 21. Jahrhundert erfassen kann, bedeutet aber nicht, dass sein Repräsentationsbegriff, sein Verständnis von der Rolle des/der kritischen Intellektuellen sowie sein Wissensbegriff nicht auch weiterhin fruchtbringend angewandt werden können, wie im Kapitel 2 gezeigt wird.

44 Said 1994a, 72.

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5.3 G LOBALISMUS

ALS DISKURSIVE

F ORMATION

Vor dem Hintergrund der im Abschnitt 5.2 skizzierten Möglichkeiten und Grenzen des Orientalismusbegriffes von Said sowie des Verhältnisses von Imperialismus, Globalisierung und Globalismus soll im Folgenden vorgeführt werden, dass und wie die im Abschnitt 2.4 entwickelte Konzeption der diskursiven Formation auf den Globalismus angewendet und dieser als hegemoniale diskursive Formation definiert werden kann. Zuvor sollen einige Beispiele das Spektrum existierender Globalismusdefinitionen illustrieren und die Notwendigkeit der Präzisierung beziehungsweise Erweiterung verdeutlichen. Für Scholte hat der Begriff des Globalismus nichts mit Diskursen zu tun, sondern verweist auf eine bestimmte Sichtweise auf transplanetarische und supraterritoriale Interkonnektivität, die er aber ablehnt: »[T]he rise of transplanetary and supraterritoriality in no way means that territorial space has ceased to matter. We should not replace methodological territorialism with a globalism that looks only at transplanetary relations and ignores the importance of territorial spaces.«45

Nederveen Pieterse wiederum unterscheidet in seiner Globalismusdefinition folgende stark divergierende Varianten: Allgemein ist es die »policy of furthering or managing (a particular mode of) globalization«. In der politischen Ökonomie verweist der Begriff auf »policies furthering or accommodating economic internationalization« oder den »corporate globalism of transnational enterprises«. Im Bereich der Außenpolitik steht er für die »global stance in US foreign policy, in its initial post-war posture and its post Cold War stance«.46 Die Verwendung des Globalismusbegriffes zur Beschreibung der Außenpolitik der USA stützt sich auf eine Arbeit von Ambrose und Brinkley, Rise to Globalism, in der er für die Bereitschaft und Praxis der Vereinigten Staaten steht, ihre politische, ökonomische und militärische Macht auch weltweit einzusetzen.47 Der Begriff des corporate globalism findet sich beispielsweise bei Gurtov, der ihn dem Konzept des Realismus gegenüberstellt. Während Letzterer das dominante Paradigma für die Außenpolitik seit dem Westfälischen Frieden von 1648 darstellte, hätte der corporate globalism seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges an Bedeutung gewonnen: »Corporate Globalism, centered in the United States, Japan, and the other major industrialized countries that are home to the world’s largest corporations, has become a powerful force in its own right in the second half of the twentieth century. Realism

45 Scholte 2005, 75-76. 46 Nederveen Pieterse 2003a, 266. 47 Ambrose and Brinkley 1997, o.S.

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speaks to the interests of state power, Corporate Globalism to the market needs of transnational institutions, mainly business and finance.«48

Die Betonung ökonomischer Aspekte findet sich auch in weiteren Globalismusdefinitionen. So steht bei Biermann und Klönne der Begriff für die »weltweite Vernetzung der Währungs- und Kapitalmärkte«.49 In die gleiche Richtung zielt auch die Definition von Beck, dessen Arbeiten zur Globalisierung zwar nicht unumstritten, aber zumindest in Deutschland von enormem Einfluss sind. Er beschreibt den Globalismus als »alles durchdringende, alles verändernde Weltmarktherrschaft.« In seiner Kritik geht es ihm nach seiner eigenen Aussage aber nicht um eine Verteufelung (welt-)wirtschaftlichen Handelns: »Vielmehr soll das in der neoliberalen Ideologie des Globalismus verkündete Primat und Diktat des Weltmarktes für alle – für alle Dimensionen der Gesellschaft – als das aufgedeckt werden, was es ist: ein ins Gigantische projizierter, antiquierter Ökonomismus, eine Erneuerung der Geschichtsmetaphysik, eine sich unpolitisch gebende Gesellschaftsrevolution von oben.«50

Die Ansicht, dass der Ökonomismus ein ganz wesentliches Element des Globalismus ist und dass es größere Schnittmengen mit dem Neoliberalismus als Ideologie gibt, wird hier durchaus geteilt. Aber bei Beck findet, wie bei anderen AutorInnen auch, keine klare begriffliche Abgrenzung zwischen Globalisierung, Globalität und Globalismus statt, wenn er beispielsweise den Begriff des Globalismus einerseits zur Beschreibung einer »Weltmarktherrschaft« verwendet und andererseits von der »neoliberalen Ideologie des Globalismus« spricht. Das Ziel einer Weiterentwicklung vorhandener Definitionen muss es also sein, einerseits eine klarere Abgrenzung zwischen den Begriffen Globalisierung, Globalität und Globalismus zu erreichen und andererseits die Verkürzung auf ökonomische Aspekte zu überwinden. Ganz allgemein wird Globalismus hier als ein Diskurs verstanden, der nicht nur den Anspruch erhebt, autoritative Beschreibungen und Erklärungen für die gegenwärtig unter dem Begriff der Globalisierung subsumierten Prozesse und Phänomene bereitzustellen, sondern auch einen aktiven Beitrag zur konkreten Ausgestaltung der Globalisierung leistet und der seinerseits in Reaktion auf die fortschreitenden Globalisierungsprozesse permanent modifiziert wird.51 Ein wesentlicher Aspekt dieser Modifizierung besteht in einer zunehmend bewussten Aufnahme globalisierungskritischer Elemente in den Glo-

48 Gurtov 1999, 23; siehe auch ebd., Kap. 2: »Realism and Corporate Globalism in Theory and Practice«. 49 Biermann und Klönne 2001, 11. 50 Beck 1999, 195. 51 Vgl. S. 13ff. zu Details.

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balismus mit dem Ziel, dessen gesellschaftliche Akzeptanz auf einem möglichst hohen Niveau ständig neu zu rekonstruieren. Dies illustriert zum Beispiel Clintons Rede vor den Teilnehmern des Weltwirtschaftsforums in Davos 2000: »So I ask you, help us to find a way, first, to explain to the sceptics and the opponents of what we believe in why there is some increase in inequality as a result of an economic change that is basically wonderful, and has the potential – if we make the changes we should – to open possibilities for poor people all over the world that would have been undreamed of even 10 years ago. And, second, find a way to let the dissenters have their say, and turn them into constructive partners. If you do that, we will continue to integrate the world economically, and in terms of political cooperation.«52

Nicht nur PolitikerInnen, sondern auch WirtschaftsführerInnen, Public Relations Manager von Konzernen, Großinvestoren und wirtschaftsnahe Think Tanks werden sich zunehmend der Tatsache bewusst, dass politische, ökonomische und soziale Rekonfigurationen teilweise dramatischen Ausmaßes auch eine entsprechende Beeinflussung der korrespondierenden Diskurse und insbesondere der öffentlichen Meinung erfordern, um Unterstützung für die von ihnen verfolgte Politik zu generieren oder zumindest Opposition zu minimieren. So ist in Westeuropa auf die Ängste großer Teile der Bevölkerung durch die ›Übersetzung‹ der unverblümt neoliberalen ›Sprache der Globalisierung‹ in lokale Versionen, in Großbritannien zum Beispiel das im Abschnitt 6.5 diskutierte Konzept des Third Way, reagiert worden, die eine stärkere Berücksichtigung der potenziellen Gefahren und Unsicherheiten, die mit bestimmten Globalisierungsprozessen verbunden sind oder im öffentlichen Bewusstsein mit ihr verbunden werden, versprechen. Ausgangspunkt für die Konzeptualisierung des Globalismus als eine hegemoniale diskursive Formation muss die Feststellung sein, dass der Globalismus nicht als monolithisches und hermetisch geschlossenes System missverstanden werden darf, sondern vielmehr als aus einer Reihe von Kernüberzeugungen, typischen Annahmen und Vorhersagen bestehend, die aber nicht in jedem Kontext tatsächlich oder in identischer Form realisiert werden.53 Weiterhin gehören bestimmte Repräsentationsformen und -praktiken als wesentliche Bestandteile zum Repertoire des Globalismus. Die meisten der in der Definition diskursiver Formationen von Hall benannten »ideas, images and practices«54 sind im Falle des Globalismus an einen Kern angelagert, der sich verkürzend als Ökonomismus beschreiben lässt. Hier erweist sich auch die Nützlichkeit der Idee eines clusters, die Bestandteil der Defini-

52 Clinton 2000, o.S. 53 Vgl. Foucaults Diskursdefinition auf S. 30. 54 Vgl. Halls Definition diskursiver Formationen auf S. 31.

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tion von Hall ist. Ohne an dieser Stelle schon auf Details einzugehen, lässt sich festhalten, dass der Kern des Ökonomismus in einem Primat, ja Diktat des Ökonomischen besteht, das alle Bereiche der gesellschaftlichen Wirklichkeit, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität, durchdringt.55 Der Grad der Durchdringung variiert allerdings nicht nur zwischen einzelnen Bereichen, sondern auch zwischen unterschiedlichen Staaten und Regionen der Welt. An diesen Kern werden dann mit scheinbar zwingender Logik weitere Argumente angefügt. Zu diesen gehört u.a. die Behauptung, dass die ›freie Marktwirtschaft‹ in letzter Instanz dem Allgemeinwohl diene. Ergänzend wird der Freihandel, nunmehr in seiner globalen Variante, als das Allheilmittel für nahezu alle ökonomischen und sozialen Probleme präsentiert. So schien zum Beispiel Clinton durchaus der Meinung zu sein, dass es den WirtschaftsführerInnen der Welt obläge, die globalen Probleme der Zukunft zu lösen. Auf dem oben erwähnten Weltwirtschaftsforum 2000 erklärte er, es sei sein wichtigster Wunsch, »that the global business community could adopt a shared vision for the next 10 to 20 years about what you want the world to look like, and then go about trying to create it in ways that actually enhance your business, but do so in a way that helps other people as well«.56

Das scheinbar grenzenlose Vertrauen in die letztlich positiven Folgen der ›freien Marktwirtschaft‹ und des ›Freihandels‹ geht in der Regel mit der Überzeugung einher, dass die Probleme und jeweiligen Lösungen in allen Staaten im Wesentlichen die gleichen oder zumindest sehr ähnlich seien. Die globalen Veränderungen insbesondere im ökonomischen Bereich, und dies ist einer der wichtigsten Aspekte, erscheinen als unvermeidbar und erlangen einen quasi naturgesetzlichen beziehungsweise alternativlosen Charakter. Sind die ökonomischen Kernbestandteile des Globalismus erst einmal akzeptiert, so wirkt sich dies auch in nichtökonomischen Bereichen aus. Aufgrund des Primats, das der Ökonomie eingeräumt wird, erscheinen weitere Behauptungen nicht mehr als das, was sie sind, nämlich Behauptungen, sondern als die notwendige und logische Folge ökonomischer Zwänge. So erscheint der Verlust der Handlungsfähigkeit nationaler Regierungen in vielen Bereichen als eine Konsequenz der sich aus der Globalisierung ergebenden ›Zwänge‹ und ›Notwendigkeiten‹, nicht aber als das Ergebnis konkreter politischer Entscheidungen. In enger Verbindung damit steht die mittlerweile weit verbreitete diskursive Praxis, dass PolitikerInnen unpopuläre Maßnahmen als den ›Notwendigkeiten und Zwängen der Globalisierung‹ geschuldet ›verkaufen‹, auch wenn sie selbst dafür die Verantwortung tragen

55 Eine detaillierte Analyse findet im Kap. 7 statt. 56 Clinton 2000, o.S.

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und die wahren Gründe ganz andere sind. Am offensichtlichsten ist diese Strategie in den Bereichen der ›Deregulierung‹ in der Arbeitswelt sowie des ›Umbaus‹ und der ›Modernisierung‹ der Wohlfahrtssysteme in den Industriestaaten, die als zwar bedauerliche, aber letztlich unausweichliche Folgen der Globalisierung dargestellt werden.57 Ein weiterer wesentlicher Bestandteil des Globalismus ist die Behauptung, dass sich die Welt, wiederum als Konsequenz aus den in erster Instanz ökonomischen ›Notwendigkeiten‹ und ›Zwängen‹, aber auch im Ergebnis angeblicher oder tatsächlicher Bedrohungen, zu einer globalen Staatengemeinschaft entwickelt. So argumentierte beispielsweise Blair 1999 folgendermaßen: »Today the impulse towards interdependence is immeasurably greater [then after World War II]. We are witnessing the beginnings of a new doctrine of international community. […] Just as within domestic politics, the notion of community – the belief that partnership and co-operation are essential to advance self-interest – is coming into its own; so it needs to find its own international echo.«58

Auf dem Weltwirtschaftsforum 2000 beschrieb Blair die Suche nach Gemeinschaften auf lokaler, nationaler und globaler Ebene als eine Reaktion auf Wandel und Unsicherheit, die Begleiterscheinungen des Fortschreitens globaler Märkte und Technologien seien. Diese Suche nach Gemeinschaften sowohl innerhalb einzelner Nationen als auch weltweit sei mit einer neuen politischen Agenda verbunden, die sich auf gegenseitige Verantwortlichkeit sowie gemeinsame Ziele und Werte gründe.59 Wenn angesichts weltweiter Probleme die Logik beziehungsweise Überzeugungskraft des Globalismus zu versagen drohen, so ist es immer noch möglich, ein weiteres Kernelement des Globalismus zu aktivieren. In Reaktion auf ganz konkrete Probleme wird häufig darauf hingewiesen, dass die Langzeiteffekte der Globalisierung positiv seien – aktuelle negative Konsequenzen werden zwar durchaus anerkannt, aber nicht als systemisch betrachtet. So werden negative Veränderungen beziehungsweise Probleme in konkreten Ländern der Zweiten und Dritten Welt in den letzten Jahrzehnten mit großer Wahrscheinlichkeit als ›Fehler‹ beziehungsweise ›Ausnahmen‹ dargestellt, die eine Konsequenz der mangelnden Begeisterung für und Ineffizienz bei der Umsetzung der Ideen der liberalen Marktwirtschaft sind. Probleme werden also in der Regel nicht als systemische Mängel eines ›Programms‹ dargestellt, das relativ undifferenziert auf die unterschiedlichsten Verhältnisse und verschiedensten Länder angewendet wurde und wird. Die Frage ist aber nicht nur, ob bestimmte negative Effekte des Globalisierungsprozesses systemisch oder exzeptionell sind, sondern auch, welche Vo-

57 Vgl. Kap. 7 und 8. 58 Blair 1999b, o.S. 59 Blair 2000d, o.S. ; vgl. auch Kap. 9.

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raussetzungen in einzelnen Ländern geschaffen werden müssten und welche Veränderungen notwendig wären, um die durchaus vorhandenen positiven Potenziale der Globalisierung zum Tragen zu bringen. Die hier grob skizzierten Elemente des Globalismus dürfen als typisch gelten, auch wenn sie nicht immer tatsächlich auftreten beziehungsweise von gleicher Relevanz innerhalb bestimmter Globalismussubdiskurse sind.60 Der Definition von Hall folgend kann Globalismus somit als eine bestimmte Weise des Sprechens und Schreibens über Globalisierungsprozesse beschrieben werden, die nicht nur deskriptiv ist. Das ›Wissen‹ über die Globalisierung – ihre Geschichte, Ursachen, Konsequenzen, Notwendigkeiten, Zwänge und zukünftige Entwicklung – existiert nicht isoliert, sondern ist mit der diskursiven und gesellschaftlichen Praxis im Sinne des hier verwendeten Diskursmodells nach Fairclough verwoben.61 Was als Wissen über die Globalisierung dargestellt wird, sollte daher immer als diskursiv konstituiertes ›Wissen‹ verstanden werden. Sowohl der konstituierende Vorgang als auch das ›Wissen‹ selbst sind bis zu einem gewissen Grade Ausdruck bestimmter Machtverhältnisse. Die ›Definitionen‹ dessen, was innerhalb des Wissensbestandes ›modern‹, ›progressiv‹, ›notwendig‹, ›unausweichlich‹ oder einfach nur ›wahr‹ ist, damit ›die Globalisierung‹ ihre positiven Wirkungen entfalten kann, sind aber nicht nur von akademischem Interesse, denn die konkrete Anwendung des ›Wissens‹ über die Globalisierung durch internationale Institutionen beziehungsweise einzelne Staaten in Bereichen wie der Entwicklungshilfe oder ›Empfehlungen‹ von Organisationen wie dem IMF oder der Weltbank für wirtschaftliche Reformen oder den Umbau der sozialen Systeme haben ganz konkrete und für die Betroffenen teilweise dramatische Folgen. Der Globalismus als hegemoniale diskursive Formation gewinnt somit ganz entscheidende Bedeutung für die Setzung einer zumindest in wesentlichen Teilen weithin akzeptierten Globalisierungsagenda. Das Ausmaß der Kritik an dieser Agenda ist angesichts der Quantität und Qualität der Veränderungen sowie der Zahl der direkt oder indirekt von wirtschaftlichen und sozialen Problemen Betroffenen immer noch überraschend gering ausgeprägt. An dieser grundsätzlichen Feststellung ändern auch Protestveranstaltungen wie in Seattle, Prag, Genua, Gleneagles und Heiligendamm sowie die Weltsozialgipfel nur wenig. Besonders erstaunt oft der Grad der Akzeptanz zahlreicher Prozesse, die gewöhnlich unter dem Begriff Globalisierung subsumiert werden, als natürlich und somit quasi unvermeidbar. Sie werden nicht so sehr als das dargestellt, verstanden oder interpretiert, was sie doch eigentlich sind, nämlich im Wesentlichen die Folgen willentlicher und wissentlicher Entscheidungen von PolitikerInnen in einer sehr begrenzten Zahl von Ländern, ihren ›Klubs‹ wie den G7, ManagerInnen und großen AnteilseignerInnen transnationaler Konzerne oder Organisationen wie dem IMF

60 Zu Details vgl. die konkreten Analysen in den Kap. 7 - 9. 61 Vgl. S. 34.

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oder der WTO, denen jede substanzielle demokratische Legitimation und, was noch wichtiger ist, einklagbare Verantwortlichkeit gegenüber den von ihren Entscheidungen betroffenen Ländern und Menschen fehlt. Dass dies so ist, hat ganz wesentlich mit der aktuellen Deutungsmacht des Globalismus als einer hegemonialen diskursiven Formation zu tun.

6. New Times, Globalisierung und die Entstehung von New Labour

6.1 E INLEITUNG Will man den im Untersuchungszeitraum zu beobachtenden Enthusiasmus zumindest der Führung der Labour Party für die Globalisierung historisch einordnen, so erweist es sich als aufschlussreich, frühere Einschätzungen des Modernisierungsprozesses der Partei einer erneuten Analyse zu unterziehen. Die Wahlniederlagen (trotz verschiedener Versuche, die Partei in den 1970ern und 80ern zu modernisieren) inspirierten ein wachsendes Bewusstsein für die Notwendigkeit von Reformen. Reformen, die, zumindest in ihren Grundzügen, mit dem Konzept des Third Way beschrieben werden können und vor dem Hintergrund der Veränderungen gesehen werden müssen, die in der gegenwärtig dominanten Terminologie in der Regel unter dem Begriff der Globalisierung subsumiert werden. Sie können aber auch als eine Fortsetzung jener Prozesse gesehen werden, die in den britischen Debatten mit dem Begriff der New Times beschrieben wurden. Der Begriff New Labour ist zwar relativ neu, aber der Prozess der Umgestaltung und Modernisierung der Partei hatte bereits viel früher begonnen und kann auch nicht auf den Einfluss von Blair reduziert werden. Neben anderen Faktoren war es natürlich der Wunsch, wieder an die Macht zu kommen, der ganz entscheidend für den Modernisierungsdruck in den 1980ern und 90ern war. Sofern eine genaue Datierung überhaupt möglich ist, so kann der Beginn des Prozesses, der letztlich zur Entstehung von New Labour führte, für das Jahr 1987 angenommen werden, als die Labour Party zum dritten Mal hintereinander in den Unterhauswahlen geschlagen wurde. Entscheidend war aber nicht einmal so sehr die Tatsache beziehungsweise die Deutlichkeit der Niederlage selbst, sondern der Umstand, dass es im Gegensatz zu vorangegangenen Wahlen keine Entschuldigungen gab: keinen Winter of Discontent, keinen Falkland-Krieg, keinen alternden Parteivorsitzenden etc.1 Diese Niederlage erhöhte ganz wesentlich die innerparteiliche

1

Hughes and Wintour 1990, 2-3.

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Einsicht in die Notwendigkeit einer umfassenden politischen Neuorientierung, einer organisatorischen Restrukturierung und der Entwicklung neuer Wahlkampfstrategien. Die entscheidende Frage für die Führung der Labour Party nach der erneuten Wahlniederlage 1987 war die nach den Ursachen. Für Davis präsentierte Labour immer noch eine gespaltene Partei, der es an ökonomischer Glaubwürdigkeit mangelte und die ihre unilateralistische Verteidigungspolitik seit 1964 7% an öffentlicher Unterstützung gekostet hatte.2 Die auf die Wahl von 1987 folgende Phase war durch einen kontroversen und oft auch schmerzhaften Prozess der Anerkennung der Notwendigkeit einer weiteren Modernisierung der Labour Party angesichts der sozialen und ökonomischen Veränderungen in der 1980ern gekennzeichnet, falls sie jemals wieder in Wahlen erfolgreich sein wollte. Diese Notwendigkeit wurde nochmals deutlicher, als die Labour Party 1992 (trotz bestimmter innerparteilicher Reformen seit 1987) eine weitere Parlamentswahl verlor. Die Sunday Times konstatierte in einem Leitartikel mit dem Titel »Socialism, RIP«: »The most significant lesson of the general election of 1992 is that, in its present form, Labour is unelectable.«3 Crowley stellt in seiner Darstellung des Thatcher-Erbes fest: »Her greatest political victory was the fact that she made the Labour party unelectable as long as it clung to the failed tenets of democratic socialism.«4 Die Transformation der Labour Party von einer (im westeuropäischen Sinne) sozialistischen Partei zu einer britischen Variante der sozialdemokratischen Parteien des Kontinents begann bereits in den 1980ern unter der Führung von Neil Kinnock und wurde von Smith sowie Blair fortgesetzt. Als Blair 1994 zum Parteivorsitzenden gewählt wurde, so geschah dies eher aus Gründen der Zweckdienlichkeit und als Beleg für den Wunsch der Partei, ihre Wahlchancen zu erhöhen, denn als Ausdruck einer allgemeinen Begeisterung für seine politischen Ansichten. 2006 wurde in einer Reminiszenz im Economist die zwiespältige Reaktion der Parteilinken folgendermaßen beschrieben: »left-wingers held their noses«. Gleichzeitig mussten sie aber auch eine andere Tatsache anerkennen: »[H]e felt fresh, looked good and was popular enough to offer Labour its best chance of regaining power after 15 years in the wilderness.«5 Für Blair, argumentiert Davis, schien es offensichtlich, dass die Niederlage in der Wahl des Jahres 1992 eine Folge der Unfähigkeit der Labour Party war, »to respond to the social and economic changes which had transformed Britain in the 1970s and 1980s«.6 Mithin konnte der Erfolg der Konservativen Partei als ein Beleg, sofern man Wahlerfolge als das entscheidende Kriterium betrachtet, für die bessere Reaktion auf diese Veränderun-

2 3 4 5 6

Davies 1996, 417. Zit. nach Davies 1996, 429. Crowley 2001, o.S. »The Ties that (Still) Bind.« The Economist, 08.06.2006, o.S. Davies 1996, 439.

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gen interpretiert werden. Die Labour Party stand somit vor einem echten Dilemma: Ihre Antworten auf die ökonomischen und sozialen Veränderungen mussten sich nicht nur von ihren eigenen in der Vergangenheit unterscheiden oder zumindest so scheinen, sondern auch von jenen der Konservativen. Gleichzeitig musste die Parteiführung sicherstellen, dass Labour wieder mehrheitsfähig wurde. Blair ließ im Juni 1995 keinen Zweifel daran, dass die Rückkehr in die Regierungsverantwortlichkeit das Hauptziel sein müsse: »Labour is a party of government or it is nothing.«7 Das Ziel, wieder an die Macht zurück zu kehren, wurde zum alles entscheidenden Gradmesser für Strategieentscheidungen der Labour Party.

6.2 N EW T IMES

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›T HATCHER -R EVOLUTION ‹

Eine Frage, die bis heute nichts von ihrer Faszination eingebüßt hat, ist, ob die sozialen und ökonomischen Veränderungen in Großbritannien in den 1970ern und 80ern unmittelbare Ergebnisse der sogenannten ThatcherRevolution waren oder ob das Phänomen des ›Thatcherismus‹ selbst nur eine Folge globaler Veränderungen war. Stuart Hall, Martin Jacques, Angela McRobbie und andere britische KommentatorInnen haben versucht, nicht nur die Ursachen und den Charakter, sondern auch die Konsequenzen dieser globalen Veränderungen mit dem Konzept der New Times zu erfassen. Für Hall schien das Konzept der New Times »to be connected with the ascendancy of the New Right in Britain, the United States and some parts of Europe over the past decade [d.h. 1980er]«.8 Er präferiert offensichtlich die Sichtweise, dass der Thatcherismus selbst, zumindest teilweise, ein Ergebnis dieser New Times war.9 Hall verstand die New Times als »social, economic, political and cultural changes of a deeper kind now taking place in western capitalist societies. These changes […] form the necessary shaping context, the material and cultural conditions of existence, for any political strategy, whether of the right or the left.«10

Die Führungsriege von New Labour schien sowohl die Interpretation der New Times als auch die Sichtweise auf den angenommenen kausalen Zusammenhang zwischen den New Times und dem ›Thatcherismus‹ zu teilen. Warum ist dies relevant? Sofern eine kausale Verbindung zwischen den New Times und dem ›Thatcherismus‹ angenommen wird, können zwei unterschiedliche, aber miteinander verbundene Schlussfolgerungen gezogen werden. Erstens wird der ›Thatcherismus‹ selbst eher zu einer Folge der

7 8 9 10

Zit. nach Davies 1996, 431. Hall 1996b, 223. Ebenda. Hall 1996b, 223, Herv. i.O.

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globalen Veränderungen (New Times) als eine von Thatcher und ihr Gleichgesinnten initiierte ›Revolution‹. Zweitens erlaubte diese Sichtweise der Labour Party auch, die zumindest in einigen Bereichen radikalen Verschiebungen ihrer ideologischen Grundlinien und politischen Überzeugungen nicht als einen erzwungenen Wandel in Richtung der Positionen der Neuen Rechten zu interpretieren (ein weit verbreiteter Vorwurf ihrer KritikerInnen), sondern vielmehr als eine notwendige Reaktion auf veränderte Umstände, die nur wenig mit der Tatsache von nahezu zwanzig Regierungsjahren der Konservativen Partei beziehungsweise der ›Thatcher-Revolution‹ im engeren Sinne zu tun hatten – die New Times erforderten quasi New Labour. Bevor die Labour Party 1997 wieder an die Macht zurückkehren konnte, musste sie sich nicht nur mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinandersetzen, sondern sich auch dem Erbe von achtzehn Jahren konservativen Regierens und den Konsequenzen dessen, was gemeinhin als ›ThatcherRevolution‹ bezeichnet wurde, stellen. Im Vorfeld des Wahlsieges versprach New Labour nicht nur eine neue Politik, sondern auch eine Überwindung der negativen Konsequenzen der konservativen Regierungszeit. Bogdanor war offensichtlich anderer Meinung, als er 1997 schrieb, dass der Wahlsieg nicht nur ein Triumph für Blair, sondern auch für Thatcher war: »It was her final triumph in that it ensured that Thatcherism would survive a change of Government.«11 Für ihn hatte New Labour den ›Thatcherismus‹ (nur ohne Thatcher) im Sinne einer bestimmten Konfiguration politischer und ökonomischer Prioritäten im Wesentlichen akzeptiert: »Indeed, Labour was seen as safe to entrust with power only after it had fully accepted the broad outlines of Thatcherism: the priority of the attack on inflation, the importance of the market, the need for the trade unions to be regulated by law, and privatisation – Labour, in short, had to become New Labour if it was to win a general election.«12

Im Sinne einer historischen Verortung könnte der ›Thatcherismus‹ als der wohl erste ernsthafte Versuch einer Alternative zum britischen Nachkriegskonsens verstanden werden, der nach dem Zweiten Weltkrieg beziehungsweise schon während des Krieges von der Koalitionsregierung von Politikern etabliert wurde, die eine bloße Rückkehr zu der sozialen und ökonomischen Vorkriegsordnung vermeiden und eine ›bessere Welt‹ schaffen wollten. Die noch nach dem Börsenkrach von 1929 weit verbreite Überzeugung, dass Wirtschaftskrisen ein natürlicher Teil des ökonomischen Zyklus seien, eine reinigende Wirkung haben und folglich erduldet werden müssen, hatte sich unter dem Eindruck der verheerenden Folgen der weltweiten Depression grundlegend geändert.13 Gilpin beschreibt den Sinneswandel folgender-

11 Bogdanor 1998, 111. 12 Ebenda. 13 Vgl. S. 140.

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maßen: »Objective economic laws beyond the reach of governments were believed to govern the market, but such views changed dramatically following the Great Depression of the 1930s and the development of Keynesian economics.«14 Attlee nutzte die Stimmung in der Bevölkerung und erzielte mit seiner Labour Party einen der überzeugendsten Wahlsiege in der Geschichte des modernen britischen Parlamentarismus.15 Entscheidende Elemente des Konsenses waren ein Bekenntnis zur Vollbeschäftigung, ein umfassender Wohlfahrtsstaat sowie ein aktiver und interventionistischer Staat, der in der ökonomischen Sphäre auf der Grundlage der von Keynes propagierten Prinzipien agierte.16 Nach Attlee gab es zwar gelegentliche Attacken auf ganz bestimmte Aspekte dieses Konsenses, aber letztlich waren sowohl die Konservativen als auch Labour gleichermaßen bestrebt, die Bevölkerung und im Besonderen die WählerInnen davon zu überzeugen, dass sie es seien, die besser in der Lage sind, den Wohlfahrtsstaat zu managen. Das Bekenntnis zur Idee des Wohlfahrtsstaates – ungeachtet aller punktuellen und teilweise auch sehr dezidierten Kritik an der konkreten Umsetzung in einzelnen Bereichen – wurde für Parteien über das ganze politische Spektrum hinweg obligatorisch. So stellt beispielsweise Crowley fest: »No one dared to challenge the philosophy – at best, there was a little skirmishing around the margins over things like how much of the steel industry should be nationalized«.17 Thatcher war die erste Politikerin, die es nicht nur wagte, öffentlich diesen Konsens grundsätzlich in Frage zu stellen, sondern den alten Konsens auch mit einem neuen und in wesentlichen Aspekten von großen Teilen der Bevölkerung akzeptierten zu ersetzen. Einem Konsens, für den der Begriff des ›Thatcherismus‹ das weithin verwendete Kürzel wurde. Unter Anerkennung der zweifellos wichtigen persönlichen Rolle, die Thatcher in dieser Phase spielte, kann ihr Erfolg aber nur im Kontext eines allgemeineren Angriffs auf den Nachkriegskonsens erklärt werden. Die verschiedenen Aspekte der Beziehung zwischen dem ›Thatcherismus‹ und New Labour sind mittlerweile in zahllosen wissenschaftlichen Beiträgen unterschiedlicher Disziplinen analysiert worden und gaben Anlass für eine Vielzahl journalistischer Kommentare. An dieser Stelle wird daher auch gar nicht der Versuch unternommen, der Breite der Untersuchungen in all ihren Widersprüchlichkeiten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Vielmehr soll hier die diskursive Dimension der Relation zwischen dem ›Thatcherismus‹ und New Labour in den Mittelpunkt des Interesses gerückt werden, da sie es ist, die von besonderer Bedeutung für die Analyse des Globalismus ist. Aus dieser analytischen Perspektive ist das vorrangige Problem

14 Gilpin 2000, 47. 15 Sitzverteilung im Unterhaus: Labour Party 392, Konservative Partei 213, Liberale 12, andere Parteien 22; Kastendiek, Rohe und Volle (Hg.) 1998, 674. 16 Wilson 1992, 21. 17 Crowley 2001, o.S.

142 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

nicht mehr, ganz bestimmte Unterschiede beziehungsweise Gemeinsamkeiten in speziellen Politikbereichen zu identifizieren, sondern es besteht darin zu untersuchen, wie die Führung der Labour Party die teilweise gravierenden Veränderungen ihrer Prinzipien, ihrer Philosophie und ihrer konkreten Politik sowie ihre Positionierung zum Erbe Thatchers gegenüber der Öffentlichkeit, den Wählerinnen und Wählern im Allgemeinen sowie gegenüber den einfachen Parteimitgliedern im Besonderen darstellte. Mit anderen Worten liegt der Schwerpunkt der Analyse auf der diskursiven Verschiebung von ›Old Labour‹ zu ›New Labour‹. Diese Verschiebung wird im Folgenden in zwei Schritten analysiert. Den Ausgangspunkt bildet eine skizzenhafte Darstellung wesentlicher Etappen der Herausbildung von New Labour. Darauf aufbauend werden in einem zweiten Schritt der Kontext und die Ursachen für diese Entwicklung unter Nutzung des Konzepts der New Times untersucht. Hier besteht das Hauptziel in der Herausarbeitung, inwieweit und weshalb sowohl die Konservativen als auch die Labour Party einerseits bemüht waren, den Eindruck zu erwecken, sie folgten ihren ganz eigenen Überzeugungen, andererseits aber ihr politisches Handeln bis zu einem gewissen Grade von Umständen bestimmt wurde, die außerhalb ihres eigenen Einflussbereiches lagen. Damit zusammen hängt auch die Frage, ob Thatchers ›Erbe‹ von der Labour Party überhaupt hätte ausgeschlagen werden können, ohne sich auch 1997 um die Chance eines Wahlsieges zu bringen. Diese Frage darf aber nicht dahingehend interpretiert werden, wie an zahlreichen anderen Stellen dieser Untersuchung im Zusammenhang mit Argumentationsstrukturen des Globalismus betont wird, dass die Labour Party hilfloses Opfer ihrer Umstände sei. Der Schwerpunkt der Analyse liegt auf dem Zeitraum bevor und relativ kurz nachdem Labour 1997 wieder an die Macht kam. Durch die Wahl dieses relativ kurzen Zeitraumes wird es möglich, exemplarisch vorzuführen, dass New Labour in vielen Fragen nicht nur weitestgehend innerhalb der Grenzen des von Thatcher und Anderen in einem veränderten globalem Umfeld aktiv konstruierten neoliberalen Konsenses verblieb, sondern – ob nun bewusst oder eher zufällig – ganz entscheidend dazu beitrug, eine Ideologie und eine politische Programmatik, die noch in den 1980ern vielen Briten als radikal neoliberal erschien, zu ›normalisieren‹.

6.3 D IE ›R EVOLUTION ‹

DES

S UBJEKTS

Ein nicht zu unterschätzender Teilaspekt der unter dem Begriff der New Times gefassten Veränderungen in den 1980ern und 90ern, der den Modernisierungsprozess der Labour Party, ihre Wahlkampfstrategien und, nach dem Wahlsieg 1997, auch ihre konkrete Politik beeinflusste, war der Bedeutungsrückgang der Kategorie Klasse in politischer und ideologischer, nicht aber sozialer und ökonomischer Hinsicht. Es erscheint zwar im Zeitalter zunehmender Globalisierung und gleichzeitiger ›postmoderner‹ Individualisie-

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rung kaum vorstellbar, dass das Phänomen Klasse als kollektive Identität in seiner tradierten Form jemals wiederkehren könnte, aber als ein Begriff, der nach Bilton auf eine »group sharing a similar position in a structure of objective material inequalities, produced by a particular system of economic relationships characteristic of a particular mode of production«18 verweist, ist es auch weiterhin aktuell. Im Folgenden wird zwar, wie bereits oben angedeutet, akzeptiert, dass die Kategorie Klasse im Sinne einer Hauptquelle politischer Aktivierung sowie klarer und stabiler ideologischer Abgrenzungen zumindest im britischen Kontext nicht mehr wie vielleicht noch in den späten 1960ern verwendet werden kann und sollte. Dies bedeutet aber nicht, dass die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Klasse, ungeachtet aller praktischen und theoretischen Probleme beispielsweise bei der klaren Abgrenzung der einzelnen Klassen gegeneinander, nicht von ganz wesentlicher Bedeutung für die Lebenschancen des jeweiligen Individuums ist. Hier wird vielmehr Westergaard zugestimmt, der in seiner Untersuchung der Veränderungen der Klassenstruktur in Großbritannien in den 1980ern und 90ern zu der Schlussfolgerung kommt, dass diese als sozial-ökonomische Kategorie fortbesteht. In diesem Zusammenhang definiert er Klasse, ähnlich wie Bilton, als ein »set of social divisions that arise from a society’s economic organisation. People, then, may be said to be in different classes in so far as they occupy – and in so far as they generally continue to occupy – distinct and unequal places in that economic organisation. And this in turn means places in the orders both of production and of distribution.«19

Es geht hier nicht darum, die Kategorie Klasse wieder in der für verschiedene Spielarten des orthodoxen Marxismus typischen Weise als ausschließlich relevante Kategorie zu etablieren. Jahrzehntelange Arbeiten nicht zuletzt in den Cultural Studies haben gezeigt, von welcher Bedeutung andere Kategorien wie beispielsweise Ethnizität und ›Rasse‹, Gender sowie Alter für die jeweiligen Lebenschancen eines Individuums sind. Dies sollte aber nicht wie in stark von postmodernen Theorien beeinflussten Spielarten der Cultural Studies zu einer weitestgehenden Vernachlässigung der Kategorie Klasse führen. Alexander und Mohanty weisen auf die problematischen Folgen einer weitestgehenden Auflösung von Kategorien wie Klasse, aber auch ›Rasse‹, Gender und Sexualität hin, wenn sie zu postmodernen Diskursen Folgendes konstatieren: »Postmodernist discourse attempts to move beyond essentialism by pluralizing and dissolving the stability and analytic utility of categories of race, class, gender, and sexuality. […] This strategy often forecloses any valid recuperation of these catego-

18 Bilton 1991, 36. 19 Westergaard 2001, 69, Herv. i.O.

144 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR ries or the social relations through which they are constituted. If we dissolve the category of race, for instance, it becomes difficult to claim the experience of racism.«20

Ziel muss es also sein, sowohl die sogenannte Revolution des Subjekts zu berücksichtigen als auch eine kontextorientierte Analyse des Zusammenspiels der hier benannten Kategorien anzustreben, ohne a priori einer dieser Kategorien ein Primat einzuräumen. Mit Blick auf die mit dem Begriff der New Times beschriebenen Veränderungen kann einerseits konstatiert werden, dass Klassenzugehörigkeit im von Westergaard definierten Sinne auch weiterhin im Zusammenspiel mit anderen Faktoren für die Verteilung von Lebenschancen relevant bleibt. Andererseits ist aber auch Turner zuzustimmen, der 1996 schrieb, dass es zunehmend deutlich wurde, »that the course of British social and cultural history since the arrival of ›Thatcherism‹ […] defied any attempt to identify specific class interests with set ideological positions«.21 In seiner Analyse einer Sammlung von Halls Aufsätzen zum Problem der New Times, des Thatcherismus und der Krise der Linken aus dem Jahre 198822 sieht Turner den für Hall entscheidenden Aspekt des Thatcherismus in dessen erfolgreicher Rekonstruktion der traditionellen politischen Verbindungen zwischen »working-class interests and left populism. After Thatcher, a new alignment emerged, connecting New Right populism, conservative ideologies and the working class.«23 McRobbie geht in ihrer Analyse der New Times noch einen Schritt weiter. Für sie handelte es sich nicht nur um eine bloße Verschiebung von Affinitäten vom linken in das rechte politische Spektrum, sondern um einen umfassenderen Prozess der Erosion kollektiver Identitäten: »a recognition of the break-up of the older points of collective identification especially that of social class and the reformation of identity around other chosen sites of ›belonging‹«.24 Es gibt keinen Anhaltspunkt, dass solche und ähnliche Einschätzungen maßgeblichen Einfluss auf Blairs Position hatten, aber er ließ schon früh keinen Zweifel daran, dass Klassenpolitik für ihn keinen relevanten Referenzpunkt seines politischen Handelns mehr darstellte, als er 1995 erklärte, dass Modernisierung für ihn in einer ›Rückkehr‹ der Labour Party »to its traditional role as a majority mainstream party advancing the interests of the broad majority of the people« bestand.25 So überraschte es auch nicht, dass sich die Partei in dem Hauptdokument ihrer Wahlplattform 1997, Britain

20 21 22 23 24 25

Alexander and Mohanty (Eds.) 1997, xvii. Turner 1996, 218. Hall 1988b. Turner 1996, 218. McRobbie 1996, 242, Herv. i.O. Blair 1995, o.S.

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will be better with new Labour (noch nicht New Labour!), als »a national party, supported today by people from all walks of life« beschrieb. 26 Ähnlich nebulöse Verweise auf ›the people‹ sind in den Jahren seit Thatcher nicht nur zum Standardvokabular von New Labour geworden, sondern auch der meisten anderen Parteien in westlichen Ländern. Diese Entwicklung ging einher mit einer zunehmenden Verwischung der Trennlinien zwischen ›links‹ und ›rechts‹, und die Begriffe selbst haben ihre traditionelle Funktion als Signifikanten von politischer oder ideologischer Differenz praktisch verloren. Die mit dem Begriff der New Times beschriebenen Veränderungen und die Annäherung der Labour Party an Positionen, die unzutreffend als ›political middle‹ oder als ›mainstream‹27 beschrieben wurden, hatten wichtige Auswirkungen auf die Zielgruppen der Wahlkampagnen der Labour Party. Die Wahlen der Jahre 1983, 1987 und 1992 zeigten, dass es nicht länger möglich war, Wahlen dadurch zu gewinnen, dass man auf traditionelle Wahlkampfstrategien vertraute, die primär kollektive Identitäten adressierten – beispielsweise die Arbeiterklasse oder Gewerkschaftsmitglieder. So war der Verlust eines Teils der traditionellen Wählerschaft der Labour Party bereits in der Wahl des Jahres 1983 deutlich geworden. Analysen nach der Wahl zeigten, dass nur knapp ein Gewerkschaftsmitglied von drei Labour gewählt hatte.28 Kavanagh weist zu Recht darauf hin, dass der Beginn dieser Prozesse noch früher angesetzt werden kann. So konstatiert er für die Wahl von 1979, die Thatcher und die Konservative Partei an die Macht brachte, dass es insbesondere die Vorschläge, die Steuerlast zu senken, waren, die einen Wählerwechsel von der Labour Party zur Konservativen Partei verursachten. In diesem Zusammenhang setzt er den Beginn der ideologischen Verschiebungen bereits für die Mitte der 1960er an und schreibt:

26 Labour Party 1997a, o.S. 27 Die vermeintliche Bewegung der Labour Party und anderer ›linker‹ Parteien hin zur ›politischen Mitte‹ kann vor dem Hintergrund der Idee, die als median voter theory bekannt wurde, interpretiert werden. Blyth argumentiert, dass diese Theorie davon ausgeht, dass es in Zwei-Parteiensystemen sinnvoll ist »to gravitate towards the middle and ›capture‹ the ›median voter‹. […] First, it assumes that there is an identifiable and anterior political ›middle ground‹ towards which parties gravitate; and second, it assumes that such a creature as a ›median voter‹ actually exists. […] With hindsight of twenty years, we can see that this theory fails a simple reality test. The experience of the US and most of western Europe is that whatever the ›middle‹ was, it has shifted to the right. Surely, then, the really interesting questions lie in the construction of the ›middle‹ and how this ›middle‹ position has been shifted over the time to the benefit of the right (Blyth 1997, 231).« 28 Davies 1996, 408.

146 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR »There was also a big swing [in the election of 1979] to the Conservatives among trade unionists and the skilled working class, who were particularly attracted by the proposals to reduce taxation. Between 1964 and 1979 public opinion shifted to the ideological right and there was a growing correspondence between the views of Conservative supporters and official party policy. The opposite was the case for the Labour Party.«29

Die fortschreitende Erosion kollektiver Identitäten wurde in verschiedenen New-Times-Publikationen thematisiert und nicht wirklich treffend als eine Revolution des Subjekts gekennzeichnet. Für Hall signalisierte diese ›Revolution‹ »greater social fragmentation and pluralism, the weakening of older collective solidarities and block identities and the emergence of new identities as well as the maximization of individual choice through personal consumption. […] The individual has become more important, as collective social subjects – like that of class or nation or ethnic group – become more segmented and ›pluralized‹. […] The ›subject‹ is differently placed or positioned by different discourses and practices.«30

Dies hieß u.a., dass die Labour Party in ihren Wahlstrategien kaum noch erfolgreich auf die kollektiven sozialen und kulturellen Identitäten ihrer WählerInnen und UnterstützerInnen aus der Arbeiterklasse und den Gewerkschaften abzielen konnte. Erforderlich war vielmehr eine Anerkennung der Tatsache, dass ›die Arbeiterklasse‹ zunehmend aus Individuen bestand, die oftmals nur noch sehr fragmentarisch die vermeintliche kollektive Identität der ›good old days‹ teilten. So waren aus Gewerkschaftsmitgliedern, traditionell verlässliche UnterstützerInnen der Labour Party, KonsumentInnen, Haus- und AktienbesitzerInnen sowie KritikerInnen des staatlichen Gesundheits- und Schulwesens geworden, die, wenn auch in unterschiedlichem Maße, wesentliche Überzeugungen dessen teilten, was seinerzeit noch als Thatcher-Ideologie galt, heute aber als Common Sense über nahezu das gesamte politische Spektrum betrachtet wird. Letzteres darf vermutlich als eine der dauerhafteren Hinterlassenschaften der ›Thatcher-Revolution‹ gesehen werden. Von ganz entscheidender Bedeutung für die ›Revolution‹ des Subjekts waren aber auch die globalen ökonomischen Veränderungen seit der Weltwirtschaftskrise in den frühen 1970ern. Sie waren es, die ganz wesentlich den Kontext (nicht aber mit zwingender Notwendigkeit die Richtung) für den Thatcherismus generierten. Bestimmte soziale und ökonomische Trends, die sich in den 1980ern noch beschleunigten, wirkten sich besonders nachteilig für die Labour Party aus. Zu nennen wären hier u.a. eine Verschiebung von Arbeitsplätzen aus der verarbeitenden Industrie in Bereiche

29 Kavanagh 1997, 84. 30 Hall 1996b, 225-226, Herv. i.O.

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des Dienstleistungssektors sowie eine steigende Zahl von HauseigentümerInnen und AktienbesitzerInnen.31 Der Niedergang der verarbeitenden Industrie und das rapide Wachstum des Dienstleistungssektors waren Phänomene, die in vergleichbarer Weise in allen hochindustrialisierten Staaten beobachtet werden konnten.32 Der deutliche Anstieg der Zahl der HauseigentümerInnen und AktienbesitzerInnen war aber nicht primär die Folge globaler Veränderungen, die alle Industriestaaten in ähnlicher Weise betrafen, sondern das beabsichtigte Ergebnis ganz konkreter politischer Entscheidungen der Thatcher-Regierungen.33 Der Verkauf von Sozialwohnungen, der bei den betroffenen Bevölkerungsgruppen große Popularität genoss, war ein Bestandteil der von Thatcher propagierten ›property-owning democracy‹. Zugleich wurde ein größerer Personenkreis ganz gezielt ermutigt, Aktien privatisierter ehemaliger Staatsunternehmen zu erwerben, die deutlich unter dem Marktwert verkauft wurden.34 Der Hauptgrund für diese Vorgehensweise dürfte aber wohl nicht so sehr in der Beförderung einer ›property-owning democracy‹ bestanden haben, sondern eher in der weiteren Reduzierung der Rolle des Staates in der ökonomischen Sphäre und in der Überwindung eventueller Widerstände gegen die Privatisierungen. Quasi als Nebeneffekt sollte der breiter gestreute Aktienbesitz aber auch einen Beitrag zur Veränderung der Einstellung von Lohn- und GehaltsempfängerInnen zu ökonomischen Fragen leisten, der darin bestand, das traditionell ganz wesentlich von der Klassenzugehörigkeit geprägte Verständnis (Arbeit versus Kapital) zu modifizieren und durch ein Interesse am ›Wohlergehen der Wirtschaft‹ im Sinne von Profitabilität und möglichen Dividenden zumindest zu ergänzen.

6.4 L ABOUR P ARTY

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G EWERKSCHAFTEN

Ein besonders problematisches Feld, auf dem sich die Labour Party für die Öffentlichkeit und die Medien als New Labour profilieren wollte, stellte nach Jahrzehnten enger Zusammenarbeit und organisatorischer Verschränkung ihr Verhältnis zu den Gewerkschaften dar.35 Es wäre aber falsch, die Ursachen für die teilweise gravierenden Veränderungen nur in den 1990ern und insbesondere im Vorfeld sowie nach der Wahl von 1997 lokalisieren zu wollen oder als bloße Reaktion auf die Antigewerkschaftspolitik von That-

31 Wilson 1992, 93, 142. 32 Braham 2004, 309-312. 33 Die Politik der Thatcher-Regierungen hatte bereits bestehende Trends deutlich verstärkt. Verfügten 1979 noch 52% der WählerInnen über Wohneigentum, so betrug dieser Anteil 1987 schon 66%. Für Aktienbesitz sind die entsprechenden Werte 7% im Vergleich zu 19%. Vgl. Kaiser 2006, 192. 34 Wilson 1992, 192. 35 Vgl. Ludlam 2006, 471-475.

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cher im Speziellen und den neugeschaffenen neoliberalen Konsens im Allgemeinen erklären zu wollen. Gerade Letzteres ist allerdings eine nicht zu übersehende Tendenz insbesondere in Arbeiten, die sich unter Vernachlässigung längerfristiger Entwicklungen eng fokussiert auf die Thatcher-Ära und New Labour konzentrieren. Daher soll im Folgenden zumindest auf einige Entwicklungen beziehungsweise Ereignisse verwiesen werden, die weit im Vorfeld des Beginns der Thatcher-Ära das Verhältnis zwischen der Labour Party und den Gewerkschaften verändert, zugleich aber auch den Boden für die gegen die Gewerkschaften gerichtete Politik Thatchers bereitet hatten. Dies ist auch deshalb aufschlussreich, weil es weitere Argumente für die im Zusammenhang mit den New Times vertretene These liefert, dass die ›Thatcher-Revolution‹ in längerfristige und tieferliegende Prozesse eingebettet war und nicht auf die Person von Thatcher oder die von ihr geführte Partei reduziert werden darf. Auf bestimmte Aspekte wie die ›Revolution‹ des Subjekts in den 1980ern und 90ern ist bereits im Abschnitt 6.3 eingegangen worden. Bereits 1965 wurde von der damaligen Labour-Regierung eine unabhängige Untersuchungskommission unter Leitung von Donovan eingesetzt, deren Aufgabe darin bestand, Voraussetzungen für eine Modernisierung der Gewerkschaften und des Verhältnisses zwischen ihnen und den Unternehmen zu schaffen. Die Empfehlungen der Donovan-Kommission zielten aber nicht auf eine Verschiebung des Kräfteverhältnisses zwischen Unternehmen und Gewerkschaften, sondern auf eine Reform der vorhandenen Strukturen. Die Kernaussage der zahlreichen Einzelvorschläge zur Reformation des Systems der Arbeits- und Tarifbeziehungen bestand in der Feststellung, dass von den empfohlenen Veränderungen beide Seiten profitieren würden. Die Kommission ließ aber auch keinen Zweifel an der beschränkten Rolle, die sie dem Staat in diesem Reformprozess zumaß. Dieser könne zwar Hilfestellungen und Denkanstöße für die Reform des historisch gewachsenen Systems der industriellen Beziehungen geben, aber letztlich müsse der Reformprozess von beiden Sozial- und Tarifparteien gemeinsam getragen werden.36 Sowohl die Labour-Regierung unter Wilson als auch die Konservativen unter ihrem Premier Heath (1970-74) hielten sich allerdings nicht an die Empfehlungen der Donovan-Kommission und versuchten, wenn auch in unterschiedlicher Weise, die aus ihrer jeweiligen Sicht notwendigen Reformen von oben durchzusetzen. Der Industrial Relations Act von 1971 stellte mit Sicherheit einen radikalen Angriff auf die Tarifautonomie dar und unterminierte einseitig die Verhandlungsposition der Gewerkschaften, aber es darf auch nicht übersehen werden, dass bestimmte Vorschläge bereits in einem 1969 von der Labour-Regierung vorgestellten Plan enthalten waren (z.B. die Anerkennung einzelner Gewerkschaften über eine zentrale Registrierung; ›Abkühlungsperioden‹ und schriftliche Urabstimmungen bei Streiks). Sowohl die Pläne der Labour-Regierung als auch die Maßnahmen der Konser-

36 Vgl. Kastendiek 1998, 337-340.

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vativen, deren gesamte Regierungszeit von mehr oder weniger heftigen Konflikten mit den Gewerkschaften gekennzeichnet war, hatten eine Politisierung der Arbeitsbeziehungen bewirkt, vor denen die DonovanKommission gewarnt hatte. Die Konflikte der Heath-Regierung mit den Gewerkschaften kulminierten in den vorzeitig angesetzten Neuwahlen im Februar 1974, die die ›Machtfrage‹ zwischen den Gewerkschaften und der Regierung entscheiden sollten.37 Nach dem Wahlsieg der Labour Party waren sowohl die Gewerkschaften als auch die Labour-Regierung anfänglich intensiv um eine gute Zusammenarbeit bemüht. Die Grundlagen für ein engeres Zusammengehen in Fragen der Wirtschafts- aber auch Sozialpolitik waren bereits in der Opposition in einem Sozialpakt (Social Contract) gelegt worden, der 1974 quasi Regierungsprogramm wurde. Dieser sah u.a. vor, dass die früheren Rechte der Gewerkschaften nach einem Wahlsieg von Labour wiederhergestellt werden sollten. Eine gemäßigte gewerkschaftliche Lohnpolitik sollte mit arbeits- und sozialpolitischen Verbesserungen honoriert werden.38 Bereits 1976 kam es aber zu zunehmenden Spannungen im Kontext einer neuerlichen tiefen Währungskrise und des Kollapses der britischen Währung. Zeitweise fiel der Wert des Pfund Sterling auf $ 1,52. Die LabourRegierung sah sich gezwungen, Kredite des IMF in Anspruch zu nehmen. Zu den Bedingungen des Rettungspaketes gehörte u.a. auch die Auflage einer strikteren Kontrolle der Ausgabenpolitik.39 Die Spannungen zwischen den Gewerkschaften und der Regierung eskalierten und kulminierten in dem berüchtigten Winter of Discontent. 1978 und insbesondere 1979 kam es zu einem dramatischen Anstieg nicht nur der Zahl der Arbeitskämpfe, sondern auch der Zahl der beteiligten ArbeitnehmerInnen und der aus den Streiks resultierenden Ausfalltage. Die Zahl der an Streiks beteiligten ArbeitnehmerInnen war zwar 1975 und 1976 im Vergleich zu 1974 deutlich zurückgegangen, hatte aber bereits 1977 und 1978 wieder ein deutlich höheres Niveau erreicht. 1979 wurden sowohl bei der Zahl der Beteiligten an Arbeitskämpfen als auch bei den Ausfalltagen Werte erreicht, die über den Vergleichswerten seit 1960 lagen.40 Die Atmosphäre 1978/79 war durch eine zunehmende Militanz der Gewerkschaften und Härte der Arbeitskämpfe, dem weit verbreiteten (und von Teilen der Medien beförderten) Eindruck eines Landes, das im Chaos zu versinken drohte, und lauter werdenden Rufen nach Ruhe und Ordnung gekennzeichnet. Für Teile der Bevölkerung schien sich wiederum wie schon 1974 die Frage zu stellen, wer das Land regiert – die Gewerkschaften oder die gewählte Regierung.

37 38 39 40

Vgl. ebenda, 340-341. Vgl. ebenda, 342. Kavanagh 1997, 82. Details finden sich in Tabelle 3: Arbeitskämpfe 1945-2006.

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All dies schuf eine geradezu ideale Atmosphäre für den Wahlkampf der Konservativen unter Führung von Thatcher. Der deutliche Wahlsieg 1979 war somit auch nicht primär das Ergebnis einer Entscheidung für die von der Konservativen Partei im Wahlkampf gesetzten Schwerpunkte, sondern eher eine Entscheidung gegen die Labour Party. Kavanagh schreibt zum Ausgang der Wahl von 1979: »[It] was clearly a repudiation of Labour, another stage in the long-term decline of the party.« Für ihn ist der Erfolg der Konservativen Partei ein Sieg über eine Labour-Regierung, »which never recovered fully from the damage to its authority and popularity inflicted by the winter’s industrial disruption«.41 Vor dem Hintergrund der Arbeitskämpfe im Winter 1978/79, den mit ihnen verbundenen Störungen des öffentlichen Lebens und des scheinbaren Machtkampfes zwischen einer gewählten Regierung und den Gewerkschaften war es nicht verwunderlich, dass die Konservative Partei in ihrem Wahlprogramm u.a. genau auf diese Punkte abzielte: »During the industrial strife of last winter, confidence, self-respect, common sense, and even our sense of common humanity were shaken. At times this society seemed on the brink of disintegration. […] [B]y heaping privilege without responsibility on the trade unions, Labour have given a minority of extremists the power to abuse individual liberties and to thwart Britain’s chances of success. One result is that the trade union movement, which sprang from a deep and genuine fellow-feeling for the brotherhood of man, is today more distrusted and feared than ever before.«42

Die ausgesprochen aggressive Haltung und Rhetorik gegenüber den Gewerkschaften wurden zum Markenzeichen des Thatcherismus und haben zweifellos in breiten Teilen der Bevölkerung die Haltung gegenüber den Gewerkschaften negativ beeinflusst. Ludlam weist darauf hin, dass einige der antigewerkschaftlichen Maßnahmen der Konservativen sich sogar unter Gewerkschaftsmitgliedern breiter Unterstützung erfreuten.43 Der traditionell starke politische Einfluss der Gewerkschaften in Großbritannien nahm aber nicht nur aufgrund der Antigewerkschaftsgesetzgebung der Thatcher-Regierungen weiter ab, sondern auch im Ergebnis der globalen ökonomischen Veränderungen, die alle hoch entwickelten Staaten in ähnlicher Weise trafen. ›Flexibilität‹ wurde, wie bereits an anderer Stelle im Zusammenhang mit dem Problem flexibler Akkumulation ausführlich diskutiert, eines der Schlagwörter des Globalismus seit den 1970ern, ein Glaubenssatz des Neoliberalismus und ein fester Bestandteil der politischen Rhetorik, und die Gewerkschaften wurden als eines der Haupthindernisse auf dem Weg zu einem höheren Grad an ›Flexibilität‹ ausgemacht. Um dieses Hindernis zu beseitigen, verbot Thatcher u.a. nicht nur unterstützende

41 Kavanagh 1997, 83. 42 Conservative Party 1979, o.S. 43 Ludlam 2006, 462.

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Streiks (secondary strikes) und die Verpflichtung zur kompletten gewerkschaftlichen Organisation aller Angestellten in einzelnen Betrieben (closed shop), sondern forderte auch Abstimmungen der Gewerkschaftsmitglieder bevor die Gewerkschaften einen Streik ausrufen durften. Im Wahljahr 1997 stand die Labour Party nach fast zwei Jahrzehnten gewerkschaftsfeindlicher Politik somit wiederum vor der Frage, wie sie sich zu den Gewerkschaften positionieren sollte. Verschärft wurde dieses Problem im Vorfeld der Wahlen zusätzlich durch die ständigen Warnungen Thatchers, von anderen VertreterInnen der Konservativen Partei und großen Teilen der Medien, dass die Labour Party, ungeachtet aller anders lautenden Behauptungen, auch weiterhin von den Gewerkschaften kontrolliert beziehungsweise als deren Interessenvertreterin agieren würde. In der Nicholas Ridley Memorial Lecture im November 1996 nutzte Thatcher nicht nur die Gelegenheit, die Erfolge der Konservativen seit 1979 aufzulisten, ein Loblied des Liberalismus zu singen und auf die immer noch vorhandenen ›Gefahren des Sozialismus‹ hinzuweisen, sondern warnte auch eindringlich vor den mit einem Wahlsieg der Labour Party verbundenen Gefahren. Mit Blick auf die Erfolge der Konservativen stellte Thatcher die Frage, ob Labour diese zunichtemachen würde: »Apparently not, if you believe some people. If you’ll forgive the medley of metaphors, the light has dawned, the ground has shifted and whole lexicons of indigestible words – like socialism, equality and public ownership – have been eaten. I warmly welcome the fact that the Labour Party professes, after losing four elections, to have come to terms with the 1980s. If true that is a good start. And I wouldn’t rule out, after four more lost elections, the Labour Party coming to terms with the nineties either. Indeed, I hope they gain the opportunity to do so.«44

Rhetorisch elegant räumte Thatcher zwar die Möglichkeit ein, dass New Labour tatsächlich verstanden haben mochte, worin die Fehler von ›Old Labour‹ bestanden hatten, sprach der Labour Party aber anschließend die Fähigkeit ab, als Regierungspartei auch dementsprechend zu handeln: »It is, of course, flattering to learn that we are all Thatcherites now. In fact, the Road to Damascus has never been more congested. But it’s not really very important whether New Labour is sincere in seeing the errors of Old Labour. What is important is that they don’t – indeed they can’t – understand why the policies of the 1980s worked. And because they don’t understand the philosophy behind them, they could not in the hurly-burly of government put the right policies into practice. They would be blown off course. And the reefs of interventionism are no less dangerous, and the sirens of financial profligacy no less alluring, than they were in the past.«45

44 Thatcher 1996b, o.S, Herv. i.O. 45 Ebenda, Herv. i.O.

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Angesichts solcher und ähnlicher Vorwürfe konnte es nicht überraschen, dass sich die Parteiführung und die WahlkampfstrategInnen der Labour Party im Vorfeld der Wahlen von 1997 intensiv darum bemühten, sich von den Gewerkschaften zu distanzieren. Es wurde unmissverständlich klargestellt, dass, sollte New Labour an die Macht kommen, die Antigewerkschaftsgesetzgebung aus den Thatcher-Jahren in ihrer Substanz nicht angetastet werden würde: »In industrial relations, we make it clear that there will be no return to flying pickets, secondary action, strikes with no ballots or the trade union law of the 1970s.«46 Zweifellos fiel es New Labour auch wegen der ›Revolution‹ des Subjekts und des gesunkenen gesamtgesellschaftlichen Einflusses der Gewerkschaften leichter, zu diesen auf Distanz zu gehen. Letzterer war aber nicht nur aufgrund der Antigewerkschaftsgesetze der Konservativen zurückgegangen, sondern auch das Ergebnis der gesunkenen Zahl der Gewerkschaftsmitglieder. Noch 1979 hatten die Gewerkschaften 13,2 Millionen Mitglieder. Als New Labour 1997 an die Macht kam, war diese Zahl auf 7,8 Millionen zurückgegangen.47 Zwar war dieser dramatische Rückgang teilweise auch das Resultat der Politik Thatchers, aber es gab tieferliegende Gründe, die nicht nur in Großbritannien ihre Wirkung entfalteten, sondern in allen hochindustrialisierten Ländern. Zu nennen wäre u.a. der Niedergang der verarbeitenden Industrie und das rapide Wachstum des Dienstleistungssektors, die die traditionelle Wählerbasis der Labour Party aushöhlten. Insbesondere im Dienstleistungssektor, der durch einen hohen Grad an Arbeitskräftefluktuation gekennzeichnet ist, fiel und fällt es den Gewerkschaften schwer, Mitglieder überhaupt erst zu rekrutieren beziehungsweise längerfristig an sich zu binden. Der signifikante Mitgliederrückgang hat zusammen mit den Versuchen der Führung der Labour Party, im Vorfeld der Wahlen 1997 und insbesondere während der ersten Legislaturperiode möglichst nicht allzu eng mit den Gewerkschaften assoziiert zu werden, den Einfluss der Gewerkschaften auf die Partei deutlich verringert. Die Notwendigkeit, auf die Wünsche der Gewerkschaften Rücksicht zu nehmen, hatte sich aber auch durch deren im Ergebnis von organisatorischen Reformen eingeschränkte Möglichkeiten der Einflussnahme auf den parteiinternen politischen Meinungsbildungsprozess verringert. Wesentlich war die Einführung des Prinzips ›one member, one vote‹ für die Auswahl der KandidatInnen für die Unterhauswahlen und die generell gesunkene Bedeutung der Gewerkschaftsmitglieder als potenzielle WählerInnen.48 Das neue Verfahren für die Auswahl der KandidatInnen und

46 Labour Party 1997a, o.S. 47 Vgl. Tabelle 5: Entwicklung der Mitgliederzahl der Zahl der Gewerkschaften 1975-2002. 48 Durch weitere Maßnahmen wurde in den Jahren nach 1984 die innerparteiliche Position der Gewerkschaften systematisch geschwächt; vgl. Ludlam 2006, 463464.

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die Wahl des/der Parteivorsitzenden sowie der Stellvertreterin/des Stellvertreters war auf der Jahreskonferenz 1993 vom damaligen Parteivorsitzenden John Smith gegen massiven Widerstand in der Partei durchgesetzt worden. Es kam erstmalig 1994 bei der Wahl von Blair zum Parteivorsitzenden und seines Stellvertreters John Prescott zur Anwendung.

6.5 D ER T HIRD W AY UND L ABOURS R ÜCKKEHR AN DIE M ACHT Die Labour Party musste sich in der Vorbereitung auf die Wahl 1997 und insbesondere bei der Entwicklung konkreter Wahlkampfstrategien auch mit den Lektionen der New Times und der ›Revolution‹ des Subjekts auseinandersetzen, die nicht unwesentlich ihren Handlungsspielraum definierten Die soziale Zugehörigkeit zur Arbeiterklasse oder die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft bedeutete an der Wahlurne nicht länger quasi automatisch auch eine Entscheidung für die Labour Party. In diesem Zusammenhang muss, wie Kaiser betont, aber auch zur Kenntnis genommen werden, dass die rückläufige absolute Zahl parteigebundener WählerInnen in höherem Maße die Folge von politischer Unzufriedenheit als einer Erosion von Parteibindungen war. Dies manifestierte sich u.a. in der Tatsache, dass die Labour Party in den 1980ern ungeachtet einer immer noch hohen Zahl von AnhängerInnen nur noch geringere Wähleranteile verzeichnen konnte. Es handelte sich also ganz wesentlich um ein Mobilisierungsproblem.49 Vor diesem Hintergrund war klar, dass die WahlkampfmanagerInnen der Labour Party sich nicht länger auf die Mobilisierung kollektiver sozialer Subjekte beziehungsweise Identitäten verlassen oder ihre Strategien einseitig auf traditionelle Wählerschichten ausrichten konnten. Sie mussten akzeptieren, dass die WählerInnen, um nochmals Hall zu zitieren, »[are] composed of multiple ›selves‹ or identities in relation to the different social worlds we inhabit«.50 Im Falle von Großbritannien war dies eine gesellschaftliche Wirklichkeit, die durch achtzehn Regierungsjahre der Konservativen Partei und deren neoliberale Ideologie, die zumindest in wesentlichen Teilen von einem signifikanten Teil der Bevölkerung mitgetragen wurde, geprägt war. Taylor schreibt 2007 in seinem Resümee der Blair-Ära, dass es für Blair und die am New-Labour-Projekt Beteiligten keinen Zweifel gab, dass, wenn man an die Macht kommen und diese auch behalten wollte, die Labour Party den Süden Englands gewinnen musste: »the world of the comfortable and respectable suburbs, the new industries and the aspirational consumers of an increasingly affluent post-industrial society«.51

49 Vgl. Kaiser 2006, 192-193. 50 Hall 1996b, 226. 51 Taylor 2007, 239.

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New Labour konnte 1997 nicht umhin, die Tatsache zur Kenntnis zu nehmen, dass die Thatcher-Jahre in bestimmten gesellschaftlichen Bereichen einen neuen oder zumindest stark modifizierten Konsens hervorgebracht hatten. Es soll an dieser Stelle aber betont werden, dass das Ausmaß dieses Konsenses – aus naheliegenden Gründen – vielfach übertrieben dargestellt worden ist. Dass die Konservativen sich achtzehn Jahre an der Macht halten konnten und dass sie die Labour Party stark beeinflusst hatten, darf nicht den Blick dafür verstellen, dass die tatsächliche Unterstützung für bestimmte Maßnahmen der Konservativen Regierung in der Bevölkerung durchaus nicht durchgängig war. Darüber hinaus hat die gelegentliche Vernachlässigung der speziellen Arithmetik des britischen Mehrheitswahlrechts insbesondere unter ausländischen KommentatorInnen dazu geführt, dass die klaren Mehrheiten im Parlament als Ausdruck einer überwältigenden Unterstützung für die Konservative Partei unter den WählerInnen beziehungsweise der Bevölkerung interpretiert worden sind.52 Ungeachtet dieser Einschränkungen war zumindest die Führungsriege der Labour Party überzeugt, dass sie auf den neuen Konsens, auf die vermeintlichen Gründe für vier aufeinanderfolgende Wahlniederlagen und auf ein verändertes globales soziales und ökonomisches Umfeld reagieren musste. Im Vorfeld der Wahl 1997 war die Führung von New Labour bemüht, zwei Ziele gleichzeitig zu verfolgen, die sich zumindest teilweise gegenseitig ausschlossen. Einerseits wollte man sich möglichst deutlich von der Vergangenheit der eigenen Partei distanzieren, insofern diese als Belastung im Wahlkampf empfunden wurde. Dies ›zwang‹ die Partei allerdings, sich innerhalb der Grenzen des von Thatcher und Anderen nicht zuletzt auch als Reaktion auf veränderte globale Rahmenbedingungen aktiv konstruierten Konsenses zu positionieren, der sich in wesentlichen Punkten deutlich von dem Nachkriegskonsens unterschied. Andererseits war der Führung der Labour Party aber auch sehr daran gelegen, sich als eine wirkliche Alternative zu den Konservativen zu präsentieren. Eine Alternative im Sinne von neuen und besseren Antworten auf die drängenden Fragen, die sich im Gefolge der sozialen und ökonomischen Veränderungen stellten, die Großbritannien seit den 1970ern transformiert hatten. In ihrer Wahlkampfplattform beschrieb die Labour Party ihre neue politische Position als differierend »both from the solutions of the old left and those of the Conservative right. This is why new Labour is new. We believe in the strength of our values, but we recognise also that the policies of 1997 cannot be those of 1947 or 1967.«53 Die hier geäußerte Überzeugung, dass die Labour Party sich nicht nur von ihren eigenen alten Positionen entfernt hatte, sondern dass sich diese auch signifikant von jenen der Konservativen unterschieden, wird allerdings von Crowley nicht geteilt. Dieser

52 Vgl. Tabelle 4a: Ergebnisse der Unterhauswahlen und Wahlbeteiligung 1947-2005 im UK. 53 Labour Party 1997a, o.S.

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schrieb 2001: »There are still lots of things to divide people politically, but the broad outlines of Blatcherism in social and economic policy reign supreme for the moment in the political mainstream.«54 Der Versuch, die beiden oben genannten Ziele gleichzeitig zu verfolgen, zeigte sich dann auch direkt im Wahlkampf 1997, in dessen Folge die Labour Party wieder an die Macht zurückkehrte. Die Wahlplattform wurde auf verschiedene Dokumente aufgeteilt: das Hauptdokument, Britain will be better with new Labour, ein Manifest für Wales und eines für Schottland, eine politische Richtlinie mit dem Titel Healing our fractured society und das Business Manifesto. Diese Dokumente reflektierten in ihrer Unterschiedlichkeit ganz deutlich das Bemühen der WahlkampfstrategInnen der Labour Party, gezielt bestimmte Wählerkreise anzusprechen, indem jeweils unterschiedliche Aspekte ihrer Politik betont wurden.55 Obwohl die vordergründige Rhetorik eines Third Way seit den frühen Tagen von New Labour offensichtlich viel von ihrer Attraktivität verloren hat und der Begriff mittlerweile aus dem täglichen politischen Repertoire verbannt zu sein scheint, lässt sich die Positionierung der Partei im Vorfeld der Wahlen 1997 doch gut damit charakterisieren. Giddens weist in seinem 2000 veröffentlichten The Third Way and Its Critics darauf hin, dass der Begriff eines ›dritten Weges‹ keine Erfindung der Labour Party war. Dieser wurde im 20. Jahrhundert zwar am häufigsten von sozialdemokratischen Parteien verwendet, aber auch andere politische Gruppierungen, darunter einige am extrem rechten Rand des politischen Spektrums, hatten sich seiner bedient. Während der Jahrzehnte des Kalten Krieges verstanden viele die Sozialdemokratie selbst als einen ›dritten Weg‹ zwischen dem Marktliberalismus amerikanischer und der Planwirtschaft sowjetischer Prägung. Somit handelte es sich nach einer Phase, in der das Konzept wenig Aufmerksamkeit erfahren hatte, eher um ein Neuaufleben als eine Innovation. Die Labour Party hatte sich in ihrem Bemühen, sich als New Labour zu profilieren, ganz offensichtlich auch an der Demokratischen Partei in den USA orientiert, die den Schritt zu den sogenannten New Democrats unmittelbar vor Labour vollzogen hatte.56 Stark verkürzt lässt sich die Idee, zumindest soweit es New Labour betraf, als eine Ablehnung der alten ideologischen Etiketten ›links‹ und ›rechts‹, der Idee einer umfassenden Verstaatlichung beziehungsweise staatlichen Kontrolle der Wirtschaft, von hohen Steuern und nicht zuletzt von Politik, die Klassenzugehörigkeit als einen Referenzpunkt hat, beschreiben. Ohne seine Bedeutung für die inhaltliche Ausrichtung von New Labour überschätzen zu wollen, steht außer Frage, dass Giddens nicht zuletzt mit dem 1998 veröffentlichten The Third Way. The Renewal of Social Democ-

54 Crowley 2001, o.S. 55 Konkrete Beispiele werden in den Abschnitten 7.4 und 7.5 analysiert. 56 Giddens 2000, 1-2.

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racy57 einer der entscheidenden Stichwortgeber für die Führung der Labour Party war.58 Ganz wesentliche inhaltliche Impulse kamen aber auch aus dem New Progressivism der New Democrats in den USA. In dem im Juli 1996 vom Democratic Leadership Council veröffentlichten Grundsatzdokument, The New Progressive Declaration. A Political Philosophy for the Information Age, finden sich nicht nur Kernüberzeugungen und -annahmen, die sich auch im Konzept des Third Way der Labour Party nachweisen lassen, sondern teilweise auch Formulierungen, die den politischen Diskurs in Großbritannien in den folgenden Jahren wesentlich prägen sollten. Die tragenden Säulen der New Progressive Politics wurden in dem Dokument beschrieben als »three ideals rooted in the progressive tradition of American democracy: equality of opportunity, mutual responsibility, and self-government«.59 Insbesondere die Begriffe Chancengleichheit und wechselseitige Verantwortlichkeit sollten zentrale Plätze im politischen Diskurs von New Labour einnehmen. Am deutlichsten zeigte sich dies in den Debatten zur ›Modernisierung‹ des Wohlfahrtsstaates.60 Im diskursiven Zusammenspiel mit Chancengleichheit und wechselseitiger Verantwortung nahm auch der Begriff der ›Gemeinschaft‹ eine zentrale Stellung im Konzept des Third Way zumindest der Labour Party ein. Dieser sollte nicht nur im innenpolitischen Diskurs insbesondere im Zusammenhang mit der im Kapitel 8 analysierten ›Modernisierung‹ des Wohlfahrtsstaates eine wichtige Rolle spielen, sondern wurde als ›international community‹ auch ein häufig verwendeter Bezugspunkt auf der Ebene der internationalen Beziehungen, wie im Kapitel 9 genauer gezeigt wird. Darüber hinaus stellte er ein ganz wesentliches Element des allgemeinen Gesellschafts- und Politikverständnisses von New Labour dar. Eine nicht unwichtige Rolle für die Betonung des Gemeinschaftsbegriffes spielte nach den Erfahrungen der Reagan- beziehungsweise ThatcherÄra und der für sie charakteristischen Betonung von Individualismus und Wettbewerb sicherlich eine verstärkte Hinwendung zu kommunitaristischen Ideen. Etzioni, ein Sozialphilosoph, der als Wortführer und Organisator der kommunitaristischen Bewegung in den USA gilt und dessen Ideen auch Clinton und Blair beeinflusst haben, weist aber zu Recht darauf hin, dass sich kommunitaristische »Spuren und Linien« in allen Jahrhunderten nachweisen lassen. Allerdings wurde kommunitaristisch geprägtes Denken erst in den 1990ern zu einer Philosophie mit größerem Bekanntheitsgrad, die zugleich soziale Kraft entfaltete, wobei Letzteres vor allem eine Folge der

57 Giddens 1998. 58 Giddens (2007) selbst macht auch gar keinen Hehl aus seinem Bemühen, die Labour Party zu beeinflussen und ihr möglichst zum Erfolg zu verhelfen. So wählte er für sein 2007 erschienenes Buch Over to You, Mr Brown den Untertitel How Labour Can Win Again. 59 Democratic Leadership Council-Progressive Policy Institute 1996, Herv. i.O. 60 Vgl. Kap. 8.

N EW T IMES , GLOBALISIERUNG

UND DIE

E NTSTEHUNG

VON

N EW LABOUR | 157

inhaltlichen Modifizierung der kommunitaristischen Idee darstellte. Betont wurde nicht mehr nur das Allgemeinwohl und die Bedeutung sozialer Bindungen, sondern auch, dass es ein Gleichgewicht zwischen Gemeinschaft und Individuum sowie zwischen individuellen Rechten und sozialen Verantwortlichkeiten geben müsse. Verbunden wurde dies mit der Vorstellung eines Pluralismus, der aber nicht ohne einen Kernbestand gemeinsamer Werte auskommen könne.61 In dieser modifizierten Variante konnte kommunitaristisches Gedankengut nicht nur relativ unverbindlich in das Konzept des Third Way integriert werden, sondern ganz konkret in politische Diskurse einfließen. So wurde beispielsweise der Verweis auf das Verhältnis von Rechten und Pflichten ein zentrales Element der diskursiven Unterfütterung der Bemühungen um eine höhere Akzeptanz für die ›Modernisierung‹ des Wohlfahrtsstaates, und die Betonung gemeinsamer Werte sowie wechselseitiger Verantwortlichkeiten bildeten Kernbestandteile der Idee einer ›international community‹. Auf der pragmatischen Ebene fungierte der Begriff Gemeinschaft im britischen Kontext nicht zuletzt als ein diskursives Substitut, um die Lücke, die nach der Tabuisierung des Begriffes ›Klasse‹ im politischen Vokabular der Labour Party entstanden war, zu füllen. Im Alltagsdiskurs zählte aber nicht so sehr der Zusammenhang zwischen dem Begriff der Gemeinschaft und kommunitaristischen Ideen, sondern dass der Begriff, wie Bennett in einem anderen Kontext konstatiert, Schichten historischer Bedeutung in sich birgt, die im gegenwärtigen Sprachgebrauch sedimentiert sind: »the common people as opposed to people of rank or station, the quality of holding something in common; a sense of shared identity emerging from common conditions of life – which imply a condemnation of whatever has been constructed as its opposite«.62

Durch die Verwendung des Begriffes Gemeinschaft konnte New Labour sich von dem kalten Individualismus der Thatcher-Ära abgrenzen und gleichzeitig jede Bezugnahme auf Klassen vermeiden. Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass die Entwicklung eines an die Idee eines Third Way angelehnten Gesellschafts- und Politikverständnisses sowie eines entsprechenden Diskurses wesentliche Elemente der Rückkehr der Labour Party an die Macht darstellten. Dazu gehörten u.a. die Neubestimmung des Verhältnisses von ›Gesellschaft‹ und ›Individuum‹ sowie der Rolle des Staates.63 Zwischen die Ebenen der Gesellschaft beziehungsweise des Staates und des Individuums sollten, da Klassen als Referenzpunkt politischen Handelns offensichtlich verworfen worden waren, ›Gemeinschaften‹ treten, die ihrerseits von selbstverantwortlichen Individu-

61 Etzioni 1999, 68. 62 Bennett 2001, 490. 63 Vgl. Kap. 8.

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en gebildet werden sollten. Der Begriff Gemeinschaft, eingebettet in kommunitaristisches Gedankengut, war zweifellos geeignet, die von Bennett benannten positiven Konnotationen wie Gemeinschaftgefühle und geteilte Identitäten bei den WählerInnen zu aktivieren. Zugleich eröffnete er eine diskursive Alternative zum exzessiven Individualismus der Thatcher-Ära, ohne wieder in einen Kollektivismusdiskurs sowie ein Staatsverständnis alter Prägung zurückfallen zu müssen und sich Vorwürfen auszusetzen, letztlich doch wieder nur Klassenpolitik in neuem Gewande zu betreiben. Die Führung der Labour Party verließ sich aber nicht ausschließlich auf den naturgemäß kaum zu prognostizierenden Einfluss sowohl der programmatischen als auch der diskursiven Neuausrichtung der Partei auf die Entscheidung der WählerInnen 1997, sondern ergriff auch ganz konkrete Maßnahmen im Wahlkampf, die zu dem Erfolg wesentlich beitrugen. Kaiser benennt beispielsweise die Konzentration finanzieller und personeller Ressourcen zur Wahlkampfführung in den für den Wahlausgang entscheidenden urbanen Gebieten Süd- und Mittelenglands. Bereits die programmatische Neuausrichtung der Partei selbst war stark an den in Meinungsumfragen sogenannter focus groups (potentiell erreichbare WechselwählerInnen) ermittelten Einstellungen zu wichtigen politischen Fragen orientiert worden.64 Rückblickend kann ferner konstatiert werden, dass die Führung der Labour Party ungeachtet eines kommunitaristisch gefärbten politischen Diskurses und durchaus vorhandener Neuausrichtungen ihrer konkreten Politik (dabei allerdings oft auf die vermeintlich aus der Globalisierung erwachsenden ›Notwendigkeiten‹ und ›Zwänge‹ verweisend) in vielen Bereichen eine Politik fortsetzte, die schon Thatcher (ohne allerdings je einen Hehl aus ihren neoliberalen Überzeugungen zu machen) betrieben hatte. Zu den Kontinuitäten zwischen dem Thatcherismus und den Positionen von New Labour gehören u.a. die folgenden: eine explizite Akzeptanz des Marktes als zentralem ökonomischen Organisationsprinzip, eine Ablehnung jedweder klassenbasierten Politik und der Idee des Kollektivismus, eine streng limitierte politische Rolle für die Gewerkschaften, eine Anerkennung gewisser aus der Globalisierung erwachsender Limitationen für nationales Handeln und eine Betonung der Bereitschaft, hart gegen Kriminalität vorzugehen. Neben diesen Kontinuitäten gab es aber auch deutliche Unterschiede zwischen den Positionen der Labour Party und der Konservativen Partei: ein deutlicheres Bekenntnis zu Chancengleichheit und dem Schutz von Arbeitnehmerrechten sowie die Betonung einer aktiven Rolle des Staates und der Notwendigkeit konstitutioneller Reformen (u.a. Devolution und House of Lords), eine europafreundlichere Grundhaltung und nicht zuletzt mehr Toleranz mit Blick auf sozialen und kulturellen Pluralismus.

64 Kaiser 2006, 196.

7. Globalismus und Ökonomie

7.1 E INLEITUNG As the dominant discourse would have it, the economic world is a pure and perfect order, implacably unrolling the logic of its predictable consequences, and prompt to repress all violations by the sanctions that it inflicts, either automatically or – more unusually – through the intermediary of its armed extensions, the International Monetary Fund (IMF) and the Organization for Economic Cooperation and Development (OECD) and the policies they impose: reducing labour costs, reducing public expenditures and making work more flexible. Is the dominant discourse right? What if, in reality, this economic order were no more than the implementation of a utopia – the utopia of neoliberalism – thus converted into a political problem? One that, with the aid of the economic theory that it proclaims, succeeds in conceiving of itself as the scientific description of reality?1 PIERRE BOURDIEU

Das veränderte globale ökonomische Umfeld, der in den Thatcher-Jahren geprägte neoliberale Konsens in Großbritannien und der Wunsch, endlich wieder an die Macht zurückzukehren, definierten seit den frühen 1990ern ganz wesentlich den Spielraum der Labour Party bei ihrem Versuch der Entwicklung eines neuen oder zumindest deutlich veränderten Wirtschaftsmodells. Die Partei hatte bereits in den Jahren der Opposition begonnen,

1

Bourdieu 1998, o.S.

160 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

sich den Problemen zu stellen, die im Spannungsfeld von zunehmender globaler ökonomischer und finanzieller Integration, von Freihandelsdoktrin und von angebotsorientierter Wirtschaftspolitik entstanden waren. Im Folgenden wird genauer analysiert, wie sich New Labour im Rahmen ihres Wirtschaftsmodells, das Taylor 2005 als »Mr Blair’s British Business Model«2 beschrieb, zu ausgewählten ökonomischen Aspekten der Globalisierung positioniert und dabei nicht nur Elemente des Globalismus aufgenommen, sondern selbst aktiv gestaltet hat. Der ökonomische Kern dieses Globalismus wird ganz maßgeblich durch ein breites Spektrum von Institutionen produziert, die Teil weltweiter Bemühungen sind, nicht nur marktliberale Ansichten zu verbreiten, sondern auch ganz gezielt national und global Einfluss auf politische Prozesse und die öffentliche Meinung zu nehmen. Zu den im Folgenden berücksichtigten Institutionen gehören u.a. das international renommierte Cato Institute mit Sitz in Washington, D.C.,3 das EFWP, an dem Institute aus über siebzig Staaten mitarbeiten,4 das britische IEA5, das Mitglied im EFWP ist, und die CBI.6 Die Auswahl der Institutionen geschah in voller Anerkennung der Tatsache, dass sie natürlich nicht das ganze Spektrum möglicher Positionen abdecken, die unter dem Begriff des Globalismus subsumiert werden könnten, sondern vielmehr eine ganze bestimmte Variante des Globalismus repräsentieren, die als Liberalismus (›libertarianism‹) beziehungsweise als Marktliberalismus beschrieben werden könnte. Das Cato Institute charakterisiert diese Begriffe auf seiner Homepage folgendermaßen:

2 3

4

5

6

Taylor 2005, 184-206. Mission statement: »The Cato Institute seeks to broaden the parameters of public policy debate to allow consideration of the traditional American principles of limited government, individual liberty, free markets and peace. Toward that goal, the Institute strives to achieve greater involvement of the intelligent, concerned lay public in questions of policy and the proper role of government (Homepage Cato Institute [http://www.cato.org – 05.03.2008]).« Mission statement: »The Economic Freedom of the World Network is devoted to promoting economic freedom around the world (Homepage des Networks [http://www.freetheworld.com – 02.03.2008]).« Mission statement: »The mission of the Institute of Economic Affairs is to improve understanding of the fundamental institutions of a free society by analysing and expounding the role of markets in solving economic and social problems (Homepage IEA [http://www.iea.org.uk – 03.02.2008]).« Mission statement: »The CBI helps create and sustain the conditions in which businesses in the United Kingdom can compete and prosper for the benefit of all. We are the premier lobbying organisation for UK business on national and international issues. We work with the UK government, international legislators and policy-makers to help UK businesses compete effectively (Homepage CBI [http://www.cbi.org.uk – 03.03.2008]).«

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»The Jeffersonian philosophy that animates Cato’s work has increasingly come to be called ›libertarianism‹ or ›market liberalism‹. It combines an appreciation for entrepreneurship, the market process, and lower taxes with strict respect for civil liberties and skepticism about the benefits of both the welfare state and foreign military adventurism.«7

Die Arbeit des Cato Institute beinhaltet u.a. das Bemühen, aktiv in öffentliche Debatten einzugreifen und in vielfältiger Weise Politik in praktisch allen Feldern ganz konkret im Sinne des im Zitat beschriebenen Marktliberalismus zu beeinflussen.8 Die Auswahl des Cato Institute für diese Analyse erscheint u.a. auch dadurch gerechtfertigt, dass die Arbeit des Institutes nicht auf die USA beschränkt ist, sondern man sich ganz bewusst um eine globale Reichweite bemüht.9 Im Gegensatz dazu versteht sich die CBI primär als eine Lobbyorganisation der britischen Unternehmen, die ganz direkt mit nationalen Regierungsstellen, aber auch internationalen GesetzgeberInnen und PolitikerInnen zusammenarbeitet und versucht, deren Arbeit im Sinne ihrer Mitglieder zu beeinflussen. Ihre Auswahl lässt sich ferner damit begründen, dass sie nicht nur die einflussreichste Lobbyorganisation der Wirtschaft in Großbritannien ist, sondern auf vielfältige Weise auch ganz wesentlich Einfluss auf den öffentlichen Meinungsbildungsprozess in Großbritannien nimmt. In Institutionen wie dem EFWP werden die Bemühungen zahlreicher nationaler Institutionen wie zum Beispiel dem IEA gebündelt und die Zusammenarbeit koordiniert. Hier soll nicht eine weitere Verschwörungstheorie aufgestellt werden, aber es ist offensichtlich, dass es hier nicht um zufällige Kontakte geht. So beschreibt das deutsche Mitglied im Projekt, das unter dem Dach der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit angesiedelte Liberale Institut, seine eigene Arbeit wie folgt: »Das Liberale Institut pflegt Kontakte zu anderen think tanks im liberalen Spektrum und beteiligt

7 8

9

Homepage Cato Institute [http://www.cato.org – 05.03.2008]. Dazu gehören neben umfangreichen multimedialen Angeboten, die auch das politische Tagesgeschehen kommentieren, Publikationen wie das Cato Handbook on Policy bzw. dessen Vorgänger Cato Handbook for Congress, die nicht nur konkrete Positionsbestimmungen, sondern quasi Handreichungen für PolitikerInnen sind (Homepage Cato Institute [http://www.cato.org – 05.03.2008]). »Cato International is a network of nine major programs and many subsidiary projects working together across linguistic, cultural, and regional contexts to bring the ideas and policies of individual liberty, toleration, free markets, the rule of law, and peace to populations around the world. The various teams, which are coordinated through the Center for Promotion of Human Rights, publish books, maintain websites that offer a wealth of texts and audio and video presentations, syndicate articles to the print media, and organize seminars for students, conferences for policy makers, and much more (Homepage Cato Institute [http://www.cato.org – 05.03.2008]).«

162 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

sich so aktiv am weltweiten Austausch liberaler Ideen und Lösungsansätze.«10 Die folgende Analyse der ökonomischen Dimension des Globalismus konzentriert sich auf fünf Problembereiche beziehungsweise Subdiskurse: (i) ökonomische Freiheit, Marktwirtschaft und Rolle des Staates, (ii) das Verhältnis von globaler ökonomischer Integration, Freihandel, sozialem Fortschritt und Demokratie, (iii) das Verhältnis von Kapital und Arbeit, (iv) Marktwirtschaft und Umweltfragen sowie (v) den Bereich Finanzwelt. Grundsätzlich gilt, dass New Labour, unabhängig von dem jeweiligen Subdiskurs, bei ihrer Positionierung neben zahlreichen anderen Gesichtspunkten immer auch die folgenden drei Aspekte zu berücksichtigen hatte. Erstens musste sie mit Blick auf die Außendarstellung sowohl der Partei als nach der Rückkehr in die Regierungsverantwortlichkeit auch ihrer konkreten Politik auf ihre Attraktivität, sprich Wählbarkeit achten. Dies bedeutete u.a., dass eine möglichst breite gesellschaftliche Akzeptanz für ihre Politik geschaffen werden musste. Zweitens musste die Parteiführung sich einerseits von der eigenen Vergangenheit distanzieren (zumindest war man davon fest überzeugt), insofern diese als Belastung empfunden wurde, und sich andererseits als eine wirkliche Alternative zur Konservativen Partei präsentieren. Gerade Letzteres war ein relativ schwieriges Unterfangen, da in bestimmten Bereichen die Politik der Konservativen Partei mit nur sehr geringen Modifikationen weitergeführt wurde. Drittens stand die Parteiführung vor der nicht minder problematischen Aufgabe, auch innerparteilich ein möglichst hohes Maß an Unterstützung für bestimmte Richtungsänderungen und konkrete politische Maßnahmen zu gewährleisten.

7.2 Ö KONOMISCHE F REIHEIT , M ARKTWIRTSCHAFT UND R OLLE DES S TAATES Die Rolle des Marktes als zentrales Organisationsprinzip ökonomischer Abläufe und Beziehungen sowohl im globalen als auch im nationalen Rahmen wird mittlerweile selbst von vielen KritikerInnen nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellt. So wird im HDR 1999 festgestellt: »In listing the negative impacts of markets on people, it is important not to appear to be rejecting markets as the central organizing principle of global economic life.«11 Die Meinungen beginnen aber spätestens dann zu divergieren, wenn nach dem konkreten Charakter dieser Marktwirtschaft und insbesondere auch nach der Rolle des Staates im ökonomischen Bereich gefragt wird.

10 Homepage Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit [http://www.fnstfreiheit.org – 04.01.2008]. 11 UNDP 1999, v.

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So wie die Begriffe libertarianism beziehungsweise market liberalism vom Cato Institute verwendet werden,12 geht es nicht ausschließlich um eine wirtschaftspolitische Konzeption, sondern um ein Gesellschaftsmodell, dem u.a. die Überzeugung zugrunde liegt, dass der Markt der Allokationsmechanismus ist, der neben ökonomischer Effizienz auch die Freiheit des Einzelnen am ehesten gewährleistet und in dem die Rolle des Staates klar limitiert sein sollte. Teil des Modells ist die Vorstellung, dass der Markt und Wettbewerb in möglichst vielen Bereichen der Gesellschaft eine zentrale Koordinationsfunktion für die Handlungen von Individuen und Institutionen innehaben sollten. Das britische IEA beschreibt dieses Modell folgendermaßen: »The core belief of free-marketeers is that people should be free to do what they want in life as long as they don’t harm anyone else. On the whole, society’s problems and challenges are best dealt with by people and companies interacting with each other freely without interference from politicians and the State. This means that government action, whether through taxes, regulation or laws, should be kept to a minimum. IEA authors and speakers are therefore always on the look-out for ways of reducing the government’s role in our lives.«13

Vor dem Hintergrund eines Freiheitsbegriffes wie er sich beispielsweise in Mills bekanntester Schrift, »On Liberty«, findet,14 wird hier bereits durch die syntaktische Konstruktion ein gleichberechtigtes Interagieren der BürgerInnen und der Unternehmen (›people and companies interacting‹) unterstellt, das möglichst ohne eine Einmischung dritter Parteien ablaufen sollte (›freely without interference‹). Das Zitat kann auch als Beleg für Fairclough Überzeugung gelten, dass traditionelle linguistische Analysen für soziokulturelle Untersuchungen nur bedingt geeignet sind: »Take the case of absences from texts. Textual analysis can often give excellent insights about what is ›in‹ a text, but what is absent from a text is often just as significant from the perspective of sociocultural analysis.«15 Eine solche absence stellen beispielsweise die gewerkschaftlichen Vertretungen der ArbeitnehmerInnen dar, die im Verständnis der ›free-marketeers‹ (ähnlich wie Regierungen) ohnehin eher ein möglichst gering zu haltender Störfaktor sind. Es geht bei diesem Modell aber nicht nur um die Rolle des Staates, sondern zugleich um das Verhältnis von Demokratie, Handel und freien Märkten, wobei die Forderung nach mehr ökonomischer Freiheit auch damit begründet wird, dass sie tendenziell zu mehr individueller und politischer Freiheit sowie Demokratie führt. So wird auf der Homepage des Cato Insti-

12 13 14 15

Vgl. S. 160. Homepage IEA [http://www.iea.org.uk – 03.02.2008]. Mill 1869, o.S. Fairclough 1995, 5. Van Leeuwen (1993) beschreibt ein Modell für die systematische Fokussierung auf absences mittels einer komparativen Vorgehensweise.

164 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

tute festgestellt, dass die Realität der heutigen Welt »broadly reflects those theoretical links between trade, free markets, and political and civil freedom. As trade and globalization have spread to more and more countries in the last 30 years, so too have democracy and political and civil freedoms.«16 Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die terminologische Abgrenzung von Demokratie und ökonomischer Freiheit, die in dem Annual Report des EFN des Jahres 2007 vorgenommen wird, der vom kanadischen Fraser Institute veröffentlicht wird (Mitherausgeber sind weltweit 71 weitere dem EFN angeschlossene Forschungsinstitute17): »Put simply, democracy relates to political decision-making while economic freedom relates to interaction through exchange and markets. […] Economic freedom is about the freedom of individuals to decide how they will develop and use their productive abilities, exchange goods and services with others, compete in markets, and keep the fruits of their labor. Political restrictions that inhibit voluntary actions and personal choice in these areas conflict with economic freedom, even when they are adopted democratically. A country can be democratic and still severely restrict the economic freedom of its citizens.«18

Wiederum wird wie in dem Zitat des IEA von einer gleichberechtigten Interaktion von ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen auf dem Markt ausgegangen (›interaction through exchange and markets‹). Ökonomische Freiheit wird als eine grundsätzlich positiv konnotierte Entscheidungsfreiheit des Individuums konzeptualisiert: ›the freedom of individuals to decide how they will develop and use their productive abilities, exchange goods and services with others, compete in markets, and keep the fruits of their labor‹. Im Gegensatz dazu werden politische Beschränkungen ökonomischer Freiheit, auch wenn sie demokratisch legitimiert sind, lexikalisch negativ markiert: negative ›restrictions that inhibit‹ versus positive ›voluntary actions and personal choice‹. Da ein gewisses Maß an politischer ›Einmischung‹ in Demokratien aber nicht zu vermeiden ist, argumentiert beispielsweise die CBI, dass, insbesondere soweit es die unmittelbaren Interessen der Wirtschaft betrifft, Regierungen ›Hilfestellungen‹ in Form von Lobby-Arbeit brauchen, um diesen gerecht zu werden. Dies, so wird unterstellt, ist umso wichtiger, da diejenigen, die für die Gesetzgebung verantwortlich sind, nicht notwendigerweise die Auswirkungen der Gesetze auf die Wirtschaft verstehen: »Members can use the CBI to reinforce their own efforts to bring about change in the legislative and regulatory framework within which they must operate. Every depart-

16 Homepage Cato Institute [http://www.cato.org – 05.03.2008]. 17 Eine Liste der dem Economic Freedom Network weltweit angeschlossenen Forschungsinstitute findet sich unter http://freetheworld.com. 18 Gwartney and Lawson with Hall 2007, 7.

GLOBALISMUS UND Ö KONOMIE | 165

ment of government influences the prosperity and profitability of business, but the impact of proposed legislation is not necessarily fully understood by those who devise it.«19

Ein weiteres konkretes Problem besteht laut dem EFN-Report darin, dass PolitikerInnen, um Wahlen zu gewinnen, bestimmten Interessengruppen auf Kosten der Allgemeinheit Vergünstigungen zukommen lassen. Dieses Argument findet sich in leicht modifizierter Form beispielsweise auch im Globalismussubdiskurs zum Wohlfahrtsstaat im Zusammenhang mit dem Vorwurf, PolitikerInnen würden WählerInnen mit ihrem eigenen Geld in Form von sozialen ›Wohltaten‹ bestechen20: »Thus, the democratic political process is characterized by politicians who ›trade‹ programs that benefit special-interest groups at the expense of the general populace in exchange for political contributions that will help them win the next election. In contrast with market actions based on mutual agreement, there is no assurance that political action will be productive, that it will expand output and enhance the income levels of the citizenry.«21

Der demokratische Prozess wird zu einem Faktor, der zumindest tendenziell das ideale Wirken von Marktmechanismen (›market actions based on mutual agreement‹) und die Entfaltung ökonomischer Freiheit unterminiert. Wie der oben zitierte Kommentar der CBI belegt, gelten diese Bedenken aber offensichtlich nicht in gleichem Maße für die Lobby-Arbeit von Unternehmerverbänden (›bring about change in the legislative and regulatory framework within which they must operate‹).22 Sobald Demokratie erst einmal als ein Phänomen mit potenziell negativen Wirkungen auf die ökonomische Freiheit charakterisiert worden ist, erscheint es nur folgerichtig, diese durch eine limitierende Regierungsform zu begrenzen: »Unconstrained democracy is not the political system that is most complementary with economic freedom; limited constitutional government is. Constitutional restraints, structural procedures designed to promote agreement and reduce the ability of interest groups to exploit consumers and taxpayers, and competition among governmental units (federalism) can help restrain the impulses of the majority and promote political action more consistent with economic freedom.«23

19 Kommentar der CBI zur Bedeutung von Lobby-Arbeit (Homepage CBI [http://www.cbi.org.uk – 14.08.2008]). 20 Vgl. S. 229. 21 Gwartney and Lawson with Hall 2007, 8. 22 Vgl. S. 164. 23 Gwartney and Lawson with Hall 2007, 8.

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Im Rahmen eines solchen Gesellschaftsmodells wird dem Staat eine zwar eng umrissene, aber nichtsdestoweniger wichtige Rolle zugewiesen. Dazu gehört u.a. die Kontrolle einer vermeintlich unverantwortlich handelnden Mehrheit (›restrain the impulses of the majority‹), die die ökonomische Freiheit gefährden könnte. Diese Art von Staatsverständnis findet sich auch in den Kriterien, die vom EFN für die Messung des Grades ökonomischer Freiheit in konkreten Ländern definiert wurden, dem sogenannten Economic Freedom of the World Index (EFW-Index).24 Um ein hohes Rating zu bekommen, müssen Regierungen bestimmte Dinge tun, andere aber unterlassen: »When the government of a country protects people and their property from the actions of aggressors, enforces contracts in an unbiased manner, and provides a limited set of ›public goods‹ like roads, flood control, and money of stable value, but leaves the allocation of other goods and services to the market, the country’s EFW rating will be high. In essence, the EFW rating is a measure of the extent to which countries rely on private ownership and markets rather than the political process to allocate goods, services, and resources. Countries that rely more extensively on markets will earn higher EFW ratings.«25

Diese Kriterien sind natürlich nicht nur der Versuch, aus akademischem Interesse möglichst objektive Kriterien für die Messung des Grades ökonomischer Freiheit zu definieren, sondern können auch als Anleitung und Empfehlung für konkretes politisches Handeln verstanden werden, das zu einem möglichst hohem EFW-Rating führt. Ein Grund, dies anzustreben, wäre die Annahme, dass ein hohes Rating sich positiv auf Entscheidungen ausländischer InvestorInnen auswirkt. Dass dies keine bloße Vermutung ist, wird durch eine Studie aus dem Jahre 2002 gestützt, die zu folgendem Schluss kommt: »[I]t is plausible to accept the hypothesis that countries that enjoy higher levels of economic freedom will be more attractive for foreign investors«.26 Es bedarf vermutlich keiner besonderen Begründung, warum die hier kurz skizzierten Positionen nicht mit eben solcher Offenheit von PolitikerInnen vertreten werden. Insbesondere die Argumentation bezüglich der potenziellen Gefahren, die von ›zu viel Demokratie‹ ausgehen, ist eher nicht für den politischen Diskurs geeignet. Richtig ist auch, dass keine Regierung der Welt eine Wirtschaftspolitik verfolgt, wie sie aus der Sicht der zitierten Organisationen wünschenswert wäre. Die zahlreichen kritischen Kommentare zur Politik der Bush-Administration beispielsweise auf der Homepage des Cato Institute sind dafür ein eindeutiger Beleg.

24 Vgl. »The Areas and Components of the EFW Index« in Gwartney and Lawson with Hall 2007, 10. 25 Gwartney and Lawson with Easterly 2006, 5. 26 Sánchez-Robles and Bengoa-Calvo 2002, 3.

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Organisationen wie die CBI gehen in ihrer Grundeinstellung von ähnlichen Positionen wie das EFN oder das Cato Institute aus, sind aber in ihren Publikationen, die sich unmittelbarer an die Politik oder die Öffentlichkeit richten, doch um eine weniger deutliche Diktion bemüht. Wohl nicht zuletzt auch deshalb, weil ihnen klar ist, dass PolitikerInnen und Parteien auch gewählt werden möchten und dass auch auf die öffentliche Meinung Rücksicht genommen werden muss. Es geht also nicht um die kompromisslose Formulierung von Maximalforderungen oder Idealvorstellungen, sondern kurzfristig um eine Beeinflussung praktischer Politik sowie mittel- und langfristig um eine Erhöhung der gesellschaftlichen Akzeptanz ihrer Prioritäten. In der quasi als ›Handreichung‹ für alle Parteien im Wahlkampf des Jahres 2005 bestimmten CBI Business Agenda liest sich dies dann folgendermaßen: »Constructing a society that values wealth creation and entrepreneurship is vital if we are to see sustainable jobs being created and tax revenues generated to pay for schools, hospitals and public service improvements – everyone sharing in the benefits of the success of responsible business. I like to call it socially inclusive wealth creation. It means recognising that ›profit‹ isn’t a dirty word – but also that profit-making and wealth creation isn’t the end of the story and that the fruits of economic success must be distributed fairly across society.«27

In solchen (›everyone sharing in the benefits of the success of responsible business‹) und ähnlichen Formulierungen werden Marktwirtschaft und Profitstreben – ergänzt durch eine soziale Komponente (›socially inclusive wealth creation‹) und gerechte Verteilungsmechanismen (›the fruits of economic success must be distributed fairly across society‹) – mehrheitsfähig und können in den politischen Diskurs integriert werden, wie im Folgenden für Großbritannien und New Labour gezeigt wird. Die grundsätzliche Akzeptierung der Marktwirtschaft durch die Labour Party wurde durch die symbolträchtige Umformulierung des Clause Four 1995 signalisiert. Diese lässt sich jedoch nicht auf die ökonomische Dimension beschränken, sondern stellte aus der Sicht vieler Mitglieder und SympathisantInnen auch die ideologischen und politischen Fundamente der Partei in Frage. Der neue Text des Clause Four wurde im März 1995 veröffentlicht, von der National Executive am 13. März bestätigt und beschrieb das neue Verhältnis zur Marktwirtschaft folgendermaßen: »A dynamic economy, serving the public interest, in which the enterprise of the market and the rigour of competition are joined with the forces of partnership and cooperation, to produce the wealth the nation needs and the opportunity for all to work and prosper, with a thriving private sector and high quality public services, where

27 CBI 2005a, 2.

168 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR those undertakings essential to the common good are either owned by the public or accountable to them.«28

Besonders interessant sind hier vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Positionen innerhalb der Labour Party die diskursiven Diskrepanzen zwischen dem formulierten Wirtschaftsverständnis (›dynamic economy, serving the public interest‹) einerseits, das von einer während der nächsten Jahre der Blair-Ära immer wieder behaupteten Harmonie marktwirtschaftlicher (›enterprise of the market‹; ›rigour of competition‹) und nichtmarktwirtschaftlicher Aspekte (›forces of partnership and co-operation‹) ausgeht. Andererseits, vermutlich auch als Zugeständnis an die GegnerInnen der Neuformulierung des Clause Four, beinhaltet diese Kernpassage aber auch das Eingeständnis, dass der Markt vielleicht doch nicht alle gesellschaftlichen Bedürfnisse befriedigt: ›undertakings essential to the common good are either owned by the public or accountable to them‹. Die fundamentale Richtungsänderung in der Haltung gegenüber der Marktwirtschaft lässt sich aber bereits in dem 1989 veröffentlichten Policy Review, Meet the Challenge, Make the Change, nachweisen.29 Dieses Dokument skizzierte bereits einen großen Teil der späteren politischen Ausrichtung der Labour Party. In seiner Verteidigung des Policy Review in dessen Erarbeitungsphase wies Kinnock die TeilnehmerInnen der Jahreskonferenz 1988 auf das folgende Problem hin: »[T]he day may come when this conference, this movement, is faced with a choice of socialist economies […] But until that day comes, […] the fact is that the kind of economy that we will be faced with when we win the election will be a market economy. That is what we have to deal with and we will have to make it work better than the Tories do.«30

Es ging also schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr um grundsätzliche Alternativen, die bis auf weiteres vertagt wurden (›the day may come‹), sondern nur noch um die ›erfolgreichere‹ Gestaltung einer marktwirtschaftlichen Ordnung (›make it work better than the Tories do‹), wobei unterstellt wurde, dass dies im gesamtgesellschaftlichen Interesse sei. In dem Hauptdokument der Wahlplattform 1997, Britain will be better with New Labour, wurde das traditionell eher spannungsgeladene Verhältnis zwischen der Partei und der Industrie als ein völlig neues definiert, d.h. verschieden sowohl von früheren Positionen der Labour Party als auch von jenen der Konservativen Partei:

28 Labour Party Constitution (1995) Labour’s Aims and Values. London: Labour Party, zit. nach: Jones 1996, 144. 29 Labour Party 1989, o.S. 30 Labour Party Conference Report 1988, zit. nach Jones 1996, 123.

GLOBALISMUS UND Ö KONOMIE | 169

»The old left would have sought state control of industry. The Conservative right is content to leave all to the market. We reject both approaches. Government and industry must work together to achieve key objectives aimed at enhancing the dynamism of the market, not undermining it.«31

In der im Dokument unmittelbar folgenden Passage wird die doch eher vage Formulierung ›enhancing the dynamism of the market‹ mit ganz konkreten Schritten untersetzt: »In industrial relations, we make it clear that there will be no return to flying pickets, secondary action, strikes with no ballots or the trade union law of the 1970s. There will instead be basic minimum rights for the individual at the workplace, where our aim is partnership not conflict between employers and employees.«32

Im Business Manifesto von Labour, das ebenfalls Teil der Wahlplattform des Jahres 1997 war, wurde das angestrebte Verhältnis zur Industrie entsprechend der Adressatengruppe weiter präzisiert: »So, far from being in conflict, the interests of the Labour Party and the business community are in harmony. To bring about the fair and prosperous society that Labour seeks, we need successful and enterprising businesses making strong profits. All political parties, including Labour, must support business, promoting policies which back British companies and industry.«33

Interessenkonflikte scheint es keine mehr zu geben. Die Partei sieht sich als einen Partner der Industrie und ihre jeweiligen Interessen als in harmonischer Übereinstimmung befindlich (›the interests of the Labour Party and the business community are in harmony‹). Vor dem Hintergrund der von New Labour akzeptierten zentralen Elemente des Globalismussubdiskurses Ökonomie stehen Formulierungen wie ›fair and prosperous society‹ und ›businesses making strong profits‹ nicht länger in einem Spannungsverhältnis. Die Ähnlichkeiten zwischen solchen und den beispielsweise von der CBI benutzten und an anderer Stelle diskutierten Äußerungen sind augenfällig.34 In sechs Hauptpunkten erläutert das Business Manifesto, auf welche Weise optimale Bedingungen für ein Florieren der Wirtschaft geschaffen werden sollen: »First, macro-economic stability with inflation low and government spending under control. Second, a dynamic economy with higher investment, modernised infrastruc-

31 32 33 34

Labour Party 1997a, o.S. Ebenda. Labour Party 1997b, o.S. Vgl. S. 167.

170 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR ture and competitive markets. Third, stable and co-operative relations between employees and employers and a flexible labour market. Fourth, improved education and skills. Fifth, a tax and benefit system which rewards work, encourages enterprise and promotes investment and saving. Sixth, leadership by Britain in Europe.«35

Interessant ist hier u.a. der Verweis auf ein ›tax and benefit system which rewards work‹. Hier wird insinuiert, dass Leistungen des Wohlfahrtsstaates potentiell immer mit der Gefahr einhergehen, Faulheit zu belohnen. Ein Vorwurf, der im Kapitel zu Globalismus und Wohlfahrtsstaat ausführlich analysiert wird. Dieser Vorwurf und auch die anderen im Business Manifesto betonten Punkte entsprechen weitgehend den von Thatcher und anderen VertreterInnen der Konservativen Partei sowie den Medien immer wieder vorgebrachten Kritikpunkten an der Labour Party. Thatcher wurde im Vorfeld der Wahlen von 1997 nicht müde, immer wieder auf die tatsächliche Politik früherer Labour-Regierungen hinzuweisen und New Labour Unaufrichtigkeit vorzuwerfen. Auf einem Empfang im Rahmen der Jahreskonferenz der Konservativen Partei am 8. Oktober 1996 in Bournemouth zählte sie nicht nur die Prinzipien ihrer Partei, sondern auch die früheren ›Vergehen‹ der Labour Party auf. Die neue Ausrichtung der Labour Party kommentierte sie mit der folgenden Bemerkung: »But now the Labour Party’s new claim to govern is that they can be trusted to put into practice not Socialist but Tory policies – on spending, taxation, law and order, defence and even the welfare state. And most of the time they’re very good at playing Conservative. But it’s still an act.«36

Thatcher war offensichtlich nicht entgangen, dass Blair und andere Modernisierer zwar eine wirkliche Gefahr für die Konservativen darstellten, aber dass die Partei durchaus nicht geschlossen hinter ihnen stand. So versuchte sie ganz bewusst, die Angst vor ›Old Labour‹ zu schüren: »[E]ven if Mr. Blair has seen the light – what of his Party? A more unlikely group of converts than his back-benchers – and some of his front-benchers – it’s difficult to imagine. At present, faced with an election, he controls them. But if he were to gain power, they would control him – and we know what to expect: socialism, red in tooth and claw. And in that case all the efforts we’ve made to restore Britain’s prosperity and reputation would be thrown away. It would take a decade to recover.«37

Die in den Wahlprogrammen der Labour Party 1997 beschriebenen politischen Positionen und Absichten widerspiegeln nach der Rückkehr in die

35 Labour Party 1997b, o.S. 36 Thatcher 1996a, o.S. 37 Ebenda.

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Regierungsverantwortung auch die Chancellor’s 1997 Budget Speech und der Financial Statement and Budget Report 1997 (FSBR). Die ökonomischen Zielstellungen und Prioritäten wurden im FSBR 1997 wie folgend formuliert: »The new Government’s central economic objective is to achieve high and stable levels of growth and employment, goals which have proved elusive in the past. In meeting this objective, the Government wants to encourage a fair society in which everyone can share in higher living standards and greater job opportunities, and to see economic development taking place in a way which respects the environment.«38

Auch hier wird durch die Verwendung des Wortes ›past‹ wiederum ein Bruch signalisiert. Eine Vergangenheit, in die Old Labour gehört, während New Labour die Partei der Gegenwart ist, die eine faire und inklusive Gesellschaft (›in which everyone can share in‹) zwar auch nicht garantieren kann, aber zumindest befördern will (›wants to encourage‹). Letztlich ging es aber nicht primär um eine Vergangenheitsbewältigung, sondern um eine erfolgreiche und für die WählerInnen attraktive Politik. Sanders schrieb schon 1996, in der Annahme, dass Labour die Wahl 1997 gewinnen würde, dass die Wirtschaft die entscheidende Frage und der Schlüssel zum Erfolg für Labours Wiederwahlstrategie sein würde.39 In diesem Zusammenhang wiesen Kenny und Smith, die die »elaboration of a new political economy« als eines der entscheidenden Merkmale von New Labour betrachteten40, auch darauf hin, dass Blair und seine BeraterInnen sich in hohem Maße der fundamentalen Veränderungen des externen und zunehmend globalisierten wirtschaftlichen und finanziellen Umfeldes bewusst waren, in dem Großbritannien operierte, und dass in diesem Umfeld Probleme wie Zinsen, Inflation und Verschuldung der öffentlichen Hand viel schwieriger zu handhaben sind.41 Blair selbst fasste gegen Ende seiner Amtszeit in einer Rede in Manchester im April 2007 die Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen folgendermaßen zusammen: »In a sense, a whole economy has passed away. The central economic idea of New Labour – that economic efficiency and social justice ran together – was based on this fact. In the new knowledge economy, human capital, the skills that people possess, is critical. Work, the fact of work and the changed nature of work, was thus central to the Government’s economic and social policy from the beginning.«42

38 39 40 41 42

House of Commons 1997, o.S. Sanders 1996, 291. Kenny and Smith 1997, 220. Ebenda, 226. Blair 2007, o.S.

172 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

Ökonomische Effizienz und Profite einerseits und soziale Gerechtigkeit andererseits werden nicht länger als potenziell im Widerspruch zueinander stehend, sondern als sich gegenseitig bedingend charakterisiert. Taylor schreibt, dass die Blair-Administration, im Unterschied zu früheren LabourRegierungen, »had sought to develop a new role for the state in its engagement with the wider political economy as it tried to encourage efficiency with social justice in the work place«.43 Rückblickend kann man feststellen, dass die Hinwendung von New Labour zu einem neuen Wirtschaftsmodell und der Prozess der Abkehr von traditionellen Positionen zur Frage der Marktwirtschaft bereits 1997 weitestgehend abgeschlossen waren. In den folgenden Jahren ging es im Wesentlichen nur noch darum, das neue Grundverständnis der Funktion des Marktes und der Rolle, die der Staat im Rahmen einer zunehmend marktwirtschaftlich organisierten Gesellschaft zu spielen hat, mit konkreten politischen Maßnahmen mit Leben zu erfüllen und gleichzeitig einen möglichst hohen Grad der Akzeptanz dieser Politik in der Bevölkerung zu generieren, um so den Verbleib an der Regierung zu sichern.

7.3 Ö KONOMISCHE I NTEGRATION , F REIHANDEL , SOZIALER F ORTSCHRITT UND D EMOKRATIE Eine weitere der Kernaussagen des Globalismus, die im Wesentlichen auch von New Labour geteilt wird, besteht in der Behauptung eines Zusammenhangs zwischen globaler ökonomischer Integration, Freihandel und der weltweiten Verbreitung marktwirtschaftlicher Prinzipien einerseits sowie sozialem Fortschritt und Demokratie andererseits. So beschrieb Griswold als geschäftsführender Direktor des Cato Center for Trade Policy Studies in einem Artikel mit dem Titel »Trading Tyranny for Freedom. How Open Markets Till the Soil for Democracy« nicht nur den theoretischen Zusammenhang zwischen ökonomischer und politischer Freiheit sowie Bürgerrechten (»Economic openness and the commercial competition and contact it brings can directly and indirectly promote civil and political freedoms within countries.«44), sondern sieht den ersten historischen Beleg für die Richtigkeit der These schon in den 1840ern. In einer Phase des rapide zunehmenden internationalen Handels und von Auslandsinvestitionen begann die »first wave of democratization«, »a period known to economic historians as the first wave of globalization«, die mit Großbritanniens unilateraler Hinwendung zur Freihandelspolitik begann und bis zum Ersten Weltkrieg andauerte.45 Die zweite Demokratisierungswelle begann mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Abkehr von 43 Taylor 2007, 214. 44 Griswold 2004, 2. 45 Ebenda.

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der protektionistischen Handelspolitik der 1930er. Sie endete »in the second reverse wave, in the 1960s and early 1970s, [when] less developed countries turned inward as they embraced import substitution policies and hostility to foreign investment«.46 Die dritte und letzte Demokratisierungswelle begann nach Griswolds Datierung mit der Beschleunigung der Globalisierung in den späten 1980ern: »As globalization accelerated in the late 1980s after the fall of the Berlin Wall, so too did the global trend toward democracy.«47 Vor dem Hintergrund dieses historischen Abrisses wendet sich Griswold dann direkt GlobalisierungskritikerInnen zu: »Critics who blame globalization for much of what is wrong in the world today cannot ignore the fact that globalization has been accompanied, in recent decades as well as in previous episodes of history, by the overwhelmingly positive phenomenon of more political and civil freedom for hundreds of millions of people around the world. Critics can dismiss the reality of those two powerful trends as a mere coincidence, but at the very least those trends undercut the argument that globalization has somehow been bad for democracy. During the most recent era of globalization, democracy and respect for individual political and civil freedoms have spread to a larger share of the human race than ever before.«48

Diese Passage zeigt wie auch der gesamte Artikel, dass Griswold zwar einen Zusammenhang zwischen ökonomischer und politischer Freiheit unterstellt, aber doch sehr vorsichtig ist, explizit einen kausalen Zusammenhang herzustellen: ›globalization has been accompanied‹ statt ›caused‹. In den letzten Jahren haben ›at the very least those trends undercut the argument that globalization has somehow been bad for democracy‹. Ähnlich wie in vergleichbaren Texten zum vermeintlichen Verhältnis von ökonomischer und politischer Freiheit beziehungsweise Globalisierung und Demokratisierung ist auch dieser durch eine charakteristische absence gekennzeichnet.49 Mit keinem Wort wird auf die Tatsache eingegangen, dass die Veränderungen beispielsweise in Osteuropa zu großen Teilen das Ergebnis des politischen Handelns politischer Gruppierungen waren, deren primäre Ziele in vielen Fällen vermutlich nicht unbedingt eine Beförderung der ökonomischen Globalisierung oder die Durchsetzung marktwirtschaftlicher Prinzipien waren. Griswold stützt sich in seiner Argumentation, dass der Grad politischer Freiheit im globalen Maßstab in der aktuellen Phase der Globalisierung zugenommen habe, im Wesentlichen auf Zahlen von Freedom House, einer

46 Ebenda. 47 Ebenda, 5; vgl. auch Huntington 1991 zum Begriff der dritten Welle der Demokratisierung. 48 Griswold 2004, 6. 49 Die diskursive Relevanz von absences wird an anderer Stelle ausführlicher diskutiert; vgl. S. 163.

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Menschenrechtsorganisation mit Sitz in New York,50 die er in Beziehung zu Zahlen des im Abschnitt 7.2 erwähnten EFW-Index des EFN setzt. Das Ziel besteht in einer Bestimmung der Korrelation »between openness to trade and civil and political freedom among individual countries«.51 Er kommt zu dem Schluss, dass es einen Zusammenhang zwischen den Phänomenen ökonomische und politische Freiheit gibt: »Theory and evidence together argue that trade liberalization and a more general openness to the global economy do correlate with more political and civil freedom, in the world as a whole and within individual countries.«52 Die Einschätzung von Griswold wird zumindest in dieser Untersuchung auch gar nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Zu fragen wäre aber nach dem konkreten Charakter der Korrelation. Gibt es eine ursächliche Beziehung? Welche anderen Faktoren spielen ebenfalls eine Rolle? So erscheint in der Argumentation von Griswold der steile Anstieg der Zahl der demokratisch gewählten Regierungen nach 1989 als eine Folge verstärkter Globalisierung, ohne dass er dies allerdings explizit behauptet: »As globalization accelerated in the late 1980s after the fall of the Berlin Wall, so too did the global trend toward democracy.«53 Von ganz entscheidender Bedeutung für den steilen Anstieg nach 1989 sind aber der Zusammenbruch des Ostblocks und der Zerfall der Sowjetunion sowie Jugoslawiens in eine Vielzahl von Staaten, die die Gruppe der demokratischen Staaten schlagartig vergrößerten. Die Auswirkungen des Zusammenbruchs der Sowjetunion beschränkten sich aber nicht auf Europa, sondern blieben auch in Afrika nicht ohne Folgen. Auf der Homepage von Freedom House wird zum Beispiel darauf hingewiesen, dass eine Anzahl »of former one-party socialist states, such as Mali, Benin, Niger and Cape Verde, have since the collapse of the Soviet Union successfully established durable political systems based on electoral accountability and alternance in government«.54 Eine ganz wesentliche Ursache für die Entstehung zahlreicher neuer demokratischer Staaten in dieser Phase dürfte also primär im Zusammenbruch der Sowjetunion und nicht in einem Globalisierungsschub liegen. Vor dem Hintergrund des Artikels von Griswold lässt sich konstatieren, dass es durchaus Zusammenhänge zwischen Globalisierung und der Verbreitung von demokratischen Strukturen gibt, Letztere aber nicht auf das Wirken von Freihandel oder ökonomischer Freiheit im Sinne des EFN redu-

50 Freedom House definiert ›Freiheit‹ in seinen jährlichen Berichten »according to two broad categories that are derived from the Universal Declaration of Human Rights: political rights and civil liberties (Homepage Freedom House, FAQ [http://www.freedomhouse.org – 13.03.2008])«. 51 Griswold 2004, 6. 52 Ebenda, 12. 53 Ebenda, 5. 54 Homepage Freedom House [http://www.freedomhouse.org – 12.03.2008].

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ziert werden darf.55 Davon sind auch die Verantwortlichen von Freedom House (deren Zahlen Griswold benutzt) überzeugt, wenn sie in ihrem Mission Statement schreiben: »Freedom ultimately depends on the actions of committed and courageous men and women.«56 Der in Publikationen von Organisationen wie dem Cato Institute und dem EFN unterstellte Zusammenhang zwischen Globalisierung, insbesondere in Gestalt von Freihandel und ökonomischer Integration, einerseits und sozialem und ökonomischem Fortschritt andererseits findet seinen Niederschlag auch auf der Ebene des politischen Diskurses, wobei die oben bei Griswold angemerkte Zurückhaltung, explizit kausale Zusammenhänge zu konstruieren, oftmals deutlich weniger ausgeprägt ist. So verlieh Clinton 2000 in einer Rede vor zirka 1000 der weltweit einflussreichsten WirtschaftsführerInnen auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos der Überzeugung Ausdruck, »[that the] globalized economy prizes human development above all else«.57 Die Schwierigkeiten bei der vollen Realisierung der positiven Potenzen der ökonomischen Globalisierung lägen Clinton zufolge teilweise darin begründet, dass es nicht mehr solcher Foren gäbe, innerhalb derer es möglich ist, »[to] seek common understandings on worker rights, the environment and other contentious issues«.58 Ferner äußerte er, dass es sein wichtigster Wunsch sei, »that the global business community could adopt a shared vision for the next 10 to 20 years about what [they] want the world to look like, and then go about trying to create it in ways that actually enhance [their] business, but do so in a way that helps other people as well«.59

Nicht PolitikerInnen, Regierungen oder andere RepräsentantInnen des Willens oder der Interessen der BürgerInnen sollten offensichtlich die Welt gestalten, sondern eine nicht genauer spezifizierte ›global business community‹. In der gleichen Rede beschrieb Clinton auch die positiven Konsequenzen offener Märkte und eines geregelten Handels: »I think we have got to reaffirm unambiguously that open markets and rules-based trade are the best engine we know of to lift living standards, reduce environmental destruction and build shared prosperity. This is true whether you’re in Detroit, Davos, Dacca or Dakar. Worldwide, open markets do create jobs. They do raise incomes.«60

55 56 57 58 59 60

Vgl. S. 164. Homepage Freedom House [http://www.freedomhouse.org – 12.03.2008]. Clinton 2000, o.S. Ebenda. Ebenda. Ebenda.

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Neben der globalismustypischen sprachlichen Gleichmacherei (›whether you’re in Detroit, Davos, Dacca or Dakar‹), die den unterschiedlichen Bedingungen in keiner Weise gerecht wird, ist die auch sprachlich markierte Gewissheit über das positive Wirken freier Märkte auffällig: ›Worldwide, open markets do create jobs. They do raise incomes.‹ Für die Tatsache, dass beispielsweise die Verlagerung von Industriearbeitsplätzen nach Asien und Osteuropa zur Zerstörung von Arbeitsplätzen und verstärktem Lohndruck durch offene Märkte nicht zuletzt auch in den USA geführt hat, ist in einer solchen Argumentation kein Raum. Dass weder Clintons Vertrauen in die WirtschaftsführerInnen noch sein Optimismus bezüglich der Wirkungen offener Märkte allgemein geteilt werden, zeigen nicht zuletzt die Protestveranstaltungen der letzten Jahre, die alle Sitzungen des IMF, der WTO, des Weltwirtschaftsforums, die Treffen der G7 beziehungsweise G8 und ähnliche Veranstaltungen begleitet haben. Blair als einer der überzeugtesten Vertreter der ökonomischen Globalisierungsagenda hat die Bedenken ihrer GegnerInnen zwar verschiedentlich zur Kenntnis genommen, argumentiert aber auch, dass die Schlussfolgerung nicht sein dürfe, dass die Liberalisierung des weltweiten Handels umgekehrt wird. Aus seiner Sicht würde sich dies insbesondere negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung der armen Länder auswirken. Das Schlimmste, was diesen passieren könnte, wäre ein Ende der Handelsliberalisierungsagenda und eine neuerliche globale Aufrichtung von Handelsbarrieren: »The right conclusion is that we have an enormous job to do to convince the sincere and well-motivated opponents of the WTO agenda that the WTO can be, indeed is, a friend of development, and that far from impoverishing the world’s poorer countries, trade liberalisation is the only sure route to the kind of economic growth needed to bring their prosperity closer to that of the major developed economies.«61

Blair charakterisiert hier die GegnerInnen der Ausrichtung der WTO scheinbar wohlwollend (›the sincere and well-motivated opponents‹), letztlich aber doch herablassend als ignorant gegenüber den ›Fakten‹ (›the WTO can be, indeed is, a friend of development‹). Mit dem undifferenzierten Verweis auf ›economic growth‹, der auch von anderen BefürworterInnen eines uneingeschränkten Freihandels und verstärkter globaler ökonomischer Integration benutzt wird, ist allerdings noch nichts über die Auswirkungen beispielsweise auf die allgemeine Wohlfahrt der Mehrheit der Bevölkerung in den betroffenen Ländern gesagt.62

61 Blair 2000d, o.S. 62 Vgl. Costanza et al. 2009, 1: Kritisiert wird die unangemessene Verwendung des BSP »as a measure of national well-being, something for which it was never designed. We also question the idea that economic growth is always synonymous with improved well-being. Useful measures of progress and well-being must be measures of the degree to which society’s goals (i.e., to sustainably provide basic

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Die aktuellen Realitäten des Welthandels legen allerdings ohnehin die Schlussfolgerung nahe, dass der Grundsatz eines uneingeschränkten Freihandels zwar immer wieder vehement vertreten wird, aber die Im- und Exportpolitik der EU, die auch von Großbritannien mitgetragen wird, um nur ein Beispiel zu nennen, davon durchaus abweicht.63 Angesichts der Auswirkungen der EU-Handelspolitik auf die ärmsten Länder stellte Clinton 2000 die folgende Forderung auf: »Europe should put its agricultural subsidies on the table. If even one-third of the world’s subsidies and tariffs in agriculture were eliminated, the poorest developing countries that could export would gain more than $4 billion in economic benefits every single year.«64

Es dürfte als sicher gelten, dass Clinton bei dieser Äußerung auch die Interessen des amerikanischen Agrobusiness im Hinterkopf hatte. Es sei nur am Rande erwähnt, dass die EU ihrerseits immer wieder Kritik an der Subventions- und Handelspolitik der USA übt. Die sowohl von Blair als auch Clinton vertretene Überzeugung, dass eine umfassende Handelsliberalisierung mit Notwendigkeit zu positiven Entwicklungen in den armen Ländern und zu einer Verringerung des Abstandes zu den führenden Industrienationen führt, ist ein wesentlicher Bestandteil des Globalismus und wird auch von anderen PolitikerInnen und WirtschaftsführerInnen immer wieder undifferenziert vertreten. Angesichts der fortbestehenden gravierenden Probleme in vielen armen Ländern stellt sich allerdings die Frage, warum diese trotz der Öffnung ihrer Märkte und einer stärkeren Einbindung in den Welthandel nicht in dem erwarteten beziehungsweise prognostizierten Maße profitiert haben. Im Economist, der ökonomische Liberalisierung und Freihandel grundsätzlich befürwortet, wird in einem Artikel 1999 von folgendem Gedankenspiel ausgegangen: »In 1900, if you had told an economist what technological progress was going to be made during the century, especially in world-shrinking transport and communications, he […] would first have fainted in disbelief. Then, when he had recovered, this learned economist might well have forecast that in such a shrinking world the gap in wealth and income per head between rich countries and poor ones would also narrow.«65

human needs for food, shelter, freedom, participation, etc.) are met, rather than measures of the mere volume of marketed economic activity, which is only one means to that end.« 63 Vgl. Stiglitz 2006, Kap. 3 »Eine faire Welthandelsordnung«. 64 Clinton 2000, o.S.; vgl. auch Godfrey 2002, o.S. 65 »Survey 20th Century. Free to Be Poor.« The Economist, 11.09.1999, o.S.

178 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

Im Folgenden werden dann in dem gleichen Artikel die tatsächlichen Entwicklungen beschrieben. Die zentrale Aussage, die sich auf eine Studie von Pritchett im Journal of Economic Perspectives aus dem Jahre 1997 stützt, ist, dass sich der Abstand zwischen den reichsten und den ärmsten Ländern von 1870 bis 1990 nicht etwa verringert, sondern deutlich vergrößert hat. 1870 betrug laut Pritchett das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen in den siebzehn reichsten Staaten der Welt das 2,4-Fache aller anderen Länder. Für 1990 betrug der entsprechende Wert 4,5, und die Kluft vergrößert sich weiter.66 Zunehmende globale ökonomische Integration und Freihandel per se führen offensichtlich trotz aller gegenteiligen Behauptungen nicht notwendigerweise oder im Alleingang zu mehr allgemeiner Prosperität aller involvierten Länder. Interessant sind in diesem Zusammenhang die für den Globalismus charakteristischen diskursiven Strategien, mit solchen offensichtlichen Problemen umzugehen. So konzedierte Clinton in der oben zitierten Rede, dass Handel nicht im Alleingang die Armut zahlreicher Entwicklungsländer beseitigen könne: »Trade is essential to growth in developing countries, but it is not sufficient for growth in developing countries. Sustained growth requires investment in human capital, education, health care, technology, infrastructure.«67 Er betonte ferner, er erhoffe sich von einer radikalen Entschuldung der armen Ländern die Verwandlung eines »vicious cycle of debt and poverty into a virtuous cycle of development and trade«, der es diesen Staaten ermöglichen würde, in stärkerem Maße in ihre Zukunft zu investieren.68 Die entscheidende Frage bleibt aber, inwieweit solche Einsichten auch durch konkrete Maßnahmen untersetzt werden. Wichtig wären zum Beispiel neben einer radikalen Entschuldung und einer Beseitigung von Handelsschranken für Entwicklungsländer vor allem eine Verbesserung der Zielgenauigkeit und Nachhaltigkeit von Entwicklungshilfe. Angesichts der Tatsache, dass etwa 70% der Armen in den Entwicklungsländern in ländlichen Gegenden leben und ihren Lebensunterhalt direkt oder indirekt aus der Landwirtschaft bestreiten, wäre ein Wachstum des landwirtschaftlichen Sektors für eine dauerhafte Reduzierung der Armut und zur Sicherung der Lebensmittelversorgung ein entscheidender Faktor.69 Die logische Schlussfolgerung wäre also, mehr Ressourcen in die landwirtschaftliche Entwicklungshilfe zu lenken, da dieser Bereich, im Gegensatz zu der Gewinnung von Öl, Holz und Mineralien, weitestgehend nicht von privaten ausländischen Investitionen profitiert. Ferner müsste die Hilfe auf die bedürftigsten Länder konzentriert werden, da gerade in diesen auch die Möglichkeiten der Nutzung heimischer privater oder staatlicher Investitio-

66 67 68 69

Pritchett 1997, 11. Clinton 2000, o.S. Ebenda. FAO 2002, o.S.

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nen besonders gering ist. Die FAO weist in einem Bericht des Jahres 2000 aber darauf hin, dass die Realität völlig anders aussieht. Die offizielle Entwicklungshilfe für den Bereich Landwirtschaft ist zwischen 1990 und 1999 real um 48% gefallen. Darüber hinaus scheinen sich die Hilfen nicht wirklich an der Bedürftigkeit zu orientieren: »Data for 1997–99 indicate that countries where less than 5 percent of the population was undernourished received more than three times as much EAA per agricultural worker as countries where more than 35 percent of the population was undernourished.«70

Eine nachhaltige Verbesserung der Situation in den ärmsten Ländern könnte also nur erreicht werden, wenn die konkreten Schritte sich in verstärktem Maße an den tatsächlichen Bedürfnissen und Gegebenheiten orientieren. Dies scheint aber oftmals nicht der Fall zu sein. So konstatiert der Bericht der FAO des Jahres 2006 wiederum: »Development assistance does not target the neediest countries. External assistance to agriculture and rural development has declined compared with the levels of the 1980s.«71 Neben unzähligen Einzelinitiativen unterschiedlichster staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen sowie von Einzelpersonen sind es vor allem die Aktivitäten, die im Rahmen der 2000 von allen UN-Mitgliedsstaaten angenommenen Millennium Declaration sowie der Millennium Development Goals (MDGs) unternommen werden, die Anlass zu der Hoffnung geben, dass eine nachhaltige Verbesserung der Situation in den Entwicklungsländern möglich ist. Neben den beeindruckenden Erfolgen, die bereits bei der Annäherung an die MDGs erzielt worden sind, war aber schon 2007 (Zieldatum ist 2015) klar, dass ohne eine Trendumkehr in bestimmten Bereichen und für bestimmte Regionen beziehungsweise Länder die Ziele verfehlt werden würden und dass es sogar Rückschritte gibt.72 Die Presseerklärung zur Veröffentlichung des Fortschrittsberichtes 2007 beginnt mit folgender Überschrift: »UN Report Points to Serious Shortfalls in Development Aid. Millennium Goals in Jeopardy, Secretary-General Warns.«73 Der Generalsekretär der UN, Ban Ki-moon, erklärte im Vorwort zum Bericht unmissverständlich den Ernst der Situation: »The world wants no new promises. It is imperative that all stakeholders meet, in their entirety, the commitments already made in the Millennium Declaration, the 2002 Monterrey Conference on Financing for Development, and the 2005 World Summit. In particular, the lack of any significant increase in official development

70 71 72 73

Ebenda. FAO 2006, o.S. UN 2007c, o.S. UN 2007b, o.S.

180 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR assistance since 2004 makes it impossible, even for well-governed countries, to meet the MDGs.«74

Ungeachtet der Versprechungen der führenden Industriestaaten auf dem G8Gipfel 2005 in Gleneagles, bis 2010 die Entwicklungshilfe für Afrika zu verdoppeln, ist im Vergleich von 2005 und 2006 der Gesamtbetrag der offiziellen Entwicklungshilfe erstmals seit 1997 gefallen (5,1%).75 Am 31. Juli 2007 beschrieb Großbritanniens neuer Premierminister, Brown,76 die Situation in ungewöhnlicher Offenheit. Vor dem Hintergrund der auf den Treffen in New York 2000, in Doha 2001, in Johannesburg und Monterrey 2002, in Gleneagles und New York 2005 sowie Heiligendamm 2007 gemachten Versprechungen und der unzureichenden Fortschritte kam er zu folgender Feststellung: »We cannot allow our promises that became pledges to descend into just aspirations, and then wishful thinking, and then only words that symbolise broken promises. We did not make the commitment to the Millennium Development Goals only for us to be remembered as the generation that betrayed promises rather than honoured them and undermined trust that promises can ever be kept. So it is time to call it what it is: a development emergency which needs emergency action.«77

Brown steht mit seinen kritischen Äußerungen durchaus nicht allein da, aber es stellt sich doch immer die Frage, inwieweit sie auch in konkrete Maßnahmen münden. Eine Arbeitsgruppe der UN, die den erreichten Stand bei der Verwirklichung der MDGs untersucht, kommt in ihrem Bericht des Jahres 2009 vor dem Hintergrund der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise zu der Einschätzung, dass die Verpflichtungen zur Armutsbekämpfung in einer Welt, die sich mit Wirtschafts-, Ernährungs- und Umweltkrisen konfrontiert sieht, immer wichtiger werden. Sie weist aber auch auf folgende Tatsachen hin: »Although development assistance rose to record levels in 2008, donors are falling short by $35 billion per year on the 2005 pledge on annual aid flows made by the Group of Eight in Gleneagles, and by $20 billion a year on aid to Africa, according to UN estimates.«78

Darüber hinaus hat sich ein großer Teil der Steigerung der offiziellen Entwicklungshilfe seit dem Jahre 2000 auf einige wenige sogenannte ›post-

74 UN 2007c, 3. 75 UN 2007b, o.S. 76 Brown war von Mai 1997 bis Juni 2007 Finanzminister in den Regierungen von Blair. Im Juni 2007 trat er die Nachfolge von Blair als Premierminister an. 77 Brown 2007, o.S. 78 UN 2009b, o.S.

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conflict countries‹ (u.a. Irak und Afghanistan) konzentriert, während viele der ärmsten Länder nur sehr geringe Steigerungen verzeichnen konnten.79 Ohne die erreichten Fortschritte bei der Verbesserung der Situation in den Entwicklungsländern oder die positive Rolle Großbritanniens seit der Regierungsübernahme durch die Labour Party schmälern zu wollen,80 sind die vielfältigen staatlichen und nichtstaatlichen Bemühungen in gewisser Weise aber auch ein deutlicher Beleg für die Tatsache, dass marktwirtschaftliche Prinzipien zwar einen wichtigen Platz in der Entwicklungspolitik einnehmen, der Markt allein aber letztlich die Probleme nicht lösen kann. Für die Bewertung der auch von New Labour propagierten Freihandelsdoktrin ist es aufschlussreich, einen Blick zurück auf die Vorgänge während der Weltwirtschaftskrise in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts zu werfen, erlaubt er doch eine interessante Betrachtung der sich verändernden Haltung der führenden Industrienationen zum Freihandel. Die Debatte über die genauen Ursachen der Weltwirtschaftskrise, über die Fehler und Versäumnisse einzelner Regierungen im Bereich der Anpassung der Zinssätze in einer Liquiditätskrise, über die Gestaltung der Regierungsausgaben zur Ankurbelung der Wirtschaft usw. ist bis heute unter Fachleuten nicht endgültig beendet. Eine wesentliche Rolle bei der Entstehung und Verschärfung der Krise sollen Handelsbeschränkungen gespielt haben. So weist Stiglitz darauf hin, dass Ende der zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre eine Reihe von Zollerhöhungen maßgeblich zur Verschärfung der Weltwirtschaftskrise beigetragen haben. Als Reaktion auf die Rezession wurden von allen Ländern, die unter ihr litten, die Einfuhrbeschränkungen restriktiver gestaltet. Daraus wiederum erwuchsen Nachteile für andere Länder, die dann ihrerseits ihre Handelsschranken weiter erhöhten. Das Ergebnis war ein Teufelskreis, der immer tiefer in die Rezession führte.81 Man könnte daraus schließen, dass die seinerzeit von der Krise betroffenen Länder ihre ›Lektion‹ gelernt haben und heute zu Recht die Meinung vertreten, dass Freihandel grundsätzlich positiv sei. Bei differenzierterer Betrachtung der tatsächlichen Politik einzelner Länder wird aber schnell deutlich, dass der Freihandel zwar allgemein propagiert, aber oft nicht konsequent praktiziert wird. So zeigen die gemeinsame Agrarpolitik der EU und die Behandlung der Agrarproblematik im Rahmen der EU-Erweiterung unmissverständlich, dass die sakrosankte Idee des Freihandels durchaus auf dem Altar nationaler Interessen geopfert wird, wenn es die konkrete Situation geboten erscheinen lässt – was übrigens auch auf die USA und andere Industrienationen zutrifft. Der als Teil des Globalismus propagierte Freihandel kann aber nur dann ein effektives Mittel zur Verbesserung der Lage

79 Ebenda. 80 Vgl. Manning 2009, 551-571. 81 Stiglitz 2006, 105. Eine detaillierte Analyse der Bankenkrise (68ff.) und der Einführung von protektionistischen Handelsbestimmungen (119ff.) findet sich bei James 2001.

182 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

der armen Länder sein, wenn die gehandelten Produkte auch tatsächlich einen fairen Preis erzielen und die Märkte der reichen Länder offen sind. Genau dies ist aber oft nicht der Fall. Nicht zuletzt, weil es den Industrienationen in höherem Maße gelingt, internationale Organisationen wie die WTO für die Ausgestaltung des globalen Handelsregimes in ihrem Interesse zu nutzen, als dies die armen Länder können.82

7.4 K APITAL

UND

ARBEIT

Vor dem Hintergrund des veränderten globalen ökonomischen Umfeldes, der angestrebten ›harmonischen‹ Beziehung zwischen New Labour und der Wirtschaft sowie der Geschichte der Partei stellte sich mit Notwendigkeit die Frage, wie sich die Partei in der Regierungsverantwortlichkeit bezüglich des Verhältnisses zwischen Kapital und Arbeit im Allgemeinen und zu den Gewerkschaften im Besonderen positionieren sollte. Insbesondere die Gestaltung des Verhältnisses zu den Gewerkschaften stellte aufgrund der im Vergleich zu anderen Parteien traditionell größeren Nähe der Labour Party ein Problem dar. Aus der Sicht der Gewerkschaften bestand eine grundsätzliche Schwierigkeit in der nur schwer zu quantifizierenden, aber doch in weiten Gesellschaftsschichten und zunehmend auch unter ArbeitnehmerInnen verbreiteten und von VertreterInnen der Wirtschaft sowie Wirtschaftsliberalen unterschiedlichster Provenienz als Bestandteil des Globalismus propagierten Ansicht, dass Gewerkschaften bei der Sicherung wirtschaftlichen Erfolges und der Ansiedlung von Unternehmen im globalen Wettbewerb eher ein ›Standortnachteil‹ seien. Die Gewerkschaften werden dabei aber nicht unbedingt direkt angegriffen, sondern es wird eher auf die Notwendigkeit der weiteren Deregulierung als einem wichtigen Aspekt der Stärkung des Wirtschaftsstandortes hingewiesen. Da die Gewerkschaften naturgemäß ein ›Problem‹ bei der erfolgreichen Durchsetzung von Deregulierungsbemühungen, insbesondere im Bereich der Regelung von Mindestlöhnen, Tarifen, Entlassungen und Arbeitsschutzbestimmungen, darstellen, erübrigt sich eine direkte Kritik weitestgehend. Eine solche mittelbare Kritik der Rolle von Gewerkschaften findet sich beispielsweise in Dokumenten wie dem Jahresbericht des EFN von 2007. Für die Berechnung des bereits an anderer Stelle erwähnten EFW-Index83

82 Stiglitz beschreibt typische Verhandlungen zu Handelsfragen folgendermaßen: »In aller Regel wählen die USA und die EU gemeinsam ein paar Entwicklungsländer aus, mit denen sie im ›Green Room‹ in der WTO-Zentrale in Verhandlungen eintreten – wobei sie oftmals starken Druck auf diese ausüben, damit sie aus der gemeinsamen Front mit anderen Entwicklungsländern ausscheren (Stiglitz 2006, 133-134).« 83 Vgl. S. 166.

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zur Quantifizierung des Grades der ökonomischen Freiheit in konkreten Staaten werden fünf verschiedene Bereiche (1. Size of Government: Expenditures, Taxes, and Enterprises, 2. Legal Structure and Security of Property Rights, 3. Access to Sound Money, 4. Freedom to Trade Internationally und 5. Regulation of Credit, Labor, and Business) berücksichtigt, die jeweils mit spezifischeren Komponenten untersetzt sind.84 Bezüglich des Bereiches 5 wird u.a. darauf hingewiesen, dass unterschiedlichste Regulierungsmechanismen die ökonomische Freiheit sowohl von ArbeitgeberInnen als auch ArbeitnehmerInnen einschränken: »Among the more prominent are minimum wages, regulations, centralized wage setting, extension of union contracts to nonparticipating parties, and conscription. […] In order to earn high marks in the component rating regulation of the labor market, a country must allow market forces to determine wages and establish the conditions of hiring and firing, and refrain from the use of conscription.«85

Angesichts der Auffassung, dass nicht nur die Löhne, sondern auch Bestimmungen zu Einstellungs- und Entlassungsregularien dem Markt überlassen werden müssen (›must allow market forces to determine wages and establish the conditions of hiring and firing‹), kann die implizite Haltung zu Gewerkschaften nicht überraschen. Neben dem Staat sind es naturgemäß die Gewerkschaften (sofern überhaupt effektiv vorhanden), die in allen ›Problembereichen‹ von ganz entscheidender Bedeutung für die Setzung von Normen sind. Auch ohne dass sie explizit erwähnt werden,86 ist klar, dass Gewerkschaften ebenfalls zu den ›Problemen‹ gehören, die das effiziente Wirken der Marktkräfte unterminieren und letztlich zu einem schlechteren EFW-Rating führen. John Blundell, seinerzeit Generaldirektor des einflussreichen britischen IEA, ging bezüglich der negativen Folgen von Gewerkschaften sogar noch weiter und formulierte dies in polemischer Form 2003. In einem Artikel im Scotsman verlieh er seiner Überzeugung Ausdruck, dass Gewerkschaften letztendlich zu einer Verarmung aller ArbeitnehmerInnen beitrügen. Die Ansicht, dass Gewerkschaften deren Situation verbessern würden, betrachtete er als »primitive folk memory«: »But for trade unions, the idea goes, the workers would be earning far less and possibly living in destitution under the exploitation of the cold-hearted capitalists. At a superficial level this argument still has a coherence. However, it is worth reciting why trade unions achieve the opposite of their nominal purpose […]. They are worse

84 Gwartney and Lawson with Hall 2007, 9. 85 Ebenda, 12. 86 Ein weiteres Beispiel für diskursrelevante absences.

184 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR than any tribal rain-makers because they achieve the impoverishment of all working people.«87

Der Vergleich von Regenmachern und Gewerkschaften in dem Artikel zielt eindeutig auf eine Herabwürdigung, ja Leugnung der historischen Rolle von Gewerkschaften bei der Verbesserung der Lebenssituation von Millionen ArbeitnehmerInnen. Hier werden durch Formulierungen wie ›tribal rainmakers‹ einerseits die Gewerkschaften verunglimpft und als archaische Institutionen charakterisiert sowie andererseits auch die zumindest rudimentär immer noch unter ArbeitnehmerInnen vorhandene Überzeugung, dass Gewerkschaften zu einer Verbesserung ihrer Lage beitragen können, als ›primitive folk memory‹ abqualifiziert. Blundell begründet seine Einschätzung der negativen Rolle von Gewerkschaften mit Verweis auf die Idee der Grenzproduktivität und zitiert Hayek: »[T]he power of any one union to raise the wages of its members rests on their preventing the movement of workers from points where their marginal productivity is high. This must result in the overall marginal productivity of labour, and therefore the level of real wages being kept lower than it would otherwise be.«88

Diese Einschätzung von Hayek ist für Blundell »the most succinct exposition of why trade unions impoverish us all – including their loyal members. Working class solidarity may have a certain poetic appeal. It is entirely bogus.«89 Solche unverhüllten Angriffe auf Gewerkschaften sind in Großbritannien seit der Thatcher-Ära zwar nichts Außergewöhnliches mehr, aber für VertreterInnen von New Labour wären sie, trotz wirtschaftsfreundlichem Kurs und aller Spannungen zwischen den Gewerkschaften und der Partei, auch weiterhin undenkbar. Im Unterkapitel 6.4 wird darauf verwiesen, dass die Parteiführung von New Labour im Vorfeld der Wahlen von 1997 sehr bemüht war, sich möglichst deutlich von den Gewerkschaften zu distanzieren. Im Wahlkampfprogramm war viel Wert darauf gelegt worden, dass auch das Verhältnis zu den Gewerkschaften Teil des ›Modernisierungsprogrammes‹ von New Labour war und dass deren politischer Einfluss auf die Partei zurückgedrängt worden war: »We have changed the way we make policy, and put our relations with the trade unions on a modern footing where they accept they can get fairness but no favours from

87 Blundell 2003, o.S. 88 Hayek, zit. nach Blundell 2003, o.S. 89 Blundell 2003, o.S.

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a Labour government. Our MPs are all now selected by ordinary party members, not small committees or pressure groups.«90

Ferner wurde in dem Wahlprogramm betont, dass New Labour keine Gruppeninteressen unterstützen würde: »We are a broad-based movement for progress and justice. New Labour is the political arm of none other than the British people as a whole.«91 Es wäre aber falsch, aus den Bemühungen um öffentliche Distanz vor der Wahl 1997 und in der ersten Legislaturperiode zu schlussfolgern, dass damit ein Prozess der vollständigen Trennung der Labour Party von den Gewerkschaften eingeleitet worden sei. Zutreffend ist vielmehr die folgende Charakterisierung von Dunleavy aus dem Jahre 1993: »Labour now is a fairly straightforward piece of machinery, dominated by the party leadership and Parliamentary party, but housed in the shell of an older and larger labour movement which grows less relevant as the years go by.«92 Die Beziehung zu den Gewerkschaften stellte allerdings auch zehn Jahre nach dem Machtantritt von New Labour immer noch einen nicht zu unterschätzenden Faktor dar. Die Partei ist auch weiterhin zu einem nicht unwesentlichen Teil von den finanziellen Zuwendungen der affiliierten Gewerkschaften abhängig, und die konkrete Politik der Labour-Regierungen seit 1997 hat – ungeachtet der öffentlichen Distanzierungsversuche – durchaus Forderungen, die auch oder besonders von den Gewerkschaften gestellt wurden, erfüllt. So haben beispielsweise die Unterzeichnung der Sozialcharta der EU und die Einführung eines Mindestlohnes in der ersten Amtsperiode von Blair die Rechte der ArbeitnehmerInnen substanziell gestärkt.93 Ähnlich wie bei den im Wahlkampfprogramm von 1997 zum Thema Umweltschutz enthaltenen und an anderer Stelle analysierten Vorschlägen ist auch hier ein Blick auf die gewählten Formulierungen in den unterschiedlichen Teilen der Wahlkampfplattform interessant. In Britain will be better with new Labour wird klar formuliert, dass das Ziel eines nationalen Mindestlohnes darin besteht, »to tackle low pay«.94 In dem Business Manifesto hingegen waren die VerfasserInnen sichtlich bemüht, mögliche Bedenken der Wirtschaft auszuräumen. Auch beim Mindestlohn, ähnlich wie bei der Festlegung von Umweltauflagen, sollten die VertreterInnen der Wirtschaft direkt in den Meinungsbildungsprozess einbezogen werden: »The case for a minimum wage is accepted in the rest of Europe, the USA and Japan. Of course that minimum must be sensible. We will only set a figure for the minimum wage after consultation with business, including small firms, and at a level which

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Labour Party 1997a, o.S. Ebenda. Dunleavy 1993b, 135. Taylor 2005, 187. Labour Party 1997a, o.S.

186 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR does not harm competitiveness. An independent low pay commission will advise the government on what the minimum wage should be and business, large and small, will be represented on it.«95

Die punktuelle Stärkung der Rechte der ArbeitnehmerInnen durch New Labour wird aber nicht notwendigerweise den gesellschaftlichen Einfluss der Gewerkschaften wieder vergrößern, sondern möglicherweise sogar weiter unterminieren. Eine ähnliche Einschätzung findet sich 2006 auch im Economist: »by passing laws to secure rights for the entire workforce that were previously obtained by collective bargaining, Mr Blair may, paradoxically, have undercut the unions by reducing their attractiveness«.96 In den Jahren 2004/2005 wurde deutlich, dass die Labour Party insbesondere im Vorfeld von Wahlen und angesichts von zu befürchtenden Attraktivitätsverlusten bei den WählerInnen nicht auf die Unterstützung der Gewerkschaften verzichten mochte. Deutlicher Ausdruck des Bemühens, das Verhältnis zu den Gewerkschaften wieder zu verbessern, war das sogenannte Warwick Agreement vom Juli 2004. Im Economist wurde die Vereinbarung folgendermaßen kommentiert: »As the party’s electoral appeal has waned, the influence of the unions has increased. Facing a difficult election in 2005, the government committed itself to a shopping-list of union demands known as the ›Warwick Agreement‹. This was intended to reinforce what had become a strained relationship and ensure that union contributions continued to flow.«97

Ähnlich wurde auch im Guardian argumentiert, der schrieb, dass die Übereinkunft »made peace between discontented elements in the unions and the government. It thereby averted the threat of mass disaffiliation from the party by the unions and helped to secure union support for Labour in the 2005 election.«98 Das Warwick Agreement und die Kooperation im Wahlkampf 2005 bedeuteten aber nicht, dass die Führung der Labour Party ihre Haltung zu den Gewerkschaften grundsätzlich revidiert hatte. Sie war auch weiterhin aus den oben diskutierten Gründen bemüht, nicht als verlängerter Arm der Gewerkschaften oder gar als von ihnen kontrolliert zu erscheinen. So ist es auch nicht sonderlich überraschend, dass sich auf der von der Trade Union & Labour Party Liaison Organisation (TULO) betriebenen Internetplattform Unions Together99 deutlich mehr Details zu der engen Zusammenar-

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Labour Party 1997b, o.S. »The Ties that (Still) Bind.« The Economist, 08.06.2006, o.S. Ebenda. The Guardian Online, 13.09.2005 [http://politics.guardian.co.uk – 02.08.2007]. Unions Together ist die von der TULO betriebene Homepage. Die TULO ist der organisatorische Rahmen für die Zusammenarbeit der Labour Party mit den

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beit zwischen der Labour Party und den Gewerkschaften als auf der offiziellen Homepage der Partei fanden.100 Es kann mit einiger Sicherheit angenommen werden, dass das Warwick Agreement eine wichtige Voraussetzung für die Gewährung der uneingeschränkten Unterstützung von New Labour durch die Gewerkschaften im Wahlkampf 2005 war. Diese Unterstützung dürfte einen nicht zu unterschätzenden Anteil am dritten Wahlsieg von Labour in Folge gehabt haben – zumindest waren die Gewerkschaften beziehungsweise die TULO davon überzeugt. In der Einleitung der Broschüre General Election 2005: The TULO Strategy Delivered. How the Unions Helped Labour Win a Third Term, wird Folgendes festgestellt: »It seems incredible to be writing the introduction of a General Election Report that saw a Labour Government returned for a third consecutive term. We firmly believe that the financial and organisational support of the trade unions was central to this historic accomplishment.«101

Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang aber auch, dass zumindest die Gewerkschaften, die unter dem Dach der TULO zusammenarbeiteten, im Vorfeld der Wahl 2005 eine modifizierte Strategie verfolgten, die einen direkteren Einfluss auf die Labour Party sicherstellen sollte. Im Bereich der finanziellen Unterstützung wurde die traditionelle Linie einer möglichst großzügigen Ausstattung des Wahlkampfes der Labour Party verfolgt. Es wird aber schon in der Einleitung der Broschüre deutlich darauf aufmerksam gemacht, dass dies nicht auf den organisatorischen Bereich zutraf: »At this election, through TULO, the trade unions pursued a coherent and systematic ›Third Party‹ strategy alongside the Party’s main campaign: a programme of direct mails to union members in key marginals; a postal vote recruitment exercise amongst union members; a website encouraging union members to get involved; and a network of Key Seat Co-ordinators and drivers on the ground to harness the energies of union volunteers. Although some elements of this strategy were familiar, the overall approach has marked a departure for how the affiliated trade unions organise to help the Party at election times.«102

Ungeachtet der Verbesserung des Verhältnisses zwischen den Gewerkschaften und der Labour Party im Vergleich zum Vorfeld der Wahlen des Jahres 1997 und in der ersten Legislaturperiode blieb die Situation problematisch für beide Seiten. Die Labour Party war auch weiterhin bemüht, in der Öf-

sechzehn affiliierten Gewerkschaften [http://www.unionstogether.org.uk – 02.08.2007]. 100 Homepage der Labour Party [http://www.labour.org.uk – 04.08.2007]. 101 TULO 2005, o.S. 102 Ebenda.

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fentlichkeit nicht den Eindruck einer Vorteilsbehandlung der Gewerkschaften entstehen zu lassen. Gleichzeitig wollte sie sich auf keinen Fall dem Vorwurf aussetzen, sie würde von den Gewerkschaften kontrolliert. In gewisser Weise ist dies allerdings solange unmöglich, wie die Labour Party nicht ihre Grundstruktur radikal verändert und die organisatorische Verschränkung mit den Gewerkschaften vollständig beendet. Dies wäre allerdings nicht nur ein Bruch mit einer nunmehr über hundertjährigen Geschichte der Zusammenarbeit, sondern auch finanziell sehr schwierig. Die Gewerkschaften befinden sich ihrerseits ebenfalls in einer komplizierten Situation. Die von Thatcher etablierten Antigewerkschaftsgesetze sind in ihrer Substanz auch weiterhin in Kraft, und New Labour beabsichtigte auch gar nicht, daran etwas zu ändern. Außerdem wurde auch die von Old Labour praktizierte Einbeziehung der Gewerkschaften in arbeitsmarktpolitische und andere ökonomische Institutionen nicht wieder aufgenommen.103 Die an anderer Stelle analysierten längerfristigen und anhaltenden wirtschaftlichen Trends (u.a. Wachstum des Dienstleistungssektors, Rückgang der Arbeitsplätze in der verarbeitenden Industrie), die bereits seit den 1970ern zu beobachten sind, unterminieren auch weiterhin die traditionellen Hochburgen der Gewerkschaften. Zugleich sind Wachstumssektoren wie der Dienstleistungsbereich durch einen geringen gewerkschaftlichen Organisationsgrad gekennzeichnet.104 Die Gewerkschaften konnten auch in den Jahren nach dem Regierungsantritt von New Labour die Mitgliederzahlen nicht wieder erhöhen. Diese stagnierten in etwa auf dem Niveau von 1997.105 Die Situation wäre aus der Sicht der Gewerkschaften noch dramatischer, wenn der Grad der gewerkschaftlichen Organisation im öffentlichen Dienst nicht immer noch signifikant höher wäre als in der privaten Wirtschaft. Voraussetzung zumindest für eine Konsolidierung der Mitgliederzahlen wäre aber die Umkehr des anhaltenden deutlichen Rückgangs des gewerkschaftlichen Organisationsgrades von Männern in der Privatwirtschaft und eine Fortsetzung der positiven Entwicklung für Frauen im öffentlichen Sektor, die seit etwa Mitte des Jahres 2003 zu beobachten ist.106 Angesichts der anhaltenden Forderungen nach Ausgabenbegrenzungen und einer ›Modernisierung‹ des Sozialstaates, die zu einem weiteren Beschäftigungsrückgang im öffentlichen Sektor führen würden, wird die Situation für die Gewerkschaften zukünftig aber kaum einfacher werden. So wurde im Economist 2006 darauf hingewiesen, dass es für die Gewerkschaften zukünftig schon schwierig sein dürfte, ihre Mitgliederzahlen auch nur zu konsolidieren:

103 104 105 106

Ludlam 2006, 462. Vgl. Department of Trade and Industry 2007, o.S. Vgl. ebenda. Vgl. ebenda.

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»Gordon Brown, the chancellor, warned on June 6th [2006] that the growth in public spending would soon fall from 5% to 2% a year. As spending declines and reforms bite, public-sector employment is likely to dwindle – and with it the unions’ biggest remaining source of strength.«107

Vor diesem Hintergrund konkreter Veränderungen stellen Angriffe auf die Gewerkschaften, ob nun in der unverhohlenen (Blundell) oder mittelbaren (EFN) Variante, einen Faktor dar, der tendenziell die gesamtgesellschaftliche Akzeptanz von Gewerkschaften weiter unterminiert. Diese Angriffe entfalten ihre Wirksamkeit insbesondere im argumentativen Kontext des Globalismus, als Teil dessen beispielsweise eine fortgesetzte Deregulierung des Arbeitsmarktes als unerlässliche Voraussetzung für ein erfolgreiches Bestehen der hochindustrialisierten Staaten im globalen Wettbewerb propagiert wird. Gewerkschaften, zumindest wenn sie sich der Logik dieser Argumentation verweigern, erscheinen mit Notwendigkeit als ein ›Problem‹. Die Notwendigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit der britischen Industrie zu erhöhen, gehörte von Beginn an zu den Grundüberzeugungen von New Labour. So äußerte Brown 2001 vor der britischen Handelskammer folgende Überzeugung: »[T]oday we know that in a global economy greater competition at home is the key to greater competitiveness abroad. We know that it is the openness of the economy, not its closed nature, that is the driving force in productivity growth.«108 Soweit es das Verhältnis von Kapital und Arbeit betrifft, ist dieser globale Wettbewerb ungeachtet aller in der Regel sehr allgemein gehaltenen Forderungen nach ›Flexibilität‹ und ›Mobilität‹ dadurch gekennzeichnet, dass sich regelmäßig lokale Arbeitskräfte und ein räumlich nicht in gleicher Weise gebundenes Kapital und dessen ManagerInnen in einer asymmetrischen Konstellation gegenübertreten. Die Zeit-RaumKompression wirkt sich zwar sowohl auf Kapital als auch auf Arbeit aus, aber eben nicht in gleicher Weise. Auf der einen Seite stehen, wie Bauman betont, lokal verpflichtete Arbeitskräfte: »burdened as they might be by family duties, home ownership and the like – [who] could not easily follow the company once it moves elsewhere«. 109 Auf der anderen Seite der Konstellation agieren die InvestorInnen und AktienbesitzerInnen, sofern es sich um börsennotierte Unternehmen handelt, in deren Interesse die jeweiligen Firmen geführt werden:

107 »The Ties that (Still) Bind.« The Economist, 08.06.2006, o.S. 108 Rede vor der British Chambers of Commerce, 05.05.2009, zit. in Owen 2001, 209. Den Unterschied zwischen Old Labour und New Labour charakterisiert Owen so: »The contrast with Old Labour, with its penchant for protecting national champions and rescuing ›lame ducks‹, could hardly be more striking (Owen 2001, 209).« 109 Bauman 1998b, 8.

190 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR »In principle there is nothing space-determined in the dispersion of the shareholders. They are the sole factor genuinely free from spatial determination. And it is to them, and to them only, that the company ›belongs‹ […] The company is free to move; but the consequences of the move are bound to stay. Whoever is free to run away from the locality, is free to run away from the consequences. These are the most important spoils of victorious space war.«110

Die lokalen Akteure, und dazu gehören nicht nur die Arbeitskräfte, sondern auch die PolitikerInnen, sehen sich einer nur scheinbar paradoxen Situation gegenüber: »Spatial barriers have collapsed so that the world is now a single field within which capitalism can operate and capital flows become more and more sensitive to the relative advantages of particular spatial locations.«111 Im Ergebnis der Restrukturierung der globalen Arbeitsteilung hat sich nicht nur zwischen einzelnen Nationen, sondern zwischen Regionen und lokalen Wirtschaftsräumen der Wettbewerb um neue Investitionen und die Sicherung von bestehenden Produktionsstandorten dramatisch verschärft. Durch die Möglichkeit der Dezentralisierung von Produktionsprozessen und der relativ problemlosen Relokalisierung von Produktionsstandorten, nicht zuletzt begünstigt durch großzügige staatliche oder kommunale Subventionen, aber auch durch die erhöhte Effizienz und die geringeren Kosten weltweiter Transport- und Kommunikationssysteme, sind insbesondere global operierende Unternehmen zunehmend in die Lage versetzt worden, die Bedingungen für Investitionen und Standortentscheidungen zu diktieren. In der Folge entsteht im globalen Maßstab ein permanenter Druck auf Staaten, Regionen und Kommunen, potenziellen InvestorInnen attraktivere Konditionen anzubieten. Mit Blick auf Großbritannien betont Owen, dass sich dessen Wirtschaft in den ersten Jahren nach dem Regierungsantritt von New Labour als Folge der zunehmenden globalen ökonomischen Integration in hohem Maße nicht nur den Herausforderungen eines verstärkten internationalen Wettbewerbs, rasanten technologischen Veränderungen und den Forderungen ›der Aktienmärkte‹ ausgesetzt sah, sondern durch die relative Stärke der britischen gegenüber den Währungen der wichtigsten Handelspartner in Europa noch zusätzlich unter Druck stand. Im Ergebnis des Zusammenspiels dieser Faktoren mussten sich insbesondere Firmen des industriellen Sektors auf Geschäftsbereiche konzentrieren, in denen sie eine realistische Chance hatten, auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu operieren, und sich aus anderen konsequent zurückzuziehen. Gleichzeitig strömte (wie bereits unter Thatcher und Major) auch weiterhin im großen Umfange ausländisches Kapital nach Großbritannien: »Despite the problems arising from the strength of the

110 Ebenda, 8-9. 111 Waters 1996, 57-58.

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pound, Britain was still seen – thanks to the reforms carried out in the 1980s and early 1990s – as an attractive manufacturing and exporting base.«112 In seiner Analyse der Auswirkungen der Restrukturierung der britischen Wirtschaft auf die öffentliche Meinung schreibt Busch, dass in Großbritannien die Erwartungshaltung gegenüber der Politik, die Konsequenzen solcher Entwicklungen abfedern oder gar verhindern zu können, deutlich weniger stark ausgeprägt ist als in vielen anderen Ländern. Er geht von einer höheren Akzeptanz der Tatsache aus, dass es sich hierbei um die unvermeidlichen Folgen von Marktwirtschaft und Wettbewerb handelt. Gründe dafür sieht er u.a. in den positiven Auswirkungen der globalen Integration auf den in Großbritannien starken Finanzsektor und dem profitablen Zustrom ausländischer Studierender.113 Ein wichtigerer Grund für die höhere Akzeptanz dürfte aber die während der Thatcher-Ära begonnene und von New Labour fortgesetzte positive Konnotation der Begriffe Marktwirtschaft und Wettbewerb im politischen Diskurs sein. An dieser Stelle ist kein Raum für eine ausführliche Beschreibung des konkreten Verlaufs der Restrukturierung der britischen Wirtschaft und der Auswirkungen zunehmender globaler ökonomischer Integration, aber es sollen doch zumindest einige Beispiele aus einer Analyse von Owen angeführt werden. Generell lag für ihn der Schlüssel zum Erfolg für britische Unternehmen in einer Spezialisierung auf bestimmte Aktivitäten und deren globale Ausweitung. Für diesen Trend stand zum beispielsweise die General Electric Company (GEC).114 Nach der Pensionierung ihres langjährigen Vorstandsvorsitzenden, Lord Weinstock, 1996 beschloss der neue Vorstand, sich auf Telekommunikationsausrüstungen zu spezialisieren. Die bis dahin größte Sparte, defence electronics, wurde an British Aerospace verkauft, mit dem Erlös eine Reihe von Akquisitionen in den USA getätigt und der Name der Firma in Marconi geändert, um den Wandel von ›everything electrical‹ zu einem hochspezialisierten global operierenden Telekommunikationsunternehmen auch sprachlich zu markieren.115 In einigen Fällen übernahmen Firmen wie das ursprünglich in britischem Besitz befindliche Pharmaunternehmen Glaxo eine Führungsrolle im Prozess globaler mergers and acquisitions. 1995 übernahmen sie Wellcome, und fünf Jahre später verschmolzen sie mit SmithKline Beecham zu einem Weltunternehmen. In anderen Fällen waren britische Unternehmen das Ziel von Übernahmen. In der chemischen Industrie gingen beispielsweise mittelgroße Firmen

112 Owen 2001, 210. 113 Busch 2006, 428. Der jährliche ›Wert‹ der ausländischen Studierenden für die britische Wirtschaft wird im Wahlprogramm der Labour Party von 2005 mit fünf Milliarden Pfund beziffert (Labour Party 2005). 114 Nicht zu verwechseln mit der amerikanischen Firma gleichen Namens. 115 Wesentliche Teile von Marconi wurden 2005 von Ericsson übernommen. Homepage Ericsson [http://www.ericsson.com/thecompany/press/releases/ 2005/10/1017515 – 27.12.2009].

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wie Courtaulds und Albright & Wilson in den Besitz ausländischer InvestorInnen über. Tendenziell waren es vor allem Unternehmen der old economy, die besonders hart von den Restrukturierungen betroffen waren. Dazu gehörte u.a. die Textilindustrie, für die es beispielsweise ein schwerer Schlag war, dass sich das Management von Marks & Spencer, die traditionell den größten Teil ihrer Produkte von Firmen mit Sitz in Großbritannien gekauft hatten, entschied, ihre LieferantInnen zunehmend an billigeren Produktionsstandorten im Ausland zu suchen. Gleichzeitig verlegten britische Textilunternehmen wie Courtaulds Textile und Coats Viyella größere Teile ihrer eigenen Produktionskapazitäten in Billiglohnländer – mit der Folge von Arbeitsplatzverlusten in Großbritannien. Neben solchen ganz konkreten Entscheidungen sahen sich insbesondere alle börsennotierten Firmen einem sich weiter erhöhendem Druck der AnteilseignerInnen ausgesetzt, ihre Profitabilität zu erhöhen.116 Die Restrukturierungsprozesse der britischen Wirtschaft wurden von New Labour aber nicht nur passiv zur Kenntnis genommen, sondern durch konkrete wettbewerbsfördernde gesetzgeberische Maßnahmen noch beschleunigt. Zu nennen wären insbesondere der 1998 Competition Act und der 2003 Enterprise Act.117 Crafts charakterisierte 2007 die konsequent wettbewerbsorientierte Politik der Labour-Regierungen mit dem Ziel, die Produktivität der britischen Wirtschaft zu erhöhen, als den radikalsten Wandel in der Wirtschaftspolitik. Dazu gehörten u.a. ein »rules-based system with ministerial discretion removed«, »pro-active powers« für die Wettbewerbsbehörden und schwere Strafen für »anti-competitive behaviour«.118 Neben den Auswirkungen des verschärften globalen Wettbewerbs, der in Großbritannien von New Labour ganz bewusst gefördert wurde, hat sich auch im Gefolge der zunehmenden Mobilität von Arbeitskräften der Druck auf den nationalen Arbeitsmarkt erhöht. Im Vorfeld der Wahlen von 1997 war Immigration allerdings kein Thema, das New Labour in den Mittelpunkt des Interesses rücken wollte, da man davon ausging, dass man damit nur Stimmen verlieren konnte.119 Im Wahlprogramm findet sich nur eine kurze Passage, in der (sicherlich auch mit Blick auf potentielle Vorwürfe der Konservativen) eingangs ausdrücklich betont wird, dass die Partei keine Lockerung der Einwanderungsrestriktionen beabsichtigt: »Every country must have firm control over immigration and Britain is no exception.«120 Arbeitsmigration wurde mit keinem Wort erwähnt, sollte aber neben der Asylproblematik in den folgenden Jahren zu einem bestimmenden Thema für New Labour werden. Im Folgenden wird das Thema Arbeitsmigration kurz charakterisiert, allerdings nur insofern es eine Auswirkung auf das Verhält-

116 117 118 119 120

Vgl. Owen 2001, 210-214. Crafts 2007, 286. Ebenda, 278. Spencer 2007, 341. Labour Party 1997a, o.S.

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nis von Kapital und Arbeit sowie auf die oben diskutierte Produktivitätsproblematik hatte. Den deutlichen Wandel der Haltung von New Labour zur Arbeitsmigration seit der Regierungsübernahme 1997 widerspiegelt schon das Wahlprogramm von 2001, in dem ein expliziter Zusammenhang zwischen Einwanderung und ökonomischen Erwägungen hergestellt wird. »People from abroad make a positive contribution to British society. As our economy changes and expands, so our rules on immigration need to reflect the need to meet skills shortages.«121 Im Wahlprogramm 2005 wurde dieser Aspekt noch stärker betont. Allerdings wurde das Thema vor dem Hintergrund der Asyldebatte bezeichnenderweise im Kapitel »Crime and security: Safe communities, secure borders« abgehandelt. Sicherlich auch in Reaktion auf die unter potentiellen WählerInnen weit verbreitete ablehnende Haltung zu verstärkter Einwanderung wurden die ökonomischen Vorteile hervorgehoben: »At a time when we have over 600,000 vacancies in the UK job market, skilled migrants are contributing 10-15 per cent of our economy’s overall growth.«122 Gleichzeitig wurde aber auch die Notwendigkeit von Kontrollen unterstrichen: »We need controls that work and a crackdown on abuse to ensure that we have a robust and fair immigration system fit for the 21st century that is in the interests of Britain.«123 Die gravierendste Änderung, um diese Interessen in höherem Maße zu berücksichtigen, war die Einführung eines Punktesystems für potentielle ImmigrantInnen: »More skills mean more points and more chance of being allowed to come here.«124 Der Wandel der Einwanderungspolitik von New Labour von ›immigration control‹ zu ›managed migration‹ kann als eine Reaktion auf eine auch in Fragen der Mobilität von Arbeitskräften zunehmend globalisierte Welt interpretiert werden. Insofern trug die sich wandelnde Politik ganz wesentlich den Bedürfnissen und Wünschen der in Großbritannien ansässigen Unternehmen Rechnung. Soweit es das Verhältnis von Kapital und Arbeit betrifft, wurde deren Verhandlungsposition auf dem Arbeitsmarkt durch ein größeres Angebot an Arbeitskräften naturgemäß gestärkt. Durch das Punktesystem wurde der Zuzug hochqualifizierter MigrantInnen nach Großbritannien ganz bewusst gefördert. Dieses Punktesystem wird auf der Homepage der Labour Party als eine der wichtigsten Errungenschaften der Einwanderungspolitik charakterisiert: »A new Australian-style points based system to ensure only those economic migrants who have the skills our economy needs can come to work in the UK.«125 Ein solches Punktesystem könnte allerdings auch als staatlich sanktionierter Brain Drain

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Labour Party 2001, o.S. Labour Party 2005, o.S. Ebenda. Ebenda. Homepage Labour Party [http://www.labour.org.uk/asylum_immigration_ policy – 27.12.2009].

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charakterisiert werden, der den auch auf der Homepage beschriebenen Entwicklungshilfestrategien von New Labour zuwiderläuft: »Labour works to promote education for all. From 2010 we will significantly increase spending on education in Africa to ensure eight million children have access to education.«126 Die positive Rolle Großbritanniens bei der globalen Entwicklungshilfe soll hier in keiner Weise negiert werden, aber es ist offensichtlich, dass die Nachhaltigkeit der Hilfe für die ärmsten Länder im Bildungssektor entscheidend davon abhängt, dass eine zunehmende Zahl der qualifizierten Arbeitskräfte auch in diesen Ländern verbleibt. Genau diesem Ziel laufen aber die nicht nur in Großbritannien, sondern auch in anderen hoch entwickelten Staaten praktizierten Einwanderungsregime zuwider. Die Problematik der Arbeitsmigration darf aber nicht auf die Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften verkürzt werden. So weist Spencer darauf hin, dass die Labour-Regierung (von der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt) auch die Voraussetzungen für eine erhöhte Zuwanderung in bestimmte Bereiche des Niedriglohnsektors schuf. Besonders aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang die Feststellung von Spencer, dass diese Initiativen von der ArbeitgeberInnenseite zwar begrüßt wurden, diese aber nur wenig Druck ausgeübt hatte, um ihre Einführung zu bewirken. Der Grund dafür war offensichtlich: »they were experiencing little difficulty finding irregular migrants, including asylum-seekers, who were willing to do the work«.127 Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass die Einwanderungspolitik im Bereich der Arbeitsmigration sowohl für qualifizierte Arbeitskräfte als auch im Niedriglohnsektor im Wesentlichen in Abhängigkeit von den Bedürfnissen der ArbeitgeberInnenseite modifiziert wurde. Als Teil des Globalismussubdiskurses Ökonomie erscheinen diese allerdings immer als Bedürfnisse ›des Arbeitsmarktes‹ beziehungsweise ›der Wirtschaft‹. Vor dem Hintergrund der Bemühungen von New Labour, die Produktivität der britischen Wirtschaft zu erhöhen, kann insbesondere die Einführung des qualifikationsabhängigen Punktesystems als Versuch interpretiert werden, Großbritannien gegenüber im globalen Maßstab konkurrierenden Staaten (beziehungsweise aus der Sicht der Unternehmen Produktionsstandorten) durch ein attraktives Arbeitskräfteangebot einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Damit verbunden war naturgemäß aber auch ein erhöhter Konkurrenzdruck auf die bereits auf dem nationalen Arbeitsmarkt befindlichen Arbeitskräfte. Angesichts der diskursiven Deutungshoheit zentraler Elemente des Globalismussubdiskurses Ökonomie einerseits und der Gestaltungsmacht eines zunehmend mobilen globalen Kapitals andererseits stellt sich allerdings die Frage, inwieweit nationale Strategien wie die Einwanderungspolitik der Labour Party, um dem Globalisierungsdruck zu begegnen und sich relative

126 Ebenda. 127 Spencer 2007, 351.

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Vorteile gegenüber Konkurrenten im globalen Wettbewerb um Investitionen, Wirtschaftsansiedlungen und die Schaffung beziehungsweise Sicherung von Arbeitsplätzen zu verschaffen, langfristig erfolgreich sein können. Das Spektrum möglicher Strategien und konkreter Alternativen im globalen Wettbewerb sowohl für einzelne Betriebe als auch für konkrete Länder, Regionen oder Orte ist letztlich stark begrenzt. Dahrendorf beschrieb schon 1996 den verbliebenen Handlungsspielraum von Firmen und Ländern folgendermaßen: »[They] can take the edge off certain effects or give additional edge to others; but one thing they cannot do is opt out of the global market-place.«128 Unter den Bedingungen flexibler Akkumulation und der Zeit-RaumKompression sowie eines verschärften globalen Wettbewerbs versuchen nicht nur einzelne Staaten, sondern zunehmend auch Regionen oder Orte, kleine und große Firmen sowie Individuen, ihre ganz spezifischen Mikrostrategien zu entwickeln, um sich den Herausforderungen zu stellen.129 So unterschiedlich diese lokalen Strategien im konkreten Fall aussehen mögen, ist ihnen aber gemein, dass sie auf einen verschärften globalen Wettbewerb reagieren müssen. Firmen, und dabei handelt es sich durchaus nicht länger nur um Großkonzerne, sondern zunehmend auch um mittelständische und sogar kleine Unternehmen, können weltweit zwischen miteinander um Investitionen und Arbeitsplätze konkurrierenden Regionen und Kommunen wählen, die gleichermaßen eine angebotsorientierte Wirtschaftpolitik verfolgen (müssen). Vor diesem Hintergrund scheint klar, dass lokale Probleme nicht dauerhaft auf der lokalen Ebene gelöst werden können, sondern wieder in das nationale und globale makroökonomische System integriert werden müssten. Jeder realistische Ansatz zur nachhaltigen Lösung lokaler Probleme müsste somit die translokale und -nationale Ebene berücksichtigen. Für dieses Problem gibt es aber bisher noch keine befriedigenden Antworten beziehungsweise durchsetzbare Strategien. Abschließend lässt sich festhalten, dass in Anbetracht des Wirtschaftsmodells von New Labour und dem ausdrücklichen Wunsch, ein harmonisches Verhältnis mit ›der Wirtschaft‹ zu gewährleisten, nur eine Positionierung zu Kapital und Arbeit möglich war, die Taylor folgendermaßen beschreibt: »New Labour’s purpose was to ensure its association with those realities where capital had to be accommodated and collective labour made subordinate to the project’s grand narrative.«130 Daran konnte auch die Tatsache nichts ändern, dass die Labour Party auch nach mehr als zehn Jahren in der Regierungsverantwortung immer noch ein deutlich anderes und engeres Verhältnis zu den Gewerkschaften hatte als die Konservativen – insbesondere im Vorfeld von Wahlen.

128 Dahrendorf 1996, 27. 129 Vgl. Abschnitt 4.4. 130 Taylor 2007, 239.

196 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

7.5 M ARKTWIRTSCHAFT

UND

U MWELTFRAGEN

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Entwicklung einer neuen ökonomischen Philosophie war für New Labour die Berücksichtigung ökologischer Fragestellungen, wobei die Rahmenbedingungen im Wesentlichen durch das oben beschriebene Verständnis des Verhältnisses von Marktwirtschaft und Staat sowie das Bemühen, sich möglichst auch auf diesem Felde von der Konservativen Partei abzugrenzen, vorgegeben wurden. Sowohl die Labour Party als auch die Konservative Partei hatten bezüglich der Umweltproblematik aber auch folgendes Diktum von Baker zur Kenntnis zu nehmen: »The environment, as a political issue, has come to resemble motherhood and apple pie, in that no one can really be against it.«131 Am Anfang des 21. Jahrhunderts trifft dies angesichts der weltweiten Diskussionen über den Klimawandel und seine möglichen Folgen in noch viel höherem Maße als in den 1990ern zu, wobei der Handlungsrahmen ganz wesentlich durch internationale Vertragswerke wie das Kyoto-Protokoll, aber auch den globalen Umweltdiskurs gesetzt wird. Eine der entscheidenden Fragen bezüglich des Verhältnisses von Umwelt und Marktwirtschaft war, inwieweit sich nach der Rückkehr in die Regierungsverantwortlichkeit Labours neue ökonomische Philosophie auch auf ihre Haltung zu Umweltfragen auswirken würde. Der Versuch, marktwirtschaftlich orientiertes Management der Wirtschaft mit ökologischen Zielstellungen in Einklang zu bringen, hatte die Labour Party seit den 1990ern sowohl vor ideologische als auch ganz praktische Probleme gestellt. Sie war bereits vor ihrer Konversion zur Marktwirtschaft eine entschiedene Vertreterin der Überzeugung, dass permanentes wirtschaftliches Wachstum unerlässlich ist. Umweltfragen wurden hingegen als relativ unwichtig für die Arbeiterklasse eingeschätzt. So kam Carter 1992 zu folgender Einschätzung: »deep suspicion of environmentalism as being irrelevant to the needs of the working classes was (and still is) shared by many Labour MPs and activists«.132 Eine weitere Schwierigkeit für die Labour Party, eine sowohl ökologisch vernünftige als auch politisch realisierbare Umweltpolitik zu entwickeln, stellten die Gewerkschaften und ihre Umweltbelangen gegenüber nicht sonderlich wohlwollende Haltung dar. Es lag in der Natur der Gewerkschaften, dass deren Hauptaugenmerk eher auf kurz- und mittelfristigen Erfolgen beim Schutz von Arbeitsplätzen sowie der Erhöhung von Löhnen und Gehältern ihrer Mitglieder lag als auf langfristigen ökologischen Überlegungen. Wirtschaftliches Wachstum wurde als unabdingbar für die Sicherung von Arbeitsplätzen und einen möglichst kontinuierlich steigenden Lebensstandard erachtet. Die Parteiführung reagierte, indem sie entweder Umweltbedenken weitestgehend ignorierte oder widersprüchliche politische Aussagen produzierte,133 um sowohl die

131 Baker et al. 1996, 366-367. 132 Carter 1992, 119-120. 133 Ebenda, 120.

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Gewerkschaften als auch die UmweltaktivistInnen innerhalb der Partei zufrieden zu stellen. Seit den 1990ern hat sich allerdings der Einfluss der Gewerkschaften im Allgemeinen und auf die parteiinternen politischen Meinungsbildungsprozesse im Besonderen deutlich verringert. Nicht zuletzt war dies auch eine Folge der gesunkenen Bedeutung der Gewerkschaftsmitglieder als Labour-StammwählerInnen, die bereits an anderer Stelle unter dem Stichwort ›Revolution‹ des Subjekts analysiert wurde. Ein weiterer Faktor, der bereits seit den späten 1980ern die Haltung der Gewerkschaften zu Umweltfragen beeinflusst hatte, ist der relative Bedeutungsrückgang jener Gewerkschaften (verarbeitende Industrie und Energiesektor), die durch striktere Umweltauflagen größere Nachteile befürchteten, als beispielsweise jene, die mehrheitlich Büroangestellte oder ArbeitnehmerInnen im schnell wachsenden Dienstleistungssektor vertraten.134 Die Anerkennung der Umweltproblematik als ein tatsächlich relevantes Politikfeld durch die Labour Party ist zwar ein relativ neues Phänomen, aber um die Veränderungen in der Partei verstehen zu können, muss doch bis in die Mitte der 1980er zurückgegangen werden. Die wesentlichen Entwicklungen nach 1985 reflektieren drei Hauptdokumente: das Statement on the Environment im August 1986, der Abschnitt »A Better Quality of Life« im Abschlussbericht des Policy Review, Meet the Challenge, Make the Change, von 1989 sowie An Earthly Chance vom Oktober 1990. Hughes und Wintour stellen in ihrer Analyse von Meet the Challenge, Make the Change allerdings zu Recht fest, dass das Dokument in Bezug auf die Umweltproblematik wenig bot, was die Partei nicht schon vor 1987 vertreten hatte: »Both the front bench and the executive were relaxed – indeed, rather complacent – about their policies on ›green‹ issues, and related subjects such as housing.«135 Zu den verschiedenen Faktoren, die zu einem Sinneswandel in der Labour Party führten, gehörten vor allem das wachsende öffentliche Interesse an Umweltfragen seit etwa Mitte der 1980er. Eine besondere Rolle spielte dabei die Reaktorkatastrophe in Chernobyl 1986, die europaweit eine traumatische Erfahrung darstellte und zugleich verdeutlichte, dass Umweltkatastrophen nicht an nationalen Grenzen halt machen. Zu nennen wären ferner die deutlich zunehmende Verfügbarkeit und Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse über die Ursachen von Umweltschäden und der rege Zulauf, den Umweltgruppen und ›grüne‹ Interessengruppen unterschiedlichster Couleur verzeichnen konnten. Diese spielten in Großbritannien in den 1980ern eine ganz entscheidende Rolle bei der Politisierung der Umwelt. Sie hatten ferner einen ganz wesentlichen Einfluss auf die Erhöhung des öffentlichen Bewusstseins für Umweltfragen und waren sichtlich bemüht, es den etablierten politischen Parteien möglichst schwer zu machen, ökologische Probleme – nicht zuletzt aus wahltaktischen Erwägungen – länger zu

134 Ebenda, 127. 135 Hughes and Wintour 1990, 186.

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ignorieren. Die zunehmende Berichterstattung auch in den MainstreamMedien tat das ihre, um die Effektivität ›grüner‹ Kampagnen zu steigern. Ungeachtet der Veröffentlichung des Statement on the Environment 1986 standen Umweltfragen allerdings auch weiterhin relativ weit unten auf der Agenda der Labour Party. Porritt, ein ehemaliger Direktor der Umweltorganisation Friends of the Earth, war überzeugt, »Labour saw the environment as too middle class an issue«.136 Die Haltung der Partei zur Umweltproblematik ändert sich jedoch dramatisch durch Ereignisse in den Jahren 1988 und 1989. Eines dieser Ereignisse war Thatchers öffentliche Kehrtwende in Umweltfragen und das andere der für die meisten BeobachterInnen völlig überraschende Erfolg der Green Party in den Wahlen zum Europaparlament 1989, als die Partei 14,5% der Stimmen im Vereinigten Königreich erringen konnte.137 Aufgrund der Anwendung des auch für die britischen Unterhauswahlen üblichen Mehrheitswahlrechts erhielten die Grünen aber keinen Sitz im Europaparlament. Bereits in den Wahlen des Jahres 1994 war der Stimmenanteil allerdings schon wieder auf 3,1% zurückgegangen. Fünf Jahre später konnten die Grünen ihren Stimmenanteil wieder auf 6,2% steigern und durch die erstmalige Anwendung des Verhältniswahlrechts zwei Sitze im Europarlament erringen.138 In den Wahlen des Jahres 2004 gelang es ihnen wiederum, 6,2% der Stimmen auf sich zu vereinigen, die der Partei zwei Parlamentssitze in Brüssel sicherten.139 Als Thatcher 1979 an die Macht kam, zeigte sie weder besonders großes Interesse an noch Verständnis für Umweltfragen. Darin unterschied sie sich aber kaum von ihren Vorgängern. Während der ersten beiden Legislaturperioden brachte sie Interessengruppen im Allgemeinen und Umweltgruppen im Besonderen sehr wenig Sympathie entgegen – mit Ausnahme von LobbyistInnen der Wirtschaft. Für die strikte Ablehnung jeglicher Zusammenarbeit mit der Umweltlobby gab es für McCormick zwei Hauptgründe. Zum einen hatte jedwede Kooperation mit diesen Gruppen für Thatcher den Ruch von Konsens und Kompromiss.140 Zum anderen wies sie aus grundsätzlichen ideologischen Überzeugungen bezüglich der Rolle des Staates das Argument der meisten Umweltgruppen zurück, dass mehr staatliche Regulation eine unabdingbare Voraussetzung für einen besseren Schutz der Umwelt sei.141 So war es eine umso größere Überraschung, dass Thatcher 1988 Umweltfragen mit Reden im September und Oktober auf der politischen Agenda deutlich weiter nach oben schob. In ihrer »Speech to the Royal Society«

136 Jonathon Porrit, ehemaliger Direktor von Friends of the Earth, zit. nach McCormick 1991, 41. 137 UK Office of the European Parliament [http://www.europarl.org.uk/guide/ Gelectionsmain.html – 08.04.2007]. 138 Ebenda. 139 House of Commons Library 2004a, o.S. 140 McCormick 1991, 57. 141 Ebenda, 1-2.

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im September skizzierte Thatcher Probleme wie Bevölkerungswachstum, Waldraubbau und sauren Regen. U.a. forderte sie, etwas gegen die fortschreitende Zerstörung der Ozonschicht, den Ausstoß von Treibhausgasen und die globale Erwärmung zu tun.142 Angesichts der über zwanzig Jahre später immer noch geführten Diskussionen über die Faktizität und die Ursachen des globalen Klimawandels ist es für das Auf und Ab von Themen im öffentlichen Bewusstsein und der ihnen von PolitikerInnen beigemessenen Relevanz bezeichnend, mit welcher Klarheit Thatcher bereits 1988 bestimmte Probleme benannte, die dann zwar in der Realität nicht verschwanden oder sich sogar verschärften, von der breiten Öffentlichkeit und vielen PolitikerInnen aber für Jahre wieder weitgehend ignoriert worden sind. Hier – wie in vielen anderen Bereichen auch – ist es die diskursiv konstituierte Realität, die für die meisten Menschen von größerer Bedeutung als die ›reale‹ Realität zu sein scheint. Dabei bilden PolitikerInnen keine Ausnahme. Hughes und Wintour sind der Meinung, Thatchers Rede »led to wildlife protection finding its way onto the front pages of tabloid newspapers, and nightly presentation on news bulletins«.143 Carter zitiert die Einschätzung der Rede Thatchers durch ein Mitglied der Labour Party: »It made the cynics sit up. If she was worried about green issues then perhaps there was something in all this after all.«144 Diese beiden Zitate signalisieren, in welch hohem Maße es Thatcher gelungen war, den politischen Diskurs in Großbritannien in praktisch allen Bereichen zu dominieren. In ihrer programmatischen Rede an die Parteikonferenz im Oktober 1988 beschrieb sie die Haltung der Konservativen folgendermaßen: »It’s we Conservatives who are not merely friends of the earth – we are its guardians and trustees for generations to come. The core of Tory philosophy and the case for protecting the environment are the same. No generation has a freehold on this earth. All we have is a life tenancy – with a full repairing lease. This Government intends to meet the terms of that lease in full.«145

Die Verwendung der Formulierung ›friends of the earth‹ dürfte kein Zufall und die Verknüpfung mit der gleichnamigen Umweltschutzvereinigung durchaus beabsichtigt gewesen sein. Thatcher ging sogar soweit, ihrer Partei eine noch wichtigere Rolle zuzumessen: ›not merely friends‹, sondern ›guardians‹ und ›trustees‹.146 Ungeachtet des Mangels an unmittelbaren

142 143 144 145 146

Thatcher 1988b, o.S. Hughes and Wintour 1990, 186. Carter 1992, 125. Thatcher 1988a, o.S. Die erste Friends of the Earth-Gruppe wurde 1969 in den USA gegründet. Friends of the Earth England, Wales and Northern Ireland gibt es seit Septem-

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konkreten Maßnahmen hatten Thatchers Auftritt vor der Royal Society und ihre Rede in Brighton im Oktober einen deutlich spürbaren Effekt auf die öffentliche Meinung und die politische Situation. Jacques ist überzeugt, dass Thatchers Rede vor der Royal Society die Umweltproblematik von den politischen Rändern in das Zentrum verschoben hatte.147 Den Reden Thatchers folgte im September 1990 die Publikation des Weißbuches This Common Inheritance: Britain’s Environmental Strategy.148 Die Labour Party reagierte im Oktober 1990 auf die veränderte Situation ihrerseits mit der Veröffentlichung des Dokuments An Earthly Chance, das sich in wesentlichen Punkten von früheren Dokumenten unterschied.149 Carter benennt u.a. die Anerkennung der Tatsache, dass die Berücksichtigung von Umweltaspekten ein integraler Bestandteil aller Politikfelder sein müsse, die Idee nachhaltigen Wachstums und die Betonung der Notwendigkeit, das Verbraucherverhalten zu verändern. Er stellt ferner fest, dass das Dokument eine sehr gute Analyse der verschiedenen Instrumente nachhaltiger Entwicklung lieferte, die auch einen Rahmen für die sich gegenseitig ergänzende Nutzung von Regulierungs- und Marktmechanismen enthielt.150 Ungeachtet zahlreicher Gemeinsamkeiten, die An Earthly Chance und This Common Inheritance charakterisierten, betonte das Labour-Dokument stärker die Notwendigkeit ergänzender staatlicher Regulative für den Fall, dass die gewünschten Umweltziele durch Marktmechanismen allein nicht erreichbar seien. Jones weist darauf hin, dass die Labour Party und die Parteiführung die Notwendigkeit eines interventionistischen Staates betonten, der selektiv in die Marktordnung eingreifen sollte: »to remedy its imperfections as well as to reinforce its strengths«.151 Diese Position war das Ergebnis einer parteiinternen Debatte zwischen jenen, die einen in höherem beziehungsweise geringerem Maße interventionistischen Staat präferierten. Dabei ging es aber nicht primär um Umweltfragen, sondern vielmehr um das grundsätzliche Verständnis der Rolle des Staates. Spätestens seit der Publikation von Meet the Challenge, Make the Change hatte die Gruppe, die den Staat zurückdrängen wollte, unter Führung von Blair die Labour Party eindeutig dominiert. Die Wahlplattform des Jahres 1997 reflektierte nicht nur Labours Suche nach einem gangbaren Kompromiss zwischen ökologischen Erwägungen und ihrer neuen ökonomischen Philosophie, sondern auch ein gewachsenes Bewusstsein, dass die Zahl der Labour-WählerInnen erhöht werden könnte,

147 148 149 150 151

ber 1971. Homepage Friends of the Earth [http://www.foe.co.uk/resource/ faqs/about_foe_founded.html – 12.08.2008]. Jacques, Martin (1988) »Why Thatcher Turned Green.« Sunday Times, 02.10.1988, zit. nach McCormick 1991, 60. Government of the United Kingdom 1990. Labour Party 1990. Carter 1992, 128. Jones 1996, 126.

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wenn unterschiedlichen potenziellen WählerInnengruppen spezielle ›Angebote‹ unterbreitet würden. Die Labour Party musste, wie jede andere Partei mit dem Anspruch auf Mehrheitsfähigkeit, die Lektionen der an anderer Stelle diskutierten New Times und der ›Revolution‹ des Subjekts berücksichtigen.152 Es war nicht mehr im gleichen Maße wie vielleicht noch in den 1970ern möglich, sich auf kollektive soziale Subjekte oder Identitäten zu verlassen, wenn es darum geht, WählerInnen zu mobilisieren, sondern Parteien müssen der Tatsache Rechnung tragen, dass bestimmte Probleme nicht mehr entlang von Klassengrenzen organisiert sind. Insbesondere angesichts der in vielen Politikbereichen immer geringer werdenden Unterschiede zwischen verschiedenen Parteien ist es wahrscheinlich, dass die individuellen Wahlentscheidungen für oder gegen eine bestimmte Partei auf der Grundlage der wenigen verbliebenen tatsächlichen oder der Öffentlichkeit suggerierten Unterschiede getroffen werden – die Umweltproblematik kann einen solchen Unterschied ausmachen. Im Hauptdokument ihrer Wahlplattform 1997, Britain will be better with new Labour, wurde nicht nur das Verhältnis zwischen der Partei und der Industrie neu definiert, sondern auch das eher allgemein gehaltene Ziel formuliert, »to combine environmental sustainability with economic and social progress«.153 Die Umweltproblematik sollte einen zentralen Platz in der Politik einer künftigen Labour-Regierung einnehmen: »We will put concern for the environment at the heart of policy-making, so that it is not an add-on extra, but informs the whole of government, from housing and energy policy through to global warming and international agreements.«154 Diese umfassende Sichtweise wird auch deutlich, wenn es um den Zusammenhang von Steuer- und Umweltfragen geht, wobei von einer gezielten Besteuerung Anreize für ein umweltbewussteres Verhalten von Unternehmen und BürgerInnen erhofft wurden: »Taxation is not neutral in the way it raises revenue. How and what governments tax sends clear signals about the economic activities they believe should be encouraged or discouraged, and the values they wish to entrench in society. Just as, for example, work should be encouraged through the tax system, environmental pollution should be discouraged.«155

Es wurde ferner angekündigt, dass die Labour Party zwar den ökonomischen Wettbewerb befördern wolle, aber dass es Bereiche gäbe, in denen die Kräfte des Marktes durch staatliche Regulierung ergänzt werden müssen:

152 153 154 155

Vgl. Abschnitte 6.2. und 6.3. Labour Party 1997a, o.S. Ebenda. Ebenda.

202 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR »Where competition is not an effective discipline, for example in the water industry which has a poor environmental record and has in most cases been a tax-free zone, we will pursue tough, efficient regulation in the interests of customers, and, in the case of water, in the interests of the environment as well.«156

Hier wie auch an anderen Stellen des Wahlprogramms wird für die potentiellen WählerInnen das Bild einer energisch zupackenden Partei (›pursue tough, efficient regulation‹) gezeichnet, die durchaus zu Interventionen bereit ist. Bezeichnenderweise versagt hier aber nicht ›der Markt‹, sondern ›competition is not an effective discipline‹. Durch die Wahl des Wortes ›competition‹ ändert sich zwar nichts an der getroffenen Feststellung, aber so verschwindet zumindest sprachlich der Widerspruch zu dem in anderen diskursiven Kontexten und für andere AdressatInnen immer wieder betonten Vertrauen in das Wirken von Marktkräften.157 Zu den in Britain will be better with new Labour angekündigten Initiativen gehörten weiterhin die Förderung von ›grünen‹ Technologien und Unternehmen, die Schaffung einer effektiven und integrierten Transportpolitik auf allen Ebenen, Pläne, in Kooperation mit der Autoindustrie umweltfreundlichere Autos zu entwickeln, eine Überprüfung der Fahrzeugverbrauchssteuern mit dem Ziel, emissionsarme Fahrzeuge zu fördern, eine Überprüfung des Straßenbauprogramms und ein besserer Schutz der Tierund Pflanzenwelt.158 Mit Blick auf die institutionellen Rahmenbedingungen wurde darauf verwiesen, dass es nicht die Aufgabe eines Ministeriums sein könne, sich um Umweltbelange zu kümmern, sondern dass alle mitarbeiten müssten. Um dies in der Praxis auch umzusetzen, wurde ein parlamentarisches Kontrollkomitee für Umweltfragen vorgeschlagen, welches die Einhaltung hoher Standards für die gesamte Regierungsarbeit gewährleisten sollte.159 Ein erster konkreter Schritt, um die Effektivität des Umweltmanagements zu erhöhen, war nach der Rückkehr in die Regierungsverantwortlichkeit die Zusammenlegung des Department of the Environment und des Department of Transport zum Department of the Environment, Transport and the Regions am 16. Juni 1997. Im Wahlmanifest wird in Anerkennung der globalen Dimension der Umweltproblematik auch gefordert, dass Großbritannien die internationale Gemeinschaft im Rahmen der UN, der EU und des Commonwealth im Bemühen um eine bessere Umwelt führen solle. Es wird angekündigt, dass Großbritannien den Kampf gegen die globale Erwärmung anführen wird: »through our target of a 20 per cent reduction in carbon dioxide emissions

156 Ebenda. 157 Vgl. u.a. das Business Manifesto, das Teil der Wahlplattform von 1997 war. Siehe auch die Diskussion der Rede Blairs vor den TeilnehmerInnen des Weltwirtschaftsforums 2000, S. 175. 158 Labour Party 1997a, o.S. 159 Ebenda.

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by the year 2010«.160 Die vom neu formierten Department for Environment, Food and Rural Affairs (Defra) im Mai 2007 vorgelegten Zahlen sind von diesen ambitionierten Ankündigungen allerdings weit entfernt. Für das Jahr 1997 wird für den CO2-Ausstoß ein Wert von 548 Millionen Tonnen angeben. Der Vergleichswert für das Jahr 2005 liegt bei 554 Millionen Tonnen. Der Zielwert der für das Jahr 2010 angestrebten Reduzierung um 20% liegt bei 473 Millionen Tonnen. Es sei nur am Rande erwähnt, dass die VerfasserInnen von Britain will be better with new Labour bei der angestrebten Verringerung von 20% als Basiswert den CO2-Ausstoß von 1990 (592 Millionen Tonnen) und nicht etwa den Wert von 1997 zugrunde gelegt hatten.161 Die Betonung von Umweltfragen in Britain will be better with new Labour ist ganz auffällig abwesend in Labours Business Manifesto.162 Um alle eventuell vorhandenen Ängste und Bedenken der VertreterInnen der Industrie zu zerstreuen, gab die Labour Party folgende grundsätzliche Zusicherung: »We will not impose burdensome regulations on business, because we understand that successful businesses must keep costs down. We will not try to second-guess investment and other decisions that business takes, because we know that business has the best idea of where its own interests lie. And we will not turn the clock back to the 1970s in industrial relations, because we know that flexibility is vital for businesses to prosper.«163

Nachdem der Zielgruppe in aller Ausführlichkeit und Detailliertheit versichert worden ist, dass ihre Interessen bei einer Labour-Regierung in den besten Händen seien und eine Rückkehr zu ›Old Labour‹ nicht zu befürchten stünde, geht auch das Business Manifesto auf Umweltfragen ein. Es wird einerseits darauf hingewiesen, dass die Wirtschaft eine wichtige Rolle für eine saubere Umwelt spiele, andererseits aber auch betont, dass der Umweltschutz große wirtschaftliche Chancen eröffne.164 Vermutlich mit der Absicht, die Überzeugungskraft ihrer Argumente zu erhöhen, verweist das Business Manifesto darauf, dass die CBI konstatiert hat, die Umwelt »is not something to be treated separately, but forms part of a culture of efficiency and innovation«.165 Gordon Brown betonte 1997 in seiner Budget Speech, dass seine Regierung der Überzeugung sei, dass das Steuersystem und die Wirtschaftspolitik in ihrem Zusammenspiel Anreize für dem Schutz der Umwelt dienendes

160 161 162 163 164 165

Ebenda. Department for Environment, Food and Rural Affairs 2007, o.S. Auch dies ist ein Beispiel für diskursrelevante absences. Labour Party 1997b, o.S. Ebenda. Ebenda.

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Verhalten aller Unternehmen schaffen sollten.166 Auch im FSBR 1997 wird der Zusammenhang zwischen Steuersystem und Umweltschutz hergestellt. Konkret wird festgestellt, dass in den Bereichen, in denen Umweltsteuern »can make an efficient contribution to a cleaner environment and where their distributional implications are acceptable, the Government will consider their use«.167 Die Einschränkung ›where their distributional implications are acceptable‹ ließ in der Praxis sehr viel Spielraum, und es blieb auch offen, wie konkret eine Einigung darüber erzielt werden sollte, was aus der jeweiligen Sicht der Regierung beziehungsweise der Unternehmen ›akzeptabel‹ ist. Die Labour Party betonte in Britain will be better with new Labour zwar die Notwendigkeit, dass wirtschaftliche Entwicklung Umweltbelange berücksichtigen sollte, und argumentierte, dass ihre Politik darauf ausgerichtet sei, »to combine environmental sustainability with economic and social progress«,168 aber dieses Thema wurde weder in der Budget Speech noch in dem FSBR von 1997 explizit aufgegriffen. Somit war vom Tag der Regierungsübernahme klar, dass Labour (natürlich u.a. als Folge der ThatcherÄra) auch im Bereich der Umweltpolitik einen nur relativ kleinen Spielraum für weitergehende Maßnahmen hatte, da die angestrebte harmonische Partnerschaft mit der Wirtschaft nur solange Bestand haben würde, wie sich gesetzliche Regelungen zum Schutze der Umwelt nicht nachteilig auf die Gewinne der Unternehmen und ihre globale Wettbewerbsfähigkeit auswirken würden. Betrachtet man Institutionen wie die CBI, so zeigt sich, dass auch dort mittlerweile ein ausgeprägtes Bewusstsein für die wirtschaftliche und politische Relevanz von Umweltfragen existiert. Nicht völlig unerheblich für diese Entwicklung dürfte vermutlich auch sein, dass insbesondere vor dem Hintergrund der medienwirksam geführten Debatten über den globalen Klimawandel auf nationaler und internationaler Ebene der Druck steigt, den Schutz der Umwelt zu verbessern und diesem Ziel dienende verbindliche globale Festlegungen zu erreichen. Konkrete Belege für die sich verändernde Haltung der Wirtschaft finden sich beispielsweise in der CBI Business Agenda, in der im Wahlkampf 2005 gegenüber den Parteien die Positionen der Wirtschaft deutlich gemacht wurden. In dem Dokument ist ein gesonderter Abschnitt der Umweltproblematik gewidmet (»Work with business to address climate change«), in dem u.a. folgende Forderungen aufgestellt werden: •

Develop a co-ordinated global response to climate change – including comparable international commitments under a post-Kyoto regime – so that Britain is not at a competitive disadvantage.

166 HM Treasury 1997, o.S. 167 House of Commons 1997, o.S. 168 Labour Party 1997a, o.S.

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• • • • •

Recognise that tackling climate change is the responsibility of all parts of society, and the burden must be shared. Set emissions reduction targets based on sound statistical data and that are sensitive to the need not to simply drive business overseas. Keep the nuclear power option open, as part of a sustainable long-term energy policy aimed at achieving a low-carbon economy and security of energy supply. Provide early clarification on the rules and scope of the second phase of the EU emissions trading scheme to provide certainty for business. Seek new ways of exploiting technology as a solution to climate change.169

Einerseits wird hier die Bereitschaft deutlich, sich der Umweltproblematik zu stellen. Andererseits wird aber auch kein Zweifel daran gelassen, dass alle von Regierungsseite ergriffenen Maßnahmen nicht einseitig zu Lasten der Wirtschaft gehen dürfen. Der Verweis auf die mögliche Produktionsverlagerung in das Ausland (›emissions reduction targets […] that are sensitive to the need not to simply drive business overseas‹) darf durchaus als Warnung an Regierungen verstanden werden, keine aus der Sicht der Wirtschaft unakzeptablen Forderungen zu stellen. Besondere Bedeutung kommt aus der Sicht der CBI offensichtlich der internationalen Festlegung von Umweltstandards zu. Solange gewährleistet ist, dass diese für alle Mitkonkurrenten vergleichbar sind (›comparable international commitments‹), d.h. dass keine Wettbewerbsnachteile entstehen, werden schärfere Umweltstandards grundsätzlich durchaus akzeptiert. Die Erfahrungen des UN-Klimagipfels von 2009 zeigen allerdings deutlich, dass angesichts der bei entscheidenden Staaten wie den USA oder China fehlenden Bereitschaft, diese verbindlich anzuerkennen, solche Bereitschaftserklärungen mit keinen Konsequenzen verbunden und daher wohlfeil sind.170 Die Präsenz von Umweltfragen auf der Homepage der CBI und ihr 2007 veröffentlichter Bericht, Climate Change: Everyone’s Business, sind weitere Belege für eine verstärkte Beschäftigung mit Umweltfragen auf UnternehmerInnenseite.171 Der globale Klimawandel und seine dramatischen Konsequenzen werden (zumindest von der CBI) nicht länger als Spekulationen abgetan, sondern als Tatsachen betrachtet, denen es sich zu stellen gilt. Im Vorwort des Berichtes der Climate Change Task Force heißt es dazu:

169 CBI 2005a, 10. 170 Homepage 15th United Nations Climate Change Conference (COP15) [http://en.cop15.dk/ – 29.12.2009]. 171 CBI 2007. Der Bericht wurde über einen Zeitraum von zehn Monaten unter Beteiligung von SpitzenvertreterInnen britischer Unternehmen erarbeitet, die weltweit fast zwei Millionen Beschäftigte haben.

206 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR »Are we sure that climate change exists? I am sorry, but that is not a question for us. The best question for the business community is whether we can be certain that climate change presents a substantial risk; a risk that will have a profound impact on society and the economy? To this the answer is clearly ›yes‹.«172

An verschiedenen Stellen des Berichtes wird deutlich, dass die Wirtschaft unter bestimmten Bedingungen durchaus bereit ist, sich verstärkt mit Umweltfragen zu beschäftigen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Regierungen ein förderliches steuerliches Umfeld für ein Engagement in diesem Bereich schaffen und auch zusätzliche Mittel für Forschung und Entwicklung bereitstellen. Bezüglich der steuerlichen Aspekte heißt es dazu in dem Wahlkampfmanifest von New Labour für 2005: »Labour believes tax policy should continue to be governed by the health of the public finances, the requirement for public investment and the needs of families, business and the environment.«173 Entscheidend ist dabei natürlich, welche Balance zwischen den verschiedenen Aspekten gefunden wird. Ein weiterer wichtiger Grund für die zunehmende Bereitschaft von Unternehmen, sich mit der Umweltproblematik zu beschäftigen, ist die Tatsache, dass im Bereich ›grüner‹ Technologien neue und lukrative Geschäftsfelder entstehen. So werden in dem Bericht der Task Force einerseits die Gefahren, die vom globalen Klimawandel ausgehen, als gravierendes Problem beschrieben, andererseits aber auch als Chance: »Of course climate change is a global challenge. But in the UK we should not wait for others. The issue at hand is serious and requires an immediate response. Action taken sooner is both better and cheaper. And it is clear that alongside the challenge lies an opportunity. One we can harvest by acting now and in concert to build a low carbon economy.«174

New Labour ist sich der Bedeutung, die Regierungen zukommt, offensichtlich bewusst. Im Wahlkampfamifest 2005 heißt es dazu, dass die Regierung auch weiterhin mit Firmen zusammenarbeiten wird, die besonders in umweltrelevanten Bereichen engagiert sind: »to promote new green technologies and industries in the UK and internationally, and use the purchasing power of government to support environmental improvement«.175 Die grundsätzlich positive Haltung der CBI kann allerdings nicht einmal für Großbritannien ohne Weiteres verallgemeinert werden. So finden sich auf der Homepage des IEA zahlreiche eigene Publikationen des Instituts beziehungsweise Verweise auf entsprechende Arbeiten externer AutorInnen, die von einem deutlichen Skeptizismus beispielsweise gegenüber der These

172 173 174 175

CBI 2007, 1. Labour Party 2005, 16. CBI 2007, 1. Labour Party 2005, 21.

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eines globalen Klimawandels und entsprechenden wissenschaftlichen Untersuchungen, die diese stützen, gekennzeichnet sind. Dieser Skeptizismus spiegelt sich bereits in den Titeln der Publikationen wider: Bate and Morris (1994) Global Warming: Apocalypse or Hot Air?; Sheehan and Rabkin (1999) Global Greens, Global Governance; Bradley Jr. (2004) Climate Alarmism Reconsidered; Lewis (2007) Global Warming. False Alarms u.a.176 Es geht im Folgenden nicht um eine Bewertung der wissenschaftlichen Stichhaltigkeit dieser Publikationen, sondern vielmehr um die Charakterisierung ihrer politischen Zielsetzungen und ihres Bezuges zum Globalismus. Es lassen sich, ungeachtet der Vielzahl und Unterschiedlichkeit der einzelnen Publikationen, einige Trends erkennen. Wurden noch in den 1990ern die Existenz eines globalen Klimawandels beziehungsweise die von ihm ausgehenden Gefahren eher grundsätzlich in Frage gestellt, so lässt sich in neueren Publikationen beobachten, dass der Klimawandel zwar akzeptiert, dieser aber teilweise immer noch als kein wirkliches Problem betrachtet wird beziehungsweise alternative Erklärungen für ihn angeführt werden. Die Kosten für eine nur minimale Begrenzung des zukünftigen Temperaturanstiegs werden als in keinem Verhältnis zum Nutzen dargestellt. Zugleich werden die negativen wirtschaftlichen Folgen betont. Beispiele für eine solche Darstellung finden sich in Global Warming. False Alarms von 2007. Der Autor beschreibt die Intention seiner Untersuchung folgendermaßen: »This pamphlet seeks to expose the fallacies and spin behind this pandemic of political correctness, which has spread world-wide. It will show how the policies it fosters would sabotage much of Britain’s, indeed the world’s, future prosperity for microscopic gain. It will offer explanations for climate change which are equally plausible, suggest that the growth of greenhouse gases is on balance not disastrous but benign and show how such problems as it presents are dealt with better and less disruptively by cooperating with market forces than by the officially-favoured central planning model, under the Kyoto scheme.«177

Hier und in anderen Publikationen geht es den AutorInnen u.a. darum, möglichst weiter gehende national, international oder gar global verbindliche Regulierungen zu vermeiden, die aus ihrer Sicht nicht nur das effiziente Wirken der Kräfte des Marktes behindern, sondern auch die individuelle Freiheit beschränken könnten. In diesem Beispiel wird zu der bereits an anderer Stelle diskutierten diskursiven Strategie der Verunglimpfung alternativer Ansichten gegriffen, die durch die negativ konnotierten Begriffe ›fallacies and spin‹ abqualifiziert und quasi als eine globale Krankheit (›this pandemic of political correctness‹) charakterisiert werden. Die konkreten Forderungen werden als Sabo-

176 Vgl. Homepage IEA [http://www.iea.org.uk – 15.05.2008]. 177 Lewis 2007, 5.

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tage nicht nur der Interessen Großbritanniens, sondern der ganzen Welt abgetan. An anderer Stelle wird diese Strategie mit Hinweisen auf die negativen Auswirkungen des Wirkens von Umweltorganisationen ergänzt. So findet sich auf der Homepage des IEA der folgende Kommentar zu Global Greens, Global Governance: »This classic publication exposes the efforts of the environmental movement to undermine individual freedom by promoting the growth of authoritarian and unaccountable global institutions.«178 Angesichts der Tatsache, dass sich trotz solcher und ähnlicher ›Argumentationen‹ der Trend zur Suche nach global koordinierten Lösungsansätzen für globale Probleme verstärkt hat, richtet sich das Interesse von Institutionen wie dem IEA zunehmend auch auf die supranationale Ebene. Es wird von einem wachsenden Druck ausgegangen, der letztlich zur Festsetzung verbindlicher Restriktionen für die Produktion und Emission bestimmter Stoffe führen wird: »[N]ations are likely gradually to cede sovereignty to supranational organisations such as the United Nations, with policies ever more dominated by the few organisations (environmental, labour and others) who are accredited as Non Governmental [sic!] Organisations with the UN. The evidence strongly suggests that the resultant global governance will be undemocratic and policies will be based on dogma not sound science.«179

Es sei hier dahingestellt, ob der den NGOs beigemessene Einfluss auch nur annähernd den Tatsachen entspricht. Der Verlauf und die ›Ergebnisse‹ beispielsweise des UN-Klimagipfels in Kopenhagen 2009 lassen eher den Schluss zu, dass es auch weiterhin die Entscheidungen der Regierungen insbesondere der USA und Chinas sein werden, von denen konkrete Fortschritte im Kampf gegen den globalen Klimawandel abhängen.180 Offensichtlich ist allerdings die Befürchtung des IEA, dass es auf der supranationalen Ebene zu nicht erwünschten Festlegungen von Umweltstandards kommen könnte. Interessant ist der diskursive Rückgriff auf die Idee ›souveräner‹ Nationalstaaten, die vor den Folgen einer vermeintlich undemokratischen globalen Governance und dogmatischen politischen Maßnahmen zu schützen sind. Nationalstaaten, die sich angesichts zunehmender globaler ökonomischer Integration, eines nationale Grenzen überschreitenden Wettbewerbs und steigender Mobilität des Kapitals immer öfter außerstande sehen, eben diese Souveränität zu praktizieren. Die sonst als Teil des Globalismus immer wieder betonte Notwendigkeit, die Wirtschaft im Interesse ökonomischer Freiheit und Effizienz vor unerwünschten Interventionen des Staates

178 Homepage IEA [http://www.iea.org.uk – 17.05.2008]. 179 Ebenda. 180 Homepage 15th United Nations Climate Change Conference (COP15) [http:// en.cop15.dk/ – 29.12.2009].

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zu schützen, wird vor dem Hintergrund der größeren ›Gefahr‹ global verbindlicher Regelungen zumindest vorübergehend zurückgestellt. Größer, da zum Beispiel die oben zitierte und an die zukünftige britische Regierung gerichtete Forderung (Drohung?) nach akzeptablen Emissionszielen in der CBI Business Agenda 2005 (»Set emissions reduction targets based on sound statistical data and that are sensitive to the need not to simply drive business overseas.«181) viel von ihrer Wirksamkeit verlieren würde, wenn entsprechende Regelungen global verbindlich wären. Neben der Betonung der negativen Folgen globaler Umweltregelungen für die nationale Souveränität werden weitergehende Forderungen nach global verbindlichen Regelungen auch mit dem Hinweis abgelehnt, dass diese vor allem die industrielle Entwicklung von Staaten der Zweiten und Dritten Welt behindern und letztlich die globale Armutsbekämpfung konterkarieren würden. So schreibt Lal 1997 in dem mit »Ecological Imperialism« überschriebenen Vorwort zu Climate Change: Challenging the Conventional Wisdom, einer Publikation der IEA Environment Unit, dass die Linderung der Massenarmut in zwei der Staaten mit den höchsten Konzentrationen armer Menschen, Indien und China, gerade erst begonnen habe: »However, the Kyoto meeting threatens the prospects for intensive growth in these countries. Compare World Bank estimates of per capita energy consumption (in kilograms of oil equivalent): in 1990, China and India consumed 440 kgs, whilst in the same year the OECD countries consumed 5,179 kgs. […] Any curtailment of the growth of their per capita energy consumption at Kyoto will condemn their millions of poor to continuing poverty.«182

Es steht außer Frage, dass eine Gleichbehandlung aller Staaten durchaus zu den hier unterstellten Ergebnissen führen könnte. Eine solche Gleichbehandlung ist in dem 1997 beschlossenen Zusatzprotokoll (Kyoto-Protokoll) zur Ausgestaltung der UN-Klimarahmenkonvention von 1992 aber gar nicht vorgesehen. In dem 2005 in Kraft getretenen und 2012 auslaufenden Abkommen werden zwar erstmals verbindliche Zielwerte für den Ausstoß von Treibhausgasen festgelegt, die als die hauptsächliche Ursache des globalen Klimawandels angesehen werden, aber nicht von allen Staaten, die das Protokoll ratifiziert haben, werden gleiche Reduktionen verlangt.183 Da dies auch Lal beziehungsweise der Environment Unit des IEA bekannt gewesen sein dürfte, kann durchaus unterstellt werden, dass hier die Interessen von China und Indien vorgeschoben werden, um das gesamte Anliegen des Kyoto-Protokolls zu diskreditieren. Die verschiedenen Publikationen und Kommentare auf der Homepage des IEA lassen den Schluss zu, dass unter Nutzung unterschiedlicher Argu-

181 CBI 2005a, 10. 182 Morris 1997, o.S. 183 Vgl. UN 1998, o.S.

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mentationsstrategien das Ziel verfolgt wird, möglichst der supranationalen oder nationalen Festlegung weitergehender Umweltstandards entgegenzuwirken. Diese Einschätzung darf aber nicht dahingehend verstanden werden, dass dem IEA eine grundsätzlich umweltfeindliche Einstellung unterstellt wird. Wie oben im Zusammenhang mit der CBI festgestellt, werden die wirtschaftlichen Chancen ›grüner‹ Technologien und die Bedeutung einer umweltfreundlichen Außendarstellung auch als Marketingargument von Unternehmen durchaus anerkannt. Dem IEA geht es vielmehr darum, mit Blick auf den Umweltschutz möglichst die Interventionsmöglichkeiten nationaler und insbesondere supranationaler Institutionen zu minimieren beziehungsweise konkrete Regelungen möglichst im Interesse der Wirtschaft auszugestalten. Inwieweit beispielsweise die CBI und das IEA die konkrete Politik von New Labour beeinflusst haben, lässt sich natürlich nicht quantifizieren, aber es kann wohl angesichts des erklärten Bemühens von New Labour um eine harmonische Beziehung mit der Wirtschaft davon ausgegangen werden, dass es einen solchen Einfluss gegeben hat. Abschließend lässt sich vor dem Hintergrund von Positionen, die noch in den 1980ern dominierten, konstatieren, dass sich die Ansichten zur Umweltproblematik innerhalb der Labour Party und auch in ihrer Führung deutlich gewandelt haben. Dieser Wandel ist das Ergebnis verschiedener Faktoren, zu denen u.a. folgende gehören: das größere Wissen über ökologische Zusammenhänge, das gestiegene Interesse der Öffentlichkeit, die zumindest rhetorische Konversion Thatchers, die dazu beitrug, Umweltfragen als Teil des öffentlichen politischen Diskurses zu etablieren, und der Erfolg der Green Party in den Wahlen zum Europaparlament 1989, der das Wahlkampfpotenzial des Umweltschutzes signalisierte. Nicht zu unterschätzen ist auch die Rolle, die die EU mit ihren Gesetzen und Verordnungen zu Umweltfragen gespielt hat. Es überrascht daher nicht, dass auch sie zur Zielscheibe der Kritik in IEA-Publikationen wurde. So überschreibt Rabkin seinen Beitrag zu Global Greens, Global Governance folgendermaßen: »Morgen die Welt. Snaring the World in the EU’s Green Vision.«184 Der deutsche Teil der Überschrift verweist, wenn auch leicht abgewandelt, sicherlich nicht zufällig auf den Refrain eines berüchtigten Kampfliedes der SA, »Es zittern die morschen Knochen«, von Hans Baumann. Dort heißt es im Refrain: »Wir werden weiter marschieren, wenn alles in Scherben fällt. Denn heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt.«185 Inhaltlich bezieht sich der Verweis auf das sogenannte ›precautionary principle‹, das bereits in den 1980ern Teil der Gesetzgebung in der BRD wurde. Dieses wurde später von der EU anerkannt und auf ihr Be-

184 Sheehan and Rabkin 1999, 4. 185 Homepage Netzwerk Lernkultur. Kollektives Gedächtnis [http://www.kollek tives-gedaechtnis.de/texte/vor45/lieder.html].

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treiben Teil der Deklaration von Rio (Rio Declaration on Environment and Development).186 Dort wird als Prinzip 15 formuliert: »In order to protect the environment, the precautionary approach shall be widely applied by States according to their capabilities. Where there are threats of serious or irreversible damage, lack of full scientific certainty shall not be used as a reason for postponing cost-effective measures to prevent environmental degradation.«187

Angesichts der Tatsache, dass viele Fragen bezüglich des Wirkens anthropogener Faktoren auf die Umwelt noch nicht abschließend wissenschaftlich beantwortet sind, war und ist dieses Prinzip naturgemäß von großer Bedeutung. Einen ganz wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung des Verhältnisses von New Labour zu Umweltfragen hatte auch das grundsätzliche Bemühen der Parteiführung, der Öffentlichkeit das Bild einer in allen Politikbereichen modernen Partei zu bieten, die sich den Herausforderungen der Zeit stellt, wozu zunehmend auch der Umweltschutz gehörte. Angesichts einer breiten Politisierung der Umweltproblematik und der Sensibilisierung größerer Teile der Bevölkerung konnte dieses Thema nicht einfach länger ignoriert werden. Dies traf insbesondere auf den für geraume Zeit fast ausschließlich wissenschaftlichen, dann aber zunehmend auch öffentlichen Klimawandel-Diskurs zu. So weist Khatri darauf hin, dass noch 1997 »climate change had neither registered as a fundamental threat nor become a lens through which economic, transport, and energy policy were to be directed. […] In contrast, ten years later on, the climate change agenda has developed an irresistible momentum with the UK and internationally.«188

Insbesondere soweit breitere Teile der Öffentlichkeit betroffen waren, kann dieser Wandel aber nicht auf das Wirken von WissenschaftlerInnen, Umweltgruppen und PolitikerInnen reduziert werden, sondern war zumindest partiell auch das Ergebnis populärkultureller Repräsentationen der Klimaproblematik wie zum Beispiel in The Day After Tomorrow (2004) oder Al Gores massenwirksamer Dokumentation An Inconvenient Truth (2006), die mit dem Academy Award ausgezeichnet wurde. Auf der Habenseite der Umweltpolitik der Blair-Ära zu nennen wären u.a. die Wohnungsbau- und Energiepolitik, die britische Unterstützung für internationale Bemühungen um mehr Umweltschutz, bestimmte dem Umweltschutz dienliche steuerliche Anreize, die Förderung ›grüner‹ Unternehmen und Technologien sowie der Versuch, eine effektivere und integrierte Transportpolitik auf allen Ebenen zu betreiben. Gesetzgeberische Belege für

186 Sheehan and Rabkin 1999, 4. 187 UN 1992, Principle 15. 188 Khatri 2007, 574.

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die Bemühungen der Labour-Regierung seit 1997 sind u.a. verschiedene Weißbücher und Gesetze zu Umweltfragen: Climate Change and Sustainable Energy Act 2006, Climate Change Act 2008, Green Energy (Definition and Promotion) Act 2009.189 Die Entwicklung der oben erwähnten Emissionen von Treibhausgasen zwischen 1990 und 2005 belegt aber auch die Grenzen der Wirksamkeit dieser Maßnahmen. So stiegen zum Beispiel die durch den Straßenverkehr verursachten CO2-Emissionen trotz aller Maßnahmen und technischer Fortschritte von 109,4 Millionen Tonnen 1990 auf 119,9 Millionen Tonnen 2005.190 Es steht zu erwarten, dass die weitere Entwicklung nicht notwendigerweise zu kontinuierlichen Fortschritten führen wird. Auch weiterhin wird die folgende Einschätzung von McCormick die Situation im Wesentlichen zutreffend charakterisieren: »Poachers and gamekeepers work closely together to decide what each finds acceptable. In the case of the environment, environmental groups – which have regularly pushed for more and stronger regulation – have usually ended up having less influence on how policy is made than the industrialists, farmers and others who are supposedly being regulated.«191

Sehr viel wird auch zukünftig davon abhängen, ob Regierungen nicht zuletzt über die Beeinflussung des öffentlichen Diskurses in der Bevölkerung eine positive Haltung gegenüber dem Umweltschutz verstärken oder zumindest verstetigen können. In Großbritannien herrscht eine Umweltfragen gegenüber allgemein aufgeschlossene Atmosphäre, wie auch eine Meinungsumfrage 2007 zeigte. So waren 81% der Befragten besorgt über den Klimawandel und 88% allgemein über die Zukunft der Umwelt. Viele der Befragten waren der Meinung, dass die Regierung eine aktive Rolle spielen sollte: 78% glaubten, dass die Regierung es der Bevölkerung leichter machen sollte, Strom aus erneuerbaren Quellen zu beziehen. Für die Hilfe beim Erwerb von Hybridautos, Solarzellen und energieeffizienten Produkten sowie die Förderung umweltfreundlicher Technologien lagen die Angaben ähnlich hoch. 79% waren der Meinung, dass die Regierung mehr tun sollte, um der globalen Erwärmung und dem Klimawandel entgegenzuwirken. Wenn es allerdings in den Fragen um die Einführung von Verschmutzungsabgaben für Kraftfahrzeuge wie in London (congestion charge) für alle größeren Städte oder eine CO2-Steuer für alle nationalen und internationalen Flüge geht, sinkt die Zustimmung unter 50%. Über das Gesamtspektrum der Fragen sind drei Grundtendenzen deutlich: 1. Die meisten Befragten sind sich

189 Homepage Office of Public Sector Information (OPSI) [http://www.opsi. gov.uk/ – 14.05.2008]. 190 Department for Environment, Food and Rural Affairs 2007, o.S.; vgl. auch Tabelle 2: CO2-Emissionen nach Quelle, 1990-2005. 191 McCormick 1991, 10-11.

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der Relevanz der Umweltproblematik in hohem bis sehr hohem Maße bewusst. 2. Die überwiegende Mehrheit befürwortet eine aktive Rolle der Regierung beim Schutz der Umwelt. 3. Die Zustimmung sinkt deutlich ab, wenn dem Umweltschutz dienliche Maßnahmen der Regierung direkte finanzielle Belastungen für die BürgerInnen nach sich ziehen.192 Ungeachtet der positiven Grundhaltung der britischen Bevölkerung und von New Labour zum Umweltschutz gilt aber, wie Mandelson und Liddle schon 1996 betonten, »[that] many issues can be addressed only on a continental scale – a purely national approach would be damaging for competitiveness and jobs«.193 Diese Sichtweise korrespondiert mit der über parteipolitische Grenzen hinweg geteilten Ansicht, dass nationale Handlungsspielräume zunehmend global definiert werden. Innerhalb dieses globalen Rahmens wird die konkrete Ausgestaltung des Umweltschutzes in Großbritannien auch zukünftig ganz wesentlich in enger Konsultation zwischen den LobbyistInnen der Wirtschaft (u.a. Institutionen wie CBI und IEA) und den jeweiligen Regierungen ausgehandelt werden. Weitergehende Regelungen sind mit großer Wahrscheinlichkeit nur auf globaler Ebene möglich, wie auch das vehemente Engagement der Labour-Regierungen auf eben dieser globalen Ebene seit 1997 belegt. Das faktische Scheitern des Klimagipfels in Kopenhagen 2009 lässt allerdings nur begrenzte Hoffnungen für die nähere Zukunft zu.194

7.6 F INANZWELT Die Globalisierung der Finanzwelt hat in den vergangenen Jahren, u.a. verursacht durch eine Reihe von Krisen in Lateinamerika (1994-5), Asien (1997-8), Russland (1998) und Brasilien (1999), eine ganz zentrale Rolle in den Globalisierungsdiskussionen gespielt. Die sogenannte Subprime-Krise, die 2006 ihren Ausgang in den USA nahm und in den folgenden Monaten globale Dimensionen entwickelte, ist das neueste, aber vermutlich nicht letzte Beispiel für die neue Qualität zunehmend globalisierter Finanzbeziehungen, die Scholte folgendermaßen beschreibt: »The rise of supraterritoriality has affected both the forms that money takes and the ways that it is deployed in banking, securities, derivatives and insurance markets. As international, cross-border activities, such dealings have quite a long history. However, as commerce that unfolds through telephone and computer networks that make

192 GMI 2007, 1-4. 193 Mandelson and Liddle 1996, 164. 194 Homepage 15th United Nations Climate Change Conference (COP15) [http://en.cop15.dk/ – 29.12.2009].

214 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR the world a single place, global finance has experienced its greatest growth since the 1980s.«195

Von entscheidender Bedeutung sind aber nicht nur der supraterritoriale Charakter von Finanzbeziehungen, sondern auch die an anderer Stelle im Detail analysierte verstärkte Raum-Zeit-Kompression,196 wie auch im HDR 1999 betont wird: »Technological innovations link global financial markets in real time, allowing instantaneous decisions around the world.«197 Mit Blick auf die Analyse der ökonomischen Dimension des Globalismus stellt sich auch für die zunehmend globalisierten Finanzbeziehungen die Fragen nach der Rolle des Staates und dem immer wieder betonten Prinzip ökonomischer Freiheit. Auch hier scheint die Idee zu dominieren, dass Interventionen durch den Staat möglichst auf ein Minimum beschränkt werden sollten. Sinclair fasst dies folgendermaßen zusammen: »The key idea is that politicians are inherently short-sighted – fixated by impending elections – and therefore tempted to do things that bring short-term gain at long-term cost.«198 So könne beispielsweise Inflation kurzfristig eine erhöhte Nachfrage und Arbeitsplätze schaffen, schade aber langfristig sowohl der Wirtschaft als auch den KonsumentInnen. Soweit es die konkrete Rolle des Staates betrifft, legte der Verlauf der Finanz- und Wirtschaftskrise, in der sich Japan seit Beginn der 1990er für mehr als zehn Jahre befand, für einige BeobachterInnen den Schluss nahe, dass Regierungen, ähnlich wie während der Weltwirtschaftskrise in den 1930ern, die negativen Auswirkungen solcher Krisen noch verschärfen können. So wurde im Economist 1999 festgestellt, dass es verfrüht wäre, die Krise als beendet zu bezeichnen, es aber doch möglich sei, einige vorsichtige Schlussfolgerungen aus einem Vergleich der Situation in den 1930ern und den 1990ern zu ziehen: »One is that the Bank of Japan copied the mistake made by America’s central bank, though not as zealously. Like the Fed in the 1920s, it had loosened monetary policy in the 1980s and thus fuelled the speculative boom in share prices and property lending. It then helped bring on the crash in early 1990 by successively raising interest rates, and afterwards proved reluctant to cut rates again for fear of restarting the asset-price boom. This may well have made the crash worse.«199

Die AutorInnen des Economist schienen, zumindest in diesem konkreten Fall, der Meinung zu sein, dass Regierungen Krisen noch verschärfen können beziehungsweise überhaupt erst herbeiführen. Diese Meinung teilte

195 196 197 198 199

Scholte 2001a, 528. Vgl. S. 79ff. UNDP 1999, 40. Sinclair 2007, 195. »Survey 20th Century. Freedom from Fear?« The Economist, 11.09.1999, o.S.

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auch der damalige Vorsitzende der CBI, Martin Broughton, der vor dem Hintergrund der Subprime-Krise und angesichts der Gefahr von Regierungsinterventionen anlässlich des Annual Dinner der CBI im Mai 2008 in Gegenwart des Finanzministers, Alistair Darling, darauf hinwies, dass 1930 »the Smoot-Hawley tariff helped to turn a credit crunch into a full-blown global depression«.200 Finanzkrisen wären somit also nicht systemimmanent, sondern eher die Folge von ›Fehlern‹ einzelner Regierungen. Als weitere mögliche Verantwortliche benennt der gleiche Artikel SpekulantInnen und ›stupid people‹, deren Handeln schon immer zu Finanzkrisen geführt habe, und zitiert als Beleg einen früheren Herausgeber des Economist: »As Walter Bagehot, a Victorian editor of this paper, wrote, ›At particular times a great deal of stupid people have a great deal of stupid money and there is speculation and there is panic.‹ […] there can be little doubt that panic among international investors did indeed play a part, as troubles were transmitted from one East Asian country to another, and then, like a ghastly (if slow-moving) plague, across the oceans to Latin America and across the steppes to Russia.«201

Ferner wird dann aber auch darauf hingewiesen, dass es falsch wäre anzunehmen, dass die 1990er eine grundsätzlich neue und bedrohlichere Ära für die Finanzmärkte eingeleitet hätten: »Such panics are […] as old as the hills. They are an integral and always disturbing part of capitalism’s instability. Nor is international panic a novelty. Wall Street’s 1929 crash was swiftly transmitted across borders, and the damage to the world economy was aggravated by the collapse of Credit Anstalt, an Austrian bank, in 1931 when foreign lenders withdrew their funds.«202

Hier wird zwar vor dem Hintergrund historischer Fakten die Tatsache einer integralen und beunruhigenden Instabilität des Kapitalismus konzediert, aber verantwortlich für die Krisen und die Instabilität sind doch primär die Handlungen oder Unterlassungen einzelner Regierungen, unfähiger BankmanagerInnen, verantwortungsloser SpekulantInnen und die Tatsache, dass zu viele ›stupid people‹ zu viel ›stupid money‹ haben. In der bislang letzten globalen Finanzkrise waren es dann vermeintlich wiederum ›gierige Banker‹, die die Probleme herbeigeführt haben sollen – zumindest wird dies im öffentlichen und politischen Diskurs immer wieder suggeriert. Soweit es die Analyse des Globalismus betrifft, ist in diesem Zusammenhang besonders interessant, dass es während der Existenz der Bretton-

200 CBI 2008, o.S. 201 »Survey 20th Century. Freedom from Fear?« The Economist, 11.09.1999, o.S. 202 Ebenda.

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Woods-Vereinbarungen203 von 1950 bis 1973 kaum Banken- und wenige Währungskrisen gegeben hat – eine Tatsache, der sich die BefürworterInnen einer weitestgehend deregulierten Wirtschafts- und Finanzwelt stellen müssten. Das internationale Finanzsystem war in dieser Periode durch einen vergleichsweise hohen Grad der Regulierung charakterisiert. Dazu gehörte neben festen Wechselkursen auch die Existenz strenger staatlicher Kontrollen von inländischen und internationalen Kapitaltransaktionen, die in vielen Ländern erst in den 1980ern gelockert wurden.204 Ungeachtet der höheren Krisenanfälligkeit des zunehmend globalisierten Finanzsystems scheint aber doch überwiegend die Sichtweise zu dominieren, dass eine Rückkehr zum Bretton-Woods-System nicht wünschenswert sei. So kommt Jeffrey Sachs, seinerzeit Professor für Internationalen Handel an der Harvard Universität, in einer im Auftrag des Economist erstellten ausführlichen Analyse der verschiedenen Formen von finanziellen Krisen in den 1990ern und den Gefahren für die Emerging Markets nach einer Diskussion zahlreicher Probleme zu folgender Schlussfolgerung: »The broadest lesson for 1998 is positive, however. The emerging economies are determined to stick to the path of global integration. No recent crisis has led a country to withdraw from international trade and finance. Global integration is still proceeding apace. There is no better news for the world’s future wealth.«205

Interessant ist in dieser Passage insbesondere die Formulierung ›the world’s future wealth‹, die, typisch für den Globalismus, zwar so kaum angreifbar ist, aber letztlich nichts über die Verteilung des Reichtums aussagt. Blair teilte in einer Rede vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos 2000 grundsätzlich diese optimistische Position, als er folgender Vermutung Ausdruck verlieh: »[M]ost people in this hall would regard it as axiomatic that open money and capital markets are the best means of ensuring that investment flows to the most attractive opportunities, and that that is how economic development is best promoted«.206 Blair wies aber auch auf gravierende Probleme hin. Er betonte u.a. die Tatsache, dass für die von den Finanzkrisen in Südostasien in den Jahren 1997 und 1998 konkret betroffenen Länder die Argumentationen bezüglich der uneingeschränkt positiven Wirkungen zunehmend globalisierter und liberalisierter Finanzbeziehungen durchaus weniger überzeugend waren: »They point to the huge swings in capital flows they experienced, as footloose money moved into and out of their markets. They point to dramatic exchange rate move-

203 So benannt nach dem Ort in New Hampshire, an dem sie 1944 getroffen wurden. 204 Vgl. Gilpin 2000, 57-68. 205 The Economist 1998, o.S. 206 Blair 2000d, o.S.

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ments, well out of line with any change in economic fundamentals. They argue that their markets were destabilised by huge institutions seeking short-term profits at their expense.«207

In dieser Passage konzediert Blair zwar bestimmte Probleme, distanziert sich aber gleichzeitig sprachlich doch bis zu einem gewissen Grade von den Aussagen: ›they point to‹ (2x) und ›they argue‹. Angesichts der gravierenden Probleme forderte Blair eine stärkere Einflussnahme auf die Ausgestaltung der globalisierten Finanzwelt und eine Regulation zumindest bestimmter Aspekte der Finanzmärkte sowie eine Befähigung einzelner Länder, die Möglichkeiten der Globalisierung besser zu nutzen und gleichzeitig deren Gefahren besser beherrschen zu können. Die finanziellen Krisen sollten seines Erachtens aber nicht zu der Schlussfolgerung führen, dass offene Kapitalmärkte nicht langfristig ein Ziel bleiben sollten. Um dies zu erreichen, bedürfe es nicht nur eines besseren Verständnisses der technischen Probleme globaler Finanzmärkte, sondern auch einer stärkeren Berücksichtigung der Probleme jener Länder, deren Kapitalmärkte am stärksten von den Krisen betroffen waren: »[W]e need to address the reasonable concerns of countries who believe that their markets have been damaged. […] Developing countries should feel confident that their concerns are assessed and addressed, and that they are properly involved in the work of the international financial institutions.«208

Auch hier findet wieder eine sprachliche Distanzierung statt: ›countries who believe‹. Zugleich wird durch die Passivkonstruktion verdeutlicht, welche Rolle den betroffenen Staaten bei der Problembewältigung zukommen soll: ›their concerns are assessed and addressed‹. Auch wenn die dafür Verantwortlichen in dieser Textpassage nicht explizit benannt werden, ergibt sich aus dem Kontext, dass dies die Aufgabe der relativ kleinen Gruppe der hochindustrialisierten Staaten und insbesondere der von den G7 dominierten internationalen Institutionen ist, wobei die Entwicklungsländer ›properly involved‹ werden sollen. Die Praxis der vergangenen Jahrzehnte spricht allerdings eine andere Sprache. Im HDR 1999 werden zwar ebenfalls die durch die Globalisierung gewachsenen finanziellen Möglichkeiten und Chancen benannt, zugleich aber in stärkerem Maße die unterschiedlichen Auswirkungen auf ganz konkrete Länder betont. Zudem werden die Probleme im Gegensatz zum Economist und Blair eher als systemisch, denn als exzeptionell betrachtet – Globalisierung führt für die AutorInnen des HDR quasi mit Notwendigkeit zu bestimmten kritischen Konstellationen. So argumentieren sie, dass die Häufig-

207 Ebenda. 208 Ebenda.

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keit von finanziellen Krisen als Folge des Wachstums globaler Kapitalströme zugenommen hat: »They result from rapid buildups and reversals of short-term capital flows and are likely to recur. More likely when national institutions regulating financial markets are not well developed, they are now recognized as systemic features of global capital markets. No single country can withstand their whims, and global action is needed to prevent and manage them.«209

Die teilweise dramatischen Auswirkungen auf einzelne Länder beziehungsweise Regionen in der Vergangenheit werden von den AutorInnen des HDR nicht als isolierte Phänomene, sondern als systemisch und eng verbunden mit ganz konkreten Aspekten des Globalisierungsprozesses insbesondere seit den 1990ern verstanden. Folgerichtig wird in der Analyse des HDR die Krise in Asien als ein Symptom einer allgemeinen Schwäche der globalen Finanzmärkte interpretiert: »Recent UNCTAD studies show a rising frequency of financial crises with the growth in international capital flows of the 1990s. Flows can be volatile, fed by herd behaviour and inadequate information for investors around the world, with investor confidence and risk ratings tumbling overnight. […] Markets have also become increasingly sophisticated, with financial innovations that have made available countless financial instruments – from derivatives to hedge funds. In theory, these instruments were intended to transfer and spread risk. In practice, they have become part of the volatility of today’s capital markets.«210

Insbesondere die zunehmende Komplexität (und teilweise Intransparenz) der Finanzinstrumente und deren mögliche potenzielle Risiken wurden im Ergebnis der Subprime-Krise in den Fokus der Kritik gerückt. Was, wie im Nachhinein klar wurde, bereits Ende 2006 begonnen hatte und noch 2007 im Wesentlichen als ein isoliertes Problem des US-amerikanischen Hypothekenmarktes interpretiert wurde, wuchs sich über mehrere Monate zu einer veritablen Krise des globalen Finanzsystems und in Sonderheit der Banken aus.211 Es war dieser Kontext, in dem die konkreten Reformen der verschiedenen Labour-Regierungen im Finanzsektor seit 1997 der bis dahin wohl ernsthaftesten Prüfung unterzogen wurden. Die wichtigste dieser Maßnahmen war die Entscheidung, vorerst nicht der Eurozone beizutreten, auch wenn dies zu keinem Zeitpunkt grundsätzlich ausgeschlossen wurde. Zu nennen wären ferner die bereits im Mai 1997 getroffenen Entscheidungen,

209 UNDP 1999, 4. 210 Ebenda, 40. 211 »Paradise Lost. A Special Report on International Banking.« The Economist, 17.05.2008, o.S.

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der Bank of England weitestgehende Unabhängigkeit vom Staat zuzugestehen und gleichzeitig eine neue Finanzaufsicht, die Financial Services Authority (FSA) zu schaffen. Deren Aufgabe sollte darin bestehen, die Aufsichtsfunktionen verschiedener existierender Einrichtungen zu bündeln.212 Es ist zwar völlig offen, ob eine staatlich geführte Zentralbank und die zum Zeitpunkt des Regierungsantrittes von New Labour vorhandenen Kontrolleinrichtungen erfolgreicher mit den Folgen der Subprime-Krise zurecht gekommen wären, aber zumindest ist deutlich geworden, dass die national und international vorhandenen Kontrollmechanismen und Regularien nicht in der Lage waren, die Krise zu verhindern beziehungsweise ihre globale Ausweitung erfolgreich einzudämmen. In Großbritannien erregte vor allem der Fall der Bank Northern Rock Aufsehen, deren riskante Hypothekengeschäfte im Gefolge der SubprimeKrise praktisch zu einem Zusammenbruch der Bank führten. Hier zeigte sich exemplarisch der Grad der Verknüpfung der globalen und nationalen Finanzmärkte, aber auch die Problematik von Interventionsmöglichkeiten nationaler Regierungen. So wurde im Economist ein Treffen von Brown mit europäischen SpitzenpolitikerInnen im Januar 2008 folgendermaßen kommentiert: »Flanked by European leaders in the splendour of the Foreign Office’s Locarno rooms on January 29th, Gordon Brown made much of the need for sweeping international co-operation to avoid future financial trouble. But the festering crisis over Northern Rock, the stricken mortgage lender that suffered the first bank run in Britain for over a century, has exposed humbler domestic flaws that require attention.«213

Zu diesen ›flaws‹ gehörte laut dem Economist das »dismal buck-passing by the ›tripartite authorities‹ – the Bank of England, the FSA and the Treasury – when Northern Rock needed a hand«.214 Eine Konstellation der involvierten Institutionen, die so überhaupt erst durch die Reformen von New Labour entstanden war. Mit Blick auf die Untersuchung des Globalismussubdiskurses Ökonomie sind es vor allem der Charakter des Diskurses im Zusammenhang mit Northern Rock und die Positionierung der Labour-Regierung, die besonderes Interesse verdienen. Brown beschrieb den größeren Zusammenhang zwischen den globalen Finanzmärkten und der nationalen Situation in Großbritannien in einer Pressekonferenz am 18.02.2008 folgendermaßen: »Because we are the most open economy in the world and one of the major centres for financial activity obviously Britain is affected by sharp changes in the global

212 Sinclair 2007, 195. 213 »Failed Banks. Avoiding the Next Northern Rock.« The Economist, 31.01.2008, o.S. 214 Ebenda.

220 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR financial markets. But because of the decisions we have made Britain is in a better position to deal with global turbulence.«215

Die im Verlaufe des Jahres 2007 immer deutlicher gewordenen Probleme von Northern Rock hatten aber Zweifel an dieser Fähigkeit aufkommen lassen, wofür die in allen Medien präsenten Schlangen von KundInnen der Bank, die um ihre Einlagen fürchteten, ein beredter Beleg waren. Die Schwierigkeiten, private InvestorInnen zu finden, die bereit gewesen wären, die Risiken von Northern Rock zu übernehmen, stellten Brown vor ein Dilemma. Falls Northern Rock endgültig kollabieren sollte, so war einerseits, trotz aller gegenteiligen Behauptungen, ein Dominoeffekt oder zumindest doch ein massiver Vertrauensverlust sowohl in das Bankensystem als auch die FSA zu befürchten. Beides würde auch die Position des Premierministers schwächen, der während der Blair-Ära für die Finanzen zuständig war und die Reformen in diesem Sektor in Übereinstimmung mit Blair ganz bewusst vorangetrieben hatte. Andererseits versuchte Brown verzweifelt eine direkte Intervention des Staates zu vermeiden, die im Rahmen des bestehenden Regelwerkes eigentlich auch gar nicht mehr möglich war. Außerdem hätte sie das von Blair und Brown immer wieder geäußerte grundsätzliche Vertrauen in die Effizienz der Märkte bei der Lösung wirtschaftlicher Probleme in Frage gestellt. Angesichts der mangelnden Bereitschaft privater InvestorInnen, die Risiken in den Bilanzen von Northern Rock zu übernehmen, musste die Regierung letztlich aber doch zu einer radikalen Maßnahme greifen. Brown begründete diese folgendermaßen: »Given both bids that came forward involved a subsidy from government without an appropriate level of return for taxpayers, after detailed consideration and independent advice the Chancellor concluded that the right decision is to hold Northern Rock in temporary public ownership, to be run at arm’s length from the government, under professional management until adverse market conditions change, and then the bank can be returned to the private sector.«216

Auch wenn Brown und Darling intensiv bemüht waren, das Tabuwort Nationalisierung zu vermeiden, entspricht die mit der Formulierung ›temporary public ownership‹ beschriebene Regelung, die am 17. Februar 2008 bekannt gegeben wurde, dieser doch weitestgehend. Northern Rock lieferte mehr als zehn Jahre nach der Regierungsübernahme ein weiteres eindrucksvolles Beispiel für das Bestreben von New Labour, möglichst alles – sowohl konkrete Maßnahmen als auch ein bestimmtes Vokabular – zu vermeiden, was auch nur andeutungsweise an ›Old Labour‹ erinnern könnte. Genau auf dieses Problem wurde auch im Economist hingewiesen:

215 Brown 2008, o.S. 216 Ebenda.

GLOBALISMUS UND Ö KONOMIE | 221

»For nationalisation is, in the New Labour lexicon, the economic policy that dares not speak its name. The very word summons up the dark days of the 1970s, when Labour presided over failing state-owned firms and bitter strikes, and was then voted out of office for 18 years. The party’s right wing fought for decades to expunge nationalisation from the movement’s creed, but not until Tony Blair was leader did they manage to ditch the commitment to ›common ownership of the means of production‹.«217

Northern Rock wurde, wie nicht anders zu erwarten, durch die Konservative Partei instrumentalisiert, um zu argumentieren, dass das ökonomische Management von New Labour und insbesondere von Brown als Finanzminister offensichtlich doch nicht so erfolgreich war, wie die Labour Party gerne behauptete.218 VertreterInnen der Konservativen Partei bezeichneten die ›Nationalisierung‹ von Northern Rock als ›Labour’s Black Wednesday‹. Die Formulierung bezog sich auf die Demütigung der Konservativen Regierung 1992, als die britische Währung aus dem europäischen Wechselkursmechanismus ausgeschlossen wurde, was den Glauben an die ökonomische Kompetenz der Regierung untergrub.219 Britische WirtschaftsvertreterInnen und in Sonderheit die CBI reagierten in vorhersehbarer Weise auf die Krise des Finanzsystems und waren vor allem bemüht, die Regierung von zusätzlichen steuerlichen Belastungen der Unternehmen und weiteren Regulierungsmaßnahmen abzuhalten. Broughton ließ während des oben erwähnten Dinners der CBI keinen Zweifel an den Forderungen seiner Organisation und verband diese mit einer kaum verhüllten Drohung: »What business wants from the system of corporate taxation in Britain is Clarity, Certainty and Competitiveness. What we are getting is Cost, Complexity, and Capriciousness. Chancellor, in all candour, it cannot go on like this. In a world of mobile capital, and increasingly mobile labour, companies and individuals now have a choice. Not just about where to work. Or where to invest. But about where to pay tax. This is a reality that the Government cannot afford to ignore.«220

Die Argumentation folgt dem Muster der im Zusammenhang mit der Umweltpolitik diskutierten Forderung der CBI in der Business Agenda von 2005, bei der Festsetzung von CO2-Emissionsreduktionen die Tatsache zu berücksichtigen, dass gegebenenfalls auch eine Produktionsverlagerung ins Ausland möglich sei.221 Broughton räumte ein, dass es sehr ernsthafte Prob-

217 »Nationalising Northern Rock. A Bank by Any Other Name.« The Economist, 21.02.2008, o.S.; vgl. zu Details auch S. 167. 218 Ebenda. 219 Dunleavy 1993a, 8ff. 220 CBI 2008, o.S. 221 Vgl. S. 209.

222 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

leme gäbe (»Chancellor, these are times of grievous uncertainty in the financial markets.«), machte aber auch unmissverständlich klar, dass jede weitere Beschränkung freier Märkte kontraproduktiv sei: »We believe it is in your interests, as well as ours, that you and your colleagues in government now do all that is within your power to keep markets open and free. Free of excessive taxation. Free of clumsy regulation. Free of tariffs and quotas and subsidies, and of all of the other paraphernalia of the protectionist delusion.«222

Ungeachtet der massiven weltweiten Probleme im Finanzsektor schloss Broughton seine Rede mit einer Bemerkung, die Ausdruck seines Vertrauens in die Fähigkeiten zumindest der britischen Wirtschaft war, sofern es nur zu keinen weiteren Regulierungsschritten käme: »If markets stay open – and, better still, become more open yet – there is little wrong with the world that the daily miracles of British business cannot fix.«223 Vor dem Hintergrund der enormen Abschreibungen, die von zahlreichen Banken und Investmenthäusern vor allem in den USA und in Europa im Zusammenhang mit der Subprime-Krise vorgenommen werden mussten, und spektakulären staatlichen Interventionen im Bankensektor, schien selbst der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, dieses Vertrauen in den Markt nicht mehr zu teilen. Er erklärte 2008, sehr zur Überraschung der Notenbanker und FinanzexpertInnen, die beim Empfang des Schweizer Konsulats mit ihm auf dem Podium saßen: »Ich glaube nicht mehr an die Selbstheilungskräfte der Märkte.« Ein Genfer Privatbankier fragte vorsichtig nach, ob Ackermann dies wirklich so gemeint habe? Ackermann erwiderte: »Es ist illusorisch zu glauben, dass wir warten können, bis der Markt wieder ins Gleichgewicht findet.«224 Jost und Struve kommentieren dies folgendermaßen: »Wenn schon die Banker nicht mehr an den Markt glauben, muss es schlimm um das Finanzsystem bestellt sein. Tatsächlich ist das zentrale Nervensystem der Weltwirtschaft krank.«225 Ungeachtet dieser bemerkenswerten Äußerung Ackermanns zeigte sich allerdings schon 2009, dass sowohl er als auch andere BefürworterInnen der ›freien Marktwirtschaft‹ weitergehende dauerhafte Interventionen des Staates oder supranationaler Institutionen im Finanzsektor grundsätzlich ablehnen. Staatliche Hilfen werden in Krisensituationen, nicht zuletzt auch im Sinne einer ›Sozialisierung‹ von finanziellen Risiken und Verlusten, sicherlich auch weiterhin willkommen sein, nicht aber eine neuerliche stärkere Regulierung nationaler und globaler Finanzsysteme.

222 223 224 225

CBI 2008, o.S. Ebenda. Zit. nach Jost und Struve 2008, o.S. Jost und Struve 2008, o.S.

8. Globalismus und Wohlfahrtsstaat

8.1 E INLEITUNG A new and vastly expanded role for government [in the post-war period] was justified by two vivid memories: World War II had shown the capacity of the state to organize and direct the resources of the nation to the achievement of national objectives; the Depression and mass unemployment of the 1930s had made clear, it seemed, the faults of capitalism and private enterprise. Furthermore, only the state could supply leadership and capital needed for postwar reconstruction.1 EARL A. REITAN My case is that the forces of change are pervasive and fundamental; that they require nations to adapt and reform with equal rapidity; and that though the role of Government may be new, its ways of working radically different, it has a role and our citizens know it and want the role performed.2 TONY BLAIR

Im Kontext der Globalisierung und der sie begleitenden Debatten spielt neben der sogenannten Krise des Nationalstaates auch die Zukunft des Wohlfahrtsstaates eine zentrale Rolle nicht nur in den hoch entwickelten Industriestaaten wie Großbritannien, sondern auch in den Entwicklungsländern.

1 2

Reitan 2003, x. Blair 2000d, o.S.

224 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

Im HDR 1999 wird dazu festgestellt: »Until recently social and welfare policy were matters for national action. With globalization, this has been changing.«3 Im Vergleich zu den Industrienationen, in denen der Wohlfahrtsstaat vor allem durch die Auswirkungen des globalen Wettbewerbs unter Druck geriet, sei die Situation in den Entwicklungsländern noch schwieriger, da dort der Umfang der sozialen Leistungen ohnehin schon sehr begrenzt war. Die Strukturanpassungsprogramme hätten die Schwierigkeiten noch erhöht: »[They] have often cut back primary health care and basic education, with reduced subsidies and increased charges restricting access to these services for poor people.«4 Es ist dieser Hintergrund, vor dem sowohl von VertreterInnen der Wirtschaft als auch von der Mehrheit der PolitikerInnen in den hoch entwickelten Industriestaaten allenthalben die oftmals nicht genauer spezifizierte Forderung erhoben wird, den Wohlfahrtsstaat zu ›modernisieren‹ (die positive Konnotation des Begriffes Modernisierung spielt natürlich bei der Wortwahl eine entscheidende Rolle). Im Zusammenhang mit dieser Forderung zeigt sich u.a., dass die Akzeptanz der im Kapitel 7 analysierten ökonomischen Kernbestandteile des Globalismus auch in andere gesellschaftliche Bereiche hineinwirkt. Als Konsequenz des Primats, das der Ökonomie eingeräumt wird, erscheint die undifferenzierte Behauptung, der Wohlfahrtsstaat müsse ›modernisiert‹ werden, nicht mehr als bloße Behauptung, sondern als die notwendige, unvermeidbare und logische Folge ökonomischer Zwänge, die ihrerseits aus der Globalisierung erwachsen. So werden der ›Umbau‹, die ›Reformierung‹ und die ›Modernisierung‹ des Wohlfahrtsstaates nicht selten als zwar bedauerliche, aber letztlich doch unausweichliche Folgen der Globalisierung dargestellt. Auch in diesem Bereich finden sich weitere konkrete Beispiele für die mittlerweile weit verbreitete diskursive Praxis, dass die politisch Verantwortlichen bei der Bevölkerung unpopuläre Maßnahmen als Ergebnis der ›Notwendigkeiten‹ und ›Zwänge‹ der Globalisierung konstruieren, auch wenn diese das Ergebnis ihrer Entscheidungen sind und das Spektrum der tatsächlichen Gründe durchaus breiter ist. In den sehr unterschiedlich akzentuierten Diskussionen über die Zukunft des Wohlfahrtsstaates klaffen die Positionen der DiskursteilnehmerInnen in vielen Details zwar weit auseinander, lassen sich aber nach ihrem zugrunde liegenden Globalisierungsverständnis in zwei Hauptgruppen einteilen. Von den BefürworterInnen einer zunehmend globalisierten und von staatlichen Eingriffen möglichst zu verschonenden Marktwirtschaft wird die Ansicht vertreten, dass diese letztlich auch für das Wohl der Menschen in allen Ländern optimale Voraussetzungen schaffe, wenn nur bestimmte Rahmenbedingungen gewährleistet würden. Die KritikerInnen hingegen sehen die Globalisierung als einen primär von den wirtschaftlichen Interessen der reichen Länder und der transnational operierenden Konzerne bestimmten Pro-

3 4

UNDP 1999, 99. Ebenda.

GLOBALISMUS UND W OHLFAHRTSSTAAT | 225

zess, in dem außerökonomische Aspekte nur dann berücksichtigt werden, wenn diese die Profitmaximierung gefährden oder der politische Gegendruck vorübergehend zu stark wird. Auch wenn sich die Frage nach der Zukunft und den möglichen beziehungsweise notwendigen Formen des Wohlfahrtsstaates westeuropäischer Prägung für beide Gruppen stellt, ist klar, dass die jeweiligen Antworten sehr unterschiedlich ausfallen. Für die Labour Party stellte die Neubestimmung ihres Verhältnisses zum Wohlfahrtsstaat sowohl in den Jahren unmittelbar vor ihrer Rückkehr an die Macht als auch nach der Regierungsübernahme aus verschiedenen Gründen eine besondere Herausforderung dar. Bevor diese und die Reaktionen darauf im Detail analysiert werden, soll das Phänomen des Wohlfahrtsstaates westeuropäischer Prägung im Folgenden knapp historisch eingeordnet und als Bestandteil moderner kapitalistischer Gesellschaften charakterisiert werden, der sowohl im Kontext von Globalisierungsprozessen als auch des demografischen Wandels vor neuen Herausforderungen steht. Der Terminus Wohlfahrtsstaat wird hier verstanden als eine national spezifische Kombination von öffentlichen Ausgaben und Steuerregelungen. Die wichtigsten Bereiche umfassen Bildung, Gesundheits- und Altersvorsorge sowie die Unterstützung Bedürftiger durch Einkommenszuschüsse, Arbeitslosenunterstützung und Ähnliches. Es gibt zwar zahlreiche Gemeinsamkeiten nicht nur zwischen den sozialstaatlichen Strukturen und den aktuellen Problemen, sondern auch zwischen den jeweiligen Diskursen zur Notwendigkeit der ›Modernisierung‹ des Wohlfahrtsstaates in den hoch entwickelten Industriestaaten (insbesondere innerhalb Europas), aber als Konsequenz der unterschiedlichen historischen Entwicklungen und Traditionen auch gravierende Unterschiede, auf die an dieser Stelle aber nicht eingegangen werden kann. Vielmehr wird im folgenden Abschnitt der spezifischen Analyse des Diskurses zum Wohlfahrtsstaat in Großbritannien und der Rolle, die New Labour bei der aktiven Ausgestaltung dieses Subdiskurses des Globalismus gespielt hat, analog zum Kapitel 7 eine kurze Diskussion ausgewählter Diskursbeiträge vorangestellt, die zumindest einen exemplarischen Blick auf die Versuche bestimmter Institutionen5 erlaubt, die Debatten zur Zukunft des Wohlfahrtsstaates und der Notwendigkeit, ihn zu ›modernisieren‹, zu beeinflussen. Dabei wird deutlich, dass diese Versuche in ganz enger (intertextueller und interdiskursiver) Beziehung insbesondere zu zwei der im Kapitel 7 analysierten Subdiskurse des Globalismus stehen: ökonomische Freiheit, Marktwirtschaft und Rolle des Staates sowie das Verhältnis von Kapital und Arbeit.6

5 6

Zu den Kriterien für die Auswahl der Institutionen vgl. S. 160. Vgl. Abschnitte 7.2 und 7.4.

226 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

8.2 K APITALISMUS

UND

W OHLFAHRTSSTAAT

Im Zusammenhang mit der Wohlfahrtsstaatsdebatte argumentieren wirtschaftsliberale KritikerInnen ›linker‹ Regierungen in Europa verschiedentlich, dass diese grundsätzlich nicht in der Lage seien, sich den Herausforderungen der Globalisierung auf Dauer erfolgreich zu stellen. So äußerte 1999 der damalige Vorsitzende der Konservativen Partei Großbritanniens, William Hague, die Überzeugung, dass das Ergebnis der Politik der ›Linken‹, trotz aller Lippenbekenntnisse zur Globalisierung, letztlich doch nur eine gefährliche Mischung aus Regierungsinterventionismus, hohen Sozialausgaben und Steuern sei. Diese seien aber nicht die Antwort auf die ökonomischen Probleme der Welt, sondern würden diese nur noch verschärfen.7 Die Problematik stellt sich aber bei einer historischen Einordnung nicht so sehr als ein parteipolitisches, sondern, wenn auch in national unterschiedlicher Ausprägung, als ein allgemeines Phänomen in allen modernen kapitalistischen Industriestaaten heraus. Eine der zentralen Fragen in den Debatten über die Zukunft des Wohlfahrtsstaates ist die nach der Definition seiner Aufgabenbereiche. Im politischen Tagesdiskurs manifestiert sich dies beispielsweise in Beteuerungen, dass man kein ›big government‹ wolle.8 In intellektuell anspruchsvolleren Argumentationen werden die Forderungen nach einer Beschränkung des Wohlfahrtsstaates nicht selten mehr oder weniger direkt mit der Problematik ›limited government‹ verschränkt. Generell geht es dabei um die vermeintliche Verhinderung einer Machtkonzentration in den Händen des Staates. So wird im Cato Handbook for Policymakers im Kapitel 2, »Limited Government and the Rule of Law« eine bei Aristoteles beginnende Traditionslinie gezeichnet, die sich in der neueren Geschichte über die Magna Carta (1215), die Petition of Right (1628), die Bill of Rights (1689), Thomas Jeffersons A Summary View of the Rights of British America (1774), die Declaration of Independence 1776, die amerikanische Verfassung (1787) und die sie ergänzende Bill of Rights (1789) fortsetzt. Das Kapitel beginnt mit der folgenden Passage: »Limited government is one of the greatest accomplishments of humanity. It is imperfectly enjoyed by only a portion of the human race, and, where it is enjoyed, its tenure is ever precarious. The experience of the last century is surely witness to the insecurity of constitutional government and to the need for courage in achieving it and vigilance in maintaining it. Advocates of limited government are not antigovernment per se, as some people would charge. Rather, they are hostile to concentrations of coercive power and to the arbitrary use of power against right.«9

7 8 9

Hague 1999, o.S. Vgl. die Diskussion der Rede Blairs vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos im Jahre 2000 auf S. 238. Boaz (Ed.) 2009, 11.

GLOBALISMUS UND W OHLFAHRTSSTAAT | 227

Von besonderer Relevanz für den Globalismussubdiskurs Wohlfahrtsstaat ist der Verweis auf eine Konzentration von Macht und der Möglichkeit ihres Missbrauches. Zu den möglichen ›Gefahrenquellen‹ gehören u.a. staatlicher Interventionismus in der ökonomischen Sphäre und ein ›überbordender‹ Wohlfahrtsstaat, die nicht nur eine Gefährdung des reibungslosen Funktionierens marktwirtschaftlicher Prinzipien darstellen, sondern auch ›kollektivistische Tendenzen‹ verstärken, die individuelle Freiheit untergraben und tendenziell zu totalitären Regimen führen. Eine der klassischen Quellen für eine solche Argumentation ist Hayeks10 für liberale und neoliberale Denkschulen immer noch sehr einflussreiche Publikation The Road to Serfdom, deren Erstausgabe er 1944 mit der folgenden Widmung versehen hatte: »To the socialists of all parties.« In seinem Vorwort zu der Ausgabe von 1976 verlieh er seiner Überzeugung Ausdruck, dass nicht nur die Widmung, sondern auch die Warnungen vor den ›Gefahren des Sozialismus‹, die er in dem Buch beschrieben hatte, angesichts der Entwicklungen seit der Erstveröffentlichung immer noch ihre Berechtigung hätten. Allerdings habe sich die Bedeutung des Begriffes Sozialismus zwischenzeitlich geändert. Bedeutete er ursprünglich »unambiguously the nationalisation of the means of production and the central economic planning which this made possible and necessary«, so stand er 1976 hauptsächlich für »extensive re-distribution of incomes through taxation and the institutions of the welfare state«. Die Folgen des Sozialismus wären aber in beiden Fällen im Wesentlichen die gleichen: »I believe that the ultimate outcome tends to be very much the same, although the process by which it is brought about is not quite the same as that described in this book.«11 In der Tradition von Hayek stehen Publikationen wie die von Bandow, einem senior fellow des Cato Institute aus dem Jahre 1997.12 In seinem Aufsatz »Freedom vs. the Welfare State«, der auch in der Washington Post erschien, kommt er abschließend zu folgender vernichtender Einschätzung des Wohlfahrtsstaates: »The problem with the welfare state is not that it is a bit too ungainly and wasteful. The problem with the welfare state is that it is immoral in principle and disastrous in practice. It sets citizen against citizen, and undermines families and communities, discourages self-responsibility and civic action, slows economic growth and locks the

10 Hayek erhielt 1974 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften für seine Arbeiten auf dem Gebiet der Geld- und Konjunkturtheorie. 11 Hayek 1976, viii. 12 Zur Person: »He worked as special assistant to President Reagan and editor of the political magazine Inquiry. He writes regularly for leading publications such as Fortune magazine and speaks frequently at academic conferences, on college campuses, and to business groups. Bandow has been a regular commentator on ABC, CBS, NBC, CNN, Fox News Channel, and MSNBC (Homepage Cato Institute [http://www.cato.org/people/doug-bandow – 10.09.2009]).«

228 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR most vulnerable into poverty. Thus, the welfare state must remain the target of anyone who believes in limited government.«13

Die Passage listet in komprimierter Form die üblichen Kritikpunkte am Wohlfahrtsstaat auf, die im Folgenden genauer analysiert werden: die Tendenz zur Verschwendung von Steuern, seine moralisch problematischen Konsequenzen, die Zerstörung der Grundlagen der Zivilgesellschaft (Familie, Gemeinschaften, Eigenverantwortlichkeit und -initiative), die mangelnde Hilfe für die tatsächlich Armen und die wachstumsschädlichen Auswirkungen. In ähnlicher Form finden sich diese Argumente auch in Seldons 1998 vom IEA veröffentlichten The Dilemma of Democracy. The Political Economics of Over-Government. Dort beschreibt er, nach dem Regierungsantritt von New Labour und im Rückblick auf die Expansion des britischen Wohlfahrtsstaates nach 1945, die neue Situation: »Only now in 1998, after half a century, has democracy begun to acknowledge that the welfare state formed in the post-war years has outlived its day. The 1997 Government has bravely begun a tortuous task of ›modernisation‹ that will be resisted and may be derailed by its ›barnacles‹.«14

Angesichts der vehementen Kritik am Charakter und Umfang des britischen Wohlfahrtsstaat (zumindest in der nach 1945 entstandenen Form), die sich durch Seldons gesamtes Buch zieht, lässt sein Lob für die Labour Party (›the 1997 Government has bravely begun‹) allerdings auch den Schluss zu, dass er sich von ihr einen Rückbau des Wohlfahrtsstaates erhoffte. Die als Bestandteil des Globalismussubdiskurses Wohlfahrtsstaat erhobenen Forderungen nach einer grundsätzlichen Limitierung der Aufgaben des Staates werden gestützt durch Wirtschaftstheorien, die davon ausgehen, dass dieser sich auf seine eng gefassten Kernaufgaben beschränken müsse, wenn durch die steigende Staatsquote negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung und insbesondere die Produktivität vermieden werden sollen. Dies bedeute, so beispielsweise Gwartney, Holcombe und Lawson im Cato Journal 1998, aber nicht, dass der Staat nicht einige Aufgaben übernehmen müsse: »Economic theory provides some basis for belief that certain government activities – for example, the protection of property rights, the provision of a legal structure for settling disputes, and the allocation of funds for investment in infrastructure and human capital – may enhance economic growth. However […], the growth of govern-

13 Bandow 1997, o.S. 14 Seldon 2002 [1998], 58. Seldon benennt als ›barnacles‹ z.B. »political, professional and trade union interests« (ebenda, 72). Seldon war einer der Gründungspräsidenten des IEA. Zu seinen Lehrern gehörte auch Hayek.

GLOBALISMUS UND W OHLFAHRTSSTAAT | 229

ment in recent decades has not been in those core areas. On the contrary, government has expanded into activities the legitimacy of which is highly questionable.«15

Die Akzeptanz der Finanzierung der Bereiche Infrastruktur und ›Humankapital‹ (auch dieser Begriff ist ein Beleg für die zunehmende Ökonomisierung der Gesellschaft) als Kernaufgaben des Staates widerspiegelt auch die unten diskutierte Charakterisierung des Wohlfahrtsstaates als Wirtschaftsförderer durch New Labour.16 Die Hauptziele der ›Modernisierung‹ des Staates beziehungsweise des Wohlfahrtsstaates wären somit die Rückführung seiner Aktivitäten auf die aus der Sicht von Wirtschaftsliberalen notwendigen Kernaufgaben und ein möglichst umfassender Abbau all jener Aktivitäten, deren Berechtigung ›highly questionable‹ ist. Die Kritik an der vermeintlich permanent steigenden Staatsquote gehört zwar auch in Großbritannien zum Standardrepertoire der KritikerInnen des Wohlfahrtsstaates, wird aber von OECD-Statistiken so nicht bestätigt.17 Der deutliche Anstieg der Sozialausgaben seit den 1980ern wird hier gar nicht in Frage gestellt. Tatsache ist aber auch, dass seit Beginn der 1990er die Ausgaben – wenn auch verglichen mit den 1980ern auf deutlich höherem Niveau – relativ stabil geblieben sind.18 Einen Grund für die Höhe der Staatsquote sehen die AutorInnen des Economist darin, dass demokratische Gesellschaften eine inhärente Tendenz zur Ausweitung der Ausgaben für den Wohlfahrtsstaat aufweisen: »Democracy also pushes in the direction of bigger government, since the incentive to bribe the voters with their own money is great, and the pressure to offer to do more ineluctable.«19 Auch wenn hier die Tatsache der gezielten Beeinflussung von WählerInnen durch die ›Gewährung‹ spezifischer Leistungen des Staates gar nicht in Abrede gestellt wird, muss aber doch auf einen ganz bewusst irreführenden Aspekt der entsprechenden Argumentationen hingewiesen werden. Hier wird suggeriert, dass die WählerInnen quasi nur mit ihrem eigenen Geld (Steuern und Sozialabgaben) ›bestochen‹ würden (›the incentive to bribe the voters with their own money is great‹). Richtig ist aber, dass ein großer Teil dieses Geldes durch Steuern und Abgaben der Wirtschaft sowie durch die Besteuerung von Kapitalvermögen generiert wird. Die vermeintliche ›Bestechung‹ kann also durchaus auch als ein Element einer gewollten Redistribution gesellschaftlichen Reichtums durch den

15 Gwartney, Holcombe and Lawson 1998, 165. Ein solches Staatsverständnis ist faktisch identisch mit den auf S. 166f. diskutierten Kriterien, die vom EFN für die Messung des Grades ökonomischer Freiheit in konkreten Ländern definiert worden sind. 16 Vgl. S. 241f. 17 OECD 2010, o.S. 18 Vgl. auch Tabelle 7: Public Social Expenditure as a Percentage of GDP. 19 »Survey 20th Century. Helping Hands, Grabbing Hands.« The Economist, 11.09.1999, o.S.

230 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

Wohlfahrtsstaat interpretiert werden – einer Redistribution, die allerdings, folgt man der oben zitierten Einschätzung Hayeks, letztlich mit allen damit verbundenen negativen Folgen tendenziell in den ›Sozialismus‹ führt.20 Mit Blick auf den redistributiven Charakters des Wohlfahrtsstaates erscheint es allerdings nur rational, dass WählerInnen ihre Entscheidung für oder gegen eine konkrete Partei auch davon abhängig machen, inwieweit sie ganz persönlich von der versprochenen Redistribution profitieren beziehungsweise davon überzeugt sind, dass sie diese zu ihrem eigenen Nachteil finanzieren. Es ist dieser Aspekt, mit dem die Effizienzdebatte im Rahmen des Globalismussubdiskurses Wohlfahrtsstaat wirkungsvoll diskursiv verschränkt wird. In der Effizienzdebatte wird davon ausgegangen, dass in demokratischen Gesellschaften nicht nur die PolitikerInnen, sondern auch die WählerInnen überzeugt werden müssen, dass soziale Leistungen am effektivsten durch Marktmechanismen bereitgestellt werden können. Dabei richten sich die Argumentationen beispielsweise der CBI nicht einmal vordergründig gegen die Notwendigkeit (limitierter) sozialer Sicherungssysteme und Leistungen, sondern sie betonen vielmehr die höhere Effizienz marktwirtschaftlicher Lösungen. So wird in der CBI Business Agenda des Jahres 2005 im Abschnitt 9, Build Efficient Public Services, betont: »Business is committed to supporting the delivery of world-class public services through the introduction of greater diversity in provision to improve the efficiency and effectiveness of public services.«21 Durch die Formulierung ›greater diversity in provision‹, die im Wesentlichen für die Einführung privater Varianten der sozialen Absicherung steht, wird sprachlich kaschiert, dass die ›public services‹ (auf Weltniveau!) durch eine zunehmende Privatisierung erreicht werden sollen. In einer anderen Publikation der CBI von 2005 wird einleitend darauf hingewiesen, dass die Ineffizienz des Wohlfahrtsstaates in der Vergangenheit nur durch die ständig steigenden Ausgaben überdeckt worden sei, diese Situation sich aber jetzt grundlegend geändert hätte: »Those who provide our public services have been living in an age of plenty. Record and sustained growth in public spending has, in general, both improved service delivery and covered up the cracks and inefficiencies. The best managers have been able to point to big gains while the worst have had their failures shielded by a steady rise in funding.«22

Durch eine Kombination stärker marktwirtschaftlich orientierter und privater Varianten der sozialen Absicherung beispielsweise in den Bereichen Gesundheits- und Altersvorsorge einerseits sowie einer generellen Limitie-

20 Vgl. S. 227. 21 CBI 2005a, 14. 22 CBI 2005b, 1.

GLOBALISMUS UND W OHLFAHRTSSTAAT | 231

rung sozialstaatlicher Leistungen andererseits würden natürlich, quasi als ›Nebeneffekt‹, nicht nur die Ausgaben des Staates, sondern auch der Umfang der durch die Wirtschaft zu entrichtenden Steuern und Abgaben zu deren Finanzierung sinken. Gleichzeitig würde sich im Zuge einer fortschreitenden Privatisierung sozialer Leistungen künftig natürlich auch ein wachsender Markt für private Anbieter eröffnen. So überrascht es nicht, dass sich die CBI einerseits für ›world-class public services‹ und andererseits unter dem Stichwort ›competitive neutrality‹ vehement für eine Gleichberechtigung verschiedener Anbieter bei der Vergabe von Aufträgen einsetzt.23 Nur durch eine neutrale Vergabepraxis könne die höchstmögliche Effizienz gewährleistet werden: »[W]here public, private or voluntary sector providers compete with an unfair advantage, public spending will be redirected away from the most efficient producers, resulting in a decline in social savings.«24 Mit dem Effizienzargument wird also die Aussicht auf verbesserte soziale Leistungen insbesondere in den Bereichen Alters- und Gesundheitsvorsorge verbunden. Jenen ArbeitnehmerInnen in höheren Lohn- und Gehaltsgruppen, die in stärkerem Maße den Wohlfahrtsstaat mitfinanzieren und die seine Existenz grundsätzlich auch weiterhin befürworten, wird suggeriert, dass ihre Steuern und Sozialabgaben effektiver eingesetzt werden könnten, wenn dies im höheren Maße nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgen und der Einfluss des Staates auf ein Minimum beschränkt würde. Für jene, die sich nicht zuletzt unter dem Eindruck negativer Darstellungen des Wohlfahrtsstaates und der Debatten über ›WohlfahrtsschmarotzerInnen‹ von der Idee einer Solidargemeinschaft, die natürlich immer auch redistributive Elemente enthält, bereits verabschiedet haben, sind die Effizienzargumente naturgemäß besonders überzeugend. Die Effizienzargumentation wird durch Verweise auf die vermeintlich negativen moralischen Wirkungen sozialstaatlicher Leistungen ergänzt. Die entsprechenden Diskussionen über den vermeintlichen Missbrauch sozialer Leistungen durch bestimmte Gruppen belegen in sehr anschaulicher Weise, wie bestimmte Diskurse im Sinne eines sozialen Konstruktivismus die öffentliche Meinung formen, die dann ihrerseits als Argument für konkrete Maßnahmen der Regierung herangezogen werden kann. So liefern die emotional aufgeheizten Debatten während der Thatcher-Ära über den vermeintlichen kausalen Zusammenhang zwischen der Zunahme der Zahl alleinerziehenden Mütter einerseits und speziell ihnen zugutekommenden Sozialleistungen sowie einem angeblichen allgemeinen Werteverfall (der bereits Ende der 1960er begonnen hätte) zwar ein besonders anschauliches, aber

23 »Competitive neutrality is a simple concept: it involves a commitment to fair markets and maintains that there should be a level playing field between public, private and voluntary providers of goods and services. It is not concerned with opening up new markets, but with ensuring there is a level playing field in existing ones (CBI and the Serco Institute 2006, 5).« 24 CBI and the Serco Institute 2006, 5.

232 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

nicht das einzige Beispiel für die Ausdifferenzierung der Haltung der Bevölkerung, wenn es um Sozialleistungen für bestimmte Gruppen geht. Auch hier lässt sich der Einfluss der Thatcher-Jahre nicht genau quantifizieren, aber die für das Jahr 1998 vorliegenden Zahlen einer Erhebung des Office for National Statistics lassen doch den tentativen Schluss zu, dass die jahrelange gegen den Wohlfahrtsstaat, gegen ›Arbeitsunwillige‹, gegen ›welfare scroungers‹, ›single-parent families‹ und die ›undeserving poor‹ gerichtete Rhetorik der Konservativen Partei und von Teilen der Medien nicht ohne Einfluss auf die Einstellung der Bevölkerung zu Sozialleistungen geblieben war. Die Erhebung von 1998 bietet zwar erwartungsgemäß für die unterschiedlichen Alters- und Leistungsgruppen ein sehr differenziertes Bild, aber es ist doch relativ offensichtlich, dass der Anteil der Befragten, die der Meinung waren, dass die Leistungen für die Gruppe der Alleinerziehenden (Benefits for single parents) und der Arbeitslosen (Benefits for the unemployed) verringert werden sollten, signifikant höher lag als beispielweise für die anderen ausgewiesenen Leistungsgruppen. Besonders auffällig ist auch, dass der höchste Wert in der Kategorie Spend less für die Leistungsgruppe Benefits for the unemployed in der Altersgruppe 18-34 auftrat.25 Dies war die Gruppe, deren größter Teil ihres Lebens, auf jeden Fall jedoch ihres Arbeitslebens vom neoliberalen Diskurs der Ära Thatcher beziehungsweise Major bestimmt worden war. Solche Veränderungen der öffentlichen Meinung erleichtern es dem Staat natürlich, sich auf die auch in anderen Politikfeldern beliebte Position zurückzuziehen, eventuelle Kürzungen widerspiegelten nur die Haltung und den Wunsch großer Teile der Bevölkerung. Die Argumentationen über die negativen moralischen Folgen des Wohlfahrtsstaates sowohl im Rahmen des öffentlichen und wesentlich von den Massenmedien getragenen als auch des politischen Diskurses werden (wiederum im Sinne von intertextuellen Beziehungen zwischen verschiedenen Diskursen) durch die gegenwärtig dominanten und oben bereits knapp skizzierten wirtschaftsliberalen Theorien legitimiert. In diesen richtet sich die Argumentation allerdings in der Regel weniger gegen einzelne Gruppen von LeistungsempfängerInnen, sondern, wie das folgende Beispiel zeigt, vielmehr generell gegen die Ausweitung der Aktivitäten des Staates über die oben beschriebenen Kernfunktionen hinaus, denn dies führe unweigerlich dazu, dass dieser »becomes more heavily involved in the redistribution of income and regulatory activism.« Diese Aktivitäten wiederum »will encourage individuals to seek personal income via government favors rather than through production in exchange for income. As this happens, resources are shifted away from wealthcreating activities toward the pursuit of wealth transfers.

25 Vgl. Tabelle 6: Social Benefit by Spending and by Age Group 1998.

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This shift will retard economic growth and lead to income levels well below the economy’s potential.«26

Die Unterstellung, dass wohlfahrtsstaatliche Leistungen quasi mit Notwendigkeit zu Missbrauch führen beziehungsweise BürgerInnen sich freiwillig in eine Abhängigkeit vom Wohlfahrtsstaat begeben würden, findet sich auch in den Texten von New Labour.27 Die hier formulierte Kritik sowohl an der im Cato Journal als auch von New Labour vertretenen Positionen darf aber nicht mit einer Leugnung der Existenz von Sozialbetrug gleichgesetzt werden – natürlich wird es davon immer einzelne Fälle geben. Zurückgewiesen werden vielmehr die prinzipielle Kritik an der redistributiven Funktion des Wohlfahrtsstaates und die Annahme, dass diese mit Notwendigkeit zu Missbrauch führe (›individuals [will be encouraged] to seek personal income via government favors rather than through production in exchange for income‹).28 Auch wenn die Argumentation in der zitierten Passage scheinbar objektiv ökonomische Zusammenhänge beschreibt, so signalisiert die Verwendung von ›favors‹ doch unmissverständlich, dass es sich hier um ein moralisch fragwürdiges Verhalten handelt. Neben den oben skizzierten Aspekten des Diskurses zum Wohlfahrtsstaat gibt es ein weiteres wichtiges Element, das zwar in den aktuellen Diskussionen eher keine Rolle spielt, aber sowohl für die Entwicklung des westlichen Wohlfahrtsstaates als auch für die Veränderungen seit den 1990ern von nicht zu vernachlässigender Bedeutung war. Der oben zitierte Artikel des Economist, »Helping Hands, Grabbing Hands«, stellt mit Verweis auf Hayeks The Road to Serfdom eine Parallele zwischen den Problemen der Sowjetunion und denen moderner westlicher Wohlfahrtsstaaten am Ende der 1990er her: »But there is an awful irony in the struggles of rich countries to shrink their governments and their welfare states: that, having expanded to fight off the threat of communism, they now face the same problem that the Soviet Union faced, the task of transforming huge bureaucracies. One man warned during the 1940s that the West was taking the wrong course in responding to communism with greater government intervention and planning: Friedrich Hayek, an Austrian economist, in his great book The Road to Serfdom.«29

26 Gwartney, Holcombe and Lawson 1998, 169-170. 27 Vgl. S. 307. 28 Der von Ökonomen für diese Annahme verwendete Begriff ist rent seeking; vgl. Gwartney, Holcombe and Lawson 1998, Fußnote S. 170. 29 »Survey 20th Century. Helping Hands, Grabbing Hands.« The Economist, 11.09.1999, o.S.

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Auch wenn dies vielleicht nicht unbedingt die beabsichtigte Zielrichtung war, wird hier bestätigt, dass der Ausbau der westlichen Wohlfahrtsstaaten Teil der Systemauseinandersetzung war. Der Zerfall der Sowjetunion und das faktische Ende des kommunistischen Systems als gesellschaftliche Alternative koinzidierten somit nicht nur mit intensivierten Diskussionen über die Notwendigkeit der ›Modernisierung‹ der sozialen Sicherungssysteme in den Wohlfahrtsstaaten des Westens, sondern standen mit diesen in einem ursächlichen Zusammenhang. Zwar waren diese Wohlfahrtssysteme ganz wesentlich das Ergebnis der Forderungen und des Kampfes sozialer und politischer Bewegungen innerhalb dieser Länder, aber sie waren auch Teil einer in den Kontext des Kalten Krieges und der Systemauseinandersetzung eingebetteten Strategie, der tatsächlichen oder vorgestellten Bedrohung durch den Kommunismus entgegenzutreten. Im aktuellen öffentlichen Wohlfahrtsstaat-Diskurs zumindest in den entwickelten Industriestaaten dominieren aber ganz klar die Verweise auf Globalisierungsprozesse sowie den demografischen Wandel und die aus ihnen erwachsenden Notwendigkeiten, den Wohlfahrtsstaat zu ›modernisieren‹. Diese wiederum werden untersetzt durch die oben skizzierten grundsätzlichen Argumentationen von wirtschaftsliberalen Institutionen wie dem Cato Institute und dem IEA, dass zwar ein gewisses Maß an sozialer Absicherung notwendig sei, dieses aber (in Übereinstimmung mit dem im Kapitel 7 diskutierten Subdiskurs des Globalismus zur Rolle von ökonomischer Freiheit, Marktwirtschaft und Rolle des Staates) in Bereichen wie zum Beispiel der Alters- und Gesundheitsvorsorge effizienter durch den Markt und private Vorsorge (bei minimaler Involvierung des Staates) gewährleistet werden könnte. Denjenigen, die auch weiterhin einen substanziellen staatlichen Anteil sozialer Leistungen befürworten, wird entgegengehalten, dass diese, wenn sie nicht immer auch mit harten Forderungen an die LeistungsempfängerInnen verknüpft werden, zur Entstehung beziehungsweise Verfestigung einer ›Versorgungsmentalität‹ in bestimmten Bevölkerungsschichten und einer Abschwächung persönlicher Verantwortlichkeit führen. Diese Argumente, wie in den Abschnitten 8.3 und 8.4 gezeigt wird, finden sich mehr oder weniger explizit nicht nur in den Äußerungen von New Labour zur Notwendigkeit der ›Modernisierung‹ des Wohlfahrtsstaates, sondern spiegeln sich auch in den konkreten Maßnahmen auf diesem Gebiet wider. Im Folgenden wird näher analysiert, wie New Labour sich im Spannungsfeld der vermeintlichen und tatsächlichen Herausforderungen der Globalisierung, der Forderungen und Argumente wirtschaftsliberaler Institutionen sowie den immer präsenten Vorwürfen u.a. der Konservativen Partei, Labour würde früher oder später ohnehin zu der Politik hoher Steuern und Sozialausgaben zurückkehren und sei unfähig, den Wohlfahrtsstaat zu ›modernisieren‹, diskursiv positioniert hat.

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8.3 N EW L ABOUR UND DIE M ODERNISIERUNG DES W OHLFAHRTSSTAATES 2000 beschrieb der damalige Minister für Bildung und Beschäftigung, David Blunkett,30 den Wohlfahrtsstaat als einen Grundstein der modernen Gesellschaft und einer effizienten Wirtschaft: »Today’s welfare state has a rich history, but it also has a very important future as one of the key cornerstones for a modern society and an effective economy. We live in a world defined almost by change itself: many jobs are no longer for life; the economy demands entirely new skills – not just once in a lifetime but several times; women are as likely to be working as men – in some parts of the country more likely; new technologies transform the way in which we work and where we work; family patterns and ways of living have changed markedly and greater mobility has altered the landscape of once familiar communities. These are just some of the challenges which this Government faces in modernising the welfare state.«31

Die grundsätzliche Akzeptanz der Notwendigkeit eines modernen Wohlfahrtsstaates durch Blunkett und New Labour sagt aber zunächst nur sehr wenig über die konkreten Vorstellungen von dessen Ausgestaltung und die möglichen Zwänge aus, die aus den vermeintlichen oder realen Herausforderungen der Globalisierung erwachsen. So haben Blair und andere Mitglieder der Führungsriege von New Labour zwar wieder und wieder betont, dass sie die Idee des Wohlfahrtsstaates unterstützen, aber mindestens ebenso oft auch darauf hingewiesen, dass dieser, wolle er überleben, unter Berücksichtigung der neuen sozialen und ökonomischen Bedingungen einer zunehmend globalisierten Welt ›modernisiert‹ werden müsse. Dieser Überzeugung wurde bereits 1997 in dem Wahlkampfprogramm Britain will be better with new Labour Ausdruck verliehen: »We will be the party of welfare reform. In consultation and partnership with the people, we will design a modern welfare state based on rights and duties going together, fit for the modern world.«32 In dieser kurzen Passage finden sich in komprimierter Form wesentliche Elemente des Wohlfahrtsstaatsdiskurses von New Labour. Bei den geplanten Modifizierungen des Wohlfahrtsstaates gehe es nicht um dessen Abbau, sondern um notwendige Reformen (›welfare reform‹), deren 30 Secretary of State for Education and Employment von Mai 1997 bis Juni 2001, Home Secretary von Juni 2001 bis Dezember 2004 und von Mai bis November 2005 Secretary of State of Work and Pensions (Homepage D. Blunkett MP [http://www.labouronline.org/wibs/166138/biography – 10.07.2008]). In diesen Funktionen hat Blunkett über einen langen Zeitraum nicht nur ganz wesentlich die Diskurse zum Staat im Allgemeinen und zum Wohlfahrtsstaat im Besonderen, sondern auch die konkrete Politik entscheidend mitgeprägt. 31 Blunkett 2000, o.S. 32 Labour Party 1997a, o.S.

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Ziel die Schaffung eines ›modernen‹ Sozialsystems für eine ›moderne‹ Welt sei, das auf einer Verknüpfung von Rechten und Pflichten basieren solle (›rights and duties going together‹). Mit dem Verweis auf die Notwendigkeit dieser Verknüpfung wird immer auch insinuiert, dass in dem ›alten‹ Wohlfahrtsstaat Rechte nicht mit Pflichten verbunden gewesen wären. Durch die Verwendung positiv konnotierter Begriffe (›consultation and partnership‹), die auch in anderen Politikbereichen zum Standardrepertoire von New Labour gehören, wird betont, dass es sich bei den Reformen um ein ›gemeinsames Projekt‹ handelt, wobei die ›Partner‹ allerdings nur vage als ›the people‹ definiert werden. Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass die Haltung von New Labour zum Staat im Allgemeinen und zum Wohlfahrtsstaat im Besonderen sowie ihre diesbezügliche diskursive Positionierung einerseits im direkten Zusammenhang mit der im Kapitel 7 analysierten neuen ökonomischen Philosophie der Partei gesehen werden müssen, aber andererseits auch in Relation zu der antistaatlichen Rhetorik der Thatcher-Ära und Elementen des Globalismus, die wiederum nicht nur passiv übernommen wurden, sondern an deren Ausprägung sich Teile der Partei aktiv beteiligt haben. In Anbetracht der zentralen Bedeutung, die Blair über viele Jahre als Parteivorsitzender und Premierminister in entscheidenden Politikfeldern sowohl für die Agendensetzung als auch für die Ausprägung des Diskurses innerhalb von New Labour (aber auch gesamtgesellschaftlich) hatte, soll hier stellvertretend seine Position zur Rolle des Staates näher analysiert werden. Insbesondere seine Rede vor den TeilnehmerInnen des Weltwirtschaftsforums in Davos 2000 beinhaltete zahlreiche zentrale Aussagen und Einschätzungen, die als typisch für die Konzeptualisierung der Rolle des Staates bei der Ausgestaltung und Reform der sozialen Sicherungssysteme durch New Labour gelten können. Für Blair stand außer Frage, dass dem Staat beziehungsweise der Regierung bei der Bewältigung der vielfältigen Herausforderungen eine ganz wesentliche Rolle zukomme und diese darin bestehe, »to lead reform, to equip the country and its people for change. And what is more, it must articulate the case for reform by allying it to a purpose for the reform, to a vision of the future; to the values that underpin it. In this way, political direction and leadership can exert their own beneficial modernising force.«33

Auch in dieser Passage finden sich wiederum zentrale Themen und Begriffe des Globalismussubdiskurses Wohlfahrtsstaat: ›reform‹ (3x), ›change‹, ›modern-ising‹. Als ob dies etwas Außergewöhnliches sei, wird betont, dass die reformerischen Bemühungen mit einer bestimmten Zielsetzung verbunden sein müssen: ›must articulate the case for reform by allying it to a purpose for the reform‹.

33 Blair 2000d, o.S.

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Die Bedeutung eines aktiven Staates erwächst für Blair aus der Notwendigkeit von Reformen, die ihrerseits in hohem Maße die Folge von Globalisierungsprozessen ist. Blair betonte in für ihn typischer Weise aber nicht nur die Notwendigkeit von Reformen, sondern hob auch hervor, dass er sich durchaus der Tatsache bewusst sei, dass diese Reformen bei vielen der von ihnen betroffenen Menschen nicht nur Anlass zu Hoffnungen, sondern auch Befürchtungen und intensiven Ängsten gäben: »Change is opening up new horizons; but there is fear of what may lie within them. Technology and global financial markets are transforming our economies, our workplaces, our industrial structure. Economic change is uprooting communities and families from established patterns of life. The way we live, as well as the way we work, our culture, our shared morality, everything is under pressure from the intensity and pace of change. What’s more, there’s much of the change we like as well as worry about. It can be exhilarating. But it is certainly unsettling.«34

Hier wäre zu ergänzen, dass ungeachtet der kollektiven Ansprechhaltung, die durch die gehäuft verwendeten Personal- und Possessivpronomina signalisiert wird und die einen Konsens suggeriert, die Hoffnungen beziehungsweise Ängste und die positiven beziehungsweise negativen Konsequenzen der Veränderungen äußerst ungleich in der Bevölkerung verteilt sind. Auffällig auch in dieser Passage ist der direkte und wiederholte Verweis auf Veränderungen, wobei zwar deren Konsequenzen charakterisiert werden, nicht aber die Akteure, die hinter ihnen stehen: ›change‹ beziehungsweise ›economic change‹ sowie ›technology and global financial markets‹ (ähnlich wie in zahlreichen analogen Fällen der Verwendung von ›globalisation‹) übernehmen sowohl syntaktisch als auch kausal eine Subjektfunktion. Gleichzeitig wird im Kontext von ›change‹, explizit (wie im nächsten Zitat) oder implizit (wie hier), auf die Verantwortung von New Labour beziehungsweise der Regierung hingewiesen. Ferner verlieh Blair der Überzeugung Ausdruck, dass sich aufgrund der neuen globalen Herausforderungen nicht nur die Aufgaben des Staates ändern würden, sondern auch die Erwartungshaltung der BürgerInnen gegenüber dem Staat beziehungsweise ihrer Regierung: »›Set me free – get off my back‹ is probably and understandably still the feeling of business towards Government in respect of business itself; but for the wider society, the feeling is more ›give me a helping hand‹. People want us to manage change with them. Not resist it – that would suffocate opportunity; but not laissez-faire either, not just letting it happen, regardless. They look for economic security, for them and their families. They look for social stability, some fixed points, some rules.«35

34 Ebenda. 35 Ebenda.

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Bei allem für die Besorgnisse der von den Veränderungen und Reformen Betroffenen geäußerten Verständnis war sich Blair aber offensichtlich auch der Zusammensetzung und der Erwartungen seines Publikums in Davos sowie der Gefahr einer möglichen Bezichtigung eines Rückfalls in die Fehler von Old Labour durch die Konservativen zu Hause nur zu bewusst. Im Gegensatz zu der oben zitierten Passage aus dem Wahlprogramm von 1997 ist New Labour hier nicht mehr vordergründig Teil des gemeinsamen Reformprojektes Wohlfahrtsstaat, sondern tritt scheinbar als verständnisvolle Mittlerin zwischen die Forderungen und Wünsche der BürgerInnen (›people want us‹, 2x ›they look for‹) und der Wirtschaft (›set me free – get off my back‹ is probably and understandably still the feeling of business towards Government‹). Ferner wies Blair unmittelbar im Anschluss an die eben zitierte Passage auch ganz entschieden darauf hin, dass dies kein Plädoyer für ein ›big government‹ sei, dass die Regierung selbst reformiert werden müsse und dass der Kampf Kapitalismus gegen Sozialismus endgültig vorüber sei: »Don’t misunderstand me. None of this means a desire for Big Government. In fact, the opposite is true: Government itself will be expected to change dramatically […]. Heavy-handed state intervention, the battle between capitalism and socialism in anything like the terms my grandfather’s generation would have understood it, is dead and buried.«36

Eingedenk der Tatsachen, dass er auch der Vorsitzende einer Partei war, die durchaus nicht geschlossen hinter ihm und seinen Reformplänen stand, und dass es vor der nächsten Wahl zu Hause potenzielle WählerInnen davon zu überzeugen galt, dass er nicht doch nur eine Neuauflage Thatchers war, setzte er die zitierte Passage unmittelbar mit der Versicherung fort, dass die Fixpunkte in den verschiedenen Reformprozessen bestimmte Werte seien: »But the idea of values, of collective purpose and therefore of community or collective action – of bonds of connection – is not. It is being renewed.«37 Die Bedeutung dieser Werte im Rahmen notwendiger Reformprozesse wird an anderer Stelle nochmals ausdrücklich betont: »The pace of reform has to match the pace of change. Societies that are open, flexible, able easily to distinguish between fundamental values, which they must keep and policies, which they must adapt, will prosper. Those that move too slowly or are in hock to vested interests or what I have called elsewhere forces of conservatism, reacting negatively to change, will fall behind.«38

36 Ebenda. 37 Ebenda. 38 Ebenda.

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Es wäre sicherlich möglich, die Rede in Davos als lediglich ein weiteres und zugleich typisches Beispiel für die Rhetorik von Blair beziehungsweise New Labour abzutun. Aber es sind eben diese spezielle Rhetorik und bestimmte wiederkehrende diskursive Elemente, die nicht nur charakteristisch für den Globalismussubdiskurs Wohlfahrtsstaat sind, sondern einen ganz wesentlichen Beitrag zur diskursiven Unterfütterung neoliberaler Politik leisten, indem sie gleichzeitig die Erwartungen unterschiedlicher sozialer Gruppen zu bedienen suchen. Einerseits können die oben zitierten Passagen zu Recht als eine Akzeptierung der Kernelemente des neoliberalen Konsenses durch New Labour interpretiert werden: die Ablehnung von ›big government‹, von ›überflüssigen‹ Interventionen des Staates in der ökonomischen Sphäre und jedweden Versuches, potenzielle Interessenkonflikte als Ausdruck von Klassenkonflikten darzustellen – sofern die Existenz von Interessenkonflikten nicht ohnehin geleugnet wird.39 Andererseits betonen die (oft sehr vagen) Verweise auf Werte, Gemeinschaften und kollektive Absichten (typische diskursive Elemente, die sich praktisch in allen von New Labour und insbesondere von Blair produzierten Texten zum Wohlfahrtsstaat und auch in anderen Politikfeldern, wie im Kapitel 9 gezeigt wird, nachweisen lassen) nicht nur die Idee eines ›sorgenden, helfenden und fördernden Staates‹, sondern können auch als eine Geste an jene innerhalb und außerhalb der Labour Party interpretiert werden, die vielleicht noch immer nicht wirklich überzeugt waren, dass New Labour nicht doch eine nur leicht modifizierte Variante des Thatcherismus vertritt.

8.4 M ODERNISIERUNG DES W OHLFAHRTSSTAATES : ABBAU ODER U MBAU ? If our welfare systems are to be the engine of the economy and not just a burden on it, we need to discard a version of government and politics which sees social issues and solutions as secondary to economic prosperity. Social and economic policy must work together. It has always been acknowledged that economic policy has social effects. But it is surely obvious that social policy also has economic implications.40 DAVID BLUNKETT

39 Vgl. Kap. 7, S. 169: »So, far from being in conflict, the interests of the Labour Party and the business community are in harmony (Labour Party 1997b, o.S.).« 40 Blunkett 2000, o.S.

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Laut Blunkett ist Hilfe zur Selbsthilfe das erste Gebot bei der Modernisierung des Wohlfahrtsstaates: »A hand-up, not a hand-out.«41 Grundsätzlich ist diesem für den Globalismussubdiskurs Wohlfahrtsstaat typischen Ansatz nicht zu widersprechen, solange der Wohlfahrtsstaat seine BürgerInnen tatsächlich in die Lage zur erfolgreichen Selbsthilfe versetzt und dies nicht nur proklamiert. Trotz vielfältiger Maßnahmen der Labour-Regierung in den ersten Regierungsjahren, die zumindest in ihrem Selbstverständnis und in ihrer Aufgabenstellung genau in diese Richtung abzielten und im öffentlichen Diskurs auch so kommuniziert wurden, kam Blunkett in einer Rede 2000 nicht umhin, auch weiterhin existierende gravierende Probleme zu benennen: über eine Million Menschen seien arbeitslos, über vier Millionen im arbeitsfähigen Alter erhielten sogenannte ›inactive benefits‹ (z.B. Zuschüsse zum Einkommen), in fast jedem sechsten Haushalt hätte niemand Arbeit, ca. 4,3 Millionen Kinder lebten in relativer Armut und in 2,2 Millionen Haushalten sei kein Erwachsener, der arbeitet.42 Ungeachtet der Tatsache, dass diese Zahlen die fortgesetzte Notwendigkeit staatlicher Hilfe bereits eindrucksvoll belegen, war Blunkett aber auch bemüht, die positiven Auswirkungen des Wohlfahrtsstaates auf die Wirtschaft zu betonen. Ein wesentlicher Grund dafür dürften die Angriffe von Institutionen wie dem IEA auf den Wohlfahrtsstaat gewesen sein, die u.a. dessen negativen Konsequenzen für die ökonomische Produktivität betonten43. Unterstützung suchend bezog er sich in dieser Rede mit dem bezeichnenden Titel »On Your Side. The New Welfare State as the Engine of Economic Prosperity«44 auf einen Beitrag von Abramovitz im American Economic Review aus dem Jahre 1981. Dieser hatte dort den Zusammenhang zwischen Wohlfahrtsstaat und Produktivitätswachstum folgendermaßen charakterisiert: »The enlargement of the government’s economic role, including its support of income minima, health care, social insurance and the other elements of the welfare state, was […] not just a question of compassionate regard for the unfortunate, and not just a question of reducing inequalities of outcome and opportunity, though that is how people usually think of it. It was, and is – up to a point – a part of the productivity growth process itself.«45

41 Ebenda. 42 Ebenda; vgl. auch S. 246 zum Problem steigender Jugendarbeitslosigkeit und den Forderungen der Regierung nach sogenannter ›full employability‹. Aktuelle Zahlen zu Armut und sozialer Ungleichheit finden sich in einer Studie des Institute for Fiscal Studies (Brewer et al. 2007). 43 Vgl. Abschnitt 8.2. 44 Blunkett 2000, o.S. 45 Abramovitz 1981, 2-3.

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Es ist naturgemäß schwierig, die unmittelbare Korrelation zwischen Maßnahmen, die unter dem Begriff des Wohlfahrtsstaates subsumiert werden können, und ökonomischem Wachstum zu quantifizieren, aber Blunkett unternahm zumindest für den Bildungsbereich einen entsprechenden Versuch. So wies er u.a. darauf hin, dass ein Drittel derjenigen, die keine grundlegenden Fähigkeiten im Lesen und Rechnen besaßen, Sozialleistungen (social security benefit) erhielten. Jene, die in diesen Bereichen zumindest grundlegende Fähigkeiten erworben hatten, konnten ihre Einkünfte im Durchschnitt um ca. 15% erhöhen und verringerten die Wahrscheinlichkeit, arbeitslos zu sein, um 5%. Ferner stünden die durchschnittlichen Einkünfte in ganz klarer Beziehung zu besseren beziehungsweise höheren Schulabschlüssen. Die positiven Auswirkungen besserer Qualifikationen seien aber nicht auf die persönliche Situation der Arbeitskräfte beschränkt, sondern zahlten sich auch für die ArbeitgeberInnen aus: »in production industries, raising the proportion of workers receiving training from 10% to 15% increases productivity by 4% per worker«.46 Ein weiterer wichtiger ökonomischer Aspekt der Neubestimmung der Rolle des Wohlfahrtsstaates war für Blunkett dessen Funktion bei der Förderung von Unternehmensgründungen: »something which the welfare state has seen as being ›someone else’s business‹ for too long«.47 Die Idee des Wohlfahrtsstaates als einem Wirtschaftsförderer wird nachvollziehbar, wenn man den nicht nur in Großbritannien wachsenden Anteil an Minifirmen und sogenannten self-employed in Betracht zieht.48 Für Großbritannien betrug der Anteil der self-employed laut einer Studie von Weir aus dem Jahre 2003 im Frühjahr 2002 ca. 10% der ökonomisch Aktiven. Zwar gab es gravierende Unterschiede zwischen einzelnen Altersgruppen, Wirtschaftszweigen und Regionen Großbritanniens sowie zwischen Männern und Frauen (nur ein Viertel der self-employed waren im Unterschied zu fast der Hälfte aller employees Frauen), aber der Gesamtanteil war seit Beginn der 1980er relativ stabil geblieben. Auffällige Abweichungen zeigt die Statistik für die Periode von 1986 bis 1990, in der der Anteil von 6,3 auf 7,9% stieg, und in der an-

46 Blunkett 2000, o.S. Bei den Angaben zum Zusammenhang von Produktivität und Qualifizierungsmaßnahmen für Arbeitskräfte bezieht sich Blunkett auf ein Arbeitspapier des Institute for Fiscal Studies (Dearden, Reed and van Reenen 2000). 47 Ebenda. 48 Im Economic & Labour Market Review zum Thema self-employed von Juli 2007 wird u.a. konstatiert, dass es nur wenig verlässliche Informationen über die Einkommenssituation dieser Gruppe gibt. Zudem existiert keine verbindliche Definition: »There is no clear definition of the self-employed. Broadly there appear to be two perspectives on the definition, the legal aspect and the view of the individual. The legal perspective may change, but individuals’ perceptions of their status often do not accompany this change (Ormerod 2007, 49).«

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schließenden Rezession am Beginn der 1990er, in der er wieder leicht fiel.49 Der Autor der Studie begründet den Anstieg 1986-1990 nicht nur mit ökonomischen Veränderungen im engeren Sinne (Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit, Vergrößerung des Dienstleistungsbereiches, für den Selbstständigkeit stärker ausgeprägt ist, Niedergang des verarbeitenden Gewerbes und verstärktes Outsourcing durch größere Betriebe) beziehungsweise konkreten Maßnahmen der Regierung zur Förderung der Gründung von Kleinunternehmen, sondern verweist auch auf »an increase in entrepreneurial activity due to prevailing social attitudes«.50 Auch wenn sich dies nicht eindeutig verifizieren lässt, kann mit einiger Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die von Weir konstatierten veränderten gesellschaftlichen Einstellungen auch eine Folge des neoliberalen Diskurses während der Thatcher-Ära waren, der die Idee eigenverantwortlichen Unternehmertums betont hatte. Dieser Diskurs wird durch New Labour, wie zum Beispiel das folgende Zitat von Blunkett belegt, im Wesentlichen fortgeschrieben: »An active welfare state recognises that we all have creativity and talent and creates the conditions where they can be developed […] Yet our innovators and wealth creators still come from too narrow a section of society. The challenge is to enable more people to fulfil their potential as wealth creators for themselves and their communities.«51

Abschließend lässt sich für die Versuche Blunketts und von New Labour, die ökonomische Relevanz des Wohlfahrtsstaates zu betonen, einerseits konstatieren, dass diese, wie bereits oben angedeutet, bis zu einem gewissen Grade auch eine Verteidigungsstrategie gegen besonders radikale Angriffe auf dessen Fortbestand waren. Andererseits kann diese Strategie aber auch als Ausdruck der fortschreitenden Ökonomisierung der Gesellschaft betrachtet werden, die ganz wesentlich durch ökonomische Kernargumente des Globalismus (u.a. die Annahme der Überlegenheit von Marktmechanismen in praktisch allen gesellschaftlichen Bereichen und der Notwendigkeit der Minimierung der Rolle des Staates) vorangetrieben wird. Selbstverständlich muss für die Verwendung von Steuergeldern und Sozialabgaben durch den Wohlfahrtsstaat die Effizienz der eingesetzten Mittel ein ganz entscheidendes Kriterium sein. Dass diese durch den Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente gesteigert werden kann, steht ebenso außer Zweifel. Die Frage ist aber, ob die sowohl realpolitische als auch diskursive Akzentverschiebung von der Wohlfahrt der BürgerInnen hin zu der Rolle des Wohlfahrtsstaates als Wirtschaftsförderer nicht die Gefahr birgt,

49 Weir 2003, 441-442. 50 Ebenda, 442. 51 Blunkett 2000, o.S.

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dass die Interessen der Wirtschaft zu Lasten der BürgerInnen zumindest tendenziell immer stärker in den Vordergrund gerückt werden. Wenn man allerdings die Interpretation dieser Akzentverschiebung im Rahmen der dominanten Argumentationsstrukturen des Globalismus vornimmt, wäre sie völlig unproblematisch, da ja angeblich alle profitieren, wenn es nur ›der Wirtschaft gut geht‹. An der Richtigkeit dieser Interpretation wird in der bereits an anderer Stelle zitierten CBI Business Agenda des Jahres 2005 auch gar kein Zweifel gelassen: »It is only business that creates wealth and jobs for everyone. But it can only succeed in this if the government supports business and creates the conditions in which it can flourish. Constructing a society that values wealth creation and entrepreneurship is vital if we are to see sustainable jobs being created and tax revenues generated to pay for schools, hospitals and public service improvements – everyone sharing in the benefits of the success of responsible business.«52

Das Gemeinwohl ist praktisch garantiert (›everyone sharing in the benefits of the success of responsible business‹), solange die Regierung die entsprechenden Rahmenbedingungen schafft (›supports business and creates the conditions in which it can flourish‹). Die hier von der CBI postulierte ›Aufgabenteilung‹ zwischen der Regierung als Wirtschaftsfördererin und der Wirtschaft entspricht weitestgehend auch dem Selbstverständnis von New Labour und der von ihr betriebenen Politik. Die Akzeptanz sowohl dieser Aufgabenteilung als auch der fortgesetzten Verantwortlichkeit des Staates für die Wohlfahrt seiner BürgerInnen wird von der Führungsriege von New Labour fast ausnahmslos begleitet von einer starken Betonung individueller Verantwortlichkeit. Dieser Aspekt sei laut Brown in der Vergangenheit von der Labour Party unterschätzt worden, und dies hätte dazu geführt, dass ihre GegnerInnen im rechten Parteienspektrum ihr die Befürwortung von ›Rechten ohne Pflichten‹ vorwerfen konnten: »Now with our understanding that individual responsibility matters within a responsible society the argument of the right has fallen. And the way is open for that responsible society to draw support from the public as we tackle the structural injustices that exist. So just as our commitment to responsibility means that governments should not seek to substitute for but should support stable intact families, so too our commitment to social justice means that communities and governments must play their part in strengthening the capacity of parents to raise children, helping people struggling to balance work and families and tackling child poverty.«53

52 CBI 2005a, o.S. 53 Brown 2000, o.S.

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Neben der Hervorhebung des bereits verschiedentlich erwähnten Konzepts eines ›sorgenden, helfenden und fördernden Staates‹ zeigt sich auch im Kontext des Wohlfahrtsstaates, in welchem Maße New Labour in ihrer öffentlichen diskursiven Positionierung und Selbstdarstellung, wenn vielleicht auch nicht so sehr in ihrem Selbstverständnis, durch den in den ThatcherJahren etablierten neoliberalen Konsens beeinflusst wurde und die Kritik aus dem Lager der politischen GegnerInnen immer noch ihr Handeln mitbestimmte (›the argument of the right has fallen‹). Darüber hinaus zeigen sich auch hier die bereits mit Blick auf die Rolle des Staates als Wirtschaftsförderer konstatierten Verbindungen zum Globalismussubdiskurs Wohlfahrtsstaat. Waren es dort die auf die Frage des Verhältnisses von Wohlfahrtsstaat und ökonomischer Produktivität bezogenen Argumente von Institutionen wie dem Cato Institute oder dem IEA, so reagiert New Labour hier auf die Vorwürfe wegen der vermeintlich negativen moralischen Folgen des Wohlfahrtsstaates.54 Dementsprechend wurde, neben der Betonung der Notwendigkeit eines aktiven Wohlfahrtsstaates, von New Labour immer wieder klar gestellt, dass Hilfe zukünftig nur noch jenen zuteilwerden soll, die ein hohes Maß an Eigenverantwortung und -initiative zeigen. So stellte Blunkett mit Bezug auf Arbeitslose fest: »In return for measures which increase people’s security, it is right to insist on strict enforcement of the responsibilities which people have in return for benefit […] This is not simply about being available for work. We expect active steps, including training and re-skilling, to improve employability and job search. That is why we have tightened the sanctions regime for the New Deal […].«55

In den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit wurde statt des traditionellen Ziels der Vollbeschäftigung (full employment) die erhöhte Beschäftigungsfähigkeit der ArbeitnehmerInnen (full employability) gerückt.56 Dieser Trendwechsel fand seinen Niederschlag auch im Wahlprogramm von 2005: »Our goal is employment opportunity for all – the modern definition of full employment.«57 Eine Folge der neuen Begriffswahl besteht in einer semantischen Verschiebung der Verantwortlichkeiten. An die Stelle staatlicher Verantwortung für die Schaffung der Rahmenbedingungen für Vollbeschäftigung als Regierungsziel tritt in deutlich stärkerem Maße die Aufgabe der individuellen ArbeitnehmerInnen, ihre ›employability‹ zu erhöhen (Aufgabe des Staates ist es, ihnen dabei zu helfen). Arbeitslosigkeit wird zumindest tendenziell eher das Ergebnis mangelnder Beschäftigungsfähigkeit (somit Folge persönlichen Versagens) als beispielsweise Folge von ›Arbeitsplatz-

54 55 56 57

Vgl. S. 227. Blunkett 2000, o.S. Ludlam 2006, 469. Labour Party 2005, o.S.

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export‹ in Niedriglohnländer oder von ›Kostensenkungs- und Gewinnoptimierungsprogrammen‹, die in der Regel mit Entlassungen einhergehen. Zur Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit wurde bereits 1997 im Wahlprogramm Britain will be better with new Labour eine erhöhte ›Flexibilität‹ von den ArbeitnehmerInnen eingefordert, die im Zusammenspiel mit einem ganzen Bündel weiterer Maßnahmen (flexibility plus58) auch zu einer Verbesserung der Performanz der britischen Wirtschaft beitragen sollte: »New Labour believes in a flexible labour market that serves employers and employees alike.«59 Ohne hier nochmals detailliert auf die an anderen Stellen diskutierte problematische Verwendung des Begriffes ›flexibility‹ eingehen zu wollen60, sei aber doch darauf hingewiesen, dass der ›Glaube‹ von New Labour an die Konsequenzen eines ›flexiblen Arbeitsmarktes‹, von dem ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen gleichermaßen profitieren, als weiterer Beleg für die Akzeptanz von Kernaussagen des Globalismus gelten kann. Die konkreten Arbeitsmarktmaßnahmen, die New Labour nach 1997 ergriffen hat, lassen sich Ludlam folgend in drei Gruppen einteilen: Erstens wurden staatliche Programme aufgelegt, die die vorhandenen Bildungsangebote der Gewerkschaften unterstützen und die Attraktivität von Weiterbildungsmaßnahmen erhöhen sollten. Zweitens wurden diese Formen der Förderung durch ganz konkrete Forderungen ergänzt, um anfänglich vor allem hunderttausende junge Arbeitslose, später dann auch Alleinerziehende und Behinderte in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Die sogenannten welfare-towork-Maßnahmen stellten scharfe Regelungen dar, die die Gewährung von staatlicher Unterstützung an die Wahrnehmung unterschiedlicher Beschäftigungs- und Weiterbildungsangebote koppelte. Zu nennen wären ferner Maßnahmen, die vor allem Frauen eine Integration in den Arbeitsmarkt erleichtern sollten, steuerliche Anreize zur Arbeitsaufnahme sowie die Einführung eines Mindestlohnes. Drittens ermöglichten neue Arbeitnehmerrechte sowie Gesetze zur betrieblichen Anerkennung von Gewerkschaften einen

58 ›Flexibilität plus‹ steht für »higher skills and higher standards in our schools and colleges; plus policies to ensure economic stability; plus partnership with business to raise investment in infrastructure, science and research and to back small firms; plus new leadership from Britain to reform Europe, in place of the current policy of drift and disengagement from our largest market; plus guaranteeing Britain’s membership of the single market – indeed opening up further markets inside and outside the EU – helping make Britain an attractive place to do business; plus minimum standards of fair treatment, including a national minimum wage; plus an imaginative welfare-to-work programme to put the long-term unemployed back to work and to cut social security costs (Labour Party 1997a, o.S.)«. 59 Labour Party 1997a, o.S. 60 Vgl. S. 84f. und S. 189f.

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besseren Schutz der ArbeitsnehmerInnen.61 Bei aller notwendigen und berechtigten Anerkennung der erreichten Verbesserungen muss in diesem Zusammenhang allerdings auch daran erinnert werden, dass die unter Thatcher durchgesetzten Beschränkungen der Rechte von Gewerkschaften in ihrer Substanz von New Labour nicht angetastet wurden. Angesichts der Entwicklungen auf dem britischen Arbeitsmarkt stellte sich allerdings zunehmend die Frage, ob die mikroökonomischen Maßnahmen der Labour-Regierung tatsächlich ausreichend oder geeignet waren, um nicht nur die von ihr geforderte ›full employability‹, sondern auch die entsprechenden Arbeitsplätze zu gewährleisten. Dabei waren es nicht einmal so sehr die steigenden allgemeinen Arbeitslosenzahlen, sondern die steigende Jugendarbeitslosigkeit und insbesondere die Tatsache, dass über 10% der jungen Männer im Alter von 15-24 2006 weder einen Arbeitsplatz hatten noch in der Schule oder in Ausbildungsmaßnahmen waren, die Zweifel an der Wirksamkeit der Strategien der Labour-Regierung aufkommen ließen.62

61 Ludlam 2006, 469-470. 62 Nach Angaben der OECD stieg im Vergleich von 2005 zu 2006 die Arbeitslosenquote von 4,8% auf 5,3%. Dies lag zwar immer noch deutlich unter dem OECD-Durchschnitt von 6,0%, war aber auch der stärkste Anstieg seit zehn Jahren. Die Jugendarbeitslosigkeit stieg auf 13,9% 2006. Für junge Männer (15-24 Jahre) stieg der Prozentsatz von 11,8% 2004 auf 15,8% 2006 (OECD 2007, o.S.).

9. Globalismus und Internationale Beziehungen

9.1 E INLEITUNG Alongside the advance of global markets and technologies we are seeing a new search for community, locally, nationally and globally that is a response to change and insecurity, but also reflects the best of our nature and our enduring values. With it is coming a new political agenda – one that is founded on mutual responsibility – both within nations and across the world.1 TONY BLAIR

Für viele EuropäerInnen schien die vordringlichste Frage nach dem Ende des Kalten Krieges die Verwendung der sogenannten Friedensdividende zu sein. Es sollte aber nicht lange dauern, bis die Konflikte auf dem Balkan diesem Wunschdenken den Boden entzogen und europäische Regierungen zur Kenntnis nehmen mussten, dass die relativ stabilen internationalen Arrangements während des Kalten Krieges – nicht zuletzt basierend auf der Möglichkeit gegenseitiger nuklearer Vernichtung und intensiver Kontrolle großer Teile der Welt durch die beiden Supermächte – zunehmend durch neue Herausforderungen unterminiert wurden. Das Ende des Kalten Krieges und der Kollaps der gewohnten Machtblockroutinen wurden seinerzeit von einigen BeobachterInnen als der Beginn einer neuen Weltunordnung interpretiert. So reflektierte für Bauman die Vorstellung einer Weltunordnung »the new awareness […] of the essentially elemental and contingent nature of the things which previously seemed to be tightly controlled or at least ›technically controllable‹«.2 Für

1 2

Blair 2000d, o.S Bauman 1998b, 57-58.

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andere deutete der Golfkrieg von 1991 auf die Möglichkeit einer neuen Weltordnung hin – gestützt auf eine Kombination aus der militärischen Macht der USA, dem kollektivem Handeln aller Hauptmächte und einer erweiterten Rolle für die Vereinten Nationen.3 Der damalige Präsident der USA, George Bush Senior, charakterisierte den Golfkrieg am 16. Januar 1991 als eine »opportunity to forge for ourselves and for future generations a new world order, a world where the rule of law, not the law of the jungle, governs the conduct of nations«.4 Diese neue Weltordnung sollte ökonomisch auf einer durch den Westen geprägten und dominierten liberalen Marktwirtschaft basieren, die bei Bedarf auch mit militärischer Gewalt abgesichert werden sollte. Diese von George Bush Senior und anderen PolitikerInnen vertretene Vorstellung konnte sich auf akademische Theorien wie beispielsweise Fukuyamas These vom ›end of history‹ stützen, die den endgültigen Sieg des ökonomischen und politischen Liberalismus verkündete.5 Mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Ende des Kalten Krieges harrt die Frage nach einer neuen Weltordnung für eine in vielen Bereichen zunehmend integrierte und interdependente Welt allerdings immer noch einer befriedigenden und konsensfähigen Antwort. Klar scheint lediglich zu sein, dass ein wie auch immer geartetes Arrangement nicht länger auf eine Weltsicht zurückgreifen kann, die von einem bipolaren Ost-West-Konflikt ausgeht. Im normativen Sinne ließe sich das zentrale Problem dahingehend formulieren, in welchem Maße die gegenwärtige oder zukünftige internationale/globale Ordnung in der Lage ist, die vitalen Bedürfnisse sowohl von Nationalstaaten als auch der in ihnen lebenden Menschen zu befriedigen. Die gegenwärtig diskutierte Hauptalternative besteht in einem auf dem bereits existierenden beziehungsweise noch zu erweiternden internationalen Rechts- und Normensystem fußenden Multilateralismus einerseits und einer überwiegend unilateralen Machtpolitik der USA andererseits, wobei im Rahmen Letzterer eine aufgabenspezifische Zusammenarbeit mit anderen Staaten nicht ausgeschlossen wird, solange die Dominanz und die Interessen der USA gewährleistet sind. Die aktuellen Debatten über diese und weitere Möglichkeiten sind eingebettet in vielfältige politische, ökonomische und kulturelle Globalisierungsprozesse, die Verbindungen und wechselseitige Abhängigkeiten im weltweiten Maßstab intensivieren oder neu schaffen, tendenziell die Notwendigkeit zur Kooperation erhöhen und ganz wesentlich die Handlungsspielräume der Nationalstaaten definieren. Diese Prozesse finden in einer Phase statt, in der die hegemoniale Rolle der USA ungeachtet des ökonomischen Aufstiegs Chinas, des neuerlichen Erstarkens Russlands und der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise vorerst nicht ernsthaft gefährdet scheint.6

3 4 5 6

Cox 2001, 113. Zit. nach Gurtov 1999, 13. Fukuyama 1989. Vgl. Abschnitt 4.6.

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Das Ende des Kalten Krieges und der Zerfall des Ostblocks mit der Sowjetunion an der Spitze haben aber nicht nur die frühere Balance der Macht und des Schreckens zerstört, sondern auch zu einer Abnahme der wechselseitigen transatlantischen Abhängigkeiten zwischen den Staaten Westeuropas und den USA geführt. Dadurch hat sich das unilaterale Potenzial der USA nicht etwa verringert, sondern sogar noch erhöht. Gleichzeitig hat sich aber auch für Westeuropa die Notwendigkeit, sich des militärischen Schutzes der USA zu versichern, reduziert und der potenzielle Spielraum für ein eigenständiges Agieren auf der internationalen Bühne vergrößert. Die USA sind aufgrund ihrer politischen sowie wirtschaftlichen Macht und insbesondere ihrer militärischen Dominanz in der Lage, anderen Staaten in vielen Bereichen ihre Vorstellungen von einer ›Pax Americana‹ zumindest partiell aufzuzwingen. Im Kontext der Kriege im Kosovo, in Afghanistan und im Irak sowie des sogenannten ›War on Terrorism‹ wurde aber auch deutlich, dass Zwang oftmals gar nicht notwendig ist. Es handelt sich eben nicht grundsätzlich um vermeintlich hilflose Staaten und deren PolitikerInnen, denen es an Kraft und Courage fehlt, den Druck der USA zurückzuweisen. Zumindest für eine ganze Reihe von Staaten, darunter insbesondere das Großbritannien Blairs, trifft dies jedenfalls nicht zu. So bescheinigte Blair den Vereinigten Staaten in seiner Rede vor dem Economic Club in Chicago am 23. April 1999 sowohl ihre dominante Position als auch die unbedingte Notwendigkeit, ihre globale Führungsrolle weiterhin auszufüllen: »America’s allies are always both relieved and gratified by its continuing readiness to shoulder burdens and responsibilities that come with its sole superpower status. We understand that this is something that we have no right to take for granted, and must match with our own efforts.«7

Die Labour-Regierungen unter Blair waren vielleicht in höherem Maße als andere europäische Regierungen bereit, der Führung der USA zu folgen, aber dies war zumindest im Kosovo-Krieg eher eine Frage des Grades der Bereitschaft als eine prinzipielle Entscheidung. Den Ausgangspunkt und zugleich Rahmen des folgenden Kapitels bildet die im Abschnitt 9.2 vorgenommene Begründung der Notwendigkeit der Schaffung einer neuen internationalen Ordnung. Hierbei geht es nicht um einen detaillierten Entwurf einer solchen Ordnung, sondern vielmehr um eine normative Skizzierung zentraler Aspekte, die bei ihrer Modifizierung Berücksichtigung finden müssten, und um eine Benennung der zentralen Defizite der gegenwärtigen Arrangements. Die getroffenen Einschätzungen wiederum fungieren als Bewertungsmaßstab für die konkrete Außen- und Sicherheitspolitik Großbritanniens und als Grundlage für die detaillierte Analyse des Globalismussubdiskurses zu internationalen Fragen im Abschnitt 9.3. Diese konzentriert sich auf Blairs Idee eines Zusammenhangs

7

Blair 1999b, o.S.

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zwischen Globalisierungsprozessen und der von ihm propagierten Notwendigkeit einer auf Werten und gegenseitigen Verantwortlichkeiten gegründeten ›international community‹, auf die Vorstellung der globalen Anwendbarkeit des westlichen Gesellschaftsentwurfes sowie auf die Frage der Berechtigung beziehungsweise (moralischen) Verpflichtung zu Interventionen auch in souveränen Staaten. Das Hauptaugenmerk im Abschnitt 9.3 liegt aus folgenden Gründen auf dem Kosovo-Krieg und der Beziehung zwischen Großbritannien und den USA: Bei der Fokussierung auf den Kosovo-Krieg wird davon ausgegangen, dass wesentliche diskursive Elemente dieses Globalismussubdiskurses zwar bereits im Jahre der Machtübernahme durch die Labour Party vorhanden waren, dann im Kontext der Ereignisse im Kosovo aber deutlicher hervortraten und die bis dahin doch eher verwaschenen Konturen der Außen- und Sicherheitspolitik deutlich geschärft wurden. Dazu gehörte auch die von Blair in ihrer bis dahin umfassendsten und systematischsten Form präsentierte Idee einer ›internationalen Gemeinschaft‹ in einer Rede mit dem Titel »Doctrine of the International Community«,8 die seitdem als programmatische Grundlage der Außen- und Sicherheitspolitik der Labour-Regierungen unter Blair gelten kann. Die zentralen Elemente dieses Subdiskurses blieben auch in den auf den Kosovo-Krieg folgenden Jahren in nur leicht modifizierter Form im Zusammenhang mit den Kriegen im Irak und Afghanistan sowie dem ›War on Terrorism‹ dominant. Ein weiterer Grund für die Fokussierung auf den Kosovo-Krieg besteht darin, dass New Labour und insbesondere Blair in dessen Kontext eine deutlich gewichtigere Rolle für die aktive Ausgestaltung des Globalismussubdiskurses internationale Beziehungen gespielt haben, als dies im ›War on Terrorism‹ der Fall war, der eindeutig durch die USA dominiert wurde. Die ausführliche Berücksichtigung von Positionen der Bush-Administration in einer Untersuchung, in deren Zentrum New Labour steht, ist vor allem zwei Überzeugungen geschuldet. Die erste besteht darin, dass die Rahmenbedingungen für eine wie auch immer konzipierte internationale oder tatsächlich globale Ordnung ganz wesentlich durch die Tatsache definiert werden, dass es weder gegenwärtig noch in der näheren Zukunft eine realistische Option einer solchen Ordnung gibt, die nicht die Beteiligung der USA oder zumindest deren wohlwollende Tolerierung voraussetzt. Diese Einschätzung fußt vor allem auf der Tatsache, dass bei aller durchaus berechtigten Kritik an der Außen- und Sicherheitspolitik der USA nicht vergessen werden darf, dass bisher noch alle Versuche beispielsweise der EU, eine konkrete, praktikable, von allen Mitgliedsländern akzeptierte und zugleich eigenständige europäische Außen- und Sicherheitspolitik, die dazu beitragen könnte, eine neue internationale/globale Ordnung zu schaffen, eher bescheidene Ergebnisse gezeitigt haben, wenn es um ihre konkrete Umsetzung ging. Der Kosovo, das Palästinaproblem, Afghanistan, der Irakkrieg, der

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Blair 1999b, o.S.

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Völkermord im Sudan und zahlreiche andere Krisenherde sind entmutigende Beispiele dieser fortgesetzten Unfähigkeit. Die zweite Überzeugung besteht darin, dass die starke Berücksichtigung der USA einerseits dadurch gerechtfertigt ist, dass New Labour und insbesondere Blair sich als enge Partner der USA verstanden und sich in ganz wesentlichen Bereichen sowohl diskursiv als auch in ihren konkreten Handlungen in weitestgehender Übereinstimmung mit diesen befunden haben. Andererseits hat die USA (vergleichbar mit den in den Kapiteln 7 und 8 analysierten Institutionen Cato Institute, EFWP, IEA und CBI) insbesondere im Kontext des ›War on Terrorism‹ nicht zuletzt mittels ihrer globalen medialen Deutungsmacht ganz gezielt und stärker als jeder andere Staat Einfluss sowohl auf die Ausgestaltung des Globalismussubdiskurses internationale Beziehungen als auch auf politische Prozesse und die Formung der öffentlichen Meinung genommen.

9.2 D IE N OTWENDIGKEIT EINER NEUEN INTERNATIONALEN O RDNUNG Der Begriff internationale Ordnung impliziert, dass er über den Nationalstaat hinausgreift, aber gleichzeitig dessen fortgesetzte Existenz und Bedeutung voraussetzt. Es gibt gegenwärtig zwar zahlreiche Probleme, die tatsächlich transnational oder global sind, aber es wird in der näheren Zukunft weder eine Weltregierung noch eine transnationale oder globale Ordnung geben – in der Substanz wird jedes Arrangement auch weiterhin durch internationale Beziehungen geprägt bleiben. So argumentiert Linklater, es gebe keine Belege dafür, dass das internationale Staatensystem »is about to be replaced by some other form of world political organization. But there is clear evidence that globalization and fragmentation are transforming political communities across the world.«9 Aufgrund der Vielfältigkeit der Nationalstaaten dieser Welt, soweit es ihre politische, ökonomische und militärische Macht betrifft, kann in Übereinstimmung mit realistischen und neorealistischen Denkansätzen mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die internationale Ordnung auch in absehbarer Zukunft hierarchisch strukturiert bleiben wird. Die jeweilige relative und absolute Position innerhalb dieser Hierarchie ist dabei stark abhängig vom Maß der Macht und des Einflusses, das die verschiedenen Elemente (Nationalstaaten oder Gruppen von Nationalstaaten) auf andere Elemente ausüben können oder wollen und inwieweit sie in der Lage sind, die Strukturen und Regeln zu bestimmen. Aus der hierarchischen Struktur der internationalen Ordnung folgt auch, dass einzelne Staaten oder Gruppen von Staaten potenziell in der Lage sind, die Souveränität schwächerer Staaten beziehungsweise Staatengruppen in Frage zu stellen. Diese Möglichkeit be9

Linklater 2001, 631.

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steht jedoch auch in internationalen Institutionen, in denen nicht selten die Interessen einer Handvoll einflussreicherer Staaten zum Nachteil der schwächeren Mitglieder dominieren. Jedes Projekt zur Schaffung einer neuen internationalen Ordnung müsste nicht nur die zahllosen gegenwärtigen Probleme berücksichtigen, sondern würde sich mit einer Vielzahl von zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch gar nicht eindeutig prognostizierbaren Fragen konfrontiert sehen. Die Ursachen dafür liegen nicht zuletzt in den teilweise stark divergierenden Prioritäten, Zielsetzungen und Wertvorstellungen jener, die in das Projekt einbezogen werden müssten – Nationalstaaten, internationale Organisationen, Nichtregierungsorganisationen, transnationale Konzerne, globale soziale Bewegungen, religiöse Gruppen und viele andere Betroffene. Wichtig erscheint vor allem, dass es innerhalb der Strukturen dieser zu schaffenden internationalen Ordnung möglich wäre, genau jene Probleme anzugehen, die außerhalb der Reichweite einzelner Nationalstaaten liegen, deren Lösung aber langfristig dem Interesse nicht unbedingt aller sozialen Gruppen, aber doch der Mehrheit der Weltbevölkerung dienen würde. Zu diesen gehören u.a. weit verbreitete Armut nicht nur in der sogenannten Dritten Welt, eine ungeachtet aller Lippenbekenntnisse fortschreitende exzessive Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und die Umweltzerstörung, die globale Finanzarchitektur, der Welthandel, internationale Kriminalität und Terrorismus, die Verhinderung der Weiterverbreitung von Nuklearwaffen und Konfliktlösungen in Fällen, die die Kapazität der lokalen oder regionalen Kräfte übersteigen, um nur einige Probleme zu benennen. In diesen und zahllosen anderen Fällen scheint die naheliegende Vorgehensweise eine intensivierte Zusammenarbeit im globalen Maßstab zu sein. Ein entscheidender Gradmesser für die Bewertung der Qualität einer solchen Ordnung wäre, ob beziehungsweise in welchem Maße sie dem konkreten Schutz der wichtigsten gegenwärtigen und zukünftigen Bedürfnisse von Nationalstaaten und ihren BürgerInnen tatsächlich dient und diese nicht nur als Ideale formuliert. Zu nennen wären u.a. Sicherheit und Frieden, Demokratie, der Schutz grundlegender Menschen- und Bürgerrechte, die wirtschaftliche und soziale Grundabsicherung, die Bewahrung der ökologischen Lebensgrundlagen künftiger Generationen und eine gute Lebensqualität. Es soll an dieser Stelle aber auch darauf hingewiesen werden, dass es bereits bei einigen dieser ›Bedürfnisse‹ durchaus keinen alle Staaten einschließenden Konsens gibt und dass die gegenwärtige Ordnung nicht beziehungsweise nur sehr bedingt geeignet erscheint, diese Ziele zu erreichen. Angesichts von gravierenden globalen politischen, ökonomischen, finanziellen und ökologischen Problemen, die die Kapazitäten einzelner Staaten und selbst regionaler Staatenbünde übersteigen, stellt sich die Frage, welche Mechanismen und Strukturen geeignet sein könnten, um diesen möglichst effizient gerecht werden zu können. Neben den bereits bestehenden organisatorischen Voraussetzungen in Form von internationalen Institutionen wie den UN, der WTO, dem IMF, der Weltbank, verschiedenen regi-

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onalen Organisationen und zahllosen bi- und multilateralen Vereinbarungen sowie unterschiedlichsten grenzüberschreitend agierenden nichtstaatlichen Gruppierungen ist es die Idee der Global Governance, mit der sich für viele die Hoffnung auf eine mögliche Intensivierung kooperativer Beziehungen und eine Lösung der globalen Probleme verbindet. Das Konzept der Global Governance ist allerdings auch mehr als zehn Jahre nach dem Erscheinen des von den UN initiierten Berichts Our Global Neighborhood 199510 weiter umstritten und hat neben Zustimmung aus sehr unterschiedlichen Gründen auch Kritik hervorgerufen. Der Bericht charakterisiert Governance folgendermaßen: »Governance ist die Gesamtheit der zahlreichen Wege, auf denen Individuen sowie öffentliche und private Institutionen ihre gemeinsamen Angelegenheiten regeln. Es handelt sich um einen kontinuierlichen Prozeß, durch den kontroverse oder unterschiedliche Interessen ausgeglichen werden und kooperatives Handeln initiiert werden kann. Der Begriff umfaßt sowohl formelle Institutionen und mit Durchsetzungsmacht versehene Herrschaftssysteme als auch informelle Regelungen, die von Menschen und Institutionen vereinbart oder als im eigenen Interesse angesehen werden.«11

In dem Bericht wird ferner darauf hingewiesen, dass auf globaler Ebene zunehmend nicht nur zwischenstaatliche Beziehungen berücksichtigt werden müssen, sondern auch Nichtregierungsorganisationen, Bürgerbewegungen und transnationale Konzerne, deren Einfluss auch durch ihre Interaktion mit den globalen Massenmedien dramatisch gewachsen ist. Aus der Sicht der VerfasserInnen des Berichtes gibt es weder ein einziges Modell noch eine einzige Form der Weltordnungspolitik, sondern lediglich einen dynamischen Prozess interaktiver Entscheidungsfindung. Dieser müsse nicht nur ständig weiterentwickelt, sondern auch sich ändernden Bedingungen anpasst werden. Wenn dieser Prozess auf globaler Ebene wirksam sein solle, müsste die Entscheidungsfindung auf der Grundlage lokal, national und regional getroffener Entscheidungen erfolgen, seinerseits auf diese zurückwirken und sich der Fähigkeiten und Ressourcen unterschiedlichster Menschen und Institutionen auf vielen Ebenen bedienen.12 Es ist wohl unstrittig, dass es für die Strukturen, Einflussmöglichkeiten, Zielsetzungen und letztlich konkreten Ergebnisse eines wie auch immer gearteten Systems von Global Governance entscheidend ist, in welcher Weise und in welchem Maße die unterschiedlichen Akteure ihre Positionen in den Entscheidungsfindungsprozess einbringen und dessen Ergebnisse entsprechend ihren Präferenzen beeinflussen können, wobei die bisherigen Erfahrungen die asymmetrischen Verhandlungspositionen der verschiedenen Ak-

10 CGG 1998. 11 Stiftung Entwicklung und Frieden (Hg.) 1995, 4. 12 Ebenda, 4ff.

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teure belegen. Einerseits kann diese Asymmetrie als das Hauptproblem des Konzepts beziehungsweise seiner praktischen Umsetzung gesehen werden, denn die asymmetrischen Verhandlungspositionen der unterschiedlichen Akteure führen fast mit Notwendigkeit zu einer stärkeren Berücksichtigung der Interessen der einflussreichsten unter ihnen – sofern diese, wie beispielsweise transnationale Konzerne oder die USA, China und Russland, überhaupt effektiv in ein System von Global Governance eingebunden werden können. Andererseits ist es möglich, nicht die Asymmetrie der Verhandlungspositionen als das Hauptproblem zu sehen, sondern die Gefahr, dass ein tatsächlich effektives System globaler Governance als Folge der Berücksichtigung eines breiten Spektrums von Akteuren die Aushöhlung der Souveränität des Nationalstaates nur noch beschleunigen würde. Verschiedentlich wird darauf verwiesen, dass es für die globale Organisation einer möglichst repräsentativen Teilhabe an politischen Entscheidungsfindungsprozessen die vielfach kopierte Blaupause demokratisch verfasster Nationalstaaten gäbe. Dem wäre einerseits entgegenzuhalten, dass die existierenden Institutionen und Strukturen des Nationalstaates nicht einfach auf den globalen Maßstab in der Hoffnung übertragen werden können, die zunehmend globalen Prozesse und Transaktionen ließen sich in ähnlicher Weise wie auf der nationalen Ebene steuern. Dies ist besonders problematisch, da nationale Identitäten und Interessen auch weiterhin eine sehr wichtige Quelle extralokaler Mobilisierung darstellen. Ferner ist das unterstellte Modell eines demokratisch verfassten Nationalstaates nicht die allgemein akzeptierte Norm für alle Staaten, die an der Lösung globaler Fragestellungen beteiligt werden müssten. Andererseits ist neben der Zunahme der Bedeutung von NGOs aber auch unübersehbar, dass die bereits seit Jahrzehnten existierenden Organisationen wie die WTO, der IMF, die Weltbank und die UN weiterhin eine zentrale Rolle spielen werden. Sie haben seit ihren Gründungen bis zu einem gewissen Grade bereits Befugnisse und Verantwortlichkeiten von den Nationalstaaten übernommen beziehungsweise teilen sich diese mit ihnen. Darüber hinaus stellen sie aktuell die wesentlichen Foren für die praktische Organisation einer globalen Zusammenarbeit dar. Letztlich sind sie aber nicht die Nuklei einer zukünftigen Weltregierung, sondern repräsentieren primär die Interessen der in ihnen vertretenen Nationalstaaten. Eine ganz entscheidende, aber in der Regel in Untersuchungen zu internationalen Beziehungen nicht vorrangig diskutierte Frage ist, ob die jeweiligen RepräsentantInnen der einzelnen Staaten tatsächlich die Interessen der Mehrheit ihrer BürgerInnen oder nicht vielmehr jene von nationalen oder globalen Eliten vertreten und inwieweit von ihnen überhaupt erwartet werden kann, im Interesse einer noch nicht einmal ansatzweise definierten globalen Wohlfahrt zu agieren. Klar scheint zumindest, dass die politisch, ökonomisch und militärisch stärksten Staaten voraussichtlich auch weiterhin in höherem Maße als andere in der Lage sein werden, diese Organisationen für ihre Zwecke und zu ihrem Vorteil zu instrumentalisieren, falls diese nicht

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unter Berücksichtigung der Interessen aller Mitgliedstaaten neu strukturiert werden. Woods beschreibt in diesem Zusammenhang den Unterschied zwischen starken und schwachen Staaten folgendermaßen: »Strong states are trying to shape institutions to manage financial crises, powerful NGOs, and globalizing firms. Weak states are trying to survive increasingly precarious and changeable economic circumstances.«13 Bei aller Kritik vieler GlobalisierungsgegnerInnen insbesondere an der WTO, dem IMF, der Weltbank und auch der EU sind es aber nicht diese Institutionen, die bei vielen BeobachterInnen die größte Besorgnis hervorrufen, sondern das Wirken transnational operierender Konzerne, die sich aus ihrer Sicht jedweder effektiven nationalen und internationalen Kontrolle entziehen. Auch eine weitere Verbreitung spezifischer Formen transnationaler Governance, wie sie für Giddens zum Beispiel die EU verkörpert,14 bedeutet aber nicht mit Notwendigkeit, dass die Macht des globalen Kapitals effektiver kontrolliert würde. So präferiert die EU in ihrer Gesamtheit in stärkerem Maße neoliberale Wirtschaftsmodelle als einige der einzelnen Mitgliedsstaaten. Darüber hinaus hat die bisherige Geschichte der EU gezeigt, dass es für die WählerInnen der Mitgliedsstaaten äußerst problematisch ist, einen substanziellen Einfluss auf die Entscheidungsmechanismen und Institutionen der EU auszuüben. Daran hat sich auch durch das Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon am 1. Dezember 2009 nicht wesentlich etwas geändert. Woods weist mit Blick auf das Ausmaß des Vertrauens, das die meisten Staaten in ihrer gemeinsamen Suche nach größerer Stabilität und Verlässlichkeit in einer zunehmend globalisierten Welt in internationale Institutionen und Strukturen zu haben scheinen, auf ein interessantes Paradoxon hin: »[I]n recent years virtually every state in the world has joined at least one regional trade grouping [which] underscores the search for new ways to manage globalization. At the same time, regionalism highlights the scepticism of many states about international institutions, and their fears that institutions are too dominated by powerful states, or unlikely to constrain them.«15

Abschließend lässt sich konstatieren, dass, sofern man nicht an die Realisierbarkeit einer nichthierarchisch strukturierten internationalen Ordnung glaubt, es unerlässlich wäre, diese zumindest so repräsentativ für die Interessen und Bedürfnisse aller (oder zumindest der Mehrheit) ihrer Mitglieder zu gestalten wie möglich. Scholte warnt aber vor übertriebenem Optimismus, wenn er schreibt, dass wir nicht selbstzufrieden annehmen sollten, »[that] old models of sovereignty and democracy will provide good governance in a globalizing world. Assuring democracy in post-sovereign govern-

13 Woods 2001, 297. 14 Giddens 1999, 80. 15 Woods 2001, 297.

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ance is a key challenge for politics in the twenty-first century.«16 Die über eine Demokratisierung im Sinne von Scholte weit hinausgehenden Probleme bei der Schaffung einer internationalen Ordnung können allerdings nur dann in Angriff genommen und langfristig vielleicht gelöst werden, wenn der Prozess, an dessen Ende eine solche Ordnung stehen könnte, offener für eine breite Partizipation der Betroffenen wird, wenn mehr Wert auf Kompromissbereitschaft, Konsens und Inklusion statt Dominanz, Marginalisierung und Exklusion gelegt wird und wenn er einer gerechteren Distribution der Vor- und Nachteile der Globalisierung dient. Es ist dieser hier nur skizzierte globale Kontext, in dem nach dem Ende des Kalten Krieges auch die Labour Party ihr Verständnis nationaler Interessen, ihre außen- und sicherheitspolitischen Prioritäten sowie ihre Positionierung zu Fragen des internationalen Systems neu definieren musste.

9.3 B LAIR UND B USH : F ORCES

FOR

G OOD ?

9.3.1 Einleitung We have got over our Imperial past – and the withdrawal symptoms. No longer do we want to be taken seriously just for our history, but for what we are and what we will become. We have a new role. […] It is to use the strengths of our history to build our future not as a super power but as a pivotal power, as a power that is at the crux of the alliances and international politics which shape the world and its future. Engaged, open, dynamic, a partner and, where possible, a leader in ideas and in influence, that is where Britain must be.17 TONY BLAIR

Als die Labour Party 1997 wieder an die Macht zurückkehrte, war es offensichtlich, dass sie auch in der britischen Außen- und Sicherheitspolitik eine Neuorientierung und insbesondere eine Abgrenzung zur Politik der Konservativen anstrebte. Dies wurde bereits in dem Wahlprogramm Britain will be better with new Labour deutlich und zeigte sich u.a. in den dort formulierten außenpolitischen Prioritäten. Auffällig war die Ambitioniertheit der formulierten Ziele – selbst wenn man in Rechnung stellt, dass es sich um ein Wahlprogramm handelte: 16 Scholte 2001b, 30. 17 Blair 1999e, o.S.

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»With a new Labour government, Britain will be strong in defence; resolute in standing up for its own interests; an advocate of human rights and democracy the world over; a reliable and powerful ally in the international institutions of which we are a member; and will be a leader in Europe. […] A new Labour government will […] restore Britain’s pride and influence as a leading force for good in the world. With effective leadership and clear vision, Britain could once again be at the centre of international decision-making instead of at its margins.«18

Abgesehen von den Absichtserklärungen (›will be‹), die typisch für die Textsorte Wahlprogramm sind, fällt hier die Häufung von zumindest in diesem Kontext positiv konnotierten Attributen auf (›strong‹, ›resolute‹, ›reliable and powerful‹, ›leading‹, ›effective‹ und ›clear‹), mit denen die zukünftige Politik von New Labour charakterisiert wird. Darüber hinaus wird die bisherige Politik der Konservativen kritisiert, ohne diese direkt zu erwähnen: ›restore Britain’s pride and influence‹, ›could once again be at the centre of international decision-making instead of at its margins‹.19 Neben der hier noch recht vagen und daher scheinbar unproblematischen Absichtserklärung, eine ›force for good‹ in der Welt zu werden, sollte sich die angestrebte Neuorientierung mit Blick auf Menschrechte und Demokratie in der Realität als sehr viel schwieriger erweisen, denn es wurde nicht nur allgemein deren schützenswerter Charakter betont, sondern ihre ›Beförderung‹ zu einem zentralen Anliegen der Außenpolitik erklärt: »We will make the protection and promotion of human rights a central part of our foreign policy. We will work for the creation of a permanent international criminal court to investigate genocide, war crimes and crimes against humanity.«20 Die Verwendung der Formulierung ›protection and promotion of human rights‹ lässt bereits im Wahlprogramm erkennen, dass zumindest die Parteiführung grundsätzlich zu einer interventionistischen Außenpolitik bereit war. In den Monaten nach dem Wahlsieg gab es verschiedene konkrete Anzeichen, dass New Labour tatsächlich gewillt war, neue Prioritäten in der Außen- und Sicherheitspolitik zu setzen. Belege finden sich in Reden von verschiedenen Ministern, von denen die wohl bemerkenswerteste, die des Außenministers Robin Cook am 12. Mai 1997 war. Neben anderen Punkten war es vor allem ein Satz in der als Mission Statement deklarierten Rede, der für heftige Diskussionen sorgte: »Our foreign policy must have an ethical dimension and must support the demands of other peoples for the democratic rights on which we insist for ourselves.«21 Im Gegensatz zu den beiden vorangehenden Zitaten aus dem Wahlprogramm, die doch eher den

18 19 20 21

Labour Party 1997a, o.S. Ein weiteres Beispiel für diskursrelevante absences. Labour Party 1997a, o.S. Cook 1997, o.S.

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Charakter von Absichtserklärungen haben, werden hier ganz dezidiert Forderungen gestellt: ›must have‹ und ›must support‹. Eine der Ursachen für die aus der Positionierung zu Menschenrechten und Demokratie erwachsenden Probleme lag in dem Fehlen konkreter Kriterien zur Beurteilung der Frage, ob beziehungsweise unter welchen Umständen es gerechtfertigt wäre, zum Schutz der Menschenrechte oder zur ›Beförderung‹ der Demokratie auch Gewalt einzusetzen. New Labour hatte zwar bereits im Vorfeld der Wahlen von 1997 relativ konkrete Vorstellungen von den wünschenswerten Prioritäten und Prinzipien ihrer Außen- und Sicherheitspolitik entwickelt, die in einem idealen Umfeld vermutlich auch keinerlei ernsthafte Probleme heraufbeschworen hätten, aber die Parteiführung musste sehr schnell zur Kenntnis nehmen, dass die reale Welt eine Vielzahl von moralischen, politischen und militärischen Dilemmata aufwarf, auf die sie nicht wirklich vorbereitet war. Die Kosovo-Krise und insbesondere die Entscheidung der NATO, ohne die ausdrückliche Autorisierung durch den Sicherheitsrat der UN militärisch in einem souveränen Staat zu intervenieren, waren die erste ernsthafte Bewährungsprobe für New Labour. Einen ganz entscheidenden Aspekt der Außen- und Sicherheitspolitik der Labour-Regierungen unter Blair stellte die Beziehung zu den USA und insbesondere zu der Bush-Administration dar. Auch wenn sie von Blair und der Führungsriege von New Labour nicht vorbehaltlos (und vor dem Hintergrund des Irakkrieges von zunehmend größeren Teilen der Partei überhaupt nicht mehr) geteilt wurden, waren die Positionen der Bush-Administration doch von besonderer Bedeutung für Großbritannien. Sie definierten aufgrund des Bemühens von Blair um eine möglichst enge Zusammenarbeit mit den USA ganz entscheidend die Parameter britischer Politik. Ungeachtet zahlreicher Unterschiede zwischen den internationalen Rollen, die ihre Länder gespielt haben, reagierten Bush und Blair auf der diskursiven Ebene in oftmals überraschend ähnlicher Weise auf die Herausforderungen nach dem Ende des Kalten Krieges und insbesondere nach dem 11. September. Beide argumentierten, dass die USA und Großbritannien an der Spitze derjenigen stehen müssten, die sich diesen Herausforderungen stellen. Übereinstimmung bestand auch dahingehend, dass bestimmte Bedrohungen und Situationen nicht nur Interventionen (militärisch oder auf andere Weise) in die Angelegenheiten souveräner Staaten erfordern können, sondern auch rechtfertigen – selbst wenn die volle Unterstützung der UN nicht gegeben sein sollte. Die Intervention im Kosovo hatte bereits vor dem Amtsantritt von Bush einen Präzedenzfall geschaffen und nimmt daher auch einen so zentralen Platz in der Analyse des Globalismussubdiskurses internationale Beziehungen ein. Ihre interventionistische Politik haben Blair und Bush während ihrer gesamten Amtszeit national und international immer auch damit begründet, dass ihre Länder ›forces for good‹ seien, deren Handlungen auf der Grundlage zwischen ihnen geteilter und vermeintlich universeller Werte und Verantwortlichkeiten erfolgten. Die diskursive Grundstrategie könnte daher als

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wertezentriert charakterisiert werden. Soweit es Blair und New Labour betrifft, entspricht dies im Wesentlichen der bereits während des KosovoKrieges entwickelten Strategie. Im Folgenden wird die Entwicklung des außen- und sicherheitspolitischen Diskurses der Blair-Regierungen vor dem Hintergrund von Cooks Forderung nach einer britischen Außenpolitik, die eine »ethical dimension« haben müsse,22 und der Ankündigung von New Labour, auch in der Außenund Sicherheitspolitik neue Wege beschreiten zu wollen, genauer analysiert. Dabei wird der Versuch unternommen, typische diskursive Elemente und Strategien herauszuarbeiten, die als Teil des Globalismussubdiskurses internationale Beziehungen gelten können. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Rolle von Blair (der wie kein anderes Mitglied der Regierung beziehungsweise von New Labour insgesamt diesen Diskurs geprägt hat), den Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Kosovo-Krieg sowie dem Verhältnis zu den USA. Die Analyse stützt sich im Wesentlichen auf eine repräsentative Auswahl schriftlicher Dokumente, Reden und Interviews sowohl aus Großbritannien als auch den USA, die auf ein größeres nationales oder/und internationales Publikum abzielten und deren primäre Intention darin bestand, öffentliche Unterstützung für die jeweils verfolgte Außen- und Sicherheitspolitik zu generieren. Berücksichtigt werden für Großbritannien u.a. das Wahlprogramm von New Labour von 1997, der Strategic Defence Review 1998, Blairs »Doctrine of the International Community«, Cooks »British Foreign Policy Statement« von 1997 und Blairs »Speech at the World Economic Forum at Davos, Switzerland« von 2000. Für die USA wurden u.a. die National Security Strategies (NSS) von 2002 und 2006, Bushs Rede zur Amtseinführung von 2005 und zum State of the Union von 2003 sowie die Publikation des Project for the New American Century (PNAC), Rebuilding America’s Defenses, von 2000 betrachtet. Angestrebt wird hier weder Vollständigkeit noch eine strikte Einhaltung einer chronologischen Abfolge der Texte, sondern es werden vielmehr anhand von Beispielen, die als typisch für den Untersuchungszeitraum gelten können, die folgenden für den Globalismussubdiskurs internationale Beziehungen besonders relevanten Themenbereiche analysiert: Gemeinschaft, Werte, Verantwortung und nationale Interessen, Modellcharakter des westlichen Gesellschaftsentwurfes sowie globaler Interventionismus und Souveränitätsbegriff. 9.3.2 Gemeinschaft, Werte, Verantwortung und nationale Interessen Das auffälligste diskursive Element des Globalismussubdiskurses internationale Beziehungen ist die immer wieder aufgestellte Behauptung, dass die

22 Ebenda.

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Welt zunehmend eine internationale Gemeinschaft bilde.23 So behauptete Blair in seiner »Doctrine of the International Community« 1999, dass wir Zeugen der Anfänge einer neuen Doktrin der internationalen Gemeinschaft seien: »Just as within domestic politics, the notion of community – the belief that partnership and co-operation are essential to advance self-interest – is coming into its own; so it needs to find its own international echo.«24 Die starke Betonung der Idee von ›Gemeinschaften‹ sowohl auf der nationalen als auch auf der internationalen Ebene war aber bereits vor der Krise im Kosovo ein ganz wesentlicher Bestandteil des von New Labour proklamierten Third Way.25 So wurde in dem Strategic Defence Review des Jahres 1998 mit Blick auf die angestrebte internationale Rolle Großbritanniens festgestellt: »We do not aspire to be a world policeman; many of our important national interests and responsibilities are shared with others, particularly our Partners and Allies in the European Union and NATO. We also attach immense importance to the international community as a whole working together through the many multinational organisations, above all the United Nations.«26

Vor dem Hintergrund der von der NATO auch ohne ausdrückliche Autorisierung durch die UN gebilligten militärischen Intervention im Kosovo gewinnt das einschränkende und scheinbar nebensächliche ›also‹ im zweiten Satz enorm an Bedeutung. Interessant ist hier auch die Versicherung, man habe nicht die Absicht, als ›Weltpolizist‹ zu agieren (›do not aspire‹). Hier wie auch in anderen Texten von New Labour werden Ambitionen bestritten, die angesichts der realen militärischen Stärke Großbritanniens auch völlig irreal gewesen wären. Dass diese Tatsache von der amerikanischen Seite im Kontext des Kosovo, des Irakkrieges und des ›War on Terrorism‹ zumindest in der Öffentlichkeit nicht thematisiert worden ist, dürfte vor allem der Tatsache geschuldet gewesen sein, den wichtigsten Verbündeten nicht brüskieren zu wollen. Neben den von Blair bei jeder Gelegenheit betonten Gemeinsamkeiten zwischen den Positionen der USA und Großbritanniens gab es aber auch deutliche Unterschiede, die besonders in der Frage sichtbar wurden, inwieweit individuelle Mitglieder der ›internationalen Gemeinschaft‹ durch internationales Recht oder Übereinkommen gebunden seien. So wurde während der Regierungszeit von Bush zwar der Nutzen internationaler Kooperation

23 Vgl. auch die entsprechende Analyse der Idee einer globalen Staatengemeinschaft als Teil des Globalismus S. 134f. 24 Blair 1999b, o.S. 25 Vgl. Kap. 6.5. 26 Ministry of Defence 1998, o.S. Dass die Übernahme der Rolle eines Weltpolizisten keine Frage der Ambitionen Großbritanniens, sondern vielmehr völlig unzureichender Kapazitäten war, sei hier nur am Rande angemerkt.

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zunehmend anerkannt, gleichzeitig aber an dem Standpunkt festgehalten, dass die USA sich unter keinen Umständen durch internationale Institutionen oder die eigenen Alliierten in ihrer Handlungsfähigkeit einschränken lassen dürfen. Eine verbindliche Unterordnung unter die Regeln und Entscheidungen internationaler Organisationen entsprechend den Überlegungen Blairs wurde kategorisch als Einschränkung der amerikanischen Souveränität abgelehnt. Dies bedeutete aber nicht, dass es sowohl in der konkreten Außenpolitik der Bush-Administration als auch in ihren konzeptionellen Überlegungen keinen Raum für multilaterale Elemente gegeben hätte. Die Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen und die Kooperation mit anderen Ländern bei der Bewältigung konkreter Probleme wurden durchaus als wichtige Bestandteile des außenpolitischen Repertoires betrachtet. In der NSS 2002 wird dazu festgestellt: »We are also guided by the conviction that no nation can build a safer, better world alone. Alliances and multilateral institutions can multiply the strength of freedomloving nations. The United States is committed to lasting institutions like the United Nations, the World Trade Organization, the Organization of American States, and NATO as well as other long-standing alliances. Coalitions of the willing can augment these permanent institutions.«27

Der ›War on Terrorism‹ lieferte aufgrund seines spezifischen Charakters noch zusätzliche Argumente für eine internationale Kooperation, da terroristische Bedrohungen nicht durch die ausschließliche Anwendung amerikanischer militärischer Gewalt eliminiert werden können. Die Art und Weise, wie diese Kooperation organisiert werden kann, wird dabei von den jeweiligen Bedingungen und Erfordernissen abhängig gemacht. Die folgende Passage aus der NSS 2002 hatte zwar einen konkreten Bezug auf Geschehnisse während ihrer Ausarbeitung, lässt sich aber bis zu einem gewissen Grade verallgemeinern: »While our focus is protecting America, we know that to defeat terrorism in today’s globalized world we need support from our allies and friends. Wherever possible, the United States will rely on regional organizations and state powers to meet their obligations to fight terrorism. Where governments find the fight against terrorism beyond their capacities, we will match their willpower and their resources with whatever help we and our allies can provide. As we pursue the terrorists in Afghanistan, we will continue to work with international organizations such as the United Nations, as well as non-governmental organizations, and other countries to provide the humanitarian, political, economic, and security assistance necessary to rebuild Afghanistan so that it

27 White House 2002, v.

262 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR will never again abuse its people, threaten its neighbors, and provide a haven for terrorists.«28

Multilateralismus und die Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen waren also sehr wohl ein wichtiges Element der amerikanischen Außenpolitik – aber nur zu amerikanischen Bedingungen. Grundsätzlich war die Vorstellung der Bush-Administration von internationaler Kooperation von der Überzeugung geprägt, dass die Vereinigten Staaten in jedem Falle zuerst ihre nationalen Interessen schützen müssen und dass das Ziel die Schaffung eines internationalen Systems sein müsse, das diesen Interessen dient: »The U.S. national security strategy will be based on a distinctly American internationalism that reflects the union of our values and our national interests«.29 Internationale Institutionen und Organisationen werden als besonders nützlich erachtet, wenn es darum geht, humanitäre, politische, ökonomische und sicherheitsrelevante Unterstützung beim Wiederaufbau jener Länder zu geben, in denen die USA in Kooperation mit den jeweiligen ›coalitions of the willing‹ meinte, auf militärischem Wege tatsächliche oder eingebildete Bedrohungen ihrer nationalen Interessen eliminieren zu können. Die Unterstützung der USA in ihrem ›War on Terrorism‹ durch andere Länder wird zwar durchaus geschätzt, aber die letztliche Entscheidung über die Wahl der Mittel und die Vorgehensweise behält sich die USAdministration selbst vor. So erklärte Bush in der Rede zum State of the Union 2003: »All free nations have a stake in preventing sudden and catastrophic attacks. And we’re asking them to join us, and many are doing so. Yet the course of this nation does not depend on the decisions of others. (Applause.) Whatever action is required, whenever action is necessary, I will defend the freedom and security of the American people.«30

Bushs Aufforderung, sich den USA anzuschließen, unterscheidet sich deutlich von Blairs Idee einer ›internationalen Gemeinschaft‹, deren Mitglieder zwar diese Gemeinschaft zur Beförderung ihrer jeweiligen nationalen Interessen nutzen können, aber auch durch gemeinsame Verpflichtungen und Rechte gebunden sind. Die besonders starke Betonung amerikanischer Interessen durch Bush ist hier mit Sicherheit dem diskursiven Anlass, nämlich der Tatsache geschuldet, dass der Hauptadressat der Rede die amerikanische Bevölkerung war. Die Überzeugung, dass die USA der natürliche Führer und nicht nur ein gleichberechtigtes Mitglied der ›internationalen Gemeinschaft‹ seien, findet sich aber auch in anderen Texten und ist nicht auf die Person Bushs beschränkt. Es war u.a. diese Einstellung, die es selbst Blair

28 Ebenda, 7. 29 Ebenda, 1. 30 Bush 2003, o.S.

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als dem engsten Alliierten immer wieder besonders schwer, wenn nicht unmöglich gemacht hat, den Eindruck zu vermitteln, dass er oder sonst irgendjemand im Falle von Meinungsunterschieden einen wirklichen Einfluss auf die Entscheidungen der US-Administrationen ausüben könne. Seit dem offensichtlichen Scheitern des Irak-Krieges und der zunehmenden Probleme in Afghanistan wurde zwar von Bush, Condoleezza Rice und anderen verstärkt auf die Bedeutung internationaler Kooperation und einer internationalen Ordnung hingewiesen, aber die USA weigerten sich auch weiterhin, deren Regeln und Institutionen uneingeschränkt anzuerkennen. Zwar konzedierte die Bush-Administration die Nützlichkeit internationaler Kooperation, insistierte aber gleichzeitig, dass weder internationale Institutionen und Regelwerke noch die Wünsche der Verbündeten die USA in ihrer Handlungsfreiheit einschränken dürfen. Eine bedingungslose Unterordnung unter die Regeln und Beschlüsse internationaler Institutionen wurde als ein Angriff auf die Souveränität der USA kategorisch ausgeschlossen. Die Missachtung der existierenden internationalen Ordnung zeigt sich u.a. in der Nichtanerkennung des 1997 beschlossenen Zusatzprotokolls (KyotoProtokoll) zur Ausgestaltung der 1992 verabschiedeten Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen, in den nachweislichen Bemühungen, den Internationalen Strafgerichtshof zu sabotieren, und der Nichtbeachtung der Genfer Konvention die Behandlung von Kriegsgefangenen betreffend. Multilateralismus wurde zwar als eine nützliche politische Option und als Teil einer um internationale Unterstützung bemühten diskursiven Strategie nicht grundsätzlich ausgeschlossen, aber nur zu amerikanischen Bedingungen. Diese Vorgehensweise unterminierte nicht nur die Wirksamkeit internationaler Institutionen und Vereinbarungen, sondern ermunterte andere Staaten geradezu zu einer Missachtung der existierenden internationalen Ordnung. Aus den Bedingungen einer zunehmend interdependenten Welt und seinem Verständnis der ›international community‹ wurde von Blair die Notwendigkeit einer auf Werten basierenden Außen- und Sicherheitspolitik abgeleitet. Diese Werte wurden als Grundlage der zu schaffenden internationalen Gemeinschaft betrachtet: »I am arguing that the values we believe in are worth fighting for; they are in the ascendant and we have a common interest in standing up for them. We shouldn’t be shy of giving our actions not just the force of self-interest but moral force.«31 In einer Rede in den USA 2002 behauptete Blair gar, »[that the] only purpose of being in politics is to strive for the values and ideals we believe in: freedom, justice, what we Europeans call solidarity but you might call respect for and help for others. These are the decent democratic values we all avow.«32 Die Betonung von gemeinsamen Werten durch New Labour stellte aber nicht nur eine Standardbegründung für die Außen- und Sicherheitspolitik sowie die Idee einer ›internationalen Gemeinschaft‹, sondern auch für die

31 Blair 2002, o.S. 32 Ebenda.

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Kooperation mit den USA dar: »We are the ally of the US not because they are powerful, but because we share their values. […] For all their faults and all nations have them, the US are a force for good; they have liberal and democratic traditions of which any nation can be proud.«33 Aufgrund der gemeinsamen Werte und der Tatsache, dass die USA auch eine ›force for good‹ seien, war eine enge Kooperation zwischen den beiden Staaten praktisch zwangsläufig. Die große Nähe zwischen Großbritannien und den USA wurde von Blair immer wieder betont und gerechtfertigt. In besonderer Deutlichkeit tat er dies 2004, als große Teile der Labour Party bereits nicht mehr hinter seiner Außen- und Sicherheitspolitik standen: »Britain should be proud of its alliance with America; clear in its role in Europe; and a tireless advocate of a strong bond between the two. […] We have a unique role to play. […] In doing so, we are not subverting our country either into an American poodle or a European municipality, we are advancing the British national interest in a changed world in the early 21st century.«34

Neben der fast schon verzweifelt klingenden und durch die Wahl der Modalkonstruktion (›should be proud‹) markierten Aufforderung, auf die Allianz mit den USA stolz zu sein, reagiert Blair hier auf den nicht nur in der Bevölkerung und den Medien, sondern auch in der eigenen Partei lauter werdenden Vorwurf, er gäbe die Eigenständigkeit Großbritanniens auf (›American poodle‹, ›European municipality‹), mit dem Verweis, dass die Politik seiner Regierung nationale Interessen in einer sich verändernden Welt befördere. Ungeachtet aller sonstigen Bezugnahmen auf die Bedeutung von Werten für die Ausgestaltung der Politik der Labour-Regierung zeigt sich hier, dass die ultimative Rechtfertigung auch für Blair letztlich immer nationale Interessen sind. Die Betonung von Werten war während der gesamten Regierungszeit von Blair ein zentrales diskursives Element und spielte eine ganz maßgebliche Rolle sowohl bei der diskursiven Unterfütterung als auch bei der konkreten Ausgestaltung nicht nur des innen-, sondern auch des außenpolitischen Handelns. Chandler bestätigt dies, wenn er schreibt, dass der Strategic Defence Review 1998 deutlich werden ließ, dass das Fehlen der strategischen Bedrohungen, die die Zeit des Kalten Krieges dominiert hatten, »has allowed foreign policy to be driven more directly by a search for policy initiatives seen to symbolise a clear projection of values«.35 Der Hauptgrund für die Betonung von Werten bereits im Kontext des Kosovo-Krieges war der Versuch, sowohl auf der nationalen als auch der internationalen Ebene möglichst breite Unterstützung für die Außen- und

33 Blair 2003b, o.S. 34 Blair 2004, o.S. 35 Chandler 2003, 300-301.

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Sicherheitspolitik Großbritanniens und der USA zu generieren. Nach dem 11. September verstärkte sich diese Notwendigkeit nochmals durch die Einsicht, dass der ›War on Terrorism‹ in höherem Maße als lokal klar begrenzte Konflikte internationale Kooperation erforderte und die terroristische Bedrohung nicht durch den ausschließlichen Einsatz militärischer Mittel beseitigt werden konnte. So stellte Blair 2004 fest: »Here is the irony. For all the fighting, this threat [terrorism and fanaticism] cannot be defeated by security means alone. Taking strong action is a necessary but insufficient condition for defeating. Its final defeat is only assured by the triumph of the values of the human spirit.«36

Charakteristisch für Blairs Argumentationsstrukturen war der auch hier erhobene Anspruch, keine westlichen, sondern universelle Werte zu vertreten, hier in einer modifizierten Variante als ›values of the human spirit‹. Der Versuch, durch die Betonung von Werten national und international Unterstützung für die Politik Großbritanniens und der USA zu gewinnen, wurde sowohl durch Blair als auch durch Bush in ähnlicher Weise durch eine diskursive Verschränkung der Wertediskussion mit Sicherheitsaspekten weiter untersetzt. Die zentrale Strategie bestand in dem Bemühen, einen kausalen Nexus zwischen der Beförderung der Werte Freiheit und Demokratie einerseits sowie nationaler und internationaler Sicherheit andererseits herzustellen. Bereits 1999 stellt Blair dazu in der »Doctrine of the International Community« fest: »Now our actions are guided by a more subtle blend of mutual self interest and moral purpose in defending the values we cherish. In the end values and interests merge. If we can establish and spread the values of liberty, the rule of law, human rights and an open society then that is in our national interests too. The spread of our values makes us safer.«37

In einer solchen Argumentation verschmelzen nicht nur Eigeninteressen und moralische Verpflichtungen (›blend of mutual self interest and moral purpose‹) scheinbar problemlos, sondern verschwinden auch potentielle Widersprüche zwischen Werten und nationalen Interessen (›values and interests merge‹). Die aktive Verbreitung dieser als universell gültig eingestuften Werte dient der eigenen und damit letztlich auch der internationalen Sicherheit. Vor dem Hintergrund der Bedrohung durch den ›globalen Terrorismus‹ betonte Blair 2004 diesen Zusammenhang: »The best defence of our security lies in the spread of our values. But we cannot advance these values except within a framework that recognises their universality.«38 Ebenfalls 2004

36 Blair 2004b, o.S. 37 Blair 1999b, o.S. 38 Blair 2004b, o.S.

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verlieh er seiner Überzeugung Ausdruck, dass sich seit dem 11. September ein radikaler strategischer Wechsel vollzogen hätte: »[T]he big insight and breakthrough […] is for us to understand that you can’t deal with the security threat just by military means, that is not to say you don’t have to use military means.«39 Aus dieser Überzeugung folgte die Schlussfolgerung, dass die aktive Beförderung dieser Werte ein ganz wichtiger Teil der Reaktion auf die Sicherheitsbedrohungen des 21. Jahrhunderts sein müsse: »[W]e should do all we can to spread the values of freedom, democracy, the rule of law, religious tolerance and justice for the oppressed, however painful for some nations that may be«.40 Diese Formulierung stellt zwar noch keine explizite Aufforderung zum aktiv betriebenen ›Regimewechsel‹ dar, geht aber doch deutlich über die 2001 von Blair getroffene Einschätzung hinaus, dass sich die BürgerInnen aller Staaten für diese Werte entscheiden würden, wenn sie nur die Möglichkeit hätten.41 Blair konzedierte zwar immer wieder auch das Vorhandensein von Problemen bei der Realisierung seiner Idee einer wertebasierten ›internationalen Gemeinschaft‹, gab sich aber zugleich optimistisch, da er von der Möglichkeit eines neuen Konsenses ausging, der auf der Basis der von ihm benannten Werte geschaffen werden könne.42 Die Herausbildung eines solchen Konsenses würde u.a. durch einen höheren Grad an Toleranz, Verständnis und Vernunft sowie das Ende ideologischer Auseinandersetzungen im 21. Jahrhundert befördert werden. Blair griff in seinen Reden, die selbst hoch ideologisch sind, gängige Einschätzungen vom ›Ende der Ideologien‹ auf und behauptete zugleich, dass diese als Richtlinien politischen Handelns durch ›pragmatische Ideale‹ ersetzt werden würden: »The 20th century was a brutal lesson in the need for tolerance, understanding and commonsense about human nature. The 21st century will not be a battle around ideology. But it will be a struggle for progress. Guided not by dogmatic ideology but by pragmatic ideals, it can be achieved.«43

Neben der offensichtlichen und dem spezifisch britischen Kontext geschuldeten Angst, den Eindruck einer auch nur partiellen Rückkehr zu der ›ideologischen Labour Party‹ der Vergangenheit zu erwecken, lässt sich bei New Labour angesichts der häufigen Verweise auf einen oft zwar nicht näher definierten, aber positiv konnotierten ›progress‹ und ›pragmatic ideals‹ sowie der vorauseilenden Zurückweisung jeder potenziellen Bezichtigung einer ideologischen Ausrichtung der Partei und ihres politischen Handelns ähnlich

39 40 41 42 43

Blair 2004c, o.S. Blair 2004b, o.S. Vgl. S. 271. Blair 2000d, o.S. Ebenda.

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wie in den Globalismussubdiskursen Ökonomie und Wohlfahrtsstaat auch ein allgemeinerer Trend erkennen. In einer von Ideologie ›befreiten‹ Politik, die sich an ›Werten‹ orientiert, ist für partikulare Interessen scheinbar kein Platz mehr, und die Idee einer ›internationalen Gemeinschaft‹ zum Wohle aller ihrer Mitglieder gewinnt an Attraktivität und diskursiver Deutungsmacht. Die Idee einer wertebasierten Gemeinschaft wurde ähnlich wie auf der nationalen auch auf der internationalen Ebene von Blair und anderen Mitgliedern von New Labour in der Regel mit dem Konzept von Verantwortlichkeiten diskursiv verwoben, wobei dieses Bekenntnis nicht nur als Grundlage des politischen Handelns der Labour Party bezeichnet, sondern auch als ein vermeintlich immer stärker werdender Trend auf der globalen Ebene charakterisiert wurde. In einer Rede auf dem Weltwirtschaftsforum 2000 beschrieb Blair den Zusammenhang zwischen ›wechselseitigen Verantwortlichkeiten‹ auf der nationalen und der internationalen Ebene. Er behauptete, dass im 21. Jahrhundert die Chance bestünde, eine neue globale Gemeinschaft mit Chancen gleichermaßen für BürgerInnen und die Wirtschaft zu schaffen: »We have the chance in this century to achieve an open world, an open economy, and an open global society with unprecedented opportunities for people and business.«44 Auffällig ist hier u.a. die gehäufte Verwendung des innerhalb des Globalismus positiv konnotierten Adjektivs ›open‹, ohne dessen Bedeutung aber genauer zu spezifizieren. Als Voraussetzungen für das erfolgreiche Funktionieren einer ›offenen Gesellschaft‹ und ›offenen Wirtschaft‹ benannte Blair »a strong ethos of mutual responsibility – by social inclusion within nations, and by a common commitment internationally to help those affected by genocide, debt, environment [sic!]. I call it a Third Way. […] Supporting wealth creation. Tackling vested interests. Using market mechanisms. But always staying true to clear values – social justice, democracy, cooperation.«45

Die Idee einer wertebasierten ›internationalen Gemeinschaft‹ (›clear values‹), die durch wechselseitige Verantwortlichkeiten (›strong ethos of mutual responsibility‹) charakterisiert ist, wurde bereits früh auch als Rechtfertigung für eine interventionistische Außenpolitik instrumentalisiert. So beschrieb der britische Verteidigungsminister, George Robertson, die Haltung seiner Regierung in der Einleitung zum Strategic Defence Review des Jahres 1998 folgendermaßen: »The British are, by instinct, an internationalist people. We believe that as well as defending our rights, we should discharge our responsibilities in the world. We do

44 Ebenda. 45 Ebenda.

268 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR not want to stand idly by and watch humanitarian disasters or the aggression of dictators go unchecked. We want to give a lead, we want to be a force for good.«46

Robertson erhebt hier ganz klar den Anspruch, nicht nur für seine Regierung oder New Labour zu sprechen, sondern für die gesamte britische Bevölkerung (›The British are‹, ›We believe‹). Es geht hier aber vermeintlich nicht primär um rationale politische Entscheidungen, sondern quasi um ein Verhalten, das der britischen Mentalität (›by instinct‹) entspricht. Die wiederholte Verwendung des Personalpronomens ›we‹ suggeriert zudem eine Gemeinsamkeit der Überzeugungen und des Willens, als ›force for good‹ eine Führungsrolle auf der internationalen Bühne zu übernehmen. Dieser Anspruch auf eine Führungsrolle findet sich in noch deutlicherer Form auch in verschiedenen Dokumenten der Bush-Administration. So schreibt Bush beispielsweise in der Einleitung der NSS 2002: »Throughout history, freedom has been threatened by war and terror; it has been challenged by the clashing wills of powerful states and the evil designs of tyrants; and it has been tested by widespread poverty and disease. Today, humanity holds in its hands the opportunity to further freedom’s triumph over all these foes. The United States welcomes our responsibility to lead in this great mission.«47

Neben der hier wie auch in anderen Dokumenten zentralen Rolle des Begriffes Freiheit ist die Überzeugung augenfällig, dass die USA nicht nur Teil, sondern der natürliche Führer der Bemühungen um mehr Freiheit seien. Diese Führungsrolle erscheint hier nicht als durch die USA willkürlich für sich reklamiert, sondern als objektiv gegeben (›The United States welcomes our responsibility‹). Die Außenpolitik wird, ähnlich wie in Dokumenten von New Labour, als auf bestimmten Werten und Verantwortlichkeiten fußend beschrieben: »The United States possesses unprecedented – and unequaled – strength and influence in the world. Sustained by faith in the principles of liberty, and the value of a free society, this position comes with unparalleled responsibilities, obligations, and opportunity. The great strength of this nation must be used to promote a balance of power that favors freedom.«48

Die aktive Beförderung einer nicht näher definierten Freiheit wird praktisch zu einer moralischen Verpflichtung, der sich die USA nicht entziehen dürfen (›must be used‹) und die durch den Glauben an die Prinzipien der Freiheit und die Werte einer freien Gesellschaft genährt wird. Eine ähnliche Verpflichtung wurde, wie oben zitiert, von New Labour auch für Großbri-

46 Ministry of Defence 1998, o.S. 47 White House 2002, vi. 48 Ebenda, 1.

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tannien proklamiert: ›we should discharge our responsibilities in the world‹. Angesichts dieser selbst definierten ›Verpflichtungen‹ und ›Verantwortlichkeiten‹ sowie der Überzeugung, dass sowohl Großbritannien als auch die USA die als universell deklarierten Werte beispielhaft vertreten und dass deren Durchsetzung zudem die internationale Sicherheit befördert, war die Annahme, dass die Gesellschaftsentwürfe der beiden Staaten beziehungsweise des Westens als Modell für den Rest der Welt gelten können, praktisch zwangsläufig. 9.3.3 Modellcharakter des westlichen Gesellschaftsentwurfes Sowohl Blair als auch Bush haben als Teil des Globalismussubdiskurses internationale Beziehungen bei verschiedenen Gelegenheiten den Modellcharakter ›ihres‹ Gesellschaftsentwurfes betont, wobei die Ähnlichkeiten zu den diskursiven Mustern, die im Kapitel »Globalismus und Ökonomie« analysiert werden, augenfällig sind. So unterstellte Blair 2000 die weltweite Akzeptanz der von ihm benannten Werte: »I believe that from Europe to North America, Brazil to New Zealand, two great strands of progressive thought are coming together. The liberal commitment to individual freedom in market economy, and the social democratic commitment to social justice through the action of government, are being combined.«49

Ungeachtet der offensichtlichen Diskrepanz zwischen den globalen Realitäten und der Einschätzung durch Blair wurde die gleiche Behauptung auch von Bush immer wieder aufgestellt: »The ideals that have inspired our history – freedom, democracy, and human dignity – are increasingly inspiring individuals and nations throughout the world.«50 In einem Interview mit dem Arabischen Dienst der BBC 2003 verlieh Blair der Überzeugung Ausdruck, dass sich weltweit alle Menschen für Demokratie, die Respektierung der Menschenrechte und rechtsstaatliche Verhältnisse entscheiden würden, wenn ihnen nur die Chance dazu eingeräumt werden würde. Den Grund dafür sah er darin, dass diese Werte keine westlichen seien: »they are human values«.51 Da in dem Verständnis von Blair westliche Demokratien wie Großbritannien oder die USA diese ›human values‹ verkörperten, stellten sie Gesellschaftsmodelle für den Rest der Welt bereit. Von diesem Modellcharakter waren in den USA bereits vor Clintons Ablösung durch Bush neokonservative Kräfte überzeugt, die sich u.a. im PNAC zusammenfanden. Die Überzeugung, dass die USA ein Modell für den Rest der Welt darstellen, geht aber bis auf das Konzept der Manifest 49 Blair 2000d, o.S. 50 White House 2006, 1. 51 Blair 2003a, o.S.

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Destiny zurück, wobei die intertextuellen und -diskursiven Bezüge bis hinein in bestimmte Formulierungen ganz offensichtlich sind.52 Die vom PNAC entwickelte Sicherheitsstrategie basierte auf der Überzeugung, dass es nur einen Weg für die Welt gibt, dass die USA ihn kennen und der Welt vorschreiben können. So gehen die AutorInnen des Berichts Rebuilding America’s Defenses von folgenden Prämissen aus: »America should seek to preserve and extend its position of global leadership by maintaining the preeminence of U.S. military forces. Today, the United States has an unprecedented strategic opportunity. It faces no immediate great-power challenge; it is blessed with wealthy, powerful and democratic allies in every part of the world; it is in the midst of the longest economic expansion in its history; and its political and economic principles are almost universally embraced.«53

Mit aller Deutlichkeit wird hier die globale Führung beansprucht (›should seek to preserve and extend its position of global leadership‹) und deren Durchsetzung auch mittels militärischer Mittel eingefordert. Zugleich wird die Behauptung aufgestellt, dass das westliche beziehungsweise amerikanische Modell ohnehin weitestgehend akzeptiert sei (›its political and economic principles are almost universally embraced‹), was allerdings nicht einmal auf alle der erwähnten Alliierten zutrifft. Ähnliche Einschätzungen finden sich nach dem Regierungsantritt von Bush auch in Regierungspublikationen wie der NSS 2002: »The great struggles of the twentieth century between liberty and totalitarianism ended with a decisive victory for the forces of freedom – and a single sustainable model for national success: freedom, democracy, and free enterprise.«54 Die Ansicht, dass es nur ein tragfähiges und dauerhaft erfolgreiches Modell für ›national success‹ gibt, impliziert die Option des ›Regimewechsels‹ – wenn auch nicht notwendigerweise auf militärischem Wege. Wiederum in der NSS 2002 wird dazu festgestellt: »America will encourage the advancement of democracy and economic openness […] because these are the best foundations for domestic stability and international order […] the United States will use this moment of opportunity to extend the benefits of freedom across the globe. We will actively work to bring the hope of democracy, development, free markets, and free trade to every corner of the world.«55

Neben der Betonung einer aktiven Rolle der USA bei der Verbreitung ›ihrer‹ Werte (›America will encourage‹, ›we will actively work‹) wird hier auch im Globalismussubdiskurs internationale Beziehungen der enge Zu-

52 53 54 55

Vgl. S. 73f. PNAC 2000, iv. White House 2002, iii. Ebenda, v.

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sammenhang angestrebter politischer Veränderungen und ökonomischer Erwägungen sichtbar (›advancement of democracy and economic openness‹, ›free markets‹, ›free trade‹), der im Abschnitt 7.3 als Teil des Globalismussubdiskurses Ökonomie detailliert analysiert wird. Rice konzedierte 2000 zwar, dass einige Staaten die amerikanischen Vorstellungen vielleicht nicht teilen, sah die USA und ihre Verbündeten aber auf dem ›historisch richtigen Wege‹: »Powerful secular trends are moving the world toward economic openness and – more unevenly – democracy and individual liberty. Some states have one foot on the train and the other off. Some states still hope to find a way to decouple democracy and economic progress. Some hold on to old hatreds as diversions from the modernizing task at hand. But the United States and its allies are on the right side of history.«56

Der Verweis auf ›powerful secular trends‹ und ›the right side of history‹ verleiht den Aussagen von Rice einen Anspruch auf Wahrheit, die von einigen Staaten nur noch nicht als solche erkannt worden ist (›some states still hope to find a way to decouple democracy and economic progress‹). Auch in dieser Frage unterschieden sich die Argumentationen Blairs nur punktuell von denen der Bush-Administration. So äußerte Blair 2001 in einer Rede vor dem kanadischen Parlament mit Bezug auf die transatlantischen Beziehungen, dass es zwar Meinungsverschiedenheiten gäbe, diese aber angesichts der gemeinsamen Interessen und Werte unwichtig seien: »We do not believe that you can have the market without society [sic!], or human rights separated from the rule of law, or anything less than all the attributes of democracy. And our experience tells us too that when people are given the opportunity freely to choose, this model of political organisation is what they choose.«57

Wiederum wird eine Unausweichlichkeit der weiteren Entwicklung in Richtung einer Verwirklichung des westlichen Modells suggeriert. Es sei nicht notwendig, die Betroffenen etwa durch einen ›Regimewechsel‹ zu etwas zu zwingen, sondern ihnen müsste nur eine ›Möglichkeit‹ (›when people are given the opportunity freely to choose‹) eröffnet werden, die sie dann auch nutzen würden (›this model of political organisation is what they choose‹). Auch wenn sich Blair hier auf Erfahrungen beruft, scheinen die Ereignisse im Irak und in Afghanistan seine Überzeugungen nur sehr bedingt zu bestätigen. Im Gegensatz zu New Labour und Blair, deren außen- und sicherheitspolitischer Diskurs sich in seinen Kernelementen von der Publikation der »Doctrine of the International Community« 1999 bis 2007 kaum verändert

56 Rice 2000, 46. 57 Blair 2001, o.S.

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hatte, lässt sich für die zweite Amtszeit von Bush eine deutliche diskursive Modifizierung feststellen. In Regierungsdokumenten sowie Reden beispielsweise von Bush und Rice, die sich zwar auch an die amerikanische Bevölkerung, vor allem aber an die internationale Öffentlichkeit wandten, wurde deutlich mehr Wert auf die Betonung der freiwilligen Kooperation der Länder, die auf den Weg zu Freiheit und Demokratie ›geführt‹ werden sollen, gelegt. So beschrieb Bush in seiner zweiten Antrittsrede im Jahre 2005 die langfristigen außenpolitischen Ziele der USA folgendermaßen: »to seek and support the growth of democratic movements and institutions in every nation and culture, with the ultimate goal of ending tyranny in our world«.58 Dies sei aber nicht primär durch Waffengewalt zu erreichen: »Freedom, by its nature, must be chosen, and defended by citizens, and sustained by the rule of law and the protection of minorities. And when the soul of a nation finally speaks, the institutions that arise may reflect customs and traditions very different from our own. America will not impose our own style of government on the unwilling. Our goal instead is to help others find their own voice, attain their own freedom, and make their own way.«59

Einerseits wird hier durch die Verbwahl die Notwendigkeit der Freiwilligkeit (›freedom […] must be chosen‹) betont. Andererseits verstärkt die Gegenüberstellung von Possessivkonstruktionen (›our own‹ versus ›their own voice‹, ›their own freedom‹ und ›their own way‹) eine zumindest diskursive Anerkennung nationaler Unterschiede und Entwicklungswege, die als das Ergebnis kreatürlicher Prozesse erscheinen (›when the soul of a nation finally speaks‹). Dieser diskursive Strategiewechsel kann als Lernprozess vor dem Hintergrund der Probleme im Irak, in Afghanistan und des ›War on Terrorism‹ sowie der international deutlich geringer gewordenen Unterstützung für die Politik der USA und ihrer Verbündeten interpretiert werden. Dieser Lernprozess fand seinen offiziellen Ausdruck in dem Konzept der transformational diplomacy, das Teil der NSS 2006 war. Das Ziel einer verstärkten Kooperation mit den internationalen Partnern, deren Zahl und Unterstützung zu diesem Zeitpunkt bereits deutlich abgenommen hatten, sollte die Schaffung demokratischer Staaten sein, die sowohl den Bedürfnissen ihrer BürgerInnen als auch einem verantwortungsvollen Verhalten innerhalb des internationalen Systems verpflichtet sein sollten. Die Rolle der USA wurde als eine eher unterstützende (›encourage and reward‹, ›external incentives‹) als erzwingende beschrieben, wobei die Entscheidung für oder gegen einen Systemwandel als letztlich freiwillig deklariert wurde: »We will encourage and reward good behavior rather than reinforce negative behavior. Ultimately it is the countries themselves that must decide to take the necessary

58 Bush 2005, o.S. 59 Ebenda.

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steps toward development, yet we will help advance this process by creating external incentives for governments to reform themselves.«60

Im Rückblick auf die zweite Amtszeit von Bush sowie vor dem Hintergrund der militärischen Aktivitäten im Irak und in Afghanistan stellte das Konzept der transformational diplomacy aber eher eine partielle diskursive Modifizierung des amerikanischen Beitrags zur Ausgestaltung des Globalismussubdiskurses internationale Beziehungen als eine grundsätzliche Neuorientierung der Außen- und Sicherheitspolitik der USA dar. Das Hauptziel dürfte wohl der Versuch gewesen sein, auf internationaler Ebene und insbesondere in jenen Ländern, die das westliche Modell übernehmen sollten, mehr Verständnis und Unterstützung für die amerikanische Politik zu schaffen. Letztlich änderte diese diskursive Modifizierung aber nur wenig an den Grundüberzeugungen sowohl der USA als auch Großbritanniens bezüglich des Modellcharakters des westlichen Systems und der Berechtigung beziehungsweise Verpflichtung, auf der Grundlage des eigenen (als universell deklarierten) Wertesystems und im Namen der ›international community‹ unter bestimmten Umständen global zu intervenieren. Die erste konkrete Bewährungsprobe für diese Grundüberzeugungen stellte für New Labour der Konflikt im Kosovo dar. 9.3.4 Globaler Interventionismus und Souveränitätsbegriff Im Westen waren die Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges durch eine zunehmende Bedeutung normativer Politikansätze charakterisiert, zu deren zentralen (diskursiven) Elementen nicht nur in Großbritannien eine ethische Komponente gehörte, die das durch das Ende des ›Kampfes gegen den Kommunismus‹ entstandene Vakuum zumindest teilweise füllte. Chandler schreibt dazu: »It was only in the 1990s that the agenda of ethical foreign policy activism became possible with the end of superpower rivalry and the old international political framework.«61 So überrascht es nicht, dass vor dem Hintergrund der zentralen Positionierung von ›Gemeinschaften‹, ›Werten‹ und ›Verantwortlichkeiten‹ im Globalismussubdiskurs internationale Beziehungen62 ethische Fragen stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit rückten als dies traditionell in der Realpolitik der Fall ist. Angesicht der Ereignisse in Jugoslawien stellten sich dann auch für Großbritannien ganz direkt die Fragen, mit welchen konkreten Konsequenzen diese außen- und sicherheitspolitische Ausrichtung verbunden und ob beziehungsweise unter welchen Umständen eine Intervention in souveränen Staaten gerechtfertigt ist.

60 White House 2006, 33. 61 Chandler 2003, 310. 62 Vgl. dazu Abschnitt 9.3.2.

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Die grundsätzlichen britischen Antworten auf diese Fragen finden sich in Blairs vor dem Hintergrund der Ereignisse im Kosovo verfassten »Doctrine of the International Community«, in der nicht nur zentrale außen- und sicherheitspolitische Probleme benannt, sondern auch eine ganze Reihe weitreichender Schlussfolgerungen gezogen wurden, die für die Politik der Labour-Regierung sowohl in Afghanistan als auch im Irak-Krieg bestimmend bleiben sollten: »The most pressing foreign policy problem we face is to identify the circumstances in which we should get actively involved in other people’s conflicts. Non-interference has long been considered an important principle of international order. And it is not one we would want to jettison too readily. One state should not feel it has the right to change the political system of another or foment subversion or seize pieces of territory to which it feels it should have some claim. But the principle of non-interference must be qualified in important respects.«63

Das Prinzip der Nichteinmischung wurde von Blair zwar grundsätzlich bestätigt (›it is not one we would want to jettison too readily‹), aber auch mit einem Vorbehalt (›must be qualified in important respects‹) versehen, der nicht nur in seiner realpolitischen Umsetzung fast mit Notwendigkeit zu Konflikten führen musste, sondern auch komplexe rechtliche Fragen aufwarf. Nach Blairs Einschätzung war eine Einmischung in die Angelegenheiten von souveränen Staaten unter folgenden Umständen gerechtfertigt: »Acts of genocide can never be a purely internal matter. When oppression produces massive flows of refugees which unsettle neighbouring countries then they can properly be described as ›threats to international peace and security‹.«64 Die von Blair zweifellos ganz bewusst verwendete Formulierung ›threats to international peace and security‹ findet sich an verschiedenen Stellen der Charta der Vereinten Nationen, an denen die Voraussetzungen für eine mögliche Einmischung in die internen Angelegenheiten souveräner Staaten behandelt werden. Eine Einmischung wird dort zwar nicht kategorisch ausgeschlossen, aber es gibt auch unmissverständliche Regelungen, unter welchen Umständen und unter Anwendung welcher Maßnahmen diese erfolgen kann. Im Kapitel VII, »Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen«, werden die Umstände und die Reihenfolge der zu ergreifenden Maßnahmen unmissverständlich formuliert. Laut Artikel 41 kann der Sicherheitsrat beschließen »welche Maßnahmen – unter Ausschluß von Waffengewalt – zu ergreifen sind«. Erst nachdem das in Artikel 41 vorgesehene breite Spektrum von Maßnahmen65 ausgeschöpft

63 Blair 1999b, o.S. 64 Ebenda. 65 »Der Sicherheitsrat kann beschließen, welche Maßnahmen – unter Ausschluß von Waffengewalt – zu ergreifen sind, um seinen Beschlüssen Wirksamkeit zu

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wurde beziehungsweise der Sicherheitsrat überzeugt ist, dass die Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg bringen würden oder gebracht haben, kann Artikel 42 in Anwendung gebracht werden. Der Sicherheitsrat kann »mit Luft-, See- oder Landstreitkräften die zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen durchführen. Sie können Demonstrationen, Blockaden und sonstige Einsätze der Luft-, Seeoder Landstreitkräfte von Mitgliedern der Vereinten Nationen einschließen.«66

Czempiel, einer der prominentesten deutschen Friedens- und Konfliktforscher, schrieb 2000 in einem Aufsatz mit dem Titel »Intervention in den Zeiten der Interdependenz«, dass in Anbetracht des hohen Grades an Interdependenz, die im europäischen System herrscht, von einem Recht, »ja vielleicht sogar schon von einer Pflicht zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates dann gesprochen werden [kann], wenn in diesem Staat die Menschenrechte manifest verletzt werden«.67 Für diesen Fall erlaubt die UN Charta bereits seit 1945 eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates, wobei Gewaltanwendung als Ultima Ratio nicht ausgeschlossen wird. Sowohl nach Meinung der NATO-Führung als auch des Sicherheitsrates lag ein solcher Fall der Verletzung der Menschenrechte im Kosovo vor. Vor diesem Hintergrund ist auch Blairs Behauptung zu sehen, dass die Intervention durch internationales Recht und existierende Resolutionen des Sicherheitsrates ausreichend sanktioniert war. Der Sicherheitsrat hatte aber keinen Eingriffsbeschluss gemäß Artikel 42 gefasst. Czempiel kommt daher zu dem Schluss, dass es somit »keine völkerrechtlich verbindliche Grundlage für die Gewaltaktion der NATO [gab]. Sie hat insofern als klare Aggression zu gelten, die sich ausschließlich auf das Recht des Stärkeren beruft. Diesen Makel hatte das Instrument der ›Humanitären Intervention‹ schon seit seiner Einführung im 19. Jahrhundert aufgewiesen; es wurde deswegen alsbald wieder aufgehoben.«68

Die von GegnerInnen einer militärischen Intervention in der Föderalen Republik Jugoslawien (FRJ) betonte Tatsache, dass diese gegen geltendes internationales Recht verstieß, ließ es für Blair und andere VertreterInnen der

verleihen; er kann die Mitglieder der Vereinten Nationen auffordern, diese Maßnahmen durchzuführen. Sie können die vollständige oder teilweise Unterbrechung der Wirtschaftsbeziehungen, des Eisenbahn-, See- und Luftverkehrs, der Post-, Telegraphen- und Funkverbindungen sowie sonstiger Verkehrsmöglichkeiten und den Abbruch der diplomatischen Beziehungen einschließen (UN 1945, Artikel 41).« 66 UN 1945, Artikel 42. 67 Czempiel 2000, o.S. 68 Ebenda.

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involvierten NATO-Staaten als besonders wichtig erscheinen, ihr Vorgehen vor der Öffentlichkeit zu rechtfertigen. So fühlte sich der deutsche Verteidigungsminister, Rudolf Scharping, 1999 bemüßigt, ein Buch mit dem Titel Wir dürfen nicht wegsehen. Der Kosovo-Krieg und Europa69 zu veröffentlichen, der bereits suggerierte, dass die ›Gemeinschaft‹ europäischer Staaten in der Verantwortung für das Schicksal der Kosovo-AlbanerInnen stünde und sich dieser auch ohne eine ausdrückliche Ermächtigung zu einer Intervention durch den Sicherheitsrat nicht entziehen dürfe. Das von Scharping betonte Motiv der Verantwortung der ›internationalen Gemeinschaft‹ stellte auch eines der zentralen Elemente des britischen Kosovo-Diskurses und der Argumentation von Blair dar. Blair schien, zumindest wenn man sich an seinen öffentlichen Äußerungen orientiert, keinen Zweifel zu haben, dass die Situation im Kosovo die Anwendung militärischer Gewalt nicht nur rechtfertigte, sondern geradezu erforderte: »No one in the West who has seen what is happening in Kosovo can doubt that NATO’s military action is justified.«70 Selbst mit dem einschränkenden Verweis auf den ›Westen‹ entsprach Blairs Einschätzung allerdings nicht der Realität. Es gab innerhalb der EU und auch der NATO durchaus Meinungsverschiedenheiten in der Beurteilung der Situation im Kosovo beziehungsweise der adäquatesten Vorgehensweise. Blairs immer wieder vehement vertretene Position, dass ein militärisches Eingreifen völlig gerechtfertigt und im Interesse der albanischen Minderheit im Kosovo absolut notwendig sei, hat jedoch zweifellos in Großbritannien selbst und auch im Ausland jene unterstützt, die ähnliche Ansichten vertraten. Auch wenn Blair im Falle des Kosovo keinerlei Zweifel an der Rechtmäßigkeit des militärischen Vorgehens der NATO zu haben schien, waren ihm die problematischen Weiterungen seiner Position, zumindest wenn man sie zum allgemeingültigen Prinzip außenpolitischen Handelns erklären würde, durchaus bewusst, wie diese Passage aus seiner »Doctrine of the International Community« zeigt: »Looking around the world there are many regimes that are undemocratic and engaged in barbarous acts. If we wanted to right every wrong that we see in the modern world then we would do little else than intervene in the affairs of other countries. We would not be able to cope.«71

Angesichts des Verweises auf das fehlende Potenzial (›would not be able to cope‹) als Hinderungsgrund für ein Eingreifen in allen ›Problemfällen‹ drängt sich allerdings die Frage auf, ob, falls dieses vorhanden wäre, Blairs Äußerung nicht als ein Plädoyer für einen ›Weltpolizisten‹, der Demokratie und Menschenrechte notfalls auch gegen den Willen souveräner Staaten

69 Scharping 1999. 70 Blair 1999b, o.S. 71 Ebenda.

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durchsetzt, interpretiert werden kann. Die möglichen Parallelen zu innerhalb der Bush-Administration vertretenen Positionen sind augenfällig. In der realpolitischen Welt begrenzter Potenziale und nationaler Interessen folgte aus Blairs Einschätzung mit Notwendigkeit die Frage nach den Kriterien, die angewendet werden können, um die Entscheidung für oder gegen eine mögliche Intervention in souveränen Staaten zu treffen. Für die Entscheidung, im Kosovo zu intervenieren, war letztlich ein ganzes Bündel von Gründen ausschlaggebend. Aber diese Gründe entfalteten ihre besondere diskursive Deutungsmacht erst vor dem Hintergrund, dass zum einen viele EuropäerInnen und in geringerem Maße auch die AmerikanerInnen von den Vorgängen im Kosovo, von den Medien, die über sie berichteten, und von PolitikerInnen, die sie kommentierten, an die Situation vor und während des Zweiten Weltkrieges erinnert wurden und zum anderen die ethnischen Auseinandersetzungen und die Gewalttätigkeiten nicht in ›entfernten Ländern‹, sondern mitten in Europa stattfanden. Mit Blick auf die historischen Parallelen verwies Emmott im Economist im September 1999 auf folgende Aspekte: »forced migration, the separation of families and the slaughter of men, the way nationalism can trump all other arguments and emotions, and the horror of the large-scale bombing of towns and villages«.72 Abgesehen von den Bombenangriffen – diese waren das bevorzugte Mittel der NATO – waren es diese und ähnliche ›historische‹ Vergleiche, die von all jenen instrumentalisiert wurden, die militärische Aktionen gegen Serbien und Milošević befürworteten. So argumentierte Blair direkt auf das Scheitern der Beschwichtigungspolitik vor dem Ersten und Zweiten Weltkrieg verweisend und auch in Anspielung auf das Konzept gerechter Kriege, dass die militärische Intervention berechtigt sei: »This is a just war, based not on any territorial ambitions but on values. We cannot let the evil of ethnic cleansing stand. We must not rest until it is reversed. We have learned twice before in this century that appeasement does not work. If we let an evil dictator range unchallenged, we will have to spill infinitely more blood and treasure to stop him later.«73

Auch hier findet sich einer der im Abschnitt 9.3.2 analysierten Verweise auf ›Werte‹, die die ausschlaggebende Determinante des konkreten Handelns seien (›based not on any territorial ambitions but on values‹). Erwähnenswert ist auch die mehrfache Verwendung des (auch religiös) aufgeladenen Adjektivs ›evil‹, das (gelegentlich als Abstraktum: ›evil‹ – oft versus ›good‹) auch in den Reden Bushs eine zentrale diskursive Rolle im Kontext der Kriege im Irak, in Afghanistan und des ›War on Terrorism‹ sowie im Globalismussubdiskurs internationale Beziehungen insgesamt spielen sollte.

72 Emmott 1999, o.S. 73 Blair 1999b, o.S.

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Das deutsche Wochenmagazin Die Zeit schrieb im Jahre 2003, dass Blair wie kein anderer westlicher Staatschef den neuen Typus des ›ethischen Interventionisten‹ verkörpert, der in seinem Handeln von der Annahme ausgeht, dass souveräne Staaten, die Normen verletzt haben, wie sie zum Beispiel in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte oder anderen internationalen Verträgen kodifiziert worden sind, ihr Recht auf Souveränität verwirken und der ›internationalen Gemeinschaft‹ ein Recht auf Intervention zustehe. Wenn sich die ›internationale Gemeinschaft‹ aber als handlungsunfähig erweist, dann müssten die ›westlichen Staaten‹ – wie zum Beispiel im Kosovo – eingreifen.74 Eine Intervention – auch unter Verletzung der staatlichen Souveränität – wird praktisch zur moralischen Verpflichtung. Blairs Ansicht, dass eine Verletzung der Souveränität und ein militärisches Vorgehen unter den gegebenen Umständen moralisch gerechtfertigt seien, wurde weithin geteilt. Für Kampfner war der Kosovo-Krieg ungeachtet aller Probleme der Höhepunkt ›liberaler Intervention‹, auf dem Blair die Unterstützung der Mehrheit seiner Partei und der Bevölkerung genoss – nicht nur für die moralische Rechtfertigung des Krieges, sondern auch die Mittel, mit denen er geführt wurde.75 Diese Unterstützung nahm dann aber spätestens im Verlaufe des IrakKrieges sowohl in der eigenen Partei als auch in der britischen Öffentlichkeit dramatisch ab. Einer der entscheidenden Gründe dürfte die Tatsache gewesen sein, dass nach der erfolglosen Suche nach Massenvernichtungswaffen, die als ursprünglicher Interventionsgrund völlig ausgereicht hatten, der diskursive Strategiewechsel (zunehmende Hinweise auf die moralische Verpflichtung zur Befreiung der IrakerInnen von einem schrecklichen Despoten und seinem Unrechtsregime sowie der Notwendigkeit, bei der Demokratisierung des Landes zu helfen) vor dem Hintergrund des nicht enden wollenden Widerstandes gegen die Besetzung zunehmend weniger überzeugend war. Der finanzielle Aufwand sowie die zunehmenden Verluste unter den britischen Truppen dürften ebenfalls eine gewichtige Rolle gespielt haben. Für Afghanistan stellte sich die Situation insofern anders dar, als dass hier zwar auch große Teile der Bevölkerung (und nicht nur ›die Taliban‹) der Besetzung negativ gegenüber standen, aber das Argument einer von Afghanistan ausgehenden Terrorgefahr für die gesamte Welt auch noch Jahre nach dem Einmarsch weiterhin wirksam blieb. In der »Doctrine of the International Community« warf Blair nicht nur die Frage nach den möglichen Kriterien einer Entscheidung für oder gegen eine Einmischung in die internen Konflikte souveräner Staaten auf, sondern formulierte auch gleich die Antwort. Die Kriterien wurden zwar im unmittelbaren Kontext der Kosovo-Krise formuliert, aber als allgemein anwendbar präsentiert:

74 Krönig 2003, o.S. 75 Kampfner 2003, 47.

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• • • • •

Are we sure of our case? Have we exhausted all diplomatic options? Are there military operations which we can sensibly and prudently undertake? Are we prepared for the long term in order not to have to return for a repeat performance? Do we have national interests involved?76

Blair räumte zwar ein, dass diese Kriterien keine absolute Gültigkeit besäßen, betonte aber auch: »[these] are the kind of issues we need to think about in deciding in the future when and whether we will intervene«.77 Vor dem Hintergrund der international gültigen Rechtslage wiesen Dunne und Wheeler darauf hin, dass Blair die Frage der Autorisierung von Gewaltanwendung ausgespart hatte: »For intervention to have the force of law and legitimacy it should be authorised by the UN Security Council, since this is the only body that is empowered to mandate force for purposes other than self-defence.«78 Das Fehlen einer ausdrücklichen Autorisierung durch den Sicherheitsrat wurde von der Blair-Regierung und der NATO-Führung auch gar nicht geleugnet, aber man argumentierte, dass die Intervention durch internationales Recht und existierende Resolutionen des Sicherheitsrates ausreichend sanktioniert war. »By analogy,« um nochmals Dunne und Wheeler zu zitieren, »one could ask how NATO states would respond if a coalition of willing Arab countries were to use force against Israel without the consent of the Security Council but with a host of condemnatory resolutions as their cover?«79 Verschiedene Äußerungen von Blair aus dem Jahre 1999 belegen, dass er offensichtlich von der moralischen Richtigkeit des militärischen Eingreifens im Kosovo überzeugt war und auch andere davon überzeugen wollte: »We cannot rest until the refugees are home. Then, truly, we will be able to say that Good has triumphed over evil, Justice has overcome barbarism, and the values of civilisation have prevailed.«80 In diesem Beispiel verwendet Blair die an anderer Stelle angesprochene Gegenüberstellung von ›Good‹ und ›evil‹.81 Interessant ist hier auch die so im Original benutzte Groß- und Kleinschreibung für ›Good‹ und ›evil‹ sowie die Verwendung von binären Oppositionen (hier ›Justice‹ versus ›barbarism‹; Groß- und Kleinschreibung ebenfalls so im Original), die sich auch in anderen Texten des Globalismussubdiskurses internationale Beziehungen finden.

76 77 78 79 80 81

Blair 1999b, o.S. Ebenda. Dunne and Wheeler 2000, 72. Ebenda. Blair 1999d, o.S. Vgl. S. 277.

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In einem Interview, das Blair während seines USA-Besuches anlässlich der Feierlichkeiten zum 50. Jahrestages der Gründung der NATO gab, räumte er zwar auch strategische Gründe ein, betonte aber die moralische Rechtfertigung (›it is a moral cause with a moral purpose‹) des Eingreifens im Kosovo: »I think what is important is that we recognise that this struggle to make sure these people are allowed to return to their homes is of course about strategic interests, of course the Balkans is a very, very important part of Europe, that instability there will mean instability in the whole region and therefore in the whole of the world. But it is, and I make no apology for saying so, it is a moral cause with a moral purpose.«82

In dem Interview wurde Blair auch auf die unterschiedlichen Positionen Großbritanniens und der amerikanischen Regierung zum Einsatz von Bodentruppen im Kosovo angesprochen. Im Gegensatz zu den von den USA präferierten massiven Luftangriffen hielten viele BeobachterInnen den Einsatz von Bodentruppen für das einzige wirksame Mittel, um die ethnischen ›Säuberungen‹ möglichst schnell und effektiv zu stoppen. Blair wusste natürlich um die mangelnde Bereitschaft der US-Administration (nicht zuletzt angesichts der auch unter den europäischen NATO-Partnern nicht sonderlich großen Bereitschaft, ihre SoldatInnen zu gefährden), amerikanische Bodentruppen einzusetzen. Blair konzedierte zwar die Meinungsverschiedenheiten, betonte aber auch, dass die USA eine ganz wichtige Rolle in der Kosovo-Krise spielten und dass »whatever different views were expressed on how we achieve our aims, there was complete unity in the sense of purpose, that the values of democracy and justice and basic civilisation and decency have to be upheld«.83 Das gemeinsame Wertesystem (hier ›democracy and justice and basic civilisation and decency‹) funktioniert quasi unabhängig von allen anderen Determinanten als diskursiver Dreh- und Angelpunkt. Die moralische Dimension wurde von Blair auch in einem von ihm selbst verfassten (jedenfalls von ihm autorisierten) Artikel in Newsweek im Juni 1999 betont, der nicht nur den Titel »A New Moral Crusade« trug, sondern auch den Erfolg und die Berechtigung des militärischen Eingreifens im Kosovo mit dessen Moralität begründete: »We are succeeding in Kosovo because this was a moral cause which was backed by the great majority of our citizens. When they saw horrors reminiscent of Nazi Germany being revisited on the continent of Europe at the end of the 20th century, our peoples understood that we had to use our forces and money to stop it. They understood that we had to reverse the ethnic cleansing.«84

82 Blair 1999c, o.S. 83 Ebenda. 84 Blair 1999a, 38.

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Moralische Argumente (›a moral cause‹), Verweise auf die Unterstützung in breiten Schichten der Bevölkerung (›backed by the great majority of our citizens‹) und historisch verfehlte Vergleiche (›reminiscent of Nazi Germany‹), die eine Intervention auch unter Inkaufnahme der Verletzung der Souveränität der FRJ zur unabweisbaren Verpflichtung werden ließen (2x ›had to‹), beschränkten sich aber durchaus nicht auf Blair, sondern wurden auch von anderen Regierungsmitgliedern verwendet. So erklärte Cook in einem Interview am 27. April 1999, dass es sich in dem Kampf gegen Milošević nicht nur um eine Auseinandersetzung mit dem ›Bösen‹ handele, sondern auch einem Wiederaufleben des Faschismus entgegen getreten werden müsse: »I am absolutely robust that we are right to be fighting this evil. There is no conflict between the traditional values of the left and being against this. What we are witnessing is the resurgence of fascism in Europe […]. We have not seen trains used to take men, women and children from their homes since the days of Hitler and Stalin. I do not think that anyone on the left should have any reservations about fighting this evil.«85

Zweifellos war eine solche diskursive Konstruktion eines Konfliktes in Kategorien von ›gut‹ und ›böse‹ (2x ›this evil‹) bei gleichzeitiger Ziehung von Parallelen zwischen Milošević und Hitler geeignet, unter der eigenen Bevölkerung Zustimmung und Unterstützung zu generieren, da es nicht nur darum ging, das Geld von SteuerzahlerInnen für Konflikte in anderen Ländern auszugeben, sondern auch das Leben von britischen SoldatInnen zu gefährden, obwohl weder für das NATO-Territorium noch für das eigene Land eine unmittelbare Bedrohung bestand. Selbst die großflächigen Bombardierungen, die von einigen BeobachterInnen als wenig effektiv für den Schutz der Zivilbevölkerung vor ethnischen ›Säuberungen‹ eingestuft wurden, riefen so nur relativ wenig internationale Kritik hervor. Die Herausbildung eines dominanten Menschenrechtsdiskurses, der im Zusammenspiel mit den im Rahmen des Globalismussubdiskurses internationale Beziehungen immer wieder betonten Elementen (Werte, Gemeinschaft, Verantwortung, Ethik, moralische Verpflichtungen) eine noch größere Deutungsmacht entwickelte, ließ es für KritikerInnen zunehmend schwieriger werden, überhaupt Gehör zu finden, wie auch Chandler einschätzt: »The ethical foreign policy framework establishes a moral ›divide‹ in the context of which it is difficult for critical views of ›ethical‹ interventions to gain a hearing. Today’s human rights advocates tend to portray every ›ethical‹ intervention against selected pariah states as on par with the Allied war effort against Nazi Germany, the template for a moralised view of conflict.«86

85 Zit. nach Vickers 2000, 62. 86 Chandler 2003, 309-310.

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Die diskursive Konstruktion eines nur scheinbar klar definierten Konfliktes entlang der Trennlinie zwischen ›gut‹ und ›böse‹ ist zwar für die Beeinflussung der öffentlichen Meinung scheinbar ideal, aber nicht ohne Probleme. So weist zum Beispiel Brittan darauf hin, dass der moralistische Ansatz ein normales Funktionieren von Diplomatie unterminiert – den Versuch, Dispute ohne einen Rückgriff auf kriegerische Mittel zu lösen beziehungsweise nach Ausbruch eines Krieges mittels Verhandlungen zu einer Einigung zu gelangen: »For once a dispute is seen, not as a conflict of interest, but of struggle between good and evil, then bargaining with the other side is seen as at best an odious expedient, and at worst a betrayal of all that is sacred.«87 Soweit es den Kosovo-Krieg betrifft, lässt sich zusammenfassend feststellen, dass mit der ganz speziellen Art und Weise, in der erst die Krise und dann die Entscheidung, unter Verletzung der staatlichen Souveränität der FRJ militärisch im Kosovo-Konflikt zu intervenieren, diskursiv konstruiert wurden, gleichzeitig mehrere Ziele verfolgt wurden. Innerhalb der NATO und der EU ging es der britischen Regierung insbesondere darum, das vereinigte Deutschland zu einer Beteiligung an der Krisenbewältigung und einer Abkehr von der bis dahin strikt praktizierten Ablehnung von militärischen Einsätzen im Ausland zu bewegen. Die Herstellung von Parallelen zwischen den ethnischen ›Säuberungen‹ im Kosovo und der Zeit des Nationalsozialismus im Allgemeinen und des Holocaust im Besonderen sowie zwischen Milošević und Hitler schienen besonders geeignet, Deutschland zu einer aktiven Beteiligung zu bewegen. Der Titel des an anderer Stelle erwähnten Buches von Rudolf Scharping88 und die seinerzeitigen Argumentationen der meisten politischen VerantwortungsträgerInnen, die eine Beteiligung Deutschlands befürworteten, widerspiegelten eine weitgehende Akzeptanz der von Blair und anderen diskursiv konstruierten besonderen Verantwortung der Deutschen angesichts ihrer Vergangenheit. Sowohl die spezifische diskursive Konstruktion der Krise im Kosovo als auch diese selbst wurden in Deutschland von interessierten Gruppen als willkommener Anlass genutzt, um die kategorische Ablehnung militärischer Auslandseinsätze als Grundsatz westdeutscher Nachkriegspolitik erfolgreich auszuhöhlen. Neben Deutschland und den Deutschen sollten aber auch die anfangs zögerlichen AmerikanerInnen davon überzeugt werden, dass ihr Engagement unbedingt erforderlich sei. Nicht zuletzt musste aber auch die Unterstützung der Mitglieder der Labour Party und der britischen Öffentlichkeit für ein militärisches Eingreifen in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates gewonnen werden, dessen Konformität mit internationalem Recht durchaus nicht allgemein akzeptiert wurde. Somit war klar, dass die Hauptbetonung auf das Schicksal der Kosovo-AlbanerInnen und die Ähnlichkeiten – ob nun tatsächlich gegeben oder konstruiert – zwischen dem Zweiten Weltkrieg und den Ereignissen im Kosovo gelegt werden musste.

87 Brittan 1999, o.S. 88 Vgl. S. 276.

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Nationale und strategische Interessen in der europa- und geopolitisch zweifellos sensiblen Region wurden, falls überhaupt, immer nur als sekundäre Faktoren angeführt. Dies bedeutet aber nicht, dass sie keine Rolle gespielt hätten. Blair selbst wies in einem Interview am 4. Mai 1999 darauf hin, dass die Intervention im Kosovo eine »military action for a moral purpose as much as a strategic interest« war.89 In einem anderen Interview am gleichen Tage insistierte er, »[w]e cannot allow that to happen, not on Europe’s doorstep without acting«.90 Die möglichen zukünftigen praktischen Konsequenzen einer solchen Haltung waren zu diesem Zeitpunkt zwar nicht absehbar, aber die Ähnlichkeiten zwischen Blairs Äußerung und Rechtfertigungen der USA für ihre Interventionen in Lateinamerika doch augenfällig. Insbesondere für Russland gewann Blairs Argumentation angesichts der sich im Ergebnis des NATO-Beitritts von Polen, Ungarn und Tschechien (1999) weiter nach Osten verschiebenden ›doorstep‹ noch an zusätzlicher Brisanz.91 Ein weiterer problematischer Aspekt besteht darin, dass vermutlich auch zukünftig eklatantere Verletzungen des Völkerrechts beispielsweise in Afrika durch Untätigkeit toleriert werden, da weder die USA, die NATO oder die Mitgliedsstaaten der EU ihre nationalen Interessen gefährdet sehen. Angesichts der problematischen Betonung von ›Werten‹ und ›Verantwortlichkeiten‹, die letztlich aber doch permanent mit nationalen Interessen verschränkt sind oder zumindest oft so wahrgenommen werden, scheint es naheliegend, Interventionen in souveränen Staaten grundsätzlich abzulehnen. Angesichts einer zunehmend interdependenten Welt und fortgesetzten Verletzungen der Menschenrechte und des Völkerrechts ist dies aber keine akzeptable Option. Kofi Annan konzedierte 1999 zwar, dass weder Ruanda, Kosovo noch Osttimor zufriedenstellende Handlungsmodelle für das 21. Jahrhundert seien. Er betonte aber auch, dass diese Konflikte einerseits gezeigt hätten, dass die Welt nicht tatenlos bei eklatanten und systematischen Verletzungen der Menschenrechte zusehen kann. Andererseits seien sie aber auch Belege dafür, dass eine dauerhafte Unterstützung solcher Interventionen durch die Völker der Welt voraussetzt, dass diese auf legitimen und universellen Prinzipien basieren. Annan kam daher zu der folgenden, wenn auch recht vagen Schlussfolgerung: »We need to adapt our international system better to a world with new actors, new responsibilities, and new possibilities for peace and progress.«92 Bezüglich der in konkreten Kontexten sehr komplexen Verschränkung von ›Werten‹, ›Verpflichtungen‹ und nationalen Interessen ist Etzioni zuzustimmen, der darauf hinweist, dass angesichts der auch weiterhin klaren

89 Blair 1999g, o.S. 90 Blair 1999h, o.S. 91 2004 kamen Estland, Lettland, Litauen, der Slowakei, Slowenien, Bulgarien und Rumänien als weitere Mitgliedsstaaten hinzu. 92 Annan 1999, o.S.

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Dominanz von Realpolitik in den internationalen Beziehungen eine Mischung aus unterschiedlichen Motiven beispielsweise für humanitäre Interventionen nicht mit Notwendigkeit deren Legitimität untergräbt: »Critics have no case when they reveal that humanitarian interventions draw on a variety of motives and that not all of them are noble or altruistic ones, as the term ›humanitarian‹ implies. […] So long as intervening forces help to prevent or at least stop genocides once they have started, their actions are highly legitimate in terms of what most people value highly – a life free from the threat of displacement, annihilation, torture and rape.«93

Für Higgins, ein ehemaliges Mitglied des britischen diplomatischen Dienstes, gibt es keine Zweifel an der folgenden Schlussfolgerung: »The conclusion to which all this points is that foreign policy cannot be built entirely from either an absolute ›ethical‹ or an unqualified ›national interest‹ foundation. The choice is simply not between the saintly and the cynical.«94 Die im Kontext des Kosovo-Krieges besonders durch Blair und die britische Regierung vorangetriebene und von anderen Staaten zumindest partiell akzeptierte Neudefinition des Souveränitätsbegriffes könnte durchaus als eine positive Weiterentwicklung des Konzepts einer Verantwortung der ›internationalen Gemeinschaft‹ auch für interne Angelegenheiten souveräner Staaten interpretiert werden – Diktatoren und verbrecherische Regierungen unterschiedlichster Couleur sollten nicht länger hoffen dürfen, ungestraft mit ethnischen ›Säuberungen‹, der Tötung von Zivilisten oder der Duldung von Gewalt gegen Teile der eigenen Bevölkerung davonzukommen. Gleichzeitig wirft aber die konkrete Form der Neudefinition des Souveränitätsbegriffes äußerst problematische Fragen auf, die von Blair weder mit den von ihm formulierten fünf Kriterien für die Intervention in souveränen Staaten noch mit der »Doctrine of the International Community« insgesamt schlüssig beantwortet worden sind, da sie die Frage der Autorisierung von Gewaltanwendung aussparten. Die Bedeutung des Krieges im Kosovo als Wendepunkt in der Entwicklung des Souveränitätsbegriffes kann kaum überschätzt werden. Die Intervention in der FRJ lieferte nicht nur ein Beispiel für die Ignorierung globaler Institutionen und internationalen Rechts (dies wäre nicht außergewöhnlich), sondern auch einer radikalen Neudefinition des Souveränitätskonzepts. Sofern demokratisch gewählte Regierungen zu dem Schluss kommen, dass vor dem Hintergrund ihres eigenen (als universell deklarierten) Wertesystems und ihrer ›Verantwortung‹ nicht nur für das Schicksal der ›internationalen Gemeinschaft‹, sondern auch der Bevölkerung souveräner Staaten eine militärische Intervention notwendig ist, so kann auf eine ausdrückliche Genehmigung des Sicherheitsrates verzichtet werden, da diese beispielsweise von

93 Etzioni 2005, 478. 94 Higgins 2000, o.S.

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einzelnen Vetomächten blockiert werden könnte. Unter bestimmten Umständen, über deren Vorliegen eine selbsternannte und nicht präzise definierte ›internationale Gemeinschaft‹ entscheidet, bestand fortan nicht nur die Möglichkeit, sich über die Entscheidungen des Sicherheitsrates hinwegzusetzen, sondern geradezu eine moralische Verpflichtung. Ein solches Verständnis der ›internationalen Gemeinschaft‹ wirft aber Fragen auf, die bisher weder von Blair noch von Bush (oder sonst jemandem) schlüssig beantwortet werden konnten. Mit Bezug auf den KosovoKrieg weist Chandler darauf hin, dass Blairs Verweise auf die ›internationale Gemeinschaft‹ nicht wirklich zur Problemlösung beitragen, da das Konzept selbst viel zu vage sei und außerdem nicht konsistent angewandt würde. Er ist überzeugt, dass der Begriff ›internationale Gemeinschaft‹ »politically loaded« ist und dass seine Verwendung im Zusammenhang mit dem IrakKrieg hauptsächlich ein Ziel hatte: »to minimise the importance of the opposition to the war [against Iraq] from Russia, China, India and many other members of the ›international community‹«. 95 Für viele BeobachterInnen außerhalb Europas, der NATO und der USA stellt der Begriff ›internationale Gemeinschaft‹ ohnehin nur einen Euphemismus für westliche und insbesondere amerikanische Machtpolitik dar. Dieser Eindruck verstärkt sich naturgemäß immer dann, wenn, wie beispielsweise im Falle des Kosovo, die im Namen der ›internationalen Gemeinschaft‹ handelnden Staaten nicht die volle Autorisierung oder Unterstützung durch die UN haben – jener Institution, die zumindest in der Theorie die ›internationale Gemeinschaft‹ repräsentieren sollte. Dunne und Wheeler sind aber trotzdem der Meinung, dass in Fällen wie den eklatanten Menschenrechtsverletzungen im Kosovo, wo einzelne Staaten eine militärische Intervention verhindern wollten, auf die Autorisierung durch die UN verzichtet werden kann: »Blair was right to argue that the veto power of Russia and China must not be allowed to block the defence of human rights.«96 Im Falle des Kosovo wurde aber auch das ganze Dilemma des Konzepts der ›internationalen Gemeinschaft‹, eines im Wandel begriffenen Souveränitätsbegriffes und der fortgesetzten weltweiten Existenz eklatanter Menschenrechtsverletzungen deutlich. Interventionen zur Verhinderung menschlichen Leidens mögen moralisch gerechtfertigt und im Interesse der Betroffenen vor Ort sein, aber sie stellen, sofern keine Autorisierung durch die UN vorliegt, immer auch eine Verletzung internationalen Rechts dar. Dies hat zur Folge, dass das Konzept der ›internationalen Gemeinschaft‹ als ein Machtinstrument des Westens wahrgenommen wird: »[O]ne of the consequences of eroding compliance with international law is that the doctrine of international community begins to look like an instrument for maintaining

95 Chandler 2003, 311. 96 Dunne and Wheeler 2000, 74.

286 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR Western dominance. In the absence of a consensus on ›new rules‹ backed by the threat of enforcement, the view from the non-Western world is that these are a cover for a group of liberal-democratic states prepared to defend liberalism by force in their relations with non-liberal states.«97

Gäbe es nicht immer wieder massenhaftes menschliches Leid, das durch eine Intervention auch in souveränen Staaten möglicherweise vermindert oder verhindert werden könnte, wäre die naheliegende Argumentation, dass, solange die Legitimität der ›new rules‹ nicht allgemein anerkannt ist, jede Ignorierung geltenden internationalen Rechts wie beispielsweise der ausschließlichen Gewaltautorisierung durch den Sicherheitsrat nicht nur ernsthaft die Effektivität internationaler Institutionen und Vereinbarungen untergräbt, sondern andere Regierungen geradezu zur Nichtachtung des internationalen Rechtssystems ermuntert. Ein erster Schritt, dieses Dilemma zumindest ansatzweise aufzulösen, wäre, sich von der Vorstellung zu trennen, es gäbe diese ›new rules‹ schon. Dazu müsste aber in weitaus höherem Maße als bisher auf Kompromissbereitschaft, Konsens und breitere Partizipation der betroffenen Staaten statt auf Dominanz, Marginalisierung und Exklusion gesetzt werden. Selbst wenn man den von Blair, Bush und anderen RepräsentantInnen des Westens erhobenen Anspruch auf die Universalität ›ihres‹ Wertesystems in der aktuellen Form anerkennt, erscheint dieser aber nicht unbedingt als Ausgangspunkt für einen Prozess geeignet, an dessen Ende global akzeptierte ›new rules‹ stehen könnten. Abschließend lässt sich festhalten, dass der ursprünglich im Kontext des Kosovo-Krieges entwickelte Teildiskurs zur Thematik globaler Interventionismus und Souveränitätsbegriff ganz maßgeblich durch Blair und New Labour geprägt wurde und der konkreten Situation geschuldet bestimmte Spezifika aufwies. Gleichzeitig lässt er sich aber auch als Teil der aktiven Ausgestaltung und zugleich Reflektion eines umfassenderen Globalismussubdiskurses internationale Beziehungen nach dem Ende des Kalten Krieges charakterisieren. Die im Kontext des Kosovo-Krieges betonten ethischen Aspekte und moralischen Verpflichtungen ergänzen die im Abschnitt 9.3.2. diskutierten Elemente ›Gemeinschaft‹, ›Werte‹, ›Verantwortlichkeiten‹ sowie ›nationale Interessen‹ und beziehen sich in ihren Bewertungen (zumindest implizit) immer auch auf die im Abschnitt 9.3.3 analysierte Idee des Modellcharakters westlicher Demokratien. Zusammen mit der Neudefinition des Souveränitätsbegriffes bilden sie den argumentativen Kern des Globalismussubdiskurses internationale Beziehungen.

97 Ebenda.

10. Zusammenfassung

Globalisierungsprozesse haben seit den 1990ern eine zunehmend wichtigere Rolle in den unterschiedlichsten Disziplinen gespielt, und die Zahl der Publikationen ist mittlerweile praktisch unüberschaubar geworden. Bisher fehlen aber immer noch systematische Untersuchungen des Zusammenhangs zwischen Globalisierungsprozessen und den sie ›begleitenden‹ Diskursen. Dies ist ganz wesentlich der Tatsache geschuldet, dass solche Untersuchungen innerhalb der tradierten Grenzen von Einzeldisziplinen praktisch nicht möglich sind. In der vorliegenden Untersuchung wurde daher ein in den Cultural Studies verorteter interdisziplinärer Forschungsansatz entwickelt, der geeignet erscheint, nicht nur unterschiedliche Aspekte der Globalisierung, sondern auch die entsprechenden Diskurse zu analysieren. Dazu erforderlich war eine spezifische Repolitisierung der Cultural Studies – im Sinne gesellschaftskritischer Analysen, die immer auch Möglichkeiten und Notwendigkeiten sozialen Wandels mitdenken und in der Tradition beispielsweise von Raymond Williams oder Stuart Hall stehen. Darüber hinaus zeigte sich, dass für Globalisierungsstudien eine stärkere Berücksichtigung ökonomischer Aspekte erforderlich ist, ohne allerdings wieder in einen zwischenzeitlich bereits überwundenen ökonomischen Reduktionismus zu verfallen. Vor dem Hintergrund der Überzeugung, dass theoretisch und analytisch zwischen den mannigfaltigen unter dem Begriff der Globalisierung subsumierten Prozessen und den korrespondierenden Globalisierungsdiskursen unterschieden werden muss, diese aber eng miteinander verwoben sind, wurde das Konzept des Globalismus entwickelt. Das Ziel war eine Weiterentwicklung vorhandener Definitionsansätze, um einerseits eine klarere Abgrenzung zwischen den Begriffen Globalisierung, Globalität und Globalismus zu erreichen und andererseits die Verkürzung auf ökonomische Aspekte zu überwinden. Im Ergebnis dieser Bemühungen wurde das in dieser systematischen Form so bisher nicht existente Konzept des Globalismus als einer hegemonialen diskursiven Formation entwickelt. Die in den exemplarischen Analysen in den Kapiteln 7, 8 und 9 nachgewiesene Relevanz des Globalismuskonzepts für ein besseres Verständnis des konkreten Verlaufs der Globalisierung kann neben der ersten systematischen Analyse der Posi-

288 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

tionierung von New Labour bezüglich der verschiedenen Aspekte des Globalismus als eines der Hauptergebnisse der Untersuchung gesehen werden. Für die konkrete Analyse der Wechselwirkungen zwischen Globalisierung und Globalismus sowie der Rolle, die New Labour sowohl bei der Rezeption als auch Produktion des Globalismus gespielt hat, wurde eine spezielle Variante der Diskursanalyse gewählt, die sich durch eine Betonung sozial-theoretischer Aspekte auszeichnet. Diese Vorgehensweise stellt aber nicht etwa die Bedeutung stärker linguistisch orientierter Spielarten der Diskursanalyse in Frage, sondern trägt vielmehr der Überzeugung Rechnung, dass eine detaillierte linguistische Analyse die vorherige Abklärung der grundsätzlichen Fragen erfordert: Was ist der Globalismus? Welche ›Subdiskurse‹ können unterschieden werden? In welcher Beziehung stehen sie zur Globalisierung? Für die Untersuchung dieser Fragen wurde die gewählte Variante der Diskursanalyse in einen größeren theoretischen Rahmen eingebettet, der sich dem sozialen Konstruktivismus zuordnen lässt und der mit den in dieser Untersuchung verwendeten Sprach-, Text- und Diskursbegriffen korrespondiert. Auf dieser theoretischen Grundlage wurden zentrale Aspekte der Globalisierung und des Globalismus sowie ihres Verhältnisses zueinander untersucht. Der spezielle Fokus lag dabei auf Großbritannien und den ersten zehn Regierungsjahren von New Labour unter der Führung von Blair. Dabei ging es nicht um die Erfassung möglichst vieler Aspekte, sondern vielmehr um eine Konzentration auf ausgewählte Bereiche und Fragestellungen, die besonders geeignet sind, sowohl die globale als auch nationale Dimension der Wechselwirkungen zwischen Globalisierung und Globalismus zu verdeutlichen: Ökonomie, Wohlfahrtsstaat und internationale Beziehungen.

S PRACHE , M ACHT , W ISSEN , W AHRHEIT , I DEOLOGIE UND R EPRÄSENTATION Jeder Versuch einer kritischen Analyse des Globalismus, der von einem aktiven Wechselverhältnis zwischen Globalisierung und Globalismus ausgeht, muss sich den im Kapitel 3 aufgeworfenen Fragen nach den komplexen Zusammenhängen zwischen Sprache, Macht, Wissen, Wahrheit, Ideologie, Repräsentationen und der gesellschaftlichen Wirklichkeit stellen. Dass diese Zusammenhänge einer weiteren theoretischen Durchdringung bedürfen, steht genauso außer Frage wie die Tatsache, dass das Ideologiekonzept auch weiterhin eine wichtige Rolle in allen sozial- und kulturwissenschaftlichen Disziplinen spielen wird. Offensichtlich ist aber auch, dass nicht zu erwarten steht, dass grundsätzliche Kontroversen einer einvernehmlichen Lösung zugeführt werden. Zu unterschiedlich sind die Positionen zu zentralen Begriffen wie Wissen, Wahrheit und Macht. Bezüglich der konkreten Analyse des Verhältnisses von Globalisierung und Globalismus hat sich gezeigt, dass die folgenden Fragen von besonderer

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Relevanz sind: In welchem Verhältnis stehen die den ökonomischen Kern des Globalismus bildenden neoliberalen Überzeugungen zur Rolle ökonomischer Freiheit, der Marktwirtschaft und des Staates zu partikularen ökonomischen Interessen (Kapitel 7)? Wie beziehungsweise in wessen Interesse werden diese instrumentalisiert? Welche Rolle spielen bei ihrer Produktion, Zirkulation, Bewahrung, Artikulation oder Disartikulation politische Parteien, die Medien sowie Institutionen wie das Cato Institute, das EFWP, das IEA und die CBI.1 Welche Auswirkungen haben sie bei der Konstruktion gesellschaftlicher Wirklichkeit auch außerhalb der ökonomischen Sphäre? Inwieweit sind die jeweiligen diskursiven Konstruktionen der vermeintlich aus der Globalisierung erwachsenden ›Zwänge‹ und ›Notwendigkeiten‹ zur ›Modernisierung‹ des Wohlfahrtsstaates (Kapitel 8) oder die Idee einer ›internationalen Gemeinschaft‹, des Modellcharakters des westlichen Gesellschaftsentwurfes oder der Berechtigung zu globalen Interventionen (Kapitel 9) nicht nur Ausdruck von Ideologie,2 sondern auch von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die konkrete Ausgestaltung von Globalisierungsprozessen? Unabhängig von den jeweiligen Antworten wird sich auch zukünftig die Frage stellen, welche gesellschaftliche Rolle Intellektuelle bei der Gestaltung der Globalisierung spielen können oder sollten. Als zentrales Problem erscheint, inwieweit Intellektuelle (falls sie dies denn überhaupt wollen) nicht nur einen akademischen Beitrag zur Analyse und Kritik der bestehenden Machtverhältnisse und der sie stützenden Wissensbestände, Repräsentationen und Diskurse leisten können, sondern inwieweit das von ihnen über die Globalisierung und den Globalismus produzierte Wissen in Prozesse sozialen Wandels einfließen kann.

D ER G LOBALISIERUNGSBEGRIFF Das Kapitel 4 verdeutlicht, dass sich angesichts der Vielfalt der unter dem Begriff der Globalisierung subsumierten Prozesse und Phänomene sowie der zahlreichen unterschiedlichen Konzeptualisierungen eine undifferenzierte Verwendung des Begriffes verbietet. Es ist daher immer zu fragen, um welche Dimension, welchen Aspekt der Globalisierung es sich tatsächlich handelt, wer die Akteure und wer die Betroffenen sind. Ein wichtiger theoretischer Schritt in Richtung einer präziseren Analyse und Beschreibung von Globalisierungsprozessen ist die in dieser Analyse vorgeschlagene konsequente Differenzierung zwischen Globalisierung und Globalität (sowie Globalismus, wie im Kapitel 5 gezeigt wird). Globalisie-

1 2

Zu Details vgl. S. 160f. Ideologie im Sinne von Berger und Luckmann als einer Wirklichkeitsbestimmung, mit der sich ein konkretes Machtinteresse verbindet; vgl. Berger und Luckmann 1999, 132.

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rung sollte lediglich als deskriptiver Sammelbegriff für eine Vielzahl von Prozessen verwendet werden, die tendenziell zur Herausbildung eines globalen sozialen Raumes führen, nicht aber als explanans für eben diese Prozesse. Damit würde nicht nur das Augenmerk stärker auf die tatsächlichen Ursachen von Globalisierungsprozessen und die verantwortlichen Akteure gelenkt, sondern auch Versuchen entgegengewirkt, ›die Globalisierung‹ zum Sündenbock für unerwünschte gesellschaftliche Veränderungen zu machen. Im Gegensatz zur Betonung von Prozessen und Akteuren durch die Verwendung des Begriffes Globalisierung steht Globalität für die Konsequenzen dieser Prozesse, d.h. für die Existenz eines zunehmend globalen gemeinsamen sozialen Raumes. Dabei verweist der Begriff Globalität nicht nur auf transplanetare Interkonnektivität und supraterritoriale soziale Beziehungen, die diesen gemeinsamen Raum charakterisieren, sondern auch auf die sich verstärkende bewusste Wahrnehmung dieses Raumes durch immer mehr Menschen. Eine weitere notwendige terminologische Abgrenzung besteht in der Unterscheidung zwischen Globalisierung und Amerikanisierung. Angesichts der exponierten Rolle, die die USA in der gegenwärtigen Phase der Globalisierung spielen, kann die Frage des Verhältnisses von Globalisierung und Amerikanisierung nicht ignoriert werden. Für das bessere Verständnis dieses Verhältnisses erweist sich eine Berücksichtigung des historischen Prozesses der Binnenamerikanisierung als nützlich, denn nur vor diesem Hintergrund werden sowohl der Charakter der Außenamerikanisierung als auch die von VertreterInnen der USA immer wieder vertretene These eines ›amerikanischen Modells‹ für den Rest der Welt verständlicher. Neben der politisch, ökonomisch, militärisch und technologisch begründeten Führungsrolle der USA ist es nicht zuletzt dieses Sendungsbewusstsein, das es nicht nur europäischen PolitikerInnen und WirtschaftsführerInnen ermöglicht, Amerikanisierungsängste in ähnlicher Weise wie Globalisierungsängste für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.3 Die im Anschluss an die allgemeine Bestimmung und Differenzierung der Begriffe Globalisierung, Globalität und Amerikanisierung vorgenommene Analyse ausgewählter Teilaspekte der Globalisierung belegt die Nützlichkeit dieser terminologischen Klärung. Die Diskussion der Phänomene flexible Akkumulation und Zeit-RaumKompression, insbesondere für die aktuelle Phase der Globalisierung, hat gezeigt, dass nicht ›die Globalisierung‹ Ursache weitreichender gesellschaftlicher Veränderungen ist, sondern historisch verortete Phänomene und Prozesse sowie konkrete Akteure, die unter ganz bestimmten politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen handeln. So ist zwar richtig, dass die letzte Phase der Zeit-Raum-Kompression einen gewichtigen Anteil an der Beschleunigung, Intensivierung und weiteren Ausbreitung bestimmter Globalisierungsprozesse hatte und ihrerseits ganz wesentlich durch die technologischen Veränderungen insbesondere im Bereich der Informations- und

3

Vgl. S. 77.

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Kommunikationssysteme sowie durch die höhere Effizienz globaler logistischer Netzwerke getrieben wurde. Richtig ist aber ebenso, dass auch in diesem Bereich die Novität der Veränderungen nicht überschätzt werden sollte, da für die gesamte historische Entwicklung des Kapitalismus Innovationen charakteristisch waren, deren Wirkung nicht zuletzt auch in einer zunehmenden Überwindung räumlicher und zeitlicher Barrieren lag. Zweifelsohne sind die Informations- und Kommunikationstechnologien, die Biotechnologie und die unter dem Begriff der Wissensgesellschaft subsumierten Veränderungen mitentscheidend für den konkreten Verlauf der Globalisierung und besitzen ein großes Potenzial für die menschliche Entwicklung. Analog zu anderen Globalisierungsbereichen ist aber auch klar, dass die neuen Technologien nur im Rahmen der entsprechenden nationalen und internationalen politischen Vorgaben ihr positives Potenzial zum Nutzen der Mehrheit der Menschen entfalten können. Dieser Überzeugung entsprechend wurde im HDR 1999 der folgende Fragenkatalog abgeleitet: »Does the control, direction and use of technology: Promote innovation and sharing of knowledge? Restore social balance or concentrate power in the hands of a few? Favour profits or precaution? Bring benefits for the many or profits for the few? Respect diverse systems of property ownership? Empower or disempower people? Make technology accessible to those who need it?«4

In Abhängigkeit von den jeweiligen Antworten auf diese Fragen wird sich zukünftig entscheiden, welche Wirkung der technologische Fortschritt im globalen Maßstab haben wird. Die tatsächlichen Auswirkungen bestimmter technologischer Innovationen können nicht losgelöst von den ganz konkreten Wirkungsbedingungen vor Ort betrachtet werden. So werden viele der neuesten technologischen Errungenschaften sicherlich auch in Zukunft in besonderem Maße zum Vorteil von global operierenden Konzernen, einigen wenigen Ländern und relativ kleinen nationalen Eliten verwendet und die Prioritäten von Forschung und Entwicklung durch kommerzielle Interessen bestimmt werden. Gleichzeitig können sie aber auch, wie beispielsweise das WWW zeigt, im Interesse von politischen, sozialen und kulturellen Minderheiten und Bewegungen genutzt werden, die sich in bisher unmöglicher Intensität nicht nur in den Metropolen, sondern weltweit Gehör verschaffen können. Für einen großen Teil der Weltbevölkerung und eine Reihe von Ländern wäre es allerdings aktuell wichtiger, die Verbreitung der alten Technologien zu beschleunigen beziehungsweise in einigen Fällen den Rückgang aufzuhalten.5

4 5

UNDP 1999, 76. Im HDR 2001 wird konstatiert, dass im Falle von teilweise viele Jahrzehnte alten Technologien in bestimmten Regionen und Ländern »diffusion has stagnated or stalled, apparently hitting the limits of income, infrastructure and institutions.

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Von größerer gesellschaftlicher Relevanz als der letzte Schub der ZeitRaum-Kompression im Ergebnis technologischen Fortschritts per se sind aber die Rückwirkungen auf die Lebens- und Arbeitswelt großer Teile der Menschheit. Beschreibungen, die davon ausgehen, dass die Globalisierung im Allgemeinen und die Zeit-Raum-Kompression im Besonderen einen globalen sozialen Raum schüfen, in dem alle gleichermaßen von den neuen Bedingungen profitieren, unter denen räumliche Distanzen und politische Grenzen zunehmend ihre Bedeutung verlieren, werden bei genauerer Analyse aber nicht bestätigt. Jede Diskussion der neuen Bedingungen, Grenzen und Möglichkeiten (politischen) Handelns in einer nicht nur zunehmend, sondern auch sehr ungleich globalisierten Welt verlangt aber nicht nur eine Anerkennung der weltweiten Auswirkungen der Globalisierung in den unterschiedlichsten Bereichen der gesellschaftlichen Wirklichkeit im Allgemeinen und der ganz spezifischen Konsequenzen der Zeit-Raum-Kompression im Besonderen, sondern auch der Notwendigkeit, pauschalisierende Einschätzungen der Situation in unterschiedlichen Staaten, Regionen und Lokalitäten sowie bezüglich bestimmter Bevölkerungsgruppen in ganz konkreten Staaten zu vermeiden. Die weitere, allerdings geografisch sehr ungleiche Verbreitung flexiblerer Akkumulationsregime als Bestandteil und als Begleiterscheinung anderer Globalisierungsprozesse hat im Zusammenspiel mit einer neuen Runde der Zeit-Raum-Kompression zu einer zunehmenden Konzentration (deren Grad allerdings sehr unterschiedlich bewertet wird) von ökonomischer, aber auch politischer Macht in den Händen transnationaler Unternehmen und globaler Eliten geführt, die in ihrem Handeln nicht mehr in der gleichen Weise wie in der Vergangenheit durch Zeit und Raum limitiert und in den erstarrten machtpolitischen Strukturen des Kalten Krieges gefangen sind. Zunehmend gewinnt die Frage an Bedeutung, wie die national, regional und lokal Betroffenen auf die globalen Kräfte und Veränderungen reagieren können. Kräfte, die scheinbar mühelos nationale Grenzen überschreiten, Distanzen überbrücken, in ihren Wirkungen noch in die entferntesten Plätze hineinreichen, den Zeitfaktor scheinbar ausschalten und die in einer Welt operieren, in der für Bauman »the ›globals‹ set the tone and compose the rules of the life-game«.6 Die gleichzeitige Reorganisation räumlicher und zeitlicher Beziehungen hat zu neuen Problemen bei der Verortung von sozialen Beziehungen und Formationen sowie politischer Handlungsfähigkeit geführt. Bauman verweist beispielsweise auf eine »new asymmetry emerging between the exterritorial nature of power and the continuing territoriality of the ›whole life‹«.7

6 7

Electricity has not reached some 2 billion people, a third of the world’s population (UNDP 2001a, 42).« Bauman 1998b, 2. Ebenda, 9.

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Einer der entscheidenden Aspekte dieser Asymmetrie ist für ihn die ›Körperlosigkeit‹ der Macht: »Thanks to new ›bodylessness‹ of power in its mainly financial form, the power-holders become truly exterritorial even if, bodily, they happen to stay ›in place‹.«8 Zumindest tendenziell sind diese Veränderungen von einer schleichenden Erosion nicht nur der Ideale, sondern auch der Realitäten partizipatorischer Demokratie begleitet worden. Nationale Standards, Regel- und Normensysteme, Schutzmechanismen und politische, ökonomische sowie soziale Anrechte und Besitzstände, die ganz wesentlich das Ergebnis eines über Jahrhunderte geführten Kampfes für mehr Demokratie und gerechtere Gesellschaften sind, geraten im Namen angeblicher ›Notwendigkeiten‹ globalisierter Märkte und angebotsorientierter Ökonomien zunehmend unter Druck. Im Kontext dieser Entwicklungen ist es durchaus berechtigt, von einer doppelten Krise des klassischen Nationalstaatsmodells zu sprechen, aber es ist verfrüht, sein Ende zu verkünden.

D AS K ONZEPT

DES

G LOBALISMUS

Die Analyse des Verhältnisses von Globalismus, Globalisierung und Imperialismus im Kapitel 5 zeigt, dass es praktisch unmöglich ist, eine klare Abgrenzung von Imperialismus und Globalisierung vorzunehmen. In Abhängigkeit von der jeweils präferierten Bestimmung der Begriffe ergeben sich naturgemäß unterschiedliche Trennlinien und Schnittmengen zwischen den beiden Phänomenen. Analysen wie Saids führen aufgrund eines weitgefassten Imperialismusbegriffes und der Betonung der ›imperialen‹ Rolle, die die Vereinigten Staaten im globalen Maßstab spielen, zwangsläufig zu der Feststellung: »It’s not ›after imperialism‹; there’s a late-twentieth-century renewal of it.«9 Diese Einschätzung von Said war aber nicht nur Ausdruck konzeptioneller Präferenzen, sondern wurde insbesondere nach 2001 durch die im Ergebnis der Außenpolitik der Bush-Administration, des ›War on Terrorism‹ sowie der Kriege in Afghanistan und im Irak neu aufgeflammte Imperialismusdebatte bestätigt.10 Neben den konkreten Ereignissen waren es auch in den Medien erhobene Forderungen, dass die USA die Rolle einer globalen Imperialmacht übernehmen sollten, und Vergleiche wie der folgende, die die öffentliche Debatte über die vermeintliche Rückkehr des Imperialismus anheizten: »Afghanistan and other troubled lands today cry out for the sort of enlightened foreign administration once provided by self-confident Englishmen in jodhpurs and pith helmets.«11 Solche und ähnliche Behauptungen stützen Saids Feststellung, dass der Imperialismus (und Kolonialismus) durch ›ideologische

8 9 10 11

Ebenda, 19. Said 2001f, 191. Vgl. S. 120. Boot 2001, o.S.

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Formationen‹ gestützt und vorangetrieben wurde, die die Vorstellung beinhalten, dass bestimmte Territorien und Völker dominiert werden müssen (»require and beseech domination«).12 Es ist u.a. diese Art von aktuellen Diskursen, die mit dem Konzept des Orientalismus auch weiterhin adäquat beschrieben werden können. Nicht zu übersehen ist aber auch, dass sowohl Phänomene wie die globalisierten Finanzmärkte, der Kampf gegen den globalen Klimawandel, das WWW oder die neuen Herausforderungen, denen sich Nationalstaaten ausgesetzt sehen, als auch die korrespondierenden Diskurse neue Analyse- und Erklärungsmodelle wie Globalisierung und Globalismus erfordern, ohne dass diese Anspruch auf Ausschließlichkeit erheben. Der Globalismus hat, wie die konkreten Analysen in den Kapiteln 7 - 9 zeigen, als eine hegemoniale diskursive Formation in wesentlichen gesellschaftlichen Bereichen die Debatten über die Ursachen, Dimensionen und Konsequenzen der Globalisierung ganz entscheidend mitgeprägt und dominiert gegenwärtig verschiedene andere Globalisierungsdiskurse. Kritische oder alternative Stimmen und Standpunkte insbesondere im Bereich der im Zusammenhang mit den Globalismussubdiskursen Ökonomie und Wohlfahrtsstaat skizzierten ökonomischen ›Notwendigkeiten‹ und ›Zwängen‹ der Globalisierung sind zumindest aus den Mainstream-Diskursen über Globalisierung weitestgehend verdrängt worden. Zentrale Positionen des Globalismus stehen nicht mehr gleichberechtigt neben anderen, sondern stellen den Common Sense dar. Wenn man die verschiedenen Bereiche der hegemonialen diskursiven Formation des Globalismus als konzentrische Kreise visualisierte, so würde das Zentrum durch die Kernbereiche des Globalismus gebildet, in denen für ein breites Spektrum an Staaten, politischen Parteien, JournalistInnen, GewerkschafterInnen und auch verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen der höchste Grad der Übereinstimmung beobachtet werden kann. Von innen nach außen erhöht sich die Variationsbreite der möglichen ›Wahrheiten‹, Annahmen, Behauptungen und Überzeugungen. Das Zentrum der konzentrischen Kreise bildet ein ökonomischer Kern, um den herum andere Argumente arrangiert sind. Dabei ist es nicht überraschend, dass das Zentrum des Globalismus von ökonomischen Glaubenssätzen gebildet wird. Sie scheinen – mit deutlichem Abstand zu den anderen Bereichen des Globalismus – eine absolut zwingende und inhärente Logik zu besitzen. Die Logik ›freier Märkte‹ (verbunden mit einer mehr oder weniger großen, aber immer nur sekundären Rolle für den Staat) und die unbedingte Notwendigkeit permanenten wirtschaftlichen Wachstums werden mittlerweile nicht nur von Wirtschaftsliberalen, sondern auch von den Gewerkschaften und praktisch allen mehrheitsfähigen Parteien in den Industriestaaten akzeptiert – ungeachtet der ökologischen Konsequenzen. Es soll an dieser Stelle nochmals ausdrücklich betont werden, dass der Globalismus in seiner aktuellen Ausprägung erst nach dem Ende des Kom-

12 Said 1994a, 8, Herv. i.O.

Z USAMMENFASSUNG | 295

munismus und des Kalten Krieges möglich wurde. Es scheint daher berechtigt, von einer Zäsur zu sprechen und die diskontinuierlichen Aspekte zu betonen. Gleichzeitig darf der Globalismus aber nicht als ein völlig neues Phänomen charakterisiert werden. Bestimmte Elemente, die sich im Globalismus allerdings in einer teilweise neuen Konfiguration wiederfinden, sind bereits seit Langem feste Bestandteile liberaler beziehungsweise neoliberaler Diskurse und lassen sich u.a. bis zu Adam Smith zurückverfolgen. Der dynamische Charakter des Globalismus (im Gegensatz zu einer statischen monolithischen Ideologie, die im Sinne marxistischer Orthodoxien bloßer Ausdruck von Klasseninteressen ist, auch wenn diese in bestimmten Teilbereichen dominieren mögen) zeigt sich nicht zuletzt auch in der zunehmenden Berücksichtigung von Kritik an bestimmten Aspekten der Globalisierung durch PolitikerInnen und WirtschaftsvertreterInnen. Bei diesen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass tiefgreifende politische, ökonomische und soziale Umwälzungen eine dementsprechende Beeinflussung der öffentlichen Meinung erfordern, um eine möglichst breite Unterstützung zu erhalten oder zumindest die Opposition auf ein Mindestmaß zu reduzieren. So sind in Westeuropa die ›Sprache‹ und die Veränderungen der Globalisierung in lokale Versionen wie die des Dritten Weges ›übersetzt‹ worden, die zumindest auf der Ebene des Textes sowie der diskursiven Praktiken vorhandene Bedenken und Kritikpunkte aufnehmen und berücksichtigen. Neben der geschickteren diskursiven ›Vermarktung‹ einer im Kern neoliberalen Globalisierung lässt sich die immer noch relativ geringe Kritik an bestimmten problematischen Aspekten der Globalisierung auch mit einem allgemeineren Trend erklären, der dadurch gekennzeichnet ist, dass scheinbar eine Entpolitisierung der gesellschaftlichen Realität stattgefunden hat. In seiner Verteidigung des politisch engagierten Theaters schreibt der bekannte britische Dramatiker John McGrath: »There is no such thing as a depoliticised world. […] The politics are harder to disentangle due to the jargon, newspeak and the dreadful confusing PR language that is employed. So, the public is less interested in politics because it feels it’s nothing to do with them. It is more difficult to talk about the political dimension of commercial life than it was through the 1970s and 1980s when people were very much aware of what was going on.«13

Diese Entpolitisierung ist in wesentlichen Teilen selbst eine Folge der Wirkungen des Globalismus, der bestimmte Bereiche der gesellschaftlichen Wirklichkeit aus dem Bereich des Politischen herausgebrochen hat. Genau in diesen müssen die Probleme und Möglichkeiten der Globalisierung durch eine kritische Analyse der Wirkungsweisen des Globalismus aber wieder zurückgeführt werden.

13 Zit. nach Holdsworth (Ed.) 2002, 198.

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Falls man die in dieser Untersuchung behauptete Bedeutung des Globalismus für die konkrete Ausgestaltung der Globalisierung akzeptiert und ferner annimmt, dass die zahllosen Herausforderungen einer von zunehmenden wechselseitigen Abhängigkeiten und Verknüpfungen gekennzeichneten Welt nur dann erfolgreich gemeistert werden können, wenn diese zumindest in der Tendenz gerechter wird und wenn mehr Betroffene in die Gestaltungsprozesse einbezogen werden, so folgt, dass dies auch auf die Wissensproduktion über die Globalisierung zutrifft. Ein Ziel müsste es daher sein, nach Möglichkeiten zu suchen, die teilweise deutlich divergierenden Prioritäten, Ziele, Werte, Besorgnisse und Kulturen der von der Globalisierung Betroffenen – staatliche Regierungen, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen, internationale staatliche und nichtstaatliche Organisationen, transnationale Konzerne, globale soziale Bewegungen, religiöse Gruppen u.v.a. – stärker in diese Wissensproduktion einzubeziehen, aber, um nochmals Said zu zitieren, »this is not a simple matter«.14 Angesichts des diskursiven Charakters von ›Wissen‹ liegt die Vermutung nahe, dass ein solcherart produziertes Wissen sich zumindest in einigen Punkten deutlich von dem unterscheiden würde, was gegenwärtig als ›Wissen‹ innerhalb der hegemonialen diskursiven Formation des Globalismus gilt.

N EW T IMES , G LOBALISIERUNG UND DIE VON N EW L ABOUR

E NTSTEHUNG

Im britischen Kontext wurde dieses ›Wissen‹ neben den auch für andere Industriestaaten seit den 1970ern entscheidenden sozioökonomischen Veränderungen insbesondere durch die Thatcher-Jahre geprägt. Die unter Thatcher etablierte Dominanz eines im Kern neoliberalen Diskurses hat sich auch nach dem Wahlsieg der Labour Party 1997 in wesentlichen gesellschaftlichen Bereichen fortgesetzt. Blair und New Labour haben sich zwar immer wieder vom ›Thatcherismus‹ distanziert, aber gleichzeitig dessen ›richtige‹ Argumente und das ›Wissen‹ über die ökonomischen Notwendigkeiten akzeptiert, die auch zum festen Inventar des Globalismus werden sollten. Diese Akzeptanz und die zumindest in der Führungsspitze der Labour Party stark ausgeprägte Überzeugung, dass es notwendig sei, mögliche Vorwürfe der Konservativen oder der Presse, man beabsichtige eine Rückkehr zu ›Old Labour‹, zu entkräften, haben nicht nur ganz wesentlich den politischen Handlungsspielraum definiert, sondern auch die diskursiven Möglichkeiten von New Labour dominiert. Auch wenn kein Zweifel daran besteht, dass in den 1970ern und 80ern fundamentale soziale und ökonomische Veränderungen des globalen Umfeldes und im Sinne von Hall eine ›Revolution‹ des Subjekts stattgefunden haben, ist aber gleichermaßen klar, dass diese Veränderungen von Thatcher, 14 Said 2001b, 42.

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Reagan und anderen VertreterInnen des Neoliberalismus bewusst vorangetrieben wurden. Es gilt also, Behauptungen zurückzuweisen, dass die New Times den Thatcherismus ›produziert‹ hätten und gleichzeitig die aktive Rolle zu minimieren, die Thatcher und andere Akteure gespielt haben, wenn es darum ging, der Intensivierung bestimmter Globalisierungsprozesse den Weg zu bereiten und ihnen nicht zuletzt durch die Schaffung eines neoliberalen Konsenses eine bestimmte Richtung zu geben. Die Bewertung der Kontinuitäten und Diskontinuitäten zwischen dem Thatcherismus und New Labour hängt stark davon ab, ob man sich auf die Rhetorik oder die tatsächlichen Veränderungen in bestimmten Bereichen konzentriert. Einerseits werden viele der ›Erfolge‹ des Thatcherismus weniger beeindruckend, wenn der Blick auf die konkreten Ergebnisse beziehungsweise Veränderungen gelenkt wird, statt unkritisch die vermeintliche Erfolgsgeschichte des Neoliberalismus in der Thatcher-Version fortzuschreiben, indem man Thatchers Rhetorik für bare Münze nimmt, um die eigene neoliberale Agenda zu unterstützen. Es ist zum Beispiel darauf hingewiesen worden, dass die tatsächliche Finanzpolitik der verschiedenen Thatcher-Regierungen zu keiner Zeit rein monetaristischen Prinzipien folgte. Andererseits hat Thatcher trotz ihrer oftmals feindseligen Rhetorik wesentliche Elemente des Wohlfahrtsstaates weder dramatisch modifiziert, geschweige denn abgeschafft. Die Strategie von New Labour, mit ihrer eigenen Vergangenheit, mit dem Erbe der Thatcher-Regierungen und den tatsächlichen oder vermeintlichen Erfordernissen der New Times umzugehen, könnte folgendermaßen zusammengefasst werden. Die Führung der Labour Party war intensiv darum bemüht, sich explizit von Teilen ihrer eigenen Vergangenheit zu distanzieren, insofern diese als Belastungen im Wahlkampf des Jahres 1997 empfunden wurden. Diese distanzierte Haltung hat sich im Untersuchungszeitraum auch nicht wesentlich geändert. Die Gebiete, in denen diese Notwendigkeit als besonders dringlich erschien, wurden ganz wesentlich durch den neuen Konsens definiert, der während der Thatcher-Ära entstanden war. Dieser Konsens war nicht nur durch Thatcher und ihre AnhängerInnen, sondern auch durch große Teile der Medien und durch Interessengruppen, die von der Politik Thatchers profitierten, aktiv konstruiert worden. Dies geschah in einem Umfeld, das dadurch gekennzeichnet war, dass der alte Nachkriegskonsens durch die gravierenden sozialen und ökonomischen globalen Veränderungen (New Times) unter Druck geraten war. Die Führung der Labour Party war aber nicht nur bemüht, sich von der Vergangenheit der Partei zu distanzieren, sondern akzeptierte insbesondere im ökonomischen Bereich auch Kernelemente des neuen Konsenses, die sie im Gefolge der New Times als zwingend notwendig und alternativlos ansah oder zumindest so darstellte. In einigen Bereichen gab New Labour sich zumindest den Anschein, als ob sie sich innerhalb der Grenzen des Thatcher-Konsenses bewegen würden, um die Zahl potenzieller Angriffspunkte der politischen GegnerInnen zu minimieren und ihre Wahlchancen nicht zu

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schmälern. Die öffentlich eigenommene Haltung gegenüber den Gewerkschaften ist wohl der offensichtlichste Bereich, in dem diese Strategie verfolgt wurde. Diskursiv war die Führung von New Labour insbesondere in der ersten Legislaturperiode nach dem Wahlsieg von 1997 bemüht, sicheren Abstand zu den Gewerkschaften zu halten, um jedem möglichen Vorwurf, man verfalle wieder in die Fehler von ›Old Labour‹, von vornherein den Boden zu entziehen. Im Rückblick lässt sich aber feststellen, dass New Labour zwar einerseits die Substanz der gegen die Gewerkschaften gerichteten Gesetze der Thatcher-Ära nicht angetastet, andererseits aber auch eine Reihe von Gesetzesänderungen vorgenommen hat, die allen ArbeitnehmerInnen und somit auch Gewerkschaftsmitgliedern zugutekamen. Finanziell war die Labour Party auch zehn Jahre nach der Rückkehr an die Macht stark von den Gewerkschaften abhängig, und die Distanz zwischen Gewerkschaften und Partei hatte sich wieder verringert. Abschließend lässt sich konstatieren, dass die Labour Party nicht nur den von Thatcher und anderen Akteuren aktiv konstruierten neoliberalen Konsens im Wesentlichen akzeptiert, sondern auch eine noch in den frühen 1980ern radikal neoliberal erscheinende Ideologie und Politik normalisiert hat. Bestimmte Aussagen in Dokumenten, die während der Wahlkampagne 1997 sowie nach der Regierungsübernahme veröffentlicht wurden und die sowohl der Abgrenzung von der eigenen Vergangenheit als auch der Selbstrepräsentation als einer klaren Alternative zu den Konservativen dienen sollten, erschienen seinerzeit noch als ein radikaler Bruch mit traditionellen Positionen der Labour Party. Mittlerweile hat sich dies grundlegend geändert. Positionen, die noch 1997 vielen BeobachterInnen, aber insbesondere vielen Mitgliedern der Partei als radikal neu erschienen, galten zehn Jahre später als Common Sense. Die Neuausrichtung der Labour Party erfolgte in einem globalen Umfeld, das zwar zunehmend eine Modifizierung des Nachkriegskonsenses notwendig gemacht hatte, nicht aber zwingend dessen Aufgabe. Sowohl die Veränderungen, die den Übergang von ›Old Labour‹ zu ›New Labour‹ charakterisierten, als auch die konkrete Politik von New Labour in der Regierungsverantwortung waren aber durchaus nicht ungewöhnlich und konnten in ähnlicher Weise, allerdings etwas später, auch in anderen westeuropäischen Staaten beobachtet werden. Während dieser allgemeine Trend als Folge globaler sozialer und ökonomischer Veränderungen, die alle hochindustrialisierten Staaten betrafen, interpretiert werden kann, ist die Tatsache, dass die Labour Party den neoliberalen Konsens früher und mit deutlich weniger Einschränkungen als andere europäische sozialdemokratische Parteien akzeptierte, den speziellen Umständen geschuldet, die in Großbritannien im Ergebnis der ›Thatcher-Revolution‹ herrschten.

Z USAMMENFASSUNG | 299

G LOBALISMUS

UND

Ö KONOMIE

Den ökonomischen Kern sowohl des Thatcherismus wie auch des Globalismus stellt die Akzeptanz des Marktes als zentrales Organisationsprinzip der weltweiten ökonomischen Abläufe und Beziehungen dar. Dieser Kern wird auch von vielen KritikerInnen der Globalisierung nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Es ist also nicht die Marktwirtschaft per se, die als Ursache negativer Folgen ökonomischer Globalisierung gesehen wird. Nicht haltbar scheint aber die als ein diskursives Element des Globalismus vielfach vertretene These, dass mehr Marktwirtschaft neben wirtschaftlichem Aufschwung langfristig quasi automatisch auch zu mehr Demokratie und bürgerlichen Freiheiten führen würde – zumindest nicht in ihrer simplistischen Variante. China ist vielleicht das überzeugendste, aber bei weitem nicht einzige Beispiel. So wurde im Economist 1999 die folgende Frage gestellt: »Market economy, dictatorial government: is that what Chinese mean by yin and yang, the harmony of opposites?« Die AutorInnen kamen dann angesichts der Langlebigkeit kapitalistischer Diktaturen beispielsweise in Indonesien und Chile zu der folgenden Schlussfolgerung: »[The] liberal logic, that a free economy leads also to free politics, applies only to the long run.« Betrachtet man China heute, so sei es »a violent slap in the face for those who have already proclaimed the victory of liberal democracy«.15 Letztlich wird aber auch hier zumindest längerfristig wieder von einem kausalen Zusammenhang zwischen freier Marktwirtschaft und Demokratisierung ausgegangen. Demokratie, Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten erscheinen nicht mehr als das Ergebnis langwieriger und aufopferungsvoller Kämpfe sowie unterschiedlichster Reformbemühungen, sondern primär als eine Funktion der freien Marktwirtschaft. Soweit es das Verhältnis von Kapital und Arbeit betrifft, so haben im Gefolge der radikalen Restrukturierung des globalen Wirtschaftsgefüges vor allem weltweit operierende Konzerne beziehungsweise ihre AnteilseignerInnen von der Liberalisierung des Handels und der Finanzmärkte, der Schwächung der Gewerkschaften und zunehmend deregulierten Arbeitsmärkten in den Industriestaaten sowie geringeren Produktionskosten durch die Verlagerung arbeitsintensiver Produktionsprozesse in Länder der Dritten Welt und nach dem Fall des Eisernen Vorhangs zunehmend auch nach Osteuropa profitiert. Ungeachtet eines undifferenzierten Mobilitäts- und Flexibilitätsdiskurses, der ein weiterer typischer Bestandteil des Globalismus ist,16 sind die Positionen auch weiterhin überwiegend lokal gebundener Arbeitskräfte und ihrer Interessenvertretungen in Großbritannien und den an-

15 »Survey 20th Century. The Last Emperors.« The Economist, 11.09.1999, o.S. 16 Vgl. S. 84f. und S. 189f.

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deren Industriestaaten als Konsequenz einer zunehmenden globalen Mobilität des Kapitals ganz deutlich unterminiert worden.17 Für New Labour stellte im nationalen Rahmen die Gestaltung der Beziehung zu den Gewerkschaften vor dem Hintergrund des traditionell engen Verhältnisses sowohl politisch als auch diskursiv ein besonders diffiziles Problem dar. Einerseits fühlte sich insbesondere die Parteiführung bemüßigt, den Medien und der Konservativen Partei keinerlei Vorwand zu geben, eine Rückkehr zu ›Old Labour‹ und ihrer gewerkschaftsfreundlichen Politik auch nur zu vermuten. Dies erschien aus zwei Gründen geradezu zwingend notwendig. Erstens hatten sowohl die gewerkschaftsfeindliche Politik als auch der entsprechende Diskurs der Thatcher-Ära deutlich negative Spuren in der öffentlichen Wahrnehmung der Gewerkschaften hinterlassen. Zweitens wirkte sich auch die von VertreterInnen der Wirtschaft sowie Wirtschaftsliberalen unterschiedlichster Provenienz (u.a. WissenschaftlerInnen, PolitikerInnen, JournalistInnen) mehr oder weniger deutlich propagierte Ansicht, dass starke Gewerkschaften eher ein ›Standortnachteil‹ im globalen Wettbewerb um die Ansiedlung von Unternehmen oder die Sicherung bestehender Arbeitsplätze seien, zunehmend aus. Die Tatsache, dass dieses Element des Globalismus, Gewerkschaften als ›Problem‹, mittlerweile nicht nur in weiten Gesellschaftsschichten, sondern zunehmend auch unter ArbeitnehmerInnen akzeptiert wird, belegt die diskursive Deutungsmacht des Globalismus. Andererseits konnte und wollte New Labour aber auch nicht vollständig auf die Unterstützung durch die Gewerkschaften verzichten, wie beispielsweise im Vorfeld der Wahlen von 2005 sehr deutlich wurde. New Labour bemühte sich während der Blair-Ära, diesem Problem mittels einer Doppelstrategie zu begegnen. Im öffentlichen Diskurs wurde immer wieder vehement versucht, auch nur den Anschein einer Vorteilsgewährung für die Gewerkschaften zu vermeiden. Auf einer weniger öffentlichen Ebene wurden die Kontakte aber durchaus fortgesetzt. Gleichzeitig ließ man die von Thatcher eingeführten Anti-Gewerkschaftsgesetze in ihrer Substanz praktisch unangetastet. Das Gleiche trifft im Wesentlichen auch auf die Substanz der Wirtschafts- und Steuerpolitik der Konservativen Regierung unter Thatcher und Major zu, deren Fortsetzung beispielsweise Sinclair in seiner Analyse der Periode von 1997-2007 eindeutig begrüßt: »In granting operational independence for the Bank, in retaining the LawsonThatcher tax structure and anti-union laws, and in not joining the euro, the BlairBrown duumvirate showed considerable wisdom. They inherited a strong macroeconomy from Major, and a policy framework set mainly by Thatcher. But their

17 Auf das mit dieser Mobilität verbundene Drohpotenzial zum Beispiel gegenüber nationalen Regierungen, die aus der Sicht der UnternehmerInnen unerwünschte Maßnahmen erwägen könnten, wurde im Zusammenhang mit der CBI Business Agenda 2005 hingewiesen; vgl. S. 209.

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greatest achievement was to consolidate the revolution of their Conservative predecessors.«18

Weitere Bestandteile der Strategie von New Labour waren die Unterzeichnung der Sozialcharta der EU und die Einführung eines Mindestlohnes.19 Damit wurden die Rechte der ArbeitnehmerInnen substanziell gestärkt, ohne dass dies als eine direkte Vorteilsgewährung für die Gewerkschaften interpretiert werden konnte. Auch im Bereich der Umwelt versuchte New Labour, sowohl eine Politik als auch einen Diskurs zu entwickeln, die geeignet waren, den Modernisierungsprozess der Partei und ihre Abkehr von ›Old Labour‹ zu signalisieren. Gleichzeitig war man bemüht, das angestrebte ›harmonische‹ Verhältnis mit der Wirtschaft nicht zu gefährden und sich trotzdem von der Konservativen Partei abzugrenzen. Die Entwicklung einer modernen Umweltpolitik hatte aber nicht erst mit der Rückkehr an die Macht im Jahre 1997 begonnen, sondern war ein Prozess, der bis in die 1980er zurück ging und neben verschiedenen konkreten Ereignissen (Wahlerfolge der Grünen, Chernobyl, neue wissenschaftliche Erkenntnisse) ganz wesentlich auch der sich ändernden Haltung der Konservativen Partei zur Umweltproblematik und der Entstehung eines zunehmend gesamtgesellschaftlich einflussreichen Umweltdiskurses geschuldet war. Der Versuch, marktwirtschaftlich orientiertes Management der Wirtschaft mit ökologischen Zielstellungen in Einklang zu bringen, stellte die Labour Party vor zahlreiche sowohl ideologische als auch praktische Probleme. Einerseits war die Umwelt politisiert worden und konnte von keiner Partei länger ignoriert werden. Die konkreten Maßnahmen während der Blair-Ära zeigten andererseits aber auch, dass bestimmte koexistierende Zielsetzungen wie etwa der verbesserte Schutz der Umwelt und die Sicherung des überwiegend harmonischen Verhältnisses mit der Wirtschaft mit Notwendigkeit immer wieder in Konflikt geraten mussten. Die intensiven Bemühungen der Labour-Regierungen, den Schutz der Umwelt auf der internationalen beziehungsweise globalen Ebene voranzutreiben, sind ein deutlicher Beleg für die Tatsache, dass über parteipolitische Grenzen hinweg die Ansicht dominierte, dass nationale Handlungsspielräume zunehmend global definiert werden. Nationale Regelungen, die zwar dem Schutz der Umwelt dienen, aber innerhalb der Grenzen Großbritanniens angesiedelten Unternehmen im globalen Wettbewerb schaden könnten, sind daher auch zukünftig eher nicht zu erwarten. Letztlich sind es nicht nur Arbeitskräfte, sondern auch Regierungen, die einem zunehmend global mobilen Kapital gegenübertreten, das gegebenenfalls seine Aktivitäten in andere Staaten verlagern kann.

18 Sinclair 2007, 212. 19 Vgl. S. 185.

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Neben der globalen wirtschaftlichen Integration sind es zweifellos den Erdball umspannende finanzielle Aktivitäten und Kapitalströme, die den Prozess zunehmender Globalisierung wohl am nachhaltigsten verkörpern. New Labour ließ in keiner Phase einen Zweifel an der grundsätzlichen Überzeugung aufkommen, dass offene Kapital- und Finanzmärkte eine entscheidende Voraussetzung für wirtschaftliche Erfolge seien. Wiederholte finanzielle Krisen seit dem Ende der Bretton-Woods-Vereinbarungen sollten keinesfalls zu der Schlussfolgerung führen, dass offene Kapitalmärkte nicht langfristig ein Ziel bleiben sollten, sondern vielmehr zum Nachdenken über möglicherweise notwendige supranationale und globale Regulierungsmechanismen anregen. Auch in diesem Bereich findet sich wieder ein Kernelement des Globalismus: das grundsätzliche Vertrauen in Marktmechanismen, die gegebenenfalls durch (möglichst begrenzte und temporäre) nationale, internationale oder supranationale Interventionen und Regelwerke ergänzt werden können. Die Subprime-Krise und insbesondere der Fall Northern Rock zeigten dann sehr anschaulich die von New Labour verfolgte politische und diskursive Strategie. Einerseits wurde alles getan, um jeden Anschein zu vermeiden, man hätte das Vertrauen in die problemlösenden Fähigkeiten des Marktes verloren und es stünde ein Rückfall in die staatsinterventionistischen Zeiten von ›Old Labour‹ bevor. Andererseits ließen die realen Probleme praktisch gar keine andere Wahl, als staatlich zu intervenieren, wenn man massiven Schaden von der britischen Bankenlandschaft abwenden wollte. Zugleich zeigte das schon krampfhaft wirkende Bemühen von Brown und Darling, das Tabuwort Nationalisierung zu vermeiden, wie weit die Labour Party bereits Gefangene ihres eigenen marktwirtschaftlichen Diskurses geworden war. Auch im Bereich der Finanzwelt war, wie schon für die Umweltproblematik konstatiert, beim Auftreten konkreter Probleme das Bemühen unübersehbar, Versuche, regulierend in die Märkte einzugreifen, möglichst auf die supranationale Ebene zu verlagern, um einseitig nachteilige Auswirkungen auf der nationalen Ebene auszuschließen. Gleichzeitig ermöglichte diese Strategie New Labour in der Öffentlichkeit aber auch die Selbstdarstellung als einer aktiven Partei, die – leider und ohne ihr eigenes Verschulden – an der mangelnden Bereitschaft anderer Staaten oder den ›Sachzwängen‹ der Globalisierung scheitert. Der überwiegend positive Charakter der wirtschaftlichen Entwicklung seit Beginn der neunziger Jahre in Großbritannien wie auch den meisten anderen Industrienationen und auch der Zusammenbruch des sozialistischen Systems haben zweifellos die Herausbildung eines breiten promarktwirtschaftlichen und zumindest in Teilen neoliberalen Konsenses befördert. Insbesondere das nicht nur politische, sondern vor allem das ökonomische Scheitern des realen Sozialismus verlieh marktwirtschaftlichen Argumenten eine praktisch unangreifbare Autorität. Die Überzeugung, dass Freihandel und ökonomische Liberalisierung der beste Weg zu größerer Prosperität sei-

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en, hatte sich nach dem Fall der Berliner Mauer nicht nur in Osteuropa, Asien und Lateinamerika, sondern auch in den linken Parteien Westeuropas weitestgehend durchgesetzt. Neben der positiven wirtschaftlichen Entwicklung und dem Wegfall der Systemalternative war aber ganz entscheidend auch der Globalismus in seinen verschiedenen Spielarten für die zunehmende Ausprägung eines marktliberalen Konsenses verantwortlich. Der ökonomische Kern dieses Globalismus wurde maßgeblich durch ein breites Spektrum von Institutionen produziert, die sowohl auf globaler als auch auf nationaler Ebene operieren, wobei zwischen beiden Ebenen vielfältige organisatorische und personelle Verknüpfungen existieren. Dabei ging und geht es den in dieser Untersuchung näher beleuchteten und vor allem international agierenden Institutionen (Cato Institute, EFWP) nicht nur darum, marktliberale Ansichten zu verbreiten. Vermittelt über die Medien und stärker national operierende Institutionen (in Großbritannien z.B. IEA und CBI) wurde ganz gezielt global und national Einfluss auf politische Prozesse und auf die Formung der öffentlichen Meinung genommen. Insbesondere die Führung von New Labour hat diesen marktliberalen Diskurs aber nicht nur passiv übernommen, sondern selbst aktiv mitgestaltet. So weist Taylor zu Recht darauf hin, dass New Labour unter der Führung von Blair diesen Weg ganz bewusst und mit wirklicher Überzeugung ging: »Between 1997 and 2007 New Labour embraced the neo-liberal capitalist order, not in a defensively apologetic way but with a real sense of pride and swagger. Blair’s concept of the state was for it to act as a handmaiden in the establishment of a new economic and social order, reminiscent of the one that flourished towards the end of the nineteenth century.«20

Am Beginn des neuen Jahrtausends werfen aber zahlreiche globale Probleme wie zum Beispiel die Konsequenzen der Subprime-Krise, die sich innerhalb weniger Monate zu einer globalen Wirtschafts- und Finanzkrise auswuchs, die weltweiten Ernährungsprobleme, die mangelnden Fortschritte bei der Erreichung der MDGs und nicht zuletzt auch die fortschreitende Zerstörung der natürlichen Umwelt erneut die Frage auf, ob dieser Konsens und die von ihm maßgeblich gestützte Politik zumindest in dieser Form Bestand haben werden. Falls sich die genannten und zahlreiche weitere Probleme in den nächsten Jahren noch verschärfen sollten, ist es durchaus möglich, dass die VertreterInnen neoliberaler marktwirtschaftlicher Prinzipien in den hoch entwickelten Industriestaaten zunehmend in Erklärungsnot geraten könnten. Insbesondere dann, wenn der globale ökonomische Wettbewerb und der wirtschaftliche Aufstieg von Staaten wie China zunehmend auch zu wirtschaftlichen Problemen und sozialen Verwerfungen in der Ersten Welt führen sollten. Zumindest für den Moment lässt sich aber konstatieren, dass unge-

20 Taylor 2007, 216.

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achtet aller empirischen Widersprüche das immer wieder geäußerte Vertrauen in die grundsätzliche Fähigkeit des Marktes, mittel- oder zumindest längerfristig die gravierenden Probleme einer zunehmend globalisierten Welt zu lösen, auch weiterhin einen wesentlichen Bestandteil des Globalismus darstellen wird.

G LOBALISMUS

UND

W OHLFAHRTSSTAAT

Ähnlich wie im globalen Maßstab wird auch im nationalen Rahmen die Fähigkeit von Marktmechanismen zur Lösung sozialer und ökonomischer Probleme unterstellt, sofern entsprechende flankierende Maßnahmen ergriffen werden und die BürgerInnen die sich ihnen eröffnenden Möglichkeiten mit einem hohen Maß an Eigenverantwortlichkeit nutzen. Ähnlich wie auf der globalen Ebene gaben die konkreten Entwicklungen in Großbritannien seit dem Regierungsantritt von New Labour im Jahre 1997 allerdings Anlass, wesentliche Aussagen des Globalismus für diesen Bereich kritisch zu hinterfragen. Es kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass sich die Formen und Funktionen des Wohlfahrtsstaates in Industrieländern wie Großbritannien auch in den kommenden Jahren weiter verändern werden, denn die von New Labour immer wieder betonte Notwendigkeit von Reformen ist insbesondere wegen der demografischen Entwicklungen zweifellos vorhanden. Der vorhandene Trend der Modifizierung – nicht notwendigerweise Aushöhlung – des Wohlfahrtsstaates in einer wirtschaftlich zunehmend globalisierten Welt, in der nicht zuletzt Steuerfragen und Arbeitskosten, die ganz wesentlich von den jeweiligen Sozialabgaben abhängen, zu entscheidenden Kriterien für Investitionsentscheidungen geworden sind, wird sich sicherlich auch künftig fortsetzen. Diese Einschätzung ist aber nicht gleichbedeutend mit einer Akzeptanz von Forderungen jener, die einen rigorosen Rückbau des Wohlfahrtsstaates in Kernbereichen fordern, da sie diesen und die mit ihm für die Wirtschaft verbundenen Kosten primär als Wettbewerbsnachteil im globalen Wettbewerb betrachten. Richtig ist allerdings, dass ein moderner Wohlfahrtsstaat, der für alle seine BürgerInnen beispielsweise eine gute Alters- und Gesundheitsvorsorge gewährleisten will (und nicht nur für jene, die sich einen wachsenden Anteil der notwendigen Vorsorge privat am Markt sichern können), eine entsprechende finanzielle Ausstattung voraussetzt (ob nun in Form von direkten und indirekten Steuern oder Sozialabgaben) und dass er mit redistributiven Effekten verbunden ist, die tendenziell einer Profitmaximierung entgegenstehen und zu einer Verringerung sozialer Ungleichheit führen. Kritische Stimmen weisen zu Recht darauf hin, dass durch den möglichen Rückzug (die aktive Zurückdrängung) des Wohlfahrtsstaates aus bestimmten Bereichen die Gefahr besteht, dass historisch gewachsene und teilweise mühevoll erkämpfte Sicherungsstrukturen und -mechanismen ent-

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fernt oder zumindest unterminiert werden, die gerade für die sozial Schwächsten der Gesellschaft auch zukünftig von essentieller Bedeutung sein werden. Für diese Gruppe ist auch die redistributive Funktion des Wohlfahrtsstaates besonders wichtig, da sie gar nicht in der Lage wäre, sich soziale Leistungen in ausreichendem Maße privat am Markt zu sichern. Diesen kritischen Stimmen schließt sich diese Untersuchung durchaus an. Gleichzeitig ist aber auch klar, dass es in den hoch entwickelten Industriestaaten, wie bereits oben angemerkt, tatsächlich Reformbedarf gibt – wenn auch nicht in dem Sinne, wie er im Rahmen des Globalismussubdiskurses Wohlfahrtsstaat von Institutionen wie dem Cato Institute, dem IEA oder der CBI vertreten wird. Im Rückblick auf die ersten zehn Regierungsjahre von New Labour wird deutlich, dass es neben konkreten Veränderungen in der Ausgestaltung des Wohlfahrtsstaates insbesondere im Vergleich zu ›Old Labour‹ zu verschiedenen und teilweise sehr deutlichen diskursiven Akzentverschiebungen gekommen ist, die eben diese konkreten Veränderungen – ganz im Sinne der hier angenommenen konstituierenden Effekte von Diskursen und eines sozialen Konstruktivismus – begleitet und partiell (auch im Sinne von politischer Mehrheitsfähigkeit) überhaupt erst ermöglicht haben. Soweit es die makroökonomische Ebene betrifft, kann im Wesentlichen Ludlam zugestimmt werden, der konstatiert, dass man New Labour als eine Partei verstehen kann, die »auf makroökonomischer Ebene die neoliberalen Überzeugungen übernommen hat und sich, nach westeuropäischen Maßstäben, eine fatalistische Interpretation der Globalisierung zu Eigen [ge]macht [hat]«.21 Gleichzeitig haben natürlich Veränderungen der gesellschaftlichen Wirklichkeit, die allerdings nicht auf die Folgen einer zunehmenden Globalisierung insbesondere im ökonomischen Bereich reduziert werden dürfen und die teilweise bereits in den 1970ern begonnen hatten, ihrerseits ihre Wirkungen auf den Diskurs entfaltet. Neben der Globalisierung und dem demografischen Wandel ist im Falle von Großbritannien ein weiterer wichtiger Aspekt natürlich die Thatcher-Ära. Die zentralen Diskurselemente in den Debatten über die Notwendigkeit der ›Modernisierung‹ und die Zukunft des Wohlfahrtsstaates waren mehr oder weniger eng an den im Abschnitt 7.2 ausführlich diskutierten ökonomischen Kern des Globalismus angelagert – der Markt nicht nur als das effizienteste Instrumentarium zur Steuerung ökonomischer Prozesse, sondern auch zur Lösung sozialer Probleme. Dieser Prämisse folgend wäre die Voraussetzung für ein optimales Funktionieren des Marktes ein Staat, der sich auf die Schaffung der notwendigen Rahmenbedingungen beschränkt und ansonsten möglichst wenig interveniert. Vor dem Hintergrund der aus der Globalisierung vermeintlich erwachsenden Notwendigkeiten und Zwänge sowie innerhalb des durch die Marktargumentation definierten diskursiven Rahmens werden dann verschiedene

21 Ludlam 2006, 471.

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spezifische Subdiskurse entwickelt, die die Notwendigkeit der ›Modernisierung‹ des Wohlfahrtsstaates und die dazu erforderlichen Schritte begründen sollen. Dazu gehören u.a. die Effizienzdebatte, die Konzeptualisierung des Wohlfahrtsstaates als Wirtschaftsförderer und der Subdiskurs zu den negativen moralischen Wirkungen sozialstaatlicher Leistungen auf individuelle BürgerInnen. Letzterer ist u.a. gekennzeichnet durch regelmäßig wiederholte Forderungen nach höherer Eigenverantwortlichkeit und nach verschärften Sanktionen gegenüber jenen, die sich dieser Verantwortung angeblich entziehen wollen. Die Grundüberzeugung, dass der Markt das effizienteste Instrument sowohl zur Steuerung ökonomischer Prozesse als auch zur Lösung sozialer Probleme sei, bildete den argumentativen Ausgangspunkt für die Effizienzdebatte, in der es vordergründig um die Suche nach Wegen zur Verbesserung sozialstaatlicher Leistungen und um eine Optimierung des KostenLeistungs-Verhältnisses ging. Im Einklang mit dem Glauben an die grundsätzlich positiven Wirkungen des Marktes wurde mit Notwendigkeit davon ausgegangen, dass ›mehr Markt‹ auch zu besseren Leistungen für die BürgerInnen führen würde. Eine der konkreten Zielsetzungen dieser Argumentation war eine weitere Privatisierung von vormals sozialstaatlichen Leistungen bei gleichzeitiger Absenkung der für die Finanzierung dieser Leistungen notwendigen Steuern und Sozialabgaben. Im Hintergrund der Effizienzdebatte wurde immer auch insinuiert, dass der Wohlfahrtsstaat quasi mit Notwendigkeit zur Verschwendung von Steuern und Sozialabgaben tendiere (die zahlreichen Fälle tatsächlicher Verschwendung erleichtern diese Argumentation allerdings auch). Zu den aus der Sicht von Institutionen wie dem Cato Institute und der CBI als wünschenswert deklarierten Aktivitäten des Staates gehört die Schaffung der notwendigen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für ein optimales Funktionieren der Wirtschaft unter den Bedingungen eines verschärften globalen Wettbewerbes – der Wohlfahrtsstaat als Wirtschaftsförderer. Dazu gehören neben der (kostenlosen) Bereitstellung möglichst hoch qualifizierter und ›flexibler‹ Arbeitskräfte (full employability) auch die steuerlichen, infrastrukturellen und regulativen Rahmenbedingungen im Sinne einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik. Vor dem Hintergrund von Forderungen nach einem radikaleren Rückbau des Wohlfahrtsstaates überrascht es daher auch nicht, dass sich Vertreter von New Labour wie Blunkett bemüßigt fühlten, dessen fortgesetzte Daseinsberechtigung mit seiner Bedeutung für eine erfolgreiche Wirtschaft zu begründen. Dies kann zwar einerseits als eine geschickte Taktik zur Verteidigung des Wohlfahrtsstaates interpretiert werden, ist aber andererseits auch Ausdruck der fortschreitenden Ökonomisierung eines weiteren gesellschaftlichen Bereiches. Die Argumentation Blunketts reflektierte zugleich den erreichten Grad der diskursiven Dominanz des Globalismus und der gesellschaftlichen Akzeptanz der beispielsweise von der CBI vertretenen Ansicht, dass die Zukunft des Wohlfahrtsstaates nur durch eine Kombination stärker marktwirtschaft-

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lich orientierter Varianten der sozialen Absicherung beispielsweise in den Bereichen Gesundheits- und Altersvorsorge einerseits und eine generelle Limitierung sozialstaatlicher Leistungen andererseits gewährleistet werden könne. Diese Kombination würde nicht nur die Ausgaben des Staates, sondern auch den Umfang der durch die Wirtschaft zu entrichtenden Steuern und Abgaben zu deren Finanzierung begrenzen. Dies wiederum, so die Argumentation, würde sowohl die Effizienz des Wohlfahrtsstaates als auch die globale Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Wirtschaft erhöhen. Neben seiner Rolle als Wirtschaftsförderer wurde dem Staat von New Labour zwar weiterhin eine Verantwortung für die Wohlfahrt der Bevölkerung zugemessen, gleichzeitig aber den BürgerInnen auch ein deutlich höheres Maß an Eigenverantwortlichkeit abverlangt. Dies wäre eine völlig legitime Forderung, wenn die Betonung der Eigenverantwortlichkeit der BürgerInnen (z.B. full employability) nicht immer wieder auch mit der Unterstellung verbunden wäre, sie würden sich bewusst und freiwillig für eine teilweise oder vollständige Abhängigkeit vom Wohlfahrtsstaat entscheiden. Institutionen wie das Cato Institute betonen in diesem Zusammenhang gerne, dass ein solches Verhalten letztlich auf die moralisch problematische Wirkung sozialstaatlicher Leistungen zurückzuführen sei. Auch wenn VertreterInnen von New Labour in diesem Punkt üblicherweise etwas zurückhaltender formulierten, wurde diese Ansicht zumindest von Blunkett unmissverständlich geteilt: »[T]he welfare state of the 21st century can not, and will not, fund indolence. There is no option of a life on benefit.«22 Ganz beiläufig wird hier unverhohlen die Behauptung aufgestellt, genau dies sei im 20. Jahrhundert der Fall gewesen. Auch im Bereich des Wohlfahrtsstaates ist deutlich geworden, dass New Labour nicht nur Elemente des Globalismus, wie sie von Institutionen wie dem Cato Institute, dem IEA oder der CBI produziert und beispielsweise vom Economist auch einem breiteren Publikum zugänglich gemacht worden sind, passiv rezipiert, sondern diese aktiv ausgestaltet und an die Bedürfnisse einer Partei, die natürlich auch wieder gewählt werden möchte, angepasst hat. Deshalb wäre es trotz der häufigen und oft undifferenzierten Verweise von Blair, Blunkett, Brown und anderen Führungskräften auf die ›Notwendigkeit‹ von Veränderungen insbesondere im Gefolge ›der Globalisierung‹ sicherlich falsch, New Labour vor allem oder ausschließlich als Getriebene externer Entwicklungen und Zwänge zu verstehen. Diese Einschätzung trifft in sehr ähnlicher Weise auch auf den Globalismussubdiskurs internationale Beziehungen zu.

22 Blunkett 2000, o.S.

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G LOBALISMUS

UND INTERNATIONALE

B EZIEHUNGEN

Vor dem Hintergrund der auch weiterhin in vielen Teilen der Welt grassierenden Armut, von verhungernden Kindern, von zehntausenden Toten als Folge heilbarer Krankheiten, angesichts militärischer Konflikte weltweit und der Bedrohung durch TerroristInnen unterschiedlichster Provenienz sowie von Menschenrechtsverletzungen in vielen Staaten stellt sich auch nach der Amtszeit von Blair und lange nach der von ihm verkündeten »Doctrine of the International Community« die Frage nach der veränderten Rolle, die Nationalstaaten in einer internationalen Ordnung spielen können oder sollten; einer Ordnung, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt offensichtlich nicht oder nur sehr bedingt den neuen Anforderungen einer in vielen Bereichen zunehmend globalisierten und interdependenten Welt gewachsen ist.23 Die Analyse unterschiedlicher Dokumente, Reden und Interviews, die während des Untersuchungszeitraumes auf beiden Seiten des Atlantiks produziert worden sind, hat gezeigt, dass sowohl New Labour, insbesondere repräsentiert durch Blair, als auch die Bush-Administration in vergleichbarer Weise agiert haben, wenn es darum ging, auf nationaler wie internationaler Bühne nicht nur Unterstützung für ihre interventionistische Außen- und Sicherheitspolitik zu generieren, sondern auch die zentralen Themen des Globalismussubdiskurses internationale Beziehungen zu prägen. Dabei war die zentrale Rolle der beiden Staaten aber nicht auf die diskursive Ebene beschränkt, sondern sie gehörten auch an den herausragenden internationalen Brennpunkten zu den entscheidenden Akteuren, ob dies nun der Kosovo, der Irak oder Afghanistan war. Die Analyse hat gezeigt, dass jeder der berücksichtigten Texte immer nur als Teil eines umfassenderen politischen beziehungsweise öffentlichen Diskurses zu verstehen ist und sich in seinen Strategien und der Wahl seiner sprachlichen Mittel ganz stark an dem jeweiligen Zielpublikum sowie dem diskursiven Anlass orientiert und gleichzeitig durch komplexe aktuelle und historische intertextuelle und -diskursive Beziehungen determiniert wird. Als Beispiele für aktuelle Beziehungen wären die Globalismussubdiskurse Ökonomie und Wohlfahrtsstaat zu nennen. Aus stärker historischer Perspektive spielen für die USA natürlich auch mit der Idee der Manifest Destiny verknüpfte Diskurse eine große Rolle.24 Einer der Bezugspunkte für Großbritannien ist seine imperiale Vergangenheit, selbst dann, wenn diese aus einer distanzierenden Haltung heraus als der Vergangenheit zugehörig und überwunden beschrieben wird.25 Für die konkrete Gestaltung der in Großbritannien beziehungsweise den USA produzierten Texte sind neben intertextuellen und -diskursiven Bezügen natürlich auch nichtdiskursive Aspekte wie beispielsweise das tatsächliche militärische und ökonomische Potential

23 Vgl. auch Abschnitt 4.6. 24 Vgl. S. 73f. 25 Vgl. S. 256.

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von großer Bedeutung. Die im Unterschied zur gelegentlichen Hybris der Bush-Administration eher gemäßigt erscheinende Haltung von Blair und New Labour war insbesondere letzterem Punkte geschuldet. Blair und Bush haben ihre Länder wieder und wieder national wie international als ›forces for good‹ präsentiert, deren wichtigste außen- und sicherheitspolitische Ziele in der Beförderung von Werten wie Freiheit, Demokratie und Menschenrechten sowie der Gewährleistung der Sicherheit der ›internationalen Gemeinschaft‹ bestehen. Sofern nationale Interessen in Texten, die primär für ein internationales Publikum bestimmt waren, überhaupt vorkamen, wurden sie in der Regel als eng verknüpft, wenn nicht identisch mit den Interessen der ›internationalen Gemeinschaft‹ präsentiert. Neben der Betonung von ›Werten‹ und den aus ihnen erwachsenden ›Verpflichtungen‹ war ein weiteres zentrales diskursives Element die Betonung des Modellcharakters des auf diesen Werten basierenden westlichen Systems.26 Vor diesem Hintergrund erlangte die aktive ›Verbreitung der Demokratie‹ mit Hilfe (allerdings sehr selektiver) globaler Interventionen der ›internationalen Gemeinschaft‹ nicht nur ihre vermeintliche Berechtigung, sondern wurde geradezu zur Pflicht. Soweit es konkret die Kriege im Irak und in Afghanistan sowie den ›War on Terrorism‹ betrifft, wurden diese diskursiven Elemente u.a. durch das Argument eines ›Schutzes des westlichen Wertesystems und der Demokratie‹ und der ›freien Welt‹ insgesamt vor ›islamistischen TerroristInnen‹ ergänzt. Die wertezentrierte diskursive Strategie war (im Gegensatz zur interessenzentrierten) primär auf internationale AdressatInnen und kritische Stimmen in Großbritannien sowie den USA selbst gerichtet, die der Interventionsbereitschaft ihrer jeweiligen Regierungen skeptisch bis ablehnend gegenüber standen. Das einzige nationale Interesse, das in den Argumentationen sowohl von Bush als auch Blair gleichermaßen stark betont wurde wie die ›Werte‹, war der Aspekt Sicherheit – am deutlichsten mit Bezug auf die Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen beziehungsweise im Kontext des ›War on Terrorism‹. Angesichts der Tatsache, dass in ähnlichen oder schlimmeren Krisen als im Kosovo sowohl vor als auch nach den dortigen Ereignissen weder die NATO noch die ›internationale Gemeinschaft‹ wirksam eingegriffen haben, liegt die Vermutung nahe, dass der Wunsch, ethnische ›Säuberungen‹, Massenvertreibungen oder Völkermord zu verhindern, ungeachtet aller ›Werte‹ nur dann in konkretes und effektives Handeln mündet, wenn nationale Interessen in einem ausreichenden Maße berührt sind. Somit erscheint die Einschätzung berechtigt, dass die vermeintlich wertezentrierte Außen- und Sicherheitspolitik Großbritanniens und der USA im Kern doch eher interessenzentriert war. Gleichzeitig wäre es aber falsch, die wertezentrierte diskursive Strategie als ein bloßes rhetorisches Instrument abzutun, das von Blair und Bush lediglich benutzt wurde, um sowohl national als auch inter-

26 Zum historischen Hintergrund dieser Modellidee in den USA vgl. Abschnitt 4.3.

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national Unterstützung für ihre jeweilige Außen- und Sicherheitspolitik zu generieren oder um vor der Öffentlichkeit ihre wahren Ziele zu verschleiern. Die Beförderung von Demokratie und Freiheit in Ländern wie Afghanistan oder dem Irak wird von SicherheitsanalystInnen durchaus als im nationalen Interesse Großbritanniens und der USA liegend angesehen, da davon ausgegangen wird, dass dies zu einer Reduzierung der von diesen Staaten ausgehenden Bedrohung führt. Unstrittig ist, dass realistisch betrachtet jedes Engagement eines oder mehrerer Staaten, zumindest wenn es mit größeren eigenen Verlusten an Menschen verbunden ist oder sein könnte, ohne substanzielle nationale Interessen äußerst unwahrscheinlich ist und in Zukunft vermutlich auch bleiben wird. Die fehlende Bereitschaft, sowohl der USA als auch der anderen NATO-Mitgliedsstaaten bereits zu Beginn der Intervention im Kosovo Bodentruppen einzusetzen, um effektiv weitere ethnische ›Säuberungen‹, Vergewaltigungen, Morde und Folter nicht nur durch Serben zu verhindern, stützt diese Einschätzung. Angesichts der auch weiterhin klaren Dominanz von Realpolitik in den internationalen Beziehungen untergräbt eine jeweils kontextabhängige Mischung aus unterschiedlichen Motiven jedoch nicht mit Notwendigkeit deren Legitimität.27 Der Anspruch der USA, eine ›force for good‹ zu sein, ist von einer ausgeprägten Bereitschaft begleitet worden, sich in konkreten Konflikten, die als scheinbar klare Konfrontationen zwischen ›good‹ und ›evil‹ diskursiv konstruiert wurden, auf militärische Mittel zu stützen. Diese Überbetonung militärischer Optionen in außen- und sicherheitspolitischen Fragen durch die Bush-Administration wurde durch die Blair-Regierungen weitestgehend mitgetragen. Ihren deutlichsten öffentlichen Ausdruck fand die Betonung militärischer Optionen durch die Bush-Administration in der NSS 2002, die das Konzept der pre-emption (pre-emptive im Unterschied zu preventive) offiziell in die amerikanische Außen- und Sicherheitspolitik einführte.28 Dieses Konzept kann durchaus als die Extremvariante der Überzeugung von der Rechtmäßigkeit von Interventionen in souveränen Staaten gelten. Im Gefolge der Kriege im Irak und in Afghanistan sowie des ›War on Terrorism‹ wurde immer offensichtlicher, dass die Vorgehensweise der USA und Großbritanniens beziehungsweise die ihr zugrunde liegende Annahme, es gebe ein universell umsetzbares Gesellschaftsmodell, bei all jenen auf Ablehnung stößt, die ihre Werte und Überzeugungen nicht teilen beziehungsweise sich diese nicht aufzwingen lassen wollen. Dabei ist es letztlich relativ unerheblich, ob dies nun in der Variante des ›regime change‹ oder der 2006 von Rice verkündeten ›transformational diplo-

27 Vgl. S. 283. 28 »[The United States] must be prepared to stop rogue states and their terrorist clients before they are able to threaten or use weapons of mass destruction against the United States and our allies and friends (White House 2002, 14).«

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macy‹29 geschehen soll. Selbst Staaten, die für den gleichen Wertekanon wie die USA und Großbritanniens stehen, wie dies in den meisten europäischen Staaten der Fall ist, teilen in der Regel nicht deren Vertrauen in die Anwendung militärischer Mittel. Selbst wenn Widerstände gegen einen ›Regimewechsel‹ wie im Kosovo, in Afghanistan oder im Irak militärisch oder auf andere Weise überwunden werden können, stellt sich doch weiterhin die Frage, ob ein ›amerikanisches‹ respektive ›westliches‹ Modell universell auf ein historisch, politisch, ökonomisch, religiös und kulturell extrem vielfältiges Spektrum von Bedingungen angewendet werden kann beziehungsweise sollte. Die Ereignisse der jüngeren Vergangenheit, in Sonderheit die Kriege im Irak, in Afghanistan und der ›War on Terrorism‹, lassen kurz- und mittelfristig eine internationale Ordnung wahrscheinlich erscheinen, in der die Vereinigten Staaten auch weiterhin eine dominante Stellung einnehmen werden, die sich ganz wesentlich auf ihre militärische Stärke und vor allem auch die Bereitschaft, diese auch unilateral einzusetzen, stützen wird. Dies bedeutet aber nicht, dass diese auch allgemein akzeptiert sein wird oder ist. Nichtsdestotrotz erscheint es zumindest im militärischen Bereich und ungeachtet der Rüstungsanstrengungen in Russland und China als äußerst unwahrscheinlich, dass die Hegemonialmacht USA ernsthaft herausgefordert werden wird, sofern sie ihrer in den NSS 2002 und 2006 niedergelegten außen- und sicherheitspolitischen Doktrin treu bleibt und die EU nicht doch noch eine relevante autonome Militärkomponente entwickelt. Dies ist aber nicht zuletzt aufgrund der ablehnenden Haltung Großbritanniens und dem auch von anderen geteilten Argument, dass dies die NATO schwächen und das Verhältnis zu den USA gefährden würde, eher nicht zu erwarten. Andere Mitgliedsstaaten mögen eine starke Militärkomponente der EU zwar prinzipiell für wünschenswert halten, aber nicht gegen den ausdrücklichen Wunsch der USA. Ferner ist es mehr als unwahrscheinlich, dass eine stärker militärisch geprägte Außen- und Sicherheitspolitik der EU nicht zuletzt aufgrund der damit einhergehenden finanziellen Belastungen eine ausreichend große Zahl von Befürwortern finden würde. Darüber hinaus, selbst wenn die benannten Probleme und Bedenken ausgeräumt werden könnten, wäre eine weitere Militarisierung der Sicherheits- und Außenpolitik der EU nicht wünschenswert, da sie eine neuerliche Runde des Wettrüstens einleiten könnte, extrem kostspielig wäre, die globale Sicherheitslage nicht wirklich verbessern und nur jenen zusätzliche Argumente liefern würde, die die Anwendung militärischer Gewalt für ein probates und gerechtfertigtes Mittel der Außen- und Sicherheitspolitik halten. Abschließend lässt sich einerseits konstatieren, dass das von anderen Staaten oftmals als willkürlich und eher von eigenen Interessen als von der Sorge um das Allgemeinwohl geprägte Vorgehen einer selbsternannten und exklusiven ›internationalen Gemeinschaft‹ unter Führung der USA und ihres

29 Rice 2006, o.S.

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engsten Alliiertens, Großbritanniens, zur Durchsetzung ›ihrer Werte‹ – notfalls auch unter Ignorierung der UN oder internationalen Rechts – keine befriedigenden Antworten auf die Fragen des 21. Jahrhunderts bietet. Andererseits stellt aber angesichts weltweiter Konflikte, eklatanter Menschenrechtsverletzungen und zunehmender globaler Interdependenz ein neuerlicher Rückzug auf ein mit dem Prinzip staatlicher Souveränität begründetes Nichteinmischungsgebot auch keine Lösung dar. Es ist Czempiel zuzustimmen, der schreibt: »[D]as Interventionsverbot, das Prinzip der Nicht-Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates, das das klassische Völkerrecht beherrscht, hat unter den Bedingungen der Interdependenz als obsolet zu gelten.«30 Für ihn steht aber auch außer Frage, dass eine eventuelle Intervention absolut gewaltfrei verlaufen muss. Falls Gewalt als Ultima Ratio angewandt werden muss, so bedarf es dazu einer Legitimation durch eine internationale Organisation. Nur durch ein solches Mandat kann die Verbindung von Norm und Interesse aufgelöst und im Konsens der Mitglieder sichergestellt werden, dass die Gewaltanwendung auch ausschließlich der Durchsetzung des intendierten Ziels, nämlich der Wiederherstellung und Wahrung der Menschenrechte, dient. Wenn ein solches Mandat aufgrund eines fehlenden Konsenses nicht zustande kommt, kann Gewalt auch nicht legitim angewendet werden.31 Genau diese Sichtweise haben Blair/New Labour und Bush aber immer wieder abgelehnt und insistiert, dass (unter von ihnen zu definierenden Umständen) Gewaltanwendung auch ohne ein UNMandat legitim sein kann. Die Analyse des Globalismussubdiskurses internationale Beziehungen hat gezeigt, dass die notwendigen Veränderungen der internationalen Ordnung über die Frage von eventuell auch gewaltsamen Interventionen im Falle von eklatanten Menschrechtsverletzungen weit hinausgehen. Die Strukturen einer erst noch zu schaffenden internationalen Ordnung müssten geeignet sein, genau jene Probleme anzugehen, die einerseits außerhalb der Reichweite und andererseits nicht unbedingt im eng definierten nationalen Interesse einzelner Staaten liegen, deren Lösung langfristig aber dem Interesse der Mehrheit der Weltbevölkerung dient. Angesichts der Tatsache, dass eine radikal neue internationale Ordnung, wenn sie im globalen Maßstab eine möglichst breite Unterstützung finden soll, auch diskursiv konstituiert werden müsste, erscheint es als unumgänglich, dass die von Blair, Bush und vielen anderen Akteuren als Teil des Globalismus ständig verwandten und nicht selten für partikulare Interessen instrumentalisierten Begriffe ›internationale Gemeinschaft‹, ›Verantwortung‹, ›Moral‹ und ›Werte‹ unter Einbeziehung möglichst vieler Betroffener sowie der bereits existierenden internationalen Organisationen und globalen Bewegungen gemeinsam definiert werden. Nur eine möglichst inklusive internationale Gemeinschaft, die von einer universellen Verantwortung für die Wohlfahrt der

30 Czempiel 2000, o.S. 31 Ebenda.

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Menschheit und nicht von partikularen nationalen Interessen getragen wird, stellt einen praktikablen Ansatz dar.

AUSBLICK Die konkreten Analysen der Globalismussubdiskurse Ökonomie, Wohlfahrtsstaat und internationale Beziehungen zeigen, dass für ein noch besseres Verständnis des Globalismus als einer hegemonialen diskursiven Formation unter Nutzung des hier entwickelten neuen theoretischen Ansatzes eine Reihe spezieller weiterer Untersuchungen wünschenswert wäre, wenn sowohl die gesellschaftlich-theoretische als auch die sprachliche Dimension in noch größerer Breite und Tiefe erfasst werden sollen. Im britischen Kontext wären beispielsweise neben der Labour Party weitere politische Parteien in die Analyse einzubeziehen. Angesichts der Tatsache, dass die konkreten Ausprägungen des Globalismus bei allen grundsätzlichen Übereinstimmungen insbesondere bezüglich des ökonomischen Kerns zwischen unterschiedlichen Ländern variieren, böten sich in einem nächsten Schritt komparatistisch angelegte Untersuchungen unter Einbeziehung anderer Staaten an. Zu den spezifischeren Problemen, die ebenfalls einer näheren Untersuchung bedürfen, gehören u.a. die Frage nach der Art und Weise, wie wissenschaftliche Theorien ganz konkret in den Globalismus einfließen und diesen mitprägen, in welcher Weise sie instrumentalisiert werden und wie wiederum wissenschaftliche Arbeit selbst durch den Globalismus beeinflusst wird. Für eine systematische Analyse wäre es unerlässlich, unterschiedliche Disziplinen nicht nur separat zu berücksichtigen, sondern nach den vielfältigen Wechselwirkungen zu fragen. Von besonderem Interesse wäre der jeweilige Charakter des Wissens, das die einzelnen Disziplinen über die unterschiedlichen Aspekte der Globalisierung beisteuern, und inwieweit beziehungsweise wieso dieses ›Wissen‹ Eingang in den hegemonialen Diskurs findet beziehungsweise als ›Nichtwissen‹ ignoriert wird. Die Bedeutung dieser Problematik geht weit über den akademischen Rahmen und den Streit um konkurrierende Theorien und Interpretationen hinaus, da das produzierte Wissen, insbesondere sofern es in den hegemonialen Diskurs einfließt, politische Relevanz für die Ausgestaltung der Globalisierung gewinnt – »theoretical positions inform policy choices«.32 Die Cultural Studies könnten, wie bereits in dieser Analyse gezeigt wird, aufgrund ihrer interdisziplinären Grundausrichtung und unter Nutzung insbesondere der Ressourcen der CDA einen wichtigen Beitrag zur Analyse des Wechselverhältnisses zwischen Globalisierung und Globalismus leisten. Sie könnten verdeutlichen, in welcher Weise Diskurse mit Machtbeziehungen korrelieren, von diesen durchdrungen sind und gesellschaftliche Wirklichkeit konstituieren. Zugleich könnten sie helfen, den Nachweis zu führen,

32 Scholte 2005, 387.

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dass Diskurse wie der Globalismus zwar hegemonial sein und im foucaultschen Sinne bereits tief in verschiedene Disziplinen hinein gewirkt haben mögen, aber trotzdem kritisch analysiert werden können und müssen. Dabei kann es nicht nur um eine negative Kritik oder bloße Dekonstruktion gehen, sondern auch um das Aufzeigen von möglichen Alternativen. Dies ist insbesondere mit Blick auf den Globalismus und seine scheinbare Alternativlosigkeit von besonderer Bedeutung. Es gilt, den Beweis zu führen, dass Williams recht hat, wenn er behauptet, »that however dominant a social system may be, the very meaning of its domination involves a limitation or selection of the activities it covers, so that by definition it cannot exhaust all social experience, which therefore always potentially contains space for alternative acts and alternative intentions which are not yet articulated as a social institution or even project.«33

Die Tatsache, dass die globalen ökonomischen Rahmenbedingungen ganz entscheidend die Grenzen nationaler Handlungsspielräume definieren, bedeutet eben nicht, dass es keinen Raum für Alternativen, für Opposition oder wissenschaftliche Kritik gibt. Die Globalisierung ist, wie in dieser Analyse immer wieder betont, eben keine Naturgewalt und mithin auch weiter offen für menschliche Interventionen.

33 Williams 1981, 252.

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Statistische Übersichten

1

Diffusion von Festnetz- und Mobilfunktelefonie und Anzahl der InternetnutzerInnen | 353 2 CO 2-Emissionen nach Quelle, 1990-2005 (in Mill. Tonnen) | 354 3 Arbeitskämpfe 1945-2006 | 354 4a Ergebnisse der Unterhauswahlen und Wahlbeteiligung 1947-2005 | 356 4b Veränderung der selbsterklärten Wahlbeteiligung nach Altersgruppe und Geschlecht 1970-2001 | 358 5 Entwicklung der Mitgliederzahl der Gewerkschaften 1975-2002 | 358 6 Social Benefit by Spending and by Age Group 1998 | 359 7 Public Social Expenditure as a Percentage of GDP | 360

Tabelle 1: Diffusion von Festnetz- und Mobilfunktelefonie und Anzahl der InternetnutzerInnen Group of Countries

Telephone mainlines (per 1,000 people)

Cellular subscribers (per 1,000 people)

Internet users (per 1,000 people)

1990 a

2004 a

1990 a

2003 a

1990

2003

High income

450

536

12

766

3

545

Middle income

40

192

(.)

294

0

92

Low income

6

30

(.)

42

0

24

a

Telephone mainlines and cellular subscribers combined form an indicator for Millennium Development Goal 8. Source for all figures: World Bank. 2006. World Development Indicators 2006. CD-ROM. Washington, D.C.; aggregates calculated for the Human Development Report Office by the World Bank. Quelle: UNDP (2006) Statistics in the Human Development Report. Homepage of the UNDP [http://hdr.undp.org/hdr2006/statistics/ – 17.07.2007].

354 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

Tabelle 2: CO2-Emissionen nach Quelle, 1990-2005 (in Mill. Tonnen) Road transport

Energy industries

Other industries

1990

109,4

235,8

114,5

78,5

51,0

1991

108,6

235,3

112,5

87,1

52,5

1992

110,1

224,2

108,8

84,6

52,0

1993

111,3

206,5

107,9

88,5

51,8

1994

111,9

201,9

109,8

84,1

50,7

1995

110,9

198,8

107,0

79,8

52,2

1996

115,2

200,2

108,7

90,9

55,4

1997

116,6

187,4

109,7

83,8

50,4

1998

115,9

191,0

107,8

85,8

49,7

1999

116,8

180,5

108,8

85,3

49,6

2000

116,0

191,1

108,6

85,8

47,8

2001

116,0

201,0

107,2

88,0

47,9

2002

118,4

199,3

98,3

84,9

43,5

2003

118,2

207,5

100,3

85,7

44,6

2004

119,4

206,5

97,9

87,4

45,3

2005

119,9

208,4

98,5

83,3

46,1

Residential Other

Quelle: Defra (2007) UK Emissions of Greenhouse Gases, 1990-2005. e-Digest of Environmental Statistics, Published May 2007 [http://www.defra.gov.uk/ environment/statistics/globatmos/gagccukem.htm – 08.06.2007].

Tabelle 3: Arbeitskämpfe 1945-2006 Jahr

Ausfalltage in 1000

1945 1946 1947 1948 1949 1950 1951 1952 1953 1954

2835 2158 2433 1944 1807 1389 1694 1792 2184 2457

Beteiligte ArbeitnehmerInnen in 1000 531 526 620 424 433 302 379 415 1370 448

S TATISTISCHE Ü BERSICHTEN | 355

Jahr

Ausfalltage in 1000

1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994

3781 2083 8412 3462 5270 3024 3046 5798 1755 2277 2925 2398 2787 4690 6846 10980 13551 23909 7197 14750 6012 3284 10142 9405 29474 11964 4266 5313 3754 27135 6402 1920 3546 3702 4128 1903 761 528 649 278

Beteiligte ArbeitnehmerInnen in 1000 659 507 1356 523 645 814 771 4420 590 872 868 530 731 2255 1665 1801 1178 1734 1528 1626 809 668 1166 1041 4608 834 1513 2103 574 1464 791 720 887 790 727 298 176 148 385 107

356 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

Jahr

Ausfalltage in 1000

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006

415 1303 235 282 242 499 525 1323 499 905 157 755

Beteiligte ArbeitnehmerInnen in 1000 174 364 130 93 141 183 180 943 151 293 93 713

Quelle: Office for National Statistics (2007) Labour Disputes [www.statistics.gov.uk – 29.07.2007].

Tabelle 4a: Ergebnisse der Unterhauswahlen und Wahlbeteiligung 1947-2005 im UK in Prozent (in Klammern Anzahl der Sitze) Jahr

Con(a)

Lab

Lib(b)

PC/SNP Andere Wahlbeteiligung

1945

39.7% 47.7% (210) (393)

9.0% (12)

0.2% (0)

3.4% (25)

72,8%

1950

43.3% 46.1% (297) (315)

9.1% (9)

0.1% (0)

1.4% (4)

83,9%

1951

48.0% 48.8% (321) (295)

2.6% (6)

0.1% (0)

0.6% (3)

82,6%

1955

49.6% 46.4% (344) (277)

2.7% (6)

0.2% (0)

1.1% (3)

76,8%

1959

49.4% 43.8% (365) (258)

5.9% (6)

0.4% (0)

0.6% (1)

78,7%

1964

43.3% 44.1% 11.2% (303) (317) (9)

0.5% (0)

0.9% (1)

77,1%

1966

41.9% 47.9% (253) (363)

8.5% (12)

0.7% (0)

1.0% (2)

75,8%

1970

46.4% 43.0% (330) (287)

7.5% (6)

1.7% (1)

1.5% (6)

72,0%

1974 Feb

37.8% 37.2% 19.3% (287) (301) (14)

2.6% (9)

3.2% (14)

78,8%

S TATISTISCHE Ü BERSICHTEN | 357

1974 Oct

35.7% 39.3% 18.3% (276) (319) (13)

3.4% (14)

3.3% (13)

72,8%

1979

43.9% 36.9% 13.8% (339) (268) (11)

2.0% (4)

3.4% (13)

76,0%

1983

42.4% 27.6% 25.4% (397) (209) (23)

1.5% (4)

3.1% (17)

72,7%

1987

42.2% 30.8% 22.6% (375) (229) (22)

1.7% (6)

2.7% (18)

75,3%

1992

41.9% 34.4% 17.8% (336) (271) (20)

2.3% (7)

3.5% (17)

77,7%

1997

30.7% 43.2% 16.8% (165) (418) (46)

2.5% (10)

6.8% (20)

71,4%

2001

31.7% 40.7% 18.3% (166) (412) (52)

2.5% (9)

6.9% (20)

59,4%

2005

32,4% 35,2% 22,0% (198) (355) (62)

2,1% (9)

8,3 (22)

61,4%

(a) Includes National and National Liberal for 1945. Includes National Liberal and Conservative 1945-1970 (b) Liberal/SDP Alliance 1983-87; Liberal Democrats from 1992 Quellen: House of Commons Library (2004b) UK Election Statistics: 1918-2004. Research Paper 04/61, 28.07.2004 [http://www.parliament.uk/commons/lib/research/ rp2004/ rp04-061.pdf – 15.04.2007]; House of Commons Library (2005) General Election 2005, 17 May 2005 [Final Edition – 10 March 2006] Research Paper 05/33, [http://www.parliament.uk/commons/lib/research/rp2005/rp05-033.pdf – 31.07.2007].

358 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

Tabelle 4b: Veränderung der selbsterklärten Wahlbeteiligunga nach Altersgruppe und Geschlecht 1970-2001 in GB in Prozent

Altersgruppe 18-24 25-34 35-44 45-54 55-59 60-64 65+ a

1970 M W 67 66 74 77 81 84 86 85 88 86 79 84 93 84

1983 M W 74 73 76 79 87 88 88 93 89 93 82 90 86 82

1997 M W 56 64 67 70 77 78 83 86 90 87 87 88 87 85

2001 M W 60 46 59 56 66 74 76 81 79 82 80 80 87 87

Die selbsterklärte Wahlbeteiligung (self-reported turnout) liegt in der Realität über der tatsächlichen.

Quelle: House of Commons Library (2004b) UK Election Statistics: 1918-2004. Research Paper 04/61, 28.07.2004 [http://www.parliament.uk/commons/lib/research/ rp2004/rp04-061.pdf – 15.04.2007].

Tabelle 5: Entwicklung der Mitgliederzahl der Gewerkschaften 1975-2002 Jahr 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988

Mitglieder in Millionen 11,7 12,1 12,7 13,1 13,2 12,6 12,3 11,7 11,3 11,1 10,8 10,6 10,5 10,4

Jahr 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002

Mitglieder in Millionen 10,0 9,8 9,5 8,9 8,7 8,2 8,0 7,9 7,8 7,9 7,9 7,8 7,8 7,7

Quellen: Department for Business, Enterprise and Regulatory Reform (2007) [http://www.berr.gov.uk/files/file12479.pdf – 01.08.2007].

S TATISTISCHE Ü BERSICHTEN | 359

Tabelle 6: Social Benefit by Spending and by Age Group 1998 (in %) 18- 35- 55- 65 All 34 54 64 and aged 18 over and over Benefits for people who care for those who are sick or disabled

Benefits for disabled people who cannot work

Benefits for retired people

Benefits for parents who work on very low incomes

Benefits for single parents

Benefits for the unemployed

Spend more

79 84 83 80

82

Spend the same as now Spend less

18 14 14 14

15

1

1

Spend more

68 73 79 72

72

Spend the same as now Spend less

27 23 18 22

23

2

2

2

Spend more

64 75 72 74

71

Spend the same as now Spend less

30 21 24 23

24

4

1

2

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74 71 68 54

68

Spend the same as now Spend less

23 24 23 36

26

1

4

3

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45 35 29 17

34

Spend the same as now Spend less

40 44 39 39

41

12 18 26 37

21

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18 23 27 22

22

Spend the same as now Spend less

41 39 35 44

40

39 35 35 29

35

-

1

1

1

4

1

1

2

4

Quelle: Office for National Statistics (1998) »Attitudes towards Extra Spending on Social Benefits: By Age, 1998.« ONS [http://www.statistics.gov.uk/ – 23.02.2007].

360 | GLOBALISMUS UND NEW LABOUR

Tabelle 7: Public Social Expenditure as a Percentage of GDP Country Korea Mexico Turkey Ireland United States Canada Slovak Republic Japan Australia New Zealand Iceland Spain Switzerland United Kingdom Netherlands OECD average Czech Republic Greece Luxembourg Finland Hungary Poland Portugal EU15 average Italy Norway Slovenia Austria Belgium Germany Denmark France Sweden

1993 3,2 4,7 8,3 17,1 15,3 21,2 .. 12,5 16,5 20,3 15,3 23,2 17,4 21,0 25,1 20,4 18,1 19,1 23,1 29,9 .. 24,9 17,0 24,6 20,9 24,3 .. 26,0 27,0 26,1 28,6 28,1 36,2

2003 5,7 6,8 .. 15,9 16,2 17,3 17,3 17,7 17,9 18,0 18,7 20,3 20,5 20,6 20,7 20,7 21,1 21,3 22,2 22,5 22,7 22,9 23,5 23,9 24,2 25,1 25,5 26,1 26,5 27,3 27,6 28,7 31,3

Quelle: OECD (2008) OECD Factbook 2008: Economic, Environmental and Social Statistics. OECD.StatExtracts [http://stats.oecd.org – 28.07.2008].

Global Studies Jörg Gertel, Sandra Calkins (Hg.) Nomaden in unserer Welt Die Vorreiter der Globalisierung: Von Mobilität und Handel, Herrschaft und Widerstand September 2011, ca. 300 Seiten, Hardcover, durchgehend vierfarbig bebildert, 19,80 €, ISBN 978-3-8376-1697-2

Georg Glasze Politische Räume Die diskursive Konstitution eines »geokulturellen Raums« – die Frankophonie September 2011, ca. 256 Seiten, kart., ca. 27,80 €, ISBN 978-3-8376-1232-5

Barbara Grimpe Ökonomie sichtbar machen Die Welt nationaler Schulden in Bildschirmgröße. Eine Ethnographie 2010, 290 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 32,80 €, ISBN 978-3-8376-1608-8

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Global Studies Elisabeth Heidenreich Sakrale Geographie Essay über den modernen Dschihad und seine Räume 2010, 328 Seiten, kart., 27,80 €, ISBN 978-3-8376-1604-0

Katharina Inhetveen Die politische Ordnung des Flüchtlingslagers Akteure – Macht – Organisation. Eine Ethnographie im Südlichen Afrika 2010, 444 Seiten, kart., zahlr. Abb., 35,80 €, ISBN 978-3-8376-1378-0

Fernand Kreff, Eva-Maria Knoll, Andre Gingrich (Hg.) Lexikon der Globalisierung September 2011, ca. 600 Seiten, kart., ca. 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1822-8

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Global Studies Luise Althanns McLenin Die Konsumrevolution in Russland 2009, 296 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1254-7

Seyhan Bayraktar Politik und Erinnerung Der Diskurs über den Armeniermord in der Türkei zwischen Nationalismus und Europäisierung 2010, 314 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1312-4

Claas Christophersen Kritik der transnationalen Gewalt Souveränität, Menschenrechte und Demokratie im Übergang zur Weltgesellschaft 2009, 282 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1288-2

Schirin Fathi (Hg.) Komplotte, Ketzer und Konspirationen Zur Logik des Verschwörungsdenkens – Beispiele aus dem Nahen Osten 2010, 326 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1341-4

Ernst Halbmayer, Sylvia Karl (Hg.) Die erinnerte Gewalt Postkonfliktdynamiken in Lateinamerika Dezember 2011, ca. 260 Seiten, kart., ca. 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1858-7

Anne Karrass Die EU und der Rückzug des Staates Eine Genealogie der Neoliberalisierung der europäischen Integration 2009, 280 Seiten, kart., 28,80 €, ISBN 978-3-8376-1067-3

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Boris Michel Global City als Projekt Neoliberale Urbanisierung und Politiken der Exklusion in Metro Manila 2010, 338 Seiten, kart., zahlr. Abb., 31,80 €, ISBN 978-3-8376-1334-6

Margarete Misselwitz, Klaus Schlichte (Hg.) Politik der Unentschiedenheit Die internationale Politik und ihr Umgang mit Kriegsflüchtlingen 2010, 300 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1310-0

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