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German Pages 244 [209] Year 2022
Glückliche Katzen
Impressum Ein Nachdruck, auch in Auszügen, darf nur mit ausdrücklicher und schriftlicher Genehmigung der Autorin erfolgen. Die Autorin geht davon aus, dass alle Informationen und Angaben in diesem Buch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und richtig sind. Xenia Dirksen übernimmt nicht, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werks. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. 1. Auflage © Xenia Dirksen, 2022. Alle Rechte vorbehalten. Lektorat und Korrektorat: Ilka Luiken Titelbild: Xenia Dirksen (erstellt mit Canva) Bilder: S. 19, 52 Pixabay; S. 97 Akka Fotografie; übrige Xenia Dirksen Illustrationen: S. 122, 123 erstellt in Canva; übrige Philipp Wehmeyer Druck: Amazon Kindle Direct Publishing Herausgeberin und Gesamtverantwortliche: Xenia Dirksen Am Nielsenpark 6 26639 Wiesmoor [email protected] ISBN: 978-3-9824713-1-0 Taschenbuch
ISBN: 978-3-9824713-0-3 E-Book
Gewidmet meinen beiden Lehrern Huggy und Lilly in ewiger Liebe.
Einleitung Wusstest du, dass Katzen eine schlechtere medizinische Grundversorgung bekommen als andere Haustiere? 1 Sehr viele Besitzer möchten ihren Katzen und – wenn sie ehrlich sind – sich selbst den Stress nicht antun. Kommt dir das bekannt vor: »Meine Katze macht immer in die Transportbox, wenn wir zum Tierarzt fahren.« Oder: »Ich bekomme meine Katze gar nicht erst in die Transportbox.« Auch oft höre ich: »Meine Katze miaut so viel und ist beim Tierarzt total aggressiv!«. Gute Nachrichten! Das sind Herausforderungen, für die bereits Lösungen gefunden wurden, es ist nicht nötig, das Rad neu zu erfinden. Und erst recht kein Grund, nicht zum Tierarzt zu fahren, höchstens eine Ausrede. Deshalb habe ich dieses Buch geschrieben. Obwohl die Tiermedizin weiter voranschreitet, werden diese wunderbaren Wesen häufig missverstanden und noch häufiger unzureichend tierärztlich versorgt. Ehrlich währt am längsten. Deshalb mache ich dir, liebe Leserin und lieber Leser, gleich zu Beginn ein Geständnis: ich habe eine katzentypische Eigenschaft. Nein, leider ist es weder die leichtfüßige Eleganz noch das schwindelfreie Klettern: Ich bin ein Kontrollfreak! Heute Morgen musste meine Katze Lilly zur Zahn-Operation und ich hatte Frühdienst. Deshalb ist Lilly heute das erste Mal von meinem Mann zum Tierarzt gebracht worden statt – wie sonst immer – von mir. Die Nebenwirkung beschränkte sich also für mich auf eine gewisse Grundnervosität. Dazu kam das ziemlich schlechte Gewissen, die Haustür um 10 vor 5 Uhr, mit dem lauten Protest »verhungernder« Katzen in den Ohren, hinter mir zuzuziehen. Normalerweise füttere ich die Fünferbande selbstverständlich, bevor ich losfahre, aber vor einer Vollnarkose muss die betroffene Katze nüchtern sein. Aus (wie man so schön sagt) »organisatorischen Gründen« mussten die anderen auf ihr Frühstück länger warten,
denn die Katzen vorher in der Nacht zu trennen, wäre ein weiterer Bruch in der Routine und somit Auslöser von Stress. Und Stress möchte man als Katzenfreund vermeiden. Warum? Darum geht es in diesem Buch! Lilly ist wieder fit, sie hat alles prächtig überstanden, ich konnte sie nach der Arbeit auf dem Heimweg einsammeln. Zuhause hat sie sofort eine erste Portion ReConvales® Tonicum weggeschlabbert und die Katzentoilette aufgesucht. Warum ich dir das erzählt habe? Weil auch ich, als ausgebildete Katzenverhaltensberaterin und Tierheilpraktikerin nicht frei davon bin, mir Sorgen zu machen. Auch mein Herz klopft schon am Vorabend, wenn am nächsten Tag eine Untersuchung im Terminkalender steht. Dennoch bringe ich die pelzigen Herrschaften regelmäßig zur Kontrolluntersuchung und zu notwendigen Eingriffen, und ich wünsche mir, dass alle Katzeneltern das machen! Als Familienmitglied verdient sie nämlich die bestmögliche Versorgung und Gesundheitsfürsorge. Das Buch, das du, liebe Katzenfreundin, lieber Katzenfreund, jetzt in deinen Händen hältst, verbindet aktuelles Wissen über Katzenverhalten und Katzengesundheit. Es soll dir einen Einblick geben in die Gefühlswelt der Samtpfoten geben und dir Grundlagen vermitteln, was die Gesundheitsvorsorge angeht. Wissen ist Macht! Im Rahmen dieses Buchs ist es mir nicht möglich, alle Aspekte detailliert zu erörtern. Stattdessen werde ich stellenweise stichpunktartig aufzählen, was du beachten solltest und dir online Checklisten zur Verfügung stellen, die du dir als Zusatzmaterial kostenlos herunterladen kannst. Diese Informationen findest du in einem geschützten Bereich auf meiner Seite online:
Zusatzmaterial: https://www.glueckliche-katzen.de/zusatzmaterial
Beantrage den Zugriff und du bekommst das Passwort per E-Mail zugeschickt. Wenn du in die jeweiligen Themen tiefer einsteigen möchtest, schau dir bitte im Literaturverzeichnis die empfohlenen Fachbücher und im Textverlauf erwähnten Internetseiten an oder schreibe mir eine EMail! Auch wenn dir noch Themen einfallen, die dir in dieser ersten Ausgabe fehlen oder dir etwas unklar ist: Ich freue mich auf dein Feedback! An manchen Stellen wiederhole ich Grundlagen kurz, da du das Buch sowohl chronologisch lesen und auch als Nachschlagewerk nutzen kannst, wenn du möchtest. Mein Fokus liegt darauf, dir und deiner Katze zu helfen, ein harmonisches Miteinander zu finden und dich zur Detektivin für die Gesundheit deiner Samtpfote zu machen. Ich wünsche mir, dass wir aktiv die Verantwortung übernehmen für unsere Katzen. Damit bringen wir ihnen Glück und sie machen uns auch glücklich, wie unterschiedliche Studien z. B. zur heilenden Wirkung des felinen Schnurrens 2 belegen. Wenn du dich mit deiner Katze intensiv beschäftigst, sie achtsam wahrnimmst, entdeckst du Details, die dir vorher vielleicht gar nicht aufgefallen sind. Aus diesem Grund habe ich an einigen Stellen kleine Achtsamkeitsübungen eingefügt, die dir helfen können, nicht nur das Wissen hier aufzunehmen, sondern dich aktiv mit deinem felinen Freund zu beschäftigen. Ich lade dich herzlich ein, mich zu begleiten auf unserer gemeinsamen Mission! Und dies ist eine »Mission possible« mit dem Ziel: unsere Katzen zu verstehen und sie in ihren Bedürfnissen und Emotionen wirklich wahrzunehmen. Dabei spielt zu Beginn die Abstammung der Katze eine Rolle und wie und warum sie sich uns Menschen angeschlossen hat. Ich bemühe mich diese historischen Fakten kurz zu halten, da sie weniger spannend erscheinen (vor allem, wenn du – wie ich – Geschichte nicht zu deinen Lieblingsschulfächern zählst). Insbesondere im Vergleich zu der Frage, warum deine Katze dir
heute wieder auf dein Bett gepieselt hat, erscheint das Thema zweitrangig. Es ist aber wichtig, um das »Warum« hinter dem Verhalten deiner Katze zu verstehen. Warum kratzen Wohnungskatzen heute genauso an deinem Sofa, wie Wildkatzen an einem Baum im Wald? Wieso solltest du sie dafür nicht bestrafen? Wie kannst du stattdessen deine Wohnungseinrichtung retten? Spoiler-Alarm: doppelseitiges Klebeband kann hilfreich sein. Aber nur in Verbindung mit einer katzengerechten Wohnungsausstattung und positivem Training! Die Gesundheit einer Katze ist immer ein wichtiger Aspekt, der vielfach nicht ausreichend beachtet wird, wenn Verhaltensprobleme auftreten. »Protestpinkeln« und »Hinterhältigkeit« sind zwei Beispiele für missverstandenes, weil vermenschlichtes Katzenverhalten. Eine weitere Ursache für falsche Auslegungen vom Verhalten unserer Katzen, ist das fehlende Verständnis vieler Menschen für die Katze als Wesen an sich. Deshalb beginnt unsere gemeinsame Mission mit einem Thema, das wichtig und grundlegend ist, wenn du deine Katze wirklich verstehen möchtest. Wie wurde die Katze zum Haustier?
Viel Spaß beim Eintauchen in die »wilde« Geschichte der Katze!
Vgl. Volk, JO, Felsted, KE, Thomas, JG, et al. Executive summary of the Bayer veterinary care usage study. In: J Am Vet Med Assoc 2011; 238: 1275–1282 Vgl. Elizabeth von Muggenthaler (2001) The felid purr: A healing mechanism? In: The Journal of the Acoustical Society of America 110, 2666
1 Die Katze – ein domestiziertes Tier?
I
n Deutschland leben derzeit etwa 15,7 Millionen 1 Katzen. Seit etwa 10.000 Jahren schätzen Menschen die Katzen als Gefährten und Mäusejäger. Ihr bisweilen eigensinniges Verhalten fasziniert und verwirrt uns immer wieder. Obwohl sie die Annehmlichkeiten unseres Zuhauses gerne annehmen, wollen Katzen selbständig ihre eigenen Wege gehen. Einerseits sagt man ihnen nach, sie seien unabhängig und eigenwillig, und wir lieben sie gerade dafür. Andererseits führte dieses Verhalten in der Vergangenheit dazu, dass sie verfolgt wurden; selbst heute sorgt dieser »Ruf« noch für Missverständnisse und Leid bei Katzen. Der Aberglauben spielt angeblich heute keine Rolle mehr, aber schwarze Katzen finden seltener ein neues, liebevolles Zuhause und verbleiben viel häufiger in den Tierheimen. 2 Ein Blick auf die Entwicklung von der Wildkatze zur Hauskatze zeigt nicht nur, welche biologischen Muster bis heute das Verhalten der Katzen prägen. Wir erkennen auch, dass die Menschen niemals die Domestikation dieses Tieres vollständig abschließen können; selbst die verwöhnteste Rassekatze besitzt in ihrem Innersten die »wilden« Fähigkeiten ihrer frei lebenden Vorfahrin.
1.1 Die Geschichte der Katze Die wilde Vorfahrin unserer Hauskatze (Felis catus) ist die afrikanische Falbkatze (Felis silvestris lybica). Sie lebt auch heute noch in Teilen Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens. Die nachtaktive Falbkatze jagt vorwiegend am Boden und bevorzugt als Beute kleine Nagetiere. Sie lebt einzelgängerisch 3 und verteidigt ihr Revier aggressiv gegen andere Katzen. Dennoch versucht sie Artgenossen zu meiden, um Konfrontationen aus dem Weg zu gehen. Nur in Phasen der Fortpflanzung weicht sie von diesem Verhaltensmuster ab. Laut Evolutionstheorie dreht sich in der Natur bzw. der Entwicklung der Arten und Spezies alles ums Überleben. Das hast du schon im Biologieunterricht gehört, als Darwin mit seiner Theorie des »Überlebens des am besten Angepassten« auf dem Lehrplan stand. Katzen meiden Kämpfe mit ihren Artgenossen nach Möglichkeit, da
Verletzungen potenziell das Überleben gefährden. Als alleinlebendes Tier muss die Katze sich selbst versorgen: Beute aufstöbern, jagen, fangen und erfolgreich erlegen. Schon eine geringfügige Bisswunde schwächt sie massiv und bedroht ihr Leben: Ein größeres Raubtier könnte sie fressen, sofern sie nicht an der Infektion stirbt oder verhungert. Dieses »Sich-aus-dem-Weg-gehen« führte zu einer differenzierten Form der Kommunikation; mehr dazu im 2. Kapitel. URL: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/30157/umfrage/anzahl-derhaustiere-in-deutschen-haushalten-seit-2008/ [Stand 11.04.2022] Vgl. Lori Kogan et al. (2013) Cats in animal shelters: Exploring the common perception that black cats take longer to adopt. In: The Open Veterinary Science Journal. URL: https://www.researchgate.net/publication/305766173_Cats_in_animal_shelters_Ex ploring_the_common_perception_that_black_cats_take_longer_to_adopt [Stand 09.04.2022] Vgl. John Bradshaw u. Charlotte Cameron-Beaumont (2000) The signalling repertoire of the domestic cat and its undomesticated relatives. In: D.C. Turner, P. Bateson (Hrsg.) The Domestic Cat. 2nd ed. Cambridge, Cambridge University Press. S. 68
Unsere Wildkatzen – vom Aussterben bedroht: Unsere Hauskatze ist mit der europäischen Wildkatze (Felis silvestris silvestris) genetisch verwandt, stammt aber nicht von ihr ab. Streunende, unkastrierte Hauskatzen, die sich unkontrolliert mit Wildkatzen verpaaren, gefährden massiv den Bestand der europäischen Wildkatze. Forscher untersuchten die Population der schottischen Wildkatzen und stellten fest, dass nur noch etwa ein Zehntel der Katzen genetisch der ursprünglichen Wildkatzen entsprechen.
Die europäische Wildkatze (Quelle: Pixabay)
1.2 Beginn der Haustierwerdung Im Gegensatz zu der Zähmung von Wölfen und somit dem Beginn der Haustierwerdung des Hundes vor 135.000 Jahren (laut genetischer Untersuchungen archäologischer Knochenfunde), kamen Katzen erst sehr viel später zu uns Menschen: vor ungefähr 10.000 Jahren, genauer um 7500 v. Chr. im östlichen Mittelmeerraum. Über den Ablauf wissen wir leider nur wenig: Offenbar ließen sich zur Jungsteinzeit die sogenannten Jäger und Sammler in erste Siedlungen nieder und kultivierten wilde Getreidesorten, die sie nach der Ernte lagern mussten. Mit der Erfindung und dem Bau von Kornspeichern, fanden Mäuse und Ratten den Weg in die menschlichen Wohngebiete, um sich an den wertvollen Getreidereserven zu bedienen. Die afrikanischen Falbkatzen gelten als die einzigen Wildkatzen, die den Mut besaßen, sich den Menschen zu nähern und lernten, dass ihnen in der Nähe
der Siedlungen und der Kornspeicher ein reich gedeckter Tisch in Form von kleinen Nagern zur Verfügung stand: Schluss mit langem Pirschen auf der Suche nach dem Abendbrot! Die frühen Siedler erkannten den Wert der Katzen als Nagetierjäger und Spielgefährten. Vermutlich fütterten sie die kleinen Räuber zusätzlich. Diese Katzen kannten keinen Hunger und konnten sich prächtig vermehren. Ihre Nachkommen erbten die Zutraulichkeit und die Bereitschaft, in der Nähe der Menschen und anderer Katzen zu leben, der Beginn einer neuen Art: der Hauskatze. Forscher gehen davon aus, dass die Alt-Ägypter um 4000 v. Chr. zum ersten Mal Katzen aktiv züchteten, zunächst zum Schutz der Getreidespeicher und zur Bekämpfung von »Schädlingen«, besonders gegen die Nilratte – und sogar gegen Schlangen. Um diese Zeit – vor über 6.000 Jahren – entstanden Hieroglyphen, die übersetzt »Miau« bedeuten und als Mädchenname übernommen wurden. Das unterstreicht die damalige Bedeutung der Katze in der alt-ägyptischen Kultur. Die frühe Verehrung der Katzen zeigt sich auch in der Katzengöttin »Bastet« (Verspieltheit, Fruchtbarkeit, Mutterschaft und weibliche Sexualität). Sie spiegelt sich wider in archäologischen Funden von mumifizierten Katzen, die z. B. mit ihren Futter- und Milchnäpfen bestattet wurden, aber auch in Ornamenten findet man Abbildungen von Katzen. Das Töten einer Katze im alten Ägypten stellte ein Verbrechen dar, das mit dem Tode bestraft wurde, selbst im Falle eines Unfalls. Diese Verbreitung der Hauskatzen verlief über einen langen Zeitraum und hauptsächlich unter menschlicher Kontrolle, indem etwa Menschen die Katzen auf ihre Reisen in ferne Länder mitnahmen. Obwohl in Ägypten die Ausfuhr von Katzen verboten war, kauften wohlhabende Familien in Griechenland geschmuggelte Katzen. Seemänner transportierten die Katzen auf ihren Schiffen, und über diesen Weg verbreiteten sich die Tiere ab etwa 500 v. Chr. im gesamten römischen Reich, wie Abdrücke von Katzenpfoten auf Tonziegeln in römischen Städten belegen. Die Seemänner schmuggelten nicht nur Katzen, sie machten einen
Brauch daraus, Katzen als Schiffskatzen mitzunehmen; die Tiere galten bald als Glücksbringer. Durch Genanalysen konnte nachgewiesen werden, dass sogar die Straßenkatzen Chinas von der Falbkatze abstammen.
1.3 Domestikation Trotz dieser zehntausendjährigen gemeinsamen Geschichte zeigen Katzen Eigenschaften, die wir normalerweise nicht mit domestizierten Haustieren in Verbindung bringen. Von »Domestikation« spricht man, wenn der Mensch für ein Tier festlegt: wo es sich aufhält, welche Nahrung es bekommt und mit welchen Artgenossen es sich fortpflanzt (Zucht).
Die Tatsache, dass viele Freigänger selbst entscheiden, wo sie sich aufhalten, erfolgreich jagen, sich somit ernähren können und – sofern sie nicht kastriert werden – selbst entscheiden, mit wem sie sich paaren, stellt den Status der Domestikation der Katze im Allgemeinen in Frage. In Deutschland gibt es geschätzte zwei Millionen verwilderte Hauskatzen. Leider ist das wilde Leben oft alles andere als schön, denn es gibt in besiedelten Gebieten kaum genug Futter, und hochansteckende Infektionskrankheiten wie z. B. Katzenschnupfen und »Katzenseuche« (Parvovirose) verbreiten sich schnell. Deshalb ist es mehr als wünschenswert, dass die Umsetzung der vielerorts bereits eingeführten Kastrationspflicht erfolgt und kontrolliert wird. Im Gegensatz etwa zu Hunden, die zunächst als Jagdpartner oder zum Hüten von Vieh gezüchtet wurden, gilt bei der Auswahl von Katzen zur Zucht das äußere Erscheinungsbild als wichtiges Kriterium. Unterschiede in Temperament, Charakter und Verhalten entstanden nebenbei zufällig. Katzenzuchtverbände und somit anerkannte Katzenrassen gibt es erst seit 150 Jahren. Genanalysen widerlegen die Behauptung mancher Züchter, einige Rassen, z. B. die Siam, würden seit Hunderten von Jahren existieren. 4 Vgl. John Bradshaw (2015) Die Welt aus Katzensicht. Franckh-Kosmos Verlag. S.
349.
2 Kätzisch
W
ir modernen Menschen nutzen hauptsächlich Schriftund Lautsprache, um uns zu verständigen. Wir beachten die Mimik, Gestik und den Tonfall weniger, und oft fällt es uns schwer, den Ausdruck des Körpers anderer Menschen sicher zu deuten. Durch die teils großen Unterschiede in der kulturellen Deutung entstehen oft zusätzliche zwischenmenschliche Missverständnisse. Viele Gesten besitzen sogar in unterschiedlichen Kulturen gegensätzliche Bedeutungen. Wie viel schwieriger erscheint es uns erst, die Körpersprache einer anderen Spezies zu verstehen? Selbst die normale, gesprochene Sprache zwischen Menschen führt zu Missverständnissen. Denken wir an das Vier-Seiten-Modell
von Schulz von Thun, nach dem jede Nachricht unter vier verschiedenen Aspekten gedeutet werden kann. 1 Kommunikation – als Austausch und Übertragung von Informationen – zwischen Katzen findet vorwiegend auf drei Wegen statt: Duft-, Laut- und Körpersprache. Ein großer Teil der Katzensprache entwickelte sich aus ihrem Bedürfnis, ihr Revier zu markieren und zu verteidigen, während man sich möglichst aus dem Weg geht. So entstand die »Chemokommunikation«, die Duftsprache, mit der man über Zeit und Distanz hinweg Botschaften hinterlassen kann. Sie bleiben für den Empfänger wahrnehmbar, während man selbst schon längst das Weite sucht. Die Duftsprache stellt für Katzen dar, was für uns ein »Post-it« mit der Aufschrift »Ich war hier!« oder das Lippenstiftherz auf dem Badezimmerspiegel einer Frischverliebten sein kann. Auch die Körpersprache dient dem Informationsaustausch über die Absichten des Senders und Empfängers, und dazu müssen sich die beiden Parteien in Sichtweite befinden. Diese nonverbale Kommunikation kann z. B. drohend sein, um einen möglichen Feind abzuschrecken. Hier kommt meistens auch die passende Lautsprache zum Einsatz. Die reine Lautsprache setzt nicht unbedingt voraus, dass man sich gegenseitig bereits im Blick hat. Rollige Kätzinnen gurren und rufen nach Katern, die sie anlocken wollen.
2.1 Körpersprache Katzen kommunizieren als Hauptweg mittels Körpersprache, um eine Botschaft über eine gewisse Sicherheitsdistanz hinweg zu vermitteln. Sie »reden« subtil. Wer allerdings denkt, dass Katzen über eine eingeschränkte Mimik verfügen, hat noch nicht genau hingeschaut! Grob gesagt kann man die Informationen einteilen in a) »komm näher« oder b) »bleib weg« bzw. »geh mir aus dem Weg!«. 2
Achtsamkeitsübung:
Überlege kurz: mit welchen Körperteilen »spricht« deine Katze? Schreibe alle Körperteile auf, die dir einfallen, ohne eine Suchmaschine zu nutzen und selbstverständlich, ohne weiterzulesen! Die Körpersprache der Katze steht im jeweiligen Zusammenhang zur Situation. Sie kann uns z. B. helfen, zu erkennen, ob eine Katze an akuten Schmerzen leidet. Hierzu wurde die »Feline Grimace Scale« © 3 entwickelt. Das ist eine wissenschaftlich validierte Skala, anhand derer Tiermediziner prüfen, ob eine Katze (mehr) Schmerzmittel benötigt, z. B. nach einer Operation. Du kannst dir das Trainingshandbuch kostenfrei herunterladen. Es gibt auch eine kostenlose Handy-App 4. Dieses Instrument dient nicht dazu, die Stimmung deiner Katze abzulesen, sondern gibt Hinweise darauf, wie akute Schmerzen eingeschätzt werden können. Wir schauen uns im Folgenden die einzelnen Körperteile die Ausdrucksmöglichkeiten von Stimmung der Katze an. An dieser Stelle erfolgt nochmals der Hinweis, dass die Bewertung immer im Gesamtzusammenhang der Situation erfolgt.
Augen Hat deine Katze die Augen entspannt geschlossen, ruht oder schläft sie (logisch, oder?), aber auch bei Schmerzen halten Katzen die Augen manchmal geschlossen. In diesem Fall zeigt die Katze oft Anzeichen von Nervosität und teils Gereiztheit, sobald man ihr zu nahe kommen, sie durch Streicheln beruhigen oder einen schmerzenden Körperbereich abtasten möchte. Wahrscheinlich aus Angst, man könnte sie an schmerzenden Stellen berühren. Ein weiteres Schmerzanzeichen bzw. Anzeichen für Unwohlsein kann das Zeigen der Nickhaut sein. Man sieht Chesters Nickhaut nach einer Zahn-OP, die Augen sind halb geschlossen, die Ohren sind etwas seitlich geneigt
und der Maulbereich ist ellipsenförmig leicht angespannt. Er ist kurz zuvor aus seiner Transportbox gestiegen.
Ein entspannter Blick aus klaren, weit geöffneten Augen spricht für eine ruhige, gut gelaunte oder konzentrierte Katze.
Huggy blickt interessiert aus dem Fenster, die Ohren sind nach vorne gestellt, die Augen weit geöffnet. Langsames Blinzeln
Blinzelt deine Katze dir langsam zu, also schließt und öffnet sie ihre Augen langsam in deine Richtung, erwidere diese Geste unbedingt und schau, was geschieht! Verhaltensforscher sehen dieses Blinzeln als freundliche und defensive Geste. Man nennt es auch »das Lächeln der Katze«. Das Abwenden des Blicks stellt eine höfliche Geste dar, kann aber auch auf Nervosität und Unruhe hindeuten. Hier hilft ein Blick auf die Ohren. Stehen sie normal vor, zeigt deine Katze sich tatsächlich höflich. Zur Seite gestellt, weisen sie auf Unruhe oder Unsicherheit hin.
Zwergi hört hinter sich eine andere Katze. Sie stellt die Ohren leicht nach seitlich und nach hinten.
Im Gegensatz dazu stellt das Starren in die Augen einen dreisten Übergriff dar. Es wird in der Welt der Katzen äußerst ungern gesehen und wirkt aggressiv und bedrohlich. Hin und wieder sehe ich dieses Verhalten bei unserem Chester: Wenn er entscheidet, dass er eine Weile in Amys Körbchen neben meinem Bett liegen möchte. Er setzt sich dicht vor seine Schwester und starrt sie an. Amy weiß natürlich, was er will und beginnt sofort, zu fauchen und zu knurren. Sie hebt oft die Pfote zur Drohung, falls die Lautgebung nicht ausreicht. Chester hat ein dickes Fell, in jeder Hinsicht, und meistens gibt er nicht auf, bis Amy sich fügt und ihr Körbchen verlässt – falls kein Mensch interveniert. Was du im Übrigen ruhig machen solltest, wenn du siehst, dass sich Streit anbahnen könnte. Manchmal kannst du beobachten, dass die Pupillen deiner Katze ganz groß werden, z. B. wenn sie ein Eichhörnchen am Fenster entdeckt oder aber, wenn sie in der Transportbox sitzt. Erweiterte Pupillen treten bei Aufregung auf, egal ob die Katze Angst vor dem Ziel der Reise hat oder ob sie sich gerade im Jagdfieber befindet. Hast du schon beobachtet, dass deine Katze(n) besonders die Leute unheimlich interessant finden, die Katzen nicht mögen – und oft gerade zu diesen Menschen Nähe suchen? Diese Leute schauen nicht in ihre Richtung, gehen an ihnen vorbei und reden nicht mit ihnen. Deine Katze denkt sich etwas wie: »Boah, endlich mal ein höflicher Mensch und nicht immer diese übergriffigen Tanten, die mich ungefragt angrapschen wollen…«. Wenn die Neugier siegt, gehen sie zu genau diesen Leuten, um sie zu begrüßen.
Der Sehsinn Der Großteil der Beute von Katzen besteht aus kleinen Nagetieren, die zumeist dämmerungsaktiv leben. Deshalb hat sich der Sehsinn
der Katze entsprechend angepasst; sie sieht ausgezeichnet in schlechten Lichtverhältnissen und kann besonders schnelle Bewegungen extrem gut wahrnehmen. Katzenaugen sind überproportional groß im Verhältnis zu ihrer Kopfgröße. Der Durchmesser beträgt 22 mm, im Vergleich dazu misst das menschliche Auge 25 mm 5, und wir haben einen viel größeren Schädel! Alle Säugetieraugen besitzen zwei Typen von Lichtrezeptoren: Zum einen die Zapfen, verantwortlich für das Farbsehen. Farben sieht man bei Licht, das wissen wir alle, denn nachts sind alle Katzen grau. Zum anderen sorgen die lichtempfindlichen Stäbchen für das Hell-Dunkel-Sehen. Katzenaugen enthalten mehr Stäbchen als Zapfen. Um die empfindliche Netzhaut zu schützen, können Katzen ihre Pupille auf vertikale Schlitze von weniger als einem Millimeter Breite reduzieren. Außerdem schließen sie bei hellem Licht ihre Augen oft zur Hälfte 6. Im Hintergrund des Auges befindet sich eine Zellschicht (»tapetum cellulosum lucidum«). Sie reflektiert das einfallende Licht, das noch nicht von den lichtempfindlichen Zellen absorbiert wurde. Mit dem Effekt, dass dieses Licht die Netzhaut ein zweites Mal passieren kann. Die Effizienz des Auges erhöht sich durch diesen Verarbeitungsprozess des Lichtes um bis zu 40 Prozent 7. Katzen nehmen daher auch minimalste Spuren von einfallendem Licht wahr und können sich schnell und sicher bewegen, während wir Menschen uns im Normalfall von Dunkelheit umgeben unsicher fühlen. Das Gesichtsfeld der Katzen umfasst 200 Grad. Felines Sehen ist binokular wie bei uns, d. h. beide Augen projizieren jeweils ein Bild, und diese beiden Bilder verarbeiten wir zu einem dreidimensionalen räumlichen Sehen. Die Sehschärfe ist am besten, wenn Objekte zwei bis fünf Meter entfernt sind, da die unflexiblen Linsen der Katzenaugen eine geringere Fähigkeit besitzen, zu fokussieren. Ihre Linse fokussiert, indem sie sich vorwärts und rückwärts bewegt; ein langsamer
Vorgang, der dazu führt, dass Katzen Objekte, die näher als 25–30 cm vor ihrem Gesicht liegen, nicht scharf sehen können. Wenn du näher als ein DIN-A-4-Blatt lang ist, an deine Katze herankommst, sieht sie dich nur noch verschwommen. Das Farbsehen der Katzen begrenzt sich wahrscheinlich nur auf zwei Arten von Zapfen, um die Farben Blau und Gelb zu sehen. Farben wie Rot und Grün erscheinen ihnen wahrscheinlich nur grau. Umso besser sehen Katzen Objekte, die sich schnell bewegen. Neonröhren und Fernseher mit 60 Hz erscheinen der Katze nicht als Dauerlicht, sondern als permanentes Flackern 8. Dies ist ein Beispiel dafür, dass Katzen die Umwelt völlig anders als wir Menschen wahrnehmen.
Ohren Stehen die Ohren deiner Katze gerade vor, nimmt sie ihre Umgebung oder ein spezielles Geräusch aufmerksam und interessiert wahr. Sie versucht, mehr Informationen zu erlauschen. Bei ruhenden Katzen werden die Ohren entspannt gehalten, während nach außen gedrehte Ohren eher Verunsicherung oder Ängstlichkeit anzeigen. Stell dir vor, deine Katze liegt auf deinem Schoß. Sie dreht dir ihr Hinterteil zu und du streichelst ihren Rücken. Nun drehen sich ihre Ohren nach außen. Beobachte ihre Schwanzspitze. Wenn diese beginnt zu zucken, gefällt ihr irgendetwas nicht. Du solltest deine Hand zurückziehen und weiter beobachten. Vielleicht hat sie auch nur irgendwo ein Geräusch wahrgenommen, vielleicht reichen ihr deine Streicheleinheiten. Du kennst vielleicht auch dieses unangenehme Gefühl, dass jemand deinen Rücken immer an der gleichen Stelle »krault«. Irgendwann reagiert die Haut überreizt. Katzen empfinden ganz ähnlich, und genau wie wir Menschen, empfinden sie unterschiedlich sensibel. Die Laune deiner Katze bewegt sich in den Keller, wenn sie ihre Ohren nach hinten dreht und an den Kopf anlegt. Du solltest sie sofort in Ruhe lassen, damit kein Angriff droht. Wenn sich eine ängstliche Katze verteidigt, legt sie die Ohren eher seitlich an. Auch in dieser Situation geht man auf Distanz, um einen
Angriff zu vermeiden. Eine Katze, die selbstbewusst ihr Revier verteidigt, legt die Ohren bei einem Angriff flach nach hinten an, um sie vor Verletzungen zu schützen.
Katzenfakten: Das Gehör Das exzellente Gehör beginnt, wenn Schallwellen in die flexibel und unabhängig voneinander bewegbaren Ohrmuscheln treffen. Sie besitzen eine strukturierte Oberfläche auf der Innenseite, die als Richtungsverstärker wirkt 9. Der Bereich des Katzengehörs übertrifft den des Menschen bei weitem und reicht von 48 Hz bis 60 kHz. Er umfasst Ultraschall (sehr hoch, z. B. das Piepsen kleiner Nagetiere) und Infraschall (sehr niedrige Frequenzen). Katzen können die Schallquelle in einem Raum sehr genau orten und sogar zwei getrennte Quellen lokalisieren, die in einer Reihe liegen, z. B. eine entfernte Maus, wenn sich eine Grille dazwischen befindet 10. Wenn deine Katze plötzlich angestrengt in eine Richtung lauscht, hört sie nicht unbedingt Geister, sondern vielleicht nur eine Fledermaus.
Maul und Schnurrhaar Katzen beißen ihre Kiefer bei Schmerzen und Stress fest zusammen. Man muss genau hinschauen, um diesen Biss zu erkennen: Das Mäulchen erscheint nicht mehr rund sondern eher ellipsenförmig. Ein offenes Maul zeigen Katzen nur beim Vokalisieren, d. h. wenn sie fauchen oder miauen. Wenn Katzen flehmen öffnen sie ihr Maul etwa ein bis zwei Zentimeter, um aktiv Duftstoffe mit ihrem Vomeronasalorgan aufzunehmen (s. Kap. 2.2). Wenn deine Katze hechelt, solltest du möglichst schnell eine tierärztliche Abklärung durchführen lassen, weil u. a. ein Herzproblem vorliegen kann (s. Kap. 9). Auch Stress kann das Hecheln auslösen. Huggy hechelt manchmal im Auto auf dem Heimweg vom Tierarztbesuch. Hecheln ist im Gegensatz zu Hunden bei Katzen keinesfalls normal, sondern immer ein Alarmzeichen! Die Stellung der Schnurrhaare (»Vibrissen«) ist von weitem nicht besonders gut sichtbar für andere Katzen. Sie spielt für die Kommunikation eine untergeordnete Rolle, wird aber bei der »Feline Grimace Scale« ausgewertet. Die Schnurrhaare dienen dazu, das schlechte Sehen im Nahbereich auszugleichen. Die Katze nutzt diese hochempfindlichen Haare unter anderem, um Informationen über die Beschaffenheit ihrer Beute zu sammeln. Nicht nur am Maulbereich, auch über den Augen und an einigen Gelenken besitzen Katzen diese festen Haare, deren Follikel mit hochsensiblen Nervenenden verknüpft sind. Bei vorstehenden und weit aufgefächerten Schnurrhaaren siehst du eine interessierte und aufmerksame Katze vor dir; flach angelegte Schnurrhaare können Angst oder Ekel ausdrücken.
Schwanz Der Schwanz spricht bei Katzen eine deutliche Sprache. Die neutrale, entspannte Haltung mit einer leichten Bewegung der Schwanzspitze bedeutet: alles in Ordnung. Die Katze fühlt sich entspannt und zufrieden. Kommt deine Katze auf dich oder andere Katzen zu und hält ihren
Schwanz senkrecht hoch, die Schwanzspitze oft auch u-förmig abgeknickt, befindet sie sich in bester Stimmung: Sie freut sich, Freunde zu begrüßen, egal ob Vier- oder Zweibeiner. Dieses sogenannte »Tail-Up-Signal« wurde 1997 von CameronBeaumont in einer Kolonie Streunerkatzen untersucht. Es gilt heute als eindeutige freundliche Begrüßung von Artgenossen 11, mit denen eine Katze anzeigt, dass sie positiv gestimmt ist und keine Absicht hat, die andere Katze zu vertreiben.
Wenn deine Katze nach der Begrüßung an der Haustür auf diese Weise vor dir herläuft, will sie dir etwas zeigen: wahlweise den leeren Futternapf oder die geschlossene Terrassentür. Während du brav der Aufforderung folgst und die Dose Hirschfilet an CranberryJus aufmachst, siehst du vielleicht, dass deine Katze aufgeregt mit den Hinterpfoten trippelt, den Schwanz zitternd senkrecht nach oben hält, als wolle sie oder er harnmarkieren. Glücklicherweise markiert sie nicht, daher nennen wir dieses Verhalten »Scheinmarkieren«. Der US-Amerikanische Katzenverhaltensberater Jackson Galaxy beschreibt das Scheinmarkieren als einen Ausdruck höchster positiver Anspannung. Nach meinen eigenen Beobachtungen stimme ich ihm voll zu. Eine ängstliche Katze versucht sich möglichst klein zu machen und hält daher ihren Schwanz eng am Körper. Beim Tierarzt lässt sich dieser Körperausdruck häufig gut beobachten: Sobald der Tierarzt den Deckel der Transportkiste abnimmt, erscheint deine Katze nur halb so groß, wie zu Hause zur Futterzeit. Am besten nimmst du den Deckel selbst ab und beruhigst deine Katze gleichzeitig. Ein zuckender oder wedelnder Schwanz zeigt Aufregung oder Nervosität an. Auf jeden Fall solltest du vorsichtig sein: Deine Katze zeigt sich ungeduldig, etwas missfällt ihr, regt sie auf, oder sie hat Schmerzen. Beispielsweise sieht sie durch das Fenster ein fremdes
Tier, hört ein Geräusch, das sie in Unruhe versetzt, oder sie empfindet deinen Versuch, ihr Fell zu bürsten, als äußerst unangenehm, und du solltest sie in Ruhe lassen.
Körperhaltung Wie bereits beschrieben, macht eine ängstliche Katze sich so klein wie möglich. Sie kauert sich zusammen, bleibt auf allen vier Pfoten absprungbereit sitzen und hält den Schwanz dicht an oder unter ihrem Körper versteckt. Diese Körperhaltung sieht man bei Katzen, die sich in die Enge gedrängt fühlen.
Eine entspannte Katze liegt lang ausgestreckt, manchmal sogar auf dem Rücken. Wenn sie dir sogar ihren Bauch zeigt, signalisiert sie dir großes Vertrauen. Bei fremden Katzen und bei Katzen, die du nicht gut einschätzen kannst, solltest du das Bäuchlein niemals streicheln. Freue dich über das Vertrauen und respektiere das Tier. Die Rückenhaltung – mit nach oben gestrecktem Bauch – hat nämlich noch eine weitere Bedeutung: Die Katze befindet sich in der perfekten Defensivposition; sie hält alle vier Pfoten mit scharfen Krallen und ihre Zähne bereit, um sich schnell und heftig gegen eine Berührung der empfindlichen Körperstelle zu wehren. Oft halten Menschen Katzen nach so einer Erfahrung für »unberechenbar« und »hinterlistig«, ohne ihr eigenes Verhalten zu reflektieren, das in den Augen der Katze schlichtweg übergriffig war. Wer lässt sich schon gern von Fremden ungefragt an empfindlichen Körperstellen berühren? Sicher konntest du bereits einen Katzenbuckel »live« sehen. Deine Katze wölbt ihre gesamte Wirbelsäule hoch und sträubt ihr Fell, um kräftig und größer zu wirken. Sie fühlt sich in dem Moment extrem ängstlich und will ihren Gegner einschüchtern. Dieses Verhalten stellt – wie das Fauchen – eine artübergreifende Droh- bzw.
Täuschungsgebärde dar 12. Auch ein Hund weiß, was die Katze ausdrücken will, wenn sie sich möglichst groß macht und fauchende Laute ausstößt.
Achtsamkeitsübung:
Stell dir folgende Situation vor: Eine Person, die Katzen sehr gern mag, trifft auf der Straße eine ihr unbekannte Katze. Sie lächelt sie breit an, geht auf sie zu und beugt sich über sie, um sie zu streicheln. Versetze dich jetzt in die Lage der Katze und beschreibe diese Situation aus ihrer Sicht. Wie könnte sie sich fühlen?
2.2 Duftsprache/ Chemokommunikation Achtsamkeitsübung:
Welche Arten und Mittel der Duftkommunikation fallen dir ein? Welche Vorteile hat »Duftsprache« gegenüber den anderen Formen der Kommunikation? Duftbotschaften bestehen aus Urin-, Kot-, Gesichts- und Kratzmarkierungen. Die Kommunikation über Duftstoffe stellt eine gute Möglichkeit dar, Artgenossen eine Botschaft zu hinterlassen und sich räumlich sowie zeitlich aus dem Weg zu gehen. Katzen denken ihr Revier auch zeitlich und nutzen beliebte Stellen im »Time-Sharing-Verfahren«, sozusagen in Teilzeit. Vielleicht hast du schon beobachtet, dass eine deiner Katzen einen beliebten Platz morgens und eine andere deiner Katzen diesen Platz am Abend nutzt?
Chemokommunikation ermöglicht einen passiven Informationsaustausch. Die Katzen müssen sich nicht begegnen und vermeiden offene Kämpfe. Der Nachteil besteht darin, dass der Sender keine Kontrolle darüber hat, wer seine Botschaften »liest«. Die Botschaften können Informationen enthalten über das Geschlecht des Senders, ob er oder sie kastriert oder vielleicht gerade paarungsbereit sein könnte und wann die Markierung abgesetzt wurde.
Markieren mit Urin und Kot Wenn Katzen Urin absetzen, liegen zwei Gründe vor: entweder markiert oder uriniert die Katze. Urinieren erfolgt, weil die Katze ihre Blase entleeren muss. Normalerweise hockt sie sich hin, nachdem sie zunächst eine Vertiefung gegraben hat und streckt ihren Schwanz waagerecht über dem Boden nach hinten. Nach dem Urinabsatz wird das Geschäftchen verscharrt und abschließend eine Geruchskontrolle durchgeführt. Markieren mit Urin erfolgt im Stehen. Die Katze hält die Hinterbeine durchgestreckt, den Schwanz vertikal nach oben und spritzt Urin gegen eine vertikale Fläche. Bei Urinmarkierungen stellte man fest, dass gut genährte Kater höhere Konzentrationen bestimmter Stoffe im Urin aufweisen, die den typischen »Kater-Geruch« verursachen. Das hilft paarungsbereiten, rolligen Kätzinnen, den »stärksten« Kater am Geruch des Urins zu erkennen. Da gute Jäger mehr proteinreiche Mäuse erlegen, befindet sich mehr der Aminosäure »Felinin« im Urin 13. Bei den gut genährten Hauskatern sagt es nichts mehr über den Jagderfolg aus, aber so weit denken die Kätzinnen natürlich nicht. Kommt die Katze einer Duftmarkierung auf die Spur, setzt sie ihre Superkraft ein: das Vomeronasalorgan, auch »Jacobson-Organ« genannt. Ein zusätzlicher Geruchssinn, das im erwachsenen Menschen größtenteils nur noch rudimentär existiert 14. Das Vomeronasalorgan (VNO) besteht aus zwei mit Flüssigkeit gefüllten Röhrchen, die hinter den oberen Schneidezähnen beginnen und in kleinen Muskelsäckchen enden.
Lage Eingang VNO
Das »Jacobson-Organ« verfügt über mindestens 30 verschiedene Arten von Rezeptoren 15 und wird von der Katze genutzt, um mehr Informationen über Gerüche zu erhalten, als sie durch bloßes Schnüffeln erhalten kann. Sie erkennt und identifiziert damit Pheromone anderer Katzen. Wenn eine Katze das Vomeronasalorgan benutzt, hält sie ihr Maul etwa ein bis zwei Zentimeter weit geöffnet und zieht die Lippen zurück. Diese Grimasse wird als »Flehmen« bezeichnet und ist auch bei anderen Säugetieren, z. B. Hunden und Pferden bekannt. Die Katze nimmt den Duft aktiv auf, indem sie ihn mit der Zunge in die Röhrchen drückt. Zwergi flehmt.
Links unten zeigt Zwergi den typischen Gesichtsausdruck beim Flehmen, während sie aufgenommene Pheromone mit ihrem »Jacobson«-Organ »riechschmeckt«. Wenn sie ihre Analyse beendet, kann man beobachten, dass sie sich über die Lippen leckt: Sie entleert das Organ wieder und schluckt die Pheromone herunter. Die Nervenzellen des Vomeronasalorgans erreichen hauptsächlich das limbische System, z. B. die Amygdala, dort werden Gefühle wie z. B. Angst erzeugt. Höchstwahrscheinlich können bestimmte, plötzliche Verhaltens- und Stimmungsänderungen auf diese unbewusst gesammelten Informationen zurückgeführt werden, die
auf uns Menschen unerklärlich wirken. Eine Wohnungskatze kann zum Beispiel unruhig, ängstlich oder aggressiv erscheinen, nachdem sie eine Duftmarkierung einer fremden Katze an der Außenseite der Terrassen- oder Haustür wahrgenommen hat. Du wunderst dich über eine Stimmungsänderung, weil du keine fremde Katze siehst, aber deine Katze hat sie wahrgenommen und reagiert auf ihre individuelle Art und Weise.
Katzenfakten: Der Geruchsinn Der Geruchssinn ist im Leben von Katzen extrem wichtig. Er wird zur Kommunikation, Fortpflanzung, Jagd und Nahrungsaufnahme verwendet. Katzen besitzen etwa 200 Millionen olfaktorische neuronale Rezeptoren von mehreren hundert verschiedenen Typen (Hunde besitzen neun Rezeptortypen!), die sich im Riechepithel, also der Nasenschleimhaut, befinden. Die Oberfläche des Riechepithels kann bis zu 40 cm² bedecken (Mensch bis zu 5 cm²).
Gesichtspheromone, Kratzmarkieren Katzen besitzen Talg- u. Schweißdrüsen an mehreren Stellen des Körpers, u. a. den Wangen, Lippen, am Kinn und zwischen den Zehen, die Pheromone absondern: Wenn deine Katze dir Köpfchen gibt und sich an dir oder Artgenossen reibt, markiert sie befreundete Individuen. Katzen, die ihre Wangen an Gegenständen, Zimmer-Ecken oder markanten Stellen im Garten reiben oder Kratzmarkieren, hinterlassen ihre »Post-its« für andere Katzen und sich selbst. Von Zeit zu Zeit erneuern sie ihre Markierungen. Bei ängstlichen Katzen solltest du vermeiden, alle Markierungen im Haus auf einmal zu entfernen, das könnte zu Verunsicherung führen. Der feline Geruchssinn spielt auch in dem nächsten Kapitel eine wichtige Rolle, indem es um die Umwelt-Bedürfnisse unserer Samtpfoten geht.
Gesichtsareale, die zum Markieren genutzt werden (Amy)
2.3 Lautsprache Achtsamkeitsübung:
Welche Lautäußerungen kennst du von deiner/n eigenen Katze/n? Laut Bradshaw beschränken sich die Lautäußerungen von Katzen weitgehend auf vier verschiedene Beziehungen: Neben feindseligen und freundlichen Lauten kennen wir die Laute zwischen Mutter und Jungtier sowie die Katze-Mensch-Interaktionen. 16
Zwitschern/ Trillern/ Zirpen Wie das Schnurren und das Miauen zählt auch das Zwitschern, Trillern oder Zirpen zu den freundlichen Lauten. Wenn deine Katze auf dich zu kommt, sich an dir reibt und einen »Brrrriit«-Laut von sich gibt, begrüßt sie dich, wie Katzenmütter ihre Kitten begrüßen.
Gurren Das hohe Gurren, das einige Rassen (z. B. Maine Coon) intensiv von sich geben, nutzen Katzenmütter ebenfalls, um ihre Kitten zu begrüßen und ihnen eine erlegte Beute zu bringen. Das Gurren fällt je nach Art der Nahrung aus. Laut Leyhausen geht es bei potenziell gefährlichen Beutetieren wie Ratten in »laute, fast schreiende Rufe« über, während die Katzenmutter für Mäuse das normale Gurren verwendet. Er schildert, dass Katzen den sogenannten »Rattenruf« auch ausstoßen, wenn sie nur einen Teil einer Ratte mitbringen. Dieses bemerkenswerte Verhalten geht über ein lautliches Signal hinaus und lässt sich als eine sprachliche Äußerung deuten, mit der die Katzenmutter ihren Jungen eine Mitteilung über die Art der Beute erteilt, unabhängig von der Größe der Beute. 17 Chester nutzt (als kastrierter Kater) den »Rattenruf« fast täglich, wenn er sein Lieblingsspielzeug, einen Kunstfellkragen – genannt »der Iltis« – durchs Haus trägt. Dieses Verhalten scheint folglich nicht geschlechtsspezifisch zu sein. Auch rollige Kätzinnen gurren und miauen laut, während sie sich auf dem Boden wälzen oder unruhig auf der Suche nach einem Partner durch die Gegend eilen.
Miauen Das Miauen kennen und lieben wir als den häufigsten Katzenlaut. Nur hin und wieder geht dieser lautliche Ausdruck uns auf die Nerven, z. B. während der Autofahrt zum Tierarzt oder wenn die Katze uns mit großer Ausdauer auffordert, ihr die verschlossene Katzenklappe in den Garten zu öffnen. Allerdings nutzen Katzen das Miauen wenig in ihrer Kommunikation untereinander, sondern man sieht bzw. hört es hauptsächlich, wenn sich die Katze an Menschen wendet. Kitten miauen ihre Mutter an, einer der Gründe weshalb man vermutet, dass Katzen uns als ihre »Ersatzmütter« ansehen.
Vielleicht wissen sie aber auch einfach, dass wir über bestimmte Dinge in ihrem Leben dominieren und fordern uns durch ihre Laute auf, ihre jeweiligen Bedürfnisse zu befriedigen. Man vermutet, das Miauen habe sich während der Haustierwerdung der Katze weiterentwickelt. Katzen lernen schnell, dass sie mit diesen Lauten unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen können. Wenn wir auf ihr Miauen reagieren, ihnen Zuwendung schenken, ihren Aufforderungen sofort nachkommen, setzten sie natürlich bei nächster Gelegenheit wieder das Miauen ein. Verhaltensforscher sprechen von »positiver Verstärkung«. Die Katze miaut, der Mensch greift wieder in die »Bonbon-Dose« und legt ihr Leckerlis vor die Pfoten. Dadurch verstärken wir oft unbeabsichtigt unerwünschtes Verhalten in Form von ständigem Miauen. Mehr dazu findest du in Kapitel 5.3. Beim Miauen unterscheidet man laut der Phonetikerin Schötz zwischen dem eher »auffordernden Miauen« und dem »klagenden Miauen«. Beim ersteren geht die Stimme am Ende hoch und bei der Beschwerde am Ende eher herunter. Laut-Beispiele kannst du dir auf dem YouTube-Kanal 18 der Forscherin anhören. Es gibt auch noch das »stille Miauen«: Die Katze öffnet ihr Mäulchen und gibt ein stummes Miauen von sich. Man vermutet, dass die Katze einen sehr hohen Ton erzeugen könnte, der für Menschen unhörbar bleibt. Die Bedeutung ist nicht geklärt 19. Wie gesprächig eine Katze sich zeigt, hängt u. a. von der Rasse ab. Die Orientalen gelten beispielsweise als äußerst gesprächige Rassen. Ich finde besonders bemerkenswert, dass jede Katze ihr eigenes »Miau« entwickelt. Nur ein vertrauter Mensch kann die Gefühle der Katze richtig deuten. 20
Keckern Warum Katzen diese seltsamen Geräusche von sich geben, wenn sie Beute beobachten, die sich außerhalb ihrer Reichweite befindet, können Verhaltensforscher nicht beantworten. Man vermutet, es sei eine Übersprungshandlung. Zwergi demonstriert manchmal diese Ausdrucksweise: Sie gibt ein helles »Mie-eh-eh-eh« von sich, die Schnurrhaare und Ohren stehen vor, ihre Augen fixiert das Objekt der Begierde.
Schnurren Diese beruhigende Lautäußerung beherrschen Kitten von Geburt an. Sie schnurren während sie trinken, d. h. beim Ein- und Ausatmen. Vielleicht um die Mutter zum weiteren Säugen zu motivieren. Manche Kätzinnen schnurren während der Geburt, um sich selbst zu beruhigen. Sie schnurren auch, wenn sie sich dem Wurfnest nähern und anzeigen, dass keine Gefahr droht. Die Frequenz, mit der Katzen schnurren, besitzt heilende Wirkung auf Knochen- und Muskelgewebe. Der Heilungsprozess beschleunigt sich durch die Schwingungen, sodass auch kranke, verletzte und sterbende Katzen schnurren. Menschen praktizieren diese Heilkunst auch, indem sie – meistens leider nur als Kinder intuitiv – summen, wenn sie mit Schmerzen und Fieber im Bett liegen; Mütter summen und singen ihre (weinenden) Babys in den Schlaf, Buddhisten tönen stundenlang das »Om« – alles Praktiken, um durch Schall bzw. Schwingung die Heilungsprozesse anzuregen. Schnurren setzten Katzen auch ein, um mögliche Angreifer zu beruhigen bzw. zu beschwichtigen, wenn sie keine Möglichkeit der Verteidigung mehr nutzen kann. 21 Manche Katzen schnurren auch, wenn sie ihre Menschen auf etwas aufmerksam machen möchten (Futter, Aufmerksamkeit, usw.).
Fauchen Beim stimmlosen Fauchen öffnet die Katze ihr Maul weit und zeigt demonstrativ ihre Zähne, um sich zu verteidigen. Sie stößt ihren Atem heftig zischend aus. Dieses Warnsignal beobachten wir artübergreifend, denn außer Katzen fauchen z. B. Schlangen, Gänse und Hamster und fordern ihr Gegenüber zum Rückzug auf.
Mit dem Fauchen will auch die Katze Feinde abwehren. Kommt der Gegner trotzdem näher oder fasst du die Katze weiterhin an, droht ein Tatzenhieb zur Verteidigung. Das bedeutet: Wenn deine Katze dich anfaucht, hat sie Angst vor dir! Dann solltest du ihr möglichst Raum geben, sie nicht mehr anschauen und dich zurückziehen. Wenn deine Katze dich anfaucht, beobachte in welchem Moment das Verhalten gezeigt wird und was vorher passiert ist, das diese Reaktion erklären könnte. Hat sie sich erschrocken, ist dir z. B. etwas heruntergefallen oder neigst du dazu einen Raum schnell zu betreten? Gibt es Menschen bei euch, die sich oft laut unterhalten?
Spucken Auf der Eskalationsstufe kommt nach dem Fauchen das Spucken, ebenfalls ein stimmloser Laut, bei dem die Katze einen Spucklaut erzeugt, ohne Speichel auszustoßen. Verhaltensforscher beobachten, dass die Katze häufig gleichzeitig mit den Vorderpfoten auf den Boden schlägt. Das Verhalten könnte dazu dienen, den Verfolger zu irritieren, um die Flucht ergreifen zu können. 22 Das Fauchen und Spucken stellen beides defensive Äußerungen dar.
Knurren/ Grollen/ Heulen Nach dem Spucken kommt das Knurren als weitere Steigerung. Im Unterschied zum Fauchen folgt hier ein Biss, sollte der Angreifer sich nicht zurückziehen. Grollen klingt noch etwas tiefer als Knurren, wechselt sich aber oft ab mit Heulen. Manchmal knurren Katzen, wenn sie unter Schmerzen leiden. Zwergi hatte sich einmal versprungen und knurrte leise, als wir sie auf den Arm nehmen wollten. Da sie dieses Verhalten sonst nie zeigte, äußerte sie ihre Schmerzen. Der Tierarzt stellte nur eine leichte Prellung fest und mit Schmerzmittel war Zwergi am nächsten Tag wieder die Alte. Sobald deine Katze sich plötzlich völlig ungewohnt verhält, ziehe als erstes die Möglichkeit von Schmerzen oder Unwohlsein in Betracht und suche tierärztlichen Rat.
Jaulen/ »Katergesang« Dieses Geräusch weckt dich nachts auf, wenn zwei Kater im Garten ihre Reviergrenzen ausdiskutieren und klingt ähnlich wie das Weinen
von Menschenbabys.
Kreischen Schmerzäußerung, bei höchstem Schreck oder Schmerz. Jeder, der schon einmal über seine Katze gestolpert oder ihr auf den Schwanz getreten ist, kennt dieses Geräusch. Auch ein Angriff einer offensiven Katze, die sich auf ihr Opfer stürzt, kann dieses herzzerreißende Kreischen bei der defensiven Katze auslösen. URL: https://www.schulz-von-thun.de/die-modelle/das-kommunikationsquadrat [Stand 29.03.2022] Vgl. Rachel Malamed u. Karen Sueda (2020) The Language of Meow. In: Decoding Your Cat. S. 10. Vgl. Marina Evangelista et al. (2019) Facial expression of pain in cats: the development and validation of a Feline Grimace Scale. In: Sci Rep 9, 19128. https://doi.org/10.1038/s41598-019-55693-8 [Stand: 11.05.2022] https://www.felinegrimacescale.com/de [Stand: 01.05.2022] Vgl. Trudi Atkinson (2018) Practical Feline Behaviour. Cabi. S. 14 Vgl. John Bradshaw (2015) Die Welt aus Katzensicht. Franckh-Kosmos Verlag. S. 177 Vgl. ebd. S. 176 Vgl. ebd. S. 180 Vgl. Trudi Atkinson, Practical Feline Behaviour. S. 17 Vgl. Udo Gansloßer u. Andrea Rodewald. (2016) Verhaltensbiologie der Hauskatze. 2. Ausg. Erlangen, Filander Verlag. S. 111 Vgl. John Bradshaw (2015) Die Welt aus Katzensicht. S. 315 Vgl. Paul Leyhausen (2005) Katzenseele. Franckh-Kosmos-Verlag. S. 45 Vgl. John Bradshaw und Charlotte Cameron-Beaumont (2000). The signalling repertoire of the domestic cat and its undomesticated relatives. In: D. C. Turner, P. Bateson (eds) The Domestic Cat. 2nd ed. Cambridge, Cambridge University Press. S. 69 Vgl. George Stoyanov et al. (2018) The Human Vomeronasal (Jacobson’s) Organ: A Short Review of Current Conceptions, With an English Translation of Potiquet’s Original Text. In: Cureus, 10(5), e2643. https://doi.org/10.7759/cureus.2643 [Stand 05.06.2022] Vgl. Udo Gansloßer/ Andrea Rodewald (2016) Verhaltensbiologie der Hauskatze. Filander Verlag. S. 91 Vgl. John Bradshaw und Charlotte Cameron-Beaumont, ebd. S. 71 Vgl. ebd. S. 38 https://www.youtube.com/channel/UCylotswkxh6VqxqmJxjGuOA Trudi Atkinson. (2018) Practical Feline Behaviour. S. 24 John Bradshaw (2015) Die Welt aus Katzensicht. S. 322 Vgl. Paul Leyhausen (2005) Katzenseele. Franckh-Kosmos-Verlag. S. 35
Vgl. ebd.
3 Umweltbedürfnisse & Mehrkatzenhaushalt
D
ie körperlichen und emotionalen Bedürfnisse deiner Katze zu kennen und zu achten, hilft dir, ihre Gesundheit und Lebensqualität zu erhalten. Verhaltensprobleme gehören leider zu den Hauptursachen für das Aussetzen, die Abgabe an fremde Menschen oder sogar die Euthanasie von Haustieren! Katzenhalter geraten an Grenzen ihrer Geduld, wenn ihr Tier unerwünschtes Verhalten entwickelt, z. B. bei stressbedingter Unsauberkeit, Zerkratzen von Tapeten oder ständigem Miauen. Derartige können auftreten, wenn die Umweltbedürfnisse nicht (vollständig) erfüllt werden. Katzen benötigen bestimmte Ressourcen, z. B. ausreichende und regelmäßige Fütterung, frisches Wasser, saubere Toiletten, eine kurzweilige, angst- und stressfreie Umgebung. Katzen leben ihre natürlichen Verhaltensweisen aus, ob sie im Freien leben oder in einer Wohnung gehalten werden. Sie benötigen die Kontrolle über ihr Revier und markieren den Raum aus einem artspezifischen Grund, aber auch die Kontrolle über ihre sozialen Interaktionen stellt ein bedeutsames natürliches Bedürfnis der Katze dar. Ein Mangel an Ressourcen verbunden mit veränderten Routinen kann, je nach Persönlichkeit der jeweiligen Katze, zum Einsetzen von problematischem Verhalten führen. Beispielsweise erlebt die Katze die längere Abwesenheit ihres Menschen oder eine neue, fremde Katze in der Nachbarschaft als bedrohliche Unterbrechung ihrer gewohnten, sicheren Routine (Veränderung durch fremde Katze) und ihrer Ressourcen (Fehlen der vertrauten menschlichen Zuwendung).
Katzen lieben Routine und Kontrolle! Da sie selbst sowohl Raubtier als auch Beutetier sind, ist es für sie wichtig, die Kontrolle über ihr Sicherheitsempfinden zu haben. Als Besitzer können wir die Gesundheit und das Wohlbefinden unserer Katzen fördern, indem wir sicherstellen, dass ihre Grundbedürfnisse in der häuslichen Umgebung erfüllt werden. Darum geht es in diesem Kapitel. Die Grundlage für diese Informationen bilden die »Leitlinien über Bedürfnisse von Katzen an
ihre Umwelt 1« . Wenn du mit mehreren Katzen zusammenlebst, kann dir ein Analysieren der sozialen Gruppen helfen.
Achtsamkeitsübung Beobachte deine Katzen genau über einen längeren Zeitraum. Welche Katzen tauschen freundschaftliche Gesten miteinander aus? Zeichen für Freundschaft zwischen Katzen sind: »Tail-Up«-Begrüßung, gegenseitiges Putzen, gegenseitiges Kontaktliegen, gegenseitiges Aneinanderreiben, regelmäßig in unmittelbarer Nähe voneinander schlafen, z. B. gemeinsam auf einem Sofa. Gemeinsames Ruhen befreundeter Katzen
Oder gibt es Zeichen von Aggressionen oder Mobbing, wie z. B.: Anstarren, Fauchen, Knurren, in die Ecke treiben, Auflauern und Blockieren von wichtigen Plätzen oder Engstellen, offene Kämpfe?
Fertige zur Verbildlichung eine Skizze an. Schreibe die Namen deiner Katzen auf ein leeres Blatt und verbinde jeden Namen mit zwei Pfeilen. Nutze unterschiedliche Farben für freundliches, neutrales oder feindliches Verhalten oder schreibe z. B. + / - oder o für neutral an die Verbindungslinien, je nachdem wie die Katzen jeweils miteinander interagieren.
3.1 Was sind Umweltbedürfnisse? Zu den Umweltbedürfnissen gehören die physische Umgebung einer Hauskatze (ihr Revier, also entweder die Wohnung, das FreigängerRevier oder beides) sowie ihre sozialen Interaktionen mit Artgenossen, Menschen und anderen Haustieren. Katzen zeigen üblicherweise keine offensichtlichen Anzeichen von Stress, Schmerz oder Krankheit. Bei vielen Krankheiten treten Symptome erst auf, wenn sie gravierende akute Schmerzen erleidet oder bei stark fortgeschrittenen chronischen Krankheiten, sodass ein Organschaden das Allgemeinbefinden stört. Bluthochdruck beispielsweise bleibt ohne Kontrollmessungen oft so lange unbemerkt, bis Schäden an den Zielorganen auftreten, z. B. eine plötzliche Erblindung eintritt. Wie lange die Katze vorher schon an Kopfschmerzen, Schwindel und Unwohlsein gelitten hat, weiß niemand. Wenn wir proaktiv vorgehen und die Umweltbedürfnisse unserer Katze während ihres gesamten Lebens erfüllen, können wir die Stressfaktoren in der Umgebung ausschalten, die unerwünschte Verhaltensweisen hervorrufen und die Gesundheit beeinträchtigen können. Zusätzlich die Wahrnehmung regelmäßiger Kontrolltermine beim Tierarzt einzuhalten, ist die allerbeste Vorsorge!
Achtsamkeitsübung: Versuche deine Katze einen Tag lang genau zu
beobachten. Wo schläft bzw. ruht sie morgens, mittags, abends? Gibt es einen Platz, den sie bevorzugt aufsucht, wenn sie unter Stress steht, z. B. wenn Fremde sich in ihrem Revier/ der Wohnung aufhalten oder ihr vom Tierarztbesuch heimkommt?
3.2 Die Welt aus Katzenaugen sehen lernen Die Bedürfnisse der heutigen Katzen veränderten sich nur wenig im Vergleich zu denen ihrer wilden Vorfahrin, Felis silv. lybica, der afrikanischen Falbkatze. Katzen leben als Einzeljäger, die einen Großteil des Tages damit verbringen, die Umgebung nach Beutetieren abzuchecken und ihr Revier zu sichern. Sie müssen sich gleichzeitig vor vermeintlichen Gefahren schützen, zu denen fremde Katzen oder größere Beutegreifer zählen. Katzen sind territoriale Tiere. Sie fühlen sich bedroht, wenn ihre Reviergrenzen verletzt werden, beispielsweise durch die neue Nachbarskatze. Auch Veränderungen in ihrem felinen »Raum-Zeit-Kontinuum«, wie deine Abwesenheit während der zweiwöchigen Urlaubsreise oder der Einzug eines Babys, können die Nerven der sensibleren Samtpfoten strapazieren. Wie bereits im vorherigen Kapitel erwähnt, nutzen Katzen Pheromone, Körperhaltung und Lautäußerungen, um sich mitzuteilen, z. B. wenn sie sich bedroht fühlen. Sie besitzen sowohl einen hervorragenden Geruchssinn als auch ein unvergleichliches Gehör. Stress kann durch starke Gerüche oder Geräusche, die für uns unbedeutend oder nicht einmal wahrnehmbar sind, ausgelöst werden. Katzen sind durchaus soziale Tiere. Jetzt kommt ein »aber«: Ihre Sozialstruktur unterscheidet sich von unserer. Sie können mitunter als Einzelkatze zufrieden sein. Oder sie leben gern mit anderen Katzen, vorzugsweise mit Verwandten wie z. B. Geschwistern, wenn ausreichend Ressourcen für alle verfügbar sind. Dies ist stark abhängig von Sozialisierung, Charakter und auch dem Alter der Katze. Manche Leute holen sich ein einzelnes Katzenbaby gezielt zu früh
(jünger als 12 Wochen) aus einem Wurf, weil sie angeblich dadurch viel zutraulicher und »menschenbezogener« würde. Dieses arme Wesen erleidet eine Traumatisierung, erfährt keine artgerechte Sozialisierung und wird seiner Katzenkindheit beraubt. Das egoistische Entreißen der Kätzchen von der Mutter und den Geschwistern stellt zudem einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz (§2 TSchG) dar, genauso wie die Zucht von gewissen Rassen, die als »Qualzuchten« gelten (§11b TSchG). Merkmale von Qualzucht bei Katzen sind: Kurzschwänzigkeit bzw. Schwanzlosigkeit, z. B. Manx, Cymric, Japanese Bobtail und Kurilen Bobtail; Taubheit, genetisch bedingt bei fast immer bei reinweißen Katzen mit blauen Augen, z. B. Türkisch Van, Türkisch Angora, Perser u. a. Brachyzephalie, extrem kurzer Kopf, platte Nase, z. B. Perser;
Falt-/ Knickohren durch angeborenen Knorpeldefekt Osteochondrodysplasie, z. B. Scottish Fold, der schon im frühesten Lebensalter zu starken Schmerzen führt;
Verkürzte Beine, z. B. Känguru-Katze und Munchkin;
Genetisch bedingte Fellveränderung oder das Fehlen des Fells, auch die haarlosen Katzen gehören dazu, insbesondere wenn ihnen die Tasthaare fehlen, z. B. Sphynx, Rex, Peterbald u. a. Hier wird mit Tieren weitergezüchtet, die diese Merkmale aufgrund eines Gendefekts aufweisen. Ungeachtet der oft auch schmerzhaften, gesundheitlichen Folgen für die bedauernswerten Tiere. Bitte informiere dich (im Internet) über die Rasse und rassebedingte Erbkrankheiten und wie man diese feststellen kann und kläre andere auf, wenn du hörst, dass sich jemand in deinem Umfeld für eine derartige Rasse interessiert. Achte auf unabhängige Quellen, sprich: nicht die Zuchtverbände, denn diese Züchter wollen rücksichtslos ihre Rassen vermarkten. Junge Katzen solltest du keinesfalls allein halten, da dies Verhaltensauffälligkeiten begünstigt, z. B. Spiel-Aggression gegen den Halter und »Zerstörungswut«. Kitten allein zu halten, ist schlichtweg nicht artgerecht. Gerade nach unseren Lockdown-Erfahrungen sollte es jedem leichter fallen, sich in die Einsamkeit und Eintönigkeit eines Lebens beschränkt auf einige Quadratmeter ohne Freunde, Kollegen und Familie hineinzuversetzen. Wenn du zur Arbeit gehst, ist deine Katze lange Zeit allein. Nach dem Job noch schnell zur Freundin auf einen Kaffee? Du gehst zum Sport, ins Kino oder zum Festival und dein Kätzchen sitzt derweil allein zu Hause? Adoptiere am besten zwei Kitten aus dem gleichen Wurf oder zumindest im gleichen Alter. Katzen werden als »fakultativ sozial« bezeichnet, d. h. also einige Katzen leben unter den richtigen Bedingungen gern mit anderen zusammen, andere weniger gern. In Kolonien verwilderter
Hauskatzen leben vorwiegend weibliche Verwandte miteinander, also Mütter, Töchter, Tanten und Nichten, wenn ausreichend Futter zur Verfügung steht. Man konnte beobachten, dass Katzenmütter und Töchter sogar ihre Kitten in einem gemeinsamen Wurfnest großziehen und alle Kitten gemeinsam säugen! Dieses Verhalten soll laut Forschern eine Anpassung der Hauskatze an das Leben beim Menschen sein, denn dieses Verhalten zeigt die Ursprungsform (Falbkatze) nicht. Das kann jedoch auch bedeuten, dass erwachsene, nicht verwandte Kätzinnen weniger gut miteinander auskommen.
3.3 Die fünf Säulen einer katzengerechten Umwelt
Wohlfühlplätzchen Kennst du das Fahrstuhl-Phänomen? In einem leeren Aufzug stellen sich die meisten Menschen unbewusst mit dem Rücken zur Wand, um die Tür im Blick zu haben. Auch bei der Platzierung unseres Betts in Bezug auf die Schlafzimmertür spielt unser Instinkt, im Notfall einen Feind schneller bemerken zu können, eine große Rolle2. So geht es auch unseren Katzen, die viel kleiner sind und Schutz benötigen vor größeren Feinden. Setzt man meine Größe (172 cm) ins Verhältnis zu Huggys Schulterhöhe (30 cm), wäre mein Herrchen oder Frauchen über 9 Meter groß neben mir als Katze. Das entspricht der Höhe eines Einfamilienhauses. Daher lautet die erste Grundregel für die Beachtung der
Bedürfnisse unserer felinen Freunde: Biete jeder Katze in deinem Haushalt mindestens einen sicheren und geschützten Wohlfühlplatz, an den sie sich zurückziehen kann, um entspannt zu schlafen oder zu ruhen. Nutze die dritte Dimension in deinen vier Wänden so gut es geht aus. Installiere an den Wänden »Catwalks« und Aufstiegshilfen, um Schränke und Regale als Erweiterung des Lebensraums deiner Katzen nutzen zu können. Wandliegeflächen gibt es in den unterschiedlichsten Ausführungen, vom einfachen Baumarktregal bis hin zur Luxus-Sonderanfertigung nach deinen Wünschen. Die 3D-Gestaltung hilft deiner Katze, sich wohlzufühlen und macht auch kleine Wohnungen zum Katzenparadies, in dem sich Mitbewohner bei Bedarf aus dem Weg gehen können. Bei älteren Katzen solltest du im Auge behalten, ob sie ihre Lieblingsplätze noch sicher und problemlos erreichen können. Du hilfst ihr, weiterhin auf die Fensterbank oder den Kratzbaum zu gelangen, indem du Aufstiegshilfen und Rampen baust oder bei »Catwalks« Zwischenstufen einfügst. Die Katze sollte die Möglichkeit haben, ihren Ruheplatz von mindestens zwei Seiten zu betreten und zu verlassen, wenn sie sich bedroht fühlt. Das ist besonders wichtig bei bekannten Spannungen im Mehrkatzenhaushalt. Wenn du z. B. Kartons anbietest, sollten diese zwei Öffnungen (einen »Notausgang«) haben. Man kann nämlich hin und wieder beobachten, dass Katzen, die sich nicht besonders gut leiden können oder die unausgelastet sind, den Zugang zu wichtigen Ressourcen versperren, indem sie sich davorsetzen. Daher ist ein zweiter Ausgang immer gut, falls es bei dir zu Hause hin und wieder zu Streit zwischen den Samtpfoten kommt.
Die meisten Katzen bevorzugen einen sicheren Raum, der an einer
erhöhten Position steht und über Seitenwände verfügt, gerade groß genug, um darin Platz zu nehmen. Das ermöglicht ihnen gleichzeitig, sich selbst zu verstecken, während sie den Raum überblicken können, um sich annähernde andere Wesen frühzeitig zu erspähen. Die erhöhte Position sichert zusätzlich eine bessere Verteidigung von oben herab auf einen Angreifer, der sich von unten nähert. Gute Beispiele für sichere Orte sind Kratzbäume, erhöhte (Wand-)Liegeflächen, aber auch Pappkartons und Katzentransportboxen (die man in den Alltag so gut integrieren kann und sollte). Biete immer mindestens so viele sichere und gleichwertig »ansprechende« Plätze an, wie es Katzen in deinem Haushalt gibt, um Streit zu vermeiden. Sichere Plätze sollten voneinander entfernt sein, damit die Katzen stets die Möglichkeit haben, sich zurückzuziehen bzw. eine Weile allein zu sein. Sicher bedeutet auch, dass eine schlafende Katze nicht gestört werden sollte. Hierüber sollten Kinder, Jugendliche und Besucher entsprechend aufgeklärt werden. Wir mögen es auch nicht, im Tiefschlaf plötzlich geweckt zu werden. Genauso geht es natürlich unseren Katzen! Besonders ältere Katzen, bei denen der Gehörsinn nachlässt, erschrecken sich mitunter gewaltig, wenn sie uns nicht kommen gehört haben.
Ressourcen: was, wie, warum und wie viele? Zu den Hauptressourcen zählen Futterstellen, Wasserstellen, Toilettenbereiche, Kratzmöglichkeiten, Spielbereiche und Ruhe- oder Schlafbereiche. Diese Ressourcen sollten besonders im Mehrkatzenhaushalt ohne Freigang voneinander getrennt sein und über den gesamten Lebensraum verteilt sein. Es bringt nichts, wenn du den Katzen ein supertolles Katzenzimmer einrichtest, aber im Rest der Wohnung keinen Platz für Kratzbaum und Klo bietest. Die Katzen brauchen freien Zugang, ohne von anderen Katzen oder anderen potenziellen Bedrohungen (z. B. Hunde, Kleinkinder) gestört oder gar angegriffen zu werden. Das hilft dir Unsauberkeit zu verhindern, die oft auftritt, wenn die Katze sich auf dem Weg zur oder in der Katzentoilette unsicher fühlt. Wie weiter oben bereits erwähnt, lauern manche Katzen anderen
gerne auf. Wenn dieses Mobbingverhalten zum Blockieren der Katzentoilette führt oder zu Angriffen auf eine andere Katze, sobald sie die Toilette nutzt oder wieder herauskommt, ist die Problematik klar: Wenn man sich nicht mehr aufs Klo traut, hält man an so lange wie möglich oder sucht sich zwangsweise andere Stellen, um das dringende Geschäftchen zu erledigen. Das hat nichts mit »Protestpinkeln« zu tun, sondern gilt als Tat in höchster Not. Die räumliche Trennung und Verteilung der Ressourcen über mehrere Orte im Revier, verringert das Risiko eines Konkurrenzkampfes.
Futter Die Art und Weise wie du deine Katzen fütterst, bietet dir die Möglichkeit, das Wohlbefinden deiner Katze deutlich zu steigern und Probleme wie Übergewicht und auch Aggressionen zwischen den Katzen zu vermeiden. Bei artgerechter Fütterung geht es darum, die Natur der Katze zu respektieren und nachzuahmen 3. Die Anmerkung »aber meine Katzen fressen sogar nebeneinander« ist tatsächlich eher ein Beweis dafür, dass die Menschen ihre Katzen (noch) nicht richtig verstanden haben. Katzen jagen und verspeisen ihre Beute allein, abgesehen natürlich von der Katzenmutter, die ihren Kitten (und manchmal auch uns, damit wir nicht verhungern,) die Mäuse serviert. »Zwingst« du deine Katzen dazu (mangels Auswahlmöglichkeiten), nebeneinander zu fressen, erhöht das u. U. ihren Stresspegel, während du annimmst, dass die Stimmung zwischen den Tieren wunderbar sei. Dies wurde durch einen erhöhten Cortisolspiegel nach der gemeinsamen Fütterung belegt, im Vergleich zur getrennten Fütterung. Wenn du weißt, dass deine Katzen untereinander zu Konflikten neigen, zwing sie nicht, nebeneinander zu fressen, sondern füttere die eine z. B. in der Küche und die andere an einem anderen Platz. Katzen können sich schnell umstellen; die Maus sitzt auch nicht jeden Tag am gleichen Platz und wartet darauf gefangen zu werden! Lediglich bei älteren oder ängstlicheren Katzen solltest du bei der Umstellung etwas Vorsicht und Geduld an den Tag legen und
beobachten, ob deine Katze mit den neuen Gegebenheiten gut umgehen kann. Sadek rät 4: »Bei der Auswahl der Futterplätze frage dich: Welche meiner Katzen verbringen gerne Zeit miteinander? Welche Katzen meiden sich? Wo verbringen die Katzen jeweils einen Großteil ihrer Zeit?« Entsprechend solltest du die Futterstellen einrichten. Das Verstecken von Futter (Trockenfutter, Leckerlis) und das Erarbeiten von Futter sind die Standardmethoden, um den Alltag von Wohnungskatzen zu bereichern. Mehr Informationen dazu findest du im Kapitel 4.1.
Wasser Täglich frisches Trinkwasser an mehreren Stellen anzubieten, sollte selbstverständlich sein. Beachte bitte, dass man Wasser getrennt von den Futterplätzen positionieren sollte, da Katzen in der Natur ihre Wasserstellen nicht mit Beute bzw. Futter kontaminieren würden. Sie vermeiden es dort zu trinken, wo sie ihre Nahrung zu sich nehmen. Mehrere, verschiedene Gefäße verteilt über die gesamte Wohnfläche (z. B. flache Schalen, hohe Gefäße, Trinkbrunnen) können die Wasseraufnahme anregen. In der Natur trinken Katzen an Wasserstellen, die sie zufällig finden. Einige Katzen bevorzugen es, fließendes Wasser zu sich zu nehmen. Bei der Auswahl eines Trinkbrunnens solltest du darauf achten, dass keine Weichmacher aus dem Kunststoff ins Wasser übergehen. Keramikbrunnen sind diesbezüglich im Vorteil.
Katzentoilette Im Durchschnitt setzen Katzen etwa zwei- bis viermal pro Tag Harn und einmal am Tag Kot ab. Als wichtige Ressource im Katzenhaushalt, insbesondere natürlich im Haushalt ohne Freigang, gilt auch hier: immer eine mehr als Katzen im Haus. Davon kann man abweichen, wenn die Katzen ausschließlich die Toiletten und keine weiteren/ anderen Ortschaften in der Wohnung nutzen, sprich: wenn sie alle stressfrei auf‘s Klo gehen. Mindestens
ein Klo mehr als du soziale Gruppen hast, sollten es aber immer sein, d. h. bei zwei sozialen Gruppen aus insgesamt vier Katzen solltest du drei Toiletten bereitstellen. Spätestens wenn es nicht (mehr) gut läuft und Unsauberkeit auftritt, muss sich die ToilettenSituation für die Katzen verändern. Der Standort ist immens wichtig; er sollte so weit entfernt von Futter- und Wasserstellen wie möglich sein, sich nicht an häufig frequentierten und lauten Stellen des Haushalts, stattdessen in ruhigen, leicht zugänglichen Ecken befinden, einfach erreichbar für Kitten, ältere Katzen oder Katzen mit Handicap sein. Für Kitten solltest du anfangs mehrere Toiletten verteilt in der Wohnung aufstellen, zur Not auch direkt neben deinem Bett! Katzenbabys in den ersten Monaten haben — wie Menschenkinder — noch nicht die perfekte Kontrolle über ihre kleinen Blasen erlernt, wenn du also Missgeschicke im Bett vermeiden möchtest, stelle ein Kistchen in der Nähe auf. Als Grundregel bezüglich der Größe der Toiletten gilt: Das Klo sollte anderthalbmal so lang sein wie die Katze von der Nase bis zur Schwanzwurzel. Solche Toiletten bieten die Fachhändler kaum an, da selbst die XXL-Klos oft kleiner ausfallen. Du kannst andere Kisten und Kübel zweckentfremden, sogar teils kostengünstiger als ein »echtes« Klo. SAMLA-Kisten von IKEA und Maurerkübel (mit dem »Blauer Engel«-Label) sind Beispiele für solche Katzentoiletten. Hier bietet sich die Pinterest- oder Suchmaschinen-Bildersuche an, wenn du kreative Umsetzungstipps brauchst. Besonders Wannen mit hohem Rand mögen Katzeneltern mit Stehpinklern gern als Alternative zu Hauben-Toiletten. Letztere suchen die Menschen oft aus, da sie unangenehme Gerüche verschließen, aber Katzen würden solche »Stinke-Klos« niemals kaufen. Die Katze nutzt mangels Alternativen die Hauben-Toiletten
und muss die strengen Ausdünstungen »ertragen«. Wie soll sie auch erklären, dass sie in der freien Wildbahn niemals eine kleine Höhle als Toilette nutzen würde? Da wir aber das Wohlbefinden unserer Katzen fördern möchten, sollten wir darauf Rücksicht nehmen. Wie bei der Anzahl der Klos, gilt auch hier: bei auftretender Unsauberkeit hilft es oft schon, die Haube zu entfernen. Der freie Blick erlaubt deiner Katze zusätzlich, die Kontrolle zu bewahren über mögliche Angreifer. Das hilft ihr, sich sicher zu fühlen, und die Gerüche stauen sich nicht mehr stundenlang unter dem Deckel. Überhaupt sollte ein Katzenklo gar nicht stinken! Der nächste wichtige Punkt ist nämlich dein Sauberkeitsmanagement. So wie auf der Abbildung unten sollte es nicht aussehen. Wenn du tagsüber lange unterwegs bist, stell ein weiteres Klo auf, falls es so aussehen sollte.
Reinige die Katzentoiletten mehrfach täglich und stelle sie an (ruhige) Orte, an denen du im Alltag öfter vorbeigehst, anstatt sie in der hintersten Ecke zu verstecken. Diese einfache Maßnahme verringert das Unsauberkeitsrisiko enorm. Manche Katzen sind sehr pingelig und nutzen ihr Klo nur einmal. Du kennst deine Katze selbst am besten. Mit dem Anspruch, das Wohlbefinden unserer Katzen zu steigern im Hinterkopf, hilft es auch hier, sich in die Katze hineinzuversetzen. Bei der Wahl der Katzenstreu kannst du beachten, dass Katzen bevorzugen feinsandige Streu bevorzugen, die sich angenehmer an den empfindlichen Pfötchen anfühlt. Ich rate zu geruchsneutraler Klumpstreu. Je weniger Chemie deine Katze aufnimmt, desto besser. Du kannst anhand der Größe der Urinklumpen feststellen, ob deine
Katze an einer akuten Harnwegsinfektion leidet. Wenn beispielsweise statt der üblichen Klumpen nur noch kleinste Mengen, z. B. pfirsichkerngroße Klümpchen zu finden sind, kann das ein Hinweis auf einen drohenden Harnverschluss sein. Ein lebensbedrohlicher, akuter Notfall, der schnellstmöglich von dem Tierarzt deines Vertrauens abgeklärt werden sollte. Hochwertige Klumpstreu ist sparsam. Man muss nur den Kot und die Urinklumpen entfernen. Ein kompletter Austausch entfällt – und die Streu bleibt sauber. Die Füllhöhe sollte nicht zu niedrig gewählt werden, da Klumpen sonst eher am Boden festkleben, was wiederum deine Reinigungsarbeit erschwert. Viele Katzen graben gerne in etwas tieferer Streu. Je nach Bedarf sollten die Toiletten mit heißem Wasser und Haushaltsreiniger ausgewaschen werden. Mit dem Rotationsverfahren musst du hochwertige Streu nicht entsorgen, sondern kannst den sauberen Inhalt einer Toilette auf die anderen Klos verteilen. Nun kannst du das eine Klo auswaschen und mit frischer Streu befüllen, während deine Katze das andere Klo noch nutzt. Dieses Prinzip eignet sich auch für Einzelkatzen. Das ist sparsam und nachhaltig. Bei Parasitenbefall oder anderen Erkrankungen des Verdauungstrakts ist selbstverständlich erhöhte Hygiene bei der Reinigung nötig. Besondere Bedingungen gelten für Seniorenkatzen und kranke Katzen. Hier kann es sein, dass du die Standorte überdenken musst und deinen pflegebedürftigen Katzen, die es nicht so weit schaffen, das Klo näher an ihre Lieblingsruheplätze heranrückst. Gerade bei Senioren (Katzen gelten ab 10 Jahren als Senioren), die so gut wie immer an Arthrose leiden, muss das Klo leicht zugänglich sein. Sogenannte Hop-In-Toiletten, in die man nur durch Hineinspringen von oben gelangt, sind für Seniorenkatzen nicht mehr angesagt. Die Toiletten sollen mit einem tiefen Einstieg versehen und großzügig dimensioniert sein, so dass deine Katze sich mit ihren müden, steifen Knochen schmerzfrei darin bewegen kann. Eine weitere Möglichkeit stellen Hygieneauflagen für Senioren dar.
Kratzmöglichkeiten Kratzen ist ein normales Verhalten bei Katzen mit mehreren Funktionen 5: Entfernen der äußeren Krallenhüllen, Schärfen der Krallen; Training der Muskeln der Wirbelsäule und der Vordergliedmaßen;
visuelles und olfaktorisches Markierverhalten.
Bei älteren Katzen haben sich oft bestimmte Vorlieben etabliert. Es empfiehlt sich daher, von klein auf mehrere und verschiedene katzenfreundliche, artgerechte Kratzmöglichkeiten anzubieten. Dazu zählen vertikale und horizontale Möglichkeiten aus 6: Holz, z. B. Baumstämme; Sisal-ummantelte Kratzbäume, die hoch genug sind, damit die Katze beim Kratzen aufrecht stehen kann, und die stabil sind und sich nicht bewegen, wenn sie benutzt werden; Kratzbretter oder -möbel aus Pappe; Teppichboden.
Wenn du herausgefunden hast, was deine Katze bevorzugt, sorge für entsprechende Kratzgelegenheiten in jedem Zimmer und achte
darauf, dass in direkter Nähe von Schlafplätzen und Reviergrenzen (Terrassentüren, Fenstern) Kratzgelegenheiten vorhanden sind. Vertikale Kratzstämme und -säulen müssen einen festen Stand haben und dürfen nicht kippen, wenn sie benutzt werden. Idealerweise sind einige davon so hoch, dass deine Katze sich daran zu ihrer vollen Körperlänge strecken kann.
Spieler und Jäger »Katzen sehen vielleicht so aus als spielten sie, aber in ihrem Kopf sind sie auf der Jagd.« Dieses Zitat von John Bradshaw sagt alles. Biete deinen Katzen abwechslungsreiche Gelegenheiten für Spiel- und Jagdverhalten. Ihr natürliches Bedürfnis zu jagen, wird dadurch befriedigt und Verhaltensstörungen vorgebeugt. Das Spielbedürfnis wird leider von den meisten Katzeneltern unterschätzt. Insbesondere bei Wohnungskatzen ist es aber unerlässlich, dieses zu erfüllen, unabhängig davon, ob mehrere Katzen zusammenleben, denn eine Gruppe von Katzen mag sich sozial gut zusammenfügen, aber jede Katze für sich besitzt den Jagdtrieb und befriedigt dieses Bedürfnis nach der Suche und dem Erlegen einer Beute nur durch gezieltes Schaffen von entsprechenden Gelegenheiten. Sich einfach noch ein paar Katzen anzuschaffen, damit die sich untereinander auslasten und beschäftigen, ist leider nicht zielführend. Die Ausprägung des Temperaments unterscheidet sich individuell je nach Rasse, Geschlecht und Alter. Bengalkatzen sind sehr, sehr aktiv während Perser sich eher am ruhigeren Spektrum der Aktivität befinden. Kater spielen oft etwas heftiger als die meisten Kätzinnen und raufen gern spielerisch. Jüngere Katzen sind natürlich sehr verspielt, das weiß jeder. Trotzdem haben alle Katzen ihren Jagdtrieb. Man unterscheidet interaktives Spielen mit dem Menschen und das Objektspiel, bei dem die Katze sich selbst mit etwas beschäftigt. Der Klassiker beim interaktiven Spiel ist die Feder-Angel. Hiermit werden die Bewegungen von Nagetieren oder Vögeln nachgeahmt. Das Spielzeug sollte sich von der Katze wegbewegen (welcher
gesunde Vogel hüpft schon lebensmüde vor der Nase der Katze auf und ab?), sonst vergeht ihr schnell die Lust aufs Spiel. Wenn du auch denkst, dass deine Katze gar nicht gerne spielt, hast du bisher vielleicht nur falsch mit ihr gespielt? Katzen müssen die Chance bekommen, die »Beute« zu fangen, zumindest zeitweise, um Frustration zu vermeiden. Deshalb sollte man das Spiel mit Laserpointern mit Vorsicht betrachten. Eine neue Studie 7 belegt, dass Spielen mit Laserpointern Verhaltensstörungen bei Katzen fördern können. Sie bekommt zwar Bewegung und findet darum den Laser-Punkt höchst interessant, aber sie benötigt das Gefühl, ihre Krallen in die Beute zu schlagen und kraftvoll zubeißen zu können. Deshalb legt man vor dem Laserpointer-Spiel ein Spielzeug (z. B. ein Katzenminzekissen) oder ein paar Leckerchen bereit und beendet das Spiel, indem man den Laser-Punkt auf dieses Objekt lenkt. Führe schon früh im Leben deiner Katze Feder-Angeln und ähnliche Jagdspiele ein, damit sie lernt, nicht nach deinen Händen und Füßen zum Spielen zu pföteln. Versteckspielen unter der Decke macht solange Spaß, wie dein Kitten kleine Krallen ausfährt. Wenn allerdings eine ausgewachsene Katze nachts, während du dich im Schlaf umdrehst, ihre Zähne und Krallen in deine Füße versenkt, findest du es nicht mehr lustig. Nun ist es allerdings zu spät, sich aufzuregen. Deine Katze versteht nicht, wieso das Spiel plötzlich »out« ist; hattet ihr nicht vor einigen Wochen noch jeden Abend die tollste Spiel-Party, bevor ihr schlafen gegangen seid? Fang bitte erst gar nicht damit an, unter der Bettdecke Mäuschen zu spielen, egal wie niedlich und verlockend das sein mag. Wenn du mehr als eine Katze hast, plane Zeit ein, um mit jeder Katze individuell zu spielen (Stichwort: Einzeljäger). Belohne deine Katze mit Leckerlis, um sie positiv im Spiel zu bestärken und zu motivieren. Was das Objektspiel angeht, rotiere die Spielzeuge täglich, damit keine Langeweile aufkommt. Baldrianmaus, Tischtennisball, Haarspange und Klopapierrolle: all das sind spannende Spielzeuge,
aber nicht jeden Tag. Besorge dir einen schönen Korb oder eine Kiste und lege jeden Tag ein oder mehrere andere Spielzeuge aus. Wenn deine Samtpfote auf Katzenminze und/ oder Baldrian anspringt, kannst du ältere Stoffmäuse usw. in einer Tüte oder Dose mit den entsprechenden Kräutern einige Tage neu »aromatisieren« für gesteigerten Spaß. Teste interaktive Spielzeuge, die deine Katze beschäftigen, während du außer Haus bist. Bei uns wird der »Zappelfisch« nur von Amy gut angenommen, die anderen haben Respekt vor ihm. Beliebt bei allen ist der »Cheerble Ball«, den es 2020 zu Weihnachten gab. Über USB-Kabel aufladbar, rollt der Ball zwischendurch von selbst los, so dass die Katzen motiviert werden, ihn zu jagen.
Mensch und Katze Biete deiner Katze eine positive, beständige und vorhersehbare soziale Interaktion. Denk immer daran, wie groß und gefährlich du aus ihrer Sicht erscheinen könntest. Die individuellen Vorlieben von Katzen bestimmen, wie sehr sie menschliche Interaktionen mit dem Menschen mögen, wie z. B. streicheln, kraulen, mit ihnen spielen oder mit ihnen sprechen, auf den Arm genommen werden und Sitzen oder Liegen auf dem Schoß eines Menschen. Dies hängt zu einem großen Teil davon ab, ob und wie sie als Kitten während ihrer Sozialisierungsphase im Alter von der zweiten bis zur achten Lebenswoche an den Menschen herangeführt und sozialisiert wurden. Außerdem gibt es auch rassebedingte und genetische Verhaltensmuster. Es ist wichtig, daran zu denken, dass jede Katze anders interagiert und die individuellen Vorlieben der Katze zu respektieren. Nicht jede Katze »muss« eine Schoßkatze werden, auch wenn du es vielleicht gern so hättest. Wenn du darauf nicht verzichten möchtest, käme eine Rassekatze mit entsprechenden Eigenschaften aus einer verantwortungsvollen Zucht in Frage. Wenn die Sozialisierung perfekt durchgeführt wird und sich beide Elternteile dem Menschen gegenüber anhänglich und freundlich verhalten, kannst du davon ausgehen, dass der Nachwuchs dieses
Verhalten ebenfalls zeigt. Unser Chester beispielsweise war beim Dreh für das bekannte TV-Haustiermagazin »hundkatzemaus« total entspannt. Er lässt sich von fremden Leuten gerne streicheln und prüft sowohl die Taschen als auch die Durchführung der Arbeit von Handwerkern genau. Manchmal schäme ich mich etwas fremd, wenn er genau beobachtet, wie die anderen Leute arbeiten… Bei Bauernhof- oder manchen Tierschutzkatzen hingegen weiß man oft nicht, was man bekommt. Hier sind manchmal Geduld, Liebe und Verständnis und auch die Bereitschaft, zu üben vonnöten. Während unsere Amy nicht eng genug an uns herankriechen kann (wenn sie ihre kuscheligen fünf Minuten hat), würde Lilly sich nie direkt auf uns Menschen legen. Sie kommt zwar jeden Abend auf den Schoß, aber zuerst muss man eine Decke über die Beine legen. Sie braucht es besonders kuschelig. Tipps zum Umgang mit ängstlichen Katzen findest du in Kapitel 5.4. Bitte erinnere besonders deine Gäste und alle Haushaltsmitglieder daran, keine Interaktion zu erzwingen und stattdessen die Katze den Kontakt bestimmen zu lassen. Wenn sie kommen möchte, ist das gut, wenn nicht, sollte man das zum Besten der Katze respektieren. Kontakt anbieten kann man aktiv, indem man sich hinhockt, die Katze nicht frontal anschaut, sondern ihr eher die Seite zudreht und eine Hand oder einen ausgestreckten Zeigefinger ausstreckt. Wenn die Katze sich nähert und an der Hand schnuppert, zeigt sie üblicherweise eine von zwei Verhaltensweisen: entweder sie dreht sich nach dem Schnuppern wieder um und geht weg oder sie reibt ihren Kopf an der ausgestreckten Hand, was dir zeigt, dass du sie nun gerne streicheln darfst 8.
Achtsamkeitsübung: Überlege wie deine Katze/n auf Kontakt/ Interaktion
mit dir reagieren. Was mögen sie besonders? Was gar nicht? Zu welchen Zeiten kommen sie von selbst zu dir?
Geruchswelt Sorge für eine Umgebung, die die Bedeutung des Geruchssinns der Katze respektiert. Im Gegensatz zu Menschen nutzen Katzen ihren Geruchssinn, um sich in ihrer Umgebung zu orientieren und Botschaften auszutauschen. Katzen verteilen ihren Geruch, indem sie ihr Gesicht und ihren Körper an bestimmten Stellen im Revier reiben, wodurch sie ihre Pheromone abgeben und sich zuhause fühlen, wenn sie die Stellen später kontrollieren. Du hast sicher bereits etwas »speckig« wirkende, graubraune Flecken auf Gesichtshöhe der Katze entdeckt; sie sind meistens an Zimmerecken und Türzargen zu finden. Vermeide es, diese Bereiche alle auf einmal zu säubern, vor allem, wenn eine neue Katze ins Haus kommt oder wenn es andere Veränderungen bei Haustieren, Menschen oder in der Umgebung des Hauses gibt. Mit der Verwendung von synthetischen Gesichtspheromonen, wie Feliway®, kann man die natürlichen Pheromone einer Katze nachahmen und eine beruhigende Wirkung in einer stressigen oder ungewohnten Situation erzielen. Manche Gerüche können auf Katzen bedrohlich wirken, z. B. der Geruch von fremden Tieren, Desinfektionsmittel beim Tierarzt oder die Verwendung von parfümierten Produkten, wie Katzenstreu, Reinigungsmitteln oder Waschmitteln. Unbekannte, starke Gerüche und die Unfähigkeit, ihren eigenen Geruch zu verteilen oder gar wahrzunehmen (z. B. bei Nutzung von synthetischen Raum-Düften), führen manchmal zu problematischen Verhaltensweisen, wie z. B. Urin- oder Kotabsatz außerhalb der Katzentoilette, sowie Urinmarkieren und Kratzmarkieren an unerwünschten Stellen. Für die Gesundheit unserer Stubentiger (und unsere Umwelt) ist es ohnehin besser, auf Chemikalien zu verzichten. Praxis-Tipp: wenn du mit einer Katze deines Mehrkatzenhaushalts zum Tierarzt musst, lohnt es sich ggfs. eine etwaig vorhandene zweite Katze mitzunehmen, damit beide hinterher nach dem in
Katzenkreisen sehr unbeliebten »Eau de Tierarzt« riechen. Sollte das nicht möglich sein, lass der behandelten Katze Zeit zum Ankommen daheim in einem Raum für sich selbst und reibe sie mit deinem getragenen T-Shirt oder einem Kopfkissenbezug ab, bevor du die Katze wieder zu den anderen lässt. Eine Katze, die narkotisiert war, sollte erst in Ruhe ihren »Rausch ausschlafen« können, wieder normal laufen, etwas getrunken und Futter zu sich genommen haben. Nachdem du nun weißt, was deine Katze um sich herum benötigt für ihre mentale Gesundheit, geht es im nächsten Kapitel um Stress, welche Folgen er hat und wie du erkennst, dass deine Katze gestresst ist. Sarah Ellis et al. (2013). AAFP und ISFM Leitlinien über Bedürfnisse von Katzen an ihre Umwelt. In: Journal of Feline Medicine and Surgery (2013) 15, 219–230. Matthias Spörrle u. Jennifer Stich (2010) Sleeping in Safe Places: An Experimental Investigation of Human Sleeping Place Preferences from an Evolutionary Perspective. In: Evolutionary Psychology. doi: 10.1177/147470491000800308 [Stand: 12.05.2022] Tammy Sadek et al. (2018) Feline feeding programs: Addressing behavioural needs to improve feline health and wellbeing. In: Journal of Feline Medicine and Surgery, 20(11), pp. 1049–1055. doi: 10.1177/1098612X18791877. Tammy Sadek et al. (2018) Feline feeding programs: Addressing behavioural needs to improve feline health and wellbeing In: Journal of Feline Medicine and Surgery, 20(11), pp. 1049–1055. doi: 10.1177/1098612X18791877. Vgl. Theresa DePorter und Ashley Elzerman (2019) Common feline problem behaviors: Destructive scratching. In: Journal of Feline Medicine and Surgery, 21(3), pp. 235–243. doi: 10.1177/1098612X19831205. Vgl. ebd. Emma Grigg und Lori Kogan (2022) Associations between Laser Light Pointer Play and Repetitive Behaviors in Companion Cats: Does Participant Recruitment Method Matter? In: Journal of Applied Animal Welfare Science. DOI: 10.1080/10888705.2022.2065880. [Stand: 13.05.2022] International Cat Care »Interacting with cats«: https://www.youtube.com/watch? v=eqUpsyAiNn4
4 Stress und die Folgen von Stress
W
ir alle kennen Stress. Positiven und negativen Stress. In diesem Kontext bedeutet Stress, dass bestimmte Reize (Stimuli) auf das Wohlbefinden der Katze negativ Einfluss nehmen. Zunächst müssen wir uns immer wieder vor Augen führen, dass Katzen generell echte Kontrollfreaks sind. Solange sie das Gefühl haben, dass sie die Kontrolle über ihr Leben haben, sind sie glücklich. Das erreichen wir im Allgemeinen mit der Erfüllung der Umweltbedürfnisse (s. Kapitel 3). Jedes Tier nimmt – wie der Mensch – individuell wahr, wo negativer Stress beginnt und in welchem Ausmaß: Die Silvesternacht kann für die eine Katze die schlimmste Zeit ihres Lebens sein, während eine andere sich auf der Couch umdreht und sich nicht weiter stören lässt. Woran liegt das? Diese Frage beantwortet die Wissenschaft (noch) nicht, denn Katzenverhalten erforschen Wissenschaftler erst seit wenigen Jahrzehnten.
4.1 Persönlichkeit, Emotionen und Stress Während sich in der Persönlichkeitspsychologie beim Menschen das Fünf-Faktoren-Modell (auch »Big Five« genannt: Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit, Neurotizismus) etabliert hat, wurde für Katzen übereinstimmend noch kein entsprechendes Modell entwickelt. In der noch jungen Katzenforschung musste erst ankommen, was wir Katzenfreunde längst wissen: Auch unsere Stubentiger haben unterschiedliche Charaktere; keine ist wie die andere. Glücklicherweise kommen jetzt ständig neue, interessante Studien heraus, aber noch vor wenigen Jahren galt die Tatsache, dass auch Tiere eine charakteristische Persönlichkeit besitzen, als unwissenschaftliche Behauptung von Menschen, die keine vernünftige Distanz zu Tieren aufbauen können; es war verpönt, bei Tieren von Gefühlen und Persönlichkeit zu sprechen. Obwohl auch die »felinen Fünf«, angelehnt an die »Big Five«, bei Katzen bereits untersucht wurden 1, gehen mehrheitlich
Verhaltensbiologen derzeit von drei felinen Persönlichkeitstypen aus: Typ A: selbstbewusst/ dominant, Typ B: freundlich/ sozial, Typ C: ängstlich/ zurückhaltend. Einige Verhaltensweisen der Katze können wir zweifellos als angeboren betrachten. Kitten z. B. finden nach der Geburt den Weg zu den Zitzen von selbst, um Milch zu trinken. Andere Fähigkeiten sind erlernt, z. B. die Benutzung einer Katzenklappe. Psychologen nehmen an, dass den Persönlichkeitsmerkmalen und Verhaltensweisen zum einen eine starke genetische Komponente zugrunde liegt, zum anderen die biologischen Effekte im Körper einen großen Einfluss auf das Verhalten ausüben (beides sind »innere Faktoren«). Die Verhaltensforscher stimmen überein, dass Training und Lernen ebenfalls einen großen Anteil auf das Verhalten besitzen. Was eine Katze durch ihre Interaktionen mit anderen in ihrer Umgebung und durch ihre Lebenserfahrungen lernt (»äußere Faktoren«), beeinflusst ihre Reaktionen darauf. In welchem Verhältnis die inneren Faktoren und die äußeren Faktoren die Persönlichkeit und das Verhalten einer Katze (oder eines Menschen) bestimmen, bleibt Gegenstand der wissenschaftlichen Debatte. Genau wie bei den Menschen entwickeln sich Individuen in einem Geflecht komplexer Einflüsse. Geschwister derselben Eltern, die eine gleiche Erziehung erhielten und in der gleichen Umgebung aufwuchsen, zeigen dennoch andere Verhaltensweisen. Innere Faktoren bei Katzen sind beispielsweise: arteigenes Verhalten, z. B. Kommunikation, entstanden durch die Evolution; Genetik, z. B. Rasse-Eigenschaften, Charakter des Vaters; pränatale Einflüsse, z. B. Stress der Mutter während der Trächtig- keit;
Ernährung in den ersten Lebenswochen; Hormone; Krankheiten d. Nervensystems, Hormonsystems, Schmerzen generell; nachlassende Sinne bei Seniorkatzen (z. B. erschrecken leichter). Äußere Faktoren, also erlerntes Verhalten der einzelnen Katze sind: Sozialisierung (insbesondere 2.–7. Lebenswoche, auch darüber hinaus); Habituation (Katze gewöhnt sich an ungefährliche Umweltreize und lernt, diese zu ignorieren, z. B. Staubsauger); lebenslanges Lernen (positive Erlebnisse genauso wie negative). Eine Katze, die beim »Vermehrer« in einem kleinen Raum aufwächst, in ihrem kurzen Leben nichts außerhalb des einen Raumes kennen lernt oder eine Katze, die in einer Scheune auf einem Hof zur Welt kommt, wenig bis keinen Kontakt zu Menschen hat, kein Alltagsleben im menschlichen Haushalt kennt und zu früh von der Mutter und Geschwistern getrennt wurde, könnte bei ungeeigneten Haltern ihr ganzen Leben lang leiden. Wenn ihre Mutter als scheue Hof-Katze Menschen ängstlich mied, überträgt sich diese Ängstlichkeit und das scheue Verhalten höchstwahrscheinlich, sodass diese Katze im besonderen Maße einen idealen Halter benötigt, der viel Zeit, Geduld und Liebe aufbringen kann, um diese Katze in ein zufriedenes Haustier zu verwandeln. Viele Menschen erwarten ein bestimmtes Verhalten bei Katzen und verlieren enttäuscht das Interesse, wenn sie sich nicht als anhängliche, verschmuste, stubenreine Schoß-Katzen erweisen – aber du kannst sicher sein, dass auch die kleine Katze sich unglücklich fühlt in einer Umgebung voller fremder Geräusche, Gerüche und Wesen, die ihr Angst machen.
Kontrollverlust bedeutet für Katzen immer Stress, da sie selbst Beutetiere von größeren Raubtieren sind. Besonders andauernder Stress kann sich auf die physische, psychische und soziale Gesundheit eines Tieres auswirken. Im normalen Alltagsleben entsteht immer ein gewisses Maß an Stress, der auch positiv sein kann: Ohne ein wenig Stress wäre das Leben langweilig. Die Bewertung von Stressoren erfolgt individuell, auch bei Katzen. Leider stehen viele Katzen unter dauerhaftem Stress, z. B. durch anhaltende Revierkämpfe oder Mobbing im Mehrkatzenhaushalt. Nach dem Reiz-Reaktion-Modell treffen Reize auf die Sinnesorgane. Das zentrale Nervensystem verarbeitet und bewertet diese Reize. Bei Auftreten von Stressoren wird innerhalb von Sekundenbruchteilen das sogenannte »Kampf- und Fluchtsystem« aktiviert: die Pupillen erweitern sich, die Atemfrequenz wird gesteigert, der Speichelfluss wird verstärkt, dadurch vermehrtes Lecken der Lippen, Piloerektion (Fell sträubt sich), eventuell geduckte Haltung, angelegte Ohren, geöffnetes Maul, Fauchen, Knurren, das Verdauungssystem fährt herunter, die Pulsfrequenz wird gesteigert, Schreckhaftigkeit. Bestimmte Hormone (hauptsächlich Adrenalin, Noradrenalin und später auch Cortisol) werden ausgeschüttet und die Katze ist bereit, entweder zu flüchten, zu kämpfen oder gar nichts zu tun, sozusagen »vor Angst erstarrt« zu sein. Das kennst du sicher auch von Situationen, die dich persönlich sehr unter Druck setzen. Herzrasen, schnelle, oberflächliche Atmung und das Gefühl zu erstarren, können auftreten.
Wir Menschen haben den Vorteil, dass wir uns aktiv mit unseren Ängsten auseinandersetzen können. Wir können rational »durchdenken«, was uns wirklich passieren könnte und mit vielen verschiedenen Methoden mental an unseren Ängsten arbeiten. Das ist schwierig und oft meidet man gewisse Situationen lieber, als sich ihnen zu stellen. Beispielsweise konnte ich lange keine Volkshochschulvorträge halten, aus Angst, vor Fremden zu sprechen. Irgendwann besuchte ich ein Rhetorikseminar und buchte Coachings. Plötzlich macht es mir sogar Spaß! Wie viel schlimmer ergeht es unserer Katze? Sie versteht natürlich nicht, dass der Tierarzt sie nur untersuchen möchte. Eine Katze erlebt aber, dass sich ein großes, fremdes Wesen über sie beugt und sie fixiert. Wird sie vielleicht gleich gefressen? Hier bist du gefragt! Du kannst deiner Katze helfen, durch Training einige ihrer Ängste zu überwinden und ihre Resilienz zu steigern. Dabei verbindet man die negativen Reize mit neuen positiven Erfahrungen. Bevor das Trainieren beginnt, sollte man die Anzeichen von Stress sicher erkennen können. Die Langzeitfolgen von Stress können gravierend sein. Ein stressbedingt dauerhaft aktiviertes Cortisolsystem hat negative Folgen für die Gesundheit, in erster Linie durch ein geschwächtes Immunsystem, einen erhöhten Blutzuckerspiegel (Risiko auf Diabetes Mell. Typ 2) bis hin zur idiopathischen Blasenentzündung.
Feline Emotionen Du kannst deine Katzen nicht fragen, was sie fühlen, sondern bist darauf angewiesen, über Beobachten und Interpretieren ihres Verhaltens und der Körper- und Lautsprache Hinweise über ihre Emotionen zu erhalten. Aber was sind Emotionen überhaupt und welche kann man Katzen zuschreiben? Zunächst einmal ist eine Emotion mehr als ein Gefühl. Der Begriff »Emotion« beinhaltet alle psychischen Abläufe, die vor sich gehen, wenn ein Reiz auf einen Körper trifft. Wenn du dir deine Zunge am Tee verbrennst, spürst du zuerst den Schmerz. Sofort zündet das Gedankenfeuer. »Aua, so ein Mist, wieso ist das denn jetzt so heiß… Das wird wieder tagelang weh tun…« Und so weiter.
Welche Areale im Gehirn bei welchem Gefühl aktiv sind, kann heute im funktionellen Kernspintomografen sichtbar gemacht werden. Dabei wurde herausgefunden, dass einige grundlegende Gefühle, wie z. B. Angst, in Hirnarealen entstehen, die wir mit anderen Säugetieren gemeinsam haben, weshalb man davon ausgehen kann, dass Tiere diese genauso empfinden wie wir 2. Neben dem Feuer der Neuronen, die Informationen verarbeiten, spielen auch Hormone und andere körpereigene Stoffe, wie z. B. Endocannabinoide, eine Rolle bei der Entstehung von Gefühlen. Bist du sportlich und kennst das »Runner‘s High?« 3 Oder bist du gerade frisch verliebt? Diese Glücksgefühle ausgelöst von unserem eigenen Körper, können überwältigend und beflügelnd sein, genauso wie uns die Panik vor einem öffentlichen Auftritt oder einer mündlichen Abschlussprüfung den Schlaf rauben und den gefürchteten »Black Out« bescheren kann. Emotionsforscher suchen nach einem Konsens darüber, welche Emotionen alle Menschen kulturübergreifend teilen und welche nicht 4. Jeder Mensch beschreibt subjektiv, was er als Individuum fühlt. Man sagt beispielsweise, dass jeder Mensch anders trauert. Die Emotionen von Katzen und Menschen unterscheiden sich darin, dass wir über unsere Gefühle nachdenken und dass wir Handlungen reflektieren, was wiederum weitere oder andere Gefühle auslöst, wie zum Beispiel Reue, Scham oder Wut. Diese abstrakte, kognitive Leistung scheint nach aktuellem Wissensstand aufgrund der Hirnanatomie der Katze eher unwahrscheinlich. Einige Emotionen sichern laut des Neurobiologen Panksepp auch bei Tieren das Überleben, und deshalb erleben auch Katzen diese komplexen Prozesse. Sie werden heute in acht verschiedene Systeme 5 unterteilt. Panksepp 6 untersuchte zunächst Gefühle von Ratten. Ihm fiel auf, dass Ratten während sie miteinander spielten, laut zirpten. Seine Annahme, dass diese Geräusche dem menschlichen Lachen entsprechen könnten, belegte er, indem Messungen der Lautäußerungen vorgenommen wurden, während die Ratten gekitzelt wurden. Sie zeigten dabei sogar noch lauteres und
intensiveres Zirpen und wurden zutraulicher, was nahelegt, dass sie positive Gefühle erlebt hatten.
Positive Emotionssysteme 7 Das Such-System Zu diesem System gehören der Jagdtrieb (freudige Aufregung), der Objektspieltrieb, in gewissem Rahmen auch soziale Interaktion und auf jeden Fall die Neugier, die Katzen veranlasst, ihr Revier zu erkunden, um Nahrungsquellen und sichere Ruheplätze zu finden. Durch Erfolgserlebnisse werden u. a. der Neurotransmitter Dopamin (bekannt als eines der »Glückshormone«) ausgeschüttet und somit erfolgreiches Verhalten belohnt. Dieses System nutzt man auch beim Clickern (s. Kap. 7.1).
Das Soziale-Spiel-System Besonders bei Kitten und Jungkatzen ist dieses System hochgradig aktiviert, da es ihnen hilft, sowohl ihre motorischen Fähigkeiten als auch ihre Sozialkompetenz im spielerischen Umgang mit Artgenossen zu trainieren. Bei Katzen nach der sozialen Reife (im Alter von 2-3 Jahren) wirkt dieses System individuell unterschiedlich stark aktiv. Manche Katzen spielen im hohen Alter noch sehr gern mit Artgenossen. Hier ist es wichtig, den Unterschied zwischen sozialem Spiel und dem Objektspiel zu beachten. Beim Objektspiel wird das Such-System aktiviert und ein anderer Zweck erfüllt.
Das Lust-System Die Fortpflanzung, also die Anziehung oder Auswahl eines Partners, das Werben und die Paarung mit einem Sexualpartner, fallen in diese Kategorie. Da man normalerweise Katzen, die nicht zur Zucht eingesetzt werden, vor Erreichen der Pubertät kastriert, beobachten wir dieses Verhalten nur selten. Die Kastration verhindert unkontrollierte Vermehrung und erspart Katzen viel Leid, und durch sie können wir Menschen heutzutage mit Katzen nahe beisammen unter einem Dach leben: Die lustgesteuerten Verhaltensweisen, wie Markieren mit Harn, lautes Vokalisieren der rolligen Katze und des Katers, der eine Katze anlocken will, könnten wir nicht lange
ertragen. Züchter sollten bei getrennter Unterbringung der geschlechtsreifen Katzen unbedingt die Umweltbedürfnisse (vgl. Kap. 3) beachten, da sonst frustrationsbedingte Verhaltensstörungen auftreten können. Beispielsweise sollten Züchter einen markierenden Kater keineswegs in einem spärlich eingerichteten Gehege halten, weil sie damit gegen die artgerechte Haltung verstoßen.
Das Fürsorge-System Dieses System umfasst die Fürsorge einer Katzenmutter gegenüber ihrem Nachwuchs. Die Hormone (Östrogen, Prolaktin, Oxytocin und absinkendes Progesteron), die kurz vor der Geburt ausgeschüttet werden, regen das Fürsorge-System an. Die Katzenmutter kümmert sich solange um ihre Kitten, bis diese eigenständig überleben können. Wenn eine Kätzin ihren Wurf nicht versorgt, kann eine Störung dieses Hormonhaushalts ursächlich sein. Bei einigen erwachsenen und kastrierten Katzen kann man auch hin und wieder beobachten, dass sie neu angekommene Artgenossen oder andere Spezies »bemuttern«, z. B. diese putzen und viel Zeit mit ihnen verbringen.
Zufriedenheit Dieses System ist aktiv, wenn die Katze Ruhe und Entspannung erfährt. Die Katze fühlt sich zufrieden, sie ruht satt und schmerzfrei an einem warmen, sicheren Platz ohne Konkurrenzkampf und Störung.
Negative Emotionssysteme Das Frustrations-System Frustration und das Gefühl von Enttäuschung treten auf, wenn etwas Positives, das erwartet wurde, ausbleibt (z. B. bei Verwehren des Freigang gegenüber Freigängern, bei neue Katzenstreu in der Toilette) oder wenn ein Kontrollverlust eintritt (Transportkiste, Festhalten einer Katze). Wie bereits an anderer Stelle geschildert, stellt das Gefühl, die Kontrolle zu besitzen, das allerwichtigste Gefühl für Katzen dar. In Untersuchungen wurde gezeigt, dass Frustration häufig zu Aggression führen kann.
Geraten deine Katzen öfters kurz vor der Fütterung in einen Konflikt? Hunger wirkt auch frustrierend und kann zu Aggressionen führen. Wenn ich der »Snickers«-Werbung glauben darf, steckt in jeder hungrigen Katze eine Diva.
Das Furcht-Angst-System Zwischen Furcht und Angst besteht ein Unterschied: Während die Angst sich auf die Erwartung einer (noch) unbestimmten Bedrohung bezieht, setzt die Furcht ein, sobald diese Bedrohung konkret besteht. Am Beispiel: Eine Katze, die in der Transportbox sitzt, hat Angst (engl. »anxiety«), vergleichbar mit dir im Wartezimmer beim Zahnarzt, während du hoffst, dass es sich um einen reinen Kontrolltermin handelt. Furcht (engl. »fear«) wird definiert als Empfindung einer akuten Bedrohung: Der Tierarzt hebt die Katze aus der Box und beginnt, sie zu untersuchen, und in diesem Moment empfindet die Katze Furcht. Bezogen auf den Zahnarzt entsteht in dir Furcht in dem Moment, in dem er dir eröffnet, dass gebohrt werden muss und du mehrere Spritzen bekommst. Das ungute, vage Gefühl der Angst schlägt in Furcht um. Die bereits beschriebene »Kampf-oder-Flucht«-Reaktion in StressSituationen kennen wir alle, wenn wir mit einem bestimmten Reiz konfrontiert werden, z. B. einer Spinne oder einer Schlange: Der Puls rast, wir atmen schneller und erstarren vor Schreck, rennen weg oder, falls das beides nicht möglich ist: bleibt nur der Kampf. Angst bzw. Furcht sind die am besten erforschten Emotionen. Die zugrundeliegenden Mechanismen (z. B. Stresshormone, Teile d. Nervensystems) sind »evolutionstechnisch« gesehen uralt und sichern das Überleben. Tieren und Menschen sind dadurch in der Lage Feinde zu erkennen und gefährlichen Situationen auszuweichen. Die Entstehung dieser Gefühle findet bei Katzen in den gleichen Hirnarealen und unter Freisetzung der gleichen Neurotransmitter statt wie bei uns Menschen. Deshalb kannst du davon ausgehen, dass deine Katze sich gleich fühlt wie du, wenn sie sich fürchtet. Auch chronische Ängste können sich manchmal bei Katzen
manifestieren. Ein Beispiel dafür ist eine unsaubere Katze, die aufgrund einer Angststörung ihre Katzentoilette meidet. Wenn nun ihr »Lieblingsmensch« sie anschreit, weil sie – aus Angst – in die Ecke uriniert, was passiert wohl als nächstes? Sie bekommt noch mehr Angst. Das hilft nicht bei der Lösung des Unsauberkeitsproblems. Ganz im Gegenteil (mehr zu Unsauberkeit in Kapitel 5.1).
Das Schmerz-System Ausgelöst durch einen schmerzhaften Reiz von außen oder innen, sorgt das Schmerz-System dafür, dass der Körper vor Verletzungen oder Schäden geschützt werden soll. Oft finden Überschneidungen zum Angst-System statt, da vorherige, schmerzhafte Erfahrungen bereits zu Angst-Reaktionen führen können, obwohl kein schmerzhafter Reiz auftritt.
Das Trennungsangst-System Dieser Kreislauf hilft Kitten zu überleben, indem sie die ersten Lautäußerungen hervorbringen. Sie rufen nach ihrer Mutter, wenn sie Hunger empfinden oder wenn sich die Mutter zu lange entfernt. Auch Kitten, die bereits ihre ersten Entdeckungen unternehmen können und verloren gehen, versuchen ihre Mutter auf sich aufmerksam zu machen durch Rufen. Normalerweise beschränkt sich diese Trennungsangst und ihr lautlicher Ausdruck auf Jungtiere, die sich noch in der vollen Abhängigkeit von der mütterlichen Aufmerksamkeit und Fürsorge befinden. Doch hin und wieder lassen sich bei erwachsenen Katzen Anzeichen für Trennungsangst beobachten: Sie reagieren beispielsweise mit vermehrtem Miauen oder Unsauberkeit. Zusammenfassend können wir sicher davon ausgehen, dass unsere Katzen – wie wir auch – die »Bauchgefühle« Spaß, Frustration bzw. Ärger, Zuneigung, Angst und Panik fühlen. Wenn Katzen sehen, dass sie eine bestimmte Ressource, z. B. ihre Hauptbezugsperson oder den Lieblingsplatz, mit anderen Katzen teilen sollen, kann es sein, dass sie Eifersucht empfinden und dazwischen gehen oder versuchen, das konkurrierende Tier zu vertreiben. Derzeit läuft an der Tierärztlichen Hochschule Hannover
eine Studie, in der die soziale Bindung Katze–Mensch einschließlich eines etwaigen Eifersuchtsverhaltens untersucht wird 8. Auch Trauer beobachten Katzenhalter. Wissenschaftlich nicht geklärt bleibt vorerst, ob die Ursache von Verhaltensänderungen (z. B. Rückzug, Verweigerung des Futters) in der veränderten Routine liegt oder ob die Tiere wirklich um den verstorbenen Artgenossen trauern.
Hass Hassgefühle liegen möglicherweise vor in Zusammenhang mit dem Vermeiden des Kontaktes zwischen zwei Katzen, die sich offenbar ablehnen und darum aus dem Weg gehen. Nicht aus Angst, sondern aufgrund starker Antipathie. Hier besteht ggfs.. ein Zusammenhang mit territorialem Verhalten. Dieses System ist noch nicht wissenschaftlich bestätigt.
4.2 Anzeichen und Ursachen von Stress Zusätzlich zu den oben beschriebenen körperlichen Anzeichen von akutem Stress, gibt es Änderungen im Verhalten, die dir zeigen, dass deine Katze Stress hat, darunter: Verstecken, nicht aus einem Versteck herauskommen, am Boden gedrückt, geduckt sitzen/laufen, »Scheinschlaf« (die Katze kauert sich zusammen, hält die Augen geschlossen, täuscht Schlaf nur vor, dreht anderen den Rücken zu und ist absprungbereit), Unsauberkeit, Urinabsatz oder Harnmarkieren, Übergewicht, Zwangsstörungen, z. B. Putzen, Fressen von Unverdaulichem, gehemmtes bis ausbleibendes Spielverhalten. Oft stellen plötzliche Änderungen in der Alltagsroutine, Konflikte oder Schmerzen ein Problem für Katzen dar, z. B.: Natürliche Verhaltensweisen können nicht ausgeübt werden (kein Spiel, Langeweile, Haltung nicht artgerecht); unzureichende Ressourcen oder Konkurrenz um Ressourcen im Mehrkatzenhaushalt; andauernde Konflikte mit anderen Katzen oder Tieren; ständiges Anfassen, nicht Respektieren des Sicherheitsbedürfnis- ses; unvorhersehbare Haltungsroutine; Bauarbeiten am Haus, in der Wohnung; neues Mitglied im Haushalt (u. a. Baby), plötzlicher Verlust eines Familienmitglieds; Schlagen, Strafen, Schimpfen usw. durch Menschen; chronischer Schmerz (z. B. Zahnschmerzen durch resorptive Läsionen).
Neben den bereits besprochenen Umweltbedingungen, ausreichenden Ressourcen und dem gezielten Training gibt es weitere Lösungen, je nachdem, welches Problem vorliegt. Auch wenn du denkst, dass du die Ursache für eine Verhaltensänderung deiner Katze kennst, solltest du immer einen Tierarztbesuch auf die Agenda setzen. So kann vermehrtes Lecken bis zu einem kahlen Bauch psychisch bedingt sein, aber bevor man zu dieser Diagnose kommt, sollten zunächst körperliche Ursachen (Flohbefall, Blasenentzündung degenerative Gelenkerkrankungen, u. a.) abgeklärt sein. Unsere Tiere nehmen sensibel wahr, wenn wir als Katzeneltern selbst Stress, Hektik oder Unruhe ausstrahlen. Manche Katzen lassen sich durch dieses Verhalten »anstecken«, andere Katzen wirken eher ausgleichend auf die Menschen.
Mögliche Auswirkungen von Stress 9 Harnwege erhöhtes Risiko für wiederkehrende Blasenentzündungen (stressbedingte und »feline idiopathische Zystitis«), dadurch erhöhtes Risiko für Unsauberkeit, erhöhtes Risiko für Markierverhalten, Verdauungstrakt, wiederkehrend Durchfall, Erbrechen, verminderter Appetit, Einhalten bis zu 24 Stunden und/ oder Kot-Absatz außerhalb der Katzentoilette, erhöhtes Risiko auf Diabetes mell. Typ II
Fortpflanzung Kitten gestresster Mütter haben ein geringeres Geburtsgewicht, langsamere Gewichtszunahme,
Immunsystem erhöhtes Risiko auf FIP (feline infekt. Peritonitis) erhöhtes Risiko auf Infekte der oberen Atemwege
Haut Zwangsstörungen (z. B. »Putz-Zwang«) Du kannst dir eine ausführliche Checkliste »Stress-Anamnese« im beim Zusatzmaterial auf meiner Internet-Seite herunterladen. Carla Litchfield et al. (2017) The ‘Feline Five’: An exploration of personality in pet cats (Felis catus). Open Access: https://journals.plos.org/plosone/article? id=10.1371/journal.pone.0183455 Vgl. John Bradshaw (2015) Die Welt aus Katzensicht. Franckh-Kosmos. S. 241. Johannes Fuss et al. (2015) A Runner’s high depends on cannabinoid receptors in mice. In: PNAS. 42, Nr. 112, S. 13105–13108. doi:10.1073/pnas.1514996112. URL: https://www.deutschlandfunk.de/psychologie-manuskriptgefuehlsverwandtschaften-100.html Christos Karagiannis und Sarah Heath. (2016) Understanding Emotions. In: Feline Behavioral Health and Welfare. Elsevier. S. 228 – 234 Jaak Panksepp. (1998) Affective neuroscience: the foundation of human and animal emotions. New York. Oxford University Press. Vgl. Sarah Heath (2018) Understanding Feline Emotions... and their role in problem behaviours. In: Journal of Feline Medicine and Surgery (2018) 20, 437– 444 Marina Scheumann und Willa Bohnet. Kommunikation und soziale Bindung von Katzen gegenüber ihren Besitzern und Artgenossen. Januar 2021 bis Dezember 2023. TiHo Hannover. Vgl. Christos Karagiannis (2016) Stress as a Risk Factor for Disease In: Feline Behavioral Health and Welfare. S. 141, Tabelle 12-1
5 Problemverhalten
M
anche Katzen zeigen ein Verhalten, das sie selbst als normal oder sogar positiv wahrnehmen, aber wir Menschen schwer ertragen, beispielsweise das Jagen von Vögeln oder das Kratzmarkieren an Möbeln. Dieses Verhalten liegt in ihrer Natur bzw. ihren arteigenen Kommunikationswegen. Allgemein und besonders bei stressauslösenden Umständen ermittelt man die Ursachen eines (problematischen) Verhaltens durch genaue Beobachtung unter der Fragestellung: wie und unter welchen Umständen tritt das problematische Verhalten auf und welches Emotionssystem (s. Kapt. 4.1) könnte aktiv sein. So kann Putzen normal sein, gehäuft auftreten oder gar zwanghaft werden. Wie, wann, wie oft, wie lange, wo und in welchem Kontext putzt sie sich? Das gleiche gilt für Unsauberkeit. An dieser Stelle möchte ich deutlich machen, dass Katzen nicht aus »Protest« oder »Rache« unsauber werden. Für sie hat Urin eine andere Bedeutung als für Menschen. Katzen finden Urin nicht eklig, sondern nutzen ihre Körperfunktionen, um sich auszudrücken und sich sicher zu fühlen durch die Verteilung ihres Geruchs. Deine Katze versteht nicht, dass sie deine neue Couch zerkratzt, sie weiß nur, dass sie fremd riecht. Möglicherweise ängstigt sie der ungewohnte Geruch. Vielleicht kratzt sie daran, um das Sofa ins Revier aufzunehmen, vielleicht uriniert sie darauf, weil sie Schmerzen hat und das Klo deshalb meidet. In jedem Fall weiß sie nicht, dass du darauf lange gespart hast. Sie meint es nicht böse. Deshalb schau bitte, was deine Katze dir sagen möchte, damit ihr beide stressfrei zusammenleben könnt. Mein Berufsverband (die Association of Pet Behaviour Counsellors) hat in seinem Verhaltenscodex festgeschrieben, dass eine Verhaltensberatung nur nach einer tierärztlichen Untersuchung stattfinden darf, um körperliche Ursachen eines Problemverhaltens auszuschließen. Bis zu 80 Prozent der Tiere, die ein »Problemverhalten« zeigen, leiden unter Schmerzen 1. Damit du auf die Untersuchungen gut vorbereitet bist, erkläre ich in
den jeweiligen Abschnitten, welche körperlichen Probleme vorhanden sein könnten. Die beschriebenen Untersuchungen zur Abklärung sind keinesfalls »Abzocke« der Tierarztpraxis. Im Gegenteil: Alle sonstigen Maßnahmen, ohne Abklärung einer zugrundeliegenden gesundheitlichen Ursache, stellten ein fahrlässiges Vorgehen dar. Sollten dir diese Untersuchungen nicht angeboten werden, frage bitte explizit nach. Schreibe dir einen »Spickzettel«, den du z. B. auf die Transportkiste kleben kannst, so vergisst du vor Ort in der Aufregung keine wichtige Frage. Mein persönlicher Eindruck: Manche Tierärzte sprechen die Möglichkeit weitergehender Untersuchungen nicht an. Stattdessen geben sie auf Verdacht ein Antibiotikum und ein Schmerzmittel oder einen Entzündungshemmer. Wahrscheinlich sehen sich Tierärzte häufiger mit Tierhaltern konfrontiert, die weitergehende Diagnostik für unnötig erachten. Oder sie sind nicht auf Katzen spezialisiert, vielleicht ist auch die Praxisausstattung noch nicht für alle modernen Möglichkeiten gerüstet und man möchte verhindern, dass du zu Kollegen abwanderst. Nimm deinen Spickzettel mit und frage aktiv nach, was gemacht werden kann! Höre dich um, wer sich bei dir in der Region mit Katzen auskennt und sich regelmäßig auf dem Gebiet der Katzenmedizin weiterbildet. Wenn eine Katze unter Panik, Furcht, Angst oder zwanghaften Störungen leidet, können als letzter Schritt psychoaktive Medikamente geeignet sein, um dem Tier bei der Bewältigung zu helfen – als Teil eines umfassenden Verhaltensplans. Medikamente können in Ausnahmefällen erforderlich sein, wenn: der problematische Reiz unvermeidbar oder unvorhersehbar ist, die Lebensqualität/das Wohlergehen der Katze stark beeinträch- tigt wird, die Bindung Mensch–Katze gestört wird und zur Unterstützung der Verhaltensänderung.
5.1 Unsauberkeit Unsauberkeit beim Urinieren Urinabsatz tritt hauptsächlich in zwei verschiedenen Formen auf: entweder als Ausscheidungsverhalten oder als Harnmarkieren. Beides sind normale Verhaltensweisen von Katzen mit unterschiedlichen Zielen, zum einen die Entleerung der Blase 2 und zum anderen das Harnmarkieren als eine Form der Kommunikation 3. Nutzt die Katze vertikale Flächen – oft Stellen in der Nähe von Fenstern oder Türen – und zeigt sich die Urinmenge geringer als bei der normalen Ausscheidung, geht man von Markierverhalten aus. Territoriale, rivalisierende Begegnungen, wie das Zusammentreffen mit einer anderen Katze im Freien oder das Beobachten durch das Fenster, können stark erregende Reize sein 4. Falls deine Katze plötzlich anfängt, ihr Territorium durch Harnspritzen zu markieren, solltest du überprüfen, ob deine Katze sich durch andere Katzen in der Nähe (drinnen oder draußen) oder durch jemand anderen gestresst fühlt. Das Harnmarkieren als eine Form der olfaktorischen und visuellen Kommunikation dient dazu, Informationen für andere Katzen zu hinterlassen, die sich über einen längeren Zeitraum im Revier aufhalten, ohne dass eine Begegnung von Angesicht zu Angesicht notwendig ist 5. Es hilft der Katze, ihr Territorium zu definieren. Sie demonstriert anderen Katzen ihre Anwesenheit und nutzt es, um ihre Umgebung als einen sichereren Ort zu empfinden 6. Für unkastrierte Katzen stellt das Markieren eine bedeutsame Mitteilung dar, um adäquate Partner für die Paarung zu finden und andere Kater womöglich in ihre Schranken zu verweisen. Beim Markieren dreht die Katze ihr Hinterteil in Richtung des zu markierenden Objekts (oder Subjekts). Sie hält ihren Schwanz senkrecht nach oben, streckt die Hinterbeine durch, trippelt mit den Hinterpfoten auf der Stelle, wölbt den Rücken leicht und spritzt Urin senkrecht gegen das Objekt 7. Typisches Harnmarkieren beinhaltet:
stehende (selten auch hockende) Körperhaltung, kleine Menge Urin, vertikale Flächen werden anvisiert, (wenn horizontale Flächen anvisiert werden, wird eine soziale Botschaft gesendet), Vergrabungsverhalten sehr selten, Katzentoilette wird regelmäßig zum Urinieren benutzt. Der Geruch dieser Harnmarke kann bis zu vierzehn Tage anhalten. Sie verblasst langsam unter dem Einfluss des Sauerstoffgehalts der Luft und ermöglicht den Katzen, Informationen zu erhalten, wer sie wann abgeschickt hat und vermutlich sogar in welcher Stimmung der Sender sich befand 8. Zehn Prozent der kastrierten Kater und fünf Prozent der kastrierten Kätzinnen markieren trotz Kastration ihr Revier 9. Urinabsatz, der auf weichen, horizontalen Flächen, wie Betten, Kissen, Kleidung und so weiter auftritt, deutet dahingegen auf ein gesundheitliches Problem hin. Katzen sind sehr sauber. Wenn sie ausweichen und ihren Urin nicht mehr im Klo absetzen, sondern sich alternative Stellen suchen, kann es daran liegen, dass sie das schmerzhafte Brennen während des Urinierens mit dem Ort in Verbindung bringen und diesen meiden. Strafen und Schimpfen bringen natürlich keine Abhilfe. Das solltest du ohnehin niemals machen. Du zerstörst das Vertrauen deiner Katze in dich. Die Untersuchung beim Tierarzt sollte das erste Mittel der Wahl sein.
Blasenentzündungen können verschiedene Ursachen haben: Harngrieß, -steine, Bakterien,
Stress (»feline idiopathische Zystitis«). Ostern 2020 hatte unsere Amy eine symptomlose Blasenentzündung. Sie war nicht unsauber. Sie hat keine Anzeichen von Schmerzen gezeigt, lediglich ihr Fell sah ungewohnt strubbelig aus. Die Diagnose war ein reiner Zufallsbefund. Ich schicke regelmäßig ihren Harn ins Labor, um die Nierenfunktion zu überprüfen. An diesem Morgen hockte ich neben Amy, während sie im Klo Urin absetzte und hielt einen kleinen Teller unter ihr Hinterteil. Der Urin war rot statt gelb und hatte einen üblen, fischigen Geruch. Es brauchte keine Teststreifen 10 mehr, um die roten Blutkörperchen nachzuweisen. Da ich sie trotzdem immer vorrätig habe, tauchte ich einen Stick in den Urin. Das oberste Feld für rote Blutkörperchen wurde schlagartig dunkelgrün statt gelb. Natürlich brachte ich eine Probe zur Tierärztin und stellte Amy dort vor. Sie bekam von unserer Tierärztin ein Antibiotikum und Schmerzmittel verabreicht und war nach einigen Wochen mit mehreren Nachkontrollen wieder fit.
Sie war nicht unsauber. Sie hat keine Symptome gezeigt. Damit will ich dir sagen: Katzen verstecken wirklich gut, wenn es ihnen schlecht geht. Wie stark müssen sie leiden, wenn sie unsauber werden, weil sie den Ort meiden, wo die Schmerzen auftreten? Wenn deine kastrierten Katzen außerhalb der Katzentoilette Kot oder Urin absetzen, stelle als erstes dein Katzenklo-Management selbstkritisch auf den Prüfstand: Reinigst du die Katzentoiletten mindestens zweimal täglich? Hast du ein zusätzliches Klo an einer anderen Stelle aufgestellt, z. B. dort, wo die Unsauberkeit aufgetreten ist?
Wurde eine ggfs. vorhandene Haube abgenommen? Ist die Toilette leicht zugänglich? Hast du in letzter Zeit die Katzenstreu gewechselt? Hat deine Katze sehr harten Kot oder Durchfall? Findet noch Kot- oder Urinabsatz im Klo statt oder gar nicht mehr? Falls ja, fällt dir an den Ausscheidungen etwas auf? Sind beispielsweise die Urinklumpen kleiner oder größer als sonst? Fällt dir am Verhalten deiner Katze etwas auf? Geht sie öfter zum Klo als sonst, gibt sie ungewohnte Laute von sich? Versucht sie, Urin oder Kot abzusetzen und es kommt nichts? In diesem Fall fahre bitte sofort zum Tierarzt. Es könnte sich um einen lebensbedrohlichen Notfall handeln! Bei mehreren Katzen stellt sich oft die Frage, welche der Katzen das unsaubere Verhalten zeigt. Du kannst z. B. eine Wildkamera oder eine Webcam zu Hause aufstellen und die Stellen, an denen die Katze wiederholt absetzt, beobachten/ filmen. An nächster Stelle steht die tierärztliche Allgemeinuntersuchung. Laut Schroll haben fast die Hälfte der unsauberen Katzen körperliche Probleme: »Bei rund jeder zweiten Katze, die unsauber ist (٤٨ ٪) und ٣٩ ٪ der harnmarkierenden Katzen sind organische Ursachen für diese unerwünschten Verhaltenssymptome zu finden.« 11 Spezielle, weitere Untersuchungen sollten erfolgen. Bei Urinunsauberkeit muss in jedem Fall der Urin untersucht werden auf Harngrieß oder -steine (meist Struvit oder Calciumoxalat), Blut und Bakterien. Außerdem geben bestimmte Werte, wie z. B. der pH-Wert des Urins und das spezifische Gewicht wichtige Hinweise. Nimm am besten eine Urinprobe mit zum Tierarzt. Der Harn sollte bei Raumtemperatur nicht länger als 30 bis 60 Minuten stehen, da sich einige Steintypen schnell auflösen. Wenn es nicht anders geht, bewahre die Probe vorübergehend im Kühlschrank auf.
Wie kommst du an den Urin? Es gibt mehrere Möglichkeiten. Entweder deine Katze ist entspannt
und du bist geschickt (beste Kombination!): Schiebe ein kleines Gefäß (Suppenkelle, Teller o. ä.) vorsichtig unter das Hinterteil deiner Katze, in dem Moment, in dem sie sich hinhockt. Falls deine Katze ängstlich wirkt, kannst du andere Möglichkeiten nutzen. Im Internet und beim Tierarzt kannst du spezielle Katzenstreu (z. B. »Katkor«) erwerben, die den Urin nicht aufsaugt. Dazu wird eine Spritze geliefert, mit der du den Urin anschließend aus der Streu aufsaugen kannst. Im Mehrkatzenhaushalt mit mehreren Toiletten kannst du die Sorgenkatze mit einem Klo in einem Raum einzusperren, bis du die Urinprobe hast. Eine weitere Option bietet die Gewinnung einer sterilen Urinprobe mittels Blasenpunktion oder Katheter beim Tierarzt. Wenn es nach Lehrbuch gehen soll, muss vor der Gabe eines Antibiotikums erst ein Antibiogramm erstellt werden. Damit prüft man, welches Medikament die vorliegenden Bakterien zuverlässig bekämpfen kann, um Resistenzbildung zu vermeiden. Im nächsten Schritt folgt eine Röntgen- und/ oder Ultraschalluntersuchung der ableitenden Harnwege und des Verdauungstrakts bei Kot-Unsauberkeit. Die Katze sollte 12 Stunden lang vorher gefastet haben, um den Darm besser beurteilen zu können.
Behandlung Falls eine gründliche tierärztliche Untersuchung wie oben beschrieben, körperliche Ursachen ausschließt oder die Diagnose »feline idiopathische Zystitis« (FIC) lautet, sollte man herausfinden, was genau die Katze stresst, sodass ihre Blase sich entzündet. Zunächst solltest du die Urinspuren vollständig entfernen, damit deine Katze sie nicht wieder auffrischt. Auch wenn wir Menschen nichts mehr wahrnehmen, die Katzen erschnuppern feinste Spuren von Harn. Besorge dir eine UV-Licht-Taschenlampe (erhältlich für weniger als zehn Euro). Im Dunkeln suchst du mithilfe dieser Lampe nach Harnmarkierungen, die du mit bloßem Auge nicht erkennen kannst. Beziehe die Außenseiten deiner Haus- und Terrassentüren mit ein, bei denen die Unsauberkeit auftritt; deine (Wohnungs-)Katzen
könnten die Markierungen wahrnehmen, die andere Katzen außen hinterließen. Damit die Gerüche nicht nur für dich, sondern auch für deine Katze gänzlich verschwinden 12:
1. Reinige
die Stelle mit Waschmittellauge (10%ig) oder
speziellem Enzymreiniger aus dem Tierhandel. Wisch mit klarem Wasser nach und lass die Stelle trocknen, so werden die eiweißhaltigen Spuren entfernt;
2. Sprühe die Stelle mit medizinischem Alkohol ein, wische nach und lass wieder trocknen, damit werden die fetthaltigen Spuren entfernt;
3. Zuletzt sprühe die Stelle mit einem Pheromon-Spray ein, z. B. Feliway® Classic Spray. Die darin enthaltenen synthetisch nachgebildeten Gesichtspheromone sollen weiteres Markieren vermindern. Eine Alternative zum Harnmarkieren in Form eine Kratzmöglichkeit sollte an den Stellen angeboten werden. Du kannst auch versuchen, regelmäßig an den Stellen Trockenfutter oder Leckerlis zu verteilen, da Katzen normalerweise nicht dort urinieren, wo sie fressen. Die Verwendung des Feliway® Optimum Diffusors soll Markierverhalten zusätzlich hemmen. Der Diffusor wird in den Bereichen, wo hauptsächlich markiert wird, platziert. Was auch immer deine Katze stresst: Du kannst und solltest möglichst schnell die Ursache ermitteln und diese Quelle versiegen lassen; alles andere wäre nur eine symptomatische Behandlung. Wenn du alleine nicht weiterkommst und die Tipps aus diesem und dem 3. Kapitel bereits ohne Erfolg umgesetzt hast, suche dir bitte Hilfe von speziell weitergebildeten Verhaltenstierärzten oder einer qualifizierten Katzenpsychologin. Manchmal braucht es einen neutralen und geschulten Blick von außen, um das Problem zu
identifizieren. Meiner Erfahrung nach muss eine Unsauberkeitsproblematik schnellstmöglich behandelt werden, da sich diese Auffälligkeit schnell hartnäckig manifestiert. Je länger der Halter tatenlos bleibt, umso wahrscheinlicher baut sich Frustration auf beiden Seiten auf. Das Tier beginnt in solchen Fällen möglicherweise zusätzlich, aus dem wachsenden Stress heraus, in der Wohnung, statt in die Toilette zu urinieren.
Unsauberkeit beim Kotabsatz Unerwünschter Kotabsatz kommt im Vergleich zu Urinabsatz seltener vor und tritt oft zusammen mit mangelhaftem Toilettenmanagement und Schmerzen beim Kotabsatz auf. Die Ursache hierfür liegt häufig in Verdauungsproblemen. Besonders ältere Katzen neigen zu Verstopfung. Die Katze zeigt während des Versuchs, Kot abzusetzen, ein verstärktes Pressen, wirkt angestrengt, äußert Schmerzlaute und benötigt unnormal viel Zeit, um kleine Mengen abzusondern, die »steinhart« erscheinen können. Achte darauf, dass deine Katze ausreichend Wasser zu sich nimmt (s. Kapitel 3.3). Bitte stelle die Katze dem Tierarzt deines Vertrauens vor, um Probleme wie beispielsweise »Megakolon« (krankhafte Ausstülpung des Dickdarms) und Darmverschluss auszuschließen und wenn notwendig den Kotabsatz mittels abführender Medikamente für Katzen zu erleichtern. Bei alters- oder fütterungsbedingter Verstopfung lässt sich mit Umstellung auf hochwertiges Nassfutter, ggfs. durch Ergänzung von zusätzlichen Ballaststoffen, wie eingeweichten Flohsamenschalen, eine Besserung erreichen. Allerdings ist hier zu beachten, dass Flohsamenschalen niemals bei Darmverschluss und Megakolon eingesetzt werden dürfen!
5.2 Kratzmarkieren Soziale Spannungen und sozialer Stress zwischen Katzen können ein Grund für eine erhöhte Intensität und Häufigkeit des Markierverhaltens, einschließlich des Kratzens sein 13. Insbesondere in der Nähe von Fenstern gilt: Eine fremde Katze im Revier könnte
der Grund sein, die deine Katze stresst. Biete deiner Katze interessante Kratzmöglichkeiten in der direkten Nähe der traktierten Gegenstände oder Wände an (s. Kap. 3.3). Reinige die betroffenen Gegenstände (soweit möglich), um die bereits verteilten Pheromone zu entfernen. Abschließend sprühe die betroffenen Gegenstände oder Flächen beispielsweise mit Feliway® Classic Spray ein. Das darin enthaltene künstlich nachgebildete feline Gesichtspheromon hemmt Kratz- und Harnmarkieren. Teste das Produkt zunächst an einer unauffälligen Stelle! Schütze dein Sofa oder deine Tapete mit speziellen SofaSchutzfolien oder beklebe Kartons mit breitem doppelseitigem Klebeband und befestige diese an den betroffenen Wänden. Wichtig ist, das Verhalten auf eine direkt in der Nähe befindliche, angemessene Kratzmöglichkeit umzulenken (s. Kap. 3.3)!
Sollte deine Katze die neuen Kratzbretter oder Kratzsäulen nicht von selbst annehmen, kannst du selbst daran kratzen oder die Aufmerksamkeit mit einer Feder-Angel auf das neue Spielzeug lenken. Manchmal hilft es auch, Katzenminze darauf zu verreiben. Achtung: Bitte versuche nicht, die Pfoten deiner Katze an der neuen Kratzgelegenheit zu reiben. Deine Katze empfindet diese Versuche als extrem unangenehm, d. h. du bewirkst das Gegenteil: Deine Katze bringt diesem Gegenstand negative Gefühle entgegen und meidet ihn künftig! Strafe deine Katze niemals. Die Benutzung von Wasserpistolen, das Anschreien und Ausschimpfen führen zu Vertrauensverlust und verängstigen deine Katze. Sie reagiert mit wachsendem Stress, was wiederum ein gesteigertes Kratzbedürfnis auslöst. Das natürliche Bedürfnis deiner Katze kann bestenfalls mit Geduld und Verständnis umgelenkt werden. Belohne deine Katze mit
Leckerlis und Streicheleinheiten, wenn sie die neuen Kratzgelegenheiten nutzt. Eine weitere Möglichkeit, Kratzmarkieren zu vermindern, können Selbstpflegebürsten sein. Diese kannst du fertig kaufen oder selbst basteln aus Nagelbürsten. An Stuhlbeinen oder Zimmerecken befestigt, verstärken sie das Wangenmarkieren, welches das Kratzen ersetzen kann.
5.3 Vokalisieren/ vermehrtes Miauen Unkastrierte Katzen und Kater nutzen Rufen, Gurren und Jaulen zur Paarungszeit. Nur eine Kastration verhindert dieses Verhalten. Hauskatzen müssen vor dem Einsetzen der Geschlechtsreife kastriert werden. Besonders hervorzuheben ist, dass auch weibliche Katzen vor der Geschlechtsreife und ohne eine Trächtigkeit diesen medizinischen Eingriff erhalten müssen. Noch immer hängen zu viele Menschen dem Aberglauben nach, die Katze müsste (mindestens) einen Wurf ausgetragen haben, bevor man sie kastrieren lässt. Tatsächlich hat deine Katze ausschließlich gesundheitliche Vorteile (s. Kap. 8.) durch eine rechtzeitige Kastration und niemand braucht noch mehr Kitten. Die Tierheime quellen mittlerweile ganzjährig über. Das Katzenleid nimmt kein Ende, weil unverantwortliche Menschen ihre Katzen unkastriert frei herumlaufen lassen, obwohl es in vielen Gemeinden und Städten längst verboten ist! Manche Katzenrassen zeigen das angeborene Verhalten, echte Quasselstrippen zu sein, z. B. Siamkatzen. Man kann ihnen dieses Bedürfnis nach lautlicher Mitteilung niemals abgewöhnen, es ist schlicht angeboren. Ist deine Katze über 10 Jahre? War sie vorher nie sehr laut bzw. hat sie nie viel miaut? Lass sie bitte dringend gründlich (Allgemeinuntersuchung, geriatrisches Blutbild, ggfs. weitere Diagnostik) untersuchen. Vermehrtes Miauen steht auf der Symptomliste verschiedener Erkrankungen, wie beispielsweise Bluthochdruck, Schilddrüsenüberfunktion, nachlassendes Hörvermögen und beginnende Demenz. Vermehrtes Vokalisieren tritt hin und wieder auch als Symptom einer
Angststörung auf. Eine weitere Möglichkeit: Deine Katze erzog dich gut, lernte schnell, durch Miauen deine Aufmerksamkeit zu gewinnen und ihre Wünsche zu erfüllen, z. B. ihr Leckerchen zu geben. Manchmal reicht eine einzige Wiederholung aus. Hier hilft nur, konsequent das Miauen zu ignorieren und die Katze zu belohnen, wenn sie nicht miaut. Ein Beispiel aus meiner Praxis: Jeden Abend, wenn die Klienten zu Bett gehen wollten, drehte ihr Kater richtig auf. Zuvor hatten beide Urlaub. In dieser Zeit spielten sie jeden Abend mit ihm. Natürlich erwartete der Kater nun allabendlich die Spielzeit. Er miaute und ließ nicht locker, bis sie sich erbarmten. Er lernte, dass ausdauerndes Miauen zum Erfolg führt. Folgende Lösung konnten wir finden: das Vorziehen der Spielstunde in den früheren Abend, gemeinsames anschließendes »Zur-Ruhe-Kommen« und Beschäftigung für ihn mit einem Fummelbrett während die Halter zu Bett gingen. Auch die Ursache für frühmorgendliches Wecken geht auf menschliches Verhalten zurück: Wenn deine Katze fressen möchte, hat sie vielleicht am Abend vorher zu früh die letzte Mahlzeit erhalten. Du könntest der Katze kurz vor dem Schlafengehen eine letzte kleine Mahlzeit geben, z. B. serviert im Leckbrett. Damit zögerst du den »kleinen Hunger« morgens hinaus. Überlege, was du in deinem Haushalt verbessern könntest, um mehr Ruhe zu schaffen. Könntest du einen zeitgesteuerten Napf anschaffen, den du abends mit einer kleinen Portion befüllst und der dich um 4 oder 5 Uhr morgens vertritt, damit du länger schlafen kannst? Es gibt Modelle mit Kühlpacks, die auch im Sommer Feuchtfutter über Stunden frisch halten. Grundsätzlich gilt zu bedenken: Katze werden in der Dämmerung naturgemäß aktiv. Gerade Wohnungskatzen sollten möglichst ausgelastet, zufrieden und etwas müde sein, bevor die dunklen Stunden einsetzen. Sie können nicht ihrem natürlichen Trieb folgen, in der Nacht zu jagen und sich bei der Gelegenheit kurzweilig zu beschäftigen. Eine gute Routine, zeitliche Regelmäßigkeit in den Spiel- und Fresszeiten und kleine »Extras« für besondere
Bedürfnisse, z. B. ein Leckerli vorm Schlafengehen oder eine Extraportion Streicheleinheiten, bewirken einen stressfreien Ablauf. Eine weitere problematische Situation und ständiges Vokalisieren entsteht, wenn man dauernd dem Freigänger die Türen öffnen muss. Eine moderne Katzenklappe könnte eine Möglichkeit sein, dich als Türsteher zu entlasten. Chipgesteuerte Modelle, die man über das Handy steuern und überwachen kann, sind durchaus praktisch für Freigänger. Du lernst viel über die zeitlichen Routinen, und fremde Tiere können nicht ins Haus. Auch für den Balkon oder die Terrasse gibt es Lösungen, beispielsweise Katzenklappen für Fliegengittertüren. So kann die Katze im Sommer rund um die Uhr auf den gesicherten Balkon oder in den gesicherten Freigang, wann immer sie möchte, ganz ohne dich zu wecken. Katzensichere Fliegengitter aus besonders festem Material verschaffen den Katzen Abwechslung am weit geöffneten Fenster.
5.4 Angst Angststörungen (Definition: pathologischer Zustand mit mehreren Symptomen) treten als häufigste aller psychischen Erkrankungen bei Katzen auf. Die meisten Katzenhalter glauben jedoch, dass ihre Katzen normal seien, wenn sie »ängstlich« oder »schüchtern« wirken. Darum stellen diese Menschen ihre »zurückhaltende« Katze nicht mit einer erkannten Angst als Symptom dem Tierarzt vor 14. Wie wir an anderer Stelle gesehen haben, entwickelt sich die Resilienz der Katze aufgrund der Gene, durch Sozialisierung und Erfahrungen. Doch bei plötzlichen Veränderungen im Verhalten deiner Katze, die auf Angst oder Furcht hindeuten, sollte stets eine tierärztliche Untersuchung stattfinden und medizinische Ursachen ausgeschlossen werden. Du kannst deiner Katze mit Ruhe, Clickertraining, viel Geduld, Lob, interaktivem Spiel und positiver Verstärkung helfen, mehr Selbstvertrauen zu entwickeln. Mögliche Lösungsansätze: schaffe einen 3D-Lebensraum,
biete Rückzugsmöglichkeiten in jedem Raum, verteile die Ressourcen gesamten Revier, nähere dich der Katze nicht »von oben herab«, stattdessen begebe dich auf den Boden, wende den Blick ab oder nutze das »langsame Blinzeln« zur Kontaktaufnahme, weise Kinder entsprechend konsequent an, biete viele Beschäftigungsmöglichkeiten, nutze Spielen und Clickertraining zur Steigerung des Selbstver- trauens. Du kannst mit Training und Geduld versuchen, deine Katze an ein Leben mit dem Menschen zu gewöhnen. Ein ängstliches Gehirn ist blockiert und kann nichts Neues aufnehmen. Um Ruhe und Entspannung zu ermöglichen, kannst du unterstützend Nahrungsergänzungsmittel mit L-Theanin und L-Tryptophan geben (z. B. Sedarom®, Anxitane® S und Tamacan® Isolat+), die ein Training aber keinesfalls ersetzen können. Für extreme Fälle besteht die Möglichkeit, verschreibungspflichtige Medikamente einzusetzen, mit dem Risiko von Nebenwirkungen. Haushalte mit kleinen Kindern und Hunden potenzieren den Stress und die Angst einer ohnehin ängstlichen Katze. Möglicherweise sollte man die Katze in ein ruhigeres Heim vermitteln, sofern die therapeutischen Maßnahmen und die Optimierung des Lebensumfelds nach einer angemessenen Behandlungszeit nicht zu einer erwünschten Verbesserung der Lebensqualität der Katze führen. Diese Entscheidung mag sich zunächst falsch anfühlen, aber du triffst sie zugunsten der Lebensqualität deiner Katze. Typische Symptome, die bei Angst auftreten, sind 15: Verstecken, Veränderungen des Appetits, Unsauberkeit, also unerwünschter Urin-/ Kotabsatz außerhalb der Toilette, geweitete Pupillen, erhöhte Atemfrequenz,
verstärktes Miauen, Harn-Spritzen, verstärktes Kratzmarkieren, defensive Aggression, psychogene Alopezie, feline idiopathische Zystitis; mit assoziierten medizinischen Ursachen: alle Krankheiten, die potenziell Schmerzen verursachen können (z. B. Zahnerkrankungen, degenerative Gelenkerkrankungen, Tumoren), akute Verletzungen oder Traumata, Erkrankungen der ableitenden Harnwege, gastrointestinale Probleme, neurologische Probleme, z. B. Hörverlust oder plötzliche Erblin- dung, Nebenwirkungen von Medikamenten (z. B. Ketamin).
5.5 Aggression Bei »innerfamiliären« Streitigkeiten hilft es, die Umweltbedürfnisse zu kennen und die Tipps dazu umzusetzen. So können sich die Tiere aus dem Weg gehen und sich trotzdem sicher fühlen. Es ist unerlässlich, dass du alle Katzen gut auslastest mit interaktivem Spiel. Langeweile fördert Mobbing und Streits aufgrund von Frustration. Es werden verschiedene Typen von Aggression unterschieden. Die Ausprägungen können von offensiver bis hin zu defensiver Aggression reichen. Manchmal starren sich die Katzen nur an oder setzen sich vor wichtige Ressourcen wie Katzenklos, Futter- und Wassernäpfe oder die besten Plätze zum Ausruhen, damit die andere Katze sie nicht erreichen kann. In anderen Fällen greift eine Katze die andere aktiv an. Es kann schwierig sein, bei Streit zwischen Katzen den wahren Aggressor auszumachen. Oft schätzen Katzeneltern die Lage falsch
ein. Die aggressive Katze blockiert wichtige Ressourcen, schleicht sich an und/ oder lauert auf, droht mit einer erhobenen Pfote und greift als nächstes mit den Vorderbeinen an und versucht zu beißen. Die defensive Katze versucht, Abstand zu halten; der Angriff erfolgt nur, wenn die aggressive Katze die defensive Katze in die Enge treiben, überraschen oder manipulieren kann.
Um herauszufinden, welche Form der Aggression die Katze zeigt, untersucht man die Körpersprache: Defensive Katze
Offensive Katze
geweitete Pupillen
geweitete Pupillen, kurz vor dem Angriff können sie verkleinert werden
Ohren abgeflacht
Ohren gedreht, aber aufrecht
Fell aufgestellt
Fell möglicherweise aufgestellt
Schwanz unter oder neben
Schwanz peitschend oder hoch
dem Körper Körper auf der Seite oder
Körper aufrecht
niedrig Fauchen, Knurren
Knurren
Je nach Intensität und Häufigkeit der Kämpfe kann es notwendig sein, die beiden Katzen komplett zu trennen und über einen gewissen Zeitraum mit belohnungs-basiertem Training wieder aneinander zu gewöhnen (s. Kap. 6) nach dem Prinzip der langsamen Zusammenführung. Eine Anleitung dazu findest du im Online-Bereich. Bestrafung, Schimpfen oder ähnliche Sanktionen verstärken den Stress, intensivieren den Konflikt und sollten unbedingt unterbleiben 16. Ruhiges Intervenieren, wenn du bemerkst, dass sich ein Konflikt anbahnt, ist empfehlenswert.
Umgerichtete Aggression Katzen streiten häufig auch, obwohl sie sich ausgezeichnet verstehen. Der Streit entsteht in den meisten Fällen, wenn Frust und Ärger sich versehentlich gegen ein Mitglied der Familie richten, das gerade in dem Augenblick vorbeikommt, wenn die betreffende Katze »auf 180« ist.
Angenommen Katze Luna sieht draußen eine fremde Katze und regt sich schrecklich auf. In dem Moment nähert sich ihr Kumpel Maxi von hinten. Luna befindet sich immer noch in ihrem Gefühlstunnel wegen des Nachbarskaters, hat Maxi nicht gehört und erschreckt sich fast zu Tode, als dieser neben ihr auf die Fensterbank springt. Sie greift Maxi sofort an, weil sie ihn in dem Moment nicht erkennt. Ein so ausgelöster Kampf zerstört nachhaltig das Vertrauen: Maxi versteht nicht, weshalb seine Freundin Luna urplötzlich ohne Vorwarnung angreift. Du solltest die Katzen sofort trennen und langsam wieder zusammenführen unter Einsatz von vielen Leckerlis, Spielen und ggfs. Clickertraining (s. Kapt. 6).
Territoriale Aggression Stell dir vor, du kommst von der Arbeit heim. Der Fernseher läuft, dein Kühlschrank gähnt vor Leere und auf deinem Sofa liegt eine fremde Person, grinst dich an und sagt: »Moin, ich wohne ab heute hier! Hast du eingekauft? Ich hab‘ immer noch Hunger!« Wie fändest du das? Ungefähr diese Empörung, Ängstlichkeit und Alarmbereitschaft empfindet auch deine Katze, wenn du neue Mitbewohner heimbringst. Konflikte in Haushalten mit mehreren Katzen stellen ein häufiges Problem dar und können aufgrund von anhaltendem Stress zu Aggressionen und Angstzuständen führen 17. Wenn man eine neue Katze ohne angemessene Überlegung und Vorbereitung in den Haushalt aufnimmt, kann diese Störung der Routine und der vertrauten sozialen Strukturen zu territorialen Aggressionen führen. Nicht alle Katzen genießen die Anwesenheit anderer Katzen, da sie von einer einzelgängerischen Spezies abstammen 18. Bei gut sozialisierten Katzen, idealerweise im gleichen Alter, vom gleichen Geschlecht (natürlich kastriert) und vom gleichen Züchter bzw. miteinander verwandt, kann eine Vergesellschaftung problemlos verlaufen. Eine Garantie, dass sich deine Katzen vertragen werden, gibt es leider nicht. Allgemein gilt: Je besser die neue Katze zu den bereits ansässigen Tieren passt, desto besser stehen die Chancen, dass die
Katzen lernen, sich miteinander zu »arrangieren«. Je jünger die zu vergesellschaftenden Katzen sind, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich anfreunden. Junge Katzen haben andere Bedürfnisse als ausgewachsene Katzen, sind aktiver, wollen häufiger spielen, und ausgewachsene Katzen können durch ein Kätzchen sogar verängstigt oder gestresst werden. 19. Experten raten jedoch immer, zunächst langsam vorzugehen, erst Gerüche zu tauschen und den Katzen wechselseitig anzubieten, um territoriale Aggression von Anfang an zu vermeiden. Sollte ein sofortiges Zusammensetzen scheitern und in einem Kampf enden, benötigst du wesentlich mehr Zeit und Geduld, damit die Katzen die erzeugten negativen Erfahrungen überwinden. Auch hier nochmals der Hinweis: Einen ausführlichen Leitfaden für eine Zusammenführung findest du im Onlinebereich. Wenn dein Freigänger häufig Konflikte mit anderen Katzen in der Nachbarschaft eingeht, sollte zunächst geprüft werden, ob es sich bei den anderen beteiligten Katzen um kastrierte Tiere handelt. Suche zuerst das nachbarschaftliche Gespräch mit den anderen Katzenfreunden. Bei (nicht rolligen) Kätzinnen lässt sich nicht erkennen, ob sie kastriert wurden. Bei Katern kann man aus der Nähe erkennen, ob der Hodensack wie stark verkleinert wirkt, weil ein TA die Hoden operativ entfernt hat. Falls nicht, sollte man die Halter freundlich auffordern, ihr Tier möglichst schnell einem Tierarzt vorzustellen. Streuner sollte man in Absprache mit zum örtlich zuständigen Tierheim einfangen (Lebendfallen stellen Tierheime und Tierschutzvereine gern zur Verfügung) und kastrieren lassen. Häufig werden die kastrierten und gechippten Tiere an Ort und Stelle wieder ausgesetzt; bei »verwilderten« Katzen sieht man von einer Vermittlung im Sinne der Tiere ab. Die Kastration mindert die Aggressivität, weil die Ressource »Fortpflanzung«, um die gekämpft wird, aus der Gleichung entnommen wird und die Hormonproduktion entfällt, die aggressives Verhalten fördert.
Leider werden sich Kämpfe bei ungesichertem Freigang nie ausschließen lassen. Sorge dafür, dass fremde Katzen keinen Zugang zum Haus haben (chipgesteuerte Katzenklappe) und biete deiner Katze im Außenbereich der Katzenklappe Deckung und Schutz (z. B. Blumenkübel, Karton), so dass sie sich einen Lageüberblick verschaffen kann, wenn sie das Haus verlässt und nicht sofort gesehen werden kann. Füttere deine Katzen im Haus und biete fremden Katzen kein Futter an. So vermeidest du, dass diese Tiere häufiger zu dir kommen; Des Weiteren sollte man fremde Katzen ihrer Gesundheit zuliebe nicht füttern, da diese ggfs. an Futterunverträglichkeiten, Diabetes oder anderen Krankheiten leiden können.
Spiel-/ Jagdaggression kommt bei schlecht sozialisierten Jungtieren vor und bei Einzelkatzen in Wohnungshaltung, die unter Langeweile und Einsamkeit leiden. Bengalkatzen zeigen dieses Verhalten häufiger als andere Rassen. Charakteristisch für Spielaggression ist, dass der Angriff still und oft aus dem Hinterhalt erfolgt. Wie bei der Jagdsequenz auf ein Beutetier besteht der Angriff aus den Phasen Anpirschen, Jagen, Fangen und Beißen. Unser Kater Speedy war für uns wie eine Art kleiner, frecher Bruder in Katzengestalt: Im Wohnzimmer lauerte er hin und wieder hinter einem dicken Vorhang auf ahnungslose Familienmitglieder, um sie plötzlich und ohne Vorwarnung unter dem Vorhang heraus anzuspringen. Ich habe mich oft erschrocken! Ein klassisches Beispiel für Spielaggression. Der Kater stammte von einem Bauernhof, war mit wenigen Wochen zu uns gekommen, (sonst wäre er »entsorgt« worden), nicht sozialisiert und in Einzelhaltung. Er war zwar Freigänger und hatte draußen einen guten Kumpel. Trotzdem war es für ihn wohl »der« Dopamin-Kick, wenn wir kreischend in die Luft sprangen, während er wegspurtete. Je nach Katze-Mensch-Beziehung kann diese Spielaggression äußerst gefährlich werden. Mögliche Lösungsansätze:
Spielzeug einführen, evtl. häufiger tauschen; Routinespiele zwei- bis dreimal täglich für 5–10 Minuten; Nicht mit den Händen spielen; Nie Schlagen, Klapsen! Nie direkt bestrafen! Das kann das Verhalten verstärken und führt zu anderen Problemen wie z. B. Angstaggression; Zum Schutz von Beinen und Füßen im Haus festes Schuhwerk, Jeans und z. B. Reit-Chaps tragen. Das hilft, bei einem Angriff still stehen zu bleiben, um das Verhalten nicht versehentlich zu verstärken. U. U. eine Zweitkatze sorgfältig auswählen und langsam zusam- menführen (passend in Bezug auf Alter, Charakter, Rasse und gute Sozialisierung).
Angstaggression Eine ängstliche Katze, die keine Möglichkeit sieht, einer unerträglichen Situation zu entkommen, kann mit Fauchen und Knurren drohen und in der Folge kratzen oder beißen. Situationen, in denen sie Angstaggression zeigt, entstehen häufig durch Versuche, die verängstigte Katze einzufangen, festzuhalten und/ oder in eine Transportkiste einzuschließen. Bei akuten Fällen kontaktiere bitte deinen Tierarzt und frage nach einem Beruhigungsmittel (z. B. eine Einmaldosis Gabapentin), damit deine Katze behandelt werden kann. Für zukünftige Transporte solltest du das Training befolgen, das im nächsten Kapitel erklärt wird.
Schmerzbedingte Aggression Akute Schmerzen aufgrund eines Unfalls oder einer Krankheit, können natürlich zur Abwehrreaktion deine Katze führen, sobald du versuchst, sie anzufassen oder hochzuheben. Aber auch wenn du den Eindruck gewinnst, dass deine Katze sich zurückzieht oder sich anders verhält als du es von ihr gewohnt bist, solltest du sie tierärztlich untersuchen lassen. Leider entwickeln sich manche Probleme sehr langsam. Bei älteren Katzen nimmt die Fülle an möglichen Ursachen für Schmerzen zu;
aber auch bei jüngeren Katzen können chronische Schmerzen eine Rolle spielen, z. B. resorptive Zahnläsionen (mindestens 50% der über 5-jährigen Katzen sind betroffen, in meinem Haushalt sind es 100%). Bei unklaren Verhaltensauffälligkeiten solltest du die Zähne mittels Dentalröntgen kontrollieren lassen, da diese Krankheit ohne Bildgebung nicht sicher diagnostiziert werden kann. Hier ist anzumerken (im Kapitel über Gesundheitsvorsorge wirst du mehr dazu finden), dass es einige Krankheiten gibt, die chronische Schmerzen auslösen und dafür sorgen können, dass eine Katze gereizt reagiert und andere Tiere im Haushalt attackiert. Es ist wohl verständlich, dass bei andauernden Zahnschmerzen irgendwann die sanfteste Seele aus dem Gleichgewicht gerät.
Petting & Biting Eine weitere Form der Aggression, die sich gegen Menschen richten kann, ist das sogenannte »petting and biting«, das im Abschnitt über die Körpersprache beispielhaft beschrieben wurde. Plötzliches Beißen beim Streicheln entsteht, weil der Mensch die kätzischen Signale nicht erkannt hat. Leicht zurückgelegte Ohren, ein Zucken des Schwanzes, Unruhe, Umdrehen des Kopfes in Richtung der Hände, Einstellen des Schnurrens, können äußerst subtil angezeigt werden. Ein unachtsamer oder unerfahrener Katzenhalter ignoriert solche Anzeichen leicht. Die Katze lässt diese Zeichen zukünftig aus und greift direkt an, weil sie gelernt hat, dass der Mensch sowieso nicht versteht, was sie ihm sagen will. So entsteht bei einigen Menschen der Eindruck der hinterlistigen, gar unberechenbaren Katze. Jede Katze hat ihre eigenen Erfahrungen gemacht, das sollten wir immer bedenken statt das Tier zu verurteilen. Manche Katze verbringen gerne Zeit neben oder auf ihren Menschen, möchten jedoch nicht zwangsläufig gekrault werden. Beobachte genau, welche Zeichen deine Katze dir gibt und streichle lieber nicht, wenn du die Situation nicht sicher einschätzen kannst.
5.6 Stereotypes Verhalten/ Zwangsstörungen Beispiele sind übersteigertes Putzen und das Pica-Syndrom (das
Fressen von unverdaulichen Gegenständen). Zunächst werden alle zugrunde liegenden möglichen medizinischen Ursachen (dermatologische, neurologische, innere, infektiöse und Schmerzen jeglicher Art) ausgeschlossen. Wenn eine Katze sich kahl leckt, findet sich in etwa 75 % der Fälle eine Erklärung wie Flohspeichelallergie, eine Blasenentzündung oder Zahnschmerzen. Entsprechende Untersuchungen werden zunächst durchgeführt. Die Diagnose »psychogene Leck-Alopezie« ist eine Ausschlussdiagnose. Ursächlich können Langeweile, Ängste, Frustration und andauernde Konflikte im Mehrkatzenhaushalt sein. »Pica«, das Verzehren von unverdaulichem Material, beginnt oft mit dem Nuckeln an Stoffen und Wolle als Kitten. Später werden die Fasern und auch Plastikteile abgeschluckt. Es gibt eine genetische Komponente, beispielsweise unterliegen Siamkatzen einem höheren Risiko, Pica zu entwickeln, als andere Rassen. Wenn Katzen plötzlich beginnen, Katzenstreu oder andere unbekömmliche Dinge zu fressen oder abzulecken, bestehe bitte darauf, dass deine Katze komplett untersucht wird, um ein Verdauungsproblem auszuschließen. Ein großes Blutbild sollte unbedingt angefordert werden, denn dieses Verhalten könnte auf Blutarmut hindeuten. Wurde alles Körperliche ausgeschlossen, geht es an die Ursachensuche zu Hause. Parallel versucht man, das Verhalten auf andere Gegenstände umzulenken. So kann man beispielsweise Kaugegenstände anbietet wie Matatabi-Sticks und Fleischstücke, wie Rindergulasch oder Hähnchenherzen. Das »Rolling-Skin-Syndrom«, auch als felines HyperästhesieSyndrom bekannt, macht sich durch unwillkürlich zuckendes Rückenfell bemerkbar. Die betroffenen Katzen miauen dabei, laufen hektisch umher, drehen sich zu den Flanken um und kratzen sich. Manchmal versuchen sie, sich selbst in den Schwanz zu beißen. Über diese Störung ist noch nicht viel bekannt. Es handelt sich um ein seltenes Syndrom mit ungeklärtem Auslöser. Über Ursachen im Zusammenhang mit Epilepsie wird spekuliert. Bei Verdacht auf Rolling Skin sollten Unverträglichkeiten auf Futtermittel, Flohspeichel-Allergien und Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule
ausgeschlossen werden. Du solltest einen erfahrenen Tierarzt aufsuchen, der mit der Problematik vertraut ist. Wichtig: es handelt sich bei Zwangsstörungen um eine psychische Erkrankung, nicht um eine schlechte Angewohnheit. Die Behandlung hängt von der Ursache ab. Wenn eine Katze unter Langeweile leidet, braucht sie mehr Abwechslung, mehr geistiges und körperliches Training; leidet eine Katze unter Stress, benötigt sie mehr Routine und Entspannung. Erinnere dich an die Überlegung: Wann, wie, wo, wie oft und unter welchen Umständen tritt das Verhalten auf. Führe ein Tagebuch über mindestens zwei bis vier Wochen. Dieses Vorgehen wird bei jeder Art der Verhaltensauffälligkeit empfohlen. Manche Zusammenhänge erschließen sich erst über einen längeren Zeitraum. Im Allgemeinen basiert jeder therapeutische Ansatz auf 20: Der Verbesserung der Umweltbedingungen (Kap. 3), in schweren Fällen die Verabreichung von Psychopharmaka durch einen erfahrenen Veterinärmediziner, Bestrafung darf zu keiner Zeit erfolgen, Erkennen und Vermeiden von auslösenden Situationen, Desensibilisierung und Gegenkonditionierung (s. Kap. 6), wenn der Auslöser erkannt, aber nicht vermieden werden kann, Umlenkung des Verhaltens, wenn dies möglich ist, z. B. Konditio- nierung der Katze darauf, ein Spielkissen, wie beispielsweise den Kickeroo Cuddler von Kong® (s. Bild unten) zum Lecken zu verwenden, anstatt den eigenen Bauch zu lecken, um Selbstver- letzung zu vermeiden. Spieltherapie (Beschäftigung statt Langeweile), Fummelbretter, Clickern.
Huggy mit »Kikeroo Cuddler«. Vgl. Daniel Mills et al. (2020) Pain and Problem Behavior in Cats and Dogs. Animals 2020, 10, 318. https://doi.org/10.3390/ani10020318 [Stand 31.05.22] Vgl. Jacquie Neilson (2004) Thinking outside the box: Feline elimination. In: Journal of Feline Medicine and Surgery. 6(1):5-11. doi: 10.1016/j.jfms.2003.09.008 Vgl. Paul Leyhausen (2005) Katzenseele. Franckh-Kosmos-Verlag. S. 42 Vgl. Kersti Seksel (2016) House Soiling Problems. In: Feline Behavioral Health and Welfare. Elsevier. S. 340 Vgl. Debra Horwitz (2019) Common Feline Problem Behaviours: Urine Spraying. In: Journal of Feline Medicine and Surgery (2019) 21, 209–219. Vgl. Sandra Poggiagliolmi (2020) My House Is Not Your Toilet. In: Decoding Your Cat. American College of Veterinary Behaviorists. Houghton Mifflin Harcourt. New York. Vgl. Sabine Schroll u. Joël Dehasse (2009) Verhaltensmedizin bei der Katze. 2. Aufl. Enke. Stuttgart. Vgl. Paul Leyhausen (2005) Katzenseele. Franckh-Kosmos-Verlag. S. 42 Vgl. Kersti Seksel, ebd. Z. B. »Medi-Test Combi 10 VET« Vgl. Sabine Schroll (2019) Die unsaubere Katze – was ist da los? In: Team konkret 2019; 15: 7–13. Georg Thieme Verlag. Stuttgart. Vgl. Trudi Atkinson (2018) Practical Feline Behaviour. S. 247 Vgl. Theresa DePorter/ Ashley Elzerman (2019) Destructive Scratching. In: Journal of Feline Medicine and Surgery. 21, 235–243 Vgl. Sabine Schroll u. Joël Dehasse (2009) Verhaltensmedizin bei der Katze. 2. Aufl. Enke. Stuttgart. Vgl. ebd. Kerstin Röhrs (2018) Aggressionsverhalten. In: Verhaltensprobleme bei der Katze. Schlütersche. S. 78 Vgl. Trudi Atkinson (2018) Practical Feline Behaviour. S. 45 Vgl. ebd. Vgl. Trudi Atkinson, ebd. Vgl. Patricia Kaulfuß (2018) Verhaltensprobleme bei der Katze. Hannover. Schlütersche. S. 133
6 Lernverhalten
D
ie Grundprinzipien des Lernens sind für Vögel und Fische genauso gültig, wie für Primaten und Katzen. Wobei körperliche Einschränkungen und prädisponierte Verhaltensweisen natürlich immer berücksichtigt werden müssen. Ein obligater Fleischfresser wie die Katze kann zum Beispiel nicht lernen, sich von Salat zu ernähren, und ein Elefant kann nicht lernen, auf Bäume zu klettern. Biologische Definition von Lernen: Lernen hat stattgefunden, wenn ein Organismus in der Lage ist, etwas zu tun oder eine Fähigkeit auszuführen, die er vor der Lernerfahrung nicht ausführen konnte. Lernen hat ebenfalls stattgefunden, wenn eine bereits vorhandene Fähigkeit verbessert wurde, d. h., wenn ein Organismus eine Aufgabe jetzt besser oder schneller erledigen kann als vorher. Der wichtigste Punkt, den man immer bedenken muss, wenn es um das Lernen geht, sind die individuellen Unterschiede. Jeder Mensch und jede Katze haben ihre Talente und Begabungen. Wir als Katzeneltern müssen uns im Klaren darüber sein, dass angeborenes, artgemäßes Verhalten nicht abtrainiert werden kann: Kratzmarkieren und Jagen gehören zur Katze. Manche Eigenschaften sind bei einigen Rassen besonders ausgeprägt (z. B. das Vokalisieren bei Orientalen). Jedes Individuum ist das Produkt seiner eigenen einzigartigen Erfahrungen und der genetischen Veranlagung. Daher gibt es keine Garantie, dass zwei gleichgeschlechtliche Geschwister aus dem gleichen Wurf die gleiche Reaktion zeigen, wenn sie einem bestimmten Reiz ausgesetzt sind. Emotionale Motivation spielt eine zentrale Rolle beim Lernen. Katzen sind neugierig und werden durch positive Erfahrungen schnell motiviert (s. Kap. 4.1), genauso wie Angst sie hemmt und das Lernen erschwert oder unmöglich macht. Eine ängstliche Katze benötigt einen behutsamen Halter, der auf verschiedenen Ebenen dem Tier hilft, die angstbesetzten Verhaltensmuster durch neue, positivere Verhaltensweisen zu
ersetzen, d. h. zu lernen, möglichst angstfrei die Umgebung wahrzunehmen. In manchen Fällen kann eine Unterstützung mit Nahrungsergänzungsmitteln (z. B. L-Tryptophan) oder sogar Medikamenten (z. B. Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer) angezeigt sein; diese Stoffe beeinflussen die Menge der »Glückshormone« und unterstützen die Lernbereitschaft und fähigkeit einer Katze.
6.1 Wie Katzen lernen
Achtsamkeitsübung: Überlege, was deine Katze durch Üben gelernt hat. Katzen lernen – wie du und ich – auf unterschiedliche Art und Weise: durch Assoziation (auch Konditionierung genannt →
»Clickertraining«), durch Beobachtung (auch »soziales Lernen« genannt), durch Zufall, durch Versuch und Irrtum, durch Übung und mit Emotionen. Um angstauslösende Reize bei Katzen zu mindern, nutzen wir Desensibilisierung und Konditionierung. Viele Katzeneltern scheuen regelmäßige Routinekontrollen beim Tierarzt. Man möchte eine stressbesetzte Situation vermeiden. Der Katze möglichst ersparen, dass fremde Menschen sie anfassen, pieksen, fixieren, ihr ins Maul und die Augen schauen. Vielleicht belastet auch die schwierige Prozedur des Verfrachtens der Katze in die negativ besetzte Transportbox. Die Katze hat in diesem Fall gelernt, dass die Transportbox etwas Unangenehmes bedeutet. Sie erleidet einen Kontrollverlust und empfindet Furcht:
Außerhalb ihres vertrauten Umfeldes, in einer unangenehm riechenden Umgebung. Die Katze sieht in der Box lediglich eine direkte Verbindung zu etwas Negativem, insbesondere wenn du sie nur für die Tierarzt-Termine verwendest. Um eine derartig verschreckte Katze erneut an die Transportkiste zu gewöhnen, solltest du vor Beginn des Trainings überlegen, ob du zunächst eine neue, geruchsneutrale Box kaufst oder sich die bereits genutzte Box eignet. Gegebenenfalls erleichtert die Anschaffung einer neuen, idealen Transportbox das Training, da keinerlei Spuren von Urin oder Stresshormonen des letzten Besuchs – oder einer deiner anderen Katzen – an ihr haften. Falls du eine einzige Box für mehrere Katzen nutzt, sollten diese Katzen sich untereinander in einer harmonischen Beziehung befinden, sodass die Gerüche der anderen Katzen keinen (zusätzlichen) Stress auslösen können. Fange sofort an. Warte nicht auf den nächsten Kontrolltermin oder bis zu dem Tag, an dem deine Katze sich die Pfote in der Tür geklemmt hat.
Aktionsaufgabe: Lege jetzt das Buch zur Seite, hole die Transportkiste aus dem Abstellraum und stelle sie in die Dusche oder die Wanne! Um die unangenehmen Gerüche vom letzten Besuch gründlich zu entfernen, ist es notwendig, sie sorgfältig auszuwaschen. Während die Box trocknet, kommst du wieder her und liest weiter. Ich warte hier auf dich! ☺
Die systematische Desensibilisierung erfordert, dass die Box aus größerer Entfernung und zunächst für kurze Zeit in das Blickfeld deiner Katze gelangt. Über mehrere Tage oder Wochen, in dem Tempo, das deine Samtpfote ohne Anzeichen von Stress mitmacht, verkleinerst du die Entfernung und verlängerst die Zeitspanne. Am Beispiel der Transportkiste erklärt, sieht das so aus: Du solltest die Transportbox nach der Reinigung in eine Ecke des Raumes stellen, wo sie dich am wenigstens stört. Baue zunächst die Tür und die obere Hälfte ab. Lege eine Decke hinein, die deine Katze kennt oder verwende ein Kleidungsstück mit deinem Geruch. Zusätzlich kannst du beispielsweise Feliway® Classic Spray verwenden. Die Katze lernt, dass von der Box keine Gefahr (mehr) ausgeht, dass man sie nicht sofort nach Hervorholen unter Zwang verfrachtet und in eine bedrohliche Situation überführt. Vielleicht wählt sie die untere Schale als neuen Ruheplatz aus. Du solltest sie dazu ermuntern, indem du die Kiste nach einigen Tagen immer näher an ihre Lieblingsplätze heran stellst. Wenn sie darauf nicht entsprechend reagiert, setzt du Leckerchen als Belohnungen mit ein. Du verbindest die Transportbox – ohne Deckel und Tür – mit einem positiven Reiz, etwas Unwiderstehlichem, z. B. Katzenleberwurst oder Thunfisch. Verwende das spezielle »Bonbon« ausschließlich für das Training mit der Box. Stelle die Box an einen Ort, den deine Katze als geschützt wahrnimmt, denn sie soll später die Box auch als einen Ruheplatz nutzen können. Ausgestattet mit einer flauschigen Decke, sodass die Katze die Box als Bestandteil ihres Reviers annimmt, und irgendwann freiwillig hineingeht, um darin zu schlafen. Sobald deine Katze angstfrei in die untere Schale geht, um sich ihre Spezialität zu holen, wechselst du zu normalem Futter. Katzen putzen sich gern nach dem Fressen und legen sich oft nach der Mahlzeit eine Weile schlafen. Deine Katze nutzt im besten Fall nach dem Fressen die Schale weiter, um sich zu putzen und darin auszuruhen. Wiederholt sie dieses Verhalten, kannst du das obere Teil befestigen. Lege wieder Leckerlis hinein oder stelle einen Napf
mit Futter hinein. Vielleicht deckst du die Box nun mit einem Handtuch als Sichtschutz ab. Als letzten Schritt baust du die Tür wieder ein. Schließe sie nicht sofort, sondern erst nach einigen Tagen. Schritt für Schritt im Tempo deiner Katze weiter voran zum Ziel: Die Katze geht bereitwillig sofort in die mittlerweile vertraute Box, wenn du ihr Leckerlis hineinlegst. Sobald sie hinein geht, um den Snack zu fressen, schließe kurz die Tür. Wenn deine Katze ruhig in der Kiste Leckerlis nimmt, d. h. akzeptiert, dass du die Tür geschlossen hältst, kannst du die Kiste kurz anheben, vorsichtig wieder abstellen, Leckerlis geben und die Türe wieder öffnen. Achte hier unbedingt darauf, die Box sanft zu bewegen und unnötige Schlenker zu vermeiden. Deine Katze soll zu allen Zeiten entspannt und ruhig sein. Das Ziel der Übung am Ende sind regelmäßige kurze Touren mit dem üblichen Verkehrsmittel deiner Wahl. Hier ist entscheidend, dass du diese Ausflüge wiederholst und weiter dran bleibst und nicht nur zum Tierarzt fährst. Der Vollständigkeit halber stelle ich eine weitere Lernmethode vor. Bei der Habituation handelt es sich um Gewöhnung, einen Lernprozess, der im gesamten Tierreich stattfindet. Sie wird auch als Anpassung bezeichnet, da ein Tier lernen kann, dass ein wiederkehrender unbekannter Reiz nicht zwangsläufig eine Bedrohung darstellt und daher ignoriert werden kann. Bei dieser Lerntechnik setzt man das Tier wiederholt dem Zielreiz aus, der sich in sicherer Entfernung befindet, bis es keine oder nur eine geringe Reaktion zeigt. Die Seehunde auf der Sandbank vor dem Borkumer Strand liegen bei Ebbe nur ca. 30 Meter entfernt von den neugierigen Touristen. Sie lernten, dass die Menschen nicht näherkommen. Jegliches Eindringen in das Naturschutzgebiet wird streng überwacht und Verstöße sind mit hohen Bußgeldern belegt. Das wissen die Seehunde natürlich nicht, aber sie haben sich an die Menschen gewöhnt. Sicher kennst du auch Katzen, die Angst vor Staubsaugern haben. Diese Katzen haben entweder eine schlechte Erfahrung mit einem Staubsauger oder einem ähnlich klingenden Gerät gemacht oder in den ersten prägenden Wochen ihres Lebens leider keine gute
Sozialisierung erfahren. Das laute Dröhnen, das dieses fiese Teil auf Rollen mit dem langen, schlangenartigen Arm vorne von sich gibt, sorgt bei ihnen für Panik, wenn es näher kommt. Die meisten ängstlichen Katzen lernen von selbst, dass von dem Gerät keine Gefahr ausgeht. Sie bleiben irgendwann liegen, während man in der Nähe saugt, wie gut sozialisierte Artgenossen es schon von klein auf können. Viel Stress bleibt diesen glücklichen Katzen erspart!
Achtsamkeitsübung:
Welches sind die Lieblingsleckerlis deiner Katze? Besorge dir einen kleinen Vorrat. So könnt ihr jederzeit trainieren.
6.2 Clickertraining »Katzen lassen sich nicht trainieren oder erziehen!«, höre ich immer wieder. Falsch! Das Training mit einem Click-Ton eignet sich durchaus auch für erwachsene Katzen, wie die »Acro-Cats« 1 beweisen, allesamt Tierschutzkatzen, die mehr oder weniger perfekt ihre Übungen absolvieren. Diese intensive Beschäftigung festigt die Bindung zwischen dir und deiner Katze, sorgt für mentale Auslastung und stärkt das Selbstvertrauen der Katze. Training hilft der Katze ein glücklicheres Leben im Haushalt mit Menschen zu führen und bisweilen unangenehme Umstände wie Medikamentengabe, Transporte, Pflege usw. zu akzeptieren und weniger bis keinen Stress mehr dabei zu empfinden. Das spielerisch-zugewandte Training soll destruktive Einflussnahme, wie Bestrafung in Form von Schreien oder den Einsatz von Wasserspritzen ersetzen und hat das Potential, autoritäre und gewalttätige Erziehungsmethoden gegenüber Katzen vollständig aufzulösen. Man trainiert auch die Fähigkeiten des
Halters, alternative Interaktionen mit seiner Katze aufzubauen und erwünschtes Verhalten mit einer liebevollen Haltung zu erreichen. Ein kurzer theoretischer Umriss geht dem praktischen Teil voraus.
Grundlagen: Klassische Konditionierung Das Clicker-Training entwickelte sich auf der Grundlage der Pawlowschen Lerntheorie. Sicher kennst du bereits »Pawlows Hunde«: Iwan Pawlow (1849–1936), ein russischer Mediziner und Physiologe, führte Experimente mit Hunden durch, um den Zusammenhang zwischen Speichelproduktion und Verdauung zu untersuchen. Ihm fiel auf, dass Hunde Speichel produzierten, wenn er ihnen in einer Haltevorrichtung Futter vorsetzte. Das angebotene Futter (der Reiz) löste die unwillkürliche Produktion (die Reaktion) des Speichelflusses aus. Abbildung 1: Futter (unkonditionierter Reiz) -> Speichelproduktion (unkonditionierte Reaktion)
Pawlow entdeckte bei diesen Experimenten darüber hinaus, dass man zwei Reize miteinander verknüpfen kann. Er ließ eine Glocke läuten, um die Fütterungszeit anzukündigen und bot den Hunden gleichzeitig das Futter an.
Abbildung 2: Glocke (konditionierter Reiz) + Futter (UKR) -> Speichelproduktion (unkonditionierte Reaktion)
So wurden die beiden Reize »gepaart«. Diese Assoziation zwischen der Glocke und dem Futter verfestigte sich, sodass nur die Glocke ertönen musste, um den Speichelfluss auszulösen. Ohne die
gleichzeitige Futtergabe.
Abbildung 3: Glocke (konditionierter Reiz) -> Speichelproduktion (konditionierte Reaktion
Diese Art des Lernens bezeichnet man als klassische Konditionierung. Sie zeichnet sich durch die Assoziation von zwei oder mehr Reizen aus. In diesem Experiment versteht man unter Assoziation die Verbindung des Glocken-Tones mit dem Futter. Pawlow untersuchte und berichtete als erster Wissenschaftler über dieses Phänomen, und darum bezeichnet man die klassische Konditionierung zumeist als »Pawlowsche Konditionierung«. Die zentrale Wirkweise der klassischen Konditionierung besteht darin, dass der Stimulus (hier: Glockenton) eine unwillkürliche Reaktion (hier: Speichelfluss) hervorruft. Es handelt sich um die Auslösung eines Reflexes, den das Lebewesen nicht bewusst, sondern unabhängig vom eigenen bewussten Willen, beeinflussen kann.
Operante Konditionierung Im Gegensatz zur klassischen Konditionierung der Pawlow-Hunde setzen wir bei den Katzen die sogenannte operante Konditionierung ein. Sie unterscheidet sich von der klassischen Konditionierung in einem wesentlichen Aspekt: Während die Pawlow-Hunde lernten, dass nach dem Glockenton stets das Futter erfolgt, soll die Katze lernen, dass eine spezifische Verhaltensweise einen ganz bestimmten Effekt auslöst. Diese Anregung eines erwünschten Verhaltens bei domestizierten Tieren basiert auf dem »Thorndike‘schen Wirkungsgesetz«: Ein Verhalten wiederholt sich, wenn es zu einer angenehmen Situation führt. Umgekehrt vermeidet das Tier eine Verhaltensweise, die es mit Schmerzen oder
unangenehmen Gefühlen verbindet (assoziiert). Der wichtigste Faktor ist der zeitliche Zusammenhang zwischen Reiz und Belohnung. Der Reiz und die Belohnung müssen zur gleichen Zeit auftreten, damit eine Assoziation hergestellt werden kann. Die operante Konditionierung (»Clickertraining«) ist eine Weiterentwicklung der klassischen Konditionierung. Hier soll kein Reflex wiederholt werden, den ein Tier zeigt, z. B. Speichelfluss bei Futtergabe. Stattdessen belohnt man mithilfe eines Reizes (»Click«Ton) die Katze bei einem freiwilligen Verhalten, das erwünscht wird. Dieses Training verläuft in mehreren Schritten: Man beginnt mit der klassischen Konditionierung, und sobald das Tier erfolgreich auf den Reiz (»Click«-Ton) reagiert, geht man über zur operanten Konditionierung: 1. Man konditioniert zunächst die Katze auf den »Clicker«, ein Wort oder ein Schnalzen mit der Zunge. Du bietest zeitgleich zusammen mit diesem gleichbleibenden Geräusch ein Leckerchen an, bis deine Katze beim Geräusch des Clickers aufmerksam wird und sich umschaut, wo das Leckerchen bleibt. In diesem Fall weißt du, dass die Assoziation »sitzt«: »Click« – Leckerli, »Click« – Leckerli, »Click« – Leckerli, usw. 2. Pause. Jetzt der Test: Du prüfst, ob deine Katze aufmerksam die Ohren spitzt und sich zu dir umdreht, wenn du »Click« machst, während sie in eine andere Richtung schaut. Die Anzahl der Wiederholungen des Click-Trainings hängt von der individuellen Katze ab. 3. Sobald sie die erwünschte Reaktion zeigt, gilt die Konditionierung auf den Clicker als erfolgreich verlaufen. Anfangs kannst du besonders begehrte Leckerlis nutzen, um die Motivation zu erhöhen. Durch den »Click« teilst du deiner Katze mit, dass sie etwas richtig gemacht hat. Beispielsweise willst du erreichen, dass deine Katze zu
dir kommt. Sobald sie spontan und freiwillig zu dir läuft, clickerst du. Du belohnst das erwünschte Verhalten punktgenau. Die »echte« Belohnung in Form eines Leckerchens kann auch etwas später kommen, da der »Click« deiner Katze in der entsprechenden Sekunde angezeigt hat, dass sie etwas Erwünschtes gemacht hat. Am einfachsten ist es, wenn du im Mehrkatzenhaushalt zunächst mit jeder Katze individuell übst. Du stellst durch dieses Vorgehen sicher, dass sofort nach dem »Click« auch das Leckerchen kommt. Nutze am Anfang ein ruhiges Zimmer (z. B. das Badezimmer) ohne weitere Ablenkungen, sodass deine Katze sich auf das Training konzentriert. Nun kannst du anfangen, erwünschte Verhaltensweisen langsam aufzubauen (»operante Konditionierung«), indem du natürliches Verhalten, das deine Katze zeigt, durch Clickern belohnst. Sie lernt auf diese Weise, dass sie erwünschtes Verhalten zeigt und wiederholt durch die positive Verstärkung gern dieses Verhalten, versucht sogar – je nachdem, wie intelligent deine Katze sich erweist – es auszubauen nach dem Prinzip Versuch und Irrtum, um herauszufinden, welches Verhalten ihr ein Leckerchen einbringt. Du kannst du mittels ihrer Erfolgserlebnisse schrittweise erwirken, dass sie ein spezifisches Verhalten zeigt. Dieses Verfahren nennt man Shaping. Für die Katze echte Kopfarbeit und Stärkung ihres Selbstvertrauens, denn sie sollte sich vermehrt trauen, Neues auszuprobieren. Sie entwickelt Neugier und oft Einfallsreichtum, sprich: ihre kognitiven Fähigkeiten lassen sich durch das ClickerTraining anregen. Zielgerichtetes Timing ist absolut wichtig, um das gewünschte Verhalten zu belohnen – und nicht versehentlich das Falsche. Unerwünschtes Verhalten solltest du bei unbedingt ignorieren. Beginne mit einfachen Übungen, wie z. B. »Sitz« und übe zwei bis fünf Minuten pro Tag. Höre auf, solange deine Katze noch motiviert mitmacht und beende jede Übung mit einem Signalwort (z. B. Feierabend«) und einem Leckerchen. Setz dich auf den Boden. Wenn deine Katze jetzt vor dir steht, kannst du warten, bis sie sich von selbst hinsetzt, das nennt man Capturing, weil man das Verhalten sozusagen »einfängt«.
Eine langsame Handbewegung über ihren Kopf hinweg, so dass sie deiner Hand mit den Augen folgt, sorgt normalerweise dafür, dass sich die Katze hinsetzt. In beiden Fällen folgt sofort der »Click«, sobald der Hintern der Katze den Boden berührt. Wiederhole diese Übung einige Male und sage z. B. »Sitz« und führe ein Handzeichen aus, das nur für diese Übung gilt. Detaillierte Anleitungen und Ideen zum Clickertraining findest beispielsweise du auf Instagram und Facebook bei »Frau Clickerlöwe« 2, auf YouTube 3 beim »Schlitzohr Haustierkanal« und in der Katzen-Clicker-Box 4 . Das Clickertraining eignet sich nicht nur, um ein spontanes Verhalten beeinflussen, sondern auch um die Katze von ihrer Angst vor der Transportbox zu befreien: Du kannst beispielsweise deiner Katze zunächst beibringen, auf einer bestimmten Decke Platz zu nehmen. Die Decke schiebst du immer näher an die Transportkiste heran, sodass deine Katze sich der Box automatisch annähern muss, um sich auf die Decke zu setzen und ihr Leckerli zu bekommen. Oder du belohnst jede freiwillige, spontane Annäherung an die Box mit Clickern. Deine Katze geht schließlich stressfrei in die Box, und sobald du mit ihr zum Tierarzt fahren möchtest, kannst du sie stressfrei in die Box lenken. Fahre bitte nicht ausschließlich zum Tierarzt, sondern plane wie bei der Desensibilisierung regelmäßige kleine Touren mit anschließender Belohnung ein. Sonst lernt deine Samtpfote möglicherweise schnell, dass sie auf Leckerlis im Zusammenhang mit der Transportbox lieber verzichtet. Vielleicht transportierst du sie in ihrer Box von einem Raum in den anderen, lässt sie raus, lenkst sie zurück in die Box und gibst ihr ein Leckerli, sobald sie wieder in ihrer Box sitzt. Oder fahre ein Stück mit deiner Katze in ihrer Box im Auto, fahre zurück nach Hause und gebe ihr ein Leckerli. Wenn deine Katze gelernt hat, auf einer Decke oder in einem bestimmten Karton Platz zu nehmen und dort zu verbleiben, kannst du das für viele verschiedene Situationen nutzen, wie beispielsweise für Zusammenführungen oder wenn deine Katze nicht beim Essen
auf dem Tisch sitzen soll. URL: https://www.youtube.com/watch?v=f81lH2z9AR4 [Stand 23.05.22] URL https://www.instagram.com/frau_clickerloewe/ URL https://www.youtube.com/watch?v=Ab-YH5QFSdE Birgit Rödder (2013) Katzen-Clicker-Box. Gräfe Unzer. München.
7 Ernährung
D
ie wichtigsten Grundlagen zur Ernährung von Katzen fasse ich für dich hier zusammen; sie gehören einfach in ein Buch über glückliches und gesundes Katzenleben! Wenn du als Katzenfreundin oder Katzenfreund deinen gesunden Menschenverstand nutzt und dir vor Augen führst, wie das Beutetier , das die Katze am liebsten frisst – die Maus –, aufgebaut ist, verstehst du schnell, wie du deine Katze gesund ernährst. Auch die Katze ist, was sie frisst. Darüber hinaus macht es besonders bei Wohnungskatzen einen Unterschied, wie sie frisst und darauf lege ich als Katzenverhaltensberaterin meinen Fokus.
Deine Katze gewöhnt sich schnell an eine bestimmte Futter-Sorte bzw. Marke und spezielle Geschmacksrichtungen. Hersteller ändern bisweilen Rezepturen, und spätestens in dem Fall musst du deine Katze auf ein anderes Futter umstellen. Manchmal wird die Umstellung auf eine medizinisch notwendige Spezialdiät erforderlich, z. B. wenn eine Ausschlussdiät bei Unverträglichkeiten von Futtermitteln durchgeführt werden muss. Daher rate ich dazu, wechselnde Futter-Sorten anzubieten. Dies beugt auch dem Mäkeln vor, das sicher jeder Katzenfreund kennt: Gestern bis zum letzten Krümel verputzt, heute plötzlich ungenießbar.
7.1 Die Hauskatze – ein Beutetierfresser Die Domestikation der afrikanischen Falbkatze änderte wenig am Verdauungssystem der Hauskatze: Sie frisst Fleisch und Knochen. Zwar diskutiert man, ob die frühen Siedler die ersten zutraulichen Wildkatzen teilweise mit Getreide zufütterten 1. Dennoch bleibt unbestritten, dass die Hauskatze ein Fleischfresser und an eine jagdliche Lebensweise angepasst ist. Katzen sind von Natur aus spezialisierte Einzeljäger, genau wie ihre wilden Vorfahren. Sie leben
als reine Fleischfresser (»obligate Karnivoren«), d. h. sie benötigen Fleisch und Knochen zum Überleben. Die Katze hat, anders als wir, keine speziellen Enzyme bzw. Stoffwechselwege entwickelt, um die Nährstoffe in Pflanzen aufzuspalten. Sie nimmt nicht nur das Fleisch, sondern auch die verarbeiteten pflanzlichen Stoffwechselprodukte ihrer Beutetiere auf. Katzen jagen allein, und ihre Beute fällt in der Regel klein aus, d. h. sie müssen häufig kleine Mahlzeiten zu sich nehmen. Eine durchschnittliche Maus enthält nur etwa 30 Kilokalorien, sodass Katzen etwa 10 bis 16 Mäuse pro Tag jagen, töten und fressen müssen, um ihren Energie- und Nährstoffbedarf zu decken. Die häufigsten Beutetiere sind dämmerungs- und nachtaktive kleine Säugetiere, aber auch tagsüber jagen Katzen, z. B. Vögel und Insekten. Verwilderte Hauskatzen können zwölf Stunden täglich mit Nahrungssuche, dem Auflauern und dem aktiven Jagen verbringen! Die Erfolgsquote beim Jagen beträgt nur etwa 50% 2. Die Abhängigkeit von der Fütterung durch den Besitzer bedeutet, dass die meisten Katzen nicht mehr ihrem natürlichen »Mahlzeitenmuster« folgen, bei dem sie mehrere kleine Mahlzeiten über den Tag und die Nacht verteilt zu sich nehmen. Stattdessen beschränken sich die meisten Halter auf einen Fütterungsplan, der möglichst bequem sein soll: Zwei größere Mahlzeiten am Tag – sowohl verhaltensbiologisch als auch physiologisch unnatürlich für unsere kleinen Räuber. Der Magen einer Katze ist etwa so groß wie ein Tischtennisball. Auch ein uneingeschränkter Zugang zu hochwertigem Nassfutter kann dazu verleiten, zu viel zu fressen, u. a. aufgrund von anhaltendem Stress im Mehrkatzenhaushalt oder aus Langeweile. In jedem Fall eignet sich die ständige Verfügbarkeit von Trockenfutter keineswegs, zumal ein höherer Anteil an Getreide das katzengerechte Fleisch in den meisten Produkten ersetzt. Übermäßiges Fressen kann zu Übergewicht führen und die Lebensqualität und die Gesundheit der Katze extrem einschränken. Besonders Wohnungskatzen erhalten ihr Futter in einem Napf, der
sich tagein, tagaus am gleichen Ort befindet; sie strengen sich wenig oder gar nicht an, um an das Futter zu gelangen und erleben keine Herausforderung, ihr Futter zu suchen, zu fangen und zu töten – all das wäre mit geistiger und körperlicher Aktivität verbunden. Ein Mangel an geistiger Stimulation kann bei Katzen zu Langeweile, Apathie, Angst, Frustration und Stress führen. Um diesen Problemen entgegenzuwirken, sollte man insbesondere reine Wohnungskatzen mit kleinen Mengen und mehrmals täglich füttern. Teile die tägliche Ration in drei bis fünf Portionen auf und füttere diese über einen Zeitraum von 24 Stunden mit Hilfe von Fummelbrettern, Activity Boards, Leckmatten oder bzw. und zeitgesteuertem Futterautomaten.
Fummelbretter und Leckmatten enthalten Nahrung, die deine Katze ausschlecken oder herauspföteln kann. Diese Hilfsmittel erhöhen die Dauer der Nahrungsaufnahme und die körperliche Anstrengung, um an das Futter zu gelangen; sie bieten einen abwechslungsreichen »Denkspaß« für deine Katze! Auch für »Schlinger«, d. h. Katzen, die Futter herunterschlingen und kurz darauf wieder erbrechen, eignen sich Fummelbretter oder Leckmatten (z. B. von LickiMat®). Eine weitverbreitete Theorie besagt, dass Katzen lieber aus flachen Gefäßen fressen, da ihre empfindlichen Schnurrhaare bei der Nutzung von engen, schmalen Näpfen unangenehm anstoßen. Eine Studie konnte diese Annahme nicht bestätigen, es schadet aber natürlich nicht, dennoch eher weite Näpfe anzubieten.
Lilly mit ihrer »Slomo« von LickiMat®.
Die etwas günstigere IKEA-Variante: Du zweckentfremdest die spülmaschinenfeste Eiswürfelform »PLASTIS« aus BPA-freiem Silikon. Das frische Nassfutter oder die Barf-Ration kannst du in die Ausformungen hineinfüllen, wie im Bild unten zu sehen. Stelle die Näpfe von Wohnungskatzen an wechselnde Orte, um die Katze zu motivieren, nach dem Futter täglich neu zu suchen.
Achte bei älteren Katzen darauf, sie nicht zu überfordern: Aus Altersgründen und langer Gewohnheit heraus könnte sie der ständige Futterplatz-Wechsel verunsichern und überfordern. Biete deinen Seniorenkatzen das Futter erhöht an, um die Ellenbogengelenke zu entlasten, da sie sehr wahrscheinlich an Arthrose leiden, z. B. in dem du die Näpfe auf umgedrehte, aussortierte Tupperdosen platzierst. Verteile Mini-Trockenfutterportionen oder (als gesündere Alternative) im Backofen gedörrte Fleischleckerli in selbstgebastelten Intelligenzspielzeugen. Anleitungen findest du kostenlos bei der Google-Bildersuche und bei Pinterest. Viele Inspirationen bietet diese Seite: http://foodpuzzlesforcats.com/. Fummelbretter und Futterspielzeug gemeinsam mit Kindern zu basteln, hilft, sie für die Bedürfnisse ihrer Fellfreunde zu sensibilisieren. Achte bitte darauf, keine Kleinstteile (Gefahr des Verschluckens) und keine giftigen Klebstoffe zu verwenden;
schließlich kommt das Spielzeug mit Futter in Kontakt. Lege kleine Mengen Leckerli an verschiedenen Stellen aus, bevor du zur Arbeit fährst: auf Regale, in Höhlen, auf Treppenstufen usw., so dass die Katzen überraschend kleine Köstlichkeiten entdecken. Deine Katzen bewegen sich mehr auf der Suche nach »Beute«. Neuankömmlinge und Katzen mit wenig Selbstbewusstsein lockst du mit dem Angebot von verteilten Leckerlis aus ihren Verstecken heraus.
7.2 Bestandteile der Nahrung Proteine sind große komplexe Moleküle, die aus kleineren Bausteinen, den Aminosäuren, bestehen. Katzen benötigen, wie alle Tiere, Eiweiß in ihrer Ernährung, da Proteine in vielen verschiedenen biologischen Prozessen verarbeitet werden, z. B. für den Erhalt und Aufbau von Muskeln. Katzen haben einen viel höheren Proteinbedarf als Menschen und Hunde, der nur durch eine fleischbasierte Ernährung gedeckt werden kann. Sie benötigen darüber hinaus elf verschiedene essenzielle Aminosäuren – dies sind u. a. Taurin, Arginin, Methionin, Lysin, Histidin und Leucin. Diese Aminosäuren kommen in Pflanzen nicht vor. Viele Tiere (einschließlich Hunde und Menschen) können einige Aminosäuren aus Pflanzen umwandeln und verwenden. Katzen haben die Fähigkeit verloren, diese Aminosäuren zu synthetisieren, da ihre natürliche Nahrung (das Fleisch des Beutetiers) sie im Überfluss enthält. Ohne die genannten Aminosäuren in der Nahrung erkranken und sterben Katzen. Man muss also darauf achten, dass das ausgewählte Futter genug dieser Aminosäuren enthält.
Fette Fett dient den Katzen als hochwertige Energiequelle, liefert aber auch fettlösliche Vitamine (A, D, E, K), dient als Geschmacksträger und bildet eine Bezugsquelle für eine bestimmte Art von Fett: die essenziellen Fettsäuren. Für die Katze besonders wichtig sind Linolund Arachidonsäure. Diese essenziellen Fettsäuren spielen eine
Schlüsselrolle bei der Aufrechterhaltung der Gesundheit von Tieren, da sie für viele Stoffwechselprozesse unerlässlich sind. Wie bei den Aminosäuren können Katzen die essenziellen Fettsäuren aus Pflanzen nicht verwerten, sondern sind auf tierische Fette angewiesen.
Kohlenhydrate Im Gegensatz zu vielen anderen Tieren beziehen Katzen den größten Teil ihres Blutzuckers (und damit ihrer Energie) aus dem Abbau von Fett und Proteinen in der Nahrung, statt aus Kohlenhydraten. Das bedeutet jedoch nicht, dass Katzen keine Kohlenhydrate verwerten können oder dass diese nicht in der Nahrung enthalten sein sollten. Da sie jedoch eine eingeschränktere Fähigkeit zur Verdauung und Verwertung von Kohlenhydraten haben, muss die Nahrung sorgfältig zusammengestellt werden.
Andere Nährstoffe Katzen benötigen zusätzlich Vitamine, die in Tieren, aber nicht in Pflanzen vorkommen, u. a. Vitamin A, Vitamin D und Vitamin B3. Eine Überversorgung mit einigen dieser Vitamine kann Probleme verursachen. Mit Hilfe des Enzyms Laktase kann der Körper in der Milch enthaltenen Milchzucker (Laktose) verdauen, aber die meisten ausgewachsenen Katzen weisen naturgemäß einen äußerst niedrigen Spiegel des Enzyms in ihrem Darm auf; aus diesem Grund führt der Verzehr von Milch bei Katzen häufig zu Durchfall.
Richtiges Füttern Katzen fressen in freier Wildbahn einen ganzen Tierkörper (Fleisch, Fell o. Federn, Organe und Knochen), bis auf die Galle oder sehr dicke Knochen. Wenn du nur reines (Muskel-)Fleisch verfütterst, fehlen unter anderem Mineralien wie Kalzium und es kommt zu Mangelerscheinungen.
Eine gute Alternative stellen für gesunde Hauskatzen rohe Hähnchenflügel dar. Im Gegensatz zur geläufigen Annahme kann die Katze rohe Hähnchenknochen gefahrlos fressen. Gekochte Knochen splittern und dürfen nicht verfüttert werden. Kaufe am besten frisch von den Fleischereien oder auf dem Wochenmarkt am Geflügelstand. Tiefgefrorenes solltest du am besten im Kühlschrank antauen und auf Zimmertemperatur abtauen. Beachte die üblichen Hygieneregeln, die du anwendest, wenn du für dich selbst kochst.
BARF-Fütterung Die sogenannte »BARF«-Fütterung ersetzt oder ergänzt weitere Möglichkeiten, eine Katze gesund zu ernähren. Man unterscheidet mehrere Methoden, von selbst zusammengestellten Rationen bis hin zur Beutetierfütterung. Der Vorteil ist, dass du der natürlichen Ernährungsweise der Katze eher entsprichst und die volle Kontrolle über die Herkunft aller Zutaten besitzt. Die richtige Supplementierung wichtiger Mineralien und Vitamine nimmt einen hohen Stellenwert ein. Rationsberechnungen und Rezepte kannst du dir für deine Katze individuell nach ihrem Bedarf (Alter, Gewicht, Vorerkrankungen) erstellen lassen, z. B. über die Unikliniken München 3 oder Leipzig 4 oder durch Dr. Julia Fritz von Napfcheck 5. Mittlerweile bieten überall »Ernährungsberater« für Tiere ihre Dienstleistungen an. Diese Berufsbezeichnung ist nicht geschützt. Deshalb solltest du (wie bei der Auswahl einer Tierheilpraktikerin oder Katzenpsychologin) darauf achten, welche Ausbildung diese Person vorweisen kann und ob sie Interessen einer einzelnen Firma vertreten möchte. An dieser Stelle soll eine alternativ arbeitende Kollegenempfehlung nicht fehlen (ich bekomme dafür nichts, es ist eine Herzensempfehlung!): Franzisca Flattenhutter 6. Ihr Buch zum Thema »Barfen nach dem Beutetier-Prinzip« erscheint im September 2022; sie erstellt Futterpläne.
7.3 Wie erkenne ich ein »gutes« Nassfutter? Ausgewogene Ernährung ergibt sich aus hochwertigem Nassfutter in wechselnden Sorten und von verschiedenen Herstellern. Bei Nassfutter unterscheidet man zwischen Alleinfuttermittel und
Ergänzungsfuttermittel (siehe das jeweilige Dosen-Etikett). Die Ergänzungsfuttermittel können zwar hochwertig sein, dürfen aber nicht zur dauerhaften, alleinigen Ernährung verwendet werden: Ihnen fehlen wichtige Zusatzstoffe, z. B. die lebensnotwendige (=essenzielle) Aminosäure Taurin. Der Fleischanteil einer Dose sollte möglichst hoch sein (> 60 %), und die Zusammensetzung muss möglichst offen deklariert sein. Die Angabe der Zutaten erfolgt in absteigender Reihenfolge der enthaltenden Menge. Kommen wir zunächst zu der bekannten und berüchtigten »4%Deklaration«. Hier als schlechtes Beispiel die Deklaration einer Dose einer bekannten Marke mit der Geschmacksrichtung »Mit Seelachs in einem Gelee mit Tomate«: Fleisch und tierische Nebenerzeugnisse (12%), pflanzliche Eiweißextrakte, Fisch und Fischnebenerzeugnisse (4% Seelachs), Gemüse (2,7% Tomatenkonzentrat, entspricht 4% Tomate im Gelee), Mineralstoffe, Zucker. Von welchen Tierarten die gegebenen 12 Prozent stammen, verschweigt der Hersteller. Stattdessen nennt er lediglich vier Prozent eines namensgebenden Anteils, und man erkennt nicht, um was es sich bei den pflanzlichen Eiweißextrakten handelt, vermutlich um Soja. Tomaten sollten Katzen keinesfalls zu sich nehmen, und Zucker gehört zu den schädlichsten Bestandteilen verarbeiteter Nahrung, es dient als Konservierung und soll dem Futter die Konsistenz und Farbe einer gut aussehenden, dunklen Sauce geben (für die Dosenöffner, nicht für das Tier!). Getreide enthält übermäßig Kohlenhydrate und dient im Katzenfutter lediglich als billiger Füllstoff. Einige Getreidesorten stehen im Verdacht, Allergien auszulösen. Schädigende Pilze, Giardien und andere pathologische Keime vermehren sich im Darm deiner Katze durch übermäßige Versorgung mit bestimmten Kohlenhydraten explosionsartig. Deshalb lautet mein Ansatz: Ich wechsle zwischen verschiedenen »hochwertigen« Futtermarken und -sorten; das gleicht etwaig vorhandene Unterschiede in der Nährstoffversorgung aus.
Je geringer die angegebene Bedarfsmenge am Tag, desto besser das Futter. Insofern relativiert sich der Preis der teureren Marken, wenn deine Katze eine geringere Menge benötigt. Übrigens gilt für Katzen im ersten Lebensjahr mengenmäßig die Faustformel: Futter zur freien Verfügung bzw. »all you can eat«, auch als »AYCE-Prinzip« bekannt. Gib kurweise ein Vitaminpräparat: z. B. die »Feline Vet Mäusetabletten®« in unterschiedlichen Varianten oder ähnliches, besonders zu Fellwechselzeiten oder zur Unterstützung des Bewegungsapparats deiner Senioren. Wenn du nicht komplett barfen möchtest oder kannst, so verfüttere hin und wieder rohes Fleisch zur Abwechslung und um die Katzen zu beschäftigen. Geeignet sind z. B. Rindergulasch, Hähnchenteile, Putenmägen und -herzen. Nach aktuellen Erkenntnissen solltest du auch bei teilweiser Zufütterung mit Supplementen ergänzen. Dazu gibt es Fertigpräparate auf dem Markt (z. B. Felini Complete). Im Prinzip bin ich der Meinung, dass man sich nicht verrückt machen sollte, wenn es um das Füttern geht, solange die Blutwerte in Ordnung sind, das Fell deiner Katze glänzt und du hochwertiges Nassfutter anbietest. Wenn du tiefer in das Thema Fütterung einsteigen möchtest, empfehle ich dir die Internetseite von Anika Abel 7.
7.4 Trockenfutter Je mehr Feuchte im Futter ist, desto besser ist es für die Katze, die naturgemäß wenig Wasser zu sich nimmt. Du beugst z. B. der Bildung von Harnkristallen vor. Trockenfutter enthält bis zu 11% Feuchte, Nassfutter meistens ca. 70%. Zum Vergleich: Mäuse weisen etwa 65% Wasser auf. Trockenfutter ist sehr energiereich; und leider bieten viele Katzeneltern ihren Katzen den ganzen Tag Trockenfutter zur freien Verfügung an. In meiner Beratungserfahrung leiden diese Katzen oft an Übergewicht und/ oder Problemen mit Harnsteinen. Wenn du dir die Mühe machst, Trockenfutter in Wasser stehen zu lassen, siehst du wie viel Wasser es bindet und wie es aufquillt. Deine Katze müsste zum Ausgleich große Mengen Wasser trinken.
Da sie vom Wüstentier abstammt, zeigt die gesunde Katze dieses Trinkverhalten selten, selbst wenn sie wegen des Trockenfutters scheinbar viel trinkt, kann sie das nicht ausgleichen. Ihr Urin wird immer konzentrierter sein, als dass einer Katze, die naturnah (also mit Futter, das dem Feuchtegehalt der Maus entspricht) gefüttert wird. Sollte deine Katze (fast) ausschließlich Trockenfutter fressen, setzt sie nur geringe Mengen Urin ab; in der Katzentoilette finden sich wenige, kleine Klumpen. Der Urin ist hochkonzentriert und das Risiko für Harnsteine und dadurch verursachte Blasenentzündungen steigt. Eines unter anderen Alarm-Zeichen dafür, schnellstmöglich die Fütterung auf möglichst abwechslungsreiches und hochwertige Nassfutter umzustellen. Bei Nassfuttergabe findest du sehr große Urin-Klumpen (Mengen); ein Zeichen dafür, dass die Harnwege deiner Katze gut durchgespült werden. Trockenfutter kann ich für deine Katze ausschließlich als »Leckerchen« empfehlen. Statt im Napf sollte es zur Bereicherung des Alltags in Fummelspielzeugen oder beim Clickern gegeben werden.
7.5 Ist meine Katze zu dick? Das Idealgewicht unserer Samtpfoten richtet sich nicht nach dem reinen Gewicht, das die Waage anzeigt. Das Gewicht setzt sich zusammen aus Muskel- und Fettanteil. Eine dicke »Trockenfutter«Katze mit Bewegungsmangel unterscheidet sich gesundheitlich stark von einer durchtrainierten Wohnungskatze, der man einen kurzweiligen Alltag bietet. Umgekehrt zeigt eine schwache, dünne Katze Anzeichen von ernsthaften Erkrankungen, während eine junge Katze im Wachstum – schlank und sportlich – noch ein geringes Gewicht aufweisen kann. Dennoch sollte man eine Katze regelmäßig wiegen (lassen), wie ich unter dem Punkt »Gesundheitsvorsorge« im 8. Kapitel aufzeige. Übergewicht stellt bei Katzen ein Gesundheitsrisiko dar. Wie bei uns Menschen können Arthrose, Diabetes und andere Erkrankungen auftreten. Dicke Katzen können sich selbst oft nicht mehr ausreichend pflegen, da sie an einige Körperstellen nicht herankommen. Das
stellt ein Problem für das Wohlbefinden der sauberen Tiere dar. Verfilzungen und Mattenbildung des Fells können auftreten. Eine artgerechte Ernährung und das Erarbeiten von Futter als Teil der Beschäftigung von Wohnungskatzen, hilft Übergewicht vorzubeugen (s. Kap. 3). Ein weiser Mann sagte mir einst, der Mensch sei für Veränderungen im nächsten Umfeld blind. Wenn du das Gewicht und den Allgemeinzustand deiner Katze kontrollieren willst, solltest du sie regelmäßig von der Seite und von oben fotografieren, um Änderungen besser beurteilen zu können. Lege dir auf dem Handy, Tablet oder Computer einen Ordner an, wo du diese Fotos über den Lauf der Zeit sammelst. Änderungen fallen dir im direkten Vergleich besser auf. Gewichtsbeurteilung findet auch über das Abtasten deiner Katze statt. Um damit das Gewicht einer Katze zu kategorisieren, wurden die beiden Skalen »Body Condition Score« (BCS) und »Muscle Condition Score« (MCS) entwickelt. Der BCS existiert in zwei Varianten. Die erste Skala reicht von 1-5 (s. nächste Seite) und die zweite ist detaillierter aufgebaut und reicht von 1-9. Eine Suchmaschinen-Abfrage bringt dich schnell zu entsprechenden Zeichnungen, z. B. auf der Seite der »Deutschen Gruppe Katzenmedizin« 8. Diese Skalen nutzen Tiermediziner, um das Gewicht von Haustieren zu beurteilen. Die Katzen der Kategorie 1 sind stark unterernährt und die der Stufe 5 extrem übergewichtig. Die mittigen Werte sind »normal«. Selbstverständlich kannst auch du deine Katze anhand dieser Skalen bewerten und diese Beurteilung regelmäßig protokollieren. Was den Kalorienbedarf angeht, zitiere ich Sadek 9: »Die meisten Hauskatzen sind kastriert und nur wenig aktiv. Daher sollten Sie 40-66 kcal/kg Körpergewicht/Tag als Ausgangspunkt für die Bestimmung der Kalorienzufuhr verwenden. Die meisten Kalorienempfehlungen sind nur Schätzungen. Der tatsächliche Kalorienbedarf ist die Menge, die erforderlich ist, um eine Katze in optimaler Körperkondition zu halten (2,5-3/5 oder 4-5/9 auf der Body Condition Score
[BCS]-Skala). Deshalb sollten Tierärzte und Katzenbesitzer die Körperkondition überwachen und die Futtermenge entsprechend anpassen. Denken Sie daran, dass die Kalorien aus Leckerlis nicht mehr als 10% der Gesamtkalorien pro Tag ausmachen sollten, um eine unausgewogene Ernährung zu vermeiden.« Beim MCS gibt es vier Stufen: »1« entspricht normal, und »4« einer Katze »klapprigen« Katze, die ihre Muskelmasse fast komplett verloren hat. Der MCS hilft besonders bei kranken und älteren Katzen den körperlichen Zustand einzuschätzen. Katzen, die an Gewicht verlieren, bauen entweder Fett ab (erwünscht) oder Muskelmasse (unerwünscht). Im Alter, bauen Katzen – wie wir Menschen – an Muskelmasse ab (»Sarkopenie«). Hier findest du Zeichnungen im Internet, anhand derer du den Zustand der Muskeln deiner Samtpfote einschätzen kannst, z. B. unter: https://vetnutrition.tufts.edu/2017/04/muscle-matters/.
Chester entspannt auf der Babywaage. Jürgen Zentek (2019) Ernährung der gesunden und kranken Katze. In: Krankheiten der Katze. 6. Aufl. S. 43. Trudi Atkinson (2018) Practical Feline Behaviour. S. 53 URL: https://www.ernaehrung.vetmed.unimuenchen.de/service/ernaehrungsberatung/eb_hunde/index.html URL: https://www.vetmed.uni-leipzig.de/institut-fuer-tierernaehrungernaehrungsschaeden-und-diaetetik URL: https://www.napfcheck.de/ URL: https://www.mobile-tierheilpraxis-augsburg.de/#ern%C3%A4hrung URL: https://haustiger.info/was-ist-gutes-katzenfutter/[Stand: 29.04.2022] URL: https://katzenmedizin.info/body-condition-score-fuer-katzen/ [Stand 10.06.2022] Tammy Sadek et al. (2018) Feline feeding programs: Addressing behavioural
needs to improve feline health and wellbeing. In: Journal of Feline Medicine and Surgery, 20(11), pp. 1049–1055. doi: 10.1177/1098612X18791877 [Stand 04.05.22]
BCS 4: übergewichtig: Rippen unter Fett schwer zu ertasten, Bauch nicht eingezogen, Bauchumfang vergrößert, Bauchfett vorhanden. Taille kaum sichtbar.
BCS 2: untergewichtig: Rippen sichtbar, Bauchfett kaum vorhanden, deutliche Taille von oben sichtbar.
BCS 3: idealgewichtig: Rippen nicht sichtbar, aber leicht zu fühlen, Bauchfett kaum vorhanden, deutliche Taille von oben sichtbar.
BCS 5: adipös: Rippen unter dicker Fett-schicht nicht zu ertasten, Bauchumfang massiv vergrößert, Fettansammlungen massiv. Keine Taille.
BCS 1: Abgemagert: Bei Kurzhaar-Katzen sind die Rippen, die Lendenwirbelsäule und die Beckenknochen leicht zu sehen und zu fühlen. Die Bauchlinie ist stark eingezogen.
8 Gesundheitsvorsorge & Unfallverhütung
D
ieses Kapitel soll dir die bestmögliche Hilfestellung und Aufklärung bieten. Es beruht teilweise auf den aktuellen 1 Empfehlungen der beiden amerikanischen Katzenmedizinverbände AAFP und AAHA zur Gesundheitsvorsorge. Das Leben von Katzen kann grob in vier Phasen unterteilt werden. Jede Lebensphase erfordert besondere Aufmerksamkeit für bestimmte Gesundheits- und Verhaltensthemen. Je eher eine Krankheit erkannt wird, desto besser sind die Behandlungsmöglichkeiten! Bei einem Notfall oder einer akuten Infektion, merkst du schnell, dass es deiner Katze schlecht geht; du hörst sie niesen oder husten, du siehst, dass sie sich wund kratzt, siehst die Augen tränen usw.
Aber auch bei vielen ernsten Krankheiten gilt:
»Katzen leiden still«. Bis eine Katze Symptome zeigt, muss es ihr sehr, sehr schlecht gehen. Dies gilt besonders für chronische Krankheiten, die sich langsam entwickeln. In diesem Kapitel beginne ich zunächst mit Informationen und Tipps zur allgemeinen Gesundheitsvorsorge: Die ideale Transportbox Wie alt ist meine Katze eigentlich in Menschenjahren? Infektionskrankheiten und Impfungen Parasitenabwehr Unfallprävention Notfallapotheke Im 9. Kapitel findest du Informationen zu den häufigsten Krankheiten der Katze.
8.1 Vorsorge Wie du deine Katze in die Transportkiste bekommst, erkläre ich in Kapitel 6. Jetzt geht es um die ideale Transportbox. Sie vereint drei Eigenschaften: besteht aus Kunststoff (einfach zu reinigen und desinfizieren),
ihr Deckel ist abnehmbar, Katze kann von oben hineingesetzt werden, und bietet deiner Katze Sichtschutz.
Weidenkörbe sehen zwar schön aus, aber sie sind unhygienisch und lassen sich nicht nach oben öffnen. Beim Tierarzt muss man die Katze mit mehr oder weniger Gewalt aus dem Weidenkorb heraus zwingen. Für die Katze extremer Stress! Aus diesem Grund sind Transportboxen mit einem oberen Teil, der sich vollständig abnehmen lässt, zu bevorzugen. Deine Katze muss bei vielen Untersuchungen die untere Hälfte ihrer sicheren »Höhle« nicht unbedingt verlassen. Oder du kannst sie selbst vorsichtig herausnehmen, falls kein tierärztliches Personal nötig sein sollte.
Katzenfreundlicher Umgang: Der »Nackengriff« ist absolut abzulehnen. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung, löst diese Art des Umgangs bei der erwachsenen Katze Panik bis hin zur defensiven Aggression aus. Stattdessen sollten unkooperative Katzen in Handtücher gewickelt werden, um sie katzenfreundlich zu fixieren. Nur in Notfällen, wenn Gefahr für die Katze oder Menschen droht, darf man eine Katze mittels Nackengriff packen. Während des Transports solltest du ein großes Handtuch oder eine leichte Decke über die Box legen, sodass die Katze sich nicht irritiert fühlt von vorbeifliegenden Landschaften oder vielen fremden Blicken und Gerüchen. Dadurch können Reisekrankheit und Stress deutlich verringert werden. Auch im Wartezimmer schützt eine Abdeckung deine Katze vor den fremden Gerüchen und neugierigen Blicken anderer Tiere. Mit Kitten vereinbare zunächst einen Termin mit der Praxis, damit die kleinen Kätzchen diese spezielle Umgebung kennenlernen, von der Tierärztin gestreichelt werden und »Leckerchen« bekommen, bevor sie frei von negativen Erlebnissen und angstfrei nach Hause zurückkehren. Sie verbinden den Transport und den Tierarztbesuch nicht mit etwas Bedrohlichem, sondern im Gegenteil: mit Leckerlis und Spaß!
Wie alt ist meine Katze? Laut der ISFM wie folgt:
2
entspricht das Alter von Katzen dem Menschenalter
Lebensphase Alter Katze
Alter Mensch
Kitten
Bis 1. Monat 2 Monate 3 Monate 4 Monate 5 Monate 6 Monate
Bis 1. Jahr 2 Jahre 4 Jahre 6 Jahre 8 Jahre 10 Jahre
Junior
7 Monate 12 Monate 18 Monate 2 Jahre
12 Jahre 15 Jahre 21 Jahre 24 Jahre
Erwachsen
3 Jahre 4 Jahre 5 Jahre 6 Jahre
28 Jahre 32 Jahre 36 Jahre 40 Jahre
Reif
7 Jahre 8 Jahre 9 Jahre 10 Jahre
44 Jahre 48 Jahre 52 Jahre 56 Jahre
Senior
11 Jahre 12 Jahre 13 Jahre 14 Jahre
60 Jahre 64 Jahre 68 Jahre 72 Jahre
Super-Senior 15 Jahre 16 Jahre 17 Jahre 18 Jahre 19 Jahre usw.
Kitten & Junioren
76 Jahre 80 Jahre 84 Jahre 88 Jahre 92 Jahre usw.
Bei Kitten und Junioren liegt der Schwerpunkt der Vorsorge auf dem Schutz vor Infektionskrankheiten, dem Schutz vor ungewollter Vermehrung und auf Erbkrankheiten. Mit deinem Tierarzt solltest du über die Krankengeschichte des Kittens und – falls bekannt – seiner Eltern in Bezug auf Erbkrankheiten sprechen. Es gibt Katzenrassen, bei denen bestimmte Krankheiten häufiger auftreten können. Wenn du eine Rassekatze hältst, solltest du vom Züchter entsprechende Nachweise erhalten haben, dass die Elterntiere negativ auf bekannte Erbkrankheiten getestet wurden, z. B. Blutgerinnungsdefekte, polyzystische Nierenerkrankung oder Herzprobleme. Falls du keine diesbezüglichen Informationen vom Züchter bekommen hast, ist es jetzt an der Zeit, nachzufragen, um böse Überraschungen zu vermeiden. Leider häufen sich die Fälle, bei denen sehr junge Katzen z. B. an Herzfehlern leiden, weil die Züchter die betroffenen Elterntiere nicht entsprechend aus der Zucht ausschließen. Unseriöse Züchter (man nennt sie »Vermehrer«) sparen an Kosten für Gentests, Untersuchungen, oft sogar für den Mikrochip zur Registrierung und die Impfungen. Hauskatzen mit Freigang müssen, vielerorts gesetzlich begründet, kastriert werden, sowohl männliche als auch weibliche Katzen, um unkontrollierte Vermehrung zu verhindern. Dabei werden die hormonbildenden Organe komplett entfernt (bei der Kätzin die Eierstöcke und ggfs. auch die Gebärmutter, beim Kater die Hoden). Bei einer Sterilisation hingegen würden die Geschlechtsorgane erhalten bleiben; der Tierarzt durchtrennt nur die Samenleiter bzw. die Eierstöcke. Das normale, artgemäße Fortpflanzungsverhalten mit allen negativen Effekten wie z. B. Rolligkeit und Harnmarkieren, bliebe erhalten. Bei Kätzinnen sollte die Kastration vor der ersten Rolligkeit stattfinden; etwa mit einem Körpergewicht von 2,5kg werden weibliche Katzen geschlechtsreif 3. Die Kastration verhindert unerwünschten Nachwuchs und mindert das Risiko von hormonellen Störungen wie z. B. Dauerrolligkeit sowie Gebärmutterentzündungen und Gesäugetumoren. Studien
zeigen, dass vor dem ersten Lebensjahr kastrierte Katzen ein deutlich verringertes Risiko zeigen, an einem Gesäugetumor zu erkranken: Im Vergleich zu intakten Katzen reduziert sich dieses Risiko um 86 %. Kater kastriert man idealerweise vor dem Einsetzen der Geschlechtsreife, also bevor sie beginnen, ihr Revier mit Harn zu markieren. Am besten besprichst du mit der behandelnden Tierarztpraxis individuell den besten Zeitpunkt für deine Katze. Einige Rassen (z. B. Siam) sind »frühreif«, und der Eintritt der Geschlechtsreife unterliegt jahreszeitlichen Schwankungen. Auf Unkenntnis basiert die althergebrachte Annahme, Kätzinnen müssten einmal rollig gewesen sein – oder noch schlimmer – einmal geworfen haben vor einer Kastration! Sollte dein Tierarzt diese widerlegte Behauptung äußern, solltest du dir umgehend einen Tierarzt suchen, der sich auf dem aktuellen Wissenstand befindet und sich regelmäßig weiterbildet. Leider geben manche Tierärzte die pauschale Beratung mit auf den Weg, die Kastration würde mit sechs Monaten durchgeführt. Falsch! Sehr viele Katzen werden bereits deutlich vor dem 6. Monat geschlechtsreif. Erkundige dich bei deinen örtlichen Tierschutzvereinen, diese arbeiten häufig mit Tierärztinnen zusammen, die früher kastrieren, weil ihnen diese Problematik sehr geläufig ist. Frühkastrationen, wie sie in den USA und in Großbritannien seit Jahrzehnten durchgeführt werden, haben keine negativen Langzeitfolgen. Zwischen dem 3. bis 6. Monat wechseln Katzen vom Milchgebiss (26 Zähne) zum bleibenden Gebiss (30 Zähne). Ob der Zahnwechsel problemlos vonstatten geht, sollte einmal geprüft werden. Idealerweise gewöhnst du deine Katze ans Zähneputzen mit Zahnbürsten für Kleinkinder und spezieller Katzen-Zahnpasta. Anleitungen dafür gibt es z. B. auf YouTube 4.
Erwachsene & Senioren Die jährliche Allgemeinuntersuchung bleibt fester Bestandteil des Gesundheitsmanagements deiner Katze. Bei Katzen ab 11 Jahren
solltest du mit deinem Tierarzt besprechen, ob sogar häufigere Kontrollen nötig sein könnten, z. B. bei bekannten Vorerkrankungen. Empfohlen für Katzen ab 7 und dringend empfohlen ab 11 Jahren werden folgende Untersuchungen zusätzlich zur Allgemeinuntersuchung: »geriatrisches« Blutbild Urinanalyse Blutdruckmessung Zahn- / Mauluntersuchung einschl. Dentalröntgen. Ich gehe noch einen Schritt weiter und lasse meine Katzen jährlich einmal von einer Kardiologin mit Ultraschall untersuchen. Sie untersucht das Herz und die Organe auf Veränderungen und Auffälligkeiten. Dazu müssen Katzen in der Regel nicht sediert werden. Diese Untersuchung gibt mir Sicherheit, dass keine altersbedingten Probleme unerkannt bleiben und ist nicht teurer als eine Blutuntersuchung. Mitte Juni stellte die Kardiologin bei einer Vorsorgeuntersuchung bei Chester eine behandlungsbedürftige Veränderung am Herzen fest, die mittels Auskultation nicht erkannt wurde. Im nächsten Kapitel gehe ich detaillierter darauf ein, warum diese Untersuchungen wichtig sind. Häufig treten in diesem Alter Veränderungen auf in Appetit, Flüssigkeitsaufnahme, Erbrechen, Durchfall, Lautäußerungen, Nachtaktivität, Mobilität, Seh-, Hörvermögen, Katzentoiletten-Nutzung und Putzverhalten. Die Auffälligkeiten in diesen Bereichen solltest du mit der behandelnden Tierarztpraxis besprechen. Videos, die du zu Hause mit deinem Handy aufnimmst, sind immer
hilfreich für Tierärzte und Verhaltensberater. Oft ist das Verhalten in der Beratung nicht reproduzierbar (z. B. nächtliches Miauen oder auch Husten, der nur hin und wieder auftritt). Eine kostenlose und sinnvolle Möglichkeit, deine Katze selbst zu Hause zu überwachen: ihr Gewicht alle drei Monate mit einer Babywaage (genauer als eine normale Personenwaage) zu messen. Das Ergebnis notierst du in einem Kalender, einer Excel-Datei oder im Handy als Grundlage für einen Vergleich. Im Zusatzmaterial online findest du eine Vorlage für ein Gesundheitstagebuch. Lege im Handy oder in deinem Kalender für den nächsten Wiegetermin eine Erinnerung an. Manche Krankheiten kündigen sich langsam durch Gewichtsverlust an. Studien ergeben, dass bereits drei Jahre vor Diagnosestellung einer chronischen Nierenerkrankung ein schleichender Gewichtsverlust begann 5. Um eine Änderung einordnen zu können, muss man sie zunächst prozentual berechnen. Gewichtsverlust [%] = (Gewichtsverlust [kg] / Ausgangsgewicht [kg]) * 100 Beispiel Amy: 1. Messung 4,5 kg 2. Messung 4,2 kg -> 0,3 kg Verlust (0,3 / 4,5) * 100 = 7 % Gewichtsverlust < 5 %: im Auge behalten, Nachkontrolle alle zwei bis vier Wochen, 5–10 %: signifikant, Termin zur Kontrolle beim Tierarzt machen, > 10 %: ernst, schnellstmöglich tierärztlich untersuchen lassen!
Wenn du deine Katze in festen Abständen wiegst, lernst du normale Schwankungen im Jahresverlauf einzuordnen, z. B. dass und wieviel deine Katzen im Frühjahr ab- und im Herbst normalerweise zunehmen. Nicht nur Änderungen bei Gewicht oder Verhalten sollten dich aufmerksam machen auf ein Gesundheitsproblem. Schau deine Katze täglich gründlich an, taste sie täglich einmal gründlich ab und gewöhne sie an regelmäßige Inspektionen aller Körperteile mit positiver Verstärkung, also Belohnungen. Gehe dabei ruhig, sanft und ohne Zwang langsam vor. Im Umgang mit Katzen bringt es nichts, zu viel zu schnell zu »wollen«. Besonders Katzen, die keine angemessene Sozialisation erfahren konnten, benötigen viel Liebe, Geduld, Zeit und Übung, um Vertrauen aufzubauen. Für die Katze müssen wir als viel größeres »Raubtier« berechenbar sein und möglichst gleichbleibend agieren. Die Kontrolle der Zähne und des Mauls stellen Katzenhalter meistens vor eine Herausforderung. Ziel ist, mit dem Zeigefinger den Kiefer zu öffnen, während man mit der anderen Hand den Kopf der Katze hält und möglichst in Ruhe alles in Augenschein nimmt. Wer eine besonders ängstliche Katze an diese Kontrolle gewöhnen möchte, sollte zunächst nur ihren Kopf streicheln. Man kann dazu mit Leckerli »belohnen«, sodass die Katze beides miteinander verbindet und positiv besetzt. Sobald das Tier sich an eine Hand gewöhnt und sich gern streicheln lässt, beginnt man mit beiden Händen gleichzeitig zu streicheln. Zunächst nur über die Wangen. Wenn deine Katze diese Zuwendung kennt, gehst du weiter zur eigentlichen Phase der Kontrolle: Du hältst zunächst eine Hand oben auf den Kopf und mit der anderen streichelst du vorsichtig über die Nase zu den Lippen. Im letzten Schritt schiebst du vorsichtig ein ganz wenig den Zeigefinger zwischen die Kiefer, um sie zu öffnen. Erfolge werden sofort belohnt und das Training mit einem Leckerchen beendet, bevor deine Katze keine Geduld mehr hat.
So übst du langsam: Maulkontrolle, Augenkontrolle, Ohrenkontrolle, Pfotenkontrolle mit Ausschieben der Krallen und Schneiden üben, Abtasten und Streicheln von Kopf bis Schwanzende, Fiebermessung, regelmäßige Gewichtskontrolle mit einer Babywaage, Tabletteneingabe (dafür Leckerchen statt Tablette nehmen).
Häufige Infektionskrankheiten und Impfungen Es gibt eine Reihe von Infektionskrankheiten, gegen die wir unsere Katzen impfen lassen können. Du solltest individuell für die Lebenssituation deiner Katzen entscheiden, gegen was du sie impfen lässt und wie engmaschig Impfungen erfolgen sollen. Die drei sogenannten »Core«-Impfungen, werden von der Ständigen Impfkommision Veterinärmedizin (im folgenden: StIKo Vet) für alle Katzen empfohlen, auch für Wohnungskatzen. Es handelt sich um die Impfungen gegen Katzenschnupfen und seuche, die meistens als eine Kombinationsimpfung verabreicht werden (»RCP«-Impfstoffe, dazu mehr unten). Grundsätzlich darf man ausschließlich gesunde Katzen impfen. Bei einem durch Vorerkrankungen geschwächten Immunsystem kann a) die Wirkung der Impfung stark beeinträchtigt sein und b) die Impfung zu massiveren gesundheitlichen Folgen führen. Vor jeder Impfung muss ein Tierarzt folglich eine gewissenhafte Untersuchung durchführen, u. a. weil Katzen vor einer Impfung von Flöhen und Würmern befreit sein müssen. Wenn du dich im Internet über das Impfen informieren möchtest, solltest du auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung und auf die Anbieter von Inhalten achten. Am besten nutzt du möglichst die direkten Wege zu Herausgebern von geltenden Bestimmungen, Forschungsinhalten und aktuell gültigen Empfehlungen.
Zuverlässig informieren kann man sich im Internet bei den maßgeblichen Institutionen und in den Rechtsnormen: Paul-Ehrlich-Institut Ständige Impfkommission Veterinärmedizin (StIKo Vet) Tiergesundheitsgesetz (TierGesG) Verordnung über Sera, Impfstoffe und Antigene nach dem Tierseuchengesetz (Tierimpfstoff-Verordnung).
Impfpflicht? Jein! Völlig frei steht es dir, deine Katzen impfen zu lassen oder aus individuellen Gründen von diesen medizinischen Eingriffen abzusehen; denn Katzen müssen per Gesetz oder anderen Pflichtverordnungen nur unter bestimmten Umständen eine Auswahl von Impfstoffen erhalten: bei Reisen ins Ausland z. Z. gegen Tollwut 6; bei Unterbringung in einer gewerbsmäßigen Katzenpension (unter Vorlage des Impfausweises) sind gewisse Impfungen Voraussetzung für die Aufnahme (gegen Katzenschnupfen, Katzenseuche und ggfs. Tollwut); beachte Fristen in Bezug auf den Zeitpunkt der letzten Core-Impfungen und Voraussetzungen bzgl. Behandlungen gegen Parasiten bei der Planung des Abgabe- zeitpunktes deiner Katze; nach Aufnahme in ein Tierheim (alle Katzen sind hier durchgeimpft mindestens mit den Core-Impfstoffen); du kannst eine Tierheimkatze ausschließlich im geimpften Zustand erhalten und zahlst einen geringen Betrag; informiere dich ggfs. bei den Tierheimen deines Vertrauens. bei anerkannten Züchtern (benötigen eine Erlaubniserteilung der zuständigen Stelle, d. h. Veterinärämter) auf der Rechtsgrundlage des Tierschutzgesetzes. 7 Eine Katzenzucht besteht, sofern unkastrierte, geschlechtsreife, männliche und weibliche Katzen zusammen leben und sich
vermehren. Sobald sich solche Katzen – etwa in einer Wohnung – paaren und jemand, ohne die behördliche Erlaubnis, die Kitten zum Verkauf anbietet, macht er oder sie sich strafbar. Nicht, weil man angesichts überfüllter Tierheime und immunschwacher Streuner höchstwahrscheinlich weiteres Katzenleiden produziert, sondern weil man steuerpflichtig wird: »1. Gewerbsmäßig handelt, wer sich durch wiederholte Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschaffen will.« 8
Impfen – wieso eigentlich (nicht)? Beim Thema »Impfen« entsteht leider häufig die Tendenz zur Polarisierung: Manche blenden die gesundheitlichen Gefahren rigoros aus oder meinen, es gäbe eigentlich kaum nennenswerte bzw. (fast) nur harmlose Nebenwirkungen. Andere lehnen das Impfen als einen potenziell gefährlichen Eingriff kategorisch ab. Jeder Katzenhalter muss zwischen diesen beiden Polen abwägen und eine eigene, individuelle Entscheidung treffen. Manche Katzenhalter lassen gleichgültig ihre erkrankten Freigänger im Freien laufen und denken nicht über die Ansteckungsgefahr nach. Andere befolgen die strikten Vorgaben eines kompletten Impfprogramms aus purer Angst, ihre Wohnungskatze könnte sich beim Tierarztbesuch anstecken – während man sich mit anderen, vielleicht erkrankten Katzen, im Wartezimmer befindet. Bei Themen, die das Leben unserer geliebten Katze betreffen, lassen wir uns vielleicht von Gefühlen leiten und weniger von einer gesunden Portion Abstand und Sachlichkeit. Aus diesem Grund sollte man sich im Interesse der Tiere frei fühlen, eine dringende Empfehlung – in die eine oder andere Richtung – zunächst möglichst sachlich und ohne Druck zu prüfen: Muss ich wirklich jede Art von Impfung als tödliche Gefahr ansehen, oder muss ich tatsächlich meine gerade sechs Wochen alte Katze schon impfen, vielleicht bei der Gelegenheit meine alte Katze schnell noch gegen Katzenschnupfen schützen lassen? Als Katzeneltern schwebt immer die Sorge über allem, der Katze könnte etwas Schreckliches passieren – und man hätte daran die
Schuld! Diese emotionale »Schwachstelle« beeinflusst uns massiv in unseren Entscheidungen. Umso wichtiger scheint es, dass wir uns den Grundsatz vor Augen halten: Der beste Schutzschild gegen ansteckende Erkrankungen ist das starke Immunsystem meiner Katze durch artgerechte Ernährung und stressfreie Umgebung!
»Katzenschnupfen« Das feline Herpesvirus-1 (FHV-1, Rhinotracheitis-Virus der Katze) ist einer der beiden viralen Haupterreger des sogenannten »Katzenschnupfen-Komplexes«. Die Übertragung erfolgt durch engen Kontakt (Putzen, gemeinsames Fressen) direkt über Körperflüssigkeiten (Augen-, Nasenausfluss und Speichel). Häufig kommt eine bakterielle Infektion dazu. Bei über 80 % der überlebenden Katzen entwickelt sich eine lebenslange, schlummernde Infektion, die bei gestörtem Immunsystem oder Stress jederzeit wieder ausbrechen kann. Falls du selbst an Herpes leidest, kennst du das vielleicht. Typische Symptome sind: Schnupfen (Niesen und Nasenausfluss) Bindehautentzündung (Hornhautschädigungen kommen häufig vor), Fieber, Schwäche, Fressunlust, Appetitlosigkeit, Geschwüre an der Zunge, Gewebszerfall an den Nasenmuscheln. Die Impfung schützt nicht komplett vor einer Infektion, kann aber klinische Symptome verhindern bzw. abmildern. Sie besteht aus zwei Impfungen im Abstand von drei bis vier Wochen und einer Auffrischung nach einem Jahr. In der Regel erfolgt diese Impfung in Kombination mit der Impfung gegen das feline Calicivirus (FCV), den zweiten Haupterreger des Katzenschnupfens.
Hier erfolgt die Übertragung durch direkten Kontakt. Es gibt verschiedene Unterarten des hartnäckigen Virus. Es überlebt auf Gegenständen und Flächen mehrere Tage. Die Symptome ähneln der FHV-1-Infektion: Bindehautentzündung, Augen- und Nasenausfluss, Niesen, Mattigkeit und Fressunlust, Fieber, großflächige und schmerzhafte Läsionen oder Geschwüre (Ge- websveränderungen) an Maulschleimhaut, Zunge und um die Nasenöffnungen herum; vorübergehende Lahmheit bei Katzenwelpen (»Limping Kitten Syndrome«) zwischen der 6. und 12. Lebenswoche. Nach Überstehen der akuten Erkrankung verursacht das Calicivirus in einigen Katzen chronische Entzündungsherde in der Maulhöhle. Auch hier schützt die Impfung nicht vor der Infektion, kann aber klinische Symptome verhindern oder abschwächen. Die Impfung erfolgt in der Regel in Kombination mit der FHV-1-Impfung. Eine Auffrischung für beide Komponenten wird von der StIKo Vet 9 im Abstand von bis zu 3 Jahren empfohlen.
»Katzenseuche« Die Panleukopenie wird durch das feline Parvovirus (FPV) verursacht. Die Krankheit ist u. a. bekannt als »Katzenseuche«, feline Parvovirose oder »Katzenstaupe«. Es handelt um eine hochansteckende Krankheit, gekennzeichnet durch den Abfall der weißen Blutzellen und einer Darmentzündung mit Zerstörung der Darmschleimhaut. Zumeist erkranken Jungtiere im Alter zwischen sechs Wochen und vier Monaten. Das Virus wird mit dem Kot und allen Körpersekreten ausgeschieden. Die Ansteckung erfolgt meist oral, auch indirekt über Kontakt zu kontaminierten Gegenständen. Das Virus kann in der Außenwelt über ein Jahr überleben. Es übersteht Frost und Trockenheit und ist resistent gegen die meisten handelsüblichen Desinfektionsmittel. Deshalb sind Gegenstände wie
z. B. Spielzeug aus Holz, die kontaminiert sind, zu entsorgen 10. Häufig wird der Impfstoff als Kombination mit den beiden Katzenschnupfen-Impfstoffen hergestellt und findet sich im Impfpass als »RCP« wieder: »Rhinotracheitis«, »Calicivirus« und »Parvovirus«. Die Symptome beim akuten Verlauf der Parvovirose sind: Apathie, Liegen mit eingebogenen Vorderpfoten, Verweigerung der Aufnahme von Wasser und Futter, Erbrechen, wässriger, teils blutiger Durchfall. Die Grundimmunisierung – bestehend aus zwei bis drei Impfungen (im Alter von 8, 12 und 16 Wochen) –, die nach einem Jahr aufgefrischt werden muss, schützt laut StIKo Vet möglicherweise lebenslang gegen eine Infektion. Zitat aus den aktuellen Leitlinien 11: »Die meisten adulten Katzen in Deutschland haben Antikörper gegen Panleukopenieviren, auch wenn die letzte Impfung bereits Jahre zurück liegt. Eine Impfung dieser Katzen bringt keinen Nutzen. Es besteht daher die Möglichkeit, Panleukopenievirusantikörper in verschiedenen Testsystemen zu bestimmen. Dies kann zur Entscheidung über die Notwendigkeit einer Wiederholungsimpfung herangezogen werden.«
Tollwut Die Tollwut ist eine tödliche, neurotrope Krankheit, die alle Säugetiere befallen kann. Sie wird durch das Lyssavirus hervorgerufen. Deutschland gilt offiziell als tollwutfrei. In Norddeutschland gibt es jedoch hin und wieder mit Tollwut befallenen Fledermäuse (ein anderer Untertyp des Tollwutvirus). Eine Übertragung der Fledermaustollwut auf Katzen und Hunde konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Falls es in einer Region zu einem Ausbruch der Tollwut kommen sollte und deine ungeimpfte freilaufende Katze im Verdacht steht, Kontakt mit dem infizierten Tier gehabt zu haben, besteht schlimmstenfalls die Gefahr, dass die Behörden deine Katze beschlagnahmen und einschläfern (§§7, 8, 9 Tollwut-Verordnung 12). Dieses Risiko ist sicherlich sehr gering, sollte aber jedem bekannt sein. Es existieren Impfungen mit unterschiedlichen Auffrischungsempfehlungen zwischen ein und vier Jahren. Falls du dich für eine Impfung gegen Tollwut entscheidest, kannst du den Tierarzt um Verabreichung eines länger schützenden Impfstoffs bitten. Bei reinen Wohnungskatzen, die nicht mit dir in Urlaub fahren, ist diese Impfung nicht notwendig und wird nicht empfohlen, aber auch bei anderen Hauskatzen nimmt die StIKoVet mittlerweile Abstand zur Tollwut-Impfung. 13
Felines Immunschwächevirus Das Virus, Auslöser des sogenannten »Katzen-AIDS«, ist nicht auf Menschen übertragbar. Es gehört zu den Lentiviren und kommt auch bei Großkatzen wie afrikanischen Löwen und Pumas in den U.S.A. vor. Eine Übertragung über Spielen, Lecken, Putzen usw. zwischen Katzen ist so gut wie ausgeschlossen. Der Deckakt kann zu einer Übertragung führen. Die Infektion mit dem Virus erfolgt jedoch fast immer über Bisse bei Revierkämpfen. Daher gehören besonders unkastrierte, freilaufende Kater, die ihr Revier verteidigen zur Risikogruppe: 73–90 Prozent der FIV-positiven Katzen sind männlich. In Deutschland ist die Zahl der erkrankten Katzen mit 3 %
gering im Vergleich zu beispielsweise 19 % in England 14. Wie bei der HIV-Infektion beim Menschen, entstehen die klinischen Symptome durch Sekundärinfektionen, z. B. durch Maulschleimhautentzündungen und ein erhöhtes Auftreten von Tumoren wegen der geschwächten Immunabwehr. Der FIV-Status, erhoben durch einen Antikörpertest, sollte bei jeder Katze bekannt sein. Bei Aufnahme einer neuen Katze, insbesondere von privat und aus dem Tierschutz, frage bitte unbedingt nach, um eine Ansteckung deiner vorhandenen, gesunden Katzen ausschließen zu können. Eine Infektion mit FIV bedeutet nicht, dass eine Katze eine verkürzte Lebenserwartung hat. Durch gutes Management, bestenfalls die Haltung im Haus, um eine Infektion mit anderen Krankheiten zu vermeiden und natürlich die Ansteckung anderer Katzen zu verhindern, können FIV-Katzen eine normale Lebenserwartung haben. Hier spielt die Stressvermeidung im Lebensraum eine wichtige Rolle. In der Europäische Union ist derzeit kein Impfstoff zugelassen.
Felines Leukämievirus Es handelt sich um einen Erreger, der häufige Todesursachen bei Katzen auslöst, die bis jetzt nicht behandelbar sind. Die Infektion kommt vor allem bei freundlichen und kontaktfreudigen Katzen vor; sie erfolgt insbesondere durch oronasalen Kontakt (Beschnuppern, Belecken, Kratz- und Bisswunden) mit infizierten Katzen, die das Virus in großen Mengen (bis zu 2 Millionen Viruspartikel pro Milliliter Speichel 15) über den Speichel ausscheiden. Das Virus ist in der Außenwelt nur wenige Minuten überlebensfähig. Die Symptome bzw. die durch die Infektion ausgelösten Erkrankungen können sehr vielfältig sein: Knochenmarkschädigung, infolgedessen Blutarmut, Schwäche, Fressunlust mit Blässe; Tumoren, betrifft hauptsächlich Lymphknoten des
Verdauungs- trakts; Schwächung des Immunsystems, schlecht heilende Wunden, Ohren- und Zahnfleischentzündungen. Eine FeLV-Infektion kann lange Zeit ohne jegliche Symptome verlaufen. Deshalb sollte auch hier bei jeder Katze der FeLV-Status bekannt sein und bei Neuanschaffung weiterer Tiere dieser unbedingt vorher getestet werden. Die StIKo Vet empfiehlt die FeLV-Impfung nur bei Freigängern und nur nach negativem FeLV-Antigen-Test und Antikörpertest gegen das p15E-Antigen. Bei Katzen älter als 7 Jahren wird eine individuelle Risiko-NutzenAbwägung der Impfung empfohlen, da das Risiko einer progressiven Infektion bei älteren Katzen von der StIKo Vet als »sehr gering« eingeschätzt wird.
Feline infektiöse Peritonitis (FIP) Der Erreger ist das feline Coronavirus (FCoV). Dieses wird von infizierten Katzen vor allem mit dem Kot ausgeschieden und anschließend oronasal aufgenommen. Die Infektion an sich ist weit verbreitet (bis zu 90 % aller Katzen sind Träger des Virus). Feline Coronaviren können bei Katzen harmlose Darminfektionen auslösen. Erst durch eine Mutation des Virus im Körper der betroffenen Katze kommt es zu den Symptomen der FIP. Besonders junge Katzen und immunschwache Katzen sind gefährdet. Mehr als die Hälfte aller Katzen mit FIP sind unter 12 Monaten, 70 % unter 4 Jahren alt. Je höher eine eventuelle Virusbelastung (Züchter, Mehrkatzenhaushalt), desto höher das Risiko einer Mutation. Häufiges Reinigen der Katzentoiletten steht an erster Stelle, gefolgt von Vermeidung von Stress, insbesondere im Mehrkatzenhaushalt (s. u.). Die Erkrankung führte bis vor Kurzem sicher zum Tod. Eine Behandlung ist seit einiger Zeit möglich mit offiziell derzeit in der EU nicht zugelassenen Medikamenten. Mehr dazu findest du in der Facebookgruppe »FIPfree - Feline Infectious Peritonitis ist heilbar« mit über 20.000 Mitgliedern. Falls du
im Freundes- oder Bekanntenkreis von einer betroffenen Katze hörst, verweise auf die Gruppe, denn viele Katzenfreunde wissen noch nicht, dass die Krankheit sich jetzt behandeln lässt. Auch sind Diagnose und Behandlung für viele Tierärzte noch kein fester Bestandteil der täglichen Arbeitsroutine, und auch aus diesem Grund können die Spezialisten in der FIP-Gruppe hervorragend weiterhelfen und unterstützen mit Aufklärung und Bezugsquellen für die nötigen Medikamente. Zur Prophylaxe im Mehrkatzenhaushalt sollten mehrere Katzentoiletten zur Verfügung stehen, die mehrmals täglich gereinigt werden und in Räumen stehen, die man leicht reinigen und desinfizieren kann, um die Viruslast gering zu halten. Die Erreger können im Kot wochenlang überleben. Futternäpfe sollten in anderen Räumen als die Katzentoiletten stehen. Jede Form von Stress (etwa durch die Aufnahme weiterer Katzen, ein Besitzerwechsel, eine Immunsuppression durch Cortisongabe) sollte man möglichst vermeiden. Die Symptome sind vielfältig und unspezifisch: Appetitlosigkeit, Fieber, Apathie, Durchfall, Gelbsucht Gewichtsverlust. Ein Nachweis kann am lebenden Patienten sehr schwierig sein. Man unterscheidet zwischen der trockenen mit vorwiegend neurologischen Symptomen wie Ataxie und Entzündung der Gefäßhaut des Auges und der feuchten Verlaufsform, die gekennzeichnet ist durch eine Flüssigkeitsansammlung im Bauch. Der Übergang kann fließend sein. Es existiert ein oronasaler Impfstoff, jedoch raten sowohl die StiKoVet als auch führende Katzenmediziner von einer Impfung ab, weil die Effektivität in Frage steht.
In jedem Fall sollte ein Antikörpertest vor der Impfung durchgeführt werden, da sich die Impfung als nutzlos erweist, wenn bereits Antikörper gebildet wurden.
Chlamydophila felis Dieses Bakterium gehört zu den Erregern des Katzenschnupfens und verursacht hauptsächlich Bindehautentzündungen. Betroffen sind meistens junge Katzen bis zu einem Lebensjahr in größeren Beständen, z. B. Tierheimen und Züchterhaushalten. Es handelt sich hierbei um eine Zoonose, d. h. der Erreger kann auch auf Menschen übertragen werden. Eine Impfung sollte nur in Risikobeständen (z. B. im Tierheim, beim Züchter) durchgeführt werden. Sie schützt nicht vor einer Infektion, sondern kann die Symptome mindern.
Bordetella bronchiseptica Dieser Erreger führt zu einer Entzündung der Atemwege und zählt ebenfalls zu den bakteriellen Erregern des Katzenschnupfens. Auch diese Impfung sollte nur im Einzelfall erwogen werden, z. B. in Zuchtbetrieben oder Tierheimen. Die Wirksamkeit der intranasalen Impfung ist fraglich, und geimpfte Tiere scheiden den Erreger bis zu 12 Monate lang aus. Eine Impfung von Katzen, die mit immunschwachen Menschen (Säuglinge, Kranke und ältere Menschen) zusammenleben, sollte nicht durchgeführt werden. Bordetella bronchiseptica-Impfstoffe, die lebensfähige Bakterien enthalten, sollten niemals an Kitten unter 4 Wochen verabreicht werden. Darüber hinaus zeigen sie bei Katzen, die Antibiotika erhalten oder erhalten sollen, keine Wirkung. Diese Impfstoffe können gelegentlich leichte klinische Symptome bei Katzen hervorrufen. Bei Katzen, die stärker ausgeprägte Symptome zeigen, soll eine entsprechende antibiotische Therapie durchgeführt werden.
Dermatophytose, Mikrosporie Die Mikrosporie gilt als sehr ansteckende auf den Menschen übertragbare Hautkrankheit (Zoonose), verursacht durch Hautpilze der Gattung Microsporum. Wenn deine Katze kreisförmige, haarlose Stellen entwickeln sollte, zögere nicht lange, das Tier auf eine Pilzinfektion untersuchen zu lassen. Ein Impfstoff ist erhältlich, da jedoch Kontrollstudien bislang fehlen,
erscheint diese Impfung nur in Problembeständen therapiebegleitend bei vorliegender Erkrankung sinnvoll.
und
Impfen ausgeschlossen Auf jede Art von Impfung oder auf bestimmte Impfungen sollte man verzichten bei Katzen, die: akut krank sind (Fieber, Durchfall, Schnupfen usw.), FIV-positiv getestet sind, bereits an einem Fibrosarkom erkrankt waren oder an einer Autoimmunkrankheit (z. B. Hauterkrankungen wie eosinophile Plaques, chronische Nierenerkrankungen usw.) 16 leiden. an Befall von Parasiten, wie Flöhen und Würmern leiden, als Muttertiere ihre Kitten säugen, trächtig sind und daher nur bestimmte Impfstoffe erhalten dürfen, um die Schädigung der noch ungeborenen Welpen zu vermeiden. Beachten sollte man, dass zu den Impfstoffen für Katzen keine Studien bezüglich trächtiger Katzen vorliegen müssen und in diesen Fällen die Impfung nicht empfohlen wird, z. B. bei Fevaxyn® 17 eine antibiotische Behandlung erhalten, 18 bestimmte Immunsuppressiva erhalten, wie z. B. Glukokortikoide und Zyklosporine. 19
Nebenwirkungen Lokale Reaktionen Durch Injektionen können u. a. Schwellungen, Schmerzen, Haarausfall oder Juckreiz an der Injektionsstelle entstehen. Eine besondere Problematik kann sich durch eine Entzündungsreaktionen in der Unterhaut ergeben, mit der Folge von aggressiven, bösartigen Bindegewebswucherungen (»Fibrosarkom«, 1 von 10.000 Katzen) hat. Diese Reaktion kann sich innerhalb von zwei Wochen bis zu zehn Jahren entwickeln und zum Tod der Katze führen. Früher ging man davon aus, diese Tumoren würden durch
Impfungen ausgelöst, deshalb hört man auch heute noch oft den Begriff »impfassoziiertes Fibrosarkom«. Mittlerweile steht fest, dass jegliche subkutane Injektion zu diesem Problem führen kann. Nach derzeitigem Wissensstand besteht ein Zusammenhang zwischen Übergewicht und Injektionen. Konsens besteht darüber, in kurzen zeitlichen Abfolgen wiederholte Injektionen in das selbe Hautareal zu vermeiden, da sich eine mögliche Entzündung noch verstärkt. Jede Injektion sollte an einer anatomischen Stelle erfolgen, die ein Tierarzt im Falle einer Komplikation chirurgisch gut versorgen kann; eine Tumor-Entfernung muss mit großen Sicherheitsrändern (bis zu 5 cm!) durchgeführt werden. Achtung: Eine Injektion in die Nackenfalte sollte nicht mehr geduldet werden. Dieser Bereich bietet durch die Schulterblätter wenig Möglichkeiten, einen eventuell auftretenden Tumor großflächig zu entfernen. Die Injektionsstelle solltest du nach der Impfung und anderen Injektionen oder Infusionen regelmäßig kontrollieren und bei einer Veränderung unverzüglich den Tierarzt aufsuchen, um ihn auf die Injektionsstelle aufmerksam zu machen. Das Führen eines Injektionsbuches für jede Katze kann wichtige Daten liefern, sollten Symptome nach einer Behandlung auftreten. Dr. Streicher stellt freundlicherweise kostenlos ein Injektionsbuch zur Verfügung in seinem Buch »Katzen können sicherer leben« 20. Du findest es auch im geschützten Bereich meiner Internetseite als PDF-Datei zum Download. Die aktuellen Leitlinien für die Impfung von Katzen findest du auf der gleichen Seite.
Unverträglichkeitsreaktionen Nach einer Impfung sollte die Katze ein bis zwei Tage möglichst stressfrei ausruhen können. Versuche entsprechend alle störenden Bedingungen auf ein Minimum zu reduzieren, z. B. ungewohnte Besucher oder Handwerker in der Wohnung zu vermeiden. Bei der Herstellung der Impfstoffe verwendet man zur Anzucht der jeweiligen Erreger u. a. Hühnereier und Hamsterembryonen. Durch
den Kontakt mit dem artfremden Protein kann eine allergische Reaktion auftreten, aber auch Konservierungs- und Hilfsstoffe (v. a. die ölhaltigen Stoffe) können allergische Reaktionen (Juckreiz, Schwellungen der Augen, des Gesichts und der Lippen) bis hin zu einem anaphylaktischen Schock (Atemnot, Speichelfluss, Erbrechen, Koordinationsprobleme, Kreislaufversagen bis hin zum Tod) auslösen.
Hilfsstoffe Zusätzlich zu den abgeschwächten bzw. abgetöteten Erregern sind in Impfstoffen weitere Konservierungs- und Hilfsstoffe bzw. Adjuvantien enthalten. Diese Zusätze erfüllen laut Hersteller wichtige Funktionen, und sie stehen in der Kritik, neben den erwünschten Effekten auch schädliche Wirkungen auslösen zu können. Aluminiumverbindungen (Aluminiumhydroxy-Gel), sollen die Immunantwort verstärken; sie stehen in der Kritik, weil sie u. a. das Nervensystem schädigen sollen und an der Einstichstelle Gewebeveränderungen (und in der Folge Krebs) bewirken können. Quecksilber (Thiomersal), soll den Impfstoff konservieren. Bei Menschen (und somit auch bei anderen Säugetieren) können Thiomersal-Abbauprodukte u. a. Nierenschäden auslösen. 21 Neocryl A640, wässriges Acrylcopolymer; besteht aus u. a. aus Ammoniak und Benzol. Man warnt davor, dieser Stoff könne allergische Reaktionen auf der Haut auslösen, zu Übelkeit und Erbrechen führen bei oraler Einnahme und sei »schädlich für Wasserorganismen, mit langzeitiger Wirkung«. 22 Benzol wirkt u. a. krebserregend. 23 Formaldehyd, tötet auch hartnäckige Viren und Bakteriengifte; krebserregend (Ratten, die wiederholt hohe Konzentrationen des Stoffes einatmeten, entwickelten Tumoren in der Nasenhöhle). 24 In einigen Impfstoffen kommen (zusätzlich) auch mikrometergroße Öltröpfchen vor (Emulsigen®); diese sollen u. a. die Immunantwort erhöhen und im Tierversuch Autoimmunerkrankungen wie Arthritis, Rheuma und Lupus Erythematodes ausgelöst haben. Herstellungsbedingt können Spuren von Antibiotika in Impfstoffen
enthalten sein. Als Katzeneltern sollte man sich stets die genauen Bezeichnungen der verwendeten Präparate von der Tierärztin in einer Vorbesprechung geben lassen und die (im Internet alle veröffentlichten) Beipackzettel mit Sorgfalt nachlesen. Wenn du alle Impfstoffe für Katzen genauer kennst, bist du in der Lage, selbst zu entscheiden, welches spezielle Produkt dein Vertrauen weckt und kannst den Tierarzt auf bestimmte Impfstoffe ansprechen. Alle diese Stoffe sind in sehr geringem Ausmaß vorhanden. Dennoch können sie in seltenen Fällen zu unerwünschten Reaktionen führen. Bitte deinen Tierarzt, nach Möglichkeit adjuvantienfreie Impfstoffe zu verwenden. Noch mehr Informationen über das Impfen findest du im Zusatzmaterial zu diesem Buch online.
8.2 Parasitenabwehr Katzen (insbesondere natürlich Freigänger) bringen hin und wieder unerwünschte »Untermieter« in Form von Parasiten heim. Man unterscheidet zwischen »Ektoparasiten«, also alles was auf der Katze herum fleucht (Zecken, Flöhe, Milben usw.) und »Endoparasiten«, alles was in der Katze kreucht: Würmer und einzellige Parasiten.
Endoparasiten Es gibt verschiedene Endoparasiten von denen Katzen befallen werden, die wichtigsten sind: Bandwürmer, Spulwürmer, Hakenwürmer, Lungenwürmer, Einzeller (z. B. Giardien, Toxoplasmen). Hauptsächliche Symptome sind Abmagerung, Durchfall, Erbrechen, Appetitlosigkeit und stumpfes Fell. Bei Bandwurmbefall zeigen Katzen auch das sogenannte »Schlittenfahren« aufgrund des Juckreizes, den die beweglichen,
ausgeschiedenen Bandwurmglieder am After verursachen. Das Problem bei Wurmbefall ist nicht nur, dass die betroffene Katze geschwächt wird, sondern eher, dass viele Wurmarten auf den Menschen übertragen werden können. Es gibt auch Wurmarten, die das befallen Tier nachhaltig schädigen, wie beispielsweise Lungenund Herzwürmer, letztere werden durch Mücken übertragen und sind besonders im Mittelmeerraum vertreten. Wenn du eine Katze aus dem Auslandstierschutz übernimmst, solltest du mit deiner Tierärztin besprechen, ob eine Behandlung sinnvoll ist. Dennoch gilt, dass man vorbeugend nicht entwurmen kann, denn ein Anthelminthikum kann nur abtöten, was da ist. Wurmkuren wirken also nicht vorbeugend wie eine Impfung. Deshalb solltest du selbst die Wahrscheinlichkeit eines Wurmbefalls abschätzen. Die ESCCAP bietet dazu einen Online-Test zur Risikoeinschätzung 25. Die erfolgreichen Jäger unter unseren Samtpfoten, die ständig Mäuse und Vögel erlegen und verspeisen, haben logischerweise ein höheres Risiko als reine Wohnungskatzen. Eine Sammelkotprobe über mindestens drei Tage bzw. drei Stuhlgänge kann man selbst ins Labor senden (z. B. Uni Leipzig 26) oder beim Tierarzt abgeben. Die Untersuchungen sind teurer als eine Wurmkur, daher raten viele Tierärzte eher zur Wurmkur, zumal auch bei einer Sammelkotprobe ein Befall unerkannt bleiben kann (es werden nicht ständig Wurmeier usw. ausgeschieden). Auf keinen Fall sollte man aber routinemäßig jeden Monat entwurmen. Gegen routinemäßige Entwurmung ausgewachsener, gesunder Tiere spricht, dass sie durchaus aus eigener Kraft mit einem »normalen« Wurmbefall fertig werden können. In freier Wildbahn lebende Tiere bekommen keine Wurmkuren und sterben trotzdem nicht aus. Vermutlich mindert sogar ein gewisser »Befall« das Auftreten von Allergien und Unverträglichkeiten. Hier gilt es, eine Risikobewertung des eigenen Haushalts hinsichtlich einer Ansteckungsgefahr (Kinder, Senioren, enger Kontakt) durchzuführen.
Ektoparasiten Ektoparasiten verursachen nicht nur bei mir ein gewisses Krabbeln
und Kitzeln, wenn ich über sie schreibe, sie sind teilweise auf uns übertragbar. Und natürlich sind sie für unsere Katzen sehr lästig: Sie können Hauterkrankungen auslösen, Krankheitserreger übertragen, Allergien auslösen (z. B. Flohspeichelallergie), durch starken Befall das betroffene Tier schwächen (blutsaugende Parasiten), bei den Besitzern für Ekel sorgen, so dass das Verhältnis zur Katze gestört wird.
Katzenfloh (Ctenocephalides felis) Der häufigste Floh ist der Katzenfloh, der kaum wirtsspezifisch lebt und daher auch bei anderen Tieren wie Hunden und Kaninchen vorkommen und selbst den Menschen kurzfristig befallen kann. Um einen Befall festzustellen, wird das Fell gescheitelt und mit einem Flohkamm durchkämmt. Fallen hierbei schwarz erscheinende Krümel heraus, werden diese auf einem weißen Blatt Küchenpapier mit Wasser angefeuchtet. Färben sich die Krümel rot, handelt es sich um Flohkot. Wichtig ist: die erwachsenen Flöhe auf der Katze sind das kleinere Problem. Wo erwachsene Flöhe sind, gibt es auch Floheier, -larven und -puppen in der Umgebung. Folgende Symptome gehen einher: Sichtung von Flöhen auf dem Tier, in der Umgebung; Vermehrtes Kratzen und Putzen; bei Flohspeichelallergie: starker Juckreiz, auffälliges Putzen, Hautentzündungen bis hin zu offenen Stellen und Haarlosigkeit.
Schildzecken (Ixodidae) Wenn du eine Zecke auf deiner Katze entdeckst, entferne diese unverzüglich, am besten mit einer speziellen Zeckenzange. Suche deine Katze regelmäßig ab. Zecken können Krankheitserreger übertragen; je eher man die
Zecke entfernt, desto geringer ist das Risiko. Aus dem Mittelmeerraum und Südosteuropa wandert die Hyalomma-Zecke ein. Sie überträgt Erreger, die die als »Mittelmeerkrankheiten« gefürchteten Krankheiten wie z. B. »Babesiose«, »Anaplasmose«, »Ehrlichiose« und viele weitere, verursachen. Katzen sind dafür weniger empfänglich als Hunde, aber es gibt bereits vereinzelt Fälle und die Behandlung dieser Blutparasiten ist sehr schwierig, teuer, langwierig und leider nicht immer erfolgreich – sprich: diese Krankheiten können tödlich verlaufen. Die Inhaltsstoffe von beispielsweise Autan, das wir Menschen gegen Mücken einsetzen, sind für Katzen hochgiftig. Genau wie vermeintlich »natürliche« Alternativen, z. B. Schwarzkümmelöl und Teebaumöl zur Parasitenabwehr niemals in Kontakt mit Katzen kommen sollten: Manche Katze haben die Vergiftung bereits mit ihrem Leben bezahlt! Oft haben Katzen bereits Tipps aus dem Internet, die vermeintlich »natürliche« Alternativen wie beispielsweise Schwarzkümmelöl und Teebaumöl zur Parasitenabwehr anpreisen, mit ihrem Leben bezahlt. Die Behandlung mit Mitteln gegen Zecken, die speziell für Katze angeboten werden, haben den Nachteil, dass die Zecken zwar nach einiger Zeit abfallen, aber sie verhindern nicht die Übertragung von Krankheiten. Es gibt derzeit kein sicheres Mittel, um Zecken von deiner Katze fernzuhalten. Homöopathische Einzelmittel können nach der Lehre Hahnemanns nicht vorbeugend eingesetzt werden 27. Nach dem aktuellen Tierarzneimittelgesetz 28 bräuchtest du ohnehin ein Rezept vom Tierarzt. Homöopathische Einzelmittel werden erst seit der Gesetzesänderung im Januar 2022 vermehrt für Tiere zugelassen. Diese apothekenpflichtigen Mittel mit dem Zusatz »ad us. vet.« (= ad usum veterinarium, zum Gebrauch am Tier) und dem Hinweis »für Katzen« darfst du auch ohne Rezept anwenden, ohne eine Ordnungswidrigkeit zu begehen.
Milben, Haarlinge Ein Klebestreifenabklatsch kann Aufschluss über einen Befall mit Cheyletiellen (Pelzmilben) geben. Haarlinge hingegen kommen bei Katzen extrem selten vor, wenn nur bei verwahrlosten und sehr
schwachen Tieren. Ohrmilben (Otodectes cynotis) hingegen sind besonders bei Freigängern weit verbreitet und verursachen ein schwarz-krümeliges Sekret (sieht aus wie Kaffeesatz). Als Symptom fallen außerdem Kratzen am Ohr, Kopfschütteln und Kratzspuren am äußeren Ohr auf. Meist beschränken die Ohrmilben ihren Lebensraum auf das innere Ohr, aber falls sie an andere Körperstellen auswandern, verursachen sie starken Juckreiz.
Behandlung gegen Ektoparasiten Viele Präparate, die man bei Befall von Ektoparasiten wie Zecken und Flöhen einsetzt, bieten auch einen Schutz vor Milben. Bei starkem Flohbefall muss die Umgebung mit einem Insektizid behandelt werden, das auch die Jugendstadien des Flohs bekämpfen kann. Diese Mittel sind beim Tierarzt erhältlich und bei starkem Flohbefall leider unverzichtbar. Außerdem ist wichtig: das Absaugen von Teppichen, Sofas usw. (täglich den verschlossenen Staubsaugerbeutel entsorgen oder ein Flohhalsband in den Beutel legen, damit die Biesterchen sich darin nicht weiter vermehren); das Waschen von Schlafplatz und Decken. Welches Mittel direkt an oder in der Katze zum Einsatz kommt, solltest du mit dem Tierarzt besprechen. Es gibt Produkte in Form von Tabletten, Spot-Ons, Shampoos und Spritzen. In manchen Regionen existieren bereits Resistenzen gegen bestimmte Insektizide und dein Tierarzt weiß am besten, welches Mittel bei dir vor Ort wirkt. Achtung: Leider sterben immer wieder Katzen, weil sie mit Mitteln »für kleine Hunde« behandelt wurden. Katzen sind sehr empfindlich. Sie verstoffwechseln viele Chemikalien nicht wie andere Tierarten oder Menschen. Giftige Stoffe reichern sich in der Leber an und die Katze stirbt an einer Vergiftung. Bitte lass dich ausschließlich beim Tierarzt beraten.
8.3 Unfallverhütung Nicht nur uns passieren viele Unfälle im Haushalt, das geschieht leider auch Katzen. Gefahrenquellen stellen u. a. heiße Herdplatten, Kamine, Kerzen, Waschmaschinen und Trockner, gekippte Fenster, knallende Türen, Nahrungsmittel, Pflanzen und Glasscherben dar. Insbesondere die Angewohnheit vieler Katzen, Dinge vom Tisch zu werfen, vermutlich, um die Wirkung der Schwerkraft zu bewundern, kann zu einer
Gefahr werden. Verfolgungsjagden enden manchmal mit zerbrochenen Blumentöpfen, umgeworfenen Vasen – und mit Verletzungen durch Glassplitter an den Pfoten. Solche scharfen Teilchen kann deine Katze über das Putzen aufnehmen. Die Folgen können ihr zum Verhängnis werden. Splitter können die Speiseröhre oder Organe des Verdauungstrakts schädigen. Ich habe mir deshalb angewöhnt, Blumenvasen sicher außerhalb der Reichweite der Tiere zu platzieren. Gleichzeitig verhindere ich, dass die Katzen von Blättern fressen: Viele Pflanzen sind giftig für Katzen und eine weitere Gefahrenquelle. Besonders Wohnungskatzen interessieren sich für jegliches Grünzeug, das neu ins Revier kommt. Weihnachtssterne, Lilien und viele andere schöne Gewächse passen nicht in einen sicheren Katzenhaushalt ohne besondere Vorkehrungen (am besten gar nicht). Die beste Datenbank zu giftigen Pflanzen und Chemikalien sowie aktuelle, umfassende Informationen bezüglich fast aller Medikamente findest du kostenlos unter: https://www.vetpharm.uzh.ch/. Bitte lass nie ein Fenster auf Kipp stehen ohne Sicherung. Neugierige Katzen, egal ob jung oder alt, die ihren Erkundergeist entdecken, fühlen sich vom frischen Windhauch oder einem vorbeifliegenden Vogel magisch angezogen. Beim Versuch, durch den Spalt zu klettern, bleiben sie stecken und rutschen immer tiefer hinein. Viele Katzen sterben jedes Jahr diesen unnötigen und qualvollen Tod, nur weil jemand »mal eben lüften« wollte und dann vergaß, das Fenster zu schließen. Es schadet nicht, deine Urlaubsvertretung daran zu erinnern, beispielsweise mit Notizzetteln an gefährlichen Fenstern oder an der Haustür (»alle Fenster zu?«). Heiße Herdplatten solltest du nach dem Kochen mit einem Topf kalten Wassers bedecken, bei Waschmaschinenund Trocknertrommeln hilft nur, diese jedes Mal vor der Inbetriebnahme gründlich zu kontrollieren. Manche Chemikalien, darunter z. B. Frostschutzmittel, duften für
Katzen überaus attraktiv. Leider sterben viele nach der Aufnahme an akutem Nierenversagen. Lass niemals ein Gefäß, das du genutzt hast, um deine Scheibenwaschanlage aufzufüllen, irgendwo erreichbar stehen. Das gleiche gilt für viele Arten von Nahrungsmitteln, die wir in der Küche aufbewahren. Schnittlauch im Topf ist giftig. Daran knabbern Katzen gerne, besonders wenn sie kein Katzengras zur Verfügung haben und keinen Freigang genießen. Knoblauch, Schokolade, Weintrauben und Rosinen sind nur ein kleiner Teil der giftigen Lebensmittel. Auch hier hilft dir die VetpharmDatenbank 29 im Zweifel weiter. Elektrokabel und Steckdosen solltest du besonders bei Kitten im Haushalt sichern mit Kabelschutz und Steckdosenkappen. Tüten aller Art können eine tödliche Gefahr werden, da Katzen erfahrungsgemäß gern ihren Kopf hineinstecken oder hineinkrabbeln. Vom »mit dem Kopf in einer Chipstüte stecken bleiben und blind herumrennen« bis »am Griff der Tüte stranguliert«, gibt es kaum etwas, was es nicht gibt – alles so unnötig und traurig. Lass die Spielangel niemals liegen, auch hier droht Strangulationsgefahr. Schneide bei großen Papiertüten die Griffe durch, so werden sie geeignete Verstecke für deine Stubentiger. Alle kleineren Löcher, z. B. in Zäunen sowie Spalten, wie z. B. nicht korrekt installierte Zierleisten in Einbauküchen, wecken die Neugier von Katzen. Sie stecken ihren Kopf hinein und können sich nicht mehr von alleine befreien. Geschenkpapier mit bunten Schleifen und Bändern halten Katzen oft für Spielzeug und könnten die Bänder verschlucken. Offene Treppen sollten gesichert werden, damit Kitten nicht aus größerer Höhe fallen; sie können sich ernsthaft verletzen. Spitze Gegenstände (im Garten) können zu schwersten Verletzungen führen, wenn z. B. eine Katze über einen Zaun klettern will und sich an einer Zierspitze den Bauch aufschneidet. Ebenso Maschendrahtzäune oder Hühnerdraht, in denen sie hängen bleiben könnten beim Versuch, hinüber oder hindurch zu klettern.
Vorbereitung ist alles! Für einen – hoffentlich niemals eintretenden – Notfall schreibe dir bitte die Nummer deiner Tierarztpraxis und der nächstgelegenen Tierklinik gut sichtbar auf oder programmiere sie in dein Handy ein. Im Notfall mit vor Angst und Stress zitternden Händen noch Google bemühen zu müssen, bedeutet den Verlust wertvoller Minuten. Mach es dir zur Gewohnheit bei Behandlungen: nach den verabreichten Medikamenten zu fragen, notiere Namen und Dosierung; bitte um Kopien von Befunden wie Blutbildern, Röntgenbefun- den und Ultraschallbildern. Du bist mit deinem Tier Privatpatient, dir stehen diese Daten zu, du hast sie bezahlt. Hefte alle Unterlagen, die du zu deiner Katze hast und ansammelst (Kaufvertrag, Abstammungsnachweise, Impfpass, Tasso-Unterlagen, sämtliche Untersuchungsunterlagen, deine gesammelten Daten der Wiegetermine, Medikamentenverordnungen) in einem Ordner ab, den du im Notfall nur noch einpacken musst. Lass immer eine Transportkiste griffbereit stehen. Das hat gleich zwei Vorteile. Deine Katze lernt, die Box als Teil ihres Reviers zu nutzen, viele Katzen schlafen sehr gern darin. Außerdem brauchst du im Ernstfall nicht erst in den Keller oder auf den Dachboden zu krabbeln, wenn es schnell gehen muss.
8.4 Das Erste-Hilfe-Set Diese Dinge solltest du möglichst in griffbereit aufbewahren, z. B. in einem ausgedienten Kfz-Erste-Hilfe-Kasten: 1. Fieberthermometer: schnellmessendes Digitalthermometer mit flexibler Messspitze. Vergiss bitte nicht, hin und wieder die Batterie zu prüfen! Vor jeder Messung musst du das Thermometer sorgfältig reinigen und mit einer geeigneten Flüssigkeit desinfizieren. Fieber beginnt bei einer Katze bei etwa 39 Grad. Warte nicht, bis die Temperatur über die lebensgefährliche Marke von 41 Grad steigt: Bringe deine Katze bei Anzeichen von Fieber schnellstmöglich zum
Tierarzt. Die Messung erfolgt vorsichtig rektal. Dazu schmierst du eine Spur geeigneter Creme oder etwas Vaseline auf die Messspitze des Thermometers, um die empfindlichen Schleimhäute zu schützen und Schmerzen zu vermeiden. Führe die Messspitze vorsichtig ein bis zwei Zentimeter in den Anus ein. Am besten arbeitest du mit einer zweiten Person und wickelst die Katze vorher sanft in ein großes Handtuch. Bei starken Abwehrbewegungen hör bitte sofort auf, um Verletzungen zu vermeiden! Bringe die Katze stattdessen schnellstmöglich zum Tierarzt! Bei nächster Gelegenheit könntest du darum bitten, dir die Vorgehensweise der Messung zu zeigen. 2. Zeckenzange oder Zeckenkarte; ich persönlich finde die Handhabung einer Karte einfacher; teste einfach aus, was dir am besten in der Hand liegt. 3. Flohkamm: Besonders Freigänger sollten regelmäßig durchgekämmt werden. Bei Flohbefall findet man manchmal Flöhe und/ oder Flohkot, der aus kleinen schwarzen Krümeln besteht, die auf einem weißen Stück Küchenpapier mit Wasser beträufelt rötlich erscheinen. Bei Flohbefall wende dich bitte an deine Haustierarztpraxis und farge nach einem geeigneten, (noch) wirkungsvollen Mittel, da es regionale Unterschiede gibt. Verbandsschere gebogen mit abgerundeter Spitze: Dient dem gefahrlosen Entfernen von Verband, z. B. nach einer Blutentnahme oder Operation; auch verfilzte Stellen bei Langhaarkatzen lassen sich vorsichtig entfernen. 4. selbstklebende elastische Binden, 5. sterile Kompressen, Mullbinden, Polster- oder Verbandwatte, Einmalrasierer, um Fell an einer Wunde zu entfernen, wenn diese gereinigt werden muss. 6. Pinzette zum Entfernen von Fremdkörpern. 7. für Katzen geeignetes Desinfektionsmittel (beim Tierarzt erhältlich), 8. Kühlpack und Körnerkissen für Kühlen oder Wärmen, 9. Rotlichtlampe: Lass deine Katze nicht direkt ins Rotlicht schauen; bleib unbedingt immer bei der Katze und kontrolliere regelmäßig, dass es ihr unter der Lampe nicht zu heiß wird. 10. Rettungsdecke
11. Lösung zum Spülen, z. B. Ringerlösung. Man kann den Inhalt bis zu zehn Tage lang verwenden, wenn man zur Entnahme immer eine Spritze mit steriler Kanüle verwendet.
8.5 Die Erste-Hilfe-Apotheke
Ich möchte dir nochmals ans Herz legen, dass du bei sämtlichen Verhaltensänderungen, z. B. bei Apathie, Appetitlosigkeit und Abgeschlagenheit deiner Katze sofort zum Tierarzt gehen solltest! Diese Erste-Hilfe-Apotheke dient nicht der Selbstmedikation, sondern der Unterstützung vor, nach oder während einer tierärztlichen Behandlung. Bitte frage bei Unsicherheit deine behandelnde Tierärztin, ob zusätzliche Präparate geben kannst. Ich stehe in keinerlei Verbindung zu den hier genannten Herstellern oder Produkten, meine Empfehlung bezieht sich ausschließlich auf meine eigenen Erfahrungen als Tierheilpraktikerin und Katzenmama. Die homöopathischen Mittel stehen als Flüssigkeit in Ampullen und/oder als Kügelchen (Globuli) zur Verfügung. Wenn beide Mittel genannt werden, kannst du dir eines der beiden aussuchen, je nachdem, welche Zubereitungsart du deiner Samtpfote besser verabreichen kannst. Homöopathische Mittel in Ampullen zur Injektion werden – wie die Globuli – oral eingegeben: Du entnimmst das Mittel mit einer Spritze und einer Kanüle (in Apotheken oder beim Tierarzt erhältlich). Bevor du deiner Katze das Mittel ins Mäulchen gibst, ist selbstverständlich die Nadel zu entfernen. Lass dir das Verabreichen einmal von der Tierärztin oder Tierheilpraktikerin zeigen, damit deine Katze sich nicht versehentlich verschluckt. ReConvales® Tonicum ist ein appetitanregendes flüssiges Diät-Ergänzungsfuttermittel für Katzen zur
ernährungsphysiologischen Wiederherstellung nach Krankheit und schmeckt den meisten Katzen sehr gut. Ich habe immer sechs 45ml-Fläschchen vorrätig zu Hause. Nach ZahnOperationen erhält die Katze beispielsweise ein halbes Fläschchen, damit der Kreislauf wieder auf Touren kommt. Es eignet sich auch hervorragend, damit deine Katze flüssige Medikamente aufnimmt oder als schmackhaftes »Topping« (auf dem Futter), falls deine Katze krankheitsbedingt (oder weil sie mäkelig ist) zu wenig Futter frisst. Schleckpasten und weiche Knet-Leckerlis: Teste aus, welche Sorten von verschiedenen Anbietern deine Katze bevorzugt. Halte davon immer eine Packung vorrätig. Auch in Kau-Stangen oder weichen Snacks kann man Pulver und Tabletten verstecken, z. B. AddOne® von Porus®, CatYums® von Vitakraft® usw.. Traumeel® ad. us. vet. ist ein homöopathisches Komplexmittel bei Verletzungen, Schmerzen, Prellungen usw. Erhältlich als Tabletten. Engystol® ad. us. vet. und ReVet® RV ٣C sind homöopathische Komplexmittel zugelassen für Katzen bei Infekten, zur Stärkung der Abwehrkräfte, z. B. bei Katzenschnupfen. Engystol® ist erhältlich als Ampullen zum Spritzen, zur oralen Eingabe und als Tabletten; bei ReVet® RV ٣C handelt es sich um Globuli. Oculoheel® ad. us. vet.: homöopathisches Komplexmittel. Augen-tropfen in Einmalpipetten, zur Anwendung bei Bindehautentzündungen und Juckreiz. Unterstützend bei Katzenschnupfen. Wenn Besserung ausbleibt, suche bitte am nächsten Tag den Tierarzt auf. Probleme an den Augen können zu schwerwiegenden Folgen führen. Achtung: wenn deine Katze ihr Auge komplett zukneift, ein Auge ungewöhnlich
tränt oder gar eitriger Ausfluss sichtbar ist, zögere nicht und gehe sofort zum Tierarzt! Mucosa® comp. ad. us. vet.: ein homöopathisches Komplexmittel bei allem, was mit Schleimhaut zu tun hat, also z. B. Infektionen des Mauls, Rachens, Nase, Blase, Darm. Das Mittel gibt es in Ampullen zur Injektion oder oralen Eingabe. ReVet® RV 18: ein homöopathisches Komplexmittel mit dem Anwendungsgebiet »Blase und Niere«. Darreichungsform Globuli. Meloxicam (Metacam®, Melosus®); ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel gegen Fieber, Entzündungen und Schmerzen. Nicht anzuwenden bei bekannten Nierenerkrankungen. Rescue-Tropfen »Original Bachblüten®«, alkoholfrei, bei Aufregung, Stress, vor und nach Tierarztbesuchen, Streit, Lärm, vor Silvester und Umzügen usw. Vgl. Jessica Quimby et al. (2021) 2021 AAHA/AAFP Feline Life Stage Guidelines URL: https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/1098612X21993657 [Stand 30.05.22] URL: https://icatcare.org/advice/how-to-tell-your-cats-age-in-human-years/[Stand 28.05.2022] Madeleine Hubler, Erika Michel und Iris Reichler (2019) Krankheiten der Geschlechtsorgane und Geburtshilfe. In: Krankheiten der Katze. Thieme. S. 791 URL: https://www.youtube.com/watch?v=Xms1WRMGQSM&t=3s [Stand: 28.05.22] Lisa Freeman et al. (2016) Evaluation of Weight Loss Over Time in Cats with Chronic Kidney Disease. In: Journal of Veterinary Internal Medicine. Vol. 30. Issue 5. S. 1661–1666 https://doi.org/10.1111/jvim.14561 [Stand 28.05.22] URL: https://europa.eu/youreurope/citizens/travel/carry/animal-plant/index_de.htm [Stand: 11.06. 2022] URL: https://service.niedersachsen.de/detail?pstId=413801791[Stand: 11.06.2022] URL: https://www.rechtsportal.de/Rechtsprechung/Rechtsprechung/2007/BGH/Definition -von-Gewerbsmaessigkeit
Vgl. Leitlinie zur Impfung von Kleintieren, 5. Aufl., 2022 Vgl. Hans Lutz (2019) Virusinfektionen. In: Krankheiten der Katze. Georg Thieme Verlag. S. 347. Stuttgart. Impfleitlinie für Kleintiere. StIKo Vet am FLI. Stand 01.01.2022
URL: https://stiko-vet.fli.de/de/empfehlungen/ [Stand 28.05.22] URL: https://www.gesetze-im-internet.de/tollwv_1991/BJNR011680991.html URL: https://www.bundestieraerztekammer.de/btk/dtbl/archiv/2022/artikel/DTBl_01_2022 _Tollwutimpfung.pdf Vgl. Hans Lutz, ebd. Vgl. Hans Lutz, ebd. https://www.openagrar.de/servlets/MCRFileNodeServlet/openagrar_derivate_0000 5785/Stellungnahme_Immunsuppression_2017-10-19.pdf Vgl. https://www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/fevaxynpentofel-epar-product-information_de.pdf (Vgl. https://kleintierklinikhannover.de/kompetenzen/kompetenzbereiche/praevention/impfungen/ https://www.openagrar.de/servlets/MCRFileNodeServlet/openagrar_derivate_0000 5785/Stellungnahme_Immunsuppression_2017-10-19.pdf Michael Streicher (2014) Katzen können sicherer leben. Antheon Verlag. URL: https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/wiss-publikationenvolltext/bundesgesundheitsblatt/2004/2004-thiomersal-impfungen.pdf? __blob=publicationFile&v=2 S. 1168 [Stand: 07.06.2022] URL: http://docplayer.org/220999463-Sicherheitsdatenblatt.html [Stand: 07.06.2022] URL: https://www.umweltbundesamt.de/themen/luft/luftschadstoffe-imueberblick/benzol [Stand: 07.06.2022] URL: https://www.umweltbundesamt.de/themen/gesundheit/umwelteinfluesse-aufden-menschen/chemische-stoffe/formaldehyd#was-bedeutet-krebserzeugend [Stand: 07.06.2022] URL: https://www.esccap.de/entwurmungstest/ URL: https://www.vetmed.uni-leipzig.de/institut-fuerparasitologie/institut/dienstleistungen/koproskopischeuntersuchungen Vgl. URL: https://www.tierheilpraktiker.de/magazine/mein-tierheilpraktiker/alleausgaben/4-2014/homoeopathie-die-ledum-luege Vgl. § 50 TAMG URL: https://www.vetpharm.uzh.ch/giftdb/indexbot.htm
9 Häufige Krankheiten, Diagnose, Therapie
D
ieser folgende Grundsatz sollte dir als eine der zentralen Richtlinien gelten, um deine Katze vor vermeidbaren Schmerzen bis hin zu einem jahrelangen, unerkannten Leidensweg zu bewahren:
»Katzen leiden still«.
Dieses Buch kann lediglich einen Überblick über spezifische Erkrankungen geben. Mein Fokus liegt auf den häufigsten Krankheiten der älteren Katze. Der zweite Schwerpunkt liegt auf Zahnerkrankungen. Leider erkennen die meisten Katzenhalter nur selten die gesundheitlichen Veränderungen im Maul ihrer Katze, hauptsächlich weil wenig Aufklärung und Vorsorge stattfindet. Die beschriebenen Therapiemöglichkeiten entsprechen dem aktuellen Stand zur Veröffentlichung des Buches. Sollte bei einer deiner Katzen eine Krankheit erkannt werden, informiere dich tagesaktuell über diagnostische Methoden und Behandlungsmöglichkeiten, die in der Tiermedizin laufend verbessert werden. Regelmäßige, jährliche Kontrolluntersuchungen verhindern unentdecktes Leiden und plötzliche, tragische Überraschungen. Ich rate dir, – abhängig von Rasse und Vorerkrankungen – ab dem 7. Lebensjahr die folgenden Untersuchungen jährlich zusätzlich zur normalen Allgemeinuntersuchung durchführen zu lassen. Versuche, möglichst alles, in einem oder zwei Terminen durchführen zu lassen.
1. Blutuntersuchung: Ein sogenanntes »geriatrisches Blutbild«, um z. B. Nierenprobleme, Schilddrüsenüberfunktion, Diabetes u. a. frühzeitig erkennen und behandeln zu können. Die Katze muss nach Möglichkeit zwölf Stunden nüchtern sein vor der Blutentnahme, da einige Werte sonst keinerlei Aussagekraft besitzen. 2. Blutdruckmessung: Bluthochdruck führt u. a. zu Schäden am Hirn, Herz und den Nieren und an den Augen (z. B. plötzliche Erblindung). 3. Urinuntersuchung: ein nicht-invasiver, günstiger Test, den du jederzeit durchführen lassen kannst: Du fängst den Urin auf (siehe Kap. 5) und bringst die Probe möglichst sofort zum Tierarzt. Anhand des Urins kann der Tierarzt feststellen, wie gut die Nieren den Harn konzentrieren können und ob die Filter-Funktion der Nieren nachlässt. 4. Zahn-Röntgen (intra-orales Dental-Röntgen) in Betracht ziehen, wenn ohnehin eine Zahnreinigung ansteht. Dieser Punkt trifft auf alle Altersgruppen zu, nicht erst ab dem 7. Lebensjahr. 5. Herz- und Abdomen-Ultraschall: frühzeitiges Erkennen von Organveränderungen und Gewebszubildungen zusätzlich zum Abhören und Abtasten.
9.1 Chronische Nierenerkrankung Oft als Niereninsuffizienz oder Nierenversagen bezeichneter Zustand, bei dem die Nierenleistung nicht mehr ausreichend erbracht wird.
Was machen die Nieren? Sie besitzen folgende lebenswichtige Aufgaben im Körper 1: Urinproduktion zur Ausscheidung von harnpflichtigen Abfallstof-
fen des Stoffwechsels, Medikamenten, Giften, Hormonen; Regulierung des Wasserhaushalts; Regulierung der Blutsalze und des Säure-Basen-Haushalts; Blutdruckregulierung; Produktion und Aktivierung von Hormonen (Renin und Eryth-
ropoetin). Gesunde Katzen besitzen wie wir Menschen zwei Nieren. Nieren weisen eine funktionelle Reserve auf, weshalb Menschen eine Niere spenden und trotzdem mit einer verbleibenden weiterleben können. Erst wenn diese Reserve »verbraucht« und das Nierengewebe weitreichend geschädigt ist (>¾ des Gewebes), treten messbare Veränderungen im Blutbild auf. Das erschwert es, diese Erkrankung bereits im Frühstadium zu diagnostizieren. Man unterscheidet die akute Nierenerkrankung (auch »akutes Nierenversagen«) vom chronischen Nierenversagen. Akutes Nierenversagen tritt innerhalb von 24 Stunden auf. Auslöser sind beispielsweise Vergiftungen, ein Unfall oder ein Verschluss der Harnleiter oder -röhre durch Harnsteine, der zu einem Urinrückstau bis zur Niere führt. Je nach der Ursache kann akutes Nierenversagen geheilt werden, wenn die Katze bei Vergiftungserscheinungen (z. B. nach dem Anknabbern von giftigen Pflanzen oder der Aufnahme eines ätherischen Öls auftretende Anzeichen wie Lethargie, Durchfall,
Erbrechen, Krämpfe 2) sofort behandelt wird. Die chronische Nierenerkrankung besteht im Gegensatz dazu seit mindestens zwei Wochen und schreitet fort. Können die Nieren ihre oben genannten Aufgaben nicht mehr im vollen Umfang ausführen, reichern sich die Giftstoffe, die sie eigentlich herausfiltern sollen, im Körper an. Das sind in erster Linie Harnstoff und Kreatinin. Diese fortschreitende Vergiftung führt zu Symptomen wie Übelkeit, Mundgeruch und Schwäche. Wasser kann nicht mehr zurückgehalten werden, dadurch trocknen die Tiere aus, die Blutsalze geraten aus dem Gleichgewicht (Kalium verringert, Phosphat erhöht). Der Verlauf der Erkrankung wird in vier Stadien unterteilt. Die Kategorisierung erfolgt nach der Höhe des Kreatininwerts, einem Vorhandensein und Ausmaß von Protein im Urin (»Proteinurie«) und Vorhandensein und Ausmaß von Bluthochdruck. Aktuelle Informationen dazu findest du in englischer Sprache bei der International Renal Interest Society (IRIS): http://www.iriskidney.com/.
Ursachen Betroffen sind etwa 50 % der Katzen über 12 Jahren 3. Im Einzelfall lässt sich kaum klären, warum eine Katze erkrankt. Die Ursachen nehmen keinen Einfluss auf die Behandlung und bestehen in: Vergiftung (z. B. Lilien, Frostschutzmittel, Rosinen, Medikament) Infektionskrankheiten, Entzündungen, Tumoren, Polyzystische Nierenerkrankung (Erbkrankheit, z. B. Perser), Trauma, z. B. Unfall, Folgen von Bluthochdruck, Schilddrüsenüberfunktion, genetische Disposition (Abessinier, Maine Coon, Perser, Siam) vermutlich auch als Folge von dauerhaftem Stress.
Symptome schleichender Gewichtsverlust, beginnt durchschnittlich drei Jahre bevor die Diagnose gestellt wird 4, gesteigerte Urinproduktion (Polyurie), mehr und größere Klum- pen im Klo als sonst; Katze geht öfters aufs Klo, wird u. U. auch unsauber, Appetitlosigkeit, Lethargie, »steht etwas neben sich«, Erbrechen, Übelkeit (Speicheln, Aufstoßen, Schmatzen, geht zum Napf und wieder weg), Austrocknung, Anämie (blasse Schleimhäute), Mundgeruch (»urämische Halitosis«), Geschwüre im Maul, Verstopfung, sehr harter, sehr trockener Kot.
Diagnose Nach dem Abtasten der Nieren im Rahmen der Allgemeinuntersuchung folgt ein Blutcheck. Besonders wichtig sind hier Harnstoff, Kreatinin und SDMA. Symmetrisches Dimethylarginin (SDMA) wird über die Nieren ausgeschieden. Dieser Wert soll laut Labor einen Nierenschaden bereits ab ca. 25 % zerstörtem Gewebe anzeigen und somit viel früher als Kreatinin und Harnstoff. Er gilt deshalb als Früherkennungsmarker für CNE. Es empfiehlt sich, auch die Bauchspeicheldrüse in diesem Zusammenhang kontrollieren lassen (Spec fPL®), da sehr viele Katzen unerkannt an einer entzündeten Bauchspeicheldrüse leiden. Zur korrekten Diagnostik gehört unbedingt eine Urinanalyse. Dabei geben das Protein-/ Kreatinin-Verhältnis (U-P/C < 0,2 ist normal) des Urins und sein spezifisches Gewicht Aufschluss über die Arbeitsleistung des Nierengewebes. Ein Uringewicht über 1,035 ist normal, da Katzen naturgemäß zum Futter wenig zusätzliches Wasser aufnehmen. Der Wert kann allerdings auch fütterungsbedingt verfälscht zu niedrig sein, bei Gabe von Nassfutter
und Katzendrinks. Wenn die Nieren den Harn nicht mehr konzentrieren können, sinkt die Dichte und nähert sich der von Wasser an (Dichte von 1,000). Scheidet die Katze Protein über den Urin aus (U-P/C > 0,4), muss umgehend behandelt werden, sonst sinkt die Lebenserwartung rapide. Dazu wird üblicherweise der Blutdrucksenker Telmisartan (Semintra®) verschrieben. Bildgebende Verfahren wie Röntgen und Ultraschall sind empfehlenswert, wenn sich durch die Untersuchungen ein Verdacht ergibt oder du mehr Sicherheit möchtest. Bei diagnostizierter CNE sollte unbedingt alle drei Monate der Blutdruck kontrolliert werden. Zwei Drittel der Katzen mit chronischer Nierenerkrankung entwickeln im Verlauf der Erkrankung Bluthochdruck.
Behandlung Es gibt gute Barf-Gruppen bei Facebook und auch CNE-Gruppen, wo erklärt wird, wie man nierenkranke Katzen ernährt, statt ihren Nierendiät-(Trocken[!])-Futter zu geben. Letzteres ist proteinreduziert (weil das Protein die geschädigten Nieren weiter belastet) und besteht zum größten Teil aus Kohlenhydraten. Die bessere Lösung: Man füttert weiter hochwertige Proteine und gibt z. B. Hilfsstoffe wie Porus One®, die harnpflichtige Stoffwechselprodukte binden, so dass sie über den Kot statt über den Urin ausgeschieden werden. Phosphatbinder sollen erst eingesetzt werden, wenn die Phosphatwerte im Blut erhöht sind. Das hilft die Nieren zu entlasten, trotz des hohen Proteingehalts. Außerdem kannst du deine nierenkranke Katze mit Homöopathie unterstützen. Das als »SUC-Therapie« bekannte Heel®Behandlungsschema besteht aus: Solidago compositum ad us. vet. Ubichinon compositum ad us. vet. und Coenzyme compositum ad us. vet. Ergänzt mit: Renes viscum comp. von PlantaVet® und Hepar comp.
von Heel® kannst du diese Mittel erfolgreich einsetzen. Diese Mittel kannst du nacheinander in einer 10-ml-Spritze aufziehen, und die Mischung ohne Kanüle (=Nadel) ins Mäulchen eingegeben. Dabei solltest du die Spritze seitlich ins Mäulchen schieben und langsam den Stempel eindrücken, so dass die Katze in Ruhe abschlucken kann. Übe dieses Verfahren am besten schon jetzt regelmäßig mit Thunfischsaft und Schleckpasten, die du mit Wasser verdünnst, so dass deine Katze eine neue Methode erlernt, Leckereien zu erhalten. Das »SUC-Gemisch« kann auch subkutan gespritzt werden. Die Verabreichung solltest du mit deinem Tierarzt besprechen. Soweit möglich, vermeide ich Injektionen und gehe erst dazu über, wenn es absolut unumgänglich wird, da jede Injektion zu Entzündungen und im schlimmsten Fall zu bösartigen Tumoren führen kann (siehe Kap. 8 unter »Risiken und Nebenwirkungen von Impfungen/ Lokale Reaktionen«). Hier gilt es abzuwägen, ob es sich um eine palliative, das Leiden lindernde Maßnahmen handelt, wie beispielsweise tägliche Infusionen im Endstadium einer CNE, da hier das Risiko einer Tumorerkrankung nicht so schwer wiegt. Es ist leider nicht möglich zu sagen, wie lange eine Katze mit CNE noch überleben kann. Bei einigen Tieren wird die Diagnose sehr spät gestellt, andere Katzen leben noch viele Jahre mit der Erkrankung. Umfangreiche Informationen findest du auf der deutschsprachigen Seite http://www.felinecrf.info/. Diese Seite wird derzeit nicht aktualisiert, die englische Originalseite jedoch regelmäßig: https://www.felinecrf.org/.
9.2 Bluthochdruck Bei Katzen versteht man darunter einen länger andauernden, krankhaften Anstieg des systolischen Blutdrucks auf einen Wert über 160 mmHG, der normale Blutdruck bei Katzen beträgt unter 150 mmHG. Betroffen sind fast immer Katzen im Alter ab 10 Jahren, durchschnittliches Alter bei der Diagnosestellung: 14 Jahre. Den Blutdruck einer ängstlichen, gestressten Katze zu messen, birgt die Schwierigkeit in sich, die Ergebnisse von der
»Weißkittelhypertonie« (situations- und stressbedingter Anstieg des Blutdrucks) zu unterscheiden. Sogar beim Menschen tritt dieses Phänomen auf. Für die Blutdruckmessung bei der Katze gibt es eine Leitlinie 5. Du kannst eine zertifizierte »Cat Friendly Clinic« 6 aufsuchen oder das Tier gegebenenfalls für einen Nachmittag in der Praxis lassen. Deine Katze beruhigt sich im besten Fall, sodass der Blutdruck entweder an einem Bein oder an der Schwanzwurzel gemessen werden kann. Aus mehreren Messungen wird der Mittelwert gebildet. Einige Praxen verleihen das Gerät und erklären die Handhabung, so dass die Katzeneltern zu Hause selbst messen können. Die Messung an der Schwanzwurzel wird im Allgemeinen gut toleriert.
Ursachen Man unterscheidet zwischen der: idiopathischen Hypertonie bei der die Ursache unklar ist, z. B. genetisch, weniger als 20 % der Fälle; sekundären Hypertonie, bei der dauerhaft erhöhter Blutdruck als Nebenwirkung einer Krankheit auftritt, z. B. der chron. Nieren- erkrankung oder der Schilddrüsenüberfunktion, in mehr als 80 % der Fälle.
Symptome Bluthochdruck bemerken die meisten Katzenhalter leider nicht; nur hin und wieder zeigen betroffene Katzen vermehrte Unruhe, gesteigertes Miauen oder nächtliches Vokalisieren. Sehr oft verläuft die Krankheit unerkannt und wird im Allgemeinen bei der normalen tierärztlichen Untersuchung weder thematisiert noch angeboten. Bluthochdruck gilt daher als der »stille Killer«: Deine Katze erscheint völlig normal, du bemerkst die Erkrankung nicht, bis es bereits zu Schäden an den Zielorganen gekommen ist, die sich wie folgt darstellen können: potenziell lebensbedrohlich durch Blutungen insbesondere im Hirn mit Desorientiertheit, Krampfanfällen, Ataxie, Gleichge-
wichtsstörungen; Augen, Netzhautablösung, Blutungen im Auge, Erblindung; Schäden an Herz und Blutgefäßen, Chronische Nierenerkrankung. Spätestens bei Feststellung von Schäden an den Zielorganen oder Diagnose von Schilddrüsenüberfunktion und chronischer Nierenerkrankung muss der Blutdruck gemessen werden, sonst findet keine adäquate Behandlung statt.
Diagnose Die Diagnose wird entweder als Zufallsbefund nach Auftreten an Symptomen der Zielorgane gestellt oder bei einer Vorsorgeuntersuchung mit routinemäßiger Blutdruckmessung! Empfehlungen zur Blutdruck-Kontrolle laut Leitlinie: gesunde erwachsene Katze (3–6 J.) alle 12 Monate* gesunde reife Katze (⩾ 7 J.) min. alle 12 Monate Katzen mit bekannten Vorerkrankungen sofort messen, Kontrolle mindestens (chron. Nierenerkrankung, Schilddrüsenüberfunk- tion u. a.): viertel- bis halbjährlich. * Der Hauptzweck der Überwachung in dieser Altersgruppe besteht darin, individuelle Grundwerte für jeweilige Katze aufzuzeichnen, um eine spätere Änderung besser einschätzen zu können.
Therapie
Je nachdem, ob der Bluthochdruck durch eine andere Krankheit verursacht wurde oder nicht, muss die zugrundliegende Ursache behandelt werden. Ziel der Therapie: Schäden an den Zielorganen zu verhindern und die Lebensqualität der Katze zu steigern. Eine Senkung des Blutdrucks auf unter 160 mmHG soll erreicht werden. Nach Katzenmedizin-Experten gilt derzeit der Wirkstoff Amlodipin (Amodip®) als erstes Mittel der Wahl. Nach Start der Therapie muss der Blutdruck regelmäßig gemessen werden, um die Wirkung des Medikaments zu kontrollieren und wenn nötig die Dosierung anzupassen. Weitere Wirkstoffe sind: Benazepril (Fortekor®, Nelio® Cat) Telmisartan (Semintra®) ist zugelassen, um die Proteinausscheidung bei der CNE zu reduzieren, wirkt aber auch blutdrucksenkend.
9.3 Schilddrüsenüberfunktion (SDÜ) Die Hyperthyreose gilt als häufigste Erkrankung des Hormonsystems bei der Katze.
Aufgaben der Schilddrüse Die Schilddrüse ist eine hormonbildende Drüse, die wichtige Funktionen in sämtlichen Organsystemen im Körper steuert. Sie bildet die Hormone »Thyroxin« (T4, 4 Jod-Atome im Molekül), »Trijodthyronin« (T3, 3 Jod-Atome im Molekül) und »Calcitonin«. Diese Hormone wirken im gesamten Körper und steuern wichtige Stoffwechselfunktionen. Bei einer Überfunktion wird aufgrund einer (in den meisten Fällen gutartigen) Vermehrung des Schilddrüsengewebes zu viel Hormon produziert. Dies führt dazu, dass der ganze Stoffwechsel dauerhaft auf »Übertouren« läuft mit fatalen Folgen für den Körper.
Ursachen Die Ursachen sind leider bisher unbekannt. Vermutet wird u. a. ein Zusammenhang mit Umgebungschemikalien wie z. B. Flammschutzmitteln in Textilien und Beschichtungen von Nassfutterdosen. Man vermutet, dass sie sich in der Schilddrüse ablagern, da sie ähnliche chemische Eigenschaften haben wie Jod. Die gute Nachricht: Gewebsvermehrung zeigt sich nur in zwei Prozent der Fälle bösartig. Betroffen sind ca. 11% der Katzensenioren. Mit durchschnittlich 13 Jahren wird die Diagnose gestellt, oft weil die Katzenhalter aufgrund der aufgetretenen Symptome den Tierarzt aufsuchen.
Symptome Typisch ist die ältere, abgemagerte, nervöse Katze mit zeitweilig auftretendem Erbrechen und Durchfall, die aber ständig frisst (»Polyphagie«). Auch vermehrtes Trinken wird in einem Drittel der Fälle beobachtet (»Polydipsie«). Diese Katzen wirken ständig hungrig und nehmen trotzdem sichtbar ab: Gewichtsverlust,
Polyphagie, Polydipsie, Unruhe, Nervosität, bis hin zur Aggressivität, vermehrtes Vokalisieren (oft auch nachts), nervöser, ängstlicher, »stehen neben sich«, »sind nicht mehr sie selbst«, veränderte Schlafgewohnheiten, gesteigertes Krallenwachstum, Verhornung der Ballen, Hauterkrankungen, Fell verändert (Fell stumpf, Juckreiz, Schup- pen, Ekzeme).
Diagnose Oft zeigen sich weitere Veränderungen im Blutbild, u. a. häufig erhöhte rote und weiße Blutkörperchen und Leberenzyme. Ob die beiden (normalerweise erbsengroßen) Schilddrüsenlappen vergrößert sind, kann der Tierarzt in vielen Fällen am Hals bei überstrecktem Kopf ertasten. In vielen Fällen kann der Tierarzt zusätzlich durch eine Untersuchung des Herzens eine SDÜ feststellen; das Herz schlägt zu schnell oder Herznebengeräusche entstehen. Außerdem kann man eine Ultraschalluntersuchung und eine Szintigraphie der Schilddrüse durchführen lassen.
Therapie Es gibt vier behandeln:
Möglichkeiten,
die
Schilddrüsenüberfunktion
zu
die chirurgische Entfernung der Schilddrüse (nicht umkehrbar), Radiojodtherapie (nicht umkehrbar), Medikamente (umkehrbar), jodreduziertes Spezialfutter (umkehrbar). Grundsätzlich sollte, solange keine bösartige Veränderung des Gewebes besteht, eine umkehrbare Methode gewählt werden, weil anfangs die Nierenfunktion beobachtet werden muss: Die Schilddrüsenüberfunktion maskiert leider in ca. 20–30 % der Fälle 7 Nierenprobleme, die sich erst zeigen, wenn man die Überfunktion herunter regelt.
Für die medikamentöse Therapie stehen zwei Wirkstoffe (Methimazol und dessen Vorstufe Carbimazol) zur Verfügung, die die Bildung von T4 und T3 hemmen. Methimazol steht als Saft, in Tablettenform, als subkutane Injektion oder als Salbe (wird von einigen Apotheken auf Rezept hergestellt) zur Verfügung. Den Erfolg der Behandlung musst du engmaschig mittels Kontrolle von Blutbildern überwachen lassen. Eine zu hohe Dosierung führt die Schilddrüse in eine Unterfunktion und bewirkt eine verkürzte Lebenserwartung. Die Fütterung mit Spezialfutter (Hills® Prescription Diet y/d Thyroid Care) führt zu einer Normalisierung des T4-Werts innerhalb von bis zu zwei Monaten. Leider eignet sich diese Therapieform weniger für Freigänger, da sie häufig unkontrolliert andere Nahrung aufnehmen. Die erkrankte Katze darf ausschließlich dieses Futter zu sich nehmen. Auch im Mehrkatzenhaushalt stellt uns das vor Herausforderungen. Eventuell hilft die Anschaffung von chipgesteuerten Futternäpfen. Der Langzeiteinsatz des Futters ist bisher noch nicht ausgewertet worden. Aufgrund der guten medikamentösen Therapiemöglichkeiten muss die chirurgische Entfernung der Schilddrüse heute nicht mehr routinemäßig erfolgen. Die Zerstörung des Schilddrüsengewebes mittels radioaktiven Jods zeigt in einer einzigen Anwendung in 95 % der Behandlungen bereits Erfolg. Selten muss nachbehandelt werden oder entsteht eine Unterfunktion durch zu viel zerstörtes Gewebe. Leider muss die radioaktiv belastete Katze bis zu zwei Wochen nach der Behandlung in der Isolierkrankenstation verbleiben. In Deutschland findet die Therapie in Gießen und in Norderstedt statt. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die Behandlung in den Niederlanden durchführen zu lassen. Der Vorteil ist klar: die lebenslange tägliche Medikamentengabe, mit dem Risiko von Nebenwirkungen, entfällt. Bei beginnender Schilddrüsenüberfunktion (T4-Wert am oberen Referenzbereich) kannst du eine Behandlung aus der Kräuterheilkunde einsetzen, bevor du auf Medikamente zugreifen
musst (nicht zusätzlich): die Kombination aus Wolfstrapp- und Herzgespanntinktur 8. Da diese Tinkturen für den menschlichen Bedarf zugelassen wurden, ist hier rechtlich gesehen, ein Rezept deines Tierarztes notwendig. Da in diesem Fall keine Alternative zu alkoholhaltigen Mitteln besteht, muss man den Alkohol verdunsten lassen. Gib dazu die angegebene Menge Tropfen auf Leckerlis oder Trockenfutter und lass sie eine halbe Stunde oder noch länger einziehen. Auf diese Weise kannst du Leckerlis für mehrere Gaben vorbereiten und etwas Zeit sparen. Für Katzen zugelassene homöopathische Komplexmittel und Organpräparate kannst du (auch begleitend zur Medikamentengabe) anwenden. Meine Lilly hatte Anfang des Jahres einen grenzwertig erhöhten T4-Wert, der sich nach Gabe von entsprechenden Mitteln normalisiert hat (u. a. Glandula thyreoidea suis-Injeel von Heel®). Kontrollen des T4-Werts im Abstand von drei bis sechs Monaten sind empfehlenswert.
9.4 Osteoarthrose Die Osteoarthrose ist eine degenerative Gelenkserkrankung, die die »echten«, freien Gelenke, z. B. Hüfte, Ellbogen und Knie betrifft. Meistens sind mehrere Gelenke betroffen. Knorpel und Gelenkschmiere sind aufgrund von Verschleiß nicht mehr vorhanden, so dass Knochen auf Knochen reibt, was Schmerzen verursacht.
Ursachen Die Ursachen können z. B. alte Unfalltraumata oder eine RasseDisposition sein. Leider lässt sich diese Abnutzungserscheinung nicht heilen. Die moderne Tiermedizin und die verbesserte Katzenhaltung führen dazu, dass unsere Tiere immer älter werden
und somit nehmen altersbedingte Krankheiten zu.
Diagnose Auch hier handelt es sich um ein in der Katzenmedizin oft vernachlässigtes Problem, das sehr häufig auftritt. Laut Studien scheinen bis zu 90 % der Katzen über 12 Jahre betroffen zu sein: Sie zeigen in Röntgenuntersuchungen Anzeichen von arthrotisch veränderten Gelenken.
Da Katzen Schmerz verstecken, fällt dir die Problematik gar nicht auf. Deine Katze bewegt sich weniger, scheint mehr zu ruhen, springt zögerlich von Tischen oder nutzt jede einzelne Stufe, statt in drei Sätzen die Treppe zu überwinden. Vielleicht beobachtest du auch, dass sie niedrig gelegene Lieblingsplätze sucht. Veränderungen finden graduell und darum kaum wahrnehmbar statt.
Symptome Wenn du mit Katzensenioren (ab 10 Jahren) zusammenlebst, achte auf folgendes: Wie läuft sie/er Treppen herauf/herunter (langsamer, zögernd)? Ist der Gang steifer, weniger flüssig, weniger »katzenartig« elegant und leichtfüßig? Gibt es Änderungen in der Nutzung der Katzenklappe, bei Sprüngen auf die Arbeitsplatte, Couch, Bett, Schreibtisch, Fensterbänke? Ist das Spielverhalten verändert? Zeigt die Katze plötzlich Vokalisieren, Aggression beim Anfassen und Hochheben? Wirkt deine Katze öfters missgelaunt wie »Grumpy cat«? Nutzt sie beliebte, erhöhte Schlafplätze nicht mehr? Tritt plötzlich Unsauberkeit auf (Katzenklappe kann bei Freigängern ein Problem werden, ebenso zu kleine, enge Toiletten)? Ist sie weniger beweglich, fallen dir vermehrt Fellverfilzung an einigen Stellen oder überlange Krallen, oft besonders an den hinteren Pfoten auf?
Therapie Die Behandlung sollte verschiedene Ansätze vereinen. Die Umgestaltung des Lebensraums, um der Katze schmerzhafte Bewegungen zu ersparen, steht an erster Stelle. Biete deiner Katze Aufstiegshilfen an zu ihren gewohnten Lieblingsplätzen. Baue zusätzliche Zwischenstufen bei Wandliegeflächen an, biete Höckerchen an, damit deine Katze nicht hochspringen muss und stelle den Futternapf oder das Leckbrett erhöht auf (z. B. auf eine umgedrehte Brotdose). Prüfe, ob die Katzentoiletten den einfachen Einstieg ermöglichen und ob sie groß genug sind. Hop-In-Toiletten sind nicht seniorengerecht. Biete deiner Katze Wärme- oder Heizdecken an. Hilf ihr bei der
Fellpflege, wenn du siehst, dass sie allein nicht mehr an alle Stelle kommt. Sanftes Bürsten, Abreiben des Afters mit einem feuchten Waschlappen während sie in der Sonne liegt oder mit Rotlicht bestrahlt wird, steigern das Wohlbefinden. Bei Langhaarkatzen kann es helfen, das Fell in der Afterregion zu kürzen. Die Krallen müssen regelmäßig kontrolliert und gegebenenfalls gekürzt werden, damit sie nicht in die Ballen einwachsen. An den Hinterpfoten fällt es älteren Katzen schwerer, sie zu pflegen, da sie diese normalerweise abknabbern. Gleichzeitig sollte durch gezielte Physiotherapie, Bewegung und regelmäßiges Spielen Muskelerhalt betrieben werden. Es ist wichtig, den Teufelskreis des Muskelabbaus zu durchbrechen. Die kranken Gelenke benötigen starke Muskeln zur Unterstützung. Muskelabbau beschleunigt den Krankheitsverlauf. Ein gegebenenfalls vorhandenes Übergewicht muss man reduzieren, um die schmerzenden Gelenke zu entlasten. Empfohlen wird eine Gewichtsreduktion um 1-2 % pro Woche. Bedenke hierbei bitte, dass deine übergewichtige Katze nicht fasten darf, um eine hepatische Lipidose (Leberverfettung) zu verhindern. Gesunde Strategien zur Gewichtsabnahme vermeiden einen Abbau von Muskel- statt Fettmasse: Bewegung, Hochwertiges Nassfutter mit einem Esslöffel Wasser strecken, die Tagesration sollte 80 % der bisher verfütterten Menge betragen und wöchentlich angepasst werden. Tagesration auf viele Gaben verteilen, idealerweise im Leckbrett anbieten, Keine zusätzlichen Leckerlis geben, Wöchentliche Gewichtskontrolle mit Babywaage. Bei Trockenfuttergabe: Menge streng abwiegen (80 % der bisherigen Menge, s. o.) und über den Tag verteilt in Futterbällen und Fummelbrettern anbieten und einzelne Stückchen werfen, so dass die Katze sich bewegen muss.
Ein weiterer Aspekt der Nahrungsergänzungsmitteln:
Behandlung,
ist
die
Gabe
von
Grünlippmuschelextrakt, Glukosamine und Chondroitinsulfat in Form von für Katzen zugelassenen Präparaten (z. B. Cosequin®, Arthrovet® plus, Feline Vet dolofer® plus u. a.), Vitalpilzextrakte (»Mykotherapie«, hier besonders Reishi und Shiitake), Omega-3-Fettsäuren (z. B. Antinol®), CBD-Öl (THC- und terpenfrei, z. B. Tamacan® Isolat, Canna Oil, u. a.). Homöopathische Komplexmittel mit dem Anwendungsbereich Gelenke sind beispielsweise Traumeel® ad. us. vet. und Zeel® ad. us. vet. oder ReVet® RV 25. Bei der Anwendung solltest du dich von der behandelnden Tierärztin oder dem Tierheilpraktiker beraten lassen. Die aus der Humanmedizin stammende Platelet-Rich-Plasma (PRP)- Therapie wird derzeit von einigen Tierärzten erprobt; Berichte scheinen vielversprechend zu sein. Man gewinnt aus dem Blut der Katze Thrombozyten-angereichertes Plasma und injiziert diese Flüssigkeit in die Gelenke, was zu einer Verbesserung der Bewegungsfähigkeit und einer Schmerzreduktion führt. Lasertherapie und Akupunktur können ebenfalls hilfreich sein. Schmerzmittel erzeugen (insbesondere bei längerfristiger Gabe) zumeist Nebenwirkungen und sollten der Katze nur in dringenden Fällen verabreicht werden. Leider kommt irgendwann der Punkt, an dem Nahrungsergänzungsmittel nicht mehr genügen, und diese Medikamente können zumindest die Schmerzen reduzieren und die Lebensqualität der Katzensenioren erhalten. Zur Langzeittherapie wird der Wirkstoff Meloxicam (Markennamen Metacam® und Melosus®) eingesetzt. Empfohlen wird, das Präparat parallel Fütterung zu geben (Magenschutz). Außerdem ist auch hier
wieder anzumerken, dass Nassfuttergabe einer Trockenfuttergabe vorzuziehen ist, um die Nieren zu schützen. Als Vorsichtsmaßnahme wird ausdrückliche empfohlen, auf eine ausreichende 9 Flüssigkeitszufuhr zu achten. In regelmäßigen Kontrolluntersuchungen ist die Nierenfunktion zu überprüfen, um Schädigungen der Nieren zu vermeiden. Meloxicam soll nicht bei bekannten Nierenproblemen verabreicht werden. Zu den Nebenwirkungen zählen Erbrechen, Durchfall, Blut im Kot oder Futterverweigerung. In diesen Fällen ist das Medikament abzusetzen und der Tierarzt zu konsultieren. Robenacoxib (Markenname Onsior®) wurde in der Anwendung bis zu vier Wochen als sicher eingestuft. Solensia® wird einmal im Monat vom Tierarzt gespritzt. Laut der European Medicines Agency treten Hautreaktionen (Juckreiz, Ekzeme) sehr häufig als Nebenwirkungen auf (1 von 10 Katzen) 10.
9.5 Erkrankungen im Maul Katzen leiden häufig an Krankheiten im Maulbereich, die chronische Schmerzen verursachen. In Kapitel 8 wurde erklärt, wie du deiner Katze angewöhnen kannst, sich ins Mäulchen schauen zu lassen. Das solltest du monatlich durchführen, um Veränderungen an Zähnen, Zahnfleisch, Zunge oder Schleimhaut schnellstmöglich zu bemerken. Häufige Krankheiten sind: Zahnfleisch- und Maulschleimhautentzündung (»Gingivostomatitis«, steht oft in Verbindung mit dem Calicivirus, einem Erreger des Katzenschnupfens), Zahnstein, »FORL« (feline odontoklastische resorptive Läsionen), 70 % der über fünfjährigen Katzen sind betroffen, Tumoren: jeder 10. Krebs findet sich bei der Katze im Maulbereich 11. Eine sorgfältige Gesundheitskontrolle schließt eine gründliche, regelmäßige Inspektion der Maulhöhle mit ein. Zahnreinigungen zur
Entfernung des Zahnsteins sind wichtig, um die Allgemeingesundheit der Katze zu bewahren. Es ist belegt, dass chronische Entzündungen im gesamten Körper Schäden anrichten können, z. B. am Herzen und an den Nieren. 12
Symptome Die Symptome einer Erkrankung im Maul sind vielfältig: Mundgeruch, ungewöhnliches Kauen auf einer Seite, Kopfschiefhaltung beim Fressen, Speichelfluss, verklebtes Mäulchen, unsymmetrisches Gesicht, Herausfallenlassen von Futter, Anfauchen von Futternapf und Futterverweigerung, Schlucken von Trockenfutter, ohne zu kauen, Zähneklappern, Mangelhafte Fellpflege (aufgrund der Schmerzen), Gewichtsabnahme. Aufgrund der mit der Krankheit verbundenen chronischen Schmerzen können Verhaltensänderungen wie z. B. Aggressionen oder Unsauberkeit ein Symptom sein, das dich wachsam machen sollte.
Resorptive Läsionen Mit dieser Krankheit sammelte ich leider sehr viele Erfahrungen, da unsere fünf Katzen alle betroffen sind. Alle Tiere waren völlig symptomfrei bis auf Amy, die ein bisschen Mundgeruch hatte. Zellen, die Knochen abbauen, lösen das Zahnhartgewebe auf, bis irgendwann im schlimmsten Fall die Pulpahöhle mit den Nerven offen liegt. Ein extrem schmerzhafter Prozess! Diese Krankheit lässt sich nur durch orale Röntgenaufnahmen unter Vollnarkose diagnostizieren. Bei modernen Röntgengeräten ist die Strahlenbelastung vergleichsweise gering und entspricht etwa einer Flugreise von Frankfurt nach Palma de Mallorca. Die Katze sollte spätestens ab einem mittleren Alter gründlich
durch einen (möglichst spezialisierten) Tierarzt untersucht werden. Manche Hinweise ergeben sich durch gründliche Untersuchung des Zahnfleisches. Die abschließende Diagnose kann ausschließlich mittels Dentalröntgen gestellt werden (siehe Abbildung); Katzenmedizinexperten weisen immer darauf regelmäßig hin! Wie du auf dem Foto sehen kannst, liegt die Veränderung komplett unterhalb des sichtbaren Bereichs.
Abbildung 1 Dentalröntgenaufnahme eines FORL-Zahns
Derzeit werden drei FORL-Typen unterschieden. Bei Typ 1 werden begleitend entzündliche Prozesse beobachtet, bei Typ 2 nicht, Typ 3 ist ein Mischtyp aus 1 und 2 am gleichen Zahn. Leider besteht die einzige Behandlung in der Extraktion der betroffenen Zähne, bei Typ 2 werden ggfs. nur die verbliebenen Kronen gekappt, wenn die Wurzeln bereits aufgelöst sind. Im Internet kannst du in deiner Region nach Tierärzten mit einer Zusatzausbildung in Zahnmedizin suchen 13. Wir gehen bei Zahnschmerzen schließlich auch nicht zum Hausarzt.
9.6 Pankreatitis Die Bauchspeicheldrüse produziert Verdauungsenzyme und u. a. auch das Hormon Insulin, das die Energieaufnahme in die Zellen steuert. Die Entzündung der Bauchspeicheldrüse gilt als sehr häufige Erkrankung der Katze, die jedoch nicht immer mit Symptomen einhergeht. Das führt dazu, dass die Erkrankung oft lange unerkannt bleibt. Eine Entzündung des Pankreas kann akut oder chronisch (mitunter über viele Jahre!) verlaufen. Ein leichter akuter Verlauf kann unerkannt ausheilen. Ein schwerer akuter Verlauf hat eine ungünstige Prognose. Leider sind die Symptome sehr unspezifisch. Wann immer deine Katze müde,
schlapp, appetitlos und schwach erscheint, sollte die Entzündung der Bauchspeicheldrüse mit auf die Liste der möglichen Ursachen genommen werden. Erbrechen und Durchfall können auftreten, häufiger sind im akuten Fall Untertemperatur und Austrocknung zu beobachten. Bitte deine Tierärztin unbedingt, eine mögliche Pankreatitis diagnostisch auszuschließen. Die Ursachen sind ungeklärt. In über 90 % der untersuchten Fälle kann keine eindeutige Ursache nachgewiesen werden. Bei den übrigen 10 % der Fälle waren Infektionen mit Toxoplasma gondii, felinem Herpes- und felinem Coronavirus verantwortlich; außerdem kann eine akute Pankreatitis auch nach einem Unfalltrauma (Verkehrsunfall, Fenstersturz, Tritt) auftreten. 14 Im normalen Blutbild zeigen sich selten Veränderungen. Der Blutwert Spec fPL® (Feline pankreatische Lipaseimmun-reaktivität) gilt als Standardmethode zum Nachweis einer Pankreatitis; außerdem sollte eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt werden, mit der krankhafte Veränderungen des Organs festgestellt werden können.
Therapie In den seltenen Fällen, bei denen der Tierarzt eine Ursache findet, behandelt man gezielt diese Ursache; ansonsten erfolgt die Therapie symptomatisch. Bei schwerem Verlauf stehen Flüssigkeits- und Elektrolytgabe mittels Infusionen, Schmerzmittel und Medikamente gegen Übelkeit an erster Stelle. Nicht nur bei Verdacht auf Pankreatitis gilt:
Wann immer deine Katze das Fressen einstellt, ist Vorsicht angesagt! Katzen dürfen nicht länger als 24 Stunden fasten. Besonders übergewichtige Tiere laufen sonst Gefahr, eine lebensbedrohliche Verfettung der Leber zu entwickeln. Diese »hepatische Lipidose« muss unbedingt verhindert werden, z. B. durch Zwangsernährung mit ReConvales® Tonicum. In Tierkliniken werden akut lebensgefährdete Katzen mittels Sonde ernährt. Eine Antibiotikum-Gabe bei Pankreatitis ist in Fachkreisen umstritten, die Studienlage hat keine positive Wirkung ergeben, im
Gegenteil, die Darmflora sollte nicht gefährdet werden. Bei mildem und chronischem Verlauf sollte das Futter keinen besonders hohen Fettgehalt haben, d. h. die Katze sollte möglichst kein Nierenfutter erhalten. Schmerzmittel sollten gegeben werden, dies erhöht oft die Aufnahme von Futter (Butorphanol oder Tramadol; Fentanylpflaster). Verlaufskontrollen alle zwei bis drei Wochen mittels Messung des Spec fPL® sind angezeigt.
9.7 Herzerkrankungen Die häufigste Herzerkrankung der Katze ist die hypertrophe Kardiomyopathie (HCM), bei der die Verdickung des Herzmuskels die Pumpleistung beeinträchtigt. Schon sehr junge Katzen können erblich bedingt an Erkrankungen des Herzens leiden, die manchmal völlig überraschend zur Aortenthrombose oder zum plötzlichen Herztod führen (s. Erbkrankheiten. Kapt. 8). Taurin-Mangel in der Nahrung führt zur Schädigung des Herzmuskels (dilatative Kardiomyopathie, DCM), die Herzwand erscheint dünner als normal. Es gibt weitere Herzerkrankungen, jedoch ist die HCM mit über 70 % der Fälle am weitesten verbreitet. Da wir meistens keine längeren Spaziergänge mit unseren Katzen durchführen, verlaufen Herzerkrankungen über längere Zeit unbemerkt. Eine Abnahme der Leistungsfähigkeit durch eine Herzerkrankung fällt nicht auf, da sich das erkrankte Tier schont und seine Bewegungen einschränkt. Erst wenn selbst kleinste Belastungen zu folgenden Symptomen führen, bemerkt man den Ernst der Lage: Rückzug, Abgeschlagenheit, erhöhte Atemfrequenz und schlimmstenfalls sogar Atemnot durch
verringerte Sauerstoffaufnahme. Die normale Ruheatemfrequenz der Katze beträgt weniger als 30 Atemzüge in der Minute. Steigt sie über 40 solltest du unverzüglich mit deiner Katze den Tierarzt aufsuchen. 15 Flüssigkeit in der Lunge, im Brustkorb oder Bauch, dadurch Atemnot (wird mit Röntgen des Brustkorbs nachgewiesen). Die »feline Aortenthrombose« ist zugleich Symptom und Folgeerkrankung mit sehr schlechter Prognose. Es handelt sich um die plötzliche Lähmung beider Hinterbeine durch einen Thrombus, der an der Stelle stecken bleibt, an der die Aorta sich in die großen Beckenarterien verzweigt. In den meisten Fällen verläuft dieser Zustand extrem schmerzhaft; die betroffenen Katzen schreien vor
Schmerz. Die Hinterbeinchen und Pfötchen werden infolge der mangelnden Durchblutung kalt und blau. In bis zu 90 % der Fälle war eine Herzerkrankung den Haltern vorher nicht bekannt. Das ist besonders tragisch, denn die Überlebenschancen einer Aortenthrombose liegen leider auch bei Behandlung in einer Tierklinik unter 30 %. Wenn nach 3–6 Tagen stationärer Behandlung mit Schmerzmittel und Blutverdünnern zur Auflösung des Thrombus und Massagen der Beine und Physiotherapie keine Besserung erzielt wird, sollte die Katze euthanasiert werden. 16 Bei Verdacht auf eine Herzerkrankung sollten sowohl Diagnose als auch Therapie und engmaschige Kontrollen von einem erfahrenen tierärztlichen Kardiologen vorgenommen werden, der entsprechend zertifiziert ist (um Überweisung bitten oder eine Suchmaschine bemühen).
9.8 Feline Demenz Weil die Lebenserwartung unserer geliebten Samtpfoten ansteigt, entwickeln einige von ihnen im Alter Symptome, die der AlzheimerKrankheit ähneln. Die Häufigkeit wird derzeit angegeben mit 28n% der Katzen-Senioren zwischen 11–14 Jahren und etwa der Hälfte der sogenannten »Supersenioren« über 15 Jahren 17. Die Ursache wird weiterhin erforscht. Bereits bekannte Ursachen können sein: eine gestörte Durchblutung des Gehirns, freie Radikale, kleine Hirnblutungen, kleine Infarkte (Blutfluss geblockt) führen zu Sauerstoffmangel mit daraus folgendem Gewebeschaden und Funktionsverlust, im Gehirn betroffener Katzen finden sich Gewebeveränderungen, die denen von Alzheimer-Patienten ähneln (Hirnatrophie, Neuro- nenverlust), Ablagerungen bestimmter Proteine (Amyloid beta (Aβ) und Tau-Hyperphosphorylierung) 18. Die häufigsten Symptome sind:
Desorientierung, Veränderte Interaktion zwischen Katze und ihren Menschen und anderen Tieren, Gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus (häufig nachts wach), häusliche Unsauberkeit, veränderte Aktivität, z. B. zielloses Umherwandern, Unruhe, Lethargie, Angstzustände, anhänglicher als vorher, Lernen und Gedächtnis lassen nach, vermehrtes Vokalisieren (besonders nachts), reduziertes Putzverhalten, geändertes Verhalten bei gewissen Reizen (z. B. plötzlich ängst- lich), Umherlaufen, Suchen, Verwirrt erscheinen, veränderter Appetit. Die feline Demenz wird als Ausschlussdiagnose festgestellt, das bedeutet, dass vorher alle anderen in Frage kommenden Krankheiten ausgeschlossen werden: Schilddrüsenüberfunktion Bluthochdruck Lebererkrankungen Harnwegserkrankungen Hirntumor Infektionskrankheiten des Zentralnervensystems (z. B. Toxoplas- mose) Schmerzen (Arthrose, Zahnschmerzen) reduzierte Sinnesleistungen Stress. Es gibt natürlich keine Heilung, aber es besteht die Möglichkeit, das Fortschreiten der Demenz zu verlangsamen, durch: Umgebungsbereicherung: auch bei Katzen gilt: »wer rastet der rostet«, Hirntraining, z. B. Clickern, hier ist es aber
notwendig bereits vor Auftreten der Symptome zu beginnen, alle wichtigen Ressourcen so stimulierend wie möglich darzubie- ten: z. B. Futter über Fummelbretter, sichere Umgebung zu bieten mit Ruheplätzen, die Schutz vor anderen Tieren gewähren, Spielzeug m. Baldrian, Katzenminze u. a. katzensicheren Pflanzen tägliche Routinen beibehalten, Veränderungen können Stress bedeuten. Im Falle eines bereits stark fortgeschrittenen Verlaufs, der sich beispielsweise durch – für dich und andere Haushaltsmitglieder – kräftezehrendes, nächtliches Miauen und Umherirren zeigt, solltest du deiner Katze einen Raum mit allen Ressourcen einrichten, in dem sie nachts und auch wenn sie alleine zu Hause ist, verbleiben kann. Auch wenn dir das vielleicht zunächst schwer fällt und du ein schlechtes Gewissen haben solltest, so ist es doch wichtig, dass du für deine Ruhe sorgst, damit du in der Folge Kraft hast, um dich auch wieder um deine Katze zu kümmern. Niemandem ist geholfen, wenn du keinen Schlaf bekommst und deine Katze gewöhnt sich sehr schnell an das neue Ritual. Selbstverständlich sollte dieser Raum bestmöglich und sicher ausgestattet sein mit vertrauten Gerüchen, einem Nachtlicht, Toiletten/ Inkontinenzunterlagen, Futter, Wasser, Spielzeug usw.. Ein Feliway®- oder Pet Remedy®-Diffusor kann beruhigend wirken. Bei Demenz gibt es einige Nahrungsergänzungsmittel, die du einsetzen kannst, z. B. angstlösende Stoffe wie α-Casozepin (Zylkène®), L-Tryptophan und L-Theanin (z. B. als Anxitane® S Tamacan® Isolat+ CBD-Öl). Desweiteren können hilfreich sein: Antioxidantien: z. B. Vitamin E, Beta-Carotin essenzielle Fettsäuren Omega 3, 6 L-Carnitin mittelkettige Trygyliceride
SAMe (S-Adenosyl-Methionin elementar) Phospatidylserin Aktivait® Cat (Achtung: hier niemals das Hundepräparat anwenden, da dieses für Katzen hochgiftige α-Liponsäure enthält! Die Mykotherapie hält drei Pilze bereit, deren Extrakte unterstützend wirken können (Reishi, Cordyceps und Auricularia). Bei Hunden wurde kürzlich Selegilin (Selgian®, ein MAO-Hemmer, der bei Parkinson eingesetzt wird) erfolgreich bei Demenz verabreicht, bei Katzen steht noch kein Medikament zur Verfügung. Zum Schluss möchte ich dich ermutigen, immer genau hinzusehen denn: ♥ Niemand kennt deine Katze besser als du! ♥ Vorsorge ist besser als Nachsorge! ♥ Schenke deiner Katze Be-Achtung! ♥ Traue deinem Bauchgefühl!
Vgl. Sarah Caney (2013) Meine Katze leidet an chronischer Niereninsuffizienz – was kann ich tun? Vgl. Michael Streicher (2019) Notfälle bei Katzen. Antheon Verlag. 3. Auflg. S. 48 Vgl. Sarah Steinbach et al. (2019) Chronische Nierenerkrankung. In: Krankheiten der Katze. Thieme. S. 764 Vgl. Lisa Freeman et al. (2016) Evaluation of Weight Loss Over Time in Cats with Chronic Kidney Disease. In: JVIM, 2016, 30(5) S. 1661–1666 https://doi.org/10.1111/jvim.14561 Vgl. Samantha Taylor et al. (2017) ISFM Consensus Guidelines on the Diagnosis and Management of Hypertension in Cats. In: Journal of Feline Medicine and Surgery, vol. 19, no. 3, Mar. 2017, S. 288–303, doi: 10.1177/1098612X17693500. Online-Suche Deutschland: https://catfriendlyclinic.org/cat-owners/find-aclinic/search/?lat=51.165691&lng=10.451526&address=Deutschland Vgl. Felicitas Boretti et al. (2019) Krankheiten der endokrinen Organe. S. 912 Vgl. Cäcilia Brendieck-Worm und Matthias Melzig. (2018) Phytotherapie in der
Tiermedizin. Thieme Verlag. S. 481 URL: https://www.vetpharm.uzh.ch/tak/05000000/00058043.01 [Stand 14.06.2022] URL: https://www.ema.europa.eu/documents/overview/solensia-epar-medicineoverview_de.pdf [Stand 03.06.2022] Vgl. Markus Eickhoff (2019) Krankheiten von Mundhöhle, Kiefer und Zähnen. In: Krankheiten der Katze. Thieme. S. 667 Vgl. ebd. S. 662 URL: https://www.tierzahnaerzte.de/ Jörg M. Steiner (2019) Krankheiten des exokrinen Pankreas. In: Krankheiten der Katze. Thieme Verlag S. 737 URL: Mit der kostenlosen Vetmedica-App kannst du u.a. die Atemfrequenz messen und protokollieren. Erhältlich für Apple- und Android-Geräte. Vgl. Paul Cuddon (2006) The weak and ataxic or paralysed cat. In: Jacquie Rand. Problem-based feline medicine. (2006) S. 916-917. Elsevier. Danielle Gunn-Moore et al. (2007) Cognitive dysfunction and the neurobiology of ageing in cats. In: J Small Anim Pract 2007; 48: 546–553. Gary Landsberg et al. (2020) Cognitive dysfunction in cats – a syndrome we used to dismiss as ‘old age’. In: J Feline Med Surg 2010; 12: 837–848.
10.0 Katzen-Massagen – Entspannung pur!
K
örperlicher Kontakt zu unseren Samtpfoten kann die Bindung stärken sowie psychisch und physisch positiv wirken und somit eine wichtige Ergänzung der Verhaltenstherapie darstellen. Regelmäßige, sanfte Massagen können zur Vorbeugung von Muskelverspannungen und zur Verbesserung und Intensivierung eurer Bindung sinnvoll sein. Wenn sich deine Katze eher ängstlich zeigt, solltest du sie behutsam an Berührungen gewöhnen, um Stress zu vermeiden. Nutze zunächst deinen Handrücken für Kontakt oder bei besonders scheuen Katzen einen weichen, langstieligen Pinsel. Mit Massagen erreichst du: 1 einen vermehrten Austausch von Blut- und Lymphflüssigkeit, dadurch wird der Stoffwechsel angeregt; Lösen von verklebten Faszien. Muskeln bewegen sich, ummantelt von dünnen, sehnenähnlichen Häuten, den »Faszien«, nebenein- ander her; dass Reflexzonen mit Bezug zu Muskeln, Gelenken und Organen angeregt werden; eine Regulierung der Muskelspannung. Angespannte Muskel werden entspannt, ein schlaffer Muskel wird angeregt; dass du Gewebeveränderungen schneller bemerkst. Knötchen, Beulen oder haarlose Stellen fallen dir eher auf, wenn du deine Katze regelmäßig gründlich abstreichst und abtastest. Durch Massage kann man eine gute Durchblutung der Muskulatur erreichen und damit Schmerzlinderung, Muskelentspannung und Lockerung der Gelenke. Achtung: Entzündetes Gewebe darf nicht massiert werden. Bei Verletzungen jeglicher Art konsultiere einen Tierarzt. Bitte beobachte deine Katze genau. Falls sie dir anzeigt (zur Seite geklappte Ohren, zuckende Schwanzspitze, weite Pupillen, Unruhe),
dass sie die Berührungen nicht genießt, stelle sie sofort ein und ziehe dich zurück. Du merkst natürlich sofort, dass du auf einem guten Weg bist, wenn deine Katze sich genüsslich streckt, schnurrt, die Augen schließt und dir die Gliedmaßen entgegenstreckt. Huggy liebt es z. B., seine Pfoten und die dazwischenliegenden Hautfalten ausgiebig massiert zu bekommen. Bleibe auf jeden Fall wachsam und beobachte deine Katze genau. Massiere nur neben den Knochen und drücke niemals direkt auf Knochen und auf der empfindlichen Wirbelsäule. Verlasse dich auf deine Intuition – oder versuche die folgenden drei Grundtechniken anzuwenden.
Streichungen Streichungen dienen der Kontaktaufnahme und dem Abtasten. Du beginnst an der Stirn und den Wangen und streichst langsam von vorne nach hinten den gesamten Körper deiner Katze ab, einschließlich der Beine und des Schwanzes. Wenn deine Katze das mag, kannst du auch die Pfoten sanft mit einbeziehen. Das kannst du dreimal wiederholen.
Knetungen Hier hebst du vorsichtig die Haut mit dem darunter liegenden Muskelgewebe etwas an und knetest sie sanft durch zwischen den Spitzen von Daumen und Zeige- u. Mittelfingern. So kannst du dich langsam auf jeder Seite der Wirbelsäule vom Nacken bis zum Schwanz bewegen und auch den oberen Teil der Hinterbeine mit einbeziehen.
Friktion Übe mit beiden Daumen oder den Spitzen von Zeige-, Mittel- und Ringfinger ganz wenig Druck aus und reibe mit ihnen kleine Kreise auf das Fell. Bewege die Kreise langsam weiter, immer mit der Fellwuchsrichtung. An den Pfoten (nur wenn deine Katze das gern mag), kannst du auch die Haut zwischen den Zehen vorsichtig zwischen Daumen und Zeigefinger massieren und ausstreichen. Manche Katzen genießen das sehr und spreizen ihre Zehen weit, damit man überall gut rankommt!
Tellington TTouch®-Methode Linda Tellington-Jones entwickelte die Tellington TTouch®-Methode zunächst bei ihrer Arbeit mit Pferden. Sie entdeckte bei ihrer Recherche nach Methoden, Pferde angstfrei bei Schmerzen, Verspannungen und gesundheitlichen Problemen zu behandeln, die Arbeit von Moshé Feldenkrais. Feldenkrais‘ Ansatz beruht darauf, dass Menschen gewisse Bewegungen neu erlernen und durch ungewohnte Berührungen alte Bewegungs- und Verhaltensmuster auflösen können, ohne viele Wiederholungen zu benötigen. Statt reine Muskulatur-Entspannung, lernte sie, das Nervensystem in ihre Arbeit mit einzubeziehen. Schon 1983 entwickelte sie die ersten kreisförmigen Bewegungen, nach und nach entstanden genau definierte kreisförmige, streichende oder hebende TTouches®. Diese Körpertherapiemethode ist geschützt und darf nur von zertifizierten Lehrern unterrichtet werden.
Basis-TTouch® Der Basis-TTouch® ist eine eineinviertel Kreisbewegung, bei der die Haut im Uhrzeigersinn sanft verschoben wird. Du stellst dir am besten eine Uhr vor und beginnst bei 6 Uhr, schiebst langsam und mit fast keinem Druck die Haut, dem Ziffernblatt folgend im Kreis, eine Stunde plus 15 Minuten vor, bis du bei 9 Uhr landest. Übe auf deiner Handoberfläche, deinem Unterarm oder deiner Wange. Die Dauer für einen TTouch® hängt davon ab, was du erzielen möchtest. Beruhigend ist eine langsame Bewegung, also z. B. zwei Sekunden oder noch länger. Dann machst du eine kleine Pause, streichst mit dem Fellverlauf weiter und beginnst einen neuen TTouch®. Ein Ablauf von 2 Sekunden TTouch®, 2 Sekunden Pause, 2 Sekunden Streichen gilt als ideal. Du solltest während dieser Berührungen selbst entspannt atmen und insgesamt eine entspannte Körperhaltung einnehmen. Eine ruhige, tiefe Bauchatmung überträgt sich auch auf deine Katze und hilft ihr, sich zu entspannen. Führe die TTouches® anfangs nicht zu lange aus, sondern höre auf, solange deine Katze sich entspannt zeigt. Birgit Danitz (2012) Massage am Pferd. Seminarunterlagen.
Nachwort In den letzten Jahren durfte ich so viel über Katzen und vieles andere lernen – zum Beispiel, was alles dazugehört, ein Buch selbst zu schreiben, zu setzen und zu veröffentlichen – und das Beste ist: man hört niemals, Neues zu lernen, wenn man offen dafür ist! Auf meiner Reise durch die Welt der Katzenpsychologie und Katzenmedizin habe ich großartige Menschen online und auch offline kennengelernt und zwar auf der ganzen Welt, da ich meine Ausbildung in »Katzenverhalten« an einer englischen Schule absolvierte und infolgedessen einem internationalen Berufsverband beitrat. Das Lernen geht immer weiter und einem Höhepunkt sehe ich besonders gespannt und voller Vorfreude entgegen, während ich
diese Zeilen schreibe: Dem »ISFM Congress 2022« auf Rhodos. Dieses Jahr beschäftigen sich die Experten der Katzenmedizin damit, wie man die Gesundheit mit dem geistigen Wohlbefinden von Katzen vereint, also genau mein Thema, weshalb viele Katzenverhaltensforscher, deren Veröffentlichungen ich in den letzten Jahren studierte, persönlich anwesend sein werden. Das ist so unfassbar aufregend und ich bin sehr dankbar, dass ich diese Gelegenheit wahrnehmen kann. An dieser Stelle möchte ich die Menschen erwähnen, die mich ermutigten und es mir auch ermöglichten, dieses Buch zu schreiben. Zunächst ist da mein Motivations- und Sport-Coach Birgit Rathay, die mich in ihre Online-Sportgruppe 44+ gesund.sportlich.entspannt aufgenommen hat, obwohl ich erst 42 Jahre alt war. 😄 Sie half mir so zuerst, meine »Gemütlichkeitspfunde« loszuwerden und motivierte mich anschließend durch ihre taufrische Autorinnenerfahrung dazu, ebenfalls mein Wissen niederzuschreiben. An den entscheidenden Stellen war mir Yvonne Kraus von Mynextself als Buchcoach eine unerlässliche Richtungsgeberin. Die Illustrationen der Katzen stammen von meinem Kollegen Philipp. Meine Ungeduld hat ihn stellenweise etwas an seine Grenzen der Geduld gebracht 😅. Sie sind so schön geworden, vielen Dank! Der allergrößte Dank geht an Ilka: Du hast meine Gedanken sortiert. Wer mich kennt, weiß: Das ist knochenharte Arbeit! 😅 Nun werde ich diese erste Ausgabe loslassen, um daran weiterzuarbeiten und sie zu ergänzen und aktuell zu halten. Wenn du, liebe Leserin und lieber Leser, mit mir in Kontakt treten möchtest, gibt es verschiedene Möglichkeiten:
Facebook-Gruppe: https://www.facebook.com/groups/katzenbuch/
Instagram: https://www.instagram.com/katzenverhalten_xeniadirksen/
Newsletter: https://landing.mailerlite.com/webforms/landing/k7n0k6 Monatlich wechselnde Themen, intensive Betreuung und regelmäßigen Live-Austausch erlebst du im »Katzen-Club«. Weitere Informationen dazu findest du im Link und wenn dich der Club interessiert, kannst du mit dem Gutschein-Code DANKE vier Wochen gratis dabei sein: https://kurse.gluecklichekatzen.de/plans/glueckliche-katzen-club. Oder schreibe mir einfach eine E-Mail an [email protected]
Dir und deinen Katzen wünsche ich von Herzen Gesundheit und ein achtsames Miteinander! Xenia Dirksen, Wiesmoor, im Juni 2022.
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