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German Pages 17 [18] Year 2017
Impulse für die Praxis
Schöpfung in Kinderbüchern Wie erkläre ich Kindern die Schöpfung? Zum religionspädagogischen Umgang mit dem vermeintlichen Konflikt zwischen Naturwissenschaft und Theologie in Kinderbüchern Eva Jenny Korneck Einleitung „Religion in Bestsellern“ – das Thema „Schöpfung in Kinderbüchern“ erschließt sich nicht auf den ersten Blick, wenn es sich um den obigen Titel handelt. Aber hinsichtlich der Fragestellung, die dahintersteht und die Menschheit seit Urzeiten veranlasst, in immer neuen Bildern ihre Vorstellungen vom Woher und Wohin der Welt auszudrücken, dürfte man sich da vielleicht täuschen: Zu den unterschiedlichsten Zeiten und innerhalb fast aller Kulturen haben sich die Menschen Gedanken zum Anfang der Welt gemacht. Es existieren Schöpfungserzählungen aus den verschiedensten Religionen und Zeitaltern. Aus der Bandbreite der existentiellen Fragen, die mit der Schöpfung verbunden sind, wird deutlich, dass es sich hier um ein Menschheitsthema handelt – und damit um einen literarischen „Dauerbrenner“. Zum andern ist das Thema Schöpfung in der Schule ein „Bestseller“. Als fester Bestandteil des Bildungsplans Religion ist die Auseinandersetzung mit der Herkunft unserer Welt ein wiederkehrendes Element im Laufe der Schullaufbahn. Innerhalb verschiedener Jahrgangsstufen werden die Schülerinnen und Schüler damit auf immer differenziertere Weise konfrontiert. Zum letzten hat uns die religionspädagogische Forschung der letzten Jahre und Jahrzehnte sensibilisiert für ein Interesse schon von Kindern im Grundschulalter an den „großen Fragen“ der Menschheit. Die Frage „Woher komme ich?“ kann zurecht als eine dieser großen Fragen gesehen werden. Die thematische Auseinandersetzung auf kindlicher Ebene hat bereits
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DOI 10.2364/3846999912
eine Fülle von Literatur hervorgebracht. Es handelt sich häufig um einen eher allgemeinen Zugang zur Thematik, der nicht explizit die Schöpfungsberichte der Bibel in den Mittelpunkt stellt, sich aber durchaus mit deren Anliegen überschneidet. 1.
Thematische Aspekte
Thematisch geht es dabei um Sicherheit und Vergewisserung der eigenen Identität. Es geht um die Würde des Einzelnen durch den Zuspruch Gottes und den Respekt vor dem anderen. Besonders im zweiten Schöpfungsbericht kommt dabei die Beziehungshaftigkeit des Menschen, das Verhältnis zwischen Mann und Frau zur Sprache – sowie die Erkenntnis, dass wir oft weit von dem entfernt sind, was dabei an Gutem möglich ist. Wenn wir Schöpfung als etwas Wertvolles begreifen lernen – wie es gerade der erste Schöpfungsbericht zu Bewusstsein bringen möchte –, geht es nicht nur um Sinn und Orientierung für die Gestaltung des eigenen Lebens, sondern auch um Verantwortung für unsere Lebensumgebung. In diesem Zusammenhang geht es auch um die Bewahrung der Schöpfung vor Zerstörung. Es gehört also wesenhaft zur Beschäftigung mit Schöpfung, dass auch die Angst vor dem Ende der Welt durch das, was sie bedroht, zur Sprache kommen darf. Dazu gehören u.U. Szenarien aus Sciencefiction-Filmen, wie sie die Produzenten aus Hollywood Tausenden gerade von jungen Menschen in die Köpfe setzen, genauso wie realistische Bedrohungen der Umwelt durch Umweltverschmutzung, verbrauchte Ressourcen und Klimawandel. 2.
Probleme
Spätestens wenn dann im Biologieunterricht die Beschäftigung mit der Evolution beginnt, rückt der Fokus ausdrücklich auf Gen 1–2. Die Frage nach der Kompatibilität beider Schöpfungsmodelle stellt sich für viele Schülerinnen und Schüler. Nicht selten erscheint ihnen das naturwissenschaftliche Reden von der Weltentstehung in unserer von rationalem Denken und analytischer, empirischer Forschung geprägten Welt als das angemessenere. Biblische Erzählung und naturwissenschaftliches Modell geraten dann in ein Konkurrenzverhältnis, in dem sich beide Perspektiven aus Schülersicht gegenseitig ausschließen, und aus welchem mit einer gewissen Regelmäßigkeit die biblische Sicht als Verlierer hervorgeht. Karl Ernst Nipkow hat schon in
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den achtziger Jahren Studien vorgelegt, aus denen ersichtlich wird, dass sich hier eine sogenannte „Einbruchstelle“ des jugendlichen Glaubens befindet.1 Es gelingt den Jugendlichen nicht, die Spannung beider Redeweisen so aufzulösen, dass sie jeweils ihre eigene sinnvolle Berechtigung erhalten. Dass es ihnen nicht gelingt, ist aber auch ein Zeichen dafür, dass sie von religionspädagogischer Seite dazu nicht genügend Hilfestellung bekommen, was wiederum Anlass dazu geben könnte, Reflexion und Sicherheit bei den Lehrkräften zu unterstützen. Nun beginnt die Auseinandersetzung mit diesem Problem erfahrungsgemäß nicht erst im Jugendalter mit der schulischen Erörterung der Evolution, sondern schon viel früher. Schülerinnen und Schüler sind permanent mit einer latenten gesellschaftlichen Abwertung der biblischen Erzählung konfrontiert, die auf einer missverstandenen Interpretation von Gen 1–3 als historischem Tatsachenbericht beruht und deutlich macht, dass sich die von Nipkow diagnostizierte Spannung unaufgelöst unter unseren Zeitgenossen fortsetzt. Schon in der ersten Klasse müssen sich daher der Lehrer und die Lehrerin auf Fragen nach der Gültigkeit beider Redeweisen gefasst machen. Eine Antwort wird dadurch nicht leichter – im Gegenteil. Je jünger die Fragensteller, desto mehr muss die Antwort elementarisiert sein. Es gilt also, die Frage nach Naturwissenschaft und Schöpfung erst einmal selbst theologisch zu durchdringen. Nach einer kurzen exegetischen Betrachtung der biblischen Grundlage von Gen 1–2 soll auf Möglichkeiten einer der heutigen Zeit angemessenen Rede von Gott eingegangen werden, die das naturwissenschaftliche Weltbild nicht ausklammert. Danach soll reflektiert werden, inwiefern dieses Reden zu den Voraussetzungen kindlichen Denkens und Vorstellens passt. Ziel dieses Artikels ist es aber vor allem, Möglichkeiten zu suchen, auch schon mit Kindern im Grundschulalter über die Schöpfungsberichte der Bibel einen fruchtbaren Dialog zu beginnen. Daher werden im zweiten Teil Kinderbücher zu den biblischen Schöpfungsberichten vorgestellt und auf dieser Grundlage bewertet. 3.
Theologische Vergewisserungen
Das Buch Genesis liefert uns zwei Schöpfungsberichte. Zusammen sind sie Teil der biblischen Urgeschichte (Gen 1–11). Die urgeschichtlichen Texte 1
Vgl. Karl-Ernst Nipkow, Erwachsenwerden ohne Gott? Gotteserfahrung im Lebenslauf, München 1987, 49.60–65; ausführlich dazu Martin Rothgangel, Naturwissenschaft und Theologie. Wissenschaftstheoretische Gesichtspunkte im Horizont religionspädagogischer Überlegungen, Göttingen 1999, 66–73.
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werden gattungsmäßig als Ätiologien bezeichnet, d.h. sie wollen Erklärungen für vorgefundene Lebenswirklichkeiten geben, die sinnstiftend wirken. In dieser Hinsicht beschäftigen sie sich mit „Chancen und Gefährdungen des Lebens aus theologischer Perspektive. Dabei spielt die Grenze eine zentrale Rolle: Die Grenze zwischen Chaos und Kosmos, zwischen Lebensdienlichem und Lebensbedrohendem, zwischen Gott und Mensch (Geschöpf)“.2 Vergleicht man die Schöpfungsberichte miteinander, fallen einige Unterschiede auf. Sie sind damit zu erklären, dass es sich hier laut der eingängigen Forschungsmeinung3 um zu zwei verschiedenen Traditionen gehörige Texte handelt. Sie haben unterschiedliche Verfasser und Interessen. Gen 1–2,4a wird zur „Priesterschrift“ (P) gerechnet. Man datiert sie nachexilisch in die babylonische Diaspora um 520 v. Christus. Die Erfahrung des Exils theologisch verarbeitend ist sie an Erhalt und Einrichtung von Kult und Riten interessiert und verbindet Geschichtserzählung mit Gesetz. Das spiegelt sich zum Beispiel in der nüchternen, präzisen Sprache, dem Gebrauch von Genealogien oder formelhaften Wendungen. Im Zentrum steht das Anliegen, durch Regeln und feste Ordnung einen Rahmen abzustecken, in dem die eigene Identität sichtbar wird, aber auch grundlegend menschliches Leben erst möglich wird und sich entfalten kann. Dieser Rahmen hat eine räumliche (Begrenzung des Wassers durch das Firmament) sowie eine zeitliche Dimension (Einteilung in die Zeitabschnitte Tag, Woche, Begründung des Sabbats, etc).4 Die priesterlichen Kreise nehmen dabei Bezug auf bekannte zeitgenössische Weltentstehungsmodelle, namentlich die babylonische Mythologie, in der vor allem das Wasser als lebensbedrohliches Element Göttlichkeit besitzt. Die meisten Ausleger gehen davon aus, dass sich P mit der Betonung der Einzigartigkeit Jahwes von den babylonischen Göttern im Sinne einer Übersteigung abgrenzen will5, andere halten es für möglich, dass durch den universalen Anspruch die Betonung von Gemeinsamkeiten aller Menschen miteinander im Vordergrund steht.6 Im abschließenden Herrschaftsauftrag wird deutlich, dass die Schöpfung als von Gott geschenkter 2
Friedrich Johannsen, Alttestamentliches Arbeitsbuch für Religionspädagogen, Stuttgart 2005, 62. Vgl. grundlegend Gerhard von Rad, Das erste Buch Mose. Genesis, ATD 2–4, Göttingen 1972 (9); Claus Westermann, Genesis 1–11, BK AT I/1, Neukirchen-Vluyn 1999 (4); ders., Welt und Mensch im Urgeschehen. Genesis (1. Mose) 1–11, Stuttgart 1999; Horst Seebaß, Genesis 1. Urgeschichte (1,1–11,26), Neukirchen-Vluyn 1996. Vgl. Johannsen, Arbeitsbuch (Anm. 2), 65ff. Vgl. von Rad, Das erste Buch Mose , 42.50ff. Vgl. Westermann, Genesis 1–11, (Anm. 3), 90f. 3
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Lebensraum nicht selbstverständlich, sondern bleibend bedroht ist und daher der menschlichen Sorge und Pflege anheimgestellt wird. Der zweite Schöpfungsbericht ab Gen 2,4b ist deutlich älter. Vermutlich ist er in der späteren Königszeit (700–600 v. Chr) als Teil des Jerusalemer Geschichtswerks (JG) aus noch älteren Erzählkränzen entstanden und dann in der Zeit des Exils und danach abschließend im Exilischen Geschichtswerk (EG) bearbeitet worden.7 Inhaltlich unterscheidet er sich in vielem von der priesterlichen Darstellung, beispielweise ist die Reihenfolge der Schöpfungswerke eine andere, und das Wasser erscheint hier nicht als lebensbedrohliches Element wie bei P, sondern ist Grundlage allen Lebens (Gen 2,6). Darin spiegeln sich die alten Erfahrungen der judäischen Landbevölkerung aus der vorexilischen Königszeit. Für diese Bauern war der Alltag geprägt durch die anstrengende Feldarbeit und die Abhängigkeit vom unsicheren Ertrag ihrer Ernte. Die Frage nach der Herkunft ihrer alles andere als paradiesischen Lebenswelt beschäftigte sie nicht „naturwissenschaftlich“, sondern im Sinne einer Erklärung für ihre ambivalenten Gegenwartserfahrungen.8 So klingt in der sehnsuchtsvollen Erinnerung an den Idealzustand auch die Hoffnung auf die Möglichkeiten menschlicher Lebensqualität in der eigenen Gegenwart an. Die nichtpriesterlichen Teile der Urgeschichte wollen erzählen, wie unter Gottes bleibender Zuwendung der Umgang mit den Unzulänglichkeiten menschlicher Existenz möglich wird (z.B. Gen 3,21). Die späteren Redaktionen, die beide Schöpfungstexte nach 450 v. Chr. im Großen Exilischen Geschichtswerk miteinander verknüpften und um 400 v. Chr. in die Gesamtkomposition des Pentateuchs einarbeiteten, haben die unterschiedlichen Anliegen und „widersprüchlichen“ Einzelheiten ihrer ursprünglichen Schichten erhalten. Durch das bleibende Nebeneinander schließen die Redaktoren eine historische Deutung aus. Offensichtlich war ihr Anliegen nicht – wie es das unsrige oft zu sein scheint – eine einheitliche und göttlich legitimierte Gesamtversion der Schöpfung hervorzubringen. Ein Problem mit der Unstimmigkeit einzelner Aussagen zwischen den Berichten bekommt man erst dann, wenn man die Texte gegen ihre ursprüngliche Aussageabsicht auf die Thematik der naturwissenschaftlichen Weltentstehung hin befragt. Missversteht man sie als den Versuch einer historisierenden Deutung des Anfangs, wird es unmöglich, an das moderne 7 8
Vgl. Erich Zenger u.a., Einleitung in das Alte Testament (hg. von Christian Frevel), Stuttgart 2016 (9). Vgl. Johannsen, Arbeitsbuch (Anm. 2), 63.
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naturwissenschaftliche Weltbild unserer Zeit anzuknüpfen. In dem unzureichenden Verständnis der Ursprungsintention der Schöpfungsberichte liegt daher der Grund für fundamentalistische und kreationistische Fehldeutungen bzw. die Abwendung von der als veraltet empfundenen Bibel überhaupt. 4.
Das Verhältnis zwischen Naturwissenschaft und Theologie in Bezug auf die Schöpfung
Es gibt nun mehrere Möglichkeiten, das Verhältnis zwischen biblischem Schöpfungsglauben und dem unsere Gesellschaft maßgeblich prägenden naturwissenschaftlichen Weltentstehungsmodell zu gestalten – das nicht von Gott und den sieben Tagen, sondern vom Urknall und der Evolution redet.9 Dem Unabhängigkeitsmodell zufolge sind Naturwissenschaft und Theologie so erschieden in ihren Aussageabsichten, dass sie unverbunden nebeneinander stehen, ohne sich gegenseitig auszuschließen, aber auch ohne in Einklang gebracht werden zu können. Karl Barth wählt das Bild von der NichtVergleichbarkeit einer Orgel mit einem Staubsauger10, wobei er der Theologie die Rede vom Werden aller Dinge, der Naturwissenschaft die Beschäftigung mit dem Gewordensein der Dinge zuweist. Im Konfliktmodell kann nur eines der beiden Modelle gelten bleiben. Entweder degradiert das naturwissenschaftliche Modell das biblische als überholt, veraltet, und naiv – oder der Konflikt geht von Seiten des (dann meist fundamentalistischen) Glaubens aus. So wird zum Beispiel die Evolutionstheorie vom Kreationismus in einigen nordamerikanischen Bundesstaaten aus den Lehrplänen verbannt. Das Dialog- bzw. Integrationsmodell postuliert teilweise Übereinstimmungen von biblischer und naturwissenschaftlicher Sichtweise. So sieht Westermann in der Entgöttlichung der Gestirne in Gen 1 „eine Bewegung hin zu naturwissenschaftlichem Denken“.11 Das Problem hierbei besteht in der Annahme gemeinsamer Frageinteressen beider Pole, die sich schon aufgrund ihrer unterschiedlichen Gattung nicht vollständig überschneiden können. Die jeweiligen Schwächen der einzelnen Modelle werden ausgeglichen durch die Sichtweise des komplementären Denkens. Hier begegnen sich beide 9
Vgl. Rothgangel, Naturwissenschaft (Anm. 1), 130, sowie Michael Fricke, Schwierige Bibeltexte im Religionsunterricht – Theoretische und empirische Elemente einer alttestamentlichen Bibeldidaktik für die Primarstufe, Arbeiten zur Religionspädagogik 26, Göttingen 2005, 353ff. 10 Vgl. Karl Barth, Briefe. Gesamtausgabe V, Zürich1975, 292; Rothgangel, Naturwissenschaft (Anm. 1), 277. 11 Westermann, Genesis 1–11 (Anm.3), 243.
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Bedeutungsebenen auf eine Weise, die sie beide in einen sinnvollen Zusammenhang bringt, ohne sie ineinander aufzulösen bzw. eine Redeweise gegen die andere zu ersetzen. Der Begriff hat seit den 1970er Jahren Aufnahme in die Lehrpläne und Schulbücher gefunden und wird aktuell von vielen Religionspädagogen mit guten Gründen als zentrale Kompetenz für Kinder und Jugendliche gefordert.12 5.
Schöpfungsglaube und Naturwissenschaft bei Kindern und Jugendlichen
Darüber hinaus wird die Forderung nach komplementärem Denken aber auch schon dann sinnvoll, wenn man die Entwicklung des kindlichen Weltund Gottesbildes aus religionspädagogischer (und seelsorgerlicher) Sicht betrachtet. Schon Piaget nahm für die Entwicklung des Weltbilds bei Kindern eine Phase des „Artifizialismus“ an.13 Hier wird Gott als der Erschaffer der Welt im Sinne eines handwerklichen Schaffens oder „Machens“ aufgefasst. In einer vielbeachteten Untersuchung haben Reto Fetz, Helmut Reich und Peter Valentin14 auf der Grundlage Piagets das Schöpfungsverständnis von Kindern im Grundschulalter in drei Stufen ausdifferenziert: Im Entstehungsstadium der Vorstellung einer Schöpfung wird Gott als „Baumeister“ alles zugeschrieben – auch die Erschaffung menschlicher Artefakte. Zunehmende Differenzierung zeigt sich schon in der Annahme, Gott habe „nur“ das geschaffen, dessen Herstellung die Kinder dem Menschen nicht zutrauen (Hochhäuser, Nahrungsmittel, Möbel, Autos etc.).15 Das eigentliche Hauptstadium ist das des unreflektierten Schöpfungsverständnisses: 12 Vgl. Christian Höger, Schöpfungstheologie der Jugendlichen und deren Konsequenzen für den RU, in: Der Urknall ist immerhin, würde ich sagen, auch nur eine Theorie, Jahrbuch für Jugendtheologie 2, Stuttgart, 81–104, hier 99; Friedrich Schweitzer, Schöpfungsglaube und Kreationismus – Herausforderungen und Aufgaben für die Jugendtheologie? In: Jahrbuch für Jugendtheologie 2 , Stuttgart, 37–48, hier 47; Sabine Pemsel-Maier, Schöpfung und Naturwissenschaft. Zwei einander ergänzende Perspektiven auf die Welt. Lernimpulse für Haupt-/Werkreal- und Realschule, in: Schöpfung und Naturwissenschaft, IRPMaterialien I, 2012, 62–60; Julia Hoffmann, Das Wirken Gottes innerhalb eines evolutionären Weltbildes. Systematische Theologie, Naturwissenshaften und Religionspädagogik im Dialog, in: Theo-Web www.www.theo-web.de/online-reihe/010_hoffmann.pdf; Fricke, Bibeltexte (Anm. 9). 8 13 Vgl. Jean Piaget, Das Weltbild des Kindes, 2005. 14 Reto Fetz/Helmut Reich/Peter Valentin, Weltbildentwicklung und Schöpfungsverständnis. Eine strukturgenetische Untersuchung, Stuttgart u.a. 2001. 15 Vgl. Fetz/Reich/Valentin, Weltbildentwicklung, 170, und die Zusammenfassung bei Hoffmann, Wirken, 85ff.
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Gott hat nur das geschaffen, was „nicht die Spuren menschlicher Fabrikation und menschlichen Werkzeuggebrauchs trägt“.16 Gott macht das „Große“, was den Menschen Leben und Wirken ermöglicht. In diesem Stadium ist der „biblische Schöpfungsglaube für die kindliche Rezeptionsstruktur ein besonders eingängiges Weltsichtparadigma“.17 „Unreflektiert“ ist dieses Denken insofern, als es an sich nicht hinterfragt werden kann. Das Kind ist noch nicht fähig, seine eigene Weltsicht zum Thema der eigenen Reflexion zu machen, vielmehr denkt es über Objekte innerhalb dieser Weltsicht nach („Objektreflexion“).18 Im Auflösungsstadium befindet sich das Schöpfungsverständnis des Kindes als reflektiertes Schöpfungsverständnis: Naturwissenschaftlich geprägtes Wissen gerät in Konkurrenz zu bisheriger Weltsicht. Das Kind oder der Jugendliche gerät in einen kognitiven Konflikt und löst sich von der biblischen Vorstellung ab.19 Förderlich ist hier nun tatsächlich die Koordination der Weltsichtparadigmen hin zu einer Komplementarität. Komplementäres Denken macht es möglich, Schöpfungsglaube und naturwissenschaftliche Auffassung zu verbinden und beide sich gegenüberstehenden Betrachtungsweisen als jeweils sinnvoll zu begreifen. Sie können miteinander bestehen. Komplementäres Denken macht eine Absage an Bibel und Gott sowie ein fundamentalistisches Missverständnis der Texte unnötig.20 Doch bedarf es dazu einiger Voraussetzungen, denn es handelt sich um ein komplexes Geschehen, das vor allem bei Kindern (Primarbereich) nur begrenzt umsetzbar ist. Die Entwicklung von komplementärem Denken ist 16 Schweitzer, Schöpfungsglaube, 42. 17 Fetz/Reich/Valentin, Weltbildentwicklung (Anm.14), 108; zitiert nach Hoffmann, Wirken, 83. 18 Vgl. Fetz/Reich/Valentin, Weltbildentwicklung, 247. 19 Andere Studien über das Weltbild des Kindes z.B. von Anton A. Bucher (Das Weltbild des Kindes, in: Gerhard Büttner/Veit-Jakobus Dieterich (Hg.), Die religiöse Entwicklung des Menschen, Stuttgart 2000, 200–205) widersprechen diesen Beobachtungen nicht, vielmehr komplemetieren sie das Gesamtbild von der kindlichen Entwicklung. Bucher findet folgende Weltbilder in der kindlichen Entwicklung: 1. „Archaisches Weltbild“ mit Himmelsstockwerk über flacher Erde. 2. „Hybrides Weltbild“, hat archaische und naturwissenschaftliche Elemente vermengt. Ebenso bestätigt sich beispielsweise in den Studien von Fricke die Geltung der Fowler’schen Stufe des „mythisch-wörtlichen Glaubens“, welche kompatibel mit wörtlich verstandenem Schöpfungsglauben ist. Fricke beschreibt, wie der Konflikt zwischen naturwissenschaftlichen Kenntnissen der Kinder wörtlichem Schöpfungsglauben Erwägungen über das mögliche Einbeziehen von Dinosauriern in den Schöpfungsbericht auslöst (vgl. Fricke, Bibeltexte [Anm. 9], 365; James W. Fowler, Stufen des Glaubens. Die Psychologie des menschlichen Glaubens und die Suche nach Sinn, Gütersloh 1991. 20 Vgl. Schweitzer, Schöpfungsglaube, (Anm. 12) 47.
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abhängig vom Übergang von Objektreflexion zur Mittelreflexion (Reflexion auf die „Mittel des Denkens“21). Dies ist ein langer Weg. Er beginnt bei der Überwindung des Anthropomorphismus im Gottesbild und endet beim Erwachsenwerden des Kinderglaubens. Zur Entfaltung kommt die Mittelreflexion erst im Jugendalter.22 Es ist jedoch durchaus sinnvoll, die Entstehung komplementären Denkens schon im Primarbereich anzubahnen.23 Alternativ kann auch die ästhetische Erschließung der biblischen Schöpfungstexte angeboten werden, da sich diese Methode besonders gut gegen ein wörtliches, rein historisierendes Missverstehen sträubt.24 Insgesamt empfiehlt es sich jedoch realistisch zu bleiben, wenn man sich um komplementäres Denken bei den Schülern und Schülerinnen bemüht. Michael Fricke folgert für seinen Religionsunterricht das Folgende25:
21 Schweitzer, ebd., 43. 22 Bei all den genannten Zuschreibungen von Entwicklungsstufen oder -phasen zu bestimmten Altersstufen ist immer die Kritik an solchen strukturgenetischen Modellen mitzudenken. Die Ergebnisse, die oft aus quantitativen Querschnittsstudien kommen, decken sich z.B. nicht mit denen aus der qualitativen Langzeitstudie von Anna Katharina Szagun. Sie begründet individuelle Entwicklungsschritte bei den Probanden mit der jeweiligen Biographie statt mit strukturgenetischer Notwendigkeit. Auch kann sie die klassischen Kategorien innerhalb ihres stark nicht-konfessionalisiertem Umfelds nicht bestätigen (vgl. Anna-Katharina Szagun/Klaus Kießling, Dem Sprachlosen Sprache verleihen. Rostocker Langzeitstudie zu Gottesverständnis und Gottesbeziehung von Kindern, die in mehrheitlich konfessionslosem Kontext aufwachsen, Kinder erleben Theologie 1, Jena 2006; vgl. auch dies./Michael Fiedler, Religiöse Heimaten. Rostocker Langzeitstudie zu Gottesverständnis und Gottesbeziehung von Kindern, die in mehrheitlich konfessionslosem Kontext aufwachsen, Kinder erleben Theologie 2, Jena 2008). 23 Vgl. z.B. Hans Mendl, Wie laut war eigentlich der Urknall? KatBl 133, 2008, 316–319, aber auch Christina Kalloch/Martin Schreiner (Hg), „Gott hat das in Auftrag gegeben“. Mit Kindern über Schöpfung und Weltentstehung nachdenken, Jahrbuch für Kindertheologie 11, Stuttgart 2012. Die Anbahnung geschieht z.B. durch eine stärkere Thematisierung von Wissenschaftstheorie im RU (vgl. Rothgangel, Naturwissenschaft, vgl. Anm. 1, 261), durch Einbindung von Dilemma-Situationen (vgl. Veit-Jakobus Dieterich, Schöpfung, Glaube und Lernen 23, entwurf 4/2008, 12–15) sowie durch fächerverbindenden Unterricht, z.B. im Team Teaching, wo im Gespräch zwischen den Lehrern der Fächer Religion und Biologie der Dialog zwischen den Wissenschaften für die Schülerinnen und Schüler erlebbar wird (vgl. Sven Gemballa/Friedrich Schweitzer, Was können Biologieunterricht und Religionsunterricht voneinander erwarten? In: Bernd Janowski (Friedrich Schweitzer/Christoph Schwöbel (Hg.), Schöpfungsglaube vor der Herausforderung des Kreationismus, Neukirchen-Vluyn2010, 172–192). 24 Vgl. Bernhard Dressler, Überlegungen zur Didaktik der Schöpfungstheologie, ZTP 4, 2009, 400f.), und Höger, Schöpfungstheologie (Anm. 12), 101. 25 Vgl. Fricke, Bibeltexte (Anm. 9), 383ff.
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Ein Religionsunterricht, der die Schöpfung thematisiert, soll Vertrauen in den Schöpfer wecken sowie Staunen und Dankbarkeit fördern. Dabei ist das Hauptaugenmerk auf die „großen Fragen“ gerichtet, nicht auf die Weltentstehung an sich. Dennoch ist es gut, das moderne Weltbild zu thematisieren und das wenn auch bruchstückhafte, von religiösen und naturwissenschaftlichen Elementen durchsetzte Weltwissen der Schülerinnen und Schüler abzurufen, damit eine Synthese möglich wird. Allerdings ist auch mit Ablehnung zu rechnen, eine Zustimmung kann nicht selbstverständlich vorausgesetzt werden. Komplementäres Denken kann und soll angestrebt werden, aber es ist gut, dabei realistisch zu bleiben. Veränderung von Haltungen braucht Zeit. Es gilt Meinungsdifferenzen wahrzunehmen und Nachdenklichkeit einzuüben. Es muss erst gelernt werden, die eigenen Gedanken zu formulieren, damit eine Sensibilität und Offenheit gegenüber christlich-religiösen Haltungen und Aussagen angesichts eigener naturwissenschaftlicher Kenntnisse über die Welt herausgebildet werden kann.26 Das gilt im Folgenden nun auch für die Bewertung von Kinderbüchern zum Thema Schöpfung. 6.
Schöpfung in Kinderbüchern
Thematisch ist die Schöpfung als Bestseller also gerechtfertigt. Pädagogisch ist das Thema notwendig. Aber gibt es dazu denn eigentlich Kinderliteratur, die den obigen Kriterien entspricht? Auf was können Kinder, Eltern und Lehrerkräfte heute im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur zurückgreifen, und was davon ist hilfreich? Ich habe aus dem bestehenden Angebot drei vielversprechende Werke herausgegriffen und sie auf ihr jeweiliges Potential hin beleuchtet.
26 Vgl. Fricke, Bibeltexte (Anm. 9), 386.
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Helme Heine, Samstag im Paradies, Köln/Zürich 1985
Das Buch „Samstag im Paradies“ ist von dem bekannten Kinderbuchautor Helme Heine. Es erschien schon 1985 und wurde vielfach wiederaufgelegt. Es stand auf der Auswahlliste zum Deutschen Jugendliteraturpreis. Seit einigen Jahren gibt es eine beliebte musikalische Neuinterpretation mit Musik von Reinhard Seifried.27 Das Buch beschreibt die Schöpfung ungefähr nach dem Muster der biblischen sieben Tage, wobei der sechste Tag, an dem Gott den Menschen schafft, im Mittelpunkt steht. Gott wird darin ganz im Sinne des kindlichen artifizialistischen Vorstellungsrahmens als Baumeister vorgestellt. Sehr menschlich im Bild des etwas zerstreuten, aber sehr kreativen alten Professors geht Gott mit großem handwerklichen Geschick und Leidenschaft ans Werk. Die Krönung seiner Arbeit ist die Erschaffung des Menschen aus Lehm vom Acker (hier sieht man sehr deutlich, wie beide Schöpfungsberichte zusammengefasst werden), bei der er sich besonders viel Mühe gibt. Insgesamt ist das Buch geprägt von der besonderen Zuwendung Gottes an den Menschen. Es wird deutlich, dass die beiden Menschen auf die Beziehung zum Miteinander mit der Natur, anderen Menschen und auch mit Gott selbst hin angelegt sind: „Er bekam zwei Augen, um die Schönheit des Paradieses zu sehen, und eine Nase, um den Duft des Paradieses zu riechen, 27 Helme Heine, Die Schöpfung. Eine musikalische Erzählung. Vierfarbiges Bilderbuch mit CD. Musik von Reinhard Seifried, Weinheim 2013 (5).
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und zwei Ohren, um Gott zuzuhören, und einen Mund um von den großen Wundern der Welt zu erzählen, und ein Herz, ein großes Herz, um die Schöpfung zu lieben.“ Die folgenden Seiten kommen ohne Text – nur mit der Überschrift „Er schenkte ihnen das Paradies“ aus: Die beiden Menschenkinder genießen in bezaubernden Bildern die harmonische Einheit miteinander und mit der Natur, während Gott ihnen zufrieden zuschaut und ihren Schlaf bewacht. Am Ende wird durch die Formulierung „Er freute sich auf den Sonntag, denn für Gott sind tausend Jahre wie ein Tag“ eine Wendung vollzogen: Hatte der Leser bisher geglaubt, sich vollständig im Rahmen eines kindlich-wortwörtlich verstandenen biblischen Weltbildes zu bewegen, wird nun überraschend am Schluss eine Öffnung hin zum zeitgemäßen naturwissenschaftlichen Modell der Weltentstehung möglich. Natürlich bleibt dieser Versuch sehr rudimentär und ist theologisch auch nicht sehr anspruchsvoll, aber er zeigt das Bemühen des Autors, für seine Leser auf einer sehr einfachen Stufe ein Tor von einem wörtlichhistorisierenden Deutung (7-Tage-Schema, Gott als Baumeister) des biblischen Schöpfungsgeschehens hin zu einer Interpretation zu öffnen, die naturwissenschaftliches Denken ermöglicht und gleichzeitig die vertrauensstiftende Aussage der Bibel in Geltung behält, weil sie sich im Rückblick als Gleichnis offenbart.28 Die Wahl des Kinderbuchs als Medium und die übertrieben naive Darstellung Gottes als Baumeister erscheinen im Nachhinein als besonders geeignet, dem Leser gerade das vor Augen zu führen: Die Bibel spricht eben nicht von historischen Tatsachen, die wir als Erwachsene heute nicht mehr glauben können und daher nur noch in Form von sentimental zu belächelnden Kinderbüchern für legitim halten. Sie benutzt aber (Sprach)Bilder, die das Gemüt ergreifen – wie die eines Kinderbuchs – als literarisches Stilmittel, um den Trost, der von ihnen ausgeht, auch für aufgeklärte erwachsene Menschen geltend zu machen.
28 Heine stellt es durch das Bibelzitat aus Psalm 90,4 als eine Relativierung durch die Bibel selbst dar.
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Markus Hartenstein/Constanze Luft, Ich freue mich. Ein Bilderbuch zur Schöpfung mit Texten von Markus Hartenstein und Illustrationen von Constanze Luft, Lahr 2002
Der Titel des Buches von Markus Hartenstein und Constanze Luft ist Programm: Ich freue mich. Es geht hier um die Freude an der Schöpfung, um ein vorbehaltloses Ja zu allem Leben auch mit seinen Ambivalenzen. Das Buch ist im strengen Sinne keine Erzählung von der Schöpfung, sondern eine Reaktion auf die biblische Erzählung. Die Texte zu den einzelnen Schöpfungswerken haben die Form des Gesprächs oder Gebets eines Kindes und sind Antworten auf Gottes Zuspruch und Anspruch. In diesem Sinne umgehen die Autoren auch elegant die Frage nach der Historizität der sieben Tage: Sie dienen hier nur als Mittel der Aufzählung für die verschiedenen Reflexionsthemen rund um die Schöpfung. In einem Anhang mit Erläuterungen zum Konzept des Buches wird vorgeschlagen, die Formulierungen „Am ersten (zweiten, dritten, …) Tag“ auch auf das langsame Vorlesen des Buches zu beziehen, das bewusst auf die sieben Tage der Woche verteilt wird. Dadurch wird den Kindern augenfällig, was auch die priesterliche Verfasserschaft des ersten Schöpfungsberichtes im Sinn gehabt haben dürfte, als sie dessen liturgische Funktion vor Augen hatte: nämlich dass durch die Rhythmisierung ein vertieftes Besinnen und wiederholbares Erinnern dessen möglich wird, wofür man dankbar ist. Die geschickt gewählte Form der Kinderantwort bietet zudem auch die Gelegenheit, Erfahrungen der kindlichen Lebenswelt auf eine Weise einzubeziehen, die für das ganze Buch charakteristisch ist. An jedem „Schöpfungstag“ werden Assoziationen aus dem Umfeld des Alltags von Kindern aufgegriffen, so dass das Thema Schöpfung Bedeutung aus ihrer Perspektive erlangt („Ich freue mich über das Wasser. Ich kann trinken und baden“ oder „Ich freue mich an den Tieren, an Meerschweinchen und Pferden“) Die Kinder kommen selbst zu Wort – nicht nur mit ihren Interessen und Alltagsfreuden, sondern auch mit ihrem Weltwissen aus dem Bereich der Na-
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turwissenschaften („Das alles wächst, weil in der Erde Nährstoffe sind und Wasser und Sonnenlicht mithelfen“ oder „Ich weiß, dass es auch giftige Pflanzen gibt, die man nicht essen kann“). So wird das schon naturwissenschaftlich durchprägte Weltbild der Kinder nicht außen vor gelassen, sondern sinnvoll bezogen auf die biblischen Themen und eine Synthese angebahnt. Dieses Weltwissen der Kinder wird wichtig genommen, aber es ist auch deutlich, dass dieses Wissen nicht ausreicht, „um das Leben schön oder sogar gut zu finden. Dazu sind Menschen nötig, die mich wollen und mögen. Das menschliche Leben bekommt seine Würde erst in einem Beziehungsgeschehen, im Hören, im Antworten, im Gestalten der Freude aneinander.“29 In den Texten wird dabei hervorgehoben, dass Gott nicht bloßer Hersteller und Erzeuger der Welt, sondern „Liebhaber des Lebens“ ist. Im Einstimmen in die Absicht Gottes, das Leben zu lieben, wird die eigene Beteiligung und Verantwortung für den Erhalt der Schöpfung intrinsisch motiviert. Aus dieser Perspektive werden Grenzen und Ambivalenzen des Lebens („Ich weiß, dass das Meer auch gefährlich werden kann. Und es gibt Länder, die fast kein Wasser haben“ oder „Ich weiß, dass Menschen manchmal Angst haben vor der Zukunft“) wahrgenommen und der Herrschaftsauftrag zum Bewahren der Schöpfung in die eigene Absicht und Verantwortung gebracht. Formulierungen wie „Du hast gesagt: ‚Ich will, dass das Leben gut wird.‘ Das will ich auch und wünsche, dass mir das Richtige dafür einfällt“ zeigen die Übereinstimmung mit einer bedeutenden Grundintention der biblischen Schöpfungstexte, die als Geschichten der Hoffnung geschrieben wurden für Menschen mit einem zeitgemäßen Verständnis von Wirklichkeit.
29 Hartenstein/Luft, Ich freue mich, Anhang, ohne Seitenzahl.
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Glaube und Lernen, 31/2016, Heft 2, Impulse für die Praxis
Rainer Oberthür, Das Buch vom Anfang von allem. Bibel, Naturwissenschaft und das Geheimnis unseres Universums, München 2015
In diesem Buch geht es um Tatsachen, die oft geheimnisvoll sind, und um das Geheimnis hinter den Tatsachen. Der Religionspädagoge Rainer Oberthür setzt hier konsequent um, was in der Fachliteratur gefordert wird: Die Förderung von komplementärem Denken bei den Schülerinnen und Schülern im Hinblick auf die Thematik Naturwissenschaft und Schöpfung. Das Buch ist zwar kein klassisches Bilderbuch, sondern eher ein (Vor-)Lesebuch – es hat sich aber bereits im Unterricht der 4. Klasse der Grundschule im Religionsunterricht bewährt und ist vor allem im Sekundarbereich einsetzbar. Mit seinem Konzept, auf jeder Seite des Buches zwei „Geschichten“ mit zwei Fäden zu vergleichen, die parallel laufen, ab und zu überkreuzen, sich dann auch wieder etwas weiter voneinander entfernen, manchmal eine Schlaufe drehen und dann am Anfang wie am Ende in einer (erd)kreisrunden Schlinge ineinander übergehen, ist das ganze Buch ein Gleichnis für das Verhältnis der beiden Zugangsweisen zu dem einen Thema des Anfangs. Während die Geschichte, die die Naturwissenschaft uns erzählt, von „Tatsachen, die oft geheimnisvoll sind“ handelt, geht es in der Geschichte, die die Bibel erzählt, um das „Geheimnis hinter den Tatsachen“.30 Oberthür beschreibt in einer Art Vorspann treffend, wie beide sich in einer Form ergänzen können, sodass man ihre jeweilige Eigenart als zwar allein hinreichend, 30 Oberthür, Buch, 6.
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aber um ein tieferes Verständnis möglich zu machen eben auch notwendig aufeinander zu beziehen versteht: „In diesem Buch gibt es zwei Geschichten über den Anfang. (...) Die Geschichten sind ganz verschieden und doch vergleichbar. Die eine kann helfen, die andere besser und tiefer zu verstehen. Beide können uns der Wahrheit ein Stückchen näherbringen.“31 Inhaltlich wird aus der jeweiligen Perspektive die Entstehung der Welt bzw. die Schöpfungsgeschichte expliziert. Zum Teil geht es dabei wissenschaftlich schon sehr anspruchsvoll zu, doch beherrscht der Autor eine so kindgemäße Sprache, dass er selbst komplexe Vorgänge bildlich und elementar darzustellen vermag.32 Überraschende groß ist die Übereinstimmung der Themen, die Oberthür aus den Teilen der naturwissenschaftlichen und der biblischen Erzählweise heraushebt und durch die formale Darstellung in eine Entsprechung bringt. Es geht dabei nicht um eine erzwungene Harmonisierung der beiderseitigen Aussagen, die durchaus auch zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Aber es wird deutlich, dass die zugrundeliegenden Fragen eine nicht zu bestreitende Ähnlichkeit miteinander haben. Besonders unterstrichen wird dieser Zusammenhang noch durch die Wahl der Bilder. Naturgemäß bringen sie die in ihnen ausgedrückten Erfahrungen als Ganzes und nicht analytisch-zergliedernd wie unsere Sprache zum Ausdruck. So erfasst das Auge die Botschaft auf einmal und kann zwei unterschiedliche Bilder auf andere, ganzheitlichere Weise miteinander vergleichen als das bei Texten möglich ist. Nicht immer gelingt es dabei, dass sie sich auch komplementieren. In einem Anhang werden jedoch Verstehenshilfen für die einzelnen Bilder angeboten. Oberthür wählt für die biblischen Texte Bilder aus der Kunstgeschichte, während die naturwissenschaftlichen Texte bebildert werden mit Fotographien der Natur, des Weltraums oder mikroskopischen Vergrößerungen. Dieser Kontrast in der Darstellung verbildlicht wiederum den verschiedenartigen Fragehintergrund der beiden Pole. Sind die alten Darstellungen Erweis für die Bedeutung biblischer Antworten, die Menschen über Jahrhunderte hinweg Halt und Orientierung gegeben haben, so zeigt die Modernität der Fotos, dass ihre Fragen und Antworten erst der heutigen Zeit entspringen. Exemplarisch für den Ansatz des Buches steht das Bild des „Wanderers am Weltenrand“, ein Sinnbild für Wechsel verschiedener Weltbilder und „den Menschen als Wesen 31 Oberthür, Buch, 5. 32 Zum Beispiel: „Weil es kälter wird, lösen sich die Strahlungsteilchen von den Stoffteilchen. Wie die Buchstabennudeln in der Suppe liegen sie chaotisch nebeneinander“ (Oberthür, Buch. 16)
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zwischen Himmel und Erde, das die Sehnsucht hat, immer mehr zu ‚sehen’ und zu verstehen“.33
Dem Einsatz des Buches im Unterricht sollte man viel Zeit einräumen. Sicher ist es nicht als Ganzes behandelbar. Der vorsichtige und durchdachte Gebrauch einzelner Texte und Bilder kann jedoch meines Erachtens anbahnen, was für zeitgemäße religiöse Bildung unerlässlich ist: die Fähigkeit zu komplementärem Denken. Abstract It is not surprising that many children's books deal with the creation as a „theme of humanity“. This article is specifically about such books which explicitly draw on the biblical creation story. Beginning with Gen1f., the article firstly deals with its thematic aspects of relationship, threat and preservation; it then focuses on the frequently discussed relationship of biblical and scientific understanding which is resolved with the model of complementarity. The criteria gained from here are finally applied to three selected (picture) books.
33 Oberthür, Buch, 86; Abbildung: Camille Flammarion: L’athmosphère: météorologie populaire Paris 1888, Camille Flammarion, L'Atmosphère: Météorologie Populaire (dt. Himmelskunde für das Volk), Paris 1888.
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