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German Pages 14 [15] Year 2016
Kennwort
Martin Luther Michael Basse Das Reformationsjubiläum 2017 gibt in besonderem Maße dazu Anlass, Martin Luthers Lebenswerk und dessen Wirkungsgeschichte in den Blick zu nehmen. In der neueren Lutherforschung kristallisieren sich dabei verschiedene Themenschwerpunkte heraus, die zum Teil auch kontrovers diskutiert werden.1 1.
Martin Luther – Reformator im Übergang oder an der Wende vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit?
Nachdem lange Zeit die Auffassung vorherrschte, mit Luther und der Reformationszeit sei eine neue Epoche der Geschichte angebrochen, werden in der neueren Forschung immer stärker die Verbindungen zwischen dem Spätmittelalter und der Reformationszeit herausgestellt.2 Das betrifft theologiegeschichtliche Aspekte, wie etwa das Verhältnis Luthers zur mittelalterlichen Mystik und monastischen Theologie, sowie gesellschafts- und kulturgeschichtliche Fragestellungen wie die politische Ethik oder das Frauenbild des Wittenberger Reformators.
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Vgl. Volker Leppin, Lutherforschung am Beginn des 21. Jahrhunderts, in: Albrecht Beutel (Hg.), Luther Handbuch, Tübingen 2005, 19–34. – Der Zugang zu dem umfangreichen Werk Martin Luthers, dessen kritische Gesamtausgabe – die ‚Weimarer Ausgabe‘ – mit der Veröffentlichung des letzten Registerbandes im Jahre 2009 zum Abschluss gekommen ist, wird durch zwei jeweils zweisprachige Studienausgaben erleichtert, wovon die eine wichtige lateinische Schriften sowie deren deutsche Übersetzung beinhaltet und die andere frühneuhochdeutsche Schriften und deren Übertragung in die heutige Sprache (Martin Luther: Lateinisch-Deutsche Studienausgabe, hg. v. Wilfried Härle u.a., 3 Bde. Leipzig 2006–2009; ders., Deutsch-Deutsche Studienausgabe, hg. v. Johannes Schilling, 3 Bde., Leipzig 2012–2015). Vgl. Berndt Hamm, Der frühe Luther. Etappen reformatorischer Neuorientierung, Tübingen 2010; Christoph Burger, Tradition und Neubeginn. Martin Luther in seinen frühen Jahren, Tübingen 2014.
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DOI 10.2364/3846999721
Im Blick auf Luthers Verbindungen zur mittelalterlichen Mystik wird auf der einen Seite die Auffassung vertreten, Luthers Theologie zeige „in ihrer Gesamtkomposition mystischen Charakter“3, während auf der anderen Seite die „Transformationen spätmittelalterlicher Mystik bei Luther“4 vor allem in Bezug auf die zentrale Dialektik von Gesetz und Evangelium, die Rechtfertigungslehre und die Lehre vom allgemeinen Priestertum betont werden und die Externität der Gnade als eine entscheidende Differenz zur Mystik markiert wird. Mit dem Verhältnis von Reformation und Mönchtum rückt ein weiterer Themenaspekt in den Vordergrund, der von grundlegender Bedeutung für die Lutherforschung ist, insofern damit die Genese der Reformation in ihrem theologie- und frömmigkeitsgeschichtlichen Kontext beleuchtet wird. Nach Auffassung von Berndt Hamm können die Anfechtungserfahrungen, die Luther in den frühen Klosterjahren machte, nicht nur als ein Impuls, sondern selbst schon als tragendes Moment der Reformation angesehen werden.5 Die lebenslange Auseinandersetzung Luthers mit seiner monastischen Herkunft spiegelt sich nicht nur in seiner kritischen Haltung zu den Mönchsgelübden wider,6 sondern auch in dem Festhalten an monastischen Lebensformen wie dem Stundengebet.7 Einen ganz eigenen Lösungsansatz, das Verhältnis von Kontinuität und Diskontinuität zwischen Spätmittelalter und Früher Neuzeit innerhalb der Biographie Martin Luthers zur Sprache zu bringen, hat der Tübinger Kirchenhistoriker Volker Leppin in seiner viel beachteten und zugleich umstrittenen Luther-Biographie gewählt, indem er konsequent für den Zeitraum bis 1517 den Geburtsnamen ‚Luder‘ verwendet und erst ab dem Zeitpunkt 3
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Berndt Hamm, Wie mystisch war der Glaube Luthers?, in: ders./Volker Leppin (Hg.), Gottes Nähe unmittelbar erfahren. Mystik im Mittelalter und bei Martin Luther (Spätmittelalter und Reformation Neue Reihe 36), Tübingen 2007, 237–287, hier: 242. Volker Leppin, Transformationen spätmittelalterlicher Mystik bei Luther, in: B. Hamm/V. Leppin (Hg.), Gottes Nähe unmittelbar erfahren, a.a.O. (wie Anm. 3) 165–185. Vgl. Berndt Hamm, Naher Zorn und nahe Gnade. Luthers frühe Klosterjahre als Beginn seiner reformatorischen Neuorientierung, in: Athina Lexutt u.a. (Hg.), Reformation und Mönchtum. Aspekte eines Verhältnisses über Luther hinaus (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 43), Tübingen 2008, 103–143. Vgl. Wolf-Friedrich Schäufele, „… iam sum monachus et non monachus“. Martin Luthers doppelter Abschied vom Mönchtum, in: Dietrich Korsch/Volker Leppin (Hg.), Martin Luther – Biographie und Theologie (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 53), Tübingen 2010, 119–139. Vgl. Andreas Odenthal, „… totum psalterium in usu maneat“. Martin Luther und das Stundengebet, in: D. Korsch/V. Leppin (Hg.), Martin Luther – Biographie und Theologie, a.a.O. (wie Anm. 6) 69–117.
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von ‚Luther‘ spricht, als der Wittenberger Reformator seinen Namenswechsel vollzog und damit zum Ausdruck brachte, dass er sich nunmehr als der „Freie“ – abgeleitet von dem griechischen „Eleutherius“ – verstand.8 Dieser Ansatz hat auf Grund der kritischen Einwände, die dagegen erhoben wurden,9 eine „neue Luther-Debatte“10 entfacht. Im Zusammenhang mit der Frage, wie Leben und Werk Luthers theologie- und kulturgeschichtlich zu verorten sind, geht es um die generelle Einordnung und Beurteilung der Reformation, die in unterschiedlichen theoretischen Modellen in Bezug auf die „Einheit und Vielfalt der Reformation“ zum Ausdruck kommen.11 Auch wenn die besondere Bedeutung Martin Luthers für die Geschichte der Reformation und den Protestantismus insgesamt außer Frage steht, findet doch immer mehr nicht nur seine Kooperation mit anderen wichtigen Persönlichkeiten der Wittenberger Reformation Beachtung, sondern es wird auch deren Verknüpfung mit anderen Zentren der Reformation – Zürich, Straßburg, Genf – in den Blick genommen. Die persönlichen Verbindungen der Reformatoren und Reformatorinnen ließen ein ‚Netzwerk‘ entstehen, das für das Gelingen der Reformation von entscheidender Bedeutung war und das im historischen Rückblick die europäischen Dimensionen der Reformation erkennen lässt.12 2.
Biographie und Theologie
Hinsichtlich des Zusammenhangs von Biographie und Theologie Luthers ist das „Verhältnis von historischer Kontextualisierung und theologischer Entkontextualisierung“13 zu berücksichtigen, insofern Luthers Theologie zunächst in ihrem historischen Entstehungszusammenhang betrachtet werden muss, bevor ihre grundsätzliche Bedeutung auch für die Theologie der Ge8 9
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Vgl. Volker Leppin, Martin Luther, Darmstadt 2006. Vgl. Dorothea Wendebourg, Süddeutsche Zeitung v. 19.02.2007, 14; Thomas Kaufmann, in: Archiv für Reformationsgeschichte. Literaturbericht 36 (2007), 17–19; Albrecht Beutel, in: Theologische Literaturzeitung 132 (2007), 1221–1224; Dietrich Korsch, Volker Leppin, Luther im Gespräch, in: Luther 79 (2008), 45–55. Vgl. Volker Leppin, Ein neue Luther-Debatte: Anmerkungen nicht nur in eigener Sache, in: Archiv für Reformationsgeschichte 99 (2008), 297–307. Berndt Hamm/Bernd Möller/Dorothea Wendebourg, Reformationstheorien. Ein kirchenhistorischer Disput über Einheit und Vielfalt der Reformation, Göttingen 1995; Thomas Kaufmann, Geschichte der Reformation, Frankfurt a.M./Leipzig 2009, 12–32. Vgl. Irene Dingel/Volker Leppin (Hg.), Das Reformatorenlexikon, Darmstadt 2014. Volker Leppin, Biographie und Theologie Martin Luthers – eine Debatte und (k)ein Ende? Ein Nachwort, in: D. Korsch/V. Leppin (Hg.), Martin Luther – Biographie und Theologie, a.a.O. (wie Anm. 6) 313–318, hier: 313.
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genwart erörtert werden kann. Das gilt gerade auch für die kritische Auseinandersetzung mit problematischen Aspekten der Theologie Luthers wie etwa seine Haltung zum Judentum. Im Zusammenhang von Luthers Biographie und Theologie bildet das Verhältnis von „altem“ und „jungem“ Luther noch einmal ein eigenes Thema der Forschung, die sich bislang vor allem auf den ‚jungen‘ Luther konzentrierte, während die bedeutenden Schriften seiner späten Schaffenszeit noch nicht in gleicher Weise im Fokus standen.14 Die Frage nach dem Anfang bzw. dem ‚Durchbruch‘ der Reformation, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kontrovers diskutiert wurde, bis dann ein Forschungskonsens in der Hinsicht erzielt werden konnte, dass auf eine Datierung verzichtet und stattdessen der Prozesscharakter der reformatorischen Entdeckung Luthers betont wurde, erfährt durch den Göttinger Reformationshistoriker Thomas Kaufmann in einer soeben erschienen Publikation zu Luthers Schrift ‚An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung‘ aus dem Jahr 1520 eine neue Zuspitzung, insofern dieser die These aufstellt, Luther sei durch diese Schrift zum Reformator geworden.15 3.
Luthers Frauenbild
Besonders umstritten ist in der neueren Forschung die Frage, welche Auswirkung die Reformation auf die gesellschaftliche Rolle der Frau(en) hatte.16 Auf der einen Seite wird die Auffassung vertreten, die Lebensoptionen der Frauen seien durch die Reformation eingeschränkt worden, da ihnen mit der reformatorischen Kritik am Mönchtum und der weitgehenden Abschaffung der Orden nur noch eine gesellschaftliche Rolle, nämlich die der Ehefrau und Mutter, offen geblieben sei. Auf der anderen Seite wird demgegenüber – nicht zuletzt am Beispiel der Katharina von Bora – auf die Entscheidungsfreiheit von Frauen hingewiesen, die Klöster zu verlassen. Die Betrachtung von Luthers Frauenbild im Zusammenhang seiner Ehelehre lässt trotz einiger ambivalenter Äußerungen insgesamt doch eine Wertschät14 Vgl. Thomas Kaufmann, Der „alte“ und der „junge“ Luther als theologisches Problem, in: Christoph Bultmann/Volker Leppin/Andreas Lindner (Hg.), Luther und das monastische Erbe (Spätmittelalter und Reformation Neue Reihe 37), Tübingen 2007, 187–205. 15 Vgl. ders., An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung (Kommentare zu den Schriften Luthers 3), Tübingen 2014, 509. 16 Vgl. Stefan Ehrenpreis/Ute Lotz-Heumann, Reformation und konfessionelles Zeitalter, Darmstadt 2002, 92–99.
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zung der Frauen erkennen. Im Blick auf seine eigene Rolle als Ehemann und Familienvater wird deutlich, wie respekt- und liebevoll sich Luther gegenüber seiner Frau wie auch seinen Kindern verhalten hat.17 Gleichwohl gilt es, in der Wirkungsgeschichte des Frauenbildes der Reformation die gesellschaftliche Stellung der Frauen kritisch zu beurteilen. 4.
Luther und die Politik
Nicht allein die verhängnisvolle Rolle, die eine (neu-)lutherische Zweireichelehre in der NS-Zeit spielte, warf nach dem Zweiten Weltkrieg – und dann vor allem seit den 1960er Jahren – besonders kritisch die Frage nach Luthers politischer Ethik auf, sondern auch schon seine Stellungnahme im Bauernkrieg gab und gibt immer noch dazu Anlass.18 Die Unterscheidung der beiden Reiche ist trotz ihrer grundlegenden Funktion eines kritischen Korrektivs gegenüber der Vermischung göttlicher und menschlicher Gerechtigkeit von Luther selbst doch nicht so zur Geltung gebracht worden, dass er um der menschlichen Gerechtigkeit willen mit Hilfe der von ihm in politischer Hinsicht so geschätzten Vernunft zu dem Schluss gekommen wäre, über die Veränderung bestehender Verhältnisse nachdenken zu müssen – hier blieb er in einem problematischen Sinne ‚konservativ‘ im Blick auf das Gesellschafts- und Herrschaftssystem seiner Zeit, das er als Gottes Stiftung ansah. Eine problematische Wirkung zeitigte auch das landesherrliche Kirchenregiment, das bis zum Ende des Ersten Weltkrieges Bestand hatte und die enge Bindung der evangelischen Kirche an die politische Obrigkeit über Jahrhunderte hin begründete, obgleich es für Luther zunächst nur ein ‚Notregiment‘ war, mit dem die religionspolitischen und kirchenorganisatorischen Probleme in den Anfängen der Reformationszeit bewältigt werden sollten. 5.
Luthers Haltung zum Judentum und zum Islam
Angesichts der fatalen Wirkungsgeschichte von Luthers späten Judenschriften ist es in besonderem Maße erforderlich, zwischen der historischen Kon17 Vgl. Volker Leppin, Luther privat. Sohn, Vater, Ehemann, Darmstadt 2006. 18 Vgl. Michael Basse, Freiheit und Recht in biblischer Perspektive – Luthers Stellungnahme zu den Zwölf Artikeln der Schwäbischen Bauern, in: Görge Hasselhoff/David von Mayenburg (Hg.), Die Zwölf Artikel von 1525 und das „Göttliche Recht“ der Bauern – rechtshistorische und theologische Dimensionen (Studien des Bonner Zentrums für Religion und Gesellschaft 8), Würzburg 2012, 163–177.
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textualisierung dieser Schriften einerseits und ihrer theologischen Beurteilung aus heutiger Sicht zu unterscheiden.19 Zudem sind sowohl in historischer als auch theologischer Hinsicht Luthers Äußerungen und Schriften aus den Jahren 15151523 zu berücksichtigen, deren „judenfreundliche[n], in mancher Hinsicht innovative[n] Perspektiven“ sich deutlich von der Polemik seiner späten Schriften abheben20. In der Beurteilung der späten Judenschriften Martin Luthers gehen die Ansichten in der neueren Forschung auseinander – während auf der einen Seite dargelegt wird, dass Luther in diesen Schriften zunehmend juristische Argumentationsfiguren verwendet, und das als Reaktion auf die jüdische Schriftauslegung interpretiert wird, die von Luther als „bleibende Infragestellung des eigenen Schriftverständnisses empfunden wurde“21, wird auf der anderen Seite demgegenüber der apokalyptische Deutungshorizont dieser Schriften betont.22 Wird Luthers Haltung zum Judentum auf Grund der fatalen Wirkungsgeschichte seiner späten Judenschriften schon länger kritisch betrachtet, so ist das Türken- und Islambild des Wittenberger Reformators erst in neuerer Zeit genauer untersucht worden.23 Dabei wird auf den Zusammenhang mit der Wahrnehmung des Islam im Spätmittelalter verwiesen, der sich darin zeigt, dass Luther selbst daran beteiligt war, Neudrucke vorreformatorischer Türkenschriften zu veröffentlichen, um so bestimmte Stereotypen des spätmittelalterlichen Islambildes weiter zu tradieren.24 In die gleiche Richtung zielte auch seine Unterstützung des reformierten Theologen und Hebraisten 19 Vgl. Thomas Kaufmann, Luthers „Judenschriften“. Ein Beitrag zu ihrer historischen 2 Kontextualisierung, Tübingen 2013. 20 Vgl. Hans-Martin Kirn, Luther und die Juden, in: A. Beutel (Hg.), Luther Handbuch, a.a.O. (wie Anm. 1) 217–224, hier: 217. 21 Anselm Schubert, Fremde Sünde. Zur Theologie von Luthers späten Judenschriften, in: D. Korsch/V. Leppin (Hg.), Martin Luther – Biographie und Theologie, a.a.O. (wie Anm. 6) 251–270, hier: 270. 22 Vgl. Hans-Martin Kirn, Luther und die Juden, a.a.O. (wie Anm. 20), 220–223; ders., Martin Luthers späte Judenschriften – Apokalyptik als Lebenshaltung? Eine theologische Annäherung, in: D. Korsch/V. Leppin (Hg.), Martin Luther – Biographie und Theologie, a.a.O. (wie Anm. 6) 271–285. 23 Vgl. Johannes Ehmann, Luther, Türken und Islam: Eine Untersuchung zum Türken- und Islambild Martin Luthers (1515–1546) (Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte, Band 80), Gütersloh 2008; Michael Klein, Geschichtsdenken und Ständekritik in apokalyptischer Perspektive. Martin Luthers Meinungs- und Wissensbildung zur „Türken“-Frage auf dem Hintergrund der osmanischen Expansion und im Kontext der reformatorischen Bewegung, Hagen 2004. 24 Thomas Kaufmann, Der Anfang der Reformation. Studien zur Kontextualität der Theologie, Publizistik und Inszenierung Luthers und der reformatorischen Bewegung (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 67), Tübingen 2012, 106.
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Theodor Bibliander bei dessen Edition einer lateinischen Übersetzung des Koran, wovon Luther sich versprach, dass dadurch die ‚Häresie‘ des Islam offenbar werde.25 So traditionell diese Strategie der geistigen Auseinandersetzung mit dem Islam war, so innovativ war demgegenüber Luthers Absage an einen Kreuzzug gegen die Osmanen, wie er sie schon 1515/16 in seinen Dekalogpredigten formulierte,26 dann 1518 in den Ausführungen zu seinen 95 Thesen erneuerte und auch 1529/30 in der Schrift ‚Vom Kriege wider die Türken‘ sowie in der ‚Heerpredigt wider den Türken‘ betonte.27 Ganz im Sinne seiner politischen Ethik verurteilte Luther die religiöse Begründung einer kriegerischen Auseinandersetzung mit dem Islam, sprach sich aber zugleich dafür aus, dass die weltliche Obrigkeit ihre Aufgabe wahrnehmen müsse, sich gegen die osmanische Expansion zur Wehr zu setzen. In einer gegenwartsorientierten Perspektive, in der es um Luthers Beitrag zum modernen Toleranzgedanken geht, gilt es seine Auffassung herauszustellen, dass die Toleranz anderen gegenüber in der Wahrheitsgewissheit des christlichen Glaubens begründet ist.28 6.
Luther und die Bildung
Auch wenn die allgemeine Bedeutung der Reformation für die Geschichte der Bildung wie auch der spezielle Beitrag, den Martin Luther hierzu geleistet hat, von der neueren Forschung weiterhin anerkannt werden, wird doch eine stärkere Kontextualisierung eingefordert.29 Luthers Bildungsverständnis lässt sich zum einen aus seiner Auseinandersetzung mit dem Humanismus 25 Vgl. Hartmut Bobzin, Der Koran im Zeitalter der Reformation. Studien zur Frühgeschichte der Arabistik und Islamkunde in Europa (Beiruter Texte und Studien 42), Beirut/Stuttgart 1995 (ND Beirut/Würzburg 2008), 159–275. 26 Vgl. Michael Basse, Einleitung, in: ders. (Hg.), Martin Luthers Dekalogpredigten in der Übersetzung von Sebastian Münster (Archiv zur Weimarer Ausgabe 10), Köln/Wien 2011, IX–XXVI, hier: XXI. 27 Vgl. Ehmann, Luther, Türken und Islam, a.a.O. (wie Anm. 23); Siegfried Raeder, Luther und die Türken, in: A. Beutel (Hg.), Luther Handbuch, a.a.O. (wie Anm. 1) 224–231, hier: 225–229. 28 Vgl. Wilfried Härle, Wahrheitsgewissheit als Bedingung von Toleranz, in: Christoph Schwöbel/Dorothee C. von Tippelskirch (Hg.), Die religiösen Wurzeln der Toleranz, Freiburg i. B. 2002, 77–97; Christoph Schwöbel, Christlicher Glaube im Pluralismus. Studien zu einer Theologie der Kultur, Tübingen 2003, 235ff; Michael Basse, Christentum und Toleranz. Die Geschichte einer ambivalenten Beziehung, in: Glaube und Lernen 26 (2011), 26–38, hier: 31. 29 Vgl. Markus Wriedt, Bildung, in: A. Beutel (Hg.), Luther Handbuch, a.a.O. (wie Anm. 1) 231–236.
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entfalten und ist zum anderen im Zusammenhang mit seiner Zweireichelehre zu betrachten. In Abgrenzung zum Humanismus resultiert das Sein des Menschen nach Luthers Auffassung nicht aus einem Bildungsprozess, sondern es wird allein durch die Rechtfertigung konstituiert.30 Trotz dieser Absage an das humanistische Bildungsideal und das ihm zugrundeliegende Menschenbild gab Luther aber das Bildungsprogramm des Humanismus nicht auf, vielmehr teilt auch er das humanistische Interesse vor allem an einer sprachlichen Bildung, die er in den Dienst sowohl der Kirche als auch der politischen Gemeinschaft gestellt sah. 7.
Luther und die Musik
Aus den vielfältigen kirchen- und kulturgeschichtlichen Ansätzen, Martin Luther in den unterschiedlichen Facetten seiner Persönlichkeit wahrzunehmen, resultiert auch die besondere Beachtung, die der Musik im Leben und Werk des Wittenberger Reformators geschenkt wird.31 Das Themenjahr ‚Reformation und Musik‘ innerhalb der Lutherdekade hat sich in dieser Hinsicht als besonders ertragreich erwiesen.32 Dabei korrelieren historische und gegenwartsorientierte Perspektiven nicht nur in der liturgischen Praxis, die sich an dem Stellenwert von Lutherliedern im evangelischen Gottesdienst ablesen lässt, sondern auch in der damit verbundenen Einsicht in die theologischen Dimensionen einer Verkündigung, in der auf ganz spezifische Weise ‚Herz und Mund‘ miteinander verknüpft sind. 8.
Luther und die Kunst
Neben der Kirchenmusik ist es auch die Kunst, deren Relevanz für die Geschichte der Reformation und die spezifische Ausprägung einer lutherischen Konfessionskultur zunehmend Beachtung findet.33 Zum einen geht es dabei um kulturgeschichtliche Aspekte der visuellen Vermittlung zentraler Inhalte reformatorischer Theologie und zum anderen um die grundsätzliche 30 Vgl. Karl-Heinz zur Mühlen, Glaube, Bildung und Gemeinschaft bei Luther, in: ders., Reformatorische Prägungen. Studien zur Theologie Martin Luthers und zur Reformationszeit, hg. v. Athina Lexutt/Volkmar Ortmann, Göttingen 2011, 199–209, hier: 206. 31 Vgl. Johannes Schilling, Musik, in: A. Beutel (Hg.), Luther Handbuch, a.a.O. (wie Anm. 1) 236–244. 32 Vgl. ders., Reformation und Musik. Zum Ertrag des Themenjahrs der Reformationsdekade 2012 – Ausstellungen und Neuerscheinungen, in: Luther 85 (2014), 194–203. 33 Vgl. Freya Strecker, Bildende Kunst, in: A. Beutel (Hg.), Luther Handbuch (wie Anm. 1), 244–249.
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Frage nach der Rolle und der Berechtigung der Bilder sowie anderer Kunstgegenstände im Kirchenraum. Letzeres hängt mit dem ‚Bilderstreit‘ der 1520er Jahre zusammen, als zunächst vor allem Andreas Karlstadt während Luthers Aufenthalt auf der Wartburg eine radikale Abkehr von der traditionellen Frömmigkeit forderte und sich deshalb auch für eine Entfernung aller Bilder aus den Kirchen einsetzte. Demgegenüber vertrat Luther die Auffassung, dass Bilder in den Kirchen weiterhin gestattet werden sollten, wenn sie der Veranschaulichung des Glaubens dienten, nicht aber jener Schaufrömmigkeit, wie sie in der römischen Kirche gepflegt wurde. Mit dem Bildtypus des Lehrgemäldes ‚Gesetz und Gnade‘, das vor allem Lucas Cranach d.Ä. geradezu programmatisch entworfen hat, konnte der Fokus auf Luthers Rechtfertigungslehre gerichtet werden.34 9.
Luther in ökumenischer Perspektive
Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil kam es insbesondere im Kontext des 450. Jubiläums der Confessio Augustana im Jahre 1980 zu einer Intensivierung des ökumenischen Dialogs, der dann nach langwierigen Vorbereitungen mit der Unterzeichnung einer Konsenserklärung zur Rechtfertigungslehre am 31. Oktober 1999 einen vorläufigen Höhepunkt fand. In diesem Zusammenhang wurde Luthers Theologie von römisch-katholischer Seite mit neuem Interesse wahrgenommen. Die interkonfessionelle Zusammenarbeit von Kirchenhistorikerinnen und Kirchenhistorikern, die sich mit der eingangs skizzierten Frage nach der Kontinuität bzw. Diskontinuität der Reformation(en) im Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit befassen, hat ihren Anteil an der ökumenischen Offenheit, mit der Martin Luther heute in der (Kirchen-) Geschichtsforschung betrachtet wird. Im Blick auf die Rezeption seiner Theologie sowohl in historischer als auch gegenwartsorientierter Perspektive ist grundsätzlich zu klären, inwieweit theologische Differenzen, die im 16. Jahrhundert scharf markiert wurden, für den Protestantismus der Gegenwart als überholt angesehen bzw. in hermeneutischer Hinsicht im Sinne einer Konsensökumene eingeebnet werden können oder vielmehr das konfessionelle Profil des Protestantismus ausmachen und deshalb auch im ökumenischen Dialog in Theologie und Kirche zur Geltung gebracht werden müssen.
34 Vgl. Heimo Reinitzer, Gesetz und Evangelium. Über ein reformatorisches Bildthema, seine Tradition, Funktion und Wirkungsgeschichte, Hamburg 2006.
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Eine spezifische Erweiterung der ökumenischen Perspektive erfuhr die neuere Lutherforschung durch Beiträge, die von dem finnischen Reformationshistoriker Tuomo Mannermaa verfasst bzw. angeregt wurden – hier wird die These vertreten, die Theologie Luthers weise eine Nähe zur theologischen Tradition der Orthodoxie auf, insofern die Erlösung des Menschen als dessen „Vergottung“ verstanden werde.35 Dieser Auffassung ist jedoch entgegengehalten worden, „daß Luther das Wort ‚deificare‘ samt Derivaten nur sehr spärlich gebraucht und sich auch in diesen wenigen Fällen keineswegs auf weitergehende Überlegungen zur Vergöttlichung des Menschen einlässt“.36 Die Frage, inwieweit es sowohl reformationsgeschichtlich als auch systematisch-theologisch fruchtbar sein kann, Verbindungen zwischen Luthers Theologie und der Orthodoxie weiter nachzugehen, ist damit allerdings noch nicht abschließend beantwortet. 10. Luther aus interkultureller Perspektive Die zunehmende Internationalisierung der Lutherforschung bringt nicht nur neue Fragestellungen und Akzentsetzungen mit sich,37 sondern zugleich wird in einer interkulturellen Perspektive auch nach der Wirkung Martin Luthers und seines Erbes gefragt und das erkenntnisleitende Interesse an einer Positionierung des Reformators „zwischen den Kulturen“ begründet.38 Dabei wird ein historisch-kulturwissenschaftlicher Zugang zu Martin Luther „jenseits einseitiger konfessioneller Vereinnahmungen und Frontstellungen“ gesucht, um demgegenüber die „vielfältigen Wahrnehmungen Luthers und des Luthertums in anderen Kulturen“ außerhalb Europas zur Geltung zu bringen39. Mit einem solchen rezeptionsgeschichtlichen Ansatz können aber nicht nur die globalen Wirkungen Luthers und des Luthertums 35 Vgl. Tuomo Mannermaa, Der im Glauben gegenwärtige Christus. Rechtfertigung und Vergottung. Zum ökumenischen Dialog (Arbeiten zur Geschichte und Theologie des Luthertums. Neue Folge 8), Hannover 1989; Risto Saarinen, Partizipation als Gabe: Zwanzig Jahre neue finnische Lutherforschung, in: Ökumenische Rundschau 57 (2008), 131–143. 36 Albrecht Beutel, Antwort und Wort. Zur Frage nach der Wirklichkeit Gottes bei Luther, in: ders., Protestantische Konkretionen. Beiträge zur Kirchengeschichte, Tübingen 1998, 28–44, hier: 32. 37 Vgl. Robert Kolb/Irene Dingel/Lʼubomír Batka (Hg.), The Oxford Handbook of Martin Lutherʼs Theology, Oxford 2014. 38 Vgl. Hans Medick/Peer Schmidt (Hg.), Luther zwischen den Kulturen. Zeitgenossenschaft – Weltwirkung, Göttingen 2004. 39 Dies., Einleitung – Von der Lutherverehrung zur konfessionellen Lutherforschung und darüber hinaus, a.a.O. (wie Anm. 38), 11–30, hier: 11f.
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in verschiedenen – in sich wiederum vielfältigen – Kulturen anderer Kontinente wahrgenommen werden, sondern auch Wechselwirkungen mit anderen Religionen, indem z.B. jüdische und islamische Lutherdeutungen in den Blick kommen.40 11. Luther im Religions- und Geschichtsunterricht Martin Luther gehört zu den Persönlichkeiten, die in fast allen Lehr- und Bildungsplänen des Unterrichtsfachs Evangelische Religionslehre Berücksichtigung finden, weshalb Person und Theologie Luthers auch in den Schulbüchern relativ ausführlich behandelt werden. Darüber hinaus gibt es aus neuerer Zeit Unterrichtsmaterialien, die auf dem Stand gegenwärtiger Religionspädagogik und Kirchengeschichtsdidaktik unterschiedliche, den jeweiligen Schulformen und -stufen angemessene Zugänge zum Thema ‚Martin Luther‘ eröffnen.41 Dabei werden die Ansätze der neueren Lutherforschung berücksichtigt, indem grundlegende – und auch problematische – Aspekte der Biographie und Theologie Luthers sowohl kontextualisiert als auch in einer systematischen Perspektive betrachtet werden. Eine ganz eigene Frage ergibt sich aus dem Vergleich der jeweiligen Thematisierung Luthers im Religionsunterricht einerseits und im Geschichtsunterricht andererseits, was nicht zuletzt für eine Kooperation beider Fächer zu bedenken ist. So sehr sich die (kirchen-)geschichtsdidaktischen Methoden gleichen, die in Schulbüchern und Unterrichtsmaterialien beider Fächer dargelegt und konkretisiert werden, so sehr können doch im schulischen Alltag die Geschichtsbilder differieren, die mit Martin Luther im Religionsunterricht und im Geschichtsunterricht verknüpft werden, zumal auch in der Beschäftigung der Allgemeinhistoriker mit Leben und Werk 40 Vgl. Christian Wiese, „Auch uns sei sein Andenken heilig!“ Idealisierung, Symbolisierung und Kritik in der jüdischen Lutherdeutung von der Aufklärung bis zur Schoa, in: H. Medick/P. Schmidt (Hg.), Luther zwischen den Kulturen, a.a.O. (wie Anm. 38), 215–259; Jan Slomp, Christianity and Lutheranismus from the Perspective of Modern Islam, a.a.O. 277–296. 41 Vgl. Marita Koerrenz: Der Mensch Martin Luther. Eine Unterrichtseinheit für die Grundschule, Göttingen 2011; Michael Wermke/Volker Leppin: Lutherisch – was ist das? Eine Unterrichtseinheit für die Sekundarstufe I, Göttingen 2011; Judith Krasselt-Maier: Luther: Gottes Wort und Gottes Gnade. Bausteine für den Religionsunterricht in der Sekundarstufe II, Göttingen 2012; Annette Adelmeyer/Siegfried Both: Luther entdecken. Ein Buch zum Stöbern und Nachschlagen, hg. v. Stiftung Luthergedenkstätten in SachsenAnhalt/Landesinstitut für Lehrerfortbildung, Lehrerweiterbildung und Unterrichtsforschung von Sachsen-Anhalt, Kropstädt 2005.
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Luthers eigene Schwerpunktsetzungen und Fragehorizonte zur Geltung kommen.42 12. Der Thesenanschlag und Luthers Rolle in der Erinnerungskultur des Protestantismus der Gegenwart Die symbolträchtige Bedeutung des Jahres 1517 für die Erinnerungskultur des Protestantismus hat in jüngerer Zeit noch einmal zu einer Forschungskontroverse in Bezug auf die Historizität des Thesenanschlags geführt, nachdem darüber bereits in den 1960er Jahren gestritten worden war.43 2007 wurde dann in der Thüringischen Universitäts- und Landesbibliothek Jena eine handschriftliche Notiz von Luthers Sekretär Georg Rörer wieder aufgefunden, die für die Authentizität des Thesenanschlags zu sprechen scheint, deren Quellenwert jedoch in der Forschung umstritten ist.44 Das ‚Lutherjahr‘ 2017 wirft – ebenso wie die Reformationsjubiläen vergangener Zeiten – Fragen nach den zeittypischen Merkmalen der vergegenwärtigenden Erinnerung an den Wittenberger Reformator auf: Welche theologischen und kulturpolitischen Zugänge zur Person und zum Werk Martin Luthers stehen im Vordergrund? Welcher spezifischen Ausdrucksformen bedient sich die Erinnerungskultur heute? Welche Institutionen und gesellschaftlichen Gruppen engagieren sich hierbei und von welchen Motiven bzw. Interessen werden sie bestimmt? Einen Beitrag zur innerkirchlichen wie auch gesamtgesellschaftlichen Wahrnehmung Luthers und seiner Wirkungsgeschichte leisten die jeweiligen Themenjahre zur sogenannten Lutherdekade, die von der EKD seit 2008 initiiert werden.45 In vielfältiger Form – mit Veranstaltungen, Publikationen, Projekten u.a. – wird hier Luthers Relevanz für den Protestantismus in Geschichte und Gegenwart thematisiert und auch problematisiert. Eine besonders anschauliche Ausdrucksform der Erinnerungskultur ist seit dem 19. Jahrhundert die Ausstellung in Museen. Wie stark insbesondere die Anziehungskraft des Lutherhauses in Wittenberg vom jeweiligen Zeit42 Vgl. Heinz Schilling, Martin Luther. Rebell in einer Zeit des Umbruchs, München 22013. 43 Vgl. Erwin Iserloh, Luther zwischen Reform und Reformation: der Thesenanschlag fand 3 nicht statt, Münster (1961) 1968; Heinrich Bornkamm, Thesen und Thesenanschlag Luthers: Geschehen und Bedeutung, Berlin 1967. 44 Vgl. Joachim Ott/Martin Treu (Hg.), Luthers Thesenanschlag – Faktum oder Fiktion (Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt 9), Leipzig 2008. 45 Vgl. http://www.ekd.de/themen/luther2017.html [Zugriff: 28.10.2014].
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geist und von politischen Umständen abhing, wird bereits an der Konzeption und dann auch an der Realisierung des Museums im 19. Jahrhundert deutlich.46 Hier zeigte sich ein regelrechter Reliquienkult, der dem ursprünglichen Anliegen der Reformation widersprach und sich aus den vielfältigen Intentionen einer nicht zuletzt konfessionell geprägten Erinnerungskultur erklärt, womit Anschaulichkeit gefördert, aber auch Verehrung erzeugt werden kann. Konzeptionelle Neuansätze, wie sie nicht nur im Lutherhaus zu Wittenberg, sondern auch in dem Museum ‚Luthers Elternhaus‘ in Mansfeld verfolgt wurden,47 spiegeln sich in entsprechenden Umbauten wider, die heutigen rezeptionsgeschichtlichen und museumsdidaktischen Grundsätzen entsprechen und dabei auch der Forderung einer Kontextualisierung Luthers nachkommen. ‚Erinnerungsorte‘ spielen auch darüber hinaus in der gegenwärtigen Konfessionskultur des Protestantismus eine wichtige Rolle. Im Blick auf Luthers Theologie und deren Bedeutung für die Gegenwart gilt es vor allem herauszustellen, dass hier „Theologie als Schriftauslegung“48 entfaltet wird und damit Zugänge zur biblischen Botschaft eröffnet werden, die der Selbstvergewisserung evangelischen Christseins dienen und zur kritischen Auseinandersetzung mit den Fragen unserer Zeit anregen. In dieser Hinsicht sind in erster Linie die christologisch begründeten „externen Relationen des Seins eines Christenmenschen“49 wahrzunehmen, die die Beziehung zu Gott einerseits und zum Nächsten sowie zur Welt andererseits bestimmen. Abstract The Reformation jubilee in 2017 especially gives cause to bring Martin Luther’s work and its historical influence into focus. In the newer research different key subjects become apparent which are discussed partly also con46 Vgl. Stefan Laube, Das Lutherhaus Wittenberg – eine Museumsgeschichte, mit einem Exkurs zur Sammlungsgeschichte von Uta Kornmeier, im Auftrag der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt (Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in SachsenAnhalt 3), Leipzig 2003. 47 Vgl. Gaby Kuper, „Ich bin ein Mansfeldisch Kind“. Zur neuen Dauerausstellung in Luthers Elternhaus in Mansfeld, in: Luther 85 (2014), 207–209. 48 Albrecht Beutel, Theologie als Schriftauslegung, in: ders. (Hg.), Luther Handbuch, a.a.O. (wie Anm. 1), 444–449. 49 Karl-Heinz zur Mühlen, Ausblick: Überlegungen zur bleibenden Bedeutung von Martin Luthers Theologie für die Gegenwart. Ein Beitrag zur Luther-Dekade bis 2017, in: ders., Reformatorische Prägungen, a.a.O. (wie Anm. 30) 341–355, hier: 354.
Michael Basse, Martin Luther
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troversially. These include the question about continuity or discontinuity of the Late Middle Ages and Reformation, about Luther’s political ethic and his attitude towards Judaism as well as towards Islam and about his historical influence with regard to the memory culture of Protestantism.
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