Gewaltentrennung im Rechtsstaat: Zum 300. Geburtstag von Charles de Montesquieu. Vorträge und Diskussionsbeiträge der 57. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung 1989 der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer [2 ed.] 9783428467976, 9783428067978

Daß dieser Tagungsband nach einigen Jahren vergriffen war, zeugt von der ungebrochenen Aktualität des Staatstheoretikers

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German Pages 184 Year 1997

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Gewaltentrennung im Rechtsstaat: Zum 300. Geburtstag von Charles de Montesquieu. Vorträge und Diskussionsbeiträge der 57. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung 1989 der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer [2 ed.]
 9783428467976, 9783428067978

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Gewaltentrennung im Rechtsstaat

Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 106

Gewaltentrennung im Rechtsstaat Zum 300. Geburtstag von Charles de Montesquieu Vorträge und Diskussionsbeiträge der 57. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung 1989 der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer

herausgegeben von

Detlef Merten

Zweite Auflage

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Gewaltentrennung im Rechtsstaat : zum 300. Geburtstag von Charles de Montesquieu ; Vorträge und Diskussionsbeiträge der 57. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung 1989 der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer I hrsg. von Detlef Merten. - 2. Aufl. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriftenreihe der Hochschule Speyer ; Bd. 106) ISBN 3-428-06797-5 NE: Merten, Detlef [Hrsg.]; Staatswissenschaftliche Fortbildungstagung (57, 1989, Speyer); Hochschule für Verwaltungswissenschaften (Speyer): Schriftenreihe der Hochschule . . .

1. Auflage 1989 Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0561-6271 ISBN 3-428-06797-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 I§

Inhaltsverzeichnis Vorwort des Herausgebers, Univ.-Prof. Dr. Dr. Detlef Merlen. Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Begrüßung durch den Rektor der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Univ.-Prof. Dr. Helmut Klages. Speyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Eröffnung. Ansprache des Ministerpräsidenten des Landes Rheinland-Pfalz, Dr. Carl-Ludwig Wagner. Mainz ................. . . . .....•............

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Problemfelder der Machtkontrolle Von Univ.-Prof. Dr. Reinhold Zippelius, Erlangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Montesquieu in seiner Zeit Von Univ.-Prof. Dr. Ulrich Muhlack, Frankfurt

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Montesquieu und die Entstehung des Grundgesetzes Von Univ.-Prof. Dr. Edgar Mass. Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

Die Zwischengewalten in der politischen Philosophie Montesquieus Von Prof. Dr. Michel Troper. Paris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Les corps intermediaires dans Ia philosophie politique de Montesquieu Par Prof. Dr. Michel Troper. Paris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Diskussion zu dem Referat von Michel Troper. Leitung: Univ.-Prof. Dr. Dr. Detlef Merten. Bericht von Assessorin Margit Ballweber . . . . . . . . . . . . . .

71

Gewaltenverschränkung zwischen Parlament und Regierung Von Univ.-Prof. Dr. Hans-Peter Schneider. Hannover . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

Diskussion zum Referat von Hans-Peter Schneider. Leitung: Univ.-Prof. Dr. Siegtried Magiera. Bericht von Assessor Mattias Niedobitek . . . . . . . . . . . . . .

91

Inhaltsverzeichnis

6

Gewaltentrennung im Rechtsstaat Von Univ.-Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier. Sielefeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

Verwaltung zwischen Gesetzgebung und Rechtsprechung Von Regierungspräsident Erwin Sch/eberger. Münster . . . . . . . . . . . . . . . . . .

115

Diskussion zu den Referaten von Hans-Jürgen Papier und Erwin Schleberger. Leitung: Univ.-Prof. Dr. Hermann Hili. Bericht von Assessorin Gerlinde Dauber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Die Kontrollfunktion der Verwaltungsgerichte Von Präsident des OVG Berlin. Univ.-Prof. Dr. Dieter Wilke, Berlin

135

Diskussion zum Referat von Dieter Wilke. Leitung: Staatsminister a. D .. Prof. Dr. Heribert Bicke/. Bericht von Regierungsrätin Barbara Sippl . . . . . . . . . . .

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Unsere Demokratie: Immer mehr Gewalten - immer weniger Kontrolle? Podiumsdiskussion unter Mitwirkung von Univ.-Prof. Dr. Hans Herbert von Arnim. Speyer, Dr. Wolf~ang Brix. Speyer. Prof. Dr. Drs. hc. Helmut Schlesinf!er. Frankfurt , Friedrich Wilhelm Freiherr von Seil. Köln, Univ.-Prof. Dr. Spiros Simitis. Wiesbaden. Leitung: Dr. Günther von Lojewski . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Verzeichnis der Referenten Univ.-Prof. Dr. Hans Herherr von Arnim, Hochschule Speyer Präsident Dr. Wolfgang Brix, Rechnungshof Rheinland-Pfalz, GerbartHauptmann-Straße 4, 6720 Speyer Univ.-Prof. Dr. Helmut Klages. Hochschule Speyer Intendant Dr. Günther von Lojewski, Sender Freies Berlin, Masurenallee 8, I000 Berlin 19 Univ.-Prof. Dr. Edgar Mass. Universität Köln, Romanisches Seminar, AlbertusMagnus-Platz, 5000 Köln 41 Univ.-Prof. Dr. Ulrich Muh/ack. Universität Frankfurt, Historisches Seminar, Gräfstraße 76, IV-V, 6000 Frankfurt Univ.-Prof. Dr. Hans-fürgen Papier, Universität Bielefeld, Juristische Fakultät, 4800 Sielefeld Regierungspräsident Erwin Schleberger. Bezirksregierung Münster, 4400 Münster Vizepräsident Prof. Dr. Drs. hc. Helmut Sch/esinger. Wilhelm-Epstein-Straße 14, 6000 Frankfurt 50 Univ.-Prof. Dr. Hans-Peter Schneider. Universität Hannover. Fachbereich Rechtswissenschaften, Hanomagstraße 8, 3000 Hannover Intendant a. D. Rechtsanwalt Friedrich Wilhelm Freiherr von Seil. FriedrichKari-Straße 105, 5000 Köln 60 Univ.-Prof. Dr. Spiros Simitis. Universität Frankfurt, Senckenherganlage 31, 6000 Frankfurt Prof. Dr. Michel Troper. 9, villa de Fontenay, 75019 Paris Ministerpräsident Dr. Cari-Ludwig Wagner. Staatskanzlei Mainz Präsident Univ.-Prof. Dr. Dieter Wilke, Oberverwaltungsgericht Berlin. Hardenbergstraße 21, I000 Berlin 12 Univ.-Prof. Dr. Reinhold Zippelius. Niendorfstraße 5, 8250 Erlangen

Vorwort zur zweiten Auflage Daß dieser Tagungsband nach einigen Jahren vergriffen war, zeugt von der ungebrochenen Aktualität des Staatstheoretikers Montesquieu. Seine Gewaltenteilungslehre, die 1998 - zweihundertundfünfzig Jahre nach dem ersten Erscheinen des "De I' esprit des lois" - ein Jubiläum feiert, hat bleibende Bedeutung, weil auch an der Schwelle zum 21. Jahrhundert Machtkonzentration im nationalen Staat wie im europäischen Staatenverbund bürgerliche Freiheit bedroht. Speyer, im Januar 1997

Detlef Merten

Vorwort

Montesquieu in seinem Studierzimmer hat nach einem Wort Oliver Wendeli Holmes' die Welt stärker beeinflußt als Napoleon auf seinem Thron 1• Und in der Tat: Frankreichs Vormacht ist vergessen, die Eroberungen des Korsen sind verloren, aber der "Esprit" des Barons von La Brede hat die Staaten verändert. Wenn sein 300. Geburtstag in das Jahr des "Bicentenaire" der Französischen Revolution fällt, so spiegeln sich in diesem doppelten Gedenken Vision und Wirklichkeit, Gedanke und Gestalt, Fanal und Fatum eines Jahrhunderts. Was als "Tugend durch (Gewalten-)Trennung" begann, wurde zur "Tugend durch Terror", und auf den Ruf nach Mäßigung der Macht antwortete deren Mißbrauch. Am Ende fielen den revolutionären Exzessen nicht nur die Ideen, sondern auch die sterblichen Überreste ihres frühen Wegbereiters zum Opfer. Hatte die Revolution anfangs Montesquieu gefeiert, sich zu Menschenrechten und Gewaltentrennung als Grundlage jeder Staatlichkeil bekannt, so ging sie in Massenmord durch Minderheiten und Gleichheit durch Guillotinierung unter. Napoleon unterschied sich dann in seinem Cäsarismus nicht vonjenem monarchischen Absolutismus, den der Aufklärer Montesquieu geistreich und beißend bekämpft hatte. Sein Credo, Gewaltenmonismus beschwöre Despotismus und nur Gewaltentrennung bewirke Freiheit, beeindruckte Friedrich den Großen, der sich fortan zum Prinzip fürstlicher Enthaltsamkeit vor Richterstühlen bekannte2 und Preußen gewaltfrei vom Verwaltungsstaat des aufgeklärten Absolutismus auf den Weg zum bürgerlichen Rechts- und Verfassungsstaat führte zum Mißbehagen jener Revolutionsschwärmer, die bis heute den Trampelpfad der Gewalt einem Sonderweg rechtzeitiger Reformen vorziehen und ausgebliebene Revolutionsgreuel immer noch als bleibendes Revolutionsdefizit empfinden. Da demokratischer Absolutismus nur für Utopisten ungefährlicher als monokratischer ist, hat auch im 20. Jahrhundert die Machtbegrenzung durch Machtbalancierung nicht an Aktualität verloren. Wer daher Montesquieu für "tot" hält 3 , zeigt nur, daß für ihn der Rechtsstaat (noch) nicht lebendig ist. Machen die 1 Der Ausspruch findet sich bei Gustav Radbruch, Oliver Wendeli Holmes, jetzt in: Gustav Radbruch, Gesamtausgabe, Bd. 16, Biographische Schriften, 1988, S. 139 f. unter Verweisung auf Catherine Drinker Bowen, Der Yankee vom Olymp, S. 229.

2 Hierzu Merten. Friedrich der Große und Montesquieu. Zu den Anfangen des Rechtsstaats im 18. Jahrhundert, in: Verwaltung im Rechtsstaat. Festschrift für Carl Hermann Ule zum 80. Geburtstag, hrsg. von Willi Blümel u.a., 1987, S. 187 ff. 3 Hiergegen zu Recht Manuel Fraga: .. MontesqiJieu no ha muerto", EI Par;, 6. 12. 1988, Extra, S. 8.

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Vorwort

Parteien heute "den Staat zur Beute" und breitet sich ihr Einfluß Jettfleckartig über nahezu alle staatlichen Institutionen" aus4 , so ist Machtkontrolle nötiger denn je. Montesquieus 300. Geburtstag war Anlaß, die 57. Staatswissenschaftliche Fortbildungstagung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer in der Zeit vom 15. bis 17. März 1989 unter dem Thema "Gewaltentrennung im Rechtsstaat" durchzuführen. Sie widmete sich der Rückbesinnung und dem Ausblick, Bleibendem wie Aktuellem. Referate, Diskussionsberichte und abschließende Podiumsdiskussion werden im folgenden abgedruckt. Detlef Merten

4 Richard von Weizsäcker. Wird unsere Parteiendemokratie überleben?. in: ders., Die deutsche Geschichte geht weiter. 1983. S. 156 f.

Begrüßung durch den Rektor der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Univ.-Prof. Dr. Helmut Klages

Meine sehr verehrten Damen und Herren, als Rektor der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer heiße ich Sie alle recht herzlich zum Beginn der diesjährigen Frühjahrstagung der Hochschule willkommen, die die offizielle Bezeichnung ,.57. Staatswissenschaftliche Fortbildungstagung" trägt. Ich bitte Sie um Ihre freundliche Nachsicht, wenn ich mich bei der namentlichen Begrüßung am heutigen Tage auf einen einzigen der Anwesenden konzentriere und beschränke. Ich begrüße mit besonderer Herzlichkeit den Ministerpräsidenten des Landes Rheinland-Pfalz, Herrn Dr. Car/-Ludwig Wagner. Sehr verehrter Herr Ministerpräsident, ich nehme an, im Namen aller Versammelten sprechen zu können, wenn ich Ihnen sage: Wir alle freuen uns darüber, daß Sie trotzstarker zeitlicher Belastungen- unter Inkaufoahme ungewöhnlicher Transportbedingungen- zu uns gekommen sind, und wir sehen bereits jetzt der Eröffnungsansprache, die Sie anschließend halten, mit großen Erwartungen entgegen. Ich darf hinzufügen, daß es die Hochschule dankbar als ein Zeichen des Interesses und der Wertschätzung begrüßt, daß Sie so frühzeitig nach Ihrer Amtsübernahme den Weg nach Speyer gefunden haben. Ich fühle michangesichtsdessen dazu ermutigt, die Hoffnung und die Erwartung auszudrücken, daß wir uns unter Ihrer Obhut genauso wohlbehütet und verständnisvoll gefördert fühlen werden wie unter der Ihres Amtsvorgängers, dem wir ein freundschaftliches Andenken bewahren. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nochmals bekräftigen, daß ich es bei dieser einen namentlichen Begrüßung belassen möchte, obgleich mich angesichts der beeindruckenden Fülle der anwesenden namhaften Persönlichkeiten aus dem Bereich der Gerichtsbarkeiten, der Ministerien, der kommunalen Gebietskörperschaften, der Mittelinstanzen, der Sonderbehörden verschiedener Zweige und der Wissenschaft fast der Mut hierzu verlassen will. Ich begrüße dementsprechend auch die in diesem Augenblick bereits anwesenden Referenten der Tagung, ohne sie namentlich zu nennen, und danke ihnen vielmals für ihre Mitwirkung. Ich hoffe, daß Sie es mir nicht als Inkonsequenz ankreiden, wenn ich abschließend - natürlich ohne Namensnennung - den Herrn Oberbürger-

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Begrüßung

meister der Stadt Speyer sehr herzlich willkommen heiße, derjenigen Stadt also, die dieser weit nach außen geöffneten Hochschule von allem Anfang an ein wohltuendes heimatliches Umfeld geboten hat und auch weiterhin bietet. Verehrte Gäste, diese Tagung zum Thema "Gewaltenteilung im Rechtsstaat" ist von ihrem Initiator und wissenschaftlichen Leiter, von Herrn Kollegen Merten also, explizit mit dem 300. Geburtstag von Montesquieu in Verbindung gebracht worden. Für den Kenner der Dinge wird es allerdings klar sein, daß in diesen weit ausgespannten, tief in die Geschichte zurückgreifenden Jubiläumsbogen das uns zeitlich näherliegende Jubiläum der 40. Wiederkehr des Inkrafttretens des Grundgesetzes ganz unmittelbar einbezogen ist. Lassen Sie mich sehr direkt und unmißverständlich sagen, daß diese Tagung- jedenfalls im Rahmen der ersten Hälfte dieses Jahres- "den" Beitrag der Hochschule Speyer zu dem aktuellen Jubiläumsgeschehen darstellt, auch wenn dies nicht ganz so plakativ herausgestellt wird, wie dies andernorts getan worden ist und noch laufend getan wird. Blickt man auf das Programm dieser Tagung, dann erkennt man sofort, daß sie ganz zentrale Grundfragen derjenigen demokratischen Staatsform thematisiert, für die sich der Parlamentarische Rat - auf dem Hintergrund der Lehre Montesquieus - bei den Beratungen über das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland entschieden hat. Die sehr direkte Verbindungslinie, die sich von Montesquieu zum Bonner Grundgesetz ziehen läßt, besteht darin, daß in beiden Fällen im Zentrum des Demokratiekonzepts eine Absage an den Gewaltenmonismus im Interesse der bürgerlichen Freiheit steht, der das eindeutige Primat eingeräumt wurde. Aus diesem Grunde haben dieVäterdes Grundgesetzes auch - in frischer Erinnerung an das Dritte Reich- Montesquieu und seine Gewaltentrennungstheorie mehrfach zitiert und aus eben diesem Grunde hat die Gewaltentrennungslehre sowohl Eingang in die Länderverfassungen als auch in den Artikel 20 des Bonner Grundgesetzes gefunden, der die Staatsform der Bundesrepublik definiert. Im einzelnen kann man dem Protokoll der Verhandlungen in der zweiten Sitzung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates vom 30.11.1948 entnehmen, daß es zunächst der Abgeordnete Süsterhenn (CDU) war, der sich entgegen der Konzentration der Machtmittel bei einer einzigen Instanz dezidiert zugunsten des machtverteilenden Prinzips im Rahmen einer pluralistischen Staatsgestaltung aussprach. Aber auch der Abgeordnete Car/o Schmid (SPD) führte unter Hinweis auf die Gefahren des Machtmißbrauchs aus, daß die Staatsfunktionen der Gesetzgebung, der ausführenden Gewalt und der Rechtsprechung grundsätzlich in den Händen gleichgeordneter, in sich verschiedener Organe liegen sollten, damit sie sich gegenseitig kontrollieren und die Waage halten. Wie diese Zitate zeigen, befinden wir uns, meine Damen und Herren, mit der Thematik "Gewaltentrennung im Rechtsstaat" mitten in einem wesentlichen

Begrüßung

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und höchst entscheidungshaltigen Bereich der Begegnung zwischen der Tradition der Demokratietheorie und der Entstehung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Allerdings handelt es sich hierbei, wie gleich hinzugefügt werden muß, nicht nur um einen Bereich, der höchst interessante historische Bezüge sichtbar macht. Vielmehr kommt eben diesem Bereich auch eine denkbar aktuelle und keinesfalls unproblematische Bedeutung zu. Der Grundsatz der Gewaltenteilung, den Montesquieu in den Mittelpunkt seiner Demokratietheorie rückte und den die Väter des Grundgesetzes bekräftigen, wird zwar auch heute nach wie vor als ein Grundprinzip hoch gehalten, ohne daß man jedoch noch von seiner unangefochtenen faktischen Geltung sprechen könnte. Neue Entwicklungen einer "Gewaltenverschränkung" zwischen Parlament und Regierung fordern vielmehr zur Stellungnahme heraus, wobei die Alternative "Anpassung oder Widerstand" in Sicht kommt. Daß dieses Thema in dieser Tagung behandelt wird, liegt von daher gesehen auf der Hand. Die Stichworte der "Ämterpatronage" und des "Parteienstaates" machen allenthalben die Runde, und der gegenwärtige Bundespräsident Richard von Weizsäcker fühlte sich vor einiger Zeit zu der dramatisch formulierten Frage veranlaßt, ob der Staat gegenwärtig nicht vielleicht dabei sei, zu einer "Beute der Parteien" zu werden. Auf der anderen Seite werden aber auch Gefahren des "Verwaltungsstaats" und eines fortschreitenden Funktionsverlusts der Parlamente angesichts einer zunehmenden Macht der Exekutive mit nicht geringerem Nachdruck thematisiert, so daß einander durchschneidende Problematisierungsfronten erkennbar werden, in denen gegensätzliche Situationsinterpretationen zur Geltung gelangen. Perspektiven einer Weiterentwicklung der Demokratietheorie, wie sie in dieser Tagung unter verschiedenen Titeln angesprochen werden, erscheinen angesichts dieser Konkurrenz der Diagnosen als Desiderat, wobei sich insbesondere die Frage aufdrängen mag, ob es Möglichkeiten- oder vielleicht auch Erfordernisse- zu einer "zeitgemäßen" Neuformulierung des Gewaltenteilungsprinzips gibt. Meine Damen und Herren, da alle diese teils sehr erregenden Dinge in dieser Tagung behandelt werden, darf man sich von ihr optimistischerweise Beiträge von weiterführender Bedeutung erwarten. In diesem Sinne wünsche ich der Tagung, für deren Konzipierung, Vorbereitung und wissenschaftliche Leitung Herrn Kollegen Merten Dank gebührt, einen guten und fruchtbaren Verlauf.

Eröffnung Ansprache des Ministerpräsidenten des Landes Rheinland-Pfalz, Dr. Carl-Ludwig Wagner Sehr geehrter Herr Rektor, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf um Nachsicht bitten für die Verspätung, mit der ich gekommen bin. Ich hatte als stellvertretender Präsident des Bundesrates, der ich zur Zeit bin, in Bonn anwesend zu sein bei einem Anlaß in Zusammenhang mit dem Staatsbesuch des ägyptischen Präsidenten und konnte trotz Hubschrauberbenutzung nicht pünktlich hier sein. Ich danke Ihnen für Ihr Verständnis. Ich überbringe Ihnen und der Hochschule im Namen der Landesregierung und des Landes zu der diesjährigen Staatswissenschaftlichen Tagung meine herzlichen Grüße und Wünsche. Die Fortbildungstagungen der Hochschule haben nicht nur eine gute Tradition, sie haben vor allen Dingen einen hervorragenden Ruf. Und ich möchte die Arbeit und die wissenschaftliche Leistung ausdrücklich würdigen. Ich möchte auch unterstreichen, daß sich selbstverständlich an der Wertschätzung, der besonderen Hochachtung, in der ich die Hochschule stets gehalten habe, gar nichts geändert hat mit der Änderung meines Amtes. Ich werde dieser Hochschule nabestehen und ihr auch, soweit ich kann, behilflich sein in ihrer Tätigkeit, wie dies auch mein Amtsvorgänger, dessen Neigung hierzu mir bekannt ist, getan hat. Ich wünsche also der Hochschule weiterhin alles Gute. Das Land Rheinland-Pfalz ist auch ein wenig stolz darauf, diese Hochschule in seinen Grenzen zu beherbergen. Das Thema, das wir vereinbart haben, gehört in das Programm der Tagung und steht auch etwas außerhalb. Der Föderalismus war vor 250 Jahren kein Element der Gewaltenteilung. Wir sprechen also über etwas, was es in dieser Ausprägung jedenfalls zu Zeiten Montesquieus nicht gab- gedanklich nicht gab-, was aber in einem tieferen Sinne sicherlich mit dem Grundanliegen von Montesquieu in einem Zusammenhang steht.

Montesquieu ist 100 Jahre vor der Französischen Revolution geboren. Sein 300jähriges Jubiläum fällt mit dem etwas kürzeren, dem 200jährigen dieser Revolution zusammen. Und was er in ..L'esprit des lois" geschrieben hat, gehört bis heute zum wichtigsten Ideengut der Staatswissenschaft und der politischen Theorie. Es ist in die Gedankenwelt der modernen Entwicklungen, der Revolutionen und der modernen Verfassungen eingegangen. Und zu Recht wird also

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Montesquieu bis heute gewürdigt als Mitbegründer der modernen Anschauungen von Verfassungs- und Rechtsstaat.

Gewiß hat das Erbgut seiner Ideen inzwischen vielfachen Wandel erfahren. Sie haben, Herr Rektor, hierauf schon hingewiesen. Es ist auch richtig festzustellen, daß Montesquieu wohl nicht so sehr Systematiker war, wie das den Anschein haben kann. Gerade hierin, in dieser Nähe zur Realität liegt sicherlich auch ein großer Teil des Reizes seines Werkes. Seine Gedanken sind, ich sagte es, immer noch Kern des demokratischen Verfassungs- und Rechtsstaates. Dieser Kern hat sich als mächtiges Ideen- und Anregungsgut erwiesen für Rechts-, Verfassungs- und Staatsanschauungen in verschiedenen Zeiten und verschiedenen Situationen. Montesquieu war, Sie wissen es, kein Demokrat oder Republikaner. Was den Staatsaufbau und die Staatsentwicklung betraf, waren für ihn die Republiken der klassischen Antike, Athen und Rom, das wichtigste AnschauungsmateriaL Beobachtungsgegenstand waren die absoluten Monarchien oder gemäßigten Monarchien seiner Zeit, ferner die Republiken in Italien, der Schweiz und den Niederlanden. Ich habe im Zusammenhang mit dieser Ansprache noch einmal ein bißchen geschnuppert im ,.L'esprit des lois". Seine sehr klare Frontstellung gegen die Zustände mangelnder Freiheitlichkeit und mangelnden Rechtsschutzes in den italienischen Republiken, in den Stadtrepubliken Italiens, in denen er weniger Freiheit und weniger Rechte der einzelnen sah als in den meisten Monarchien seiner Zeit, ist übrigens bezeichnend.

Es ist bemerkenswert, auch daran werden sich die meisten von Ihnen erinnern, daß im 6. Kapitel des 11. Buches England und die Engländer nur knapp, eher nebenbei, erwähnt werden, wenn auch die Überschrift des Kapitels lautet: "Oe Ia constitution de I'Angleterre". Montesquieu hatte also mehr eine abstrakte Vorstellung von den öffentlichen Gewalten am Beispiel Englands formuliert als eine Beschreibung der englischen Wirklichkeit gegeben. Er sagt sogar selber: "Ich prüfe nicht, ob die Engländer gegenwärtig diese Freiheit genießen oder nicht, es genügt mir zu sagen, daß sie von ihren Gesetzen eingerichtet ist, und mehr forsche ich darüber nicht nach." Ob das nun wieder die Sache so richtig wiedergegeben hat, ob die Freiheit der Engländer damals von ihren Gesetzen eingerichtet war oder nicht vielmehr doch in ihrer Praxis, wollen wir offen lassen. Man kann deshalb mit Grund fragen, wie präzise eigentlich das, was vereinfacht als Montesquieus Lehre von der Gewaltenteilung in Schulen, auch Hochschulen, gelehrt wird, seine Vorstellungen wirklich wiedergibt. Man kann fragen, ob er nicht mehr der Rationalist des Gesetzesstaates ist, der das überkommene, vielfältig gegliederte Gebäude der Staatsführung im 18. Jahrhundert durch das Element der Vernunft reorganisieren wollte. Machen wir den Sprung zur Gegenwart: Wie steht es nun heute mit der Teilung der Gewalten in der Theorie, im Gesetz und in der Wirklichkeit? Absolute Macht, wie sieMontesquieu vorfand und wie

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er sie bändigen wollte, war trotz allem Absolutismus letztlich wertbezogen und religiös gebundene Macht. Erst der moderne Totalitarismus hat ein Denken freigesetzt, das es erlaubte, Machterwerb, Machtbesitz und Machtausübung frei von moralischen oder religiösen Bindungen an politische Ziele, an soziale Utopien oder revolutionäre Umwälzungsideologien zu binden. Montesquieu hat sich das Ausmaß an Tyrannei und Unfreiheit, das etwa in unserem Jahrhundert in vielen Ländern entstanden ist, nicht träumen lassen. Es ist diese Befreiung oder die Lösung von Bindungen weltanschaulicher, den Menschen vorgegebener Art, die uns um so stärker verpflichtet, nach Machtbegrenzung zu suchen. Es ist doch so, daß vieles von dem, was in unseren Grundrechtskatalogen steht, in früheren Jahrhunderten zwar nicht immer Beachtung gefunden hat, aber irgendwo doch als Hintergrund, auch des Handeins der Mächtigen, vorhanden war. Und das, was im Grundgesetz steht, daß die Grundrechte vorgegeben sind und sie die staatliche Gewalt binden, daß sie also nicht geschaffen sind vom Verfassungsgesetzgeber, sondern von ihm nur vorgefunden, formuliert, anerkannt werden, das ist früher so nicht gesagt worden, aber es war innerlich doch vorhanden, wenn es auch sicherlich nicht immer respektiert wurde. Jedenfalls war diese Bindungslosigkeit, das Gefühl alles sei erlaubt, wenn es nur der rechten Sache diene, nicht Sache früherer Jahrhunderte. Deswegen ist die Teilung der Gewalten auch heute ein fundamentales Prinzip, ein noch fundamentaleres als früher. Wir haben in Deutschland Gewaltenteilung. Wir haben sie in doppelter Hinsicht: Bei der Teilung der Ausübung der zentralen Gewalten und eben durch unseren Föderalismus. Ein paar Worte zu der Verwirklichung der Gewaltenteilung im Zentralstaat, bei uns oder im modernen Staat. Jeder weiß, daß die reine Gewaltenteilung nicht nur Einbrüche erlitten hat, sondern daß sie mit den parlamentarischen Demokratien im Kern nicht übereinstimmt. Im Kern setzt ja Gewaltenteilung voraus, so scheint mir jedenfalls, daß die beiden wichtigsten Gewalten oder die beiden außer der Rechtsprechung zunächst existierenden Gewalten eigene Legitimationsursprünge haben müssen. Es muß also die Legislative einen Ursprung haben und die Exekutive einen anderen. Genauso verhält es sich in den parlamentarischen Demokratien aber nicht, sondern es ist das Parlament, das die Exekutive erzeugt. Selbstverständlich ist heute die Existenz einer Exekutive, die aus anderen als demokratischen Grundlagen hervorgeht, nicht mehr gut vorstellbar. Aber es ist gleichwohl - wie man am amerikanischen Beispiel sieht - die Existenz einer von der Legislative unabhängigen Exekutive vorstellbar, nämlich dann, wenn die Exekutive aus der direkten Volkswahl hervorgeht. Etwas, was wir im kleinen, bescheideneren, kommunalen Rahmen, etwa bei uns in der Bundesrepublik Deutschland, durchaus vorfinden, ist, daß dort, wo die Oberbürgermeister vom Volk gewählt werden, also nicht aus dem Rat hervor2 Speyer I01i

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gehen, sie eine entsprechend selbständige Position gegenüber dem Rat besitzen und, wie man an vielen Beispielen sieht, auch in Anspruch nehmen. Es gibt dagegen in parlamentarischen Demokratien, die ja das System der europäischen Demokratie sind,- mit gewissen Variationen in Frankreich, weil man im französischen gegenwärtigen System sicherlich eine Art von Zwischensystem zwischen der europäischen parlamentarischen Regierungsform und der Präsidialdemokratie der Amerikaner sehen muß, - also in diesem in Europa im großen.und ganzen vorherrschenden parlamentarischen System nicht nur gewisse Verscqränkungen und Beziehungen zwischen Legislative und Exekutive, sondern es gibt eine weitgehende Übereinstimmung. Es handelt sich ganz gewiß um unterschiedliche Verfassungsorgane, und das hat auch weiter seine Bedeutung und soll sie auch behalten. Vielleicht muß man danach fragen, ich komme noch darauf, ob man dies nicht ein bißeben besser wieder herausarbeiten müßte. Aber zunächst ist wahr, daß in einer parlamentarischen Demokratie die Mehrheit des Parlamentes mit der von ihr gestellten Regierung die eine Seite ist und die Minderheit des Parlamentes die andere. Und daß die Trennungslinie oder die Scheidelinie oder die Gegensatzlinie eben nicht zwischen dem Parlament und der Regierung verläuft, sondern zwischen der Mehrheit und ihrer Regierung auf der einen Seite und der Opposition, der Minderheit, auf der anderen Seite. Das ist, glaube ich, der Kernbestand, und das ist mehr als nur ein kleiner Einbruch in die Gewaltenteilung. Das ist im Grunde genommen schon das Gegenteil von Gewaltenteilung. Es bleibt dabei, daß es sich bei Regierung und Parlament, auch parlamentarischer Mehrheit, um unterschiedliche Verfassungsorgane handelt, und daß sich hieraus auch politische Konsequenzen ergeben können und häufig auch ergeben. Aber diese Grundtatsache müssen wir, glaube ich, sehen. Und sie entspricht ja auch den Grundüberzeugungen der großen Mehrheit in unseren europäischen Staaten und offenkundig auch dem faktischen Willen eben dieser Mehrheiten. In vielen Einzelregelungen andererseits halten wir am Modell der Gewaltenteilung fest. Viele Regelungen unseres Staatsaufbaus sind von ihr bestimmt. Zum Beispiel würde man wohl sagen, daß die Inkompatibilität zwischen Abgeordnetenmandat und Beamtentätigkeit von der Gewaltenteilung her bestimmt ist, daß die eigenständige Kompetenz der Regierung, ihre Angelegenheiten und die Organisation der Verwaltung selbst zu regeln, davon bestimmt ist. Eine Kompetenz, die die Regierungen auch im Allgemeinen mit gutem Grunde und mit gutem Rechte durchaus behaupten und die sie häufig behaupten müssen gegen eine Tendenz auch seitens der gesetzgebenden Gewalt, sich mehr und mehr in Angelegenheiten der Exekutive hineinzubegeben. Übrigens beruht das zu einem erheblichen Teil auf Gegenseitigkeit. Wirstellen fest, daß Parlamente in wachsendem Umfange die Exekutive beeinflussen wollen bei der Umsetzung. Und zwar in einem Umfang, der über das hinausgeht, was man das Kontrollrecht nennt. Kontrollrecht steht ja in allen Verfassungen. Aber das geht zum Teil doch etwas weiter. Und die Regierungen sehen das im allge-

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meinen nicht gerne, und sie widersetzen sich ihm und, wie ich meine, auch mit Recht. Andererseits steht dem die Tendenz gegenüber, daß die legislative Gewalt auch durch die Verfügung über die Mehrheitsfraktionen zum Vollzugsinstrument der Vorhaben der exekutiven Gewalt werden könnte. Es kommt also sehr stark darauf an, wer den Ton angibt. Es gibt diesen Zusammenhang zwischen Mehrheit und Regierung. Und Mehrheit und Regierung müssen geschlossen handeln. Sie können sich nicht feindlich gegenüberstehen. Sie können es sich politisch auch nicht leisten, miteinander in Fehde zu liegen, zumindest nicht permanent oder nachhaltig oder in wichtigen Fragen. Also müssen sie zusammen handeln! Und dann ist natürlich die Frage, wie kriegt man das hin? Wer gibt letztlich die Tonlage an? Vollzieht das Parlament mehr das, was die Exekutive ausdenkt oder ist umgekehrt das Parlament der Ideengeber und Willensträger und die Regierung setzt um? Das hängt häufig auch von Personen ab und kommt in ganz reiner Form eigentlich selten in der einen oder anderen Weise vor. Selbstverständlich ist, daß eine Regierung, die sich darauf verweisen ließe, nur Linien, Gedankenkonzeptionen umzusetzen, die im Parlament aufgearbeitet werden, den Namen Regierung nicht verdiente, ihren Aufgaben nicht gerecht würde und sicherlich auch kein langes Leben haben würde, dann wohl auch zu Recht. Natürlich gehört es zur Regierungstätigkeit, selbst Konzeptionen zu haben. Wie weit man mit ihnen kommt, ist dann eine andere Frage, aber wenn man keine hat, kann man natürlich auch nicht weit kommen. Die Verschränkung ist also die Regel. Das äußert sich in vielen Kleinigkeiten.

Es ist auch in Rheinland-Pfalz üblich, aber ich glaube, daß auch sonst Frak-

tionsvorsitzende der Regierungsfraktionen an den Kabinettsitzungen teilnehmen. Mit der reinen Gewaltenteilung ist das sicherlich nicht vereinbar. Andererseits gehören die meisten Mitglieder der Regierung dem Parlament an und auch einer der Mehrheitsfraktionen- der Mehrheitsfraktion, wo es nur eine ist,und wirken in diesen Fraktionen mit. Sehr vieles wird vorabgestimmt und muß auch vorabgestimmt werden, so daß also in der praktischen Politik vieles anders aussieht und sich Vorgänge ereignen, die sich rechtlich relativ schwer fassen lassen, die vielleicht als Gegenstand der politischen Wissenschaft interessanter sind als Gegenstand reiner Rechtsfragen. Inwieweit hat diese politische Handlungseinheit von parlamentarischer Mehrheit und Regierung negative Folgen? Zwar steht die oberste Ebene parlamentarischer Handlungsweise, die Gesetzgebung, als Hauptaufgabe im Vordergrund, in der Bundesrepublik Deutschland jedenfalls im Zentralstaat. In den Ländern ist das eine andere Sache. Aber andererseits geht eben das Parlament, und das gilt nun vor allen Dingen für die Länder, in einem wachsendem Umfang auch in den Gesetzesvollzug hinein. Und dies kann auch zu Schwerfalligkeit, kann vielleicht sogar auch zu komplizierten Regelungen führen, die man eben gerade eigentlich nicht will. 2•

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Alles in allem ist aber klar, daß das, was wir als parlamentarisches System haben, im Grunde genommen das Ergebnis einer langen rechtsstaatliehen und demokratischen Entwicklung ist und so auch weiter gewollt wird. Ob wir innerhalb dieses Grundsystems zu einer klareren Distinktion der Gewalten und ihrer Aufgaben und Kompetenzen kommen könnten, ist natürlich eine wichtige Frage. Es ist sehr stark eine Frage etwa des politischen Stils. Insoweit halte ich sie schon für bedeutsam. Es ist im Zusammenhang mit den Ihnen bekannten Ereignissen in Schleswig-Holstein diese Frage ja sehr akut geworden. Nämlich, ob es vertretbar und in welchem Umfange es vertretbar und richtig ist, daß Politiker, die ein Regierungsamt haben, Ausübungen dieses Regierungsamtes nicht hinreichend trennen von Ausübungen von Parteiämtern. Das mag zum Teil formalistische Züge haben, was da so gesagt wird. Denn natürlich kann etwa ein Ministerpräsident, der Parteivorsitzender ist, - der Redner, der gerade zu Ihnen spricht, ist dies ja nicht- aber auch wenn er nicht Parteivorsitzender ist, nicht gut seinen Kopf in zwei Hälften teilen und die eine ist die Parteihälfte und die setzt er nicht in Betrieb, wenn er gerade in der Staatskanzlei sich aufhält und umgekehrt. Das kann ja nicht sein. Aber es hat natürlich etwas für sich, wenn dies formal in den Abläufen, in der verwaltungsmäßigen Organisation klar auseinandergehalten wird. Wenn z. B. auch in der Finanzierung und bis hin zum Dienstbriefbogen, also bis hin zur äußerlichen Kennzeichnung deutlich wird, daß eben Staat und Partei, auch Staat und Parlament, zwei verschiedene Dinge sind. Damit zerstört man nicht den Zusammenhang, den beide haben. Aber ich glaube, man sollte die Verantwortlichkeit klarstellen. Das erwarten übrigens auch die Bürger. Und sie machen schon klare Unterschiede zwischen dem Inhaber eines Staatsamtes, an das sie andere Maßstäbe der Objektivität und der Verantwortung anlegen als an jemanden, der sich ausschließlich in einer Partei betätigt. Das ist die Einstellung unserer Bürgerinnen und Bürger, und ich glaube, sie hat durchaus auch ein gesundes Fundament. Alles in allem kommt man zu dem Ergebnis, eine wirkliche Gewaltenteilung, eine wirkliche Teilung der Gewalten zwischen Regierung und Parlament ist in der parlamentarischen Demokratie nicht vorhanden. Hier ist das Phänomen des Zusammenfallens jedenfalls das stärkere gegenüber den Phänomenen des Auseinanderhaltens und des Trennens. Eine andere Frage ist, inwieweit sich Gegengewichte ergeben im zentralen Bereich. Etwa durch das Vorhandensein einer parlamentarischen Opposition. Ich bin der Meinung, daß im Bezug auf Machtbegrenzung das Vorhandensein einer parlamentarischen Opposition, wenn diese stark und aktiv ist, heute bedeutsamer ist, als etwa die verfassungsrechtliche Teilung von Regierung und der sie tragenden Mehrheit. Es gibt also durchaus auch Elemente der Machtteilung und der Machtbegrenzung im Zentralbereich unseres Staates.

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Nun gibt es aber einen weiteren Punkt. Es gibt die Stellung der Länder, die unser Grundgesetz vorsieht. Das Grundgesetz war damit nicht grundlegend neu. Der Föderalismus liegt in der deutschen Tradition. Er war in der Weimarer Republik ebenfalls noch vorhanden, wenn auch sehr geschwächt. Insbesondere war das Recht der Mitwirkung der Länder an den Aufgaben des Reiches sehr begrenzt im Vergleich zu heute und im Vergleich zu früher, etwa zum Kaiserreich. Aber immerhin, es gab auch in der Weimarer Republik noch Föderalismus. Gegenwärtig haben wir einen recht ausgeprägten Föderalismus. Wir haben eine grundlegende Vermutung der Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern, wenn auch über die Zuweisung des Grundgesetzes die wichtigsten Materien letztendlich beim Bunde gelandet sind. Wir haben eine Mitwirkung der Länder bei der bundesstaatliehen Gesetzgebung samt Teilhabe an der Finanzhoheit und Mitentscheidung in den Finanzfragen, eine sehr wichtige Sache. Der deutsche Föderalismus zeichnet sich dabei, wenn ich es richtig sehe, gegenüber demjenigen in anderen Staaten dadurch aus, daß die Mitwirkung der Länder an der Zentralgesetzgebung besonders ausgeprägt ist. Und zwar nicht so sehr dadurch, daß die Eigenständigkeit der Länder und namentlich ihre Befugnis zu eigener Gesetzgebung besonders stark ausgeprägt wäre. Es ist leicht zu sehen, daß etwa in den Vereinigten Staaten die Kompetenz der Einzelstaaten zur Gesetzgebung deutlich stärker ist als in unseren Ländern. Das Recht, Steuern zu .heben, steht den amerikanischen Einzelstaaten weitgehend zu. Und man findet sich auch mit gewissen Unterschieden ab, und es gibt eben die Bundessteuern, und es gibt die Steuern der Einzelstaaten. Man findet es selbstverständlich, daß es dafür auch unterschiedliche Verwaltungen gibt. Es gibt eine Bundesfinanzverwaltung, die die Bundessteuern erhebt, und eine Staatenfinanzverwaltung, die Staatensteuern erhebt. Wenn bei uns der Zoll eine Bundeseinkommensteuer erheben würde, hätte er eigene Behörden überall, und die Finanzämter beschäftigten sich nur mit den Steuern, die den Ländern zufließen. Und auch sonst wird in den zentralen Fragen, etwa des Strafrechts bis hin zur berühmten Todesstrafe, die ja so oder so geregelt sein kann, aufSchritt und Tritt sichtbar, daß die Befähigung oder die Kompetenz der amerikanischen Staaten zur Gesetzgebung, also ihre legislative Selbständigkeit, deutlich ausgeprägter ist als die unserer Länder. Andererseits ist eine Mitwirkung der amerikanischen Einzelstaaten an den Angelegenheiten des Zentralstaates, also der Union, sehr schwach ausgeprägt. Sie ist kaum vorhanden, eine Stellung, wie diejenige unseres Bundesrates ist nicht denkbar. Und bei uns geht dies noch weit über den Bundesrat hinaus. Man kann doch wohl sagen, daß die Landesregierung und daß etwa die Ministerpräsidenten - Bundesrat hin oder her - in dieser engen Bundesrepublik auch bei den Angelegenheiten des Zentralstaates ein Wort mitreden und zwar kein kleines. Und wenn sie sich gelegentlich alle einig sind, dann wird möglicherweise ein sehr gewichtiges Wort gesprochen. Das hängt mit vielen Dingen zusammen, mit dem

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deutschen Staatsgefühl, mit dem Gewicht, das Länder- und Landeschefs und Landesregierung haben, damit, daß die Chefs der Länderregierungen im allgemeinen in ihren jeweiligen Parteien, auch auf dem Bonner Level, eine gewisse Rolle, manchmal eine erhebliche Rolle spielen. Mit alldem hängt das zusammen. Unser Föderalismus ist also geprägt durch relativ starke, zentripetale Funktionen, das heißt solche, die auf eine Teilhabe an der Zentralgewalt zielen. Dennoch enthält er auch ein erhebliches, gegenüber den Vereinigten Staaten zwar zurückbleibendes, aber doch beachtliches Maß an Autonomie der Einzelstaaten, auch was die Finanzverfassung angeht. Sie ist immer ein schöner Indikator. Vielleicht überschätze ich sie als früherer Finanzminister in ihrer Bedeutung. Aber man tut ganz gut, sich die Finanzverfassung einmal anzusehen, und nicht nur die Verfassung, sondern auch die Summen, über die geredet wird. Dann kommt man nämlich zur Erkenntnis der größeren Autonomie der amerikanischen Einzelstaaten in der Finanzgesetzgebung. Man kommt aber, wenn man die Finanzmasse betrachtet, die von den Einzelstaaten verwaltet wird, im Vergleich zur Finanzmasse der Union zum Ergebnis, daß unsere Länder in der Betrachtung wieder bedeutend stärker werden. Denn unsere Länder verfügen zusammen ungefähr über eine Finanzmasse, die derjenigen des Bundes entspricht, was doch für eine erhebliche Dezentralisierung spricht, und die EntwickJung der letzten Jahre hat dies nicht geschwächt, sondern eher gestärkt. Der Bundesfinanzminister wird nicht müde, dies zu beklagen, wie man häufig lesen kann. Insoweit haben wir natürlich schon einen starken, doch wohl auch bewährten, jedenfalls auch einen funktionstüchtigen Föderalismus. Es gibt gar keinen Zweifel, daß das ein Element zusätzlicher Gewaltenteilung ist. Wenn man also nach dem Grundgedanken von Montesquieu fragt, nämlich nach seiner Forderung, es dürfe nicht alle Gewalt an einer Stelle konzentriert sein, dann trägt unser Föderalismus zur Realisierung dieses Grundgedankens sicherlich erheblich bei. Dies war auch nach dem Kriege ein Grund, warum man für ihn war, obwohl es da noch viele andere Motivationen gegeben hat. Unter anderem auch die Motivation der damaligen Besatzungsmächte, möglichst viel Föderalismus bei uns zu wollen. Dort allerdings in der Vorstellung, dann würde Deutschland nicht allzu stark werden, was damals erwünscht schien; eine Vorstellung, von der viele der damaligen Besatzungsstaaten heute meinen, daß man sich geirrt hat, daß nämlich ein Stück unserer Kraft vielleicht gerade nicht trotz des Föderalismus, sondern wegen des Föderalismus uns zugewachsen ist. Ich glaube, daß daran viel Richtiges ist. Der Föderalismus ist im großen und ganzen akzeptiert durch die Bevölkerung. Ich habe den Eindruck, daß diejenigen, die politisch interessiert sind, und über diese muß man ja vor allen Dingen bei einem solchen Thema sprechen, dem Bundesrat eine beachtliche Wertschätzung entgegenbringen. Der Bundesrat gilt als ein kompetentes, sachbezogenes Organ, in dem weniger zum Fenster hinausgeredet wird und weniger Polemik gemacht wird als sonst in Parlamenten. Diese Charakterisierungen treffen auch in einem

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gewissen Umfange zu. Das hängt natürlich auch damit zusammen, daß sich da die große politische Schlacht im allgemeinen nicht so abspielt und deswegen die Versuchung, sich entsprechend aufzuführen, geringer ist. Der Bundesrat ist zweifellos ein Organ, daß seiner Aufgabe im allgemeinen durchaus gewachsen ist. Er hat auch im europäischen Ausland den Ruf einer Kammer mit hohem qualitativem Standard. Es gibt ein Phänomen in den letzten 20 Jahren, von dem man fragen könnte, ob es nicht geeignet ist, diese Machtbalance, die durch den Föderalismus kommt, durch Entscheidungszentren in den Ländern zu einem Teil wieder in Frage zu stellen, weil auch hier Verschränkungen aufgebaut worden sind. Das ist das, was man die Form des kooperativen Föderalismus nennt, beginnend Ende der 60er Jahre und damals als eine der sehr großen Errungenschaften gefeiert, das heißt, die Vorstellung, daß die klare Abgrenzung, die klare Trennung von Landeskompetenzen und Landespolitik und Tun und Handeln in einem Lande und andererseits im Bunde, daß diese scharfe Trennung zu überwinden sei und daß man sich in wichtigen Dingen zusammentun müsse. Dieses Zusammentun ist eben nicht geschehen damals durch eine Übertragung von mehr Kompetenzen aus dem Bund, das ist zum Teil auch geschehen, aber weniger. Dies ergab sich dadurch, daß man für bestimmte wichtige Aufgaben eine Mischzone geschaffen hat, daß man also gesagt hat, es gibt besondere Gemeinschaftsaufgaben, es gibt auch Mitfinanzierung, aber vor allen Dingen gibt es Gemeinschaftsaufgaben und diese Aufgaben, die stehen dem Bund und den Ländern gemeinsam zu und die werden von ihnen gemeinsam wahrgenommen, gelenkt, geleitet, fixiert und auch gemeinsam finanziert. Diese Gemeinschaftsaufgaben haben sicherlich ihr Gutes gehabt, Agrarstruktur, regionale Wirtschaftsstruktur, Hochschulbau. Ob sie letztlich ein richtiger Weg waren, danach wird allerdings mehr und mehr gefragt, und daran wird auch mehr und mehr gezweifelt. Fest steht, daß durch diese Gemeinschaftsaufgaben eine Grauzone geschaffen worden ist. Sie zieht jedenfalls der Mitwirkung der Parlamente recht enge Grenzen. Im betreffenden Landtag muß natürlich gesagt werden, bestimmte Linien bezüglich einer Gemeinschaftsaufgabe müssen wir so oder so verfolgen, denn so ist das in dem interministeriellen Planungsausschuß von Bund und Ländern verabredet worden oder in anderen Gremien, wie Wissenschaftsrat, und was da alles mitwirkt. Weil dasselbe natürlich den Abgeordneten im Bundestag auch gesagt wird und weil innerhalb dieser Grauzonen natürlich auch klare Verantwortlichkeilen nicht so leicht festzustellen sind, wie man es sich wünschen sollte, ist das alles nicht so einfach. Dieser sehr pragmatische kooperative Föderalismus hat mancheSachfragen lösen helfen. Er ist aber in unserer Verfassung, wie ich glaube, eigentlich eher ein Fremdkörper und ist zumindest, wie es scheint, zur Nachahmung nicht empfohlen. Es ist also nicht gut, wenn wir auf die Suche gingen nach weiteren Feldern, wo wir einen kooperativen Föderalismus aufbauen können. Im Gegenteil: Es ist das Bestreben mehrerer Länder, auch des Landes Rheinland-Pfalz, aus diesen

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Grauzonen ein bißeben herauszukommen. Wenn schon nicht bei den großen Gemeinschaftsaufgaben, dann wenigstens doch bei anderen Mischfinanzierungen uns wieder zu lösen und wieder zu reinlicheren Entscheidungen zu kommen. Das ist bei einem Teil auch schon gelungen, etwa bei der Krankenhausfinanzierung, bei anderen nicht. Der Trend geht eher in die Richtung der Kritik oder in die Richtung, das zurückzuschrauben. Wie wird es mit unserem Föderalismus in Europa sein? Prinzipiell stellt die Europäische Gemeinschaft die innere Ordnung der Mitgliedstaaten nicht in Frage. Es gibt also gar keinen Zweifel, daß wir unsere innere Ordnung föderativ beibehalten können, und es gibt auch keine Frage, daß wir das wollen. Die Länder klagen nun trotzdem manchmal darüber, daß in ihre Kompetenzen eingegriffen wird vom Bund her. Dann entspinnt sich ein Streit, der relativ schwierig ist und bei dem die Länder entgegengehalten bekommen: Nun, wollt Ihr die Gemeinschaft oder wollt Ihr sie nicht? Und wenn Ihr sie wollt, dann müßt Ihr doch auch sehen, daß die Gemeinschaft Kompetenzen braucht. Dann muß der Bund Kompetenzen abgeben und dann könnt Ihr Länder doch auch nicht die Auffassung vertreten, bei Euch bliebe alles beim Alten. Ich sehe das im Prinzip anders, weil ich glaube, daß die Europäische Gemeinschaft allen Anlaß hat, sich auf solche Gegenstände zu konzentrieren, die einer zentralen Regelung bedürfen. Und nun ist die Frage, welche Gegenstände bedürfen einer zentralen Regelung auf europäischer Ebene? Da ist meine Antwort, das sind zweifellos sehr viel weniger Gegenstände, als die, die auf Bundesebene, also auf der Ebene unseres Nationalstaates, zentral geregelt sein müssen. Denn soweit geht ja die kühnste Vorstellung einer Europäischen Union bisher nicht, daß diese Europäische Union eine Kompetenzfülle auf sich vereinigen könnte, die derjenigen der Nationalstaaten entspricht, die also soweit ginge, daß sich in Bonn dann nichts mehr abspielte, sondern alles in Brüssel. Wenn das also richtig ist, und ich glaube, das ist richtig, dann fragt man sich, wo liegt die innere Notwendigkeit für die Europäische Gemeinschaft, nun auch noch auf Kompetenzen zuzugreifen, die bei uns in der Bundesrepublik Deutschland den Ländern zugehören. Und dabei beanspruche ich überhaupt keine Sonderrolle für die Bundesrepublik Deutschland, denn ich argumentiere nicht von unserem Staatsaufbau her, der anders ist als der in Frankreich,- also nach der Leitlinie, weil wir Länder haben und weil die eine Zuständigkeit haben, deswegen müßt Ihr in Brüssel oder in Straßburg Eure Hände da weglassen- nein, so nicht. Die Kompetenzverteilung zwischen Nationalstaaten und Gemeinschaft kann ja nur für alle Gemeinschaftsstaaten gleich sein. Die Argumentation lautet so, daß die Gemeinschaft sich auf die Gegenstände beschränken soll, die ihr gemäß sind und die sie braucht, und dabei handelt es sich gar nicht zufällig natürlich im Allgemeinen nicht um solche, die bei uns den Ländern zustehen. Das ist auch logisch, denn was in einem modernen Industriestaat, wie die Bundesrepublik Deutschland es ist, zwingend lebensnotwendig der zentralen Regelung bedarf, das ist bei uns auch zentral geregelt. Man kann im großen und

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ganzen sagen, die Entwicklung hat das herbeigeführt. Es ist auch klar, daß die Zwänge etwa bei der Rechtsordnung, beim Wettbewerbsrecht, beim Zivilrecht, bei der Finanzordnung, bei der Steuergesetzgebung, die dazu führen, bei diesen wichtigen zentralen Materien in dieser Bundesrepublik Deutschland einheitliche Regelungen zu haben, eben stark waren, und daß sie den jetzigen Zustand herbeigeführt haben. Da die Bundesrepublik Deutschland, die ein gut funktionierender Bundesstaat ist, die zentrale Zuständigkeit bisher nicht gebraucht hat, wird die Europäische Gemeinschaft in absehbarer Zeit, ich glaube, solange diejenigen, die hier sitzen, sich um Staats- und Europarecht Gedanken machen werden, auch nicht benötigen. Es mag nun so sein, daß in einem ganz konkreten Einzelfall es von dieser Regel mal eine Abweichung gibt, weil sich im europäischen Konsens oder aufgrundeiner Rechtstradition der anderen Mitgliedstaaten ein dringendes Bedürfnis nach europäischer Regelung ergibt. Aber das kann in der Tat nur die große Ausnahme sein. Deswegen komme ich zu dem Ergebnis: es muß durchaus möglich sein, und ich glaube, es ist möglich, daß wir diesen unseren Föderalismus auch als Machtbalance im Sinne von Montesquieu in die Europäische Gemeinschaft hineinbringen. In dem Sinne, daß die Europäische Gemeinschaft nicht nur selbst föderalistisch organisiert sein wird, nämlich bestehend aus nationalen Mitgliedstaaten und einer wie auch immer beschaffeneo Zentralgewalt, sondern auch den Mitgliedstaaten die Möglichkeit läßt, in sich dezentralisiert oder föderalistisch organisiert zu sein. Im übrigen nimmt man unser System mehr und mehr zum Beispiel und zum Vorbild. Andere Staaten, solche, die an sehr zentralistische Systeme gewöhnt sind, versuchen in ganz mühsamer Weise, sich davon zu lösen und zu mehr Regionalisierung zu kommen. Das ist ein Trend, der sehr klar erkennbar ist und der sich zu einem erheblichen Teil an der Situation in der Bundesrepublik Deutschland und am sichtbaren Erfolg dieser Ordnung der Bundesrepublik eben festmacht. Insoweit ist unser Föderalismus sicherlich dazu berufen und hat auch weiter die Chance, zu Machtgleichgewicht, Machtbalance, auch zu Abwehr von Extremismus und Radikalismus, zur Abwehrvon zu viel Radikalität bei der Durchsetzung politischer Ziele, Konzepte und Entscheidungen beizutragen. Und ich bin auch nach wie vor überzeugt davon , daß die Mehrheit unserer Bürger eine solche Politik des Maßes und der Gleichmäßigkeit und der Mitte wünscht, wenn auch neuerliche Wahlen scheinbar eine andere Botschaft mit sich gebracht haben. Das muß man erst einmallänger abwarten. Die Mehrheit wünscht Erhaltung von Standard und jenen Fortschritt, der notwendig ist, um diesen Standard zu erhalten. Sie wünscht auch, immer markanter, Rücksicht auf die Eigengesetzlichkeit und Notwendigkeit der natürlichen Lebensgrundlagen für die Menschen und die ethische Fähigkeit aller Verantwortlichen, keine Sache um ihrer selbst Willen, sondern jede Sache um der Menschen Willen zu tun, der Menschen Willen, die der Politik, aber auch der Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur anvertraut sind. Deshalb sind Machtübertragung durch Wahl und Repräsentation Herrschaft

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auf Recht und Zeit durch die Gewaltentrennung sowohl im Zentralstaat als auch, was uns angeht, zusätzlich durch die typisch deutsche Gewaltenteilung im Föderalismus gewährleistet. Dieser deutsche Föderalismus ist ein Beitrag zur Realisierung von Montesquieu 300 Jahre nach seiner Geburt.

Problemfelder der Machtkontrolle* Von Reinhold Zippelius

I.

Eine der interessantesten Fragen der Staatstheorie und vielleicht die praktisch wichtigste von ihnen lautet: Wie können im politischen Bereich ordnungstiftende Kräfte wirksam und zweckmäßig organisiert und zugleich gefährliche Machtzusammenballungen verhindert werden? Politisch relevante Macht bildet sich in einem lebendigen Gemeinwesen in vielen Bereichen und nimmt, wie ein Proteus, fortwährend neue Gestalten an. So entsteht das Problem wirksamer Machtkontrolle auf immer wieder neue Weise. Stichworte dafür sind die organisatorische Verteilung staatlicher Regelungskompetenzen, die Entflechtung und Ausbalancierung sozialer Gewalten, einschließlich der Medienmacht, und das internationale Gleichgewicht der Mächte. In allen Bereichen dient die Balance und Kontrolle der Gewalten einer Stabilität des Gesamtsystems und der Freiheitssicherung. An innenpolitische Stabilität dachte vor allem Po/ybios, als er im zweiten vorchristlichen Jahrhundert den Grund für die außenpolitischen Erfolge Roms in der römischen Verfassung zu finden glaubte 1, die in ausgewogener Weise Elemente des Königtums, der Aristokratie und der Demokratie in sich vereinige und dadurch Entgleisungen vorbeuge 2• So sei es der Vorzug einer gemischten Verfassung, daß "kein Teil über Gebühr mächtig werden kann und dadurch entartet, sondern die einzelnen Machtfaktoren so gegeneinander ausgewogen sind, daß keiner ein Übergewicht erhält und den Ausschlag gibt, daß sie vielmehr im Gleichgewicht bleiben wie auf einer Waage und die widerstreitenden Kräfte sich gegenseitig aufheben und der Verfassungszustand dadurch lange erhalten bleibt" 3• Eine außenpolitische Gleichgewichtsstrategie empfahl er zur Sicherung der außenpolitischen Handlungsfreiheit: Ein Gemeinwesen solle sich auf die Seite des Schwächeren schlagen, "damit es Übermächtigen nicht freisteht, jede ihrer Absichten widerstandslos durchzusetzen". Keinem dürfe man helfen, "eine solche Macht zu

* Karl Heinz Schwab zu seinem siebzigsten Geburtstag in freundschaftlicher Verbundenheit gewidmet. 1 Polybios. Historien, VI I. 2 Polybias (Fn. 1}, VI I ff. ·' Polybias (Fn. 1), VI 10.

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erwerben, daß man selbst seine vertragsmäßigen Rechte nicht mehr gegen ihn behaupten kann" 4 • Fast zweitausend Jahre später wurde in Westeuropa die Sicherung der Bürgerfreiheit zu einem der großen Themen der Politik: als Antwort auf den sich ausbreitenden Absolutismus. Auch die Gewaltenbalance wurde in den Dienst dieser Freiheitssicherung gestellt: Angesichts "der Schwäche der menschlichen Natur, die immer bereit ist, nach der Macht zu greifen", müsse man die Gewalt der Regierung dadurch ausbalancieren, daß man verschiedene Teile von ihr in verschiedene Hände legt, schrieb lohn Locke 5• Im Einklang damit standen ein halbes Jahrhundert später die Überlegungen Montesquieus: Es sei eine "ständige Erfahrung, daß jeder, der Macht besitzt, zu ihrem Mißbrauch neigt: Er geht so weit, bis er auf Schranken stößt" 6; um eine gemäßigte Regierung zu bilden, müsse man daher "die verschiedenen Gewalten miteinander verbinden, sie ordnen, mäßigen, zum Einsatz bringen, der einen sozusagen Ballast mitgeben, damit sie der anderen widerstehen kann"'. Die Mutter des liberalen Rechtsstaates heißt also Mißtrauen gegen die Machthaber. Nicht von ungefähr haben die Pessimisten unter den Staatsdenkern im Ergebnis die menschlichsten Staatsmodelle entworfen: Weil sie den Machtwillen und andere moralische Unzulänglichkeiten einkalkulierten, setzten sie diesen institutionelle Schranken und sorgten für Kontrollen, während die Optimisten der Macht der Vernunft und dem Gemeinsinn mehr zutrauen, als der nüchterne Betrachter es tun darf, und dadurch nicht selten der Bedrückung den Weg weisen. Seit der Marxismus, angesichts der sozialen Mißstände des frühindustriellen Zeitalters, das große Thema der Klassenherrschaft anschlug, hat sich das Mißtrauen gegen die Macht zunehmend auch gegen die sozialen Gewalten gewandt. Dabei richten sich heute die Kontrollüberlegungen weniger auf die Eigentümer des Großkapitals und mehr auf das Management, das über dieses Kapital disponiert, aber auch auf die Funktionäre der Parteien und Verbände, nicht zuletzt die Gewerkschaftsfunktionäre, die gemeinsam mit dem Industriemanagement durch Tarifverträge über die Lohn- und Arbeitsbedingungen breiter Bevölkerungsschichten und mittelbar auch über Preisentwicklung, außenwirtschaftliche Konkurrenzfahigkeit, Investitionsbereitschaft und die Schaffung oder Nichtschaffung von Arbeitsplätzen entscheiden. Nicht zuletzt sind die Massenmedien als oft unzureichend ausgewogene, bedeutende Machtfaktoren ins Blickfeld geraten. So fordert die sich wandelnde politische und gesellschaftliche Macht immer wieder neue Gegensteuerungen heraus. Dabei ist die Antwort auf eine neu in Erscheinung tretende Konzentration sozialer oder politischer Macht nicht Polybios (Fn. 1), I 83. s J. Locke. Two treatises of government, II § 107. 6 Montesquieu. De l'esprit des lois, XI 4. 7 Montesquieu (Fn. 6), V 14. 4

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immer in angemessener Weise mit rechtlichen Mitteln zu finden, sondern auch eine Frage politischer Kultur. Als Aufgabe und Kunst der Politik erscheint es insbesondere, lebendige Antagonismen, wie sie sich in jeder Gemeinschaft zwischen politischen und sozialen Kräften immer wieder bilden, zu kultivieren und ihnen mit politischen und rechtlichen Mitteln, etwa im Tarif-, Wettbewerbsund Medienrecht, das richtige Maß zu geben. Solche Kultivierung von Balancen, die sich im Laufe der historischen Entwicklung von selbst anboten, war einst der Weg, auf dem sich das englische System ausgewogener Gewalten gebildet hat: So ging der Kampf gegen die monarchische Gewalt dort nie dauerhaft darauf aus, diese zu vernichten und durch einen Parlamentsabsolutismus zu ersetzen, sondern nur darauf, der Regierungsgewalt Grenzen zu setzen und so die Übermacht eines Teiles zu verhindern und Konkurrenten im Spiel der politischen Kräfte zu schaffen. Mutatis mutandis erscheint dies auch heute noch als ein gangbarer Weg. So sollte man - um nur zwei Beispiele vorwegzunehmen - das innerhalb der Exekutive entstandene Kräftespiel zwischen der politischen Spitze und einem parteipolitisch neutralen Beamtenturn kultivieren, statt es seitens der Parteien durch Ämterpatronage zu ruinieren; auch wäre es an der Zeit, die öffentlichen Rundfunkanstalten stärker als eigenständige Kräfte auszugestalten und vom Parteieneinfluß abzukoppeln. II.

Nach diesen grundsätzlichen Bemerkungen darf ich kurz auf einige aktuelle Fragen der Machtkontrolle in den Bereichen der Staatsorganisation, der sozialen Gewalten und der internationalen Beziehungen eingehen. 1. Die Funktionenteilung im Gefüge der Staatsorgane

Im staatsorganisatorischen Bereich sind die Gewalten nicht streng nach dem klassischen Schema geteilt, und zwar historisch gesehen von Anfang an nicht. Was "Gewaltenteilung" unter dem Grundgesetz bedeutet, ist in erster Linie aus den vom Grundgesetz selbst vorgenommenen Kompetenzenzuweisungen zu entnehmen. Die Verfassung ist nicht verletzt, solange die in ihr vorgesehene Verteilung der Gewichte zwischen den Gewalten aufrecht erhalten bleibt, keine Gewalt ein von der Verfassung nicht vorgesehenes Übergewicht über eine andere Gewalt erhält und keine Gewalt der Zuständigkeiten beraubt wird, deren sie zur Erfüllung ihrer typischen Aufgaben bedarf8 • Im Parteienstaat ist aber wenigstens auf ein Problem der Gewaltenteilung kurz einzugehen, nämlich auf den "Übergriff' der jeweils stärksten Parteien über Regierung und Parlamentsmehrheit: Dieser hat bekanntlich dazu geführt, daß die parlamentarische Kontrolle faktisch weitgehend auf die Opposition übergegangen ist. Deren Wirkungschancen 8

BVerfGE 9, 279 f.; 34, 59 f.

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beruhen im wesentlichen auf dem Grundsatz "Wahltag ist Zahltag", also darauf, daß sie mit ihrer Kritik und ihrem Angebot an Alternativen laufend mit der Regierungspartei um künftige Wählerstimmen konkurriert, womit sie eine zwar subtile, aber durchaus wirksame Kontrolle des Regierungshandeins ins Werk setzt. Eine andere, gleichfalls etwas verborgene, aber faktisch wirksame Balance hat sich ferner mit der wachsenden Bedeutung des bürokratischen Apparates herausgebildet, eine Balance, deren Zäsur unterhalb der Kabinettsebene verläuft9. Die Konfrontation zwischen der politisch neutralen Bürokratie und der politischen Spitze, der Dialog zwischen dem letztlich entscheidungsberechtigten Minister und seinen Fachbeamten, sollte nach dem Willen der Verfassung (Art. 33 Abs. 2 und 5 GG) zu einer sachdienlichen Abklärung der Entscheidungen führen: Der Berufsbeamte bringt, idealtypisch gesehen, ein anderes Entscheidungsverhalten in den Entscheidungsprozeß ein als der Politiker. Seine von der Verfassung vorgesehene Rolle ist es, auf Sachwissen gegründet für einen unparteiischen Interessenausgleich zu sorgen; damit sollte insbesondere der Gefahr vorgebeugt werden, "daß Parteipolitik zu weitgehend auch in solche Verwaltungszweige getragen werde, wo sie nicht hingehöre" 10• Zugleich leidet aber die bürokratische Entscheidung nicht selten unter der Ressortblindheit der Spezialisten, unter liebgewordenen Routinen und unter Mangel an SituationsgefühL Demgegenüber vollzieht sich die Entscheidung des Politikers meist weniger schematisch, oft mit besserem Gespür für die Situation und insbesondere für die Stimmung der Betroffenen und der öffentlichen Meinung. Dafür krankt sie häufig an parteipolitischen Voreingenommenheilen und Rücksichtnahmen auf einflußreiche Gruppen und nicht zuletzt auch an mangelnder Vertrautheit mit den Realisierungsbedingungen. So ist das Wechselspiel zwischen politischen und fachmännischen Instanzen aus mehreren Gründen erwünscht und sollte, wie gesagt, nicht durch die fortschreitende parteipolitische Ämterpatronage zunehmend gefährdet werden 11 • 2. Die Schaffung autonomer Teilsysteme

Staatliche Regelungsmacht ist nicht nur in der Weise zu begrenzen, daß Regelungskompetenzen innerhalb der zentralen Staatsorganisation aufgeteilt werden, sondern auch dadurch, daß eine Vielfalt rechtlich selbständiger Regelungssysteme geschaffen wird. Dieses Verteilungsmuster verwirklicht sich insbesondere durch Föderalismus und Selbstverwaltung. Hier verbinden sich mit der Vgl. H. D. Jarass, Politik und Bürokratie als Elemente der Gewaltenteilung, 1975, S. 125. BVerfGE 7, 162 f.; 64, 379. 11 Vgl. K. Seemann, Gewaltenteilung und parteipolitische Ämterpatronage, in: Die Verwaltung, 1981, S. 133 ff.; J. lsensee, Der Parteizugriff auf den öffentlichen Dienst, in: G. Baum u. a., Politische Parteien und öffentlicher Dienst, 1982, S. 60 ff. 9

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Aufteilung und Begrenzung von Regelungskompetenzen noch andere Funktionen, insbesondere das Ziel demokratischer Dezentralisation 12, um in überschaubaren, bürgernahen Lebensbereichen politisches Handeln auf ein menschliches Maß zu bringen 13• Zugleich erhalten politische Parteien, die im Gesamtstaat in der Minderheit sind, die Chance, in einzelnen Bundesländern oder Kommunen die Mehrheit zu bilden und politische Verantwortung zu übernehmen; auf diesem Wege werden politische Minderheiten auf eine für sie annehmbare und damit konfliktentschärfende Weise in die politische Gesamtordnung integriert. Mit dem Begriff des Regionalismus 14 verbindet sich zudem das Ziel, ethnische Vielfalt zu bewahren. Durch das föderative Schema werden Machtbalancen nicht nur gegenüber den Zentralinstanzen geschaffen; vielmehr können und sollen diese ihrerseits eine Kontrolle gegen den Gruppenegoismus üben, der sich oft in den kleineren politischen Einheiten breitmacht 15; nicht zuletzt kann im modernen Parteienstaat auf diese Weise ein Gegengewicht gegen eine parteipolitische Verkrustung einzelner Länder gewonnen werden. Sollen durch politische Dezentralisation wirklich Gewichte und Balancen geschaffen werden, so muß sich Autonomie mit Autarkie verbinden 16• Länder dürfen also nicht zu Kostgängern des Bundes und Selbstverwaltungskörperschaften nicht am goldenen Zügel staatlicher Subventionen geführt werden. Was Föderalismus und Selbstverwaltung wert sind, ergibt sich somit nicht zuletzt aus den verfassungsrechtlich gesicherten eigenen Anteilen der Länder und der Gemeinden am Steueraufkommen (Art. 106 GG). Regelungsmacht kann aber nicht nur föderativ aufgegliedert oder an öffentliche Körperschaften und Anstalten delegiert, sondern auch etwa privaten Tarifpartnern und nicht zuletzt den einzelnen Bürgern selbst überlassen werden: So können die rechtsverbindlichen Interessenregelungen in weitem Umfang der Selbstgestaltung durch die beteiligten Interessenten vorbehalten werden. Das Selbstbestimmungsrecht der Bürger kann sich eben nicht nur durch demokratische Teilhabe an staatlichen Regelungsprozessen, sondern sehr viel unmittelbarer durch "Privatautonomie" verwirklichen. Wieviel Freiheit der Einzelne im Staate hat, bemißt sich somit auch danach, in welchem Maße die sozialen Vgl. BVerfGE 52, 112. Vgl. E. Schmidt-Jortzig, Verfassungsmäßige und soziologische Legitimation gemeindlicher Selbstverwaltung, DVBI. 1980, S. I ff.; H. Klages, Selbstverwaltung und menschliche Selbstverwirklichung, in: Festschrift für G. Ch. v. Unruh, 1983, S. 41 ff. 14 Hierzu etwaK. Möck/, Föderalismus und Regionalismus im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts, in: Festschrift für A. Gasser, 1983, S. 529ff.;H Lübbe. Diegroße und die kleine Welt, in: W. Weidenfeld (Hrsg.), Die Identität Europas, 1985, S. 191 tf.;D. Gerdes u. a., Regionen und Regionalismus in Westeuropa, 1987; R. Voigt, Europäischer Regionalismus und föderalistische Staatsstruktur, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 3, 1989, S. 19 ff. ll Vgl. Federalist Nr. 10. 16 Vgl. BVerfGE 71, 38. 12

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Lebensprozesse überhaupt einer staatlichen Regulierung unterworfen werden oder aber einer Selbstregelung durch Privatautonomie oder wenigstens durch "autonome" Körperschaften überlassen bleiben. Kurz, Freiheit und Selbständigkeit der Einzelnen sind auch durch ein Übermaß staatlicher Regelung und Vorsorge bedroht, selbst wenn diese sich in einem gewaltenteiligen Staat in rechtsstaatliehen Formen und unter rechtsstaatliehen Kontrollen vollziehen. Das Wort vom "totalen Rechts- und Sozialstaat"liegt in der Luft. Tocqueville hat auch schon diesen normativen Aspekt der alles besorgenden, alle betreuenden Demokratie hellsichtig beschrieben: Ein solcher Staat überzieht die Gesellschaft "mit einem Netz verwickelter, äußerst genauer und einheitlicher kleiner Vorschriften, welche auch die ursprünglichsten Geister und kräftigsten Seelen nicht zu durchbrechen vermögen, um sich über die Menge hinauszuschwingen; er bricht ihren Willen nicht, aber er weicht ihn auf und lenkt ihn; . .. er hemmt, drückt nieder, zermürbt ... " 17• Erkennt man im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und im Übermaßverbot das allgemeine Prinzip, daß allen Bürgern so viel Freiheit wie möglich gewährleistet sein solle, so sind diese Grundsätze also auch dann zu beachten, wenn entschieden wird, ob bestimmte Lebensverhältnisse überhaupt einer staatlichen Regelung unterworfen werden sollen. Hier berührt sich das Prinzip innerstaatlicher Funktionenteilung und -begrenzung mit dem Grundrechtsgedanken: Nach institutionellem Grundrechtsverständnis sollen bestimmte individuelle und soziale Wirkungsbereiche nach dem Programm der Grundrechte gewährleistet werden 18• So ist durch Art. 5 GG nicht nur ein Individualgrundrecht, sondern zugleich ein Gefüge frei konkurrierender Massenmedien und überhaupt ein System freier Kommunikation und frei sich entfaltender Kunst und Wissenschaft garantiert. Art. 9 GG gewährleistet ein auf freien Zusammenschlüssen beruhendes Vereinswesen. Durch Art. 14 GG ist Eigentum nicht nur als "punktuelles" Element im Privatrechtssystem garantiert, sondern zugleich als eine der Grundlagen marktwirtschaftlicher Ordnung, die auf frei verfügbarem Eigentum, darüber hinaus auch auf Privatautonomie (Art. 2 Abs. I GG) und Berufsfreiheit, einschließlich beruflicher und gewerblicher Freizügigkeit (Art. 12 GG) beruht. Aus dieser Sicht stellt sich das politische Gemeinwesen - unbeschadet der übergeordneten staatlichen Regelungsmacht - als ein Wirkungszusammenhang zahlreicher Teilsysteme dar, deren Funktionsbereiche auch durch Grundrechte definiert und gewährleistet sind. In der Kultivierung dieser Funktionenteilung, in der Stärkung und Förderung der Privatautonomie und solcher Teilsysteme, durch welche die Einzelnen einen überschaubaren, wichtigen Lebensbereich mitverantworten und über ihn mitbestimmen, liegt heute der wichtigste Ausweg aus der drohenden "Brave new World", aus den vielfältigen Abhängigkeiten von A. de Tocqueville. Über die Demokratie in Amerika, deutsch 1976, S. 815. P. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, 3 1983, S. 70 ff., 96 ff.; N. Luhmann. Grundrechte als Institution, 2 1974. 17

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einem anonymen staatlichen Apparat. Die Schweiz bietet ein eindrucksvolles Beispiel dafür, daß auch eine hochorganisierte Industriegesellschaft trotz bedeutender Dezentralisation von Regelungskompetenzen funktionsfähig bleibt. Andererseits lassen die Erfahrungen mit dem im 19. Jahrhundert praktizierten Manchesterliberalismus es geraten erscheinen, den Spielraum der Privatautonomie so zu bemessen, daß diese sich nicht bis zu einem sozialen Mißstand entfalten kann. Die Zügel zentralisierter Regelung und Wirksamkeit darf der Staat auch aus anderen Gründen nicht ganz aus der Hand geben: vor allem aus Gründen normativer Rechtseinheit, für manche Verwaltungsbereiche- etwa die Verbrechensverfolgung - auch aus Gründen der Effizienz, für andere - wie die Finanz- und Wirtschaftspolitik- auch aus Gründen gebotener Ausgewogenheit nicht. So stellt sich, wie man weiß, die Frage nach Modus und Maß einer Aufgliederung der Regelungsfunktionen als Optimierungsproblem dar. 3. Balancen im Bereich der sozialen Gewalten

Das Gehäuse der rechtlichen Kompetenzen wird durch die gesellschaftlichen Kräfte mit Leben gefüllt; sie bringen in ihm ihre Macht auch zu rechtlicher Wirkung. Darum würde die Frage der Gewaltenbalance nur einseitig und unzureichend erfaßt, wenn man nur auf das Schema der rechtlichen Zuständigkeitsverteilung und nicht auch auf die Verteilung der gesellschaftlichen Kräfte blicken würde, die sich dieser Kompetenzen bedienen. Gegenüber einer formalen Betrachtung tritt der ältere und fundamentalere Gedanke einer Balance der realen Gewalten wieder in den Vordergrund 19: Sollen die gesellschaftlichen Interessen und Meinungen angemessen, d. h. in der richtigen Proportion zur tatsächlichen Interessen- und Meinungssituation zur Wirkung kommen, dann müssen auch Vorsorgen für eine Ausgewogenheit der Verbands- und Medienmacht getroffen werden. Unausgewogenheit im Bereich der sozialen Gewalten bedeutet nicht nur das Risiko eines unausgewogenen Interessenausgleichs in der Gesellschaft. Auf dem Gebiet der Massenkommunikation bedeutet sie auch die Gefahr einer Überrepräsentation partikulärer Meinungen, das Risiko einseitiger Manipulation der öffentlichen Meinung und damit eine schwere Gefährdung der Demokratie. Daher liegt der Versuch nahe, wichtige Einrichtungen und Verbände in das Gefüge der demokratisch und rechtsstaatlich kontrollierten Institutionen des Verfassungsrechts einzubeziehen. In der Bundesrepublik wurde er für die Parteien unternommen. Mehr oder minder bewährte Versuche, den Einfluß wichtiger Interessen ausgewogen in das staatliche Handeln zu integrieren, finden sich z. B. im französischen Wirtschafts- und Sozialrat 20 , im irischen Senat 21 und, uns 19 20

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Vgl. J Becker, Gewaltenteilung im Gruppenstaat, 1986. Art. 69 ff. der französischen Verfassung von 1958/1963. Art. 15, 18 ff. der irischen Verfassung von 1937/1972.

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am nächsten liegend, im bayerischen Senat 22• Auch in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sollen die Rundfunkräte ein ausgewogenes Spiegelbild wichtiger gesellschaftlicher Gruppierungen bieten 23 • Ein nichtformalisierter, aber sehr wichtiger Ausgleich konkurrierender Interessen findet im Rahmen der politischen Parteien statt: Wo große, durchorganisierte Volksparteien den politischen Prozeß beherrschen, werden wichtige Interessenkonflikte von ihnen aufgegriffen und Kompromisse angebahnt. Hierbei findet die Partei sich durch ihr Eigeninteresse gedrängt, nach Kompromissen zu suchen, die für eine größtmögliche Zahl von Wählern akzeptabel, also den hauptsächlich verbreiteten Interessen jedenfalls nicht unangemessen sind. Ich würde den Rahmen meines Auftrages weit überschreiten, wenn ich die sonstigen Instrumente und Vorschläge für eine Ausbalancierung und Kontrolle der sozialen Gewalten auch nur skizzieren wollte. Sie betreffen teils deren Binnenstruktur24• Teils richten sie sich auf eine äußere Ausbalancierung, insbesondere auf Entflechtung25 und auf Sicherung des Wettbewerbs 26• Teils zielen sie darauf, den Lobbyismus und andere Verbandseinflüsse auf Staatsorgane zu kontrollieren 27 •

4. Das Problem des internationalen Gleichgewichts In einem raschen Blick über die Problemfelder der Machtkontrolle darf der internationale Bereich nicht fehlen. Das alte, schon bei Polybios anklingende Thema, daß auch im Verhältnis zwischen den Staaten allzu große Ungleichgewichte zu vermeiden sind, um den einzelnen Staaten einen Handlungs- und Entscheidungsspielraum zu erhalten, dieser Gedanke wurde seit dem 17. Jahrhundert zur Maxime der europäischen Außenpolitik 28 , er beherrschte den Wiener Kongreß und gewann seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges neue Aktualität, als die Weltherrschaft sich in den Händen zweier Großmächte konzentrierte, die je in ihrer Einflußsphäre die Übermacht gewannen und hier in politischen Existenzfragen den Ausschlag zu geben vermochten, wie die Schicksale Ungarns und der Tschechoslowakei drastisch zeigten. Bei Fortbestand des dualistischen Art. 34 ff. der bayerischen Verfassung von 1946. BVerfGE /2, 259 ff.; 59, 258 ff. 24 E. Boettcher u.a., Unternehmensverfassung als gesellschaftspolitische Forderung, 1968; K. Popp, Die Willensbildung innerhalb der Verbände, JöR 1977, S. 145 ff.; G. Teubner. Organisationsdemokratie und Verbandsverfassung, 1978; W. Leisner. Organisierte Opposition in Verbänden und Parteien? ZRP 1979, S. 275 ff. 2s V. Emmerich und J. Sonnenschein, Konzernrecht, 3 1989, § I 111. 26 V. Emmerich. Kartellrecht, s 1988, §§ 1-3. 21 M. Schuppisser. Wirtschaftliche Interessenvertretung im Parlament? 1977; H. H. v. Arnim, Verfassungsfragen der Parteienfinanzierung, Juristische Arbeitsblätter 1985, S. 121 ff., 207 ff. 21 E. Kaeber, Die Idee des europäischen Gleichgewichts in der publizistischen Literatur vom 16. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, 1907; E. W. Gulik, Europe's classical balance ofpower, 1955. 22

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Problemfelder der Machtkontrolle

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Gleichgewichts bestand auch die Gefahr, daß andere Staaten zum Verhandlungsobjekt eines Interessenausgleichs zwischen den Supermächten werden konnten. Bei einer Machtverschiebung zwischen den Blöcken drohte die Gefahr, daß eine einzige Supermacht mit einem erdrückenden militärischen Potential alle übrigen Staaten kontrollieren könnte. So stellte sich die Aufgabe, die Macht in der Welt wieder stärker auf eine Mehrzahl von Staaten und Staatengruppierungen aufzuteilen, eine Aufgabe, die vor allem in der Nixon-Kissinger-Ära in Angriff genommen wurde29• Und auch hier erweist sich das Problem der Machtbalance als eines der ganz großen, in immer neuer Gestalt sich zeigenden und darum nie endgültig zu lösenden Probleme der Politik.

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H. A. Kissinger. Memoiren, Bd. I, 1979, S. 29 f., 1136.

Montesquieu in seiner Zeit* Von Dirich Muhlack Diese Tagung über die Gewaltentrennung im Rechtsstaat soll einer Standortbestimmung in der Gegenwart dienen: der Klärung der Frage, wie es darum in der Theorie und Praxis unserer Verfassung bestellt sei. Sie wird veranstaltet aus Anlaß des 300. Geburtstages von Montesquieu, der die Lehre von der Gewaltentrennung oder Gewaltenteilung zwar nicht erfunden, aber zuerst systematisch ausgearbeitet und damit die Diskussion um dieses Problem eröffnet hat. Sie hat also zur Voraussetzung, daß Montesquieu immer noch aktuell ist, daß er gewissermaßen an unserer Debatte teilnimmt, daß wir jedenfalls bei dieser Debatte von ihm nicht absehen können. Wenn ich hier von Montesquieu in seiner Zeit zu sprechen habe, dann geht es mir keinesfalls um eine H istorisierung, die diese allgemeine Geltung wiederum relativiert oder aufhebt. Allerdings wäre es ebenso verfehlt, die historischen Umstände, in denen sich Montesquieu befunden hat, als bloße Rahmenbedingungen anzusehen, die dem generellen Anspruch seines Denkens äußerlich geblieben sind. Es geht mir vielmehr gerade darum, den politischen Klassiker auf die historische Situation zu projizieren: einsichtig zu machen, daß die allgemeine Geltung, die wir Montesquieu heute zubilligen, nicht gedacht werden kann ohne die Stellung, die er in den Verhältnissen seiner Zeit eingenommen hat. Die Natur der Sache erfordert es, daß ich mich dabei nicht auf den Umkreis des Problems der Gewaltenteilung beschränke. Denn einerseits wird im Rückblick auf den historischen Montesquieu deutlich, daß diese Doktrin, bei aller Wichtigkeit, die ihr von vornherein zukommt, doch nur ein Baustein in einem riesigen Gedankengebäude ist, daß ihr angemessenes Verständnis selbst sich nur aus dem Aufriß des Ganzen bestimmen läßt. Andererseits ist daran zu erinnern, daß es neben ihr andere Ansätze oder Formen Montesquieuschen Denkens gibt, die, direkt oder indirekt, bis heute überdauert haben. Ich brauche kaum eigens zu betonen, daß ich mich bei alledem mit einer knappen Skizze begnügen muß, in der notgedrungen vieles ungesagt bleibt. • Der hier abgedruckte Text ist gegenüber der ursprünglichen Fassung kaum verändert. Der eher .. propädeutischen" Funktion dieses Vonrags entspricht es, daß auf Anmerkungen verzichtet werden kann. Montesquieus "De l'esprit .c;ies lois" ist in der Ausgabe von Gonzague Truc (2 Bde., Paris 1961) und in der deutschen Ubersetzung von Ernst Forsthoff (2 Bde., Tübingen 1951) benutzt. Ich verweise außerdem zusammenfassend auf drei biographische Darstellungen, die mir besonders förderlich gewesen sind: Martin Göhring, Montesquieu. Historismus und moderner Verfassungsstaat (= Institut für Europäische Geschichte Mainz. Vorträge, Bd. 20), Wiesbaden 1956; Robert Shack/eton, Montesquieu. A Critical Biography, Oxford 1961; Louis Desgraves. Montesquieu, Paris 1986.

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Montesquieu in seiner Zeit: das bedeutet zunächst, daß wir uns das historische Milieu zu vergegenwärtigen haben, in dem das Leben dieses Mannes stattgefunden hat: die Verknüpfungen des individuellen Daseins mit der Welt, der es zugehört. Das Geburtsjahr 1689 fällt in eine Zeit, in der der französische Absolutismus an seinen Wendepunkt gelangt ist. Die äußerste Machtentfaltung der Monarchie Ludwigs XIV. im Ionern und nach außen hat in ganz Europa Gegenkräfte mobilisiert, die sich ihr auf Dauer als überlegen erweisen. Der 1688 begonnene Pfälzische Erbfolgekrieg leitet eine Serie militärischer Niederlagen ein, durch die Frankreich von der europäischen Vormacht zu einer Macht minderen Ranges herabsinkt. Die äußere Krise zieht notwendig eine innere Krise nach sich, die am Ende zu einer Strukturkrise des absolutistischen Regimes selbst führt. Es zeigt sich, daß das herrschende System durch die permanente Verwicklung in schließlich verlorene Kriege heillos überfordert oder überanstrengt wird und damit in unlösbare Widersprüche gerät. Die Erscheinungsformen des drohenden Machtverfalls reichen von einer chronischen Zerrüttung der Staatsfinanzen über die Erosion des königlichen Herrschaftsapparates bis zur Desintegration der Stände und der Religionsgemeinschaften. Montesquieu wächst in diese krisenhaften Entwicklungen hinein und bleibt bis zu seinem Tod im Jahre 1755 von ihnen geprägt. Sie bilden die primäre oder fundamentale Erfahrung seines Lebens; sie führen ihn zur Politik; sie sind Ursache dafür, daß er zu einem Kritiker des Absolutismus wird. Das Jahr 1689 hat durch den erfolgreichen Abschluß der Glorreichen Revolution in England noch eine andere Bedeutung. Es ist eine Konsequenz dieses Ereignisses, daß England an die Spitze der europäischen Koalition gegen Frankreich tritt und damit fortan dessen Hauptgegner wird. Die französischen Niederlagen nach 1689 sind allesamt Niederlagen gegen England; in demselben Maße, in dem Frankreich herabsinkt, steigt England auf. Es kann nicht ausbleiben, daß in Frankreich zunehmend die Frage nach den Gründen der englischen Erfolge gestellt wird. Die Kritiker der absoluten Monarchie finden heraus, daß England durch seine Verfassung vor Frankreich bevorzugt sei, und ziehen daraus den Schluß, daß Frankreich sich nach dem Vorbild Englands umgestalten müsse, auch wenn ihnen eine unvermittelte Kopie durchaus fernliegt. Dieser Anglophilie oder Anglomanie geht es nicht allein um das politische System, das in England etabliert ist; es geht ihr zugleich um den ganzen Zustand von Wirtschaft und Gesellschaft, um die Blüte der Künste und Wissenschaften, um die Aufgeklärtheit des Denkens. England wird zum Muster einer Zivilisation erhoben, in der alle Lebensbereiche in einem gleichmäßigen Fortschritt begriffen sind. Es ist bekannt, daß auch Montesquieu an dieser anglophilen Bewegung teilhat. Er ist ein Kenner englischer Politik und Literatur; er rezipiert die englische Aufklärung; er mißt die französischen an den englischen Verhältnissen. Sein Aufenthalt in England von 1729 bis 1731 ist einer der Höhepunkte seines Lebens: er verkehrt in den höchsten Kreisen, kommt an den Hof, besucht das Parlament,

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studiert die allgemeine Lage, betreibt umfassende Lektüre, sucht aus alledem für sein eigenes Denken und Handeln Nutzen zu ziehen. Eine weitere Determinante, auf die es in der Biographie Montesquieus ankommt, ist durch seine soziale Herkunft gegeben. Montesquieu ist im Schloß La Brede bei Bordeaux geboren. Er stammt aus einer Familie des Schwertadels, die zugleich mit dem Amtsadel verbunden ist und damit in sich die Spannung zwischen diesen beiden Gruppen der französischen Aristokratie zur Versöhnung bringt: der Vater steht in militärischen Diensten; der ältere Bruder des Vaters ist Präsident am Parlament von Bordeaux, d. h. am obersten Gerichtshof der Provinz Guyenne; Montesquieu, seit 1714 Parlamentsrat, übernimmt dieses Amt 1716 nach dem Tod des Onkels. Der französische Adel steht damals in wachsender Opposition gegen die Krone. Er sucht sich unter dem Eindruck der Krise der Monarchie von dem absolutistischen Staat zu emanzipieren, dem er bis dahin, als erster Diener des Königs, eingeordnet war. Er verteidigt nicht nur seine sozialen Privilegien, wie die Steuerfreiheit, sondern ist zugleich auch bestrebt, seinen früheren politischen Einfluß zurückzugewinnen. Die Parlamente bilden das institutionelle Zentrum dieser aristokratischen Opposition. Sie vermögen in der Krise des Absolutismus lange verfallene politische Befugnisse zu erneuern, wissen sich als Wortführer der ganzen in ihren Rechten unterdrückten Nation hinzustellen, haben mehr und mehr das Aussehen einer förmlichen Gegenregierung. Montesquieu entwickelt sich zu einem prototypischen Vertreter seines Standes. Er hat adeliges Selbstbewußtsein; er verficht, auch in eigener Sache, adelige Ansprüche; seine Kritik am Absolutismus ist Kritik vom Standpunkt des Adels aus. Der Parlamentspräsident von Bordeaux versieht sein Amt ganz in diesem Sinne. Der politische Schriftsteller kann bis zu einem gewissen Grade als der Ideologe seines Standes gelten; er liefert jedenfalls der aristokratischen Opposition bis ans Ende des ancien regime ein Arsenal von Argumenten. Zur sozialen Herkunft kommt, daß Montesquieu eine ihr adäquate Ausbildung genießt. Er besucht von 1700 bis 1705 eine Schule der Oratorianer in Juilly bei Paris. Die Oratorianer sind ein Orden von Weltgeistlichen, der sich vor allem in Schule und Wissenschaft betätigt: der humanistischen Tradition einer an antiken Autoren geschulten ethisch-ästhetischen Bildung und einer in diesem Umkreis entstandenen historisch-philologischen Gelehrsamkeit verpflichtet; der große Philologe Richard Simon, der 1678 mit einer Textgeschichte des Alten Testaments hervortritt, stammt aus ihren Reihen. Montesquieu geht aus ihrem Unterricht als ein Adept des klassischen Altertums hervor, den er in seinen Schriften fort und fort bezeugt: durch seine Kenntnis der antiken Literatur, durch seine rhetorisch-stilistische Kunst, durch seinen antiquarischen Sinn. Er wird bei den Oratorianern außerdem mit der Philosophie des Descartes bekannt, die ihn für immer auf den Weg aufklärerischen Vernunftdenkens weist. Nach der Schule absolviert Montesquieu, von 1705 bis 1708, ein juristisches Studium in Bordeaux; um mit der Rechtspraxis vertraut zu werden, geht er 1709 für vier Jahre nach Paris, wo er gleichzeitig sein theoretisches Wissen beständig vervoll-

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kommnet. Grundlage ist die Lehre des römischen Rechts, auf das Montesquieu dieselben Prinzipien historisch-philologischer Kommentierung angewendet findet, die er bereits bei den Oratorianern kennengelernt hat. Er nimmt davon, abgesehen von einer intimen Vertrautheit mit den Texten des ,,Corpus iuris", die Erkenntnis mit, daß das Recht von Natur aus in allen Völkern und allen Zeiten gleich sei, daß es aber in vielfältigen Formen in Erscheinung trete, die jeweils genauer Untersuchung bedürften. Diese Ausbildung soll der Berufsvorbereitung dienen: der Vorbereitung auf die Tätigkeit am Parlament von Bordeaux. Sie wird aber gleichzeitig zum Ausgangspunkt wissemchaftlich-literarischer Interessen, die sich zunehmend verselbständigen und damit eine ganz andere Karriere in einer ganz anderen Umgebung in Gang setzen. 1716 wird Montesquieu Mitglied der 1713 gegründeten Academie royale des Sciences, Artset Belles-Lettres in Bordeaux; solche Einrichtungen sind damals, angesichts eines neuen öffentlichen Interesses an gemeinnütziger Wissenschaft, voran an den modernen Naturwissenschaften, in ganz Europa üblich. Die Naturwissenschaften sind es auch, die in Bordeaux besonders gepflegt werden. Montesquieu selbst verfaßt, seinen Informationsstand zu dokumentieren, eine Reihe von Abhandlungen aus den Bereichen der Anatomie, der Botanik, der Physik. Anwendungen dieses Wissens lassen sich leicht in seinen späteren Schriften nachweisen. Mag dieses akademische Engagement Montesquieus noch der Attitüde des gebildeten Edelmannes, des honnete homme entsprechen, so eröffnet sich eine völlig neue Dimension, als er 1721 mit den "Persischen Briefen" sein literarisches Debüt gibt. Er tritt damit in die vorderste Reihe der sogenannten Philosophen, der philosophes. Das sind keine Philosophen im strengen Sinne; so heißen vielmehr die Schriftsteller der französischen Aufklärung: Autoren, denen es darum geht, kritisches Räsonnement und klassischen Geschmack zu verbinden, und die damit ein wachsendes Publikum anzusprechen wissen. Die "Persischen Briefe" stehen am Anfang einer Laufbahn, die über die "Betrachtungen über die Ursachen von Größe und Niedergang der Römer" ( 1734) bis zu dem alles andere in sich schließenden Werk "Vom Geist der Gesetze" (1748) führt. Montesquieu hält seine schriftstellerische Arbeit für so bedeutsam, daß er 1726 sein Amt als Parlamentspräsident verkauft. Er wird dadurch nicht nur seiner Amtspflichten ledig, sondern gewinnt auch ein Vermögen, das, zusammen mit seinen laufenden Einkünften aus Grundbesitz, ausreicht, um ihm ein materiell gesichertes Literatendasein zu gestatten, nicht zuletzt im Hinblick auf die kostspieligen Reisepläne, die sich ihm aus der Vorbereitung seines Hauptwerks ergeben; man muß sich dazu klar machen, daß ein Autor damals von seinem Verleger keinerlei Honorar erhält, allenfalls wenige Freiexemplare, also auf andere Geldquellen angewiesen ist. Allerdings wendet sich Montesquieu mit dem Übertritt zu dieser Laufbahn keineswegs von seinem Stand ab; er vertritt vielmehr auch und gerade als Philosoph aristokratische Interessen. Andererseits ist augenscheinlich, daß die Philosophen eine soziale Kategorie neuer Art bilden: sie kommen aus allen Ständen,

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definieren sich durch ihre gemeinsame Festlegung auf bestimmte intellektuelle Prinzipien, heben dadurch unter sich die ständische Differenzierung auf; sie sind innerhalb der ständischen Gesellschaft ständeübergreifend. Dem entspricht, daß sich auch die Leser dieser Autoren einer ständischen Fixierung entziehen. Autoren und Leser begegnen sich in den literarischen Salons: den Pflanzstätten einer neuen Gesellschaft. Montesquieu verkehrt nach 1721 häufig im Pariser Salon der Madame Lambert. Er macht kein Hehl daraus, daß er diesen Umgang dem Besuch bei Hofe vorzieht. Seine Aversion gegen den Hofhat einen doppelten Grund: er verachtet die Servilität des höfischen Adels, dieser Karikatur seines Standes, und er flieht vor der geistigen Öde des höfischen Lebens. Hier schließt sich also wiederum der Kreis zwischen seiner ständischen und seiner literarischen Existenz. Mit dem Philosophen, dem aufgeklärten Schriftsteller haben wir den Grund erreicht, auf dem die Geltung Montesquieus bis heute beruht. Was Montesquieu für uns ist, das ist er durch die Schriften, die er seit 1721 herausgebracht hat. Nach der Vergegenwärtigung der historischen Situation stellt sich damit, über die bisherigen Bemerkungen oder Andeutungen hinaus, die Frage nach dem Problem oder Anliegen, das den Verfasser, auf diesem Hintergrund, geleitet hat. Dabei wird uns eine doppelte Erkenntnis zuteil: einmal, daß in der Montesquieuschen Problemstellung alle Faktoren oder Determinanten zusammenkommen, durch die wir Montesquieu, aus seinem Milieu heraus, bestimmt oder motiviert gefunden haben; zum andern , daß der Autor diese aus den konkreten Umständen seiner Zeit stammenden Motive zu einer Konzeption verarbeitet oder vermittelt, die auch jenseits seiner Zeit Bestand hat. Zur schriftstellerischen Intention Montesquieus gehört zunächst einmal literarischer Ehrgeiz. Montesquieu, der bei den Oratorianern seine Sprache am Stil der antiken Autoren gebildet hat, trägt in seinen Schriften wie nur einer der Philosophen den Anspruch sprachlicher Eleganz vor sich her. Die "Persischen Briefe" kommen beim Publikum an, weil sie brillant geschrieben sind: ein Meisterwerk der Satire, so wie die "Betrachtungen über die Ursachen von Größe und Niedergang der Römer" als Meisterwerk der Geschichtsschreibung und die Bücher "Vom Geist der Gesetze" als Meisterwerk der politischen Literatur gefeiert werden. Man kann diese literarische Note des Montesquieuschen Oeuvre gar nicht hoch genug veranschlagen. Gewiß gilt den Philosophen eleganter Stil nicht als Selbstzweck; l'art pour l'art findet bei ihnen gewöhnlich nicht statt. Aber es ist evident, daß sie der sprachlich-literarischen Seite eine erhebliche Eigenbedeutung zumessen, und sei es nur, weil ihnen eine kunstvolle Stilisierung dazu dienen soll, die Leser für die Inhalte ihrer Schriften empfänglich zu machen. Man braucht neben Montesquieu nur an Voltaire zu erinnern, der in allen Gattungen der Literatur reüssiert hat. Beide, Montesquieu und Voltaire, stehen für ein schriftstellerisches Ideal ihrer Zeit. Aber wer wollte bestreiten, daß sie dadurch bis heute Klassiker der Literaturgeschichte geblieben sind!

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Ich komme zur inhaltlichen Seite des Montesquieuschen Oeuvre. Montesquieu ist primär politischer Schriftsteller; auch die .,Persischen Briefe" und die .,Betrachtungen über die Ursachen von Größe und Niedergang der Römer" sind wesentlich politische Schriften. Montesquieus Ansatz ist die Kritik an den herrschenden Zuständen in Frankreich: aristokratisch-parlamentarische Kritik an der absoluten Monarchie. Man begegnet bei der Lektüre der Montesquieuschen Schriften dieser Kritik auf Schritt und Tritt. Auch das englische Gegenbeispiel taucht immer wieder in solchen Zusammenhängen auf. Aber Montesquieu bleibt nicht bei dieser Kritik stehen; er ist vielmehr bemüht, im Ausgang von ihr eine allgemeine politische Theorie zu entwickeln oder sie zu einer derartigen politischen Theorie fortzubilden: nicht nur, um die von ihm eingenommene aristokratisch-parlamentarische Position theoretisch zu legitimieren, sondern zugleich auch aus einem genuinen Theorie-Anspruch heraus. Dieser Theorie-Anspruch basiert gleichermaßen auf der Axiomatik der Cartesianischen Philosophie, auf den Regeln historisch-philologischer Gelehrsamkeit, auf einem naturwissenschaftlichen Methodenverständnis, auf den Prinzipien aufklärerischen Räsonnements: auf jenen Kenntnissen, die Montesquieu sich im Zuge seines Bildungsgangs angeeignet hat und die er durch ihre Kombination noch potenziert. Sofern das politische Denken Montesquieus noch heute Geltung besitzt, ist das der theoretischen Leistung zuzuschreiben, durch die sich der Autor, aus seinen vielfliltigen Bildungsquellen schöpfend, über einen bloßen Parteistandpunkt erhoben hat. Andererseits macht es gerade die Originalität dieses Denkens und damit die Ursache dieser Geltung aus, daß Montesquieu seine allgemeine politische Theorie von einem aristokratisch-parlamentarischen Parteistandpunkt abstrahiert. Auch Voltaire vollbringt in seinen politischen Schriften eine Abstraktionsleistung; aber er hat dabei, als Exponent einer aufkommenden Bourgeoisie, einen anderen Ausgangspunkt, kommt zu anderen Resultaten, kann damit eine andere Geltung beanspruchen. Ich möchte diese eigentümliche Dialektik durch zwei Bemerkungen über das Hauptwerk .,Vom Geist der Gesetze" illustrieren. Die erste Bemerkung gilt dem Thema des Werkes. Montesquieu handelt darin nicht von den Gesetzen sei bst. Er setzt voraus, daß es ein Naturrecht gibt, daß die positiven Gesetze nach dem Naturrecht eingerichtet werden müssen, daß sie sich in die Rubriken des Völkerrechts, des Staatsrechts und des bürgerlichen Rechts einteilen lassen. Aber das alles ist nicht der eigentliche Gegenstand seiner Darstellung. Was ihn interessiert, ist, daß der Gesetzgeber, der es unternimmt, das Naturrecht auf das positive Recht zu applizieren, sich auf die jeweiligen Umstände oder Bedingungen einzustellen hat; Montesquieu spricht in diesem Sinne vom "Geist der Gesetze". Der Autor kennt eine Menge solcher Umstände oder Bedingungen: die Regierungsform; die klimatisch-geographische Lage; die ökonomische Lebensweise der Völker; das durch die jeweilige Verfassung ermöglichte Maß an politischer Freiheit; Religion, Neigungen, Reichtum, Zahl, Handel, Sitten und Gebräuche der Bewohner; Entstehur.gsgrund, Absicht,

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Gegenstandsbereich der Gesetzgebung. Alle diese Faktoren scheinen ihm wiederum nicht statisch gegeben, sondern mannigfachen historischen Veränderungen unterworfen. Er gelangt damit am Ende zu der Vorstellung einer durchgängigen historischen Bedingtheit jeglicher Gesetzgebung. Ein Kernsatz lautet: die Gesetze .,müssen dem Volk, für das sie geschaffen sind, so genau angepaßt sein, daß es ein sehr großer Zufall wäre, wenn sie auch einem anderen Volke angemessen wären" (Buch 1, Kapitel 3). Ohne das Naturrecht zu leugnen, treibt Montesquieu damit die historisierende Betrachtung des Rechts bis zu einer äußersten Konsequenz. Die Absicht des Werkes geht dahin, die sämtlichen Umstände oder Bedingungen der Gesetzgebung und damit den Gedanken der geschichtlichen Bedingtheit des Rechts in allen Hinsichten systematisch und zugleich mit einer Fülle historischer Beispiele darzustellen. Es ist offenkundig, daß Montesquieu mit dieser Konzeption gegen die absolute Monarchie in Frankreich zielt. Er stellt den Gesetzgeber auf die jeweiligen Umstände oder Bedingungen der Gesetzgebung ein, weil sich ihm das absolutistische Regime über die in Frankreich herrschenden Umstände hinwegzusetzen scheint; man kann insoweit auch sagen: er handelt vom Geist der Gesetze, um gegen den Ungeist des französischen Absolutismus zu opponieren. Er läßt schließlich alles auf die historische Bedingtheit des Rechts zulaufen, weil er die Krone anklagt, die historisch gewordenen Institutionen der Adelsmonarchie zerstört oder unterdrückt zu haben; er fordert die Historisierung des Rechts, um gegen eine Gesetzgebungspraxis zu protestieren, die er durch eine permanente Mißachtung des geschichtlichen Herkommens gekennzeichnet sieht. Auf der anderen Seite ist ebenso offenkundig, daß die Thematik des Werkes keineswegs in dieser Kritik aufgeht, daß Montesquieu vielmehr prätendiert, eine allgemeine Doktrin über die Umstände und damit über die geschichtliche Bedingtheit der Gesetzgebung aufzustellen. Er wird damit, über die momentane Frontstellung gegen die absolute Monarchie in Frankreich hinaus, zu einem Klassiker des historischen Denkens, der die auf den Humanismus und zumal auf die humanistische Jurisprudenz zurückgehenden Prinzipien historisch-philologischer Kommentierung kraft seines cartesianisch-aufklärerischen Methodenbegriffs qualitativ steigert und damit bis heute Epoche macht. Worauf es aber am Ende ankommt, ist, daß Montesquieu diese allgemeine Position durch eine Verallgemeinerung seines Parteistandpunkts erreicht. Er arbeitet sich zur Historisierung des Rechts im Verlauf eines gedanklichen Prozesses durch, der mit der Verteidigung althergebrachter Rechte des Adels beginnt. Das eine ist ohne das andere nicht denkbar. Ein Detail mag das beleuchten. Montesquieu gibt in den beiden letzten Büchern eine Verfassungsgeschichte Frankreichs von der fränkischen Eroberung bis zu den Anfängen der Kapetinger: anhangsweise, ohne subsumierende Klassifizierung, wie um vorzuführen, daß es die Gesetzgebung letztlich mit ganz singulären Gegebenheiten zu tun habe. Der politische oder parteipolitische Sinn dieser Darstellung ist handgreiflich: der Autor zeichnet mit den Verfassungsverhält-

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nissen im frühmittelalterlichen Frankreich die Umrisse jener Adelsmonarchie, die ihm in jüngster Zeit durch die Krone herabgebracht scheint und deren Wiederherstellung er propagiert. Man kann die Darstellung aber auch als eine historische Analyse lesen, in der der reine Erkenntnis- oder Forschungszweck durchaus überwiegt. Montesquieu trägt eine Menge von Material zusammen, das er für die politische Demonstration gar nicht benötigt hätte, das eher geeignet ist, die angestrebte Analogie zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu relativieren. Einmal läßt er sich so weit auf die Eigenart der altfranzösischen Zustände ein, daß ihm der Satz entschlüpft: ,.Die Übertragung aller Vorstellungen aus dem Jahrhundert, in dem wir leben, auf weit zurückliegende Jahrhunderte bedeutet eine Quelle von Irrtümern, und zwar die reichste von allen" (Buch 30, Kapitell4). Auch wenn er schließlich vor der Annahme einer völligen Unvergleichbarkeit von Gegenwart und Vergangenheit zurückscheut, ist doch das Ausmaß an Historisierung, das hier zutage tritt, bemerkenswert. Wiederum aber gilt, daß diese Historisierung ihre Grundlage in dem Interesse hat, das eigene Verfassungsideal historisch zu fundieren oder zu rechtfertigen. Auch hier handelt es sich also um die logisch-theoretische Generalisierung einer politischen Position. Mit der zweiten Bemerkung kehre ich zum Problem der Gewaltenteilung zurück. Wir finden das berühmte Postulat im 6. Kapitel des II. Buches, das den Bedingungszusammenhang zum Gegenstand hat, der dem Gesetzgeber durch den jeweiligen Grad der politischen Freiheit in ihrer Beziehung zur Verfassung gegeben ist: Montesquieu stellt fest, daß es in jedem Staat drei Arten von Gewalt gebe, eine gesetzgebende, vollziehende und richterliche Gewalt, und verlangt, daß zur Vermeidung von Machtmißbrauch und damit zur Gewährleistung eines Höchstmaßes an Freiheit diese drei Gewalten getrennt bleiben müßten; statt ihrer Konzentration in einer einzigen Institution soll ein institutionelles System herrschen, in dem ein ausgewogenes Verhältnis zwischen ihnen besteht. Er formuliert dieses Postulat als eine schlechthin gültige Norm; wir kennen es seit dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und der Französischen Revolution als Kernstück des liberalen Verfassungsmodells. Man muß aber sehen, daß die Montesquieusche Forderung in einem doppelten Sinne durch das politische Interesse des Autors vermittelt ist. Zuerst erscheint sie als abgezogen von der Verfassung Englands, der Montesquieu im Vergleich mit dem Zustand des absolutistischen Frankreich paradigmatischen Rang zuspricht; allerdings unterscheidet er dabei sehr wohl zwischen Idee und Wirklichkeit der englischen Verfassung. Gleichzeitig erscheint das Postulat der Gewaltenteilung und erscheint damit diese Sicht der englischen Verhältnisse als abstrahiert von dem Konzept der Monarchie, das der Autor im 4. Kapitel des 2. Buches expliziert und in dem er deutlich genug sein Programm einer aristokratischen Monarchie in Frankreich niederlegt; die vorhin erwähnte französische Verfassungsgeschichte am Ende des Werkes bildet zu dieser systematischen Bestimmung das historische Pendant. Er definiert hier die Natur der Monarchie als die Regierung eines einzelnen nach Grundgesetzen und fordert ein institutionelles System, das dem gerecht wird: der

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Fürst soll die Quelle aller Macht sein, soll die Geschäfte leiten; zwischen ihm und den Untertanen sollen untergeordnete und abhängige Zwischengewalten, pouvoirs intermediaires, bestehen, die die Regelmäßigkeit und Stetigkeit fürstlicher Regierungsakte gewährleisten: an erster Stelle der Adel, danach die Geistlichkeit und die Städte, d. h. die Stände; zuletzt soll eine Körperschaft existieren, die damit beauftragt wird, die erlassenen Gesetze zu verkünden und über die Aufrechterhaltungder früheren Gesetze zu wachen. Montesquieu spricht damit aus, wie er sich, der politisch-ideologische Sprecher der Aristokratie, ein rechtes Verhältnis von Krone, Ständen und Parlamenten in Frankreich vorstellt: nämlich als Limitierung der Königsmacht durch ständische und parlamentarische Befugnisse. Gewiß stimmt dieses institutionelle System, formal genommen, mit dem Konzept der Gewaltenteilung allenfalls partiell überein: die Krone bleibt der oberste Inhaber aller Gewalten; die Stände haben keine originäre Kompetenz; nur die Gerichtshöfe besitzen eine einigermaßen abgehobene Stellung. Gleichwohl ist zwischen ihnen ein Verhältnis eingerichtet, das faktisch einer Gewaltenteilung gleichkommt: ein Zustand gegenseitiger Mäßigung und Kontrolle, durch den Machtmißbrauch verhindert und damit Freiheit ermöglicht wird. Es steht jedenfalls außer Frage, daß das Postulat der Gewaltenteilung, wie Montesquieu es im 6. Kapitel des 11. Buches aufstellt, in letzter Instanz von diesem Programm einer aristokratischen Monarchie in Frankreich hergeleitet ist: die schlechthin gültige Norm, das spätere Kernstück des liberalen Verfassungsmodells, von einer Position, die im Feudalstaat verankert ist. Erneut wird damit sinnfällig, was in diesem Vortrag insgesamt gezeigt werden sollte: daß der politische Klassiker Montesquieu im historischen Montesquieu enthalten ist, daß der Montesquieu in seiner Zeit auf den Montesquieu nach seiner Zeit verweist.

Montesquieu und die Entstehung des Grundgesetzes Von Edgar Mass Montesquieus Werk gehört zu den nicht hinterfragbaren Grundlagen des modernen demokratischen Staatsdenkens; "nicht hinterfragbar" darf man es deshalb nennen, weil es nicht allein durch die Textlektüre Wirkung entfaltet hat, sondern mehr noch durch sein Vorhandensein im Kenntnishorizont derer, die sich mit den Problemen beschäftigen, von denen sie glauben, daß sie "im Montesquieu" abgehandelt würden. Für die Rezeption in Deutschland galt das schon im 18. Jahrhundert für eine besondere Lesart der Gewaltenteilung als Gewaltenausgleich zwischen Zentral- und Regionalgewalt, die im "Geist der Gesetze" eine Theorie des Föderalismusgedankens fand. 1 Wie für so viele Klassiker gilt auch für Montesquieu, daß sein Werk viel mehr über das hinaus enthält, wofür es in Anspruch genommen wird. Das gilt insbesondere für seine Analysen zum Problem, wie die verschiedenen Gewalten denn miteinander kooperieren sollen, ein Punkt, in dem Montesquieu uns heute vielleicht in historischer Sicht noch mehr zu sagen hätte als wir gemeinhin ahnen. Stattdessen steht sein Name, der er selbst jeden Dogmatismus strikt ablehnte, für eine Lehre, die als Dogma aufgefaßt wird: die Lehre von der Trennung der Gewalten im Staat, einer Trennung im Interesse der freien Entfaltungsmöglichkeit des Individuums, und zwar im Sinne der später von der Französischen Revolution allgemein verkündeten Menschenrechte. Von der Bedeutung dieses mit dem Namen Montesquieus benannten Dogmas für die Entstehung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland soll im folgenden die Rede sein. Es geht also nicht um eine inhaltlich-theoretische Würdigung der Montesquieuschen Aussagen für die Bedeutung unseres Verfassungstextes oder um einen Vergleich der in beiden Texten benutzten Kategorien, sondern um einen eher phänomenologisch-zeitgeschichtlichen Abriß der Ereignisse während der Entstehung eines modernen Staates, bei denen auf den Mythos "des Montesquieu" verwiesen und dieser Verweis durch zitierende Rückgriffe auf sein Werk belegt und legitimiert wurde. Dieser Rückgriff der Zeit nach 1945, nach dem Zusammenbruch des Hitlerstaates, auf einen Klassiker des 18. Jahrhunderts darf wohl heute verstanden 1 R. Vierhaus, Montesquieu in Deutschland, in: Collegium Philosophicum (FS J. Ritter). Basel 1965, S. 403-437.

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werden als ein Versuch, die demokratischen Traditionen der Weimarer Zeit bewußt wieder aufzunehmen. Tatsächlich hatte die Staatstheorie des Nationalsozialismus die Gewaltenteilung durch die Theorie des Führerstaates ersetzt und im "Nationalsozialistischen Handbuch für Recht und Gesetzgebung" erklärt, daß ein "Grundrecht der persönlichen Freiheit .. . mit nationalsozialistischem Rechtsdenken unvereinbar" wäre. 2 Montesquieu kam in diesem Handbuch nicht vor, und als dessen späterer Herausgeber, Hans Frank, im Reichstag Brünings Notverordnungshaushalt wegen mangelnder Rechtstaatlichkeit angriff, hatte Theodor Heuss in seiner letzten mutigen Rede ihm noch mit schneidend bitterer Ironie vorgeschlagen, doch "einen neuen Kommentar zum Montesquieu" zu schreiben. 3 Das während des Krieges darniederliegende intellektuelle Leben begann nach dem "Zusammenbruch" mit neuer Energie und neuen Fragen. Der überall spürbare Nachholbedarf erstreckte sich auch auf unseren Klassiker des politischen Denkens: Müller-Payer zählte die Austreibung Montesquieus unter die "deutschen Sünden wider das Recht", Franz Wilhelm Jerusalem begründete soziologisch die Notwendigkeit, in einem modernen Staat die Macht durch die Macht zu kontrollieren; Hans Leisegang widmete seine Übersetzung von Maurice Jolys Pamphlet gegen Napoleon 111. "Macht contra Vernunft" dem Gedenken an das Erscheinen des "Esprit des Lois" vor zweihundert Jahren und auch Fritz Werner arbeitete aus diesem Anlaß die Bedeutung Montesquieus für die Gegenwart heraus.4 Zur gleichen Zeit wurden, offensichtlich im Bestreben, die Ergebnisse der inzwischen entstandenen wissenschaftlichen Produktion des Auslands zu rezipieren, auch die Arbeiten von Werner Kägi, die Montesquieus Thesen großen Raum einräumen, für die Diskussion über das Aussehen einer künftigen deutschen Verfassung genutzt. 5 Zunächst fand diese Diskussion in unterschiedlichen Gruppen gesamtdeutsch statt; der Druck der Siegermächte schob dem bald einen Riegel vor. Ob Montesquieu auch bei den "Volkskongressen" zur Schaffung einer deutschen Verfassung in Berlin-Ost eine Rolle spielte, ist nicht bekannt. Der Verfassungstext von 1949 war zwar gesamtdeutsch ausgerichtet, unterschied sich aber von den westdeutschen Entwürfen nicht zuletzt darin, daß er die traditionelle Gewaltenteilung nur 2 H. Frank (Hrsg.), Nationalsozialistisches Handbuch für Recht und Gesetzgebung. München 1935, S. 307-319 (,.Die Quellen der geltenden Verfassung") und 427-436 (,.Freiheit der Persönlichkeit im nationalsozialistischen Gemeinschaftsstaat"). 3 Verhandlungen des Reichstags, V. Wahlperiode, Stenographische Berichte. Berlin 1932, Bd. 446, S. 2593. T. Heuss: Erinnerungen. 1905- 1933. Tübingen 1963. S. 191. 4 A. Müller-Payer. Die deutsche Sünde wider das Recht. Stuttgart 1946. F. W. Jerusalem. Die Demokratie richtig gesehen. Frankfurt 1947. Ders.. Die Zersetzung im Rechtsdenken. Stuttgart 1968. H. Leisegang, Vorwort, in: M. Joly, Machtcontra Vernunft (Dialogues aux enfers). Harnburg 1948 u. München 1968. F. Werner. Zum ZOOjährigen Gedenken von Montesquieus ,.Geist der Gesetze", in: Deutsche Verwaltung, 1948, S. 129-133 u. ders.. Recht und Gericht in unserer Zeit. Köln 1971. S. 28-37. 5 W. Kägi, Zur Entstehung, Wandlung und Problematik des Gewaltenteilungsprinzips. Zürich 1937. Ders., Die Verfassung als rechtliche Grundordnung des Staates. Zürich 1945.

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als Funktionsverteilung kannte und in der Neuformulierungvon 1968 ausätzlieh den Begriff des ,.demokratischen Zentralismus" einführte. 6 Die Debatten der Westzonen erhielten eine offizielle Vorgabe von Seiten der Siegermächte durch die sog. "Frankfurter Dokumente", die eine freie und demokratische Regierungsform mit einem Zwei-Kammern-System forderten, sonst aber erfreulich vage blieben. Das Papier wurde zwischen den West-Alliierten und den Benelux-Ländern abgesprochen und den versammelten Ministerpräsidenten der deutschen Trizone am 1. Juli 1948 übergeben. Mehrere Treffen der Länderchefs folgten; im Schatten des Niederwald-Denkmals, das zur Erinnerung an die Neugründung des Deutschen Reiches im Jahre 1871 errichtet worden war, formulierte Carlo Schmid die Problematik des Vorgehens: Von einer wahren Souveränität der deutschen Nation könne unter den gegebenen politischen Umständen nicht die Rede sein. 7 Schließlich beauftragten die Ministerpräsidenten eine Expertenrunde mit der Aufgabe, einen ersten Entwurf zu erarbeiten. Diese Runde tagte auf Schloß Herrenchiemsee und leistete- soweit man das heute feststellen kann- offensichtlich hochqualifizierte Arbeit. Bayerische Staatsrechtier hatten eine erste Diskussionsgrundlage vorbereitet, und in diesem Text befand sich eine Randnotiz, die mit einem kurzen Exzerpt aus einem Buch von Franz W. Jerusalem auf Montesquieu und die grundsätzliche Bedeutung der Gewaltenteilung im modernen Staat hinwies. Ganz früh also tauchte der Name Montesquieus in der Diskussion auf - er wird nicht wieder daraus verschwinden. Als Carlo Schmid am 11. August 1948 die erste Sitzung der Expertenrunde eröffnete, nahm er diesen Hinweis inhaltlich auf. Er entwickelte die verschiedenen Möglichkeiten des Staatsaufbaus, denen man sich gegenübersah, und erklärte: "Auch bei der Frage der Regierung wird erörtert werden müssen: Will man eine Regierung nach schweizerischem oder amerikanischem System, auf Zeit und inamovibel für diese Zeit, nicht verantwortlich einem Parlament? Will man das Prinzip der Teilung der Gewalten im Montesquieuschen Sinne rein verkörpern oder will man eine parlamentarische Regierungsform?" 8 Hier haben wir also den Mythos "Montesquieu", der sich auf einen Teil des "Esprit des Lais" stützen kann und korrekt ist,- wenn man die anderen Teile vernachlässigt. Aber die Teilnehmer der Runde wußten genau, was gemeint war, und wenn natürlich die Berichte über die Tagung in Herrenchiemsee nur die Texte der offiziellen Diskussionen wiedergeben, scheint es doch sicher, daß 6 Die Vetfassung der Deutschen Demokratischen Republik. Berlin 1949. H. Weber, Geschichte der DDR. München 1985. S. 183 u. 187. 7 Der Parlamentarische Rat. Hrsg. von J . V. Wagner. Boppard 1975. Bd. I. S. 199. C. Schmid, Der Parlamentarische Rat und das Grundgesetz, in: C. S., Erinnerungen. Bern 1979. s. 318-413. 8 Parlamentarischer Rat (s. Anm. 7), S. 70.

4 Speyer 106

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Montesquieu hier der am häufigsten genannte politische Theoretiker war, und daß die mit seinem Namen verbundene Theorie der Gewaltenteilung in doppelter Hinsicht als Gegenbegriff zum zentralistischen Führerstaat der Nazi-Ära begriffen wurde, nämlich als Garant der persönlichen Freiheit jedes einzelnen Bürgers, wie als demokratisches Modell für das Funktionieren des komplexen Staatsgebildes eines kommenden Deutschland. Es war 1947/48 keineswegs absehbar, daß die Gebiete östlich von Oder und Neiße vom ehemaligen Reichsgebiet abgetrennt bleiben würden, daß die Gegensätze zwischen den östlichen und den westlichen Besatzungsmächten sich bis zur Bildung unterschiedlicher Staaten fortsetzen würden, daß schließlich der Streit um den Status der alten Reichshauptstadt fast bis zum Ausbruch eines neuen Krieges vorangetrieben würde. Der nachdrückliche Wille der an der Neuformulierung der Verfassung Beteiligten, zu einem schnellen Abschluß zu kommen, ließ prinzipielle Erwägungen vielleicht etwas zu stark zurücktreten, aber die Vorstellung, die in Weimar begangenen Fehler keinesfalls zu wiederholen, sondern zu einer dauerhaft funktionierenden Lösung zu kommen, beherrschte die Gespräche der Experten auf Schloß Herrenchiemsee sehr bewußt. Als es darum ging, Trennung und Ausgleich der Staatsgewalten festzulegen, berichtete zunächst Otto Suhr über die in Ostberlin laufenden Gespräche, bevor Carlo Schmid folgenden Text formulierte, der offenbar die herrschende Meinung zusammenfaßte: "Die Freiheit der Person ist nur in einem Staate voll und dauerhaft gewährleistet, der auf dem Prinzip der Teilung und des Gleichgewichts der Gewalten aufgebaut ist. Darum müssen auch in den Ländern Gesetzgebung, ausführende Gewalt und Rechtsprechung von Organen ausgeübt werden, die einander gleichgeordnet sind und sich so die Waage halten können." 9 Die endgültige Formulierung wich von Schmids Vorschlag etwas ab, aber die argumentative Grundlinie blieb auch in dem Text, der den Mitgliedern des Parlamentarischen Rates vorgelegt wurde, erhalten. Das Projekt einer neuen deutschen Verfassung, die schließlich als Grundgesetz bezeichnet wurde, beriet in Bonnein Gremium, das von den Länderparlamenten konstituiert wurde. Die Diskussion fand nun nicht mehr unter Experten und rechtskundigen Spezialisten statt, sondern unter Parlamentariern, von denen einige schon dem Reichstag angehört hatten, andere auf weniger ausgeprägte Erfahrung zurückgreifen konnten, alle aber das Hitler-Reich durchlitten hatten. Ihre Zusammensetzung gab in etwa das Spektrum der politischen Meinungsvielfalt der Nachkriegszeit wieder. 10 Parlamentarischer Rat (s. Anm. 7), S. 524. R. Ley. Die Mitglieder des Parlamentarischen Rates, in: Zeitschrift fllr Parlamentarismus 4 (1973), S. 373-391. V. Otto. Das Staatsverständnis des Parlamentarischen Rates. Bonn 1971. K.-B. von Doemming. R. W. Füss/ein und W. Matz (Hrsg.), Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes. Tübingen 1951 . S. 195-202 (Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, N. F., Bd. 1). 9

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Aus den stenographischen Berichten der Plenums- und Ausschußsitzungen geht deutlich der gemeinsame Wille aller Mitglieder hervor, einen Verfassungsentwurf für ein neues, demokratisches und liberales Deutschland zu schaffen, ohne dadurch eine spätere Wiedervereinigung zu blockieren. Gegenüber Herrenchiemsee war die Atmosphäre natürlich spürbar schärfer. Die Diskussion hatte sich politisiert, was sich vor allem in der distanzierten Haltung der Mehrheit gegenüber den Abgeordneten der DKP zeigte. Die pragmatische Leitung der Vollversammlungen durch Konrad Adenauer ließ die Arbeit trotz allem schnell vorankommen, während die sorgfaltige Formulierungskunst von Carlo Schmid, der den Hauptausschuß leitete, dafür Sorge trug, daß die Meinung der Versammlung so treu wie möglich vertextet wurde. In den Debatten nahmen die Redner auffaltig häufig Bezug auf Montesquieu, und das keineswegs nur dann, wenn es um den Zentralbegriff der Gewaltenteilung ging, wenn auch dieser Punkt im Mittelpunkt der Referenzen stand. Im ersten Grundsatzreferat über die Problematik des späteren Artikels 20 durch Carlo Schmid wurden Werk und Autor zwar nicht genannt, aber die Vertreter der anderen Parteien holten dies in der Folge um so nachdrücklicher nach. Für die CDU stellte Adolf Süsterhenn die historische und politische Realisierung des Prinzips in den Erklärungen der Menschenrechte durch die USA im Jahre 1776, durch die Französische Revolution im Jahre 1789 und durch die gerade erst erfolgte Resolution der UNO dar. Er bekräftigte die pluralistische Organisation der modernen Gesellschaft, in der der Staat niemals seine zusammengeballte Macht zur Unterdrückung des Individuums nutzen dürfte, hob die Bedeutung des "Esprit des Lois" hervor und zitierte wörtlich daraus: "Nach unserer Auffassung war es das historische Verdienst Montesquieus, erkannt und verkündet zu haben, daß jede Macht der Gefahr des Mißbrauchs ausgesetzt ist, weil jeder Mensch geneigt ist, wie Montesquieu sagt, ,die Gewalt, die er hat, zu mißbrauchen, bis er Schranken findet'. Aus dieser Erkenntnis heraus fordert Montesquieu die Teilung der Staatsgewalt in Gesetzgebung, ausführende Gewalt und Rechtsprechung und ihre Übertragung auf verschiedene, einander gleichgeordnete Träger. Diese Auffassung, die auch heute morgen hier vertreten worden ist, wird von uns in vollem Umfang als richtig anerkannt, wobei wir den besonderen Nachdruck auf die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Justiz legen und den Vorschlag der Verfassungsrichtlinien des sogenannten Volksrates schärfstens ablehnen, die höchste Gerichtsbarkeit in Verfassungsfragen einem Parlamentsausschuß zu übertragen. Wir fordern aber über die traditionelle Gewaltenteilung im Sinne Montesquieus hinaus auch die Gewaltenteilung zwischen Bund und Ländern ..." 11 Der Vertreter der CSU, Schwalber, schloß sich Süsterhenn an, betonte allerdings noch nachdrücklicher den föderativen Charakter des zu schaffenden 11

4•

Parlamentarischer Rat (s. Anm. 7), S. 21.

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Deutschlands, das mehr einem Staatenbund als einem Bundesstaat, und wenn doch letzterem, dann dem Vorbild der Schweiz und der USA ähneln sollte, weil die Eigenstaatlichkeit der Länder sich überall als besonders fruchtbar erwiesen habe. Er erklärte: "Die recht verstandene Demokratie ist auf einem Balancesystem aufgebaut. Sie beruht, wie schon wiederholt ausgeführt wurde, auf dem System der Gewaltenteilung im Sinne Montesquieus. Diese erkennen wir prinzipiell an, ohne aber einer rigorosen oder doktrinären Durchführung das Wort reden zu wollen." Er gliederte seine Vorstellung dieses Systems dann noch etwas weiter auf: "Der demokratische Bundesstaat beruht daher auf einem doppelten Balancesystem, auf dem System der Gewaltenteilung im Sinne Montesquieus, aber auch auf einer föderativen Balance, einem fein abgewogenen Gleichgewichtssystem zwischen Bund und Ländern." 12 Sicher ist es erlaubt, aus diesen Äußerungen den Schluß zu ziehen, daß die Vertreter der Sozial- und der Christdemokratischen Parteien übereinstimmend die Gewaltenteilung "im Sinne Montesquieus", wie es immer hieß, zu einer der Grundlagen ihrer Vorstellung von der Verfassung eines neuen Deutschlands gemacht haben, und daß sie versuchten, diese Vorstellung durch Rückgriffe auf den "Geist der Gesetze" legitimierend abzusichern. Gerade diese Legitimation aber wurde ihnen von den Vertretern der DKP abgestritten. Der Abgeordnete Paul sah in der Gewaltenteilung nämlich gerade nicht die optimale Realisierung seiner demokratischen Vorstellungen, sondern eine mögliche Behinderung bei der angestrebten Demokratisierung Deutschlands. Dabei ging er auf die historische Entwicklung des Staatsverständnisses und vor allem auf die besondere Rolle von Justiz und Bürokratie in der Gegenwart ein. Obwohl man annehmen kann, daß seine Argumente eher parteipolitisch als staatstheoretisch ausgerichtet waren, zeigen sie interessante Perspektiven auf: "Die Forderung auf Teilung der Gewalten war zu der Zeit, als sie erhoben wurde, ohne Zweifel eine sehr fortschrittliche Forderung.... Aber aus (der kapitalistischen Klasse, die damals im Aufstieg begriffen war,) ist der Monopolkapitalismus entstanden, und die Politik des Monopolkapitalismus hat sich immer mehr gegen die Interessen unseres Volkes gerichtet. " 13 Dann wetterte er gegen die Bürokratie, "die zu 70 und 80 Prozent aus Anhängern der vergangeneo Nazipartei" bestünde, und ebenso gegen die Justiz, aber nicht wegen ihrer engen Verstrickung mit dem überwundenen System, sondern weil in ihr "so viele Richter sitzen, die mit dem Volke gar nichts gemein haben". Pauls Nachfolger Renner wurde im Hauptausschuß noch drastischer, als er darlegte: "Übrigens noch eine kleine historische Richtigstellung: Man sollte keine 12 13

Parlamentarischer Rat (s. Anm. 7), S. 36. Parlamentarischer Rat (s. Anm. 7), S. 53.

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Leichenschändung begehen, wenn man von Toten wie Montesquieu spricht", 14 und nachwies, daß die reine Lehre der Gewaltenteilung "im Sinne Montesquieus" im diskutierten Entwurf gerade nicht durchgehalten würde. Das Grundgesetz wurde zügig beraten und am 8. Mai 1949 beschlossen, genau vier Jahre nach der Kapitulation der Hitler-Armee in Reims. Montesquieus Bedeutung für den Entstehungsprozeß war bemerkenswert. Mit seinem Namen wurde ein zentrales Problem benannt, Teilaspekte einer Lösung darunter angeboten und im Bewußtsein der Beteiligten eine Kategorie von Zugehörigkeit oder Ausschließung geschaffen. Unausgesprochener Gegenbegriff zum Montesquieu war der Totalitarismus-Vorwurf, der einerseits gegen das Prinzip des Führerstaats als zu überwindender Herrschaftsstruktur, andererseits aber auch- und zwar wohl aus Angst um die eigene gesellschaftliche Identität in übermäßig scharfer Weise- gegen das Prinzip der Volkssouveränität, wie sie unter dem speziellen Aspekt der Diktatur des Proletariats verstanden wurde, ins Feld geführt werden konnte. In diesem Sinne diente Montesquieu also zur Selbstdefinition der Bundesrepublik Deutschland zwischen Nazi-Faschismus und Volksdemokratie und wurde - cum grano salis - fast so etwas wie ein Verfassungsvater. 15

14 Parlamentarischer Rat, Hauptausschuß, II. Sitzung. 3.11.1948, S. 128 (zitiert nach P. Häberle. Klassikertexte im Verfassungsleben. Berlin 1981. S. 24, Anm. 59). 15 Abgekürzte und überarbeitete Übersetzung von Edgar Mass. Montesquieu et Ia "Loi fondamentale" de Ia R. F. A., in: Dix-huitieme siecle 21 (1989), S. 163-178.

Die Zwischengewalten in der politischen Philosophie Montesquieus* Von Michel Troper Daß Montesquieu einer der Haupttheoretiker des Liberalismus gewesen ist und die Theorie der Zwischengewalten ein wesentliches Element seiner politischen Philosophie darstellt, sind zwei Feststellungen, deren Geläufigkeit allein schon die Wahl dieses Themas für ein Kolloquium rechtfertigen würde, das dem berühmten Verfasser des "De I'Esprit des Lois" gewidmet ist. Aber daneben gibt es die nicht weniger bekannte Feststellung, wonach Liberalismus und demokratische Ideologie in der Theorie unvereinbar sind. Dieser Gegensatz von Demokratie und Liberalismus entspricht der von einem anderen Liberalen, Benjamin Constant, bereits beschriebenen Unterscheidung zwischen dem antiken und dem modernen Freiheitsbegriff; wir würden heute sagen, von Freiheit als Teilnahme und Freiheit als Autonomie: auf der einen Seite ein Staatswesen, in dem das souveräne Volk die Gewalt ausübt, alle Gewalt, und Einschränkungen derselben nicht vorstellbar wären; auf der anderen Seite ein Staat, in dem die Gewalt - gleichgültig wer ihr Träger ist - in gemäßigter Form ausgeübt werden muß, dieselbe also eingeschränkt ist. Mit anderen Worten: zwischen Freiheit und Demokratie wäre zu wählen. Wenn man diese Auffassung teilt, führt das zwangsläufig dazu, Montesquieu zu den Gegnern der Demokratie zu rechnen. Und, in der Tat, können sich seine Kommentatoren über die für ihn zutreffende Einordnung zwar streiten: als Konservativer, weil er die Privilegien des Adels zu erhalten wünschte; als Reaktionär, weil er danach trachtete, die Macht seines Standes zu vergrößern und gewisse Elemente des Feudalsystems wiederzubeleben; als Reformer, wenn man seine Absicht anerkennt, in Frankreich ein Verfassungssystem nach englischem Muster einzuführen. Sicher ist eines: Niemand hat jemals einen Demokraten aus ihm machen wollen. Selbstverständlich kann es sich hier nicht um den Versuch handeln, diese Ansicht umzukehren. Es gibt aber bei Montesquieu auch etwas anderes als eine Ideologie. Andere haben, unabhängig vom Inhalt seiner Theorie, darauf hingewiesen, daß er, wenn nicht ein Begründer, so doch ein Wegbereiter der Soziologie • Für die Übersetzung des weiter unten abgedruckten Originaltextes gebührt Frau Lily

Blümel, Wilhelmsfeld, vorzüglicher Dank.

Wegen der Literaturhinweise siehe unten S. f>9.

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gewesen ist (Auguste Comte, Dürckheim, Aron). Dem Beispiel dieser Denker folgend, kann man nun untersuchen, obMontesquieu nicht durch die Zwischengewalten dazu beigetragen hat, das Problem der Beziehungen zwischen Liberalismus und Demokratie ganz anders darzustellen, als es normalerweise geschieht, und ob er uns nicht den Weg zu einer differenzierteren Betrachtungsweise dieses Gegensatzes, natürlich nicht in der Praxis, sondern, was schon viel ist, in der politischen Philosophie aufgezeigt hat. Die Theorie von den Zwischengewalten (beide Ausdrücke "corps intermediaires" und "pouvoirs intermediaires" sind gleichbedeutend) kommt bei Montesquieu zweimal vor: einmal in der berühmten Typologie der Regierungsformen bei der Definition der Monarchie, zum anderen im Zusammenhang mit dem Freiheitsbegriff. Ich werde diese Reihenfolge beibehalten und nacheinander die Natur und die Funktion der Zwischengewalten in der Lehre vom Geist der Gesetze untersuchen.

I.

Am Anfang seines "Oe !'Esprit des Lois", nach dem den Gesetzen im allgemeinen gewidmeten ersten Buch, behandelt Montesquieu die Regierungsformen und definiert die Monarchie so: "Das Vorhandensein untergeordneter und abhängiger Zwischengewalten macht die Natur der monarchischen Regierungsform aus, d. h. derjenigen, in welcher ein einzelner durch Grundgesetze (lois fondamentales) regiert." Zu dieser Definition kann man, glaube ich, drei Bemerkungen machen: Zunächst einmal sind die Zwischengewalten für Montesquieu nicht nur eine bloße Ergänzung zur Beschränkung einer Regierung, sondern sie machen deren eigentliche Natur aus. Ja, sie sind sogar das Kriterium seiner Einteilung der Regierungsformen. Es ist oft hervorgehoben worden, daß eine der von Montesquieu bewirkten Neuerungen in der Typologie der Regierungsformen liegt, die vor ihm auf der Zahl der Regierenden basierte und sich nun bei ihm auf die spezielle Form der Machtausübung gründet. Offen gestanden, seine Typologie kombiniert zwei verschiedene Kriterien miteinander - und das ist keine gute Methode -: Das Kriterium der Zahl zur Unterscheidung von Monarchie und Despotismus einerseits - Regierungen eines einzelnen - und der Republik andererseits - Regierung des Volkes oder eines Teils desselben - und das Kriterium der Existenz von Zwischengewalten oder Grundgesetzen zur Unterscheidung der Monarchie von der despotischen Regierung. Folgerichtig müßte man beachten, daß es bei Montesquieu in Wirklichkeit zwei Regierungsformen gibt - die Regierung eines einzelnen und die Regierung mehrerer-, und daß die erste Gruppe wieder zwei Untergruppen hat: die Monarchie und die despotische Regierung, die sich durch das Vorhandensein oder

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Nichtvorhandensein von Zwischengewalten oder Grundgesetzen, was gleichbedeutend ist, unterscheiden. Die zweite Gruppe umfaßt ebenfalls zwei Untergruppen: die aristokratische und die demokratische Republik. Damit komme ich zur zweiten Bemerkung: Das Vorhandensein von Zwischengewalten und Grundgesetzen berührt ganz eigentlich die Natur der Monarchie. Montesquieu sagt, die Zwischengewalten "machen" die Natur der Monarchie "aus". Diese sehr wichtige Aussage enthüllt das Neue am Vorgehen Montesquieus. Darauf hat auch Dürckheim hingewiesen. Die ältere Staatsphilosophie, von Descortes beeinflußt, diskutierte über das Wesen und ging deduktiv vor. Montesquieu selbst sieht sich als Empiriker. Aber man könnte nun nach den Überlegungen (demarche) fragen, die darin bestehen, die Natur der Monarchie auf diese Weise zu definieren und anzunehmen, daß es keinen wirklichen Unterschied zur traditionellen Methode gibt. Tatsächlich ist die ,Natur', von der hier die Rede ist, grundverschieden von dem, Wesen' in der älteren Metaphysik. Hier geht es nur um eine Einteilung der bekannten Regierungsformen, und ,Natur' bedeutet schlicht ,Kriterium': Die Existenz von Zwischengewalten ist das Kriterium der monarchischen Regierung. So könnte man Montesquieu übersetzen. In dieser Definition liegt auch eine Rechtfertigung dafür, dieses Kriterium eher als ein anderes anzuwenden: nämlich, daß es gleichzusetzen ist mit einer besonderen Funktionsweise. Eine monarchische Regierung ist diejenige, in der unter Berücksichtigung der Existenz von Zwischengewalten ein einzelner durch Grundgesetze regiert. Die Einteilung geht also doch auf einen Schritt a posteriori zurück: In ein und dieselbe Gruppe sind die Regierungen eingeordnet, bei denen eine Funktionsweise an einen bestimmten Strukturtyp gebunden ist. Meine dritte Bemerkung bezieht sich auf die von Montesquieu ausgesprochene Gleichwertigkeit von Zwischengewalten und Grundgesetzen. Es muß hervorgehoben werden, daß es für Montesquieu nicht darum geht festzustellen, daß das Vorhandensein von Zwischengewalten den Monarchen zur Unterwerfung unter die Grundgesetze veranlassen würde. Die Zwischengewalten sind mehr als eine Ansammlung von Parlamenten, feudalherrlichen oder kirchlichen Richtern, auf die man sie reduzieren wollte. Diese etwas blasse Auslegung ist weit verbreitet, aber absolut unvereinbar mit dem WillenMontesquieus, überall einesoziale Notwendigkeit aufzuspüren. Wir können feststellen, daß er nicht das Wort "gemäß" gebraucht, sondern das Wort "durch": Der Monarch regiert durch die Grundgesetze und nicht nach Maßgabe oder in Übereinstimmung mit diesen. Anders ausgedrückt: Worum es ihm hier geht, ist nicht irgendeine Unterwerfung unter ein über dem Monarchen selbst stehendes Gesetz, sondern buchstäblich eine Unterordnung unter eine Regierung durch das Mittel der Gesetze. Jetzt begreift man die Gleichwertigkeit von Zwischengewalten und Grundgesetzen besser, die keinen Sinn haben würde, wenn man die traditionelle Interpretation beibehielte, die besagt: die Macht wird durch die Gesetze ausgeübt, weil sie von untergeordneten und abhängigen Zwischengewalten ausgeübt wird. Tatsächlich kann die Gewalt nur rechtmäßig ausgeübt werden, wenn die Befehle

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des Königs nicht aufgrundvon irgendwelchen Umständen und Launen erteilt werden, sondern wenn sie allgemeingültig sind, wenn es Gesetze sind, und von den untergeordneten und abhängigen Zwischengewalten weniger allgemeinverbindliche Entscheidungen getroffen werden. Diese Organe stehen nicht außerhalb, sondern innerhalb des Staates. Was Montesquieu "Grundgesetze" nennt, sind also weder die berühmten Thronfolgegesetze - es ist nicht zu erkennen, wie diese Gesetze die Unterscheidung von Monarchie und despotischem Staat möglich machen würden - noch die normalen Gesetze, die königlichen Edikte. Es ist einfach die Rechtsform, die Tatsache, daß die Rechtsordnung hierarchisch zu gliedern hat. Es geht mir nicht darum, Montesquieu zu einem Vorgänger Kelsens zu ernennen. Für Comte oder Marx wird er bereits als ein Vorgänger angesehen. Zu viele Unterschiede trennen beide voneinander. Auf alle Fälle ist Kelsen nicht der einzige und nicht der erste, der das Recht als eine hierarchische Ordnung beschreibt, und man muß insbesondere festhalten, daß die von Montesquieu aufgezeigte Hierarchie nicht eine Hierarchie der Normen, sondern der Organe ist. Er steht eher in der Nähe von Ca"e de Malberg mit der Definition dessen, was heute ein Rechtsstaat zu nennen ist.

II. Jetzt kommt es darauf an zu untersuchen, in welchem Zusammenhang diese Definition der Monarchie durch die Zwischengewalten mit dem bekannten Liberalismus Montesquieus gesehen werden kann; wieso und warum die Freiheit in der Monarchie größer ist als im despotischen Staat. Hierbei können wir wieder von einem wohlbekannten und doch dunklen Teilabschnitt ausgehen: "Um die Freiheit zu fördern, haben die Engländer alle Zwischengewalten, die ihre Monarchie ausmachten, abgeschafft. Sie haben allen Grund, diese Freiheit zu bewahren; würde sie ihnen verloren gehen, so würden sie eines der am meisten geknechteten Völker der Erde sein." (II., 4). Die Schwierigkeit besteht natürlich darin, daß die Zwischengewalten immerund manchmal auch von Montesquieu selbst - als ein Schutzwall der Freiheit angesehen werden. Wie soll man nun begreifen, daß die Engländer diese zur Förderung der Freiheit abgeschafft haben, das Nichtvorhandensein dieser Gewalten aber gleichzeitig die Gefahr in sich birgt, aus ihnen ein versklavtes Volk zu machen? Man könnte versucht sein, dieses Problem zu lösen, indem man auf die bereits erwähnte klassische Unterscheidung zwischen Freiheit als Teilnah:ne und Freiheit als Autonomie zurückgreift. Um erstere zu erreichen, hatten die Engländer die Zwischengewalten abgeschafft. Aber nunmehr ist die Freiheit als Teilnahme die Garantie für die Freiheit als Autonomie, so daß 5>i.aat und Bürger sich bei

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ihrer Abschaffung ohne jeden Mittler gegenüberstehen würden, und der Bürger tatsächlich zum Sklaven würde, weil keine Zwischengewalt eingreifen könnte. Also wären die Zwischengewalten ein Hindernis für die Teilnahme und vielleicht auch für die Demokratie, aber zumindest wären sie eine Garantie der Freiheit (wir würden heute sagen, der Freiheiten). Diese Auslegung würde Montesquieu von neuem auf die Seite derjenigen stellen, die zwischen Freiheit und Demokratie wählen und sich für die Freiheit aussprechen. Man kann allerdings der Meinung sein, daß diese Interpretation ihm nicht gerecht wird und insbesondere seiner Auffassung von Monarchie und gemäßigter Regierungsform nicht Rechnung trägt. Sie stößt vor allem auf folgende Schwierigkeit: Montesquieu spricht nicht von Freiheit als Teilnahme in den die Demokratie betreffenden Kapiteln. In dem Kapitel über die Verfassung Englands definiert er die Freiheit nicht als Teilnahme, sondern nur als Unterwerfung unter die Gesetze. Die Freiheit, welche die englische Verfassung zum Ziel hat, sagt er, ist die "zu tun, was man wollen darf, und nicht gezwungen zu sein zu tun, was man nicht wollen darf'. Bei Montesquieu besteht demnach der Hauptwiderspruch nicht zwischen Freiheit und Demokratie, sondern zwischen der Freiheit als Unterwerfung unter die Gesetze (die Freiheit in ihrer Beziehung zur Verfassung) und der Freiheit als Sicherheit, die vornehmlich von "der Güte der Strafgesetze" (XII., 2) abhängig ist, d. h. die Freiheit in ihrer Beziehung zum Bürger. Diese Unterscheidung führt uns wieder zurück zu den Zwischengewalten. Für Montesquieu ist die englische Verfassung wie die Monarchie eine gemäßigte Regierungsform, d. h. eine Regierungsform, die Freiheit gibt, verstanden in ihrer Beziehung zur Verfassung als Unterordnung unter die Gesetze. Anders ausgedrückt, die Freiheit ergibt sich aus der Verfassung, und dies sowohl in der Monarchie als auch in der englischen Verfassung. Aber im letzteren Fall ist es die Verteilung der Gewalten, die die Freiheit schafft. Deshalb heißt es bei ihm, daß "diese Nation als unmittelbaren Zweck ihrer Verfassung die politische Freiheit hat" (XI., 5), während in der Monarchie die Freiheit aus der Präsenz der Zwischengewalten resultiert. Dieser Unterschied zwischen der englischen Verfassung und der Monarchie kann nur richtig verstanden werden, wenn man den Begriff "objet" bei Montesquieu berücksichtigt: Er unterscheidet, wie wir gesehen haben, die einfachen Regierungsformen nach ihrer ,Natur'. Für jede Regierungsform ist die Natur "das, was sie so sein läßt ... ihre besondere Struktur" (III., 1). Aber jede Regierungsform ist außerdem charakterisiert durch ,ein Prinzip' oder ,eine Triebkraft', ("das, was sie so handeln läßt ... die menschlichen Leidenschaften, die ihre Bewegung bestimmen") (ebd.). Das Prinzip der despotischen Regierung ist die Furcht, das der Monarchie das Ehrgefühl. Zwischen Natur und Prinzip gibt es selbstverständlich ein enges Band: Aufgrund ihrer Natur stützt sich eine Regierung auf gewisse Leidenschaften. Es liegt in der Natur der despotischen Regierung, durch die Furcht zu herrschen, in der Natur der Monarchie, sich auf

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das Ehrgefühl zu verlassen. Ferner ist jede Regierungsform durch ihren Zweck gekennzeichnet. Der Zweck des Staates ist das, was er anstrebt, was er notwendigerweise aufgrundseiner Natur hervorbringt. Jeder Staat strebt seinen eigenen Fortbestand an, aber darüber hinaus hat jeder Staat einen ihm eigenen Zweck, der mit seiner Geschichte zusammenhängt oder mit der jeweiligen Regierungsform. "Die Vergrößerung war der Zweck Roms, der Krieg der Spartas, die Religion der Gegenstand der jüdischen Gesetze" (XI., 5), und genauso sind die Vergnügungen des Fürsten der Zweck der despotischen Regierung, und "ihr eigener Ruhm und der des Staates" ist der Zweck der Monarchie. Es besteht also eine enge Verbindung zwischen Natur, Prinzip und Zweck; und dies erlaubt die Lösung einer gewissen Anzahl von theoretischen und praktischen Problemen. Wenn zwei dieser Begriffe bekannt sind, kann man den dritten ableiten.Montesquieu untersucht also die Frage, wie die Natur einer Regierung beschaffen sein könnte, deren Zweck die Freiheit wäre: weil es sich dabei um keine der einfachen Regierungsformen handelt, muß es eine Regierung gemischter Natur sein, wofür er, wie man weiß, das Beispiel in der englischen Verfassung findet. Der Unterschied zwischen der Monarchie und der englischen Regierung ist einfach. In England ist die Freiheit Zweck der Verfassung aufgrund ihrer gemischten Natur, d. h. aufgrund der Tatsache, daß die Gewalt einem König, dem Adel und dem Volk gemeinsam gehört. Für den Übergang von der monarchischen zu der die Freiheit gewährenden gemischten Regierungsform mußten die für die Monarchie charakteristischen Zwischengewalten beseitigt werden. Nun begreift man, warum die Engländer Gefahr laufen, ein versklavtes Volk zu werden: Die Freiheit beruht entweder auf der Verteilung der Gewalten oder auf dem Vorhandensein von Zwischengewalten. Wenn die Gewaltenteilung nicht richtig durchgeführt worden ist, wird sie nicht das erwartete Ergebnis bringen, und die Freiheit und die Zwischengewalten, die ein Substitut hätten sein können, werden nicht mehr vorhanden sein. Klar ist, daß es sich hier bei Montesquieu nicht um zwei verschiedene Kategorien von Freiheit handelt, sondern um eine einzige Freiheit, nämlich die, nur den Gesetzen unterworfen zu sein. Hier ist zu betonen, daß diese Freiheit von derselben Art ist wie diejenige, die der Mensch gegenüber der Natur besitzt. Die Kenntnis der Gesetze der Natur und der Gesellschaft bewirkt jene Art von Freiheit, die in der Vorhersehbarkeit der Folgen seines eigenen Handeins liegt. Die Freiheit, die aus der ausschließlichen Unterwerfung unter die Gesetze resultiert, ist absolut unabhängig von deren Inhalt. Man kann sich als frei begreifen, selbst wenn die Gesetze einengen, ja sogar unterdrücken, vorausgesetzt, sie bleiben unverändert. Der Despotismus ist nicht so sehr wegen des Inhalts seiner Gesetze zu verachten, als wegen der Tatsache, daß diese sich bei Anwendung nach Laune des Fürsten ändern. Aber wie können die Verfassung nach englischem Muster auf der einen Seite und die Zwischengewalten auf der anderen Seite die politische Freiheit garantieren?

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In England ist man frei, weil man die Sicherheit hat, daß man bei Befolgung eines Befehls des Königs oder eines Richters indirekt dem Gesetz gehorcht, welches außerdem den durch die gemischte Regierungsform bewirkten Vorteil hat, gemäßigt zu sein. Was die Zwischengewalten betrifft, haben wir bereits festgestellt, daß in einer hierarchischen Rechtsordnung die Befolgung eines Einzelbefehls, der im Einklang mit einem höherrangigen Befehl steht, die eigentliche Definition des Gesetzesgehorsams ist. Es sind demnach die Zwischengewalten, die untergeordnet und abhängig, eine Rechtsordnung bilden. Montesquieus Vorschlag geht demzufolge dahin, den Rechtsstaat nicht als eine unwahrscheinliche Unterwerfung des Staates unter das Recht zu definieren, sondern als Ausübung der Gewalt durch das Recht. Dieser Rechtsstaat ist natürlich keine Garantie für milde, die individuellen Freiheiten berücksichtigende Gesetze. So ein Liberalismus ist nicht derjenige Montesquieus. Hier wird lediglich sichergestellt, daß man nicht den Menschen, sondern den Gesetzen zu gehorchen hat, wie es die Väter der amerikanischen Verfassung so gut zum Ausdruck gebracht haben. Meiner Meinung nach kann man auf diese Weise zwei strittige Fragen gleichzeitig klären: Die Frage der ablehnenden Haltung Montesquieus gegenüber der Demokratie und die Frage nach den Lehren, die man daraus ziehen kann bei der üblichen Gegenüberstellung von Demokratie und Liberalismus. Zum ersten Punkt ist zu sagen, daß Montesquieu nicht unter allen Umständen ein Gegner der Demokratie ist. Zumindest hat man mit Recht einen Widerspruch festgestellt zwischen dem ersten Teil des "Oe I'Esprit des Lois", in dem er große Bewunderung für die antike Demokratie bekundet, und dem zweiten Teil, in dem er offenbar die gemäßigte Regierung favorisiert. Aber darum geht es im Grunde nicht. Die von Montesquieu beschriebene gemäßigte Regierung ist eine Monarchie, und bei den Zwischengewalten, von denen er spricht, handelt es sich um den Adel mit seiner Ehre, Antriebskraft der Monarchie, und dessen Privilegien. Aber man darf nicht vergessen, daß er, zumindest was sein Prinzip angeht, eine Methode anwendet, die der von Max Webers Idealtypen verwandt ist, und daß er die von ihm beobachteten Merkmale verfälscht, um zu einem Modell zu kommen. Wir haben aber gesehen, daß es der Rechtsstaat ist, den er beschreibt. Er benutzt die Form der Monarchie, weil er dieselbe vor Augen hat. Aber in seinen Augen könnte der Rechtsstaat auch ohne weiteres eine repräsentative Demokratie sein. Nein, sogar eine echte Demokratie, weil das Volk alles entscheiden und es keine Zwischengewalten geben würde. Die repräsentative Demokratie, die Montesquieu sich nicht vorstellen konnte, ist durchaus mit seinem System vereinbar. Allgemeiner betrachtet, können - unter zwei Bedingungen - Liberalismus, Zwischengewalten und repräsentative Demokratie in Einklang gebracht werden: Wenn man die Freiheit als Unterordnung unter das Gesetz begreift und die Zwischengewalten nicht als Beeinträchtigung des souveränen Volkswillens und

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auch nicht als autonome Rechtsquellen versteht, sondern als untergeordnete Organe innerhalb der staatlichen Rechtsordnung.

Les corps intermediaires dans Ia philosophie politique de Montesquieu Par Michel Troper

Que Montesquieu ait ete l'un des principaux theoriciens du libi:ralisme et que Ia theorie des corps intermediaires soit un element essentiel de sa philosophie politique, voila deux affirmations dont Ia banalite justifierait a elle seule le choix de ce sujet pour un colloque consacre a l'illustre auteur de !'Esprit des Lois. Mais il y a egalement une affirmation, non moins habituelle, selon laquelle le liberalisme et l'ideologie democratique seraient, sur le plan theorique, incompatibles. Cette opposition de Ia democratie et du liberalisme, c'est celle, deja decrite par un autre libi:ral, Benjamin Constant, de Ia liberte des Anciens et de Ia liberte des Modemes, ou, en termes plus modernes, de Ia liberti:-participation et de Ia liberti:-autonomie. D'un cote un systeme dans lequelle peuple souverain exerce le pouvoir, tout le pouvoir, et dans lequel on ne saurait par consequent concevoir que ce pouvoir conm1t des bomes; de l'autre, un systeme dans lequelle pouvoir, quel que soit son detenteur, doit etre exerci: de maniere moderee, donc etre Iimite. En d'autres termes, entre Ia liberte et Ia democratie, il faudrait choisir. Si l'on partage cette interpretation, on est immanquablement amene a ranger

Montesquieu parmi !es adversaires de Ia democratie. Et, de fait, ses

commentateurs peuvent bien se disputer sur le qualificatif qu'il convient de lui donner: conservateur, parce qu'il souhaitait preserver !es privileges de Ia noblesse; reactionnaire parce qu'il pretendait accroitre !es pouvoirs de son ordre et retrouver certains traits du systeme feodal; reformateur, si on le credite de l'intention d'introduire en France un systeme constitutionnel a l'anglaise. Une chose est sure: personne n'a jamais pretendu en faire un democrate.

II n'est evidemment pas question d'aller jusqu'a tenter de renverser cette opinion. Mais, on peut ehereher chezMontesquieu autre chose qu'une ideologie. D'autres ont montre, quel qu'ait ete le contenu de sa thi:orie, qu'il avait ete, sinon un fondateur, du moins un pr.ecurseur de Ia sociologie (Auguste Comte, Durckheim, Aron). On peut alors, a l'exemple de ces penseurs, examiner si, apropos des corps intermediaires, Montesquieu n'a pas contribue a poser le problerne des rapports entre liberalisme et democratie en termes tout a fait differents de ceux qui sont habituellement employes et s'il ne nous a pas montre Ia voie qui peut conduire a nuancer cette opposition, non pas bien sur sur le plan pratique, mais, ce qui est deja beaucoup, sur celui de Ia philosophie politique.

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La theorie des corps intermediaires (ou pouvoirs intermediaires, les deux formules sont synonymes) intervient chez Montesquieu de deux manieres: d'une part, dans Ia fameuse typologie des gouvernements, pour servir a Ia detinition de Ia monarchie; d'autre partapropos de Ia liberte. Je suivrai donc cette logique et j'examinerai successivement Ia nature et Ia fonction des corps intermediaires dans Ia doctrine de I'Esprit des lois. I. C'est au debut de I'Esprit des lois, apres Je premier Iivre consacre aux lois en general, que Montesquieu traite des formes des gouvernements et qu'il definit ainsi Ia monarchie: "Les pouvoirs intermediaires, subordonnes et independants constituent Ia nature du gouvernement monarchique, c'est-a-dire de celui ou un seul gouverne par les lois fondamentales".

On peut faire, me semble-t-il,

a propos de cette definition, trois remarques:

Tout d'abord les corps intermediaires ne sont pas seulement pour Montesquieu une simple adjonction, permettant de temperer un regime, mais ils constituent sa nature meme. Bien plus, ils foumissent Je critere de sa classification des formes de gouvernement. On a souvent remarque que l'une des revolutions apportees par Montesquieu portait sur Ia typologiedes formes de gouvernements qui, avant lui, reposait sur Je nombre des gouvernants et qui, chez lui, repose sur Ia forme meme de l'exercice du pouvoir. A vrai dire, sa typologie meme, combine deux criteres differents - ce qui n'est pas de banne metbade - l'un tire du nombre pour distinguer d'une part Ia monarchie et Je despotisme, gouvernements d'un seul, et d'autre part, Ia republique, gouvernement du peuple ou d'une partie du peuple, I'autre tire de l'existence de corps intermediaires ou de lois fondamentales pour distinguer Ia monarchie ou Je despotisme.

Si l'on voulait a taute force mareher selon Ia logique, il faudrait considerer qu'il y a en realite chez Montesquieu deux formes de gouvernement, Je gouvernement d'un seul et Je gouvernement de plusieurs et que Ia premiere classe camporte elle-meme deux sous-classes: Ia monarchie et Je despotisme, qui se distinguent par Ia presence ou l'absence de corps intermediaires ou de lois fondamentales, ce qui revient au meme. La deuxieme classe se compose d'ailleurs elle aussi de deux sous-classes: Ia republique aristocratique et Ia republique democratique. On en arrive ainsi a Ia seconde remarque: l'existence de corps intermediaires et des Iois fondamentales tauche aIa nature meme de Ia monarchie. Les corps intermediaires "constituent", dit-il, Ia nature du gouvernement monarchique. Cette indication est capitale, parce qu'elle revele Ia nouveaute de Ia demarche de Montesquieu. Sur ce point egalement, c'est Durckheim qui a mis en evidence cette nouveaute. La philosophie politique anterieure, d'inspiration cartesienne, raisonnait sur des essences et procedait par deductions. Montesquieu, lui, se veut empiriste. Mais on pourrait alors s'interroger sur Ia demarche qui consiste a definir ainsi Ia nature de Ia monarchie et a estimer qu'il n'y a pas vraiment de difference avec Ia metbade traditionnelle. En realite, Ia nature dont il est question

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ici est profondement differente de l'essence de Ia metaphysique ancienne. II s'agit simplement d'une classification des gouvernements connus et nature signifie simplement "critere": l'existence de pouvoirs intermediaires contitue le critere du gouvernement monarchique, voila comment l'on pourrait traduireMontesquieu. II y a de meme dans Ia definition, une justification de l'emploi de ce critere de preference a une autre: c'est qu'il correspond a un mode de fonctionnement particulier. Un gouvernement monarchique est celui ou, en raison de l'existence de pouvoirs intermediaires, un seul gouverne par des lois fondamentales. La classification procecte donc bien d'une demarche a posteriori: on a place dans une meme classe !es gouvernements ou un mode de fonctionnement est lie a un certain type de structure. La troisieme remarque concerne l'equivalence posee par Montesquieu entre pouvoirs intermediaires et lois fondamentales. II faut souligner qu'il ne s'agit pas pour Montesquieu d'etablir que l'existence des corps intermediaires inciterait le monarque a se soumettre aux lois fondamentales. Les corps intermediaires, ce n'est pas seulement cet ensemble de Parlements, de justices seigneurales ou ecclesiastiques, a quoi on a voulu les reduire. Cette interpretation, un peu fade, est tres repandue, mais elle est rigoureusement inconciliable avec Ia volonte de Montesquieu de rechercher partout une necessite sociale. Et precisement, on peut noter qu'il emploie non pas le mot ,.selon", mais par: le monarque gouvernepar des lois fondamentales et non pas selon ou conformement a ces lois. Autrement dit, ce qu'il a en vue ici ce n'est pas une quelconque soumission a un droit superieur au monarque lui-meme, mais, a Ia lettre, un gouvernement par le moyen des lois. On comprend alors mieux l'equivalence entre Ies pouvoirs intermediaires et les lois fondamentales, qui n'aurait aucun sens si l'on retenait l'interpretation traditionnelle: le pouvoir s'exerce par !es lois parce qu'il s'exerce pardes pouvoirs intermediaires, subordonnes et dependant. En effet, le pouvoir ne peut s'exercer dans Ia forme juridique que si les ordres donnes par le roi ne Je sont pas au hasard des circonstances et des caprices, mais s'ils sont generaux, si ce sont des lois et si ces pouvoirs subordonnes et dependants prennent des decisions moins generales. Ces corps ne sont pas hors de !'Etat mais dans !'Etat. Ce qu'il appelle "lois fondamentales", ce ne sont donc ni les fameuses lois fondamentales du royaume sur !'ordre de succession au tröne- on ne voit pas comment ces lois permettraient de distinguer Ia monarchie du despotisme- ni meme !es lois ordinaires, !es edits du roi, c'est tout simplement Ia forme juridique, le fait que !'ordre juridique soit hierarchise. II n'est evidemment pas question d'ajouter a Montesquieu Ia qualite de precurseur de Kelsen a celles, dont il a deja ete gratifie, de precurseur de Comte ou de Marx. Trop de differences l'en separent. Oe toute maniere Ke/sen n'est ni le seul ni le premier a decrire le droit comme un ordre hierarchise et il faut surtout remarquer que Ia hierarchie indiquee par Montesquieu est une hierarchienon de 5 Spever 106

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normes, mais d'organes. C'est donc de Carre de Malberg qu'il se rapprocherait dans Ia definition de ce qu'il faut appeler aujourd'hui un Etat de Droit. II. Il importe a present d'examiner en quoi cette definition de Ia monarchie par les pouvoirs intermediaires se rattache au liberalisme bien connu de Montesquieu, en quoi et pourquoi on est plus libre dans Ia monarchie que le despotisme. La encore, on peut partir d'un fragment bien connu et cependant obscur: ,.Les Anglais, pour favoriser Ia liberte, ont ote toutes les puissances intermediaires qui formaient leur monarchie. Ils ont bien raison de conserver cette liberte; s'ils venaient a Ia perdre, ils seraient un des peuple les plus esclaves de Ia terre" (II. 4). La difficulte vient, bien sur, de ce que les corps intermediaires sont toujours - et quelquefois par Montesquieu lui-meme - comme un rampart de Ia liberte. Comment comprendre alors que les Anglais les aient supprimes pour favoriser Ia liberte et qu'en meme temps l'absence de ces pouvoirs risque defaire d'eux un peuple esclave?

per~us

On pourrait etre tente de resoudre cette difficulte en reprenant Ia distinction classique, a laquelle il a ete deja fait allusion, entre Ia liberte-participation et Ia liberte-autonomie. Pour obtenir Ia premiere les Anglais avaient supprime les puissances intermediaires mais desormais cette libert6-participation est Ja garantie de Ia liberte-autonomie, de sorte que Ia disparition de Ia liberteparticipation laisserait en presence le pouvoir et le citoyen sans aucun intermediaire et celui-ci serait en effet esclave, puisqu'aucun pouvoir intermediaire ne pourrait s'interposer. Ainsi les pouvoirs intermediaires seraientils un obstacle a Ia participation et donc a Ia democratie peut-etre, mais au moins une garantie de Ia liberte (nous dirions aujourd'hui des libertes). Cette interpretation conduirait donc a placer de nouveau Montesquieu dans Je camp de ceux qui choisissent entre Ia liberte et Ia democratie et qui se prononcent pour Ia liberte. On peut cependant considerer qu'elle ne lui rend pas justice et notamment qu'elle ne tient pas compte de sa conception de Ia monarchie et du gouvernement modere. Surtout, eile se heurte a cette difficulte: Montesquieu ne parle pas de Ia libert6-participation dans Jes chapitres qu'il consacre a Ia democratie. Dans le chapitre sur Ia constitution d'Angleterre, il ne definit pas Ia liberte comme participation, mais seulement comme soumission aux lois. La liberte que Ia constitution anglaise a pour objet dit-il est celle qui consiste "a faire ce que l'on doit vouloir et a n'etre point contraint de faire ce que l'on ne doit pas vouloir". L'opposition capitale chez lui n'est donc pas entre Ia liberte et Ia democratie, mais simplement entre Ia liberte comme soumission aux lois (Ia liberte dans son rapport avec Ia constitution) et Ia liberte comme surete, qui depend principalement de ,.Ia bonte des lois criminelles" (XII. 2) ou Ia liberte dans son rapport avec Je citoyen.

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Or cette distinction ramene aux corps intermediaires. Pour Montesquieu, Ia constitution anglaise, comme Ia monarchie, est un gouvemement modere: c'esta-dire un gouvemement qui proeure Ia liberte (entendue dans son rapport avec Ia constitution, comme Ia soumission aux Iois). Autrement dit, Ia liberte resulte de Ia constitution aussi bien dans Ia monarchie que dans Ia constitution anglaise. Mais dans ce dernier cas, c'est Ia distribution des pouvoirs qui produit Ia liberte. C'est pourquoi il dit que .,cette nation a pour objet direct de sa constitution Ia liberte politique" (XI. 5) tandis que dans Ia monarchie Ia liberte resulte de Ia presence des corps intermediaires. Cette difference entre Ia constitution anglaise et Ia monarchie ·ne peut etre correctement comprise qu'eu egard a Ia notion d'objet chez Montesquieu: il distingue, on l'a vu, !es formes simples de gouvemement par Ieur nature. Pour chaque gouvernement, Ia nature, c'est .,ce qui Je fait etre tel ... sa structure particuliere" (III, 1). Maisen outre chacun se caracterise parunprincipe ouressort, (ce qui Je fait agir ... les passions humaines qui le font mouvoir" (ibid). Celui du despotisme est Ia crainte, celui de Ia monarchie Je sentiment de l'honneur. II y a bien entendu un Iien etroit entre Ia nature et Je principe: c'est en raison de sa nature qu'un gouvemement s'appuie sur certaines passions. II est de Ia nature du gouvemement despotique de gouvemer par Ia crainte ou de celle de Ia monarchie de compter sur le sentiment de l'honneur. Mais chaque forme de gouvernement se caracterise en outre par son objet. L'objet de I'Etat est ce vers quoi il tend, ce qu'il produit necessairement en raison de sa nature. Tout Etat tend a sa propre conservation, mais en outre chaque Etat a un objet propre qui tient ason histoire ou au type de gouvemement auquel il se rattache. Ainsi, "l'agrandissement etait l'objet de Rome, Ia guerre celui de Lacedemone, Ia religion celui des lois judaiques" (XI, 5) et de meme, le gouvemement despotique a pour objet !es delices du prince, Ia monarchie .,sa gloire et celle de !'Etat". II y a donc un Iien tres etroit entre Ia nature, Je principe et l'objet et ce Iien permet de resoudre un certain nombre de problemes theoriques et pratiques. Connaissant deux de ces termes, on peut decouvrir Je troisieme. Montesquieu recherche donc quelle pourrait etre Ia nature du gouvemement qui aurait Ia liberte pour objet: comme ce n'est aucune des formes simple, il faut que ce soit un gouvemement d'une nature mixte, dont il trouve, on Je sait, Je paradigme dans Ia constitution anglaise. La difference entre monarchie et gouvemement anglais est donc simple. En Angleterre, Ia liberte est I'objet de Ia constitution en raison de sa nature mixte, c'est-a-dire du fait que Je pouvoir appartient conjointement aun roi, aIa noblesse et au peuple. Pour passer de Ia forme monarchique aIa forme mixte, qui proeure Ia liberte, il a fallu öter ce qui est caracteristique de Ia monarchie, !es corps intermediaires. On comprend alors pourquoi !es Anglais risquent d'etre un peuple esclave: Ia liberte tient ou bien a Ia distributiondes pouvoirs ou bien aIa presence des COrpS intermediaires. Si Ia distributiondes pouvoirs n'a pas ete faite correctement, eile ne produira pas Je resultat qu'on pouvait en attendre, Ia liberte et !es corps intermediaires qui auraient pu etre un substitut auront disparu. 5*

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II est clair qu'il ne s'agit pas ici chezMontesquieu de deux especesdifferentes de liberte, mais d'une seule liberte, Je fait de n'etre soumis qu'aux lois. II faut souligner que cette liberte est du meme type que celle de l'homme face a Ia nature. La connaissance des lois, aussi bien les lois du monde physique que les lois humaines, proeure cette espece de liberte qui reside dans Ia previsibilite des consequences de ses propres actions. La liberte qui re5sulte de Ia soumission exclusive aux lois est tout-a-fait independante du contenu de ces lois. On peut concevoir qu'on soit libre, meme si elles sont contraignantes, voire oppressives, pourvu qu'elles restent fixes. Si Je despotisme est odieux, ce n'est pas tant acause du contenu des lois, que parce qu'elles changentau moment de l'application, au gre des caprices du prince. Mais comment Ia constitution a l'anglaise d'un cöte, les corps intermediaires de l'autre peuvent ils garantir Ia liberte politique?

En Angleterre, on est libre parce qu'on a l'assurance, en obeissant aun ordre du roi ou d'un juge, qu' on obeira indirectement a Ia loi. Celle-ci presente en outre cet avantage que proeure Ia forme mixte, d'etre modere.

Quant aux corps intermediaires, on a releve tout a l'heure, que dans un ordre juridique hierarchise, l'obeissance a un commandement particulier, lui-meme conforme a un commandement de degre superieur, est Ia definition meme de l'obeissance aux lois seules. Ce sont donc les corps intermediaires (subordonnes et dependants) qui constituent un ordre juridique. Ce que propose Montesquieu, c'est par consequent une definition de I'Etat de droit, entendu non pas comme improbable soumission de I'Etat au droit, mais comme exercice du pouvoir par Je droit. Cet Etat de droit ne garantit evidemment pas des lois douces, respectueuses des libertes individuelles. Ce liberalisme Ia n'est certainement pas celui de Montesquieu. II garantit simplement qu'on obeisse non aux hommes, mais aux lois, comme l'ont si bien exprime les peres fondateurs de Ia constitution americaine. On peut ainsi, me semble-t-il, regler simultanement deux problemes, celui de l'opposition de Montesquieu a Ia democratie, celui des leeans qu'il est possible d'en tirer dans l'opposition habituelle de Ia democratie et du liberalisme. Sur Je premier point, Montesquieu n'est pas en tout etat de cause un adversaire de Ia democratie. Tout au moins, on a justement remarque une contradiction entre Ia premiere partie de I'Esprit des Lois, dans laquelle il temoigne d'une grande admiration pour Ia democratie antique et Ia deuxieme, apparemment favorable au gouvernement modere. Mais Ia n'est pas vraiment Ia questions. Le gouvernement modere que decrit Montesquieu est une monarchie et les corps intermediaires dont il parle c'est Ia noblesse avec son honneur, Je ressort de Ia monarchie, et ses privileges, mais on ne doit jamais oublier qu'il pratique une metbade voisine, dans son principe au moins, de celle des types-ideaux de Max Weber et qu 'il force Ies traits de ce qu 'il observe pour parvenir aun modele. Or on

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a vu que ce qu'il decrit, c'est !'Etat de droit. II prend Ia forme de Ia rnonarchie, parce que Ia rnonarchie est ce qu'il a sous !es yeux. Mais rien, n'interdirait, aux yeux de Montesquieu. que I'Etat de droit soit une dernocratie representative. Non une vraie dernocratie, parce que Je peuple y ferait tout et qu'il n'y aurait pas de corps intermediaires. Mais Ia dernocratie representative, que Montesquieu ne pouvait pas irnaginer, est parfaiternent cornpatible avec son systerne. Sur un plan plus general, on peut donc concilier liberalisrne, corps interrnediaires et dernocratie representative, a deux conditions: cornprendre Ia liberte cornrne sournission aux lois, cornprendre !es corps interrnediaires non cornrne des obstacles a Ia volonte du peuple souverain, ni cornrne des sources autonomes du droit, rnais cornrne des organes subordonnes faisant partie de !'ordre juridique etatique.

Litterature Althusser. L.: Montesquieu, Ia politique et l'Histoire, Paris, PUF, 1959, 2erne edit. 1964.- Aron, R.: Les grandes etapes de Ia pensee sociologique, Paris, Gallirnard, 1967.Carcassonne, E.: Montesquieu et Je problerne de Ia constitution francaise aux XVIlerne siede, Paris, 1927.- Dedieu, J.: Montesquieu,J'homme et l'reuvre, Paris, 1913, 2eme edit. 1943.- Durckheim. E.: Montesquieu et Rousseau, precurseurs de Ia sociologie, Paris, 1953.- Ehrard, J.: Politique de Montesquieu, Paris, A. Colin, 1965.- Eisenmann. C.: L'Esprit des Lois et Ia separationdes pouvoirs, ds. Melanges Carre de Malberg, 1933, pp. 163-192.- Eisenmann, C.: La pensee constitutionnelle de Montesquieu, Recueil sirey du bicentenaire de !'Esprit des Lois, Paris, 1952. - Eisenmann, C.: Le systeme constitutionnel de Montesquieu et Je temps present. Actes du Congres Montesquieu pour Je Ileme centenaire de !'Esprit des Lois, Bordeaux, 1949.- Etiemble, R.: Montesquieu, ds. Ecnyclopaedia Universalis. - Goyard-Fabre. S.: La philosophie du droit de Montesquieu, Paris, 1973. - Grandpre-Moliere: La theorie de Ia constitution anglaise chez Montesquieu, Leyde, 1972. - Gurvitch. G.: Breve esquisse de l'Histoire de Ia sociologie, ds. Traite de sociologie, Paris, PUF, 1967. - Landi, L.: L'inghilterra e il pensiero politico di Montesquieu, Pavia, CEDAM, 1981.- Pangle. T.: Montesquieu's philosophy of Liberalism, V of Chicago Press, Chicago, 1973. - Shakleton, R.: Montesquieu. Une biographie critique, trad. fse. Presses Universitaires de Grenoble, 1977.- Stark, W.: Montesquieu, pioneer of the sociology of Knowledge, University of Toronto Press, 1961.- Starobinski, J.: Montesquieu par lui-meme, Paris, Seuil, 2eme edit. 1979. - Troper. M.: La Separation des Pouvoirs et l'Histoire constitutionnelle fran~aise, Paris, LGDJ, 1° edit. 1973: 2° edit. 1980. Troper, M.: Liberte, Propriete et Structures constitutionnelles dans Ia pensee constitutionnelle du XVIII 0 siecle, ds. Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, Beiheft, Neue Folge, Nr. 10 (1VR IX), 1977, pp 166-175. - Troper, M.: Article "Montesquieu", ds. Dictionnaire des Oeuvres Politiques, Paris, PUF. 1986.- Troper. M.: Charles Eisenmann contre le mythe de Ia separation des pouvoirs. Publications duCentre de Theorie Politique de l'Universite de Reims, 1986.- Verniere, P.: Montesquieu et l'Esprit des Lois ou Ia raison impure, Paris, 1977. - Waddicor. M.: Montesquieu and the philosophy of natural law, La Haye, Nijhoff, 1970.

Diskussion zu dem Referat von Michel Troper Leitung: Detlef Merten Bericht von Margit Ballweber Der Diskussionsleiter stellte eingangs fest, das Referat habe deutlich gemacht, wie sehr Montesquieu einer der geistigen Väter des Rechtsstaates gewesen sei und wie sehr er Despotismus sowohl in monarchischer als auch in demokratischer Form abgelehnt habe.

Zippelius rief eine Äußerung Erich Kaufmanns aus dem Jahre 1949 in Erinnerung: die deutsche Staatstheorie habe bis zu diesem Zeitpunkt gekrankt an "zuviel Rousseau und zuwenig Montesquieu". Diese Äußerung entspreche dem, was Troper in seinem Referat ausgeführt habe. Nämlich daß zu sehr nur auf demokratische Teilhabe an der Staatsgewalt gesehen werde und zuwenig auf das Problem der Mäßigung der Staatsgewalt. Die Mäßigung geschehe in erster Linie durch Gesetze. Jedoch müßte im Sinne Montesquieus zu diesem Zweck auch denjenigen, die die Gesetze vollzögen, Ballast mitgegeben werden, mithin die Staatsgewalt durch politische Potenzen gemäßigt werden. Entscheidend sei die in Gesetzesform strukturierte, aber eben doch auch mit politischer Substanz ausgefüllte, gemäßigte Form jeder Machtausübung. Es sei ihm begreiflich geworden - so Magiera- wie Montesquieu Despotie von Monarchie unterscheiden wolle für den Fall, daß Gesetze bereits vorhanden seien. Er frage sich aber, wie der Gedankengang Montesquieus sich im Hinblick auf die Entstehung der Gesetze fortführen lasse. Der Despot erlasse Gesetze nach Willkür. Wer aber hindere nach dem System von Montesquieu den Monarchen daran, gleiches zu tun? Gebe es Anhaltspunkte bei Montesquieu, die darauf schließen ließen, mit welchen Mitteln er einen Monarchen dazu veranlassen wolle, Gesetze auf nicht willkürliche Art und Weise zu erlassen?

Troper antwortete, es gebe nach Montesquieu keinen inneren Mechanismus des Systems, der verhindern könne, daß ein Monarch schlechte oder willkürliche Gesetze erlasse. Als psychologisches Mittel wirke nur die Tatsache, daß der Monarch Ruhm erlangen wolle. Dies sei aber kein systemimmanenter Mechanismus. Das damalige englische System habe über diesen Mechanismus zur Vermeidung von Ungerechtigkeiten verfügt. Daher rühre seine Überlegenheit gegenüber dem französischen System. Der fehlende innere Mechanismus sei auch der Grund, weshalb Monarchie und Despotie nur Unterklassifizierungen innerhalb einer Klasse seien.

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Diskussion

In England, fügte Zippe/ius hinzu, habe man sich der Absolutheitsansprüche Jakobs I. und Karls I. durch Unterordnung der Königsgewalt unter das Gesetz erwehrt. Über allem, was der König getan habe, habe das alte, hergebrachte englische Recht gestanden. Es habe gegolten "Iex facit regem", nicht "rex facit Iegern". Aber sei in Montesquieus System nicht auch ein inneres Regulativ in der "nature des choses", der Legitimitätsbindungjeder Staatsgewalt an die Natur der Sache, z. B. den Volkscharakter, die Wirtschaftsform usw. vorhanden? Zippelius habe zwei verschiedene Dinge ausgesprochen, erwiderte Troper. Zum einen sei im englischen System "law is supreme" mit "parlament is supreme" gleichzusetzen, der König sei aber Teil des Parlaments; dessenungeachtet könne ein Gesetz gleichwohl willkürlich werden, wenn nicht der innere Mechanismus, der aus der Struktur des englischen Systems resultiere, dies verhindere. Zum anderen: Die Natur der Sache sei kein Mechanismus, lediglich ein Mittel der Definition eines Gesetzes, möge es Natur-, Menschen- oder positives Gesetz sein. Gesetze seien die notwendigen Zusammenhänge, die sich aus der Natur der Sache ableiteten. Deshalb könne man- erstens- Gesetze studieren und - zweitens - frei sein, gerade indem man die Gesetze der Natur befolge, ebenso die menschlichen Gesetze und die positiven Gesetze. Und deshalb könne man auch in einer Monarchie frei sein, da die Gesetze stabil seien. Wolle man dem Gesetzgeber einen Rat geben, müsse man ihm empfehlen, sich an den Gesetzen der Natur zu orientieren, sich der Natur der Sache anzupassen. Aber Abweichungen von den Gesetzen der Natur seien in allen Systemen möglich. Der Diskussionsleiter griff die Problematik des Schutzes der Untertanen davor, daß der Herrscher Willkür in Gesetzesform goß, nochmals auf. In der Monarchie sei der Inhalt der Gesetze zunächst durch göttliches Gesetz und dann in der Epoche der Aufklärung durch das Recht der Natur der Sache vorgegeben gewesen. Montesquieu habe als erster den Monarchen an sein Gesetz gebunden, willkürliche Durchbrechungen von Gesetzen im Einzelfall unterbunden. Unter dem Eindruck dieser Lehre seien etwa in Preußen die Herrscher davon abgegangen, im Einzelfall vor Gericht Recht zu sprechen nach dem Motto: Vor Gericht soll das Gesetz sprechen und der Herrscher schweigen. Dies seien erste Erfolge der Lehre Montesquieus, wenngleich ohne im Sinne materialer Rechtsstaatlichkeit schon verfassungsrechtlich festgesetzte Kriterien über den Inhalt der Gesetze zu haben. Anknüpfend an die Frage von Magiera führte Schneider aus, er wolle zwischen Konstitutionalismus und Rechtsstaat unterscheiden. Er halte Montesquieu nicht für einen Theoretiker des Rechtsstaates, wohl aber für den Begründer des Konstitutionalismus. In Deutschland sei der Staat seit dem 19. Jahrhundert formeller und materieller Rechtsstaat, basierend auf der Vorstellung, daß es Grenzen der Wirksamkeit des Staates gebe. Erst seit Kant sei wirklich der Gedanke der Beschränkung substantieller staatlicher Macht entwickelt worden, so daß bestimmte Freiheiten unantastbar seien, in die auch das Gesetz nicht eingreifen dürfe. Bei Montesquieu finde sich dieser Gedanke so noch nicht.

Diskussion

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Troper lehnte es in Anlehnung an das englische Recht ab, zwischen Konstitutionalismus und Rechtsstaat zu differenzieren. Man habe in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg geglaubt, es sei möglich, "Recht über dem Staat" zu bilden, allein - es habe niemand gezeigt, wie man dieses bewerkstelligen könne. Auslegung und Interpretation der Verfassung und der Grundrechte würden noch immer durch begrenzte Organe des Staates vorgenommen. Zippelius bezeichnete den Konstitutionalismus als eine der ganz wesentlichen Wurzeln des Rechtsstaates. Montesquieu habe daher den Rechtsstaat - wenn auch nicht in unserem heutigen vollen Verständnis- vorbereitet. Immerhin habe er einer Mäßigung der Staatsgewalt außerhalb der Gesetze dadurch Rechnung getragen, daß er den Kräften, die an der Verwirklichung der Gesetze mitwirkten, Ballast mitgegeben habe und durchaus reale Gewichte im Kräftespiel der Politik geschaffen habe. Nach dem Krieg sei der Gedanke der Bindung an die Natur der Sache als Legitimitätsbindung der Regierenden verstanden worden, wie etwa von Radbruch. Ob sich nicht bei Montesquieu ein Anklang dieser Notwendigkeitsbindung finden lasse?

Nach Verneinung der Frage durch Troper wies der Diskussionsleiter darauf hin, Montesquieu habe keine absolute Natur der Sache, aber eine sehr treffende, relative Natur der Sache eingeführt, indem er auf Klima, Bevölkerung, Bodenbeschaffenheit etc. des jeweiligen Landes abstellte. Troper sah zwei Beziehungen zwischen den Gesetzen und der Natur der Sache: zum einen, daß die Gesetze der Natur der Sache entsprechen sollten, zum andern, daß man durch die Natur der Sache die Substanz der Sache erklären könne.

Diese beiden Gedanken wurden - so erläuterte Zippe/ius - in marxistischer Blickfeldverengung fortgeführt, die Fülle der Bindungen auf den ökonomischen Aspekt reduziert: einerseits erkläre die ökonomische Situation und ihr Wandel den Inhalt der Gesetze, auf der anderen Seite sollten aber auch die Gesetze diesem Ablauf ökonomischer Notwendigkeiten folgen. Troper fügte hinzu, Montesquieu sei ein Gründer der Soziologie noch vor Dürckheim, Max Weber und Jung, nur sei der Unterschied zwischen "Prescription" und "Description" nicht so scharf. Interessant sei, daß die Natur den Gründern der Schule des Naturrechts keine Legitimation geben könne, ein Kriterium, was gut und was schlecht sei, aber ein Erklärungsmittel, und dies seien die zwei Dinge zusammen. Zippelius betonte, genau dieses habe er mit dem Zusammenwirken von "Prescription" und "Description" sagen wollen. Er habe dies eben mit Notwendigkeit und Legitimation gemeint. Es sei nur eine andere Ausdrucksweise gewesen. Golfer zog anschließend zwei Äußerungen von Wagner am Vortage in Zweifel: daß das parlamentarische System mit der Folge der Abhängigkeit der Regierung vom Parlament von der Bevölkerung der Bundesrepublik weitestgehend akzep-

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tiert sei und daß dieses System auch hervorragend im Sinne einer Machtmoderation und Machtkontrolle funktioniere. Er zweifle, ob nicht gerade das Einander-Gegenüberstehen des Blocks der Regierung, der Regierungsfraktion im Parlament, der hinter der Regierung stehenden Partei und auf der anderen Seite des Blocks der dadurch relativ machtlosen Oppositionsfraktion und Oppositionsparteien ein gewisses Unwohlsein in der Bevölkerung auslöse. Ferner, ob nicht in Wirklichkeit eine Machtmoderation eigentlich nicht mehr stattfinde, sondern ein personeller und sachlicher Machtzusammenspann. Diese Darstellung erachtete Zippelius auf unsere heutige Zeit bezogen als unumstritten. Unbestritten sei auch, daß die eigentliche Kontrolle des Parlaments durch die Opposition erfolge. Diese Kontrolle funktioniere deshalb, weil während der gesamten Legislaturperiode um Wählerstimmen gerungen werde, nicht nur zu Wahlterminen. Regierung und Regierungsmehrheit müßten sich ständig über die Schulter blicken, ob ihre Wähler noch hinter ihnen stünden. Reden im Parlament würden im wahrsten Sinne des Wortes zum Fenster hinaus gehalten, d. h. für die Öffentlichkeit, nicht für die ohnedies nicht mehr zu überzeugende Gegenpartei.

Wintrich warf die Frage auf, ob dann nicht im Sinne einer Weiterentwicklung Montesquieus versucht werden müßte, das System der Gewaltenverschränkung in irgendeiner Weise zu lösen. Wenn eine Gewalt abgewirtschaftet habe, müsse sie durch eine andere ersetzt werden, um die Balance wiederherzustellen. Der Diskussionsleiter verwies darauf, daß in der parlamentarischen Demokratie die Gewaltentrennung nicht so rein verwirklicht sei, wie in der Präsidialdemokratie und daß ein monolithischer Block zwischen Regierung, Mehrheitsfraktion und Partei bestehe. Allerdings gebe es eben auch Fälle, in denen die Regierungsfraktion mit dem, was die Regierung getan habe, nicht einverstanden sei oder etwa die Partei dem Parteivorsitzenden das Vertrauen entziehe und damit mittelbar den Ministerpräsidenten stürze. Unter diesem Aspekt müsse man wohl differenzieren und den an sich richtigen Ausgangspunkt etwas relativieren. Schließlich schlug der Diskussionsleiter vor, darüber zu sprechen, welches heute die aktuellen Zwischengewalten seien. In Betracht zu ziehen seien Gewerkschaften, Parteien oder auch der Föderalismus. Bezüglich der Gewerkschaften und Parteien verneinte Troper die Eigenschaft als Zwischengewalt, da diese nichts mit der Auslegung der Gesetze zu tun hätten. Den Föderalismus hingegen könne man als Zwischengewalt im Sinne Montesquieus bezeichnen; ersterer bedinge, daß es Organe zwischen Gesetzgebung und der Auslegung der Gesetze gäbe, welche hinzuzusetzen oder zu verhindern imstande seien. Die Gewalten der Länder in einem föderalen System und das Parlament Frankreichs vor der Revolution seien insoweit vergleichbar. Das Parlament habe in dieser Zeit das Recht gehabt, Gesetze des Königs nicht nur auszulegen, sondern sie zu "registrieren", d. h. eine Art Veto gegen Gesetze einzulegen.

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Auf diese Weise habe das Parlament ebenso wie die Länder in einem föderalen Staat als starke Bremse wirken können. Erste Ansätze zu einem richterlichen Prüfungsrecht, zu einer offiziellen Kontrolle von Gesetzen, die Zippelius bei Montesquieu erkennen wollte, vermochte Troper nicht zu bestätigen. Auf keinen Fall habe es sich um eine Kontrolle über Form oder Substanz von Gesetzen gehandelt. Der Diskussionsleiter ergänzte, Montesquieu habe den Richtern keine eigenständige politische Gewalt zugesprochen. Während im folgenden Zippelius die Meinung vertrat, die richterliche Überprüfung der Gesetze durch das Bundesverfassungsgericht und die einfachen Gerichte stelle eine Ausprägung einer intermediären Gewalt im Sinne Montesquieus dar, beharrte Troper auf der gegenteiligen Meinung; das Bundesverfassungsgericht sei viel mehr als eine Zwischengewalt, da es mehr vermöge als die Verfassung zu interpretieren. Es sei gesetzgeberische Gewalt. Allerdings ging Troper von der Voraussetzung aus, das Bundesverfassungsgericht sei ebenso wie der 1949 tätig gewordene Parlamentarische Rat Verfassungsgeber; Verfassungsgeber sei der, der die Verfassung interpretiere und sie auf diese Weise neu schaffe.

Hausser fragte, ob man die Selbstverwaltung in Städten, Gemeinden und Landkreisen so wie sie heute in Deutschland verbreitet sei, als politische Zwischengewalt im Sinne Montesquieus ansehen könne. Troper bejahte die Frage im Hinblick auf seine Ausführung, von Zwischengewalten könne man sprechen, wenn es Organe gebe, die zwischen Gesetz und seinen Subjekten stünden. Nach der Meinung von Schneider sind Zwischengewalten bei Montesquieu diejenigen Kräfte oder Machtzentren, die im Ancien regime im Grunde entmachtet und mediatisiert worden sind. In unserer heutigen Zeit spräche man anstelle von Zwischengewalten von Korporationen, d. h. von Körperschaften. Gemeint sei damit das Verbändewesen bzw. die Herrschaft der Verbände. Diese Verbände, z. B. Berufsverbände, Universitäten, Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Verbände im kulturellen und wirtschaftlichen Bereich, verfügten durchaus über Macht und sorgten für das, was man heute den Pluralismus in der Demokratie nenne. Wenn- so Zippelius- die heutigen intermediären Gewalten diejenigen seien, die den Regierungs- und Gesetzgebungsprozeß von oben nach unten vermittelten, umgekehrt die Verbände die in der Gesellschaft vorhandenen Interessen und Meinungen zu bündeln und von unten nach oben zu vermitteln hätten,- liefe bei Montesquieu die Vermittlung von oben nach unten oder seien bei ihm beide Beziehungsrichtungen vorhanden?

Troper sprach sich für eine Differenzierung aus. Gehe man von einem Ideal des Rechtsstaats aus, bei dem das Gesetz komplett sei, könne man aus ihm nur deduzieren. Richter hätten in diesem Sinne keine Gewalt inne. Es sei ein Ideal der

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französischen Revolution gewesen, daß die Verwaltung keine Gewalt sei, sondern nur das Gesetz deduziere. In einem solchen System brauche man keine Zwischengewalten. Gehe man hingegen von einem anderen Verständnis des Rechtsstaates aus, müsse man feststellen, daß das Gesetz nicht alles beinhalten könne. Vielmehr sei noch eine Entscheidungstindung hinzuzunehmen, wenn man das Gesetz auslegte. Montesquieu habe an einen Rechtsstaat der zweiten Art geglaubt, denn er sei Pessimist gewesen und nicht davon ausgegangen, daß das Gesetz alles bewerkstelligen könne. Von der Zeit der französischen Revolution bis zum 20. Jahrhundert habe man geglaubt, daß das Gesetz alles machen könne. Jetzt kehre man zu der Montesquieuschen Auffassung zurück und glaube wieder an Zwischengewalten. In Frankreich gebe es das Phänomen, für schwerwiegende Probleme etwa der Bioethik, des Rundfunks etc., außerhalb der Verwaltung stehende, nichtrichterliche Organe, "comites des sages", also Räte der Weisen zu bilden. Auch diese seien Zwischengewalten im Sinne Montesquieus. Aber dieses Phänomen sei nur möglich, weil es eine Krise des Rechtsstaates in dem einen Sinn des Wortes gebe, nämlich eine Krise des Gesetzes, eine Krise des Rechtsstaates im Sinne der französischen·Revolution.

Gewaltenverschränkung zwischen Parlament und Regierung Von Hans-Peter Schneider Wenn von "Gewaltenverschränkung" zwischen Parlament und Regierung die Rede ist, dann bezieht sich diese Aussage offenbar auf die besonderen Bedingungen des parlamentarischen Regierungssystems, in dem der Bestand (d. h. das Zustandekommen und der Fortbestand} einer Regierung vom Vertrauen der Mehrheit des Parlaments abhängt. In diesem System bilden daher Regierung und Regierungsmehrheit, aus der die erstere stets hervorgegangen ist, bekanntlich eine politische Handlungseinheit, der lediglich die parlamentarische Opposition als Widerpart gegenübersteht. Schon in dieser Feststellung liegt, wie sich zeigen wird, eine nicht unerhebliche Simplifikation. Vereinfacht man nun die Analyse weiter dahin, daß im Sinne der herkömmlichen Gewaltenteilungslehre das Parlament mit der gesetzgebenden und die Regierung mit der vollziehenden Gewalt identifiziert werden, dann muß die funktionelle Verbindung zwischen Parlamentsmehrheit und Regierung zwangsläufig als "Durchbrechung" des Gewaltenteilungsprinzips erscheinen. Deshalb wird das parlamentarische System vielfach auch als "gewaltenmonistisch" bezeichnet 1• Diese Sicht geht letztlich auf Montesquieu zurück, der im "Esprit des Lois" jede Teilnahme der gesetzgebenden Gewalt an der Regierung als deren Auflösung und damit als Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung bezeichnet hat 2• Wie aber ist diese Sicht eigentlich zu erklären, wenn man bedenkt, daß eben jene Verbindung von gesetzgebender und vollziehender Gewalt geradezu ein Wesensmerkmal des parlamentarischen Systems darstellt, wie es sich zunächst in England entwickelt hatte, das damals schon als Hort der Freiheit galt, und wenn man weiter berücksichtigt, daß die Gewaltenteilungslehre bei Montesquieu im 6. Kapitel des 11. Buches ausgerechnet unter der Überschrift "Oe Ia Constitution d' Angleterre" entwickelt worden ist. Sollte der Vater des modernen Gewaltenteilungsprinzips die englische Verfassung wirklich so wenig gekannt haben, daß er dem grundlegenden Mißverständnis anheimfallen konnte, im parlamentarischen System sei die gesetzge.bende tatsächlich von der vollziehenden Gewalt 1 So etwa R. Thoma. Das Reich als Demokratie, in: HDStR I, Tübingen 1930, S. 196; ähnlich neuerdings auch H. Meyer. Das parlamentarische System des Grundgesetzes. in: VVDStRL 33 ( 1975), S. III : "gewaltenverschränkendes. unvollkommen zweipoliges System". 2 Vgl. Montesquieu, De I'Esprit des Lois, Liv. XI, chap. 6, in: Oeuvres completes, pres. par Roger Caillois, Paris 1951, Tom. II, p. 405 (Biliotheque de Ia Pleiade): "Mais si Ia puissance legislative prend part a l'execution, Ia puissance executrice sera egalement perdue".

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unterschieden? Oder verstehen wir heute die Montesquieusche Gewaltenteilungsidee falsch, wenn wir sie als institutionelles, auf bestimmte Verfassungsorgane bezogenes "Trennungskonzept" interpretieren? Ich möchte diese Frage zunächst noch etwas vertiefen, bevor ich auf die besondere Ausgestaltung des Gewaltenteilungsprinzips im parlamentarischen Regierungssystem zurückkomme.

I. Montesquieu und die englische Verfassung Um die Mitte des 18. Jahrhunderts- der "Esprit des Lais" war gerade erschienen- galt England neben den Niederlanden weithin als Staat mit der freiheitlichsten Verfassung des Abendlandes. Noch war die Begeisterung für den Orient nicht verklungen, der auchMontesquieu mit den .,Lettres Persanes" seinen Tribut gezollt hatte, als die gesamte geistige Welt des europäischen Kontinents sich bereits an den politischen Verhältnissen in England zu orientieren begann. Nicht unwesentlich dazu beigetragen hatte vor allem Voltaire, der mit seinen zwischen 1726 und 1729 in London entstandenen und 1734 in Frankreich erschienenen "Lettres philosophiques" über die englische Lebensweise und Verfassungskultur ein äußerst positives Gegenbild zu den damaligen Mißständen im "ancien regime" gezeichnet hatte. Nach eigenen bitteren Erfahrungen mit seinem Vaterland, in dem er sich immer wieder der Verhaftung, Verfolgung und Unterdrückung seiner Werke ausgesetzt sah, schrieb Voltaire nun ein Loblieb auf die persönliche und geistige Freiheit des Individuums, wie er sie in England vorzufinden glaubte. Wenn Montesquieu also ebenfalls einen Abschnitt über die englische Verfassung in sein Buch aufnahm, lag er durchaus im vorherrschenden Trend des damaligen Zeitgeistes. Die Überschrift über das 6. Kapitel des 11 . Buches hat auch darin ihren Grund, daß Montesquieu offenkundig an die Vorstellung von den drei Gewalten der Gesetzgebung, der Außenpolitik und der Rechtspflege anknüpfte, wie sie bereits im "Second Treatise of Government" bei lohn Locke zu finden war 3• Mit der Unterscheidung zwischen der gesetzgebenden, vollziehenden und rechtsprechenden Gewalt, welch letztere er sogar für "invisible et nulle" 4 erklärte, verlieh Montesquieu dem Lockeschen Vorbild jedoch eine so eigene Prägung, daß dieses Konzept nur schwerlich noch den englischen Verhältnissen entsprach, wo man eben gerade keine Trennung zwischen Legislative und Exekutive feststellen konnte. Wenn Montesquieu gleichwohl darauf beharrte, daß individuelle Freiheit nur in einem System getrennter Gewalten nach seinem Modell möglich sein würde 5, so muß man sich fragen, wie dann eigentlich die viel gelobte 3 The Second Treatise of Government (1689), cap. XII; deutsche Ausgabe: Über die Regierung, hg. von P. C. Mayer-Tasch, 1966, S. 116 ff. • De !'Esprit des Lois (a.a.O., Fn. 2), p. 398. 5 Ebenda, p. 397: "II n'y a point encore de liberte si Ia puissance de juger n'est pas separee de Ia puissance legislative et de executriceM 0

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Freiheit in England zu erklären war und ob Montesquieu für das dort bestehende parlamentarische System mit der ihm eigenen Gewaltenverschränkung wirklich keinerlei Verständnis aufbringen konnte. Aus dem .,Esprit des Lais" selbst ist darüber wenig zu entnehmen, außer vielleicht, daß Montesquieu den englischen Verhältnissen durchaus auch kritisch gegenüberstand und das dort herrschende Beuteprinzip mit verbreiteter Korruption ebenso anprangerte wie die Parteienzwiste und häufigen RegierungswechseL Gerade deshalb aber konnte ihn eigentlich der Widerspruch nicht ruhen lassen, welcher darin bestand, daß ausgerechnet eines der korruptesten politischen Systeme, das noch dazu keine "Gewaltentrennung" im strengen Sinne besaß, die freiheitlichste Verfassung haben sollte. Wie ließ sich diese an die Grundlagen jener Doktrin rührende Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis eigentlich erklären? Auf der Suche nach einer Antwort wird man schon bei Montesquieu selbst, wenn auch in anderem Zusammenhang, fündig, und zwar auf eine Weise, diewie mir scheint- ein ganz neues Licht auf seine Gewaltenteilungslehre zu werfen vermag. In seinen "Reisenotizen über England", die er während des Londoner Aufenthalts in den Jahren 1729/30 niederschrieb, findet sich zunächst der interessante Bericht von einem Besuch des Unterhauses, der deutlich zeigt, wie schwer sich Montesquieu mit dem englischen System tat. Es heißt dort unter anderem wie folgt: "Vorgestern ging ich ins Parlament, ins Unterhaus; man behandelte dort die Dünkirchen-Affaire. Ich habe noch nie eine solche Erregung miterlebt. Die Sitzung dauerte von ein Uhr am Nachmittag bis drei Uhr nachts .... M. Walpole griff Bolingbroke aufs schärfste an und sagte, daß er die ganze Intrige angezettelt habe" 6• In jenes Befremden mischte sich aber zugleich auch unverhohlene Bewunderung: "England ist gegenwärtig das freieste Land in der Welt, keinen Staat ausgenommen. Ich sage ,frei', weil der Herrscher nicht die Macht hat, jemandem Unrecht zu tun, wer es auch sei, und zwar weil seine Macht durch ein Parlamentsgesetz kontrolliert und begrenzt ist. Wenn aber das Unterhaus die Macht übernehmen würde, wäre sie unbegrenzt und gefährlich, weil es zur gleichen Zeit auch Exekutivbefugnisse besäße; wohingegen jetzt die unbegrenzte Macht bei König und Parlament liegt und die Exekutivbefugnis beim König, dessen Macht begrenzt ist. Ein guter Engländer muß also danach streben, die Freiheit ebenso gegen Angriffe der Krone wie gegen jene des Parlaments zu verteidigen" 7• Man sieht an dieser Bemerkung sehr deutlich, daß Montesquieu die spezifischen Funktionsbedingungen des parlamentarischen Systems, wie es sich damals 6 7

Notes sur I'Angleterre, in: Oeuvres completes (a.a.O., Fn. 2), Tom. II, p. 881. Ebenda, p. 884.

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in England unter Walpole als erstem eigenständigen Premierminister und Bolingbroke als Führer der Tory-Opposition herauszubilden begann, zwar

erahnt, aber in ihren gewaltenverschränkenden Wirkungen nicht voll verstanden hat. Sonst hätte er angesichts der politischen Schwäche des aus Hannover stammenden englischen Königshauses nicht davon sprechen können, daß dort der Monarch an der Spitze der Exekutive steht. Noch zu sehr war Montesquieus Bild der Monarchie vom französischen Absolutismus geprägt, als daß er sich einen König ohne Exekutivgewalt hätte vorstellen können. Das unterstreicht auch die folgende Bemerkung, welche ebenfalls dem Reisebericht entnommen ist: "Die Engländer verdienen ihre Freiheit nicht mehr. Sie verkaufen sie an den König. Gäbe der König sie ihnen zurück, sie würden ihm diese sofort wieder verkaufen" 8. Allerdings war Montesquieu hellsichtig genug, die Entwicklung zu einer Vorherrschaft des Parlaments in England mindestens für möglich zu halten, wenn nicht sogar vorauszuahnen:

",ch glaube, daß es im Interesse von Frankreich liegt, den König in England zu stützen; denn eine Republik wäre noch schlimmer: sie würde mit vereinten Kräften handeln, während unter einem König mit geteilten Kräften gehandelt wird. Doch kann der Stand der Dinge nicht lange so bleiben" 9. Daß jenes System wechselseitiger Machtbegrenzung, das er im "Esprit des Lois" noch als fundamentales Konstitutionsprinzip der Regierung bezeichnet hat 10, in England auch zwischen den beiden Häusern des Parlaments nicht so richtig funktionierte, scheint Montesquieu ebenfalls sehr beunruhigt zu haben, wie die folgende Reisenotiz zeigt: "Es war von jeher Gepflogenheit, daß die Mitglieder des Unterhauses dem Oberhaus zwei Gesetzesvorlagen zuleiteten: eine gegen Aufständische und Deserteure, die das Oberhaus immer passieren ließ, die andere gegen Korruption, die sie immer wieder abwiesen. In der letzten Sitzung sagte Lord Thousand: , Warum ziehen wir uns diesen Haß der Öffentlichkeit zu, indem wir die Gesetzesvorlage immer wieder zurückweisen? Man muß die Strafen gegen Korruption noch erhöhen und die Bill so formulieren, daß das Unterhaus selbst sie nicht annimmt.' Die Folge war, daß die Herren im Oberhaus die Strafe sowohl gegen den Bestechungstäter als auch gegen den Bestochenen erhöhten, und zwar von zehn auf 500 Pfund, und daß sie bestimmten, normale Richter und nicht das Oberhaus sollen über die Gültigkeit einer Wahl entscheiden und dabei auch dem letzten Verdacht nachgehen. Aber das Unterhaus, das die List bemerkte oder sich vielleicht auch zunutze machen wollte, ließ die Bill ebenfalls passieren und Ebenda, p. 880. Ebenda, p. 882. 10 De !'Esprit des Lois (a.a.O., Fn. 2), p. 405: "Voici donc Ia constitution fondamentale du gouvernement dont nous parlons. Le corps legislatif y etant compose de deux parties, l'une enchalnera l'autre par sa faculte mutuelle de empecher". 8

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der königliche Hof war gezwungen, ebenso zu verfahren. Seitdem hat der Hof bei Neuwahlen mehrere Parlamentsmitglieder verloren, die aus Kreisen reicher Großgrundbesitzer kamen; und es wird schwierig sein, ein neues Parlament nach dem Geschmack des Hofes zu bilden. Daraus kann man ersehen, daß das korrupteste Parlament dasjenige ist, welches die öffentliche Freiheit am meisten gesichert hat. Diese Bill ist wie ein Wunder, denn sie ist gegen den Willen von Unterhaus, Oberhaus und König durchgegangen" 11 • Auch wenn es Montesquieu nur schwer einleuchten mochte, daß gerade ein solches gewaltenverschränktes parlamentarisches System besser offenbar als alle anderen damals bekannten Regierungsformen in der Lage war, individuelle Freiheit zu garantieren, so hat doch gerade das Beispiel der englischen Verfassung ihn vor einer allzu engen, mechanistischen Konzeption des Gewaltenteilungsprinzips im Sinne strikter Funktionen"trennung" bewahrt und dem Gedanken der wechselseitigen Machtbalance, Machthemmung und Machtkontrolle nähergebracht, wie er unter der Formel "checks and balances" später im "Federalist" für die amerikanische Verfassung maßgebend geworden ist 12• Die prinzipielle Unvereinbarkeit eines strikten Gewaltentrennungsdenkens mit dem parlamentarischen Regierungssystem hat - sehr viel klarer inzwischen als Montesquieu - etwa ein Jahrhundert später Friedrich Julius Stahl erkannt. Er beschreibt den Parlamentarismus als einen "tatsächlichen Zustand" dergestalt, "daß das Parlament in zwei große politische Parteien sich theilt, deren jede ihre bestimmten, durch eigene Würdigung bezeichneten Führer (Ieaders) hat. Der König kann daher nicht anders, als die Führer der im Hause überwiegenden Partei zu Ministern machen, und kann nicht anders, als diesen die Regierung überlassen" 13 • Von daher nimmt sich Stahl das Recht, Montesquieus Gewaltenteilungsmodell offen zu kritisieren: "Die englische Verfassung, aus welcher diese Theorie abgezogen ist, besteht nicht aus solch mechanischen Elementen und enthält keine solche Theilung der Gewalt. ... Daß dort thatsächlich das Parlament die Gesetze bestimmt, ist unläugbar; aber thatsächlich bestimmt es nicht minder die Vollziehung und Regierung, ja thatsächlich duldet es schwer ein Veto des Königs" 14 • u Notes sur l'Angleterre (a.a.O., Fn. 5), p. 881. Vgl. De !'Esprit des Lois (a.a.O ., Fn. 2), p. 405: "Ces trois puissances devoient former un repos ou une inaction. Mais comme, par le mouvement necessaire des choses, elles sont contraintes d'aller, elles seront forcees d'aller de concert". 13 F. J. Stahl. Die Philosophie des Rechts, Teil II: Rechts- und Staatslehre auf der Grundlage christlicher Weltanschauung, 2. Abt., Heidelberg 1856, S. 379. Weiter heißt es dort mit Bezug auf den König: "Seine Überzeugung, sein Wille kommt gar nicht in Betracht, es erzeugt das Parlament aus sich heraus die Minister, und diese regieren auf der Basisder parlamentarischen Gesinnung als die gewählten Führer des Parlaments, nicht als die Diener des Königs, oder mit anderen Worten, die im Parlament überwiegende Partei regiert jedesmal mittels ihrer Führer das Reich". 14 Stahl. Die Philosophie des Rechts, Teil 1: Geschichte der Rechtsphilosophie, 2. Aufl., Heidelberg 1847, S. 334 f. 12

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Damit waren die eigentlichen Strukturunterschiede zweier gegensätzlicher Regierungssysteme präzise beschrieben: auf der einen Seite das "monarchische Prinzip" in seiner durch den rechtsstaatliehen Konstitutionalismus gemäßigten Form, auf der anderen Seite das "parlamentarische Prinzip" in seiner durch den parteienstaatlichen Pluralismus ebenfalls gemilderten Variante. Während man in Montesquieu einen der maßgeblichen Begründer des kontinentaleuropäischen Konstitutionalismus erblicken kann, läßt sich der angelsächsische Parlamentarismus weniger auf eine bestimmte Theorie, als auf die politische Praxis des Unterhauses seit Beginn des 18. Jahrhunderts zurückführen. Seine damalige Entstehung und Fortentwicklung ist nur aus den besonderen Umständen der Vergangenheit heraus zu erklären, auch wenn das parlamentarische System heute eine besondere Affinität zur modernen Massendemokratie aufweist. Jedenfalls läßt sich diese Regierungsform, wie im folgenden näher aufgezeigt werden soll, eher als Staat mit Opposition, denn als Staat mit Gewaltentrennung im herkömmlichen Sinn verstehen, wobei freilich die gewaltenhemmenden und machtbalancierenden Wirkungen des Wechselspiels von Regierung(smehrheit) und parlamentarischer Opposition keineswegs verkannt oder gering geschätzt werden sollen. II. Eigenart und Funktionsweise des parlamentarischen Systems Wenn vom parlamentarischen System gesprochen wird, ist damit zunächst weder eine politische Theorie (Parlamentarismus) noch eine staatliche Praxis (Parlamentsherrschaft) gemeint, sondern eine bestimmte Regierungsform, bei der das Parlament maßgeblichen Anteil an der Staatsleitung hat. Zwar sind Volksvertretungen schon im Altertum, Ständeversammlungen seit dem Mittelalter bekannt; auch wurden bereits um die Mitte des 13. Jahrhunderts die Bezeichnungen "parlament" in Frankreich (Gerichtshof) und "parliament" in England (königlicher Rat) gebräuchlich. Von Parlamenten im modernen Sinn als den obersten Repräsentativorganen eines parlamentarischen Regierungssystems kann jedoch eigentlich erst seit der Einführung des allgemeinen und gleichen Wabirechts sowie mit der Bindung des Regierungshandeins an das Vertrauen des Parlaments im 19. Jahrhundert die Rede sein. Heute ist das parlamentarische System weltweit verbreitet, und zwar unabhängig von der jeweiligen Staatsform: Es gibt parlamentarische Monarchien (Großbritannien, Belgien, Niederlande, Schweden, Dänemark, Norwegen, Spanien) ebenso wie parlamentarische Republiken und Demokratien (Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Italien, Griechenland, Israel, Indien, AustraIien, Kanada). Auf der Formenvielfalt und Anpassungsfähigkeit des parlamentarischen Systems beruht ein Großteil seiner Lebenskraft und Integrationswirkung, die zwar immer wieder bezweifelt und kritisiert wird, sich aber für viele Staaten auch und gerade unter den Bedingungen der modernen Industriegesellschaft nach wie vor als alternativlos erweise5•

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Dabei läßt schon die Art und Weise, wie die Regierung gebildet und das Vertrauen des Parlaments zum Ausdruck gebracht werden, mehrere Systemvarianten 16 zu, welche teils verfassungsrechtlich verankert, teils aber auch nur in der politischen Kultur eines Landes verwurzelt sind. Im Normalfall setzt das Zustandekommen der Regierung eine positive Loyalitätserklärung des Parlaments voraus (Vertrauensvotum). die in der Wahl des Regierungschefs, bisweilen auch der Minister (bzw. deren nachträglicher Bestätigung), oder in sonstiger Zustimmung zu einer meist vom Staatspräsidenten vorgeschlagenen Kanzlerpersönlichkeit oder Regierung besteht. Ist eine solche Vertrauenserklärung abgegeben, wird die parlamentarische Unterstützung der Regierung solange vermutet (Loyalitätsfiktion), aber auch durch "Proben" auf die (noch) vorhandene Mehrheit (etwa bei der Abstimmung über den Haushalt oder wichtige Gesetze) unter Beweis gestellt (Loyalitätsdemonstration), bis ihr eine Mehrheit des Parlaments ausdrücklich das Vertrauen entzieht(Mißtrauensvotum). Umgekehrt kann der Regierungschef das Parlament jederzeit zu einer Abstimmung über den Fortbestand der Regierung veranlassen (Vertrauensfrage), deren negatives Ergebnis dieselben politischen Konsequenzen nach sich zieht wie ein erfolgreiches Mißtrauensvotum: Die Regierung ist "abgesetzt" oder zum Rücktritt verpflichtet, auch wenn sie bis zur Bildung einer neuen Regierung geschäftsführend weiter amtiert. Obgleich mit dem Ablauf einer Wahlperiode regelmäßig auch die Amtszeit der Regierung endet, jedes neu gewählte Parlament also eine eigene Regierung bilden oder die frühere im Amt bestätigen muß (Diskontinuitätsprinzip). ist eine solche Koppelung mit dem parlamentarischen System nicht begriffsnotwendig verbunden, wenn nur jederzeit die Möglichkeit eines Mißtrauensvotums besteht 17 • Ebensowenig verliert ein Regierungssystem seinen parlamentarischen Charakter schon dadurch, daß in Ermangelung des Mißtrauensvotums die Amtszeit der Regierung allein an die Wahlperiode des Parlaments geknüpft ist (Regierung aufZeit) 18• Die eine oder andere Variante: das Mißtrauensvotum oder die Bindung des Regierungsamts an die Legislaturperiode gehören jedoch zu den 15 So übereinstimmend die beiden Referate von Th. Oppermann und H. Meyer, Das parlamentarische System des Grundgesetzes, in VVDStRL 33 (1975), S. 8 ff., 69 ff. - Weitere Literaturnachweise zu diesem Beitrag finden sich in der "Hamburger Bibliographie" zum parlamentarischen System der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von U. Bermbach 1973; Erg.Bde. 1--4, 1975-1980. 16 R. Herzog (Art. "Parlamentarisches System", in: EvStL 1966, Sp. 1479)spricht von "Spielarten". 11 Vg). BVerfGE 27. 44 (56) mit Bezug auf die frühere Rechtslage in Schleswig-Holstein, wonach ein Ministerpräsident sein Amt nicht automatisch mit Ablauf der Legislaturperiode verlor und von jedem Landtag neu gewählt werden mußte, sondern nur durch konstruktives Mißtrauensvotum abberufen werden konnte. Heute ist auch dort (wie in Art. 69 Abs. 2 GG) die Amtszeit des Ministerpräsidenten an die Wahlperiode geknüpft. 18 So die Regelung in Art. 44 der Bayerischen Verfassung: allerdings ist danach der Ministerpräsident zum Rücktritt verpflichtet, wenn eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Landtag nicht mehr möglich ist.

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funktionellen Mindestvoraussetzungen des parlamentarischen Systems. Die Bildung der Regierung sowie ein Vertrauensentzug durch Mißtrauensvotum oder Ablehnung der Vertrauensfrage bedürfen einer ausdrücklichen Willensbekundung des Parlaments durch Mehrheits beschluß. Ansonsten genügt für den Fortbestand einer Regierung deren stillschweigende Duldung, auch wenn jene nicht (mehr) über eine absolute Majorität im Parlament verfügt (Minderheitsregierung) oder einzelne Abstimmungsniederlagen erlitten hat. In diesem Rahmen institutioneller "Abhängigkeit" der Regierung vom Parlament existieren zahlreiche Formen des parlamentarischen Systems, deren konkrete Ausprägung jeweils von verschiedenen politischen Determinanten innerhalb und außerhalb des Parlaments bestimmt wird 19• Wichtigster Faktor ist das Verfahren der Regierungsbildung: Sie kann durch parlamentarische Wahl oder Bestätigung nur des Regierungschefs oder auch der Minister erfolgen. Je nachdem, ob der Staatspräsident nur den Regierungschef oder auch die Minister vorschlägt, ob ein solches Vorschlagsrecht bei den Fraktionen liegt, ob der Staatspräsident nach erfolgter Wahl oder Bestätigung den Regierungschef und/oder die Minister zu ernennen hat, sind die politischen Gewichte im Verfahren der Regierungsbildung zwischen Parlament, Regierungschef und Staatsoberhaupt unterschiedlich verteilt. Weiteren Einfluß auf das Zustandekommen der Regierung hat der parlamentarische Wahl- oder Bestätigungsmodus, d.h. insbesondere die Zahl der Wahlgänge oder Abstimmungen und die Art der jeweils erforderlichen Mehrheiten. Darüber hinaus wird das parlamentarische System durch die Formen der Regierungskontrolle geprägt, welche eine Vielzahl von alternativ oder kumulativ zusammengefügten Elementen und Instrumenten aufweist, z. B. das konstruktive oder einfache Mißtrauensvotum allein gegen den Regierungschef oder auch gegen einzelne Minister, die Vertrauensfrage des Regierungschefs oder einzelner Minister an das Parlament, das parlamentarische Mißbilligungsrecht oder Vertrauensfrageersuchen, das Selbstauflösungsrecht des Parlaments, die Präsidenten- oder Ministeranklage sowie nicht zuletzt Umfang und Tragweite der Untersuchungs-, Frage-, Auskunfts- oder Zitierrechte des Parlaments oder seiner Fraktionen. Generell gilt der Satz: je stärker und weitreichender die Regierungskontrolle, desto wirksamer das parlamentarische System. Einen maßgeblichen Faktor außerhalb des Parlaments stellt ferner die Parteienstruktur dar 20• Das politische Machtpotential des Parlaments ist im Vielparteiensystem ebenso wie im Einparteienstaat erfahrungsgemäß geringer einzuschätzen als im Mehrparteiensystem (zwei bis fünf Parteien). Für den Einparteienstaat liegt auf der Hand, daß die Entscheidungsprozesse zwischen den 19 Grundlegend U. Scheuner, Über die verschiedenen Gestaltungen des parlamentarischen Regierungssystems, in: AöR NF 13 (1922), S. 209-233; 337-380. lD Vgl. P. Badura, Parlamentarismus und parteienstaatliche Demokratie, in: FS f. K . Michaelis, 1972, S. 9 ff.

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Machteliten in Partei und Regierung am Parlament vorbeilaufen. Aber auch ein Vielparteiensystem schwächt das Parlament insofern, als die oft langwierigen Prozesse der Einigung, Kompromißfindung und Koalitionsbildung dem Regierungsapparat ein natürliches Übergewicht verleihen, bis hin zur völligen Lähmung des Parlamentsbetriebs durch heterogene Abstimmungsminderheiten. Deshalb vermag ein Parlament noch die relativ größte politische Wirkung zu entfalten, wenn die Zahl der Parteien begrenzt und ihre wechselseitige Bündnisfähigkeit garantiert ist. In unmittelbarem Zusammenhang damit steht schließlich eine vierte Komponente, die das parlamentarische System strukturell determiniert: der Prozeß innerparlamentarischer Willensbildung. Ist eine geschlossene Mehrheit vorhanden, sorgt schon das klare Gegenüber von Regierung(skoalition) und Opposition für eine höhere Transparenz und Zurechenbarkeit der Entscheidungsfindung ("input") als bei brüchigen, unklaren Mehrheiten. Andererseits ist die Effizienz des Parlamentsbetriebs - gemessen an der Entscheidungsleistung ("output") - größer, wenn das Schwergewicht parlamentarischer Tätigkeit stärker bei den Ausschußberatungen (Arbeitsparlament) als bei Pienardehatten (Redeparlament) liegt. Knappe Mehrheiten erhöhen die Partizipationschancen des Parlaments, vor allem der Koalitionsfraktionen, während eine breite Regierungsbasis sie eher verringert. Generell gilt der Satz: ein Parlament ist politisch umso einflußreicher, je dauerhafter und beständiger es zur Mehrheitsbildung in der Lage ist, um dadurch dem parlamentarischen Regierungssystem insgesamt politische Stabilität zu verleihen. Charakteristisch für das parlamentarische System ist weiter die enge institutionelle und funktionelle Verbindung von Parlament und Regierung. genauer: von Regierung und ParlamentsmehrheiL Da Regierungsamt und Abgeordnetenfunktion miteinander vereinbar sind (keine Inkompatibilität), haben die Mitglieder des Kabinetts in der Regel auch ein Parlamentsmandat inne. Durch das dem englischen ,junior minister" nachgebildete Institut des Parlamentarischen Staatssekretärs, der als besonders sachkundiger Abgeordneter "seinen" Minister bei der Erfüllung von Regierungsaufgaben zu unterstützen, namentlich im Parlament zu vertreten hat, wird die institutionelle Verflechtung von Regierung und Parlament noch erheblich verstärkt 21 • Ferner nehmen Mandatsträger mit besonderen Funktionen (Fraktions-, Ausschuß- und Arbeitskreisvorsitzende) nicht selten auch an Kabinettssitzungen teil. Umgekehrt wirken Regierungsvertreter nicht nur in den Ausschüssen, sondern auch im Ältestenrat mit. Zugespitzt formuliert stellt somit die Regierung im parlamentarischen System theoretisch nichts anderes als eine Art "Ausschuß der Parlamentsmehrheit" dar. In der Staatspraxis führt diese Konnexität allerdings nicht zu einer weitgehenden Unterwerfung der Regierung unter den demokratischen Supremat des Paria21 Vgl. § I des Gesetzes über die Rechtsstellung der Parlamentarischen Staatssekretäre i. d. F. vom 24. Juli 1974 (BGBI. I, S. 1538).

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ments, sondern verstärkt eher umgekehrt dessen politische Abhängigkeit vom

Regierungsapparat, welche sich ohnehin schon aus Informationsvorsprüngen, spezialisiertem Sachverstand und langfristigen Planungen der Ministerialbürokratie ergibt. Mithin besteht nicht nur die formelle Organtrennung zwischen Legislative und Exekutive auch im parlamentarischen System fort (mit allen organisations- und verfahrensrechtlichen Konsequenzen), sondern auch ein politisches Spannungsverhältnis zwischen Parlament und Regierung, das gelegentlich selbst die Mehrheitsfraktionen in ihrer spezifisch mitwirkungsorientierten Kontrollaufgabe einschließt. Deshalb wäre es verfehlt, in der engen Verflechtung von Parlament und Regierung unter den institutionellen Gegebenheiten des parlamentarischen Systems eine Durchbrechung oder gar Beseitigung des Gewaltenteilungsprinzips zu erblicken 22 • Hier stehen sich zwar nicht mehr- wie im konstitutionellen Staat nach den Vorstellungen Montesquieus - Exekutive und Legislative, sondern Regierung und Opposition gegenüber. Während auf der einen Seite Regierung und parlamentarische Mehrheit zumindest nach außen hin eine weitgehende Handlungseinheit bilden, entzündet sich im parlamentarischen System der politische Konflikt zwischen Regierung(skoalition) einschließlich der Mehrheitsfraktionen auf der einen Seite und der parlamentarischen Opposition andererseits. Die Spaltung der Interessenlager und Machtblöcke geht also mitten durch das Parlament hindurch. Man hat diese Konstellation der Auseinandersetzung zwischen Mehrheit und Minderheit vielfach auch als ,.Wechselspiel" bezeichnet und darin eine moderne Form funktioneller Gewaltenteilung gesehen 23 •

Richtig an dieser These ist zweifellos die Erkenntnis, daß die Aufgaben der Regierung(smehrheit) andere sind als die der Opposition: Während eine Regierung in der parlamentarischen Demokratie berufen ist, den Staat als politische Handlungs- und Wirkungseinheit vorübergehend (auf Zeit) zu leiten, und darin wegen ihres Vertrauensbedarfs im Interesse demokratischer Stabilität und Kontinuität notwendigerweise von den Mehrheitsfraktionen unterstützt werden muß, obliegen der parlamentarischen Opposition in erster Linie Kritik und Kontrolle der Regierung sowie die Präsentation personeller und sachlicher Alternativen mit dem Hauptziel der Herbeiführung eines Machtwechsels (Alternanzdemokratie)24. Im parlamentarischen System sind also - abgesehen von der Rechtsprechung - die Gewalten ebenfalls zweigeteilt: in die Funktionen der Initiative, Verantwortung und Entscheidung einerseits und der Alternative. Kontrolle und Kritik andererseits. 22 So bereits W Kaegi. Von der klassischen Dreiteilung zur umfassenden Gewaltenteilung, in: FS f. H. Huber, 1961, S. 151 ff. ; H. Peters, Die Gewaltenteilung in moderner Sicht, 1954; Oppermann (Fn. 15), S. 64, mit der Warnung vor einer "theoretischen Übersteigerung" dieses Befunds. 23 N. Gehrig. Gewaltenteilung zwischen Regierung und Opposition, in: DVBI. 1971, S. 633 ff. 24 Vgl. dazu H.-P. Schneider, Die parlamentarische Opposition im Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I. 1974, S. 403 ff.. 407 ff.

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Weil in dieser "Bipolarität" zugleich ein Stück Mäßigung, Hemmung und Kontrolle politischer Macht realisiert wird (checks and balances), kann man durchaus von einerneuen Form parlamentarischer Gewaltenteilung im funktionellen Sinn sprechen. Andererseits übersieht diese These jedoch, daß sich erstens die Aufgaben der Mehrheitsfraktion(en) keineswegs in einer bedingungslosen Unterstützung der Regierung erschöpfen und zweitens bei manchen Angelegenheiten durchaus noch das Gesamtparlament gegenüber der Regierung relativ eigenständig in Erscheinung tritt (z. B. bei der Haushaltskontrolle, der Rechnungsprüfungund dem Petitionswesen). III. DM Verhältnis von Parlament und Regierung

Im Mittelpunkt jeder Analyse des parlamentarischen Systems stehen naturgemäß die konkreten verfassungsrechtlichen und politischen Beziehungen zwischen Parlament und Regierung. Während unter der Vorherrschaft eines rigiden Gewaltentrennungsprinzips im konstitutionellen Staat Regierung und Parlament insgesamt nicht nur als "besondere Organe" (vgl. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG), sondern zugleich als Repräsentanten unterschiedlicher sozialer Mächte, etwa des Adels und des Bürgertums einander gegenüberstanden, ist das parlamentarische System durch das demokratische "Wechselspiel" von Regierung und Regierungsmehrheit auf der einen Seite und der parlamentarischen Opposition andererseits gekennzeichnet. Zugleich wird dieser politische Gegensatz auf der Grundlage einer relativ homogenen Sozialstruktur durch eine praktische Zusammenarbeit von Regierung und Parlament im Sinne arbeitsteiliger ,,Staatsleitung" (government) ergänzt und bisweilen sogar überlagert 25 • In der Erkenntnis, daß zahlreiche wichtige Gegenstände der Politik auch im parlamentarischen System entweder allein der Regierung verfassungskräftig vorbehalten sind (z. B. die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers nach Art. 65 Satz I GG) oder von ihr als ureigene Domäne betrachtet werden (wie z. B. die Außen-, Verteidigungs- oder Währungspolitik), daß ferner eine unmittelbar wirksame und aktuell erfolgversprechende parlamentarische Kontrolle stets der Mehrheitsunterstützung bedarf und daß nicht zuletzt auch die parlamentarische Opposition auf Regierungsinformationen angewiesen ist, hat Friesenhahn sein Modell der "Regierung zur gesamten Hand" entwickelt und die Aufgabe der Staatsleitung den Organen Parlament und Regierung gemeinsam zugewiesen, um so den Aktions- und Einflußbereich des Parlaments gegenüber der Regierung zu erweitern 26• Richtig an dieser These ist, daß jedenfalls überall da, wo die Regierung glaubt, dem Parlament aus Gründen des 2' Vgl. S. Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1979, insbes. S. 240 ff. 26 F. Friesenhahn, Parlament und Regierung im modernen Staat, in: VVDStRL 16 (1958), S. 9 ff. (36 ff.).

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Geheimschutzes Informationen vorenthalten zu können, die gemeinsame Verantwortung beider Verfassungsorgane für das Staatswohl betont werden muß 27 • Wenn daraus freilich der weitergehende Schluß gezogen wird, daß sich die Abgeordnetentätigkeit namentlich in den Ausschüssen nurmehr als "parlamentarische Mitregierung" erweise, weil fortlaufende Kontrolle eine sehr viel intensivere Überwachung der Regierung erlaube als die nachträgliche Ergebniskontrolle28, so besteht die Gefahr, daß hiermit nicht nur die verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsgrenzen und Verantwortlichkeiten zwischen Parlament und Regierung verwischt werden, sondern zugleich die politische Rolle der Opposition verkannt wird, ja offenkundige Informations- und Entscheidungsdefizite des Parlaments zu bloßen "Partizipationsmängeln" an der Regierung zusammenschrumpfen. Deshalb wird man gerade auch neuerliche Bestrebungen, das Parlament in einen "kooperativen Staatsleitungsprozeß" einzubinden und so die Opposition entweder auszuschließen oder in "Mitregierungspflicht" zu nehmen 29, mit einiger Skepsis betrachten müssen. Denn damit wäre zugleich auch das gewaltenteilende und Verantwortung zuordnende Moment des Wechselspiels zwischen Regierung und Opposition relativiert, wenn nicht gar preisgegeben. Freilich wird eine Regierungsform nicht nur daran gemessen, wieweit sie sozialen Anforderungen, insbesondere den Bedingungen eines pluralistischen Parteien- und Verbändewesens, zu entsprechen und wieviel Konfliktpotential sie zu verarbeiten imstande ist, sondern vor allem, welche Integrationsleistungen und Konsensresultate sie zu erbringen vermag. Deshalb muß sich die Kompromiß- und Ausgleichsfähigkeit soziokultureller Antagonismen auch in den Verhaltensweisen und Entscheidungsmustern der Staatsleitung widerspiegeln. Charakteristisch für die Leitungsstruktur einer parlamentarischen Demokratie ist zwar die zentrale Stellung des Parlaments als "oberstes Organ der politischen Willensbildung" 30 (Form der Nation), nicht aber dessen Allmacht oder Allzuständigkeit. Vielmehr korrespondiert mit diesem Parlamentszentrismus, der keineswegs "Parlamentsherrschaft" oder gar "Parlamentsabsolutismus" bedeutet, in der Regel die herausgehobene Position des Regierungschefs, welcher zugleich eine Führungsrolle in der stärksten Parlamentspartei spielt und die Richtlinien der Politik bestimmt (vgl. Art. 65 GG). Auf der anderen Seite ist der Oppositionsführer meist auch Vorsitzender der wichtigsten Minderheitspartei.

So auch BVerfGE 67, 100 (136). In diesem Sinne W Kewenig, Staatsrechtliche Probleme parlamentarischer Mitregierung am Beispiel der Arbeit der Bundestagsausschüsse, 1970, S. 29 tT. (31). 29 Dazu neigt Magiera (Fn. 25), S. 252 ff. JO So neuerdings die "Funktionsbeschreibung" des Schleswig-Holsteinischen Landtages, wie sie für eine Änderung des Art. 9 Abs. I der Landessatzung von der Enquere-Kommissionfor Verfassungs- und Parlamentsreform vorgeschlagen worden ist (vgl. dazu den Schlußbericht vom 7. Februar 1989 {LT-Drs. 12/180], S. 39 ff.). 27

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Für die Funktionsfähigkeit des parlamentarischen Systems, insbesondere für seine Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft, kommt es jedoch entscheidend keineswegs nur auf das Wechselspiel von Regierung und Opposition, sondern nicht minder auf die Loyalität und Solidarität innerhalb der Regierungsmehrheit an 31 • Diese Voraussetzungen sind im Einparteienkabinett eher vorhanden oder leichter zu schaffen als bei Koalitionsregierungen in Vielparteiensystemen, wo die Einigkeit erst durch mühsame Verhandlungen außerhalb des Parlaments immer neu hergestellt werden muß. Allerdings tendieren Einparteienregierungen auch stärker zu "Fiügelbildungen" in Partei und Fraktion, während Koalitionskabinette in der Regel außerhalb von Wahlkampfzeiten auf eine stärkere Regierungstreue und strengere Fraktionsdisziplin vertrauen können. Daher treffen häufig homogene Kabinette mit inhomogenen Verhältnissen in den Mehrheitsfraktionen zusammen und umgekehrt. Schließlich hängen die Integrations- und Konsenswirkungen des parlamentarischen Systems aber auch wesentlich von der Existenz einer verfassungsmäßigen, konstruktiven und prinzipiellen Opposition ab, die mit allen ihr zu Gebote stehenden rechtlichen und politischen Mitteln den Machtwechsel anstrebt und sich nicht - wie im Falle Großer Koalitionen - auf eine bloße wechselseitige "Bereichsopposition" 32 beschränkt. In diesem Sinne ist die parlamentarische Opposition nicht nur ein unvermeidliches Nebenprodukt des auf dem Mehrheitsprinzip basierenden parlamentarischen Systems, sondern ein unverzichtbares Funktionselement der demokratischen Ordnung. Weil die Demokratie einerseits wesentlich in einer auf Zeit anvertrauten, periodisch legitimationsbedürftigen und stets kontrollierbaren Herrschaft im Interesse des Volkes besteht, andererseits aber das parlamentarische System ein Höchstmaß an Regierungsstabilität bezweckt, kann dieser latente Zielkonflikt nur dadurch zum Ausgleich gebracht werden, daß für die reale Möglichkeit eines politischen Machtwechsels institutionelle Vorsorge getroffen wird. Daher bezieht die parlamentarische Opposition ihre Existenzberechtigung in erster Linie aus dem verfassungsrechtlichen Auftrag, einen politischen Machtwechsel herbeizuführen. Denn die reale Machtwechselchance, also die permanente Notwendigkeit neuer Koalitionen und Regierungsbildungen ist geradezu das innere Bewegungsprinzip des demokratischen Parlamentarismus und mithin zugleich der sicherste Garant gegen dessen politische Verkrustung und Erstarrung. In diesem Sinne kann die Demokratie geradezu als ,,Staatsform mit legitimer Opposition" bezeichnet werden 33• So gesehen ist das parlamentarische System nicht nur durch eine enge Gewaltenverschränkung zwischen Parlament und Regierung gekennzeichnet, sondern birgt auch ein Stück originärer und effektiver politischer Gewaltenteilung, ganz im Geiste der klassischen Lehre von Montesquieu. Dazu J. Domes, Mehrheitsfraktion und Bundesregierung, Köln 1964. Vgl. 0. Kirchheimer, Wandlungen der politischen Opposition, in: Politik und Verfassung, 1964, s. 123 ff. (135). 33 Ähnlich A. Amdt, Die Entmachtung des Bundestages, in: Die neue Gesellschaft 6 ( 1959), S. 431 ff. (432). Vgl. auch H.-P. Schneider (Fn. 24), S. 397-405. 31

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Diskussion zum Referat von Hans-Peter Schneider Leitung: Siegfried Magiera Bericht von Matthias Niedobitek Die Diskussion wurde von Magiera mit der Bemerkung eröffnet, das Referat Schneiders, das von Montesquieu bis in die Gegenwart geführt habe, werfe die Frage auf, inwieweit das Gewaltenteilungssystem Montesquieus heute noch verwendbar sei. Montesquieu habe sich sehr auf die soziologischen Gegebenheiten seiner Zeit bezogen; nach der Verfassung des Grundgesetzes gehe aber die Staatsgewalt vom gesamten Volk und nicht von irgendwelchen faktischen Teilen des Volkes aus. Dieser Aspekt könne bei einer Beleuchtung der historischen Bezüge bedeutsam werden. Zunächst konzentrierte sich die Diskussion auf die Stellung der Judikative in Montequieus System. Wilke bezog sich mit seinem Beitrag auf die Bemerkung in Schneiders Referat, Montesquieu habe die Judikative, die dritte Gewalt, als "invisible et nul" bezeichnet. Er selbst habe die häufig zitierte Wendung, die Judikative sei in gewisser Weise gar nicht vorhanden, "en quelque fa~on nul", schon in einem Seminar bei seinem Lehrer Karl August Settermann gehört und dies zum Anlaß genommen nachzuforschen, was es mit dieser eigenartigen Disqualifizierung der Justiz auf sich habe, die in gewissem Widerspruch dazu stehe, daß Montesquieu auch von der furchtbaren Gewalt der Gerichte spreche. Dieser Widerspruch löse sich aber- so Wilke - bei genauerem Studium Montesquieus auf. Montesquieu habe sich die Straf- und Zivilgerichte- anders als die ausführende und die gesetzgebende Gewalt- vermutlich nicht als ständige, sondern als ad-hoc einzuberufende Einrichtungen vorgestellt. Dies sei der Grund, weshalb nach Montesquieu das Gericht als Amt gefürchtet werde, nicht aber die nur von Fall zu Fall prozedierenden Richter. So lasse sich vielmehr die Unsichtbarkeit der richterlichen Gewalt im staatlichen Alltagsleben erklären. Schneider äußerte Zweifel an der Tragfähigkeit dieser Deutung. Montesquieu habe sich auch den Gesetzgeber nicht als eine ständige Einrichtung gedacht. Vielmehr habe der Gesetzgeber in Montesquieus Vorstellung lediglich einmal die richtigen, für die Ewigkeit geltenden Gesetze schaffen sollen. Außerdem habe es durchaus auch ständige Gerichte, nämlich solche der "magistrature" gegeben. Schneider vertrat die Auffassung, der Satz von der Unsichtbarkeit der dritten Gewalt lasse sich eher mit der Idee der Ende des 17., Anfang des 18. Jahrhunderts aufkommendenen Kodifikationsbewegung erklären, derzufolge es das Gesetz sei, mit dem

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die Welt geordnet werden könne. Der Richter sei lediglich als Mund des Gesetzes, "bouche de Ia loi", der nur den Gesetzesbefehl auszusprechen habe, angesehen worden. In diesem Sinne sei der Richter eigentlich keine machtausübende Gewalt. Dem fügte Merten hinzu, Montesquieu sei, was Schneiders Ausführungen stütze, dafür eingetreten, daß die Richter Volksrichter seien. Für den Ausspruch dessen, was das Gesetz strikt vorschreibe, müsse es keine gelehrten Richter geben. Vom richterlichen Bereich leitete Busse über auf das Verhältnis von Exekutive und Legislative zueinander. Er stellte fest, sofern es um die Trennung der Gewalten gehe, werde diese heute eher zwischen der Parlamentsmehrheit und der Regierung auf der einen Seite und der Parlamentsminderheit auf der anderen Seite gesehen. Busse äußerte die Befürchtung, daß der Stellenwert der klassischen Gewaltenteilung zu niedrig angesetzt werde. Angesichts jüngster politischer Vorgänge in Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz schien ihm die Bedeutung einer klaren Verteilung der Verantwortlichkeiten zwischen Regierung und Parlament wieder stärker in das Bewußtsein der Bürger zu dringen. Er schloß seine Bemerkungen mit der Frage nach dem heutigen Stellenwert der klassischen Gewaltenteilung. Anknüpfend an Busse vertrat Zeh die These, eine dynamische Gesellschaft wie die unsrige ermögliche es, die Gewalten chronologisch und nicht - wie herkömmlich- parallel zu teilen. Die Dynamik komme durch den Wechsel von Regierung und Opposition im zeitlichen Längsschnitt zum Ausdruck. Dieser Wechsel diene dazu, die Macht nicht zu verewigen und sie zu kontrollieren. In diesem Sinne existiere das Parlament eigentlich gar nicht, sei kein Organ, sondern lediglich der Ort, an dem die Regierung ins Amt gebracht werde, an dem sie sich ständig wieder zu rechtfertigen habe und an dem der Regierungschef seines Amtes enthoben werden könne. Diese Sichtweise werde dadurch ermöglicht, daß eine Gleichsetzung von Institutionen und Funktionen unterlassen werde.

Hili entnahm diesen Ausführungen, Zeh halte die staatliche Funktionenordnung gewissermaßen für einen Spiegel der Gesellschaft: In einer statischen Gesellschaft herrsche Gewaltenteilung, in einer dynamischen Gesellschaft Funktionenverschränkung. Schneider hielt Zeh entgegen, das Parlament könne nicht lediglich als ein Forum angesehen werden, sondern sei verfassungsrechtlich ein Organ. Er betonte die Wichtigkeit des Gedankens der Organtrennung und illustrierte dies anband der Unvereinbarkeit des Bundestagsmandats mit der Mitgliedschaft im Bundesrat. Allerdings sei die Organtrennung durch verschiedene Kompatibilitäten durchbrachen. Dann liege zwar institutionell immer noch eine Organtrennung vor, nicht aber personell. Neben dieser personellen Gewaltenverschränkung wies Schneider auf die Verschränkung der Organe im Zusammenhang mit der Gesetzgebung hin. An dieser Funktion seien fast alle Staatsorgane beteiligt. Einen besonderen Fall stelle der Bundesrat dar, der schon nach der Verfassung

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ein Organ der Gesetzgebung und der Verwaltung sei. Dies habe sich Montesquieu wohl nicht vorstellen können. Die Verhältnisse der Gewalten könnten nur außerordentlich komplex und differenziert dargestellt werden. Auf Busse eingehend erörterte Schneider, was nach diesem Befund von dem Gewaltenteilungsprinzip eigentlich noch übrig bleibe. Die wesentliche Bedeutung sah er in dem Gedanken der Gewaltenbeschränkung, der Machtkontrolle und der Machtmäßigung. Es sei Montesquieus große Leistung, ein System der politischen Freiheit geschaffen zu haben, welche ihn als einen der Begründer der liberalen Idee ausweise. Zu dem Themenkreis der Inkompatibilitäten äußerte Magiera, es sei zu überlegen, ob die Übertragung allzuvieler Regierungsämter auf Parlamentarier nicht verhindert werden sollte. Eine ähnliche Problematik sah er in der Verflechtung von Regierungsämtern mit Spitzenämtern in Parteien. Eine Ämterhäufung stellt nach Magieras Ansicht die größte Gefahr für die Freiheit und die Demokratie dar.

Hili verließ dieses Thema und hob - in Übereinstimmung mit Busse - die Bedeutung einer jeweils eigenständigen Verantwortung von Parlament und Regierung hervor. Sein Beitrag zielte auf die Frage nach der Notwendigkeit und der Zulässigkeil einer Mitwirkung der Regierung an den grundlegenden und wesentlichen Staatsaufgaben. Diese seien nach der Wesentlichkeitstheorie bekanntlich die Domäne des Parlaments. Neuerdings sei aber ein Schwächerwerden der Wesentlichkeitstheorie in der Verfassungsrechtsprechung und eine stärkere Beteiligung der Regierung an grundlegenden und wesentlichen Staatsaufgaben zu beobachten. In diesem Zusammenhang nannte Hili das von Friesenhahn entwickelte Modell der Staatsleitung zur gesamten Hand und den von Magiera geprägten Begriff der kooperativen Staatsleitung. Hili bat abschließend um Erläuterung, in welchen Bereichen der genannten Staatsaufgaben sich Schneider eine Mitwirkung der Regierung vorstellen könne. Schneider nannte einleitend Bereiche wesentlicher Staatsaufgaben, die schon traditionell eher von der Regierung zu erfüllen seien, so die Außen-, Verteidigungs- und Währungspolitik. Hier stelle sich die Frage der Mitwirkung des Parlaments. Grundsätzlich äußerte sich Schneider skeptisch zu einer Kooperation zwischen Parlament und Regierung. Er befürchtete eine Verwischung politischer Verantwortlichkeit. Aus