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German Pages XIII, 321 [321] Year 2020
Eva Hausbacher · Liesa Herbst Julia Ostwald · Martina Thiele Hrsg.
geschlecht_ transkulturell Aktuelle Forschungsperspektiven
geschlecht_transkulturell
Eva Hausbacher · Liesa Herbst · Julia Ostwald · Martina Thiele (Hrsg.)
geschlecht_transkulturell Aktuelle Forschungsperspektiven
Hrsg. Eva Hausbacher Fachbereich Slawistik Universität Salzburg Salzburg, Österreich
Liesa Herbst Fachbereich Kommunikationswissenschaft, Universität Salzburg Salzburg, Österreich
Julia Ostwald Fachbereich Kunst-, Musik- und Tanzwissenschaft, Universität Salzburg Salzburg, Österreich
Martina Thiele Institut für Medienwissenschaft Universität Tübingen Tübingen, Deutschland
Der Beitrag „Die Migrantin retten!? Zum vertrackten Verhältnis von Geschlechtergewalt, Rassismus und Handlungsmacht“ wurde bereits unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de) veröffentlicht. Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation im Kapitel.
ISBN 978-3-658-30262-7 ISBN 978-3-658-30263-4 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-30263-4 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Barbara Emig-Roller Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
Inhaltsverzeichnis
Transdisziplinarität – von der Theorie zur praktischen Forschung . . . . . 1 Eva Hausbacher, Liesa Herbst, Julia Ostwald und Martina Thiele Geschlechter- und Transkulturalitätsforschung: Positionen, Bewegungen, Akteur_innen Die Gegenwart mit der Vergangenheit verbinden: Identität, Einflussnahme und Inklusion als Agenden queer_feministischer Öffentlichkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Elisabeth Klaus Der Ball und die Welt. Perspektiven der Gender Media Studies und Transkulturalitätsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Martina Thiele Mehr „Gender“ statt weniger! Ein Plädoyer für die verstärkte Auseinandersetzung mit der Kategorie „Gender“ in der Theologie . . . . . 57 Angelika Walser Aleksandra Kollontaj: International Perspectives. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Maddalena Elisabeth Comincini Mediale und künstlerische Repräsentationen „Just Watch!“ Marlene Dietrich and Gendered Spectatorship in Classical Hollywood Cinema. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Michael Streif
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Rugged Rocks, Gentle Men: Hollywood’s Influence on the Austrian Heimatfilm. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Ralph J. Poole Acts of Resistance: Female Counter-Conduct in Transnational Dystopian Narratives . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Sylvia Mieszkowski Geschlechterkonstruktionen in der deutschsprachigen Literatur osteuropäischer Autor_innen (Dariusz Muszer Der Echsenmann) . . . . . . 151 Eva Hausbacher Dance, Intangible Cultural Heritage and YouTube: Methodological Approaches. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Sheenagh Pietrobruno Von „half of the sky“ zu „halfway“. Chinas Single-Frauen als Gegenstand von politischen und kommerziellen Kampagnen . . . . . . . 189 Liesa Herbst Körper und Gewalt François (Féral) Benga as Le Mercure Noire. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Nicole Haitzinger Hybride Identitäten: Zur Verkörperung von Transkulturalität auf der Bühne der Gegenwart. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Johanna Hörmann Posthumane Stimm-Körper und die Produktion von Geschlecht . . . . . . . 235 Julia Ostwald How to Write House… Mpreg Fan Fiction and Concepts of Bodies, Gender and Family. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Julia Elena Goldmann Ist der Brief ein Symptom? Zu einem komplexen Motiv in Marlen Haushofers Die Mansarde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Marlen Mairhofer
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Rethinking the Relationship Between Child Marriage and Failed Infrastructure During the Syrian Conflict: A Discourse Analysis of Arab Television News. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Rand El Zein Die Migrantin retten!? Zum vertrackten Verhältnis von Geschlechtergewalt, Rassismus und Handlungsmacht. . . . . . . . . . . . . . . . 303 Nikita Dhawan und María do Mar Castro Varela
Herausgeber_innen- und Autor_innenverzeichnis
Über die Herausgeber_innen Hausbacher, Eva, Dr., Professorin am Fachbereich Slawistik der Universität Salzburg. Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Russische Literatur im 20. und 21. Jahrhundert, Literatur im Kontext von Migration, Literatur- und Kulturtheorie, Gender Studies und Postcolonial Studies, Fashion Studies. E-Mail: [email protected] Herbst, Liesa, MA, Doktorandin am Fachbereich Kommunikationswissenschaft, Projektmitarbeiterin und Mitglied der Doctorate School geschlecht_transkulturell der Universität Salzburg. Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Gender Media Studies, Transkulturalitätsforschung, Intersektionalität, Körperdiskurse, Inhaltsanalyse, Film- und Fernsehanalyse. E-Mail: [email protected] Ostwald, Julia, MA, Doktorandin am Fachbereich Kunst-, Musik- und Tanzwissenschaft, Projektmitarbeiterin und Mitglied der Doctorate School geschlecht_ transkulturell der Universität Salzburg. Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Ästhetik der Stimme im Tanz, szenische Künste der Gegenwart und der Moderne, Gender und Queer Studies. E-Mail: [email protected] Thiele, Martina, Dr., Professorin für Medienwissenschaft, Schwerpunkt Digitalisierung und gesellschaftliche Verantwortung, an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Bis 2020 Forschung und Lehre am Fachbereich Kommunikationswissenschaft der Paris Lodron Universität Salzburg, dort u. a. Mitinitiatorin und Leiterin der Doctorate School geschlecht_transkulturell. E-Mail: [email protected] IX
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Herausgeber_innen- und Autor_innenverzeichnis
Autor_innenverzeichnis Castro Varela, María do Mar, Dr., Diplom-Psychologin, Diplom-Pädagogin und promovierte Politikwissenschaftlerin ist Professorin für Allgemeine Pädagogik und Soziale Arbeit an der Alice Salomon Hochschule Berlin. Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Gender und Queer Studies, Postkoloniale Theorie, Kritische Migrationsforschung, Kritische Bildungswissenschaften und Trauma Studien. E-Mail: [email protected] Comincini, Maddalena Elisabeth, Mag., Mitglied der Doctorate School geschlecht_transkulturell an der Paris Lodron Universität Salzburg; Forschungsschwerpunkte: Geschichte der italienischen, west- und ostdeutschen neuen Frauenbewegungen, Geschichte der sowjetischen sozialistischen Frauenbewegung, sowjetische Geschichte. E-Mail: [email protected] Dhawan, Nikita, Dr., Professorin für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Gender Studies an der Justus-Liebig-Universität Giessen; Forschungs- und Interessensschwerpunkte: Transnationaler Feminismus, Globale Gerechtigkeit, Menschenrechte, Demokratie und Dekolonisierung. E-Mail: [email protected] El Zein, Rand, MA, Doktorandin am Fachbereich Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg und Mitglied der Doctorate School geschlecht_transkulturell. Schwerpunkte in der Forschung: Kritische Theorie, Kulturwissenschaften, Schnittstellen zwischen Geschlecht, Geopolitik, Massenmedien und Infrastruktur in der arabischen Welt und darüber hinaus. E-Mail: [email protected] Goldmann, Julia Elena, Dr., Studium der Kommunikationswissenschaft an der Universität Salzburg, Mitglied der Doctorate School geschlecht_transkulturell, Geschlechter- und Populärkulturforscherin. Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Gender, Körperlichkeiten, Intersektionalität, Populärkultur, Film und Fernsehen. E-Mail: [email protected]
Herausgeber_innen- und Autor_innenverzeichnis
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Haitzinger, Nicole, Dr., Professorin am Fachbereich Kunst-, Musik- und Tanzwissenschaft der Universität Salzburg. Schwerpunkte in Lehre und Forschung: Inszenierungs-, Körper- und Bewegungskonzepte; Theorie, Geschichte und Ästhetik der szenischen Künste (17. Jahrhundert bis Gegenwart); Moderne als Plural: Transkulturalität, Transmedialität und Transhistorizität; Inszenierungen und Verkörperungen des Tragischen; decolonial thought; Kuratieren in den szenischen Künsten. E-Mail: [email protected] Hausbacher, Eva, Dr., Professorin am Fachbereich Slawistik der Universität Salzburg; Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Russische Literatur im 20. und 21. Jahrhundert, Literatur im Kontext von Migration, Literatur- und Kulturtheorie, Gender Studies und Postcolonial Studies, Fashion Studies. E-Mail: [email protected] Herbst, Liesa, MA, Doktorandin am Fachbereich Kommunikationswissenschaft, Projektmitarbeiterin und Mitglied der Doctorate School geschlecht_transkulturell der Universität Salzburg. Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Gender Media Studies, Transkulturalitätsforschung, Intersektionalität, Körperdiskurse, Inhaltsanalyse, Film- und Fernsehanalyse. E-Mail: [email protected] Hörmann, Johanna, MA, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Dissertantin am Fachbereich Kunst-, Musik- und Tanzwissenschaft der Universität Salzburg; Mitglied der Doctorate School geschlecht_transkulturell an der Paris Lodron Universität Salzburg; Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Tanz und Performance aus der Perspektive der Gender/Queer-Theorie, Männlichkeitskonzepte in den szenischen Künsten, Theater und Tiere. E-Mail: [email protected] Klaus, Elisabeth, Dr., Professorin am Fachbereich Kommunikationswissenschaft der Paris-Lodron-Universität Salzburg; Forschungsschwerpunkte: Öffentlichkeitstheorien, Theorien sozialer Ungleichheit, kommunikationswissenschaftliche Geschlechterforschung, Cultural Studies und Populärkultur. E-Mail: [email protected]
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Herausgeber_innen- und Autor_innenverzeichnis
Mairhofer, Marlen, MA, Universitätsassistentin für Neuere deutsche Literatur am Fachbereich Germanistik der Universität Salzburg. Dissertationsprojekt zu Körper und Schrift bei Ingeborg Bachmann und Marlen Haushofer. Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Österreichische Literatur des 20. Jahrhunderts, Feministische (Literatur-) Theorie, Literatur und Psychoanalyse. E-Mail: [email protected] Mieszkowski, Sylvia, Dr., Professorin für Britische Literatur an der philologisch-kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. Forschungsschwerpunkte: Kurzgeschichten (speziell von Zadie Smith), Sound Studies, Gender Studies & Queer Theory, viktorianische/edwardianische Abenteurerinnen. E-Mail: [email protected] Ostwald, Julia, MA, Doktorandin im Fachbereich Kunst-, Musik- und Tanzwissenschaft, Projektmitarbeiterin und assoziiertes Mitglied der Doctorate School geschlecht_transkulturell der Paris Lodron Universität Salzburg; Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Ästhetik der Stimme im Tanz, szenische Künste der Gegenwart und der Moderne, Gender und Queer Studies. E-Mail: [email protected] Pietrobruno, Sheenagh, Dr., Professorin für Soziale Kommunikation im Fachbereich Soziale Kommunikation der Saint Paul University, Ottawa. Forschungsschwerpunkte: Tanz, Geschlecht, immaterielles Erbe, Museumsstudien, digitale und soziale Medien sowie visuelle Studien. E-Mail: [email protected] Poole, Ralph J., Dr., Professor für amerikanistische Literatur- und Kulturwissenschaft, Fachbereich Anglistik und Amerikanistik, Universität Salzburg. Fachbereichsleiter, stellv. Sprecher der Doctorate School Popular Culture Studies. Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Literatur, Theater, Film- und Fernsehstudien, Gender und Queer Theory, Populärkultur und transatlantische Studien. E-Mail: [email protected] Streif, Michael, Mag., Lektor und Doktorand am Fachbereich Anglistik und Amerikanistik und Mitglied der Doctorate School geschlecht_transkulturell der Paris Lodron Universität Salzburg; Forschungsschwerpunkte: Queer Studies, Gender Studies, amerikanisches Theater, Film. E-Mail: [email protected]
Herausgeber_innen- und Autor_innenverzeichnis
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Thiele, Martina, Dr., Professorin für Medienwissenschaft, Schwerpunkt Digitalisierung und gesellschaftliche Verantwortung, an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Bis 2020 Forschung und Lehre am Fachbereich Kommunikationswissenschaft der Paris Lodron Universität Salzburg, dort u.a. Mitinitiatorin und Leiterin der Doctorate School geschlecht_transkulturell. E-Mail: [email protected] Walser, Angelika, Dr., Professorin für Moraltheologie und Spirituelle Theologie am Fachbereich Praktische Theologie an der Universität Salzburg. Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Bioethik, Beziehungsethik, feministische Theologie/ Philosophie, Gender Studies, Dialog ‚Theologie – Literatur‘. E-Mail: [email protected]
Transdisziplinarität – von der Theorie zur praktischen Forschung Eva Hausbacher, Liesa Herbst, Julia Ostwald und Martina Thiele
1 Wissenschaft 2020: alles „trans“? Wissenschaft ist nach Disziplinen geordnet, Disziplinarität der übliche und dominierende Rahmen, in dem die Produktion wissenschaftlichen Wissens stattfindet. Die Disziplinen sind historisch gewachsen, ihre Grenzen das Ergebnis komplexer sozialer Interaktionen. Zu ihrer Stabilität trägt bei, dass Wissenschaftler_innen einen disziplinenspezifischen Formierungsprozess durchlaufen und die „Spieler“, wie Bourdieu die Akteur_innen im wissenschaftlichen Feld nennt (Bourdieu und Wacquant 1998, S. 128–129), überwiegend ein Interesse daran haben, die eigene Disziplin zu stärken. Zugleich ist Disziplinarität ein soziales Konstrukt und damit in gewisser Weise anfechtbar. Aus wissenssoziologischer Sicht interessiert die Entstehung neuer Forschungsbereiche und
E. Hausbacher (*) · L. Herbst · J. Ostwald Universität Salzburg, Salzburg, Österreich E-Mail: [email protected] L. Herbst E-Mail: [email protected] J. Ostwald E-Mail: [email protected] M. Thiele Universität Tübingen, Tübingen, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Hausbacher et al. (Hrsg.), geschlecht_transkulturell, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30263-4_1
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Disziplinen deshalb, weil sie gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Wandel markiert und auf einen Bedarf an mehr Forschung auf einem bestimmten Gebiet deutet – z. B. auf dem der Geschlechter- oder Kulturforschung. Multi- und Pluridisziplinarität basieren auf Disziplinarität, sie meinen das Nebeneinander verschiedener, sich voneinander abgrenzender Disziplinen. Interdisziplinarität hingegen deutet auf das, was im Austausch mindestens zweier Disziplinen geschieht. Angestrebt wird die Integration verschiedener disziplinärer Perspektiven. Transdisziplinarität geht noch einen Schritt weiter als Interdisziplinarität und zielt auf die Erarbeitung disziplinenübergreifenden Wissens. Disziplinäre Verengungen sollen überwunden werden, denn Disziplinengrenzen erweisen sich zuweilen auch als Erkenntnisgrenzen, da Fragen und Probleme vernachlässigt werden, die quer zu den Disziplinen liegen. Angesprochen sind bei transdisziplinärer Forschung nicht nur universitäre Einrichtungen, sondern gerade auch nicht-universitäre Akteur_innen – Unternehmen, Verbände, staatliche und nicht-staatliche Organisationen (NGO), Interessensgruppen etc. –, gemeinschaftlich nach Lösungen zu suchen. So ergeben sich zwei Konzeptionen von Transdisziplinarität: anwendungsorientiert-partizipativ und disziplinenorientiert-dekonstruktiv. Während erstere das Feld der Wissenschaft überschreitet und damit transdisziplinär ist, zielt letztere auf den innerwissenschaftlichen wechselseitig reflexiven Austausch zwischen verschiedenen Disziplinen und die Systematisierung von Wissen. Die disziplinäre Organisation von Wissen muss dabei nicht aufgehoben, soll aber transformiert, überdacht, reformuliert und neu kontextualisiert werden. Die beteiligten Disziplinen erhalten die Chance auf Erneuerung und Erweiterung ihrer theoretischen Bestände und Methoden. Sie verändern sich im Verlauf transdisziplinärer Arbeitsprozesse. Im Vergleich zu multi- oder interdisziplinären Zugängen steht nicht die kompensierende oder additive Funktion im Vordergrund, sondern eine innovative: neue Lösungen für alte und neue transdisziplinäre Probleme – etwa „Nachhaltigkeit“, „Klimawandel“, „demographischer Wandel“, „Chancengleichheit“ oder „Abbau von Diskriminierung“ – sollen gefunden werden. Die Forderung nach Transdisziplinarität kommt vor allem dann auf, wenn sich neue, komplexe Problemlagen abzeichnen. Aus der Einsicht, dass die zu lösenden Probleme zu vielschichtig sind, um sie allein, „disziplinär“ anzugehen, wird versucht, neues, Disziplinen übergreifendes Wissen zu generieren. Transdisziplinarität will einerseits korrigierend, andererseits modernisierend wirken, indem sie Wissensbestände hinterfragt. Dabei handele es sich „nicht um ein bloßes modisches Ritual“ (Mittelstraß 2005, S. 9), vielmehr sei Transdisziplinarität als ein „Forschungs- und Wissenschaftsprinzip“ (Mittelstraß 2005, S. 10), das
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auf „Integration“ abzielt (Bergmann et al. 2010, S. 23), den gesellschaftlichen Problemlagen geschuldet. Unumstritten ist Transdisziplinarität dennoch nicht, was sich schon an unterschiedlichen Konzeptionen und Definitionen erkennen lässt. So verstehen kritische Wissenschaftler_innen unter Transdisziplinariät weniger „Forschungsdienstleistung“ als ein „epistemologisches Projekt, das die hegemonialen Bedingungen von Wissenserzeugung kritisch reflektiert“ (Dietze et al. 2007, S. 21). Festzuhalten bleibt, dass transdisziplinäre Forschung nicht per se kritisch und innovativ ist, sie bleibt gesamtgesellschaftlich eingebunden und damit immer auch der Gefahr ausgesetzt, in einem Wissenschaftsbetrieb, der zunehmend der Logik des Marktes unterworfen ist, politisch instrumentalisiert zu werden. So kann die Forderung nach „Transdisziplinarität“ und „Innovation“ argumentativ zur Abwicklung disziplinär ausgerichteter Forschungseinrichtungen oder Doktoratsprogramme eingesetzt werden. Transdisziplinäre Kompetenz als die Fähigkeit zu „epistemischen und institutionellem Grenzgängertum“ (Maasen 2008, S. 55 und 63) droht dann zu einer strategischen Komponente im Prozess der Produktion marktgängigen Wissens zu werden. Ein weiterer Kritikpunkt lautet, dass transdisziplinäre Forschung, an der unterschiedliche Institutionen und Personen beteiligt sind und die auf die Pluralität theoretischer Ansätze und Methoden setzt, sich in der Forschungspraxis als äußerst mühsam und zeitraubend darstellt und die Beteiligten besonders fordert. Was bedeutet das für einen Zusammenschluss von Forschenden aus unterschiedlichen Disziplinen, auf unterschiedlichen Qualifikationsstufen, mit individuellen Interessen und je spezifischem „Background“, z. B. Migrationserfahrungen? Was unterscheidet uns, was verbindet uns, warum beschäftigen wir uns in diesem Band und seit 2016 in der Doctorate School geschlecht_transkulturell an der Paris Lodron Universität Salzburg mit Themen wie Transdisziplinarität, Transkulturalität und Geschlecht? Es mag zum einen den Veränderungen in der universitären Doktoratsausbildung in Österreich geschuldet sein, zum anderen aber besteht davon unabhängig der Wunsch, Brücken zu schlagen zwischen akademischen Disziplinen, zwischen Wissenschaft und Praxis – zwischen jenen Bereichen, die eher getrennt als zusammen gedacht werden. Zugleich möchten wir bereits bestehende Verbindungen sichtbar machen und mit dem vorliegenden Band einen Beitrag zur Konturierung des Forschungsfeldes ‚transkulturelle Geschlechterforschung‘ leisten. Dabei gehen wir von folgenden Prämissen aus: Geschlechterforschung ist ein transdisziplinäres Projekt, ebenso die Kulturforschung. Erst recht muss die Verbindung von Geschlechter- und Kulturforschung, die wir durch den Namen der Doctorate School und den vorliegenden
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Band geschlecht_transkulturell verdeutlichen möchten, dem Anspruch, ein transdisziplinäres Projekt zu sein, gerecht werden. Das ist theoretisch anspruchsvoll, mehr noch aber in der angewandten Forschung, beispielsweise wenn Formulierungen gefunden und methodische Designs entwickelt werden sollen, die dichotome Zuschreibungen vermeiden. Manchmal aber, so unsere Erfahrung mit Transdisziplinarität, ist es doch nötig, etwas Zusammengehörendes erst getrennt und dann wieder in seinen Verschränkungen zu betrachten. So folgen nun einige Bemerkungen zu den „Querschnittsdisziplinen“ Geschlechterforschung und Transkulturalitätsforschung, um dann auf Verbindungen zwischen beiden einzugehen und jene Kriterien zu erläutern, die zu einer thematischen Zusammenstellung der Beiträge des Bandes geführt haben.
2 Geschlechterforschung Das innovative Potential der Geschlechterforschung basiert auf einer feministischen Wissenschaftskritik, die die universale Gültigkeit, Objektivität und Wertneutralität wissenschaftlichen Wissens permanent hinterfragt. Diese kritische Reflexivität der Gender Studies hat ihre Wurzeln in Wissenschaftsströmungen wie der Kritischen Theorie oder dem Poststrukturalismus und wirkt sich auf die Definition von Geschlecht als die zentrale Kategorie der Gender Studies aus. Geschlecht wird als soziale Konstruktion gefasst (Butler 1990, 1997). Von Interesse sind dementsprechend die kulturellen Bedeutungszuweisungen und die Verschränkungen der Kategorie Geschlecht mit anderen hierarchisierenden sozialen Differenzkategorien wie race, Klasse, Religion, Alter, sexuelle Orientierung, Embodiment etc. – was für einen intersektionalen Ansatz und die deutlichere Berücksichtigung von Kultur und Geschichte spricht. Der Band reagiert damit auf die Veränderungen der Geschlechterverhältnisse durch gesellschaftlichen Wandel (z. B. Migration, Globalisierung, Digitalisierung, Veränderungen der Arbeitswelt) und reflektiert Gender Studies im Sinne eines „travelling concept“ (Bal 2002; Neumann und Nünning 2012), das sich über die Grenzen von Disziplinen, Kulturräumen und Zeiten hinweg entwickelt und transkulturelle Beziehungen in vielfacher Weise artikuliert.
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3 Kulturforschung Die Diskussionen um den Kulturbegriff haben sich mit der poststrukturalistischen Wende und dem sogenannten cultural turn dynamisiert. Ältere, essentialistische Kulturkonzepte sind in der Regel ethnisch fundiert; sie nehmen Abgrenzungen nach „außen“ vor und beruhen auf statischen Vorstellungen von sozialer Homogenität. Diese Konzepte wurden inzwischen abgelöst durch solche, die von einer prinzipiellen Offenheit, Heterogenität und Pluralität von Kulturen ausgehen. Darauf verweisen Begriffe wie Hybridisierung, Multiethnizität, travelling cultures, Transnationalität, Transkulturalität, Glokalität. Transkulturalität und Kulturtransfer, ethnische und kulturelle Vielfalt sind jedoch keineswegs nur aktuelle Erscheinungen. Vielmehr handelt es sich dabei um Phänomene, die sich in vorindustriellen Gemeinschaften ebenso finden lassen wie in komplexen, postmodernen Gesellschaften. Dies wird in den gegenwärtigen Globalisierungsdebatten oftmals übersehen. Sowohl in historischer als auch in kulturvergleichender Sicht bildet Transkulturalität im engeren Sinne eines kulturellen Austauschs und Transfers eher die Regel als die Ausnahme, haben doch Handelsbeziehungen, Kriege, Migration, Tourismus etc. seit jeher das „Eigene“ mit dem „Fremden“ konfrontiert. Kultur wird im vorliegenden Band dementsprechend nicht als autonomer, abgegrenzter Bereich etwa im Sinne von Nationalkultur verstanden, sondern als etwas, das im Austausch, selbst in der Abgrenzung vom „Anderen“ entsteht, und somit von Durchdringung geprägt ist.
4 Transkulturelle Geschlechterforschung So werden beide, Geschlecht wie Kultur, als gesellschaftliche Konstruktionen mit real erfahrbaren Folgen betrachtet, deren Erforschung auf eine Sichtbarmachung von gesellschaftlichen Machtverhältnissen, kulturellen Hierarchisierungsprozessen, nationalistischen, antifeministischen und rassistischen Diskursen abzielt. Die prinzipielle Transdisziplinarität sowohl der Gender Studies als auch der Transkulturalitätsforschung spiegelt sich in der Vielfalt der Beiträge des Bandes wider, die aus den Philologien, der Erziehungs-, Kommunikations-, und Politikund Tanzwissenschaft sowie der Soziologie und Theologie kommend den Verflechtungen von geschlechter- und kulturspezifischen beziehungsweise kulturübergreifenden Aspekten nachgehen. Dabei werden unterschiedliche analytische
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Ansätze verfolgt: empirische wie theoretische, historische wie aktuelle. Mit dieser Breite zielt unser Band auf eine Überwindung disziplinärer Grenzen. Er gliedert sich in drei Teile mit jeweils mehreren thematisch zueinander passenden Beiträgen. Im ersten Teil geht es um Positionen, Bewegungen und Akteur_innen, die für die Geschlechter- und Transkulturalitätsforschung bedeutend und aufschlussreich sind. Den Beginn macht Elisabeth Klaus. Sie setzt sich mit verschiedenen aktuellen Ereignissen und Entwicklungen auseinander, die aus Sicht der Gender Studies irritierend sind, weil sie bisherigen Deutungsmustern zuwiderlaufen. Doch zeigt sie Wege auf, diese Paradoxien zu entschlüsseln und als produktive Ansatzpunkte für Veränderungen sowohl emanzipatorischer Wissenschaft wie emanzipatorischer Politiken zu nutzen. Klaus schlägt vor, den Kanon der politischen Strategien um eine ‚politics of rejection and de-articulation‘ zu erweitern, um jenen Kräften, die sich gegen Feminismus und Gender Studies richten, etwas entgegensetzen zu können. Zu diesen Kräften zählen Staaten, Regierungen und Institutionen, die in ihrer politischen und kulturellen Verfasstheit zwar nicht unterschiedlicher sein könnten, in ihrem Umgang mit Frauen jedoch Parallelen aufweisen. Martina Thiele zeigt das in ihrem Beitrag „Der Ball und die Welt“. Ausgehend von Grundannahmen der Transkulturalitätsforschung und Gender Media Studies werden drei Ereignisse, die mit Frauen und Fußball zu tun haben und 2019 weltweit mediale Beachtung fanden, „quer gelesen“ bzw. einem queer comparing unterzogen, eine Methode, die als Reaktion auf die Dominanz etablierter, ‚westlicher‘ Analysemethoden und Forschungsgegenstände verstanden werden kann. Bei den drei Ereignissen handelt es sich erstens um die Verleihung des World Press Photo Award 2019 an Forough Alaei, die mit ihren Fotos auf das Stadionverbot für Frauen im Iran aufmerksam macht, zweitens um die Fußball-WM 2019 und den Kampf gegen Rassismus und Sexismus, den Sportler_innen wie Megan Rapinoe führen, und schließlich drittens um den Tod des iranischen Fußball-Fans Sahar Khodayari, die als „Blue Girl“ bekannt wurde. Der Beitrag zeigt, wie sehr Medien, Sport und Politik globalisiert und miteinander verflochten sind, wie mächtig und zugleich ohnmächtig Institutionen wie die FIFA, oder Individuen, prominente Sportler_innen wie Fußballfans, in Zeiten beschleunigter, digitalisierter Kommunikation sind – und wie viel noch zu tun ist im Kampf um Geschlechtergerechtigkeit, Anerkennung und Sichtbarkeit. Mit einer überaus mächtigen Institution, und zwar der Katholischen Kirche, befasst sich Angelika Walser in ihrem Plädoyer für die verstärkte Auseinandersetzung mit der Kategorie Geschlecht in der Theologie. So lange dort Gender Studies kaum eine Rolle spielen, lassen sich der strukturelle Sexismus, aber auch die durchaus unterschiedlichen Positionen innerhalb der Katholischen Kirche zur
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Sexualmoral, zum Zölibat oder zum Priesteramt für Frauen nicht angemessen analysieren, so Walser. In einer globalen Kirche werde sich zudem die Frage nach dem angemessenen Umgang mit regionalen Unterschieden aufgrund spezifischer Bedingungen vor Ort und damit die Frage einer inter- oder gar transkulturellen Ethik stärker stellen als bisher. Ideen und Überzeugungen sind nicht nur an Institutionen gebunden, sondern auch an einzelne Personen, die durch ihr Leben und Werk für die Verbreitung dieser Ideen sorgen. Zu einem solchen Vorbild wurde für Feminist_innen weltweit die marxistische Theoretikerin, Frauenrechtlerin, Revolutionärin und sowjetische Diplomatin Aleksandra Kollontaj (1872–1952). Ihre Schriften wurden vor allem im Zuge der Zweiten Frauenbewegung wiederentdeckt. Maddalena Comincini geht daher in ihrem Beitrag der Frage nach, welchen Einfluss Kollontajs radikales Emanzipationskonzept auf die feministischen Bewegungen in Italien, der BRD und der DDR hatte. Feminismus wird dabei im Sinne Edward Saids als travelling theory und transnationales Projekt verstanden. Der zweite Teil Mediale und künstlerische Repräsentationen umfasst sechs Beiträge, die anhand sehr heterogener Themen vielfältige Verschränkungen der Kategorien Kultur und Geschlecht sowie diverse Interrelationen von nationalkultureller und geschlechtlicher Identität in medialen und künstlerischen Repräsentationen aufzeigen. Die Beiträge von Michael Streif und Ralph Poole bieten dazu Filmanalysen aus kulturwissenschaftlicher Perspektive. Streif untersucht Marlene Dietrichs Hollywood-Karriere und stellt die Schauspielerin in ihrer „Americanized Europeanness“ als Symbol einer queeren Transgression von geschlechtlichen und nationalkulturellen Grenzen zur Diskussion. Eine völlig neue Perspektive auf den österreichischen Heimatfilm entwirft Ralph Poole in seiner Studie. Er befasst sich am Beispiel von Franz Antels Parade-Heimatfilm Ruf der Wälder (1965) mit dem Einfluss von Hollywoodproduktionen auf dieses Genre. Es wird deutlich, wie beliebte Genremuster aus dem Musical, dem Western und aus Sex-and-Crime-Filmen Eingang in den Heimatfilm fanden und dabei vor allem geschlechterspezifische und nationale Konzepte von Heroentum, Starkult und Sexualität verhandelt wurden. Neben Filmen rückt Sylvia Mieszkowski auch Literatur in ihren Analysefokus: es sind dystopische Narrative und die Frage, wie darin Akte des Widerstands ihrer weiblichen Protagonistinnen repräsentiert werden, die die Autorin interessieren. Unter Rückgriff auf Foucaults Machttheorie, seinen Konzepten von „counter-conduct“ und der „parrhesia“, zeigt sie aus einer feministischen Perspektive auf, dass die untersuchten dystopischen Narrationen „weibliches Gegen-Führen“ als ebenso unbeabsichtigtes wie unvermeidbares Nebenprodukt einer Gouvernmentalität repräsentieren, die nicht anders kann als das weibliche Subjekt als Subjekt zu produzieren, das sich selbst als ein politisches begreift.
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Widmen sich die drei ersten Aufsätze dieses Teils den transkulturellen Verflechtungen europäischer und US-amerikanischer künstlerischer Diskurse, so richtet Eva Hausbacher ihren Blick nach Osteuropa. Am Beispiel des Romans Der Echsenmann (2001) von Dariusz Muszer werden die in der deutsch-polnischen Literatur häufig zu beobachtenden Strategien der Selbstorientalisierung und Ironisierung bestehender Kulturklischees aufgezeigt, die diese mimikrierend dekonstruieren und als Form der Selbstermächtigung aus einer migrantischen Außenseiterposition gesehen werden können. Gleichzeitig impliziert diese Erzählstrategie eine deutliche Kritik an den kolonialen Implikationen der aktuellen Diskurse zu Integration und deren geschlechterspezifischen Aspekten. Um die komplexen Zusammenhänge zwischen immateriellem Kulturerbe, dessen gegenderten nationalen Narrativen und dem Einfluss von SocialMedia-Plattformen geht es in Sheenagh Pietrobrunos Beitrag. Am Beispiel der via YouTube weltweit verbreiteten Videos der Mevlevi Sema-Zeremonie (wirbelnde Derwischzeremonie) in der Türkei untersucht sie, inwiefern die transkulturelle soziale Archivierung von Tanzvideos den offiziellen, geschlechtsspezifischen Erzählungen des kulturellen Erbes entgegenwirken oder diese auch verstärken kann. Liesa Herbst stellt in ihrem Beitrag einen Aspekt des aktuellen Geschlechterdiskurses in China vor, den seit 2007 beobachtbaren, staatlich gelenkten „sheng nu“-Diskurs, in dem ledige Frauen, älter als 27 Jahre, als „Übriggebliebene“ stigmatisiert werden. Herbst untersucht die Werbekampagne changedestiny der japanischen Kosmetikmarke SK-II, im Besonderen das Video Meet Me Halfway (2019) und unterstreicht zunächst ihre impulsgebende Funktion für Geschlechtergleichheit sowie familiären und gesellschaftlichen Wandel. Gleichzeitig macht ihre Analyse deutlich, dass innerhalb der Kampagne Geschlechternormen, insbesondere das Ideal heterosexueller Ehe, Mutterschaft und Familie reproduziert werden. Auch die in Teil drei Körper und Gewalt versammelten Beiträge analysieren künstlerische Repräsentationen (Tanz, Theater, Fan Fiction und Literatur). Sie eint der Fokus auf den Körperdiskurs in der Wahl der analysierten Artefakte, wobei die Beiträge von Nicole Haitzinger, Johanna Hörmann und Julia Ostwald tanzwissenschaftlich perspektiviert sind. Nicole Haitzingers Aufsatz zu François Benga beschreibt einen Paradigmenwechsel in der europäischen Modellierung und Rezeption von sogenannten ‚afrikanischen Körpern‘ in Kunst und Wissenschaft. Benga, ein senegalesischer Tänzer in Paris zu Beginn der 1930er Jahre, steht für diese Verschiebung von Negrophilie zur phantasmatischen Figur Le Mercure Noir.
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Das Konzept eines transkulturellen Theaters steht im Mittelpunkt der Studie „Hybride Identitäten: Zur Verkörperung von Transkulturalität auf der Bühne der Gegenwart“ von Johanna Hörmann. Anhand konkreter Beispiele wird herausgearbeitet, wie transkulturelle und geschlechterkritische Setzungen am Körper die herrschende Ordnung der eigenen Kultur zum Vorschein bringen und „theatral“ stören. Zentral geht es um die zeitgenössische Soloarbeit Macho Dancer (2013) der philippinischen Tänzerin Eisa Jocson und deren choreographische Auseinandersetzung mit marginalen Tanzpraktiken, die durch ihren spezifisch erotischen Kontext determiniert sind und dominante Sichtweisen destabilisieren können. Ebenfalls aus der Tanzwissenschaft kommt der Beitrag von Julia Ostwald. Sie untersucht die Verkörperungen medialisierter Stimmen in den Produktionen Les Mariés de le Tour Eiffel (1921) von Jean Cocteau und den Ballets Suédois sowie My Private Bodyshop (2005) von Liquid Loft. Der Beitrag spannt so einen transhistorischen Bogen zwischen den Anfängen medientechnologischer Durchdringung einerseits und zunehmenden Transformationen zwischen Menschlichem und Maschinellem andererseits. Bezugnehmend auf posthumane Theorien steht dabei die Frage im Zentrum, wie in den Tanzproduktionen audiovisuelle Technologien im Verbund mit körperlichen Techniken kulturelle geschlechtliche Normen (re-)produzieren und verschieben. Einem vergleichsweise jungen Genre, der Fan Fiction, widmet sich Julia Goldmann in ihrem Beitrag. Fan Fiction als von Leser_innen und Zuschauer_innen weiter gedachte Geschichten würden hegemoniale Männlichkeitskonzepte und rigide Geschlechterrollen des Ausgangstextes häufig kritisch kommentieren. Sie nutzten die Gelegenheit, traditionelle Körperkonzepte zu queeren, so ein Ergebnis der qualitativen Inhaltsanalyse der bestbewerteten „male pregnancy“-Geschichten auf der Onlineplattform Archive of Our Own (AO3). Psychoanalytische Aspekte des Körperdiskurses fokussiert Marlen Mairhofer in ihrer Analyse von Marlen Haushofers Roman Die Mansarde (1969): Mairhofer geht es in ihrer Studie darum, auf Verbindungen zwischen Haushofers Text und Freuds Symptom-Theorie sowie deren Weiterentwicklung durch Jacques Lacan hinzuweisen. Desweiteren zeigt sie, wie in Haushofers Text Alterität und Fremdheit in enger Verschränkung mit Geschlecht verhandelt werden. Wenngleich Transkulturalität für diese psychologisch fundierte literaturwissenschaftliche Analyse kein zentrales Konzept darstellt, können doch die Räume, von den privaten Innenräumen (Mansarde, Wohnzimmer und Keller) bis zu den öffentlichen Außenräumen (Frisörsalon, Heeresmuseum u. a.) als Kulturräume gelesen werden.
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Eine stärker globale Perspektive bestimmt die beiden abschliessenden Beiträge dieses Kapitels. Mit der Situation geflohener syrischer Familien in libanesischen Flüchtlingslagern und der Berichterstattung darüber befasst sich Rand El Zein. Im Fokus der Studie stehen Nachrichten der drei führenden arabischen Fernsehsender Al Jazeera, Al Arabiya und Al Aan über die steigende Zahl an Kinderehen. Die Autorin zeigt mit Verweis auf Judith Butler und Gayatry Chakravorty Spivak, warum die Fernsehberichterstattung in vielen Punkten zu kritisieren ist. So kommen die betroffenen Frauen nicht selbst zu Wort, stattdessen sprechen ‚Expert_innen‘ über sie und liefern Erklärungen, die die tieferen politischen und ökonomischen Ursachen des Phänomens Kinderehen unberücksichtigt lassen. Nikita Dhawan und María do Mar Castro Varela beschäftigen sich in ihrer Studie mit den zwingenden feministischen Fragen nach Geschlechtergewalt, Verletzlichkeit, Handlungsmacht, deren Verknüpfungen und den Dilemmata, die jene spüren, die sexistische Gewalt, insbesondere innerhalb rassifizierter Communities, zu adressieren suchen. Dabei wird eine postkolonial-feministische Perspektive eingenommen, die eine Sicht auf Migration und Flucht erlaubt, bei der gleichzeitig feministische Mainstream-Annahmen mit Blick auf ‚die andere Frau‘ einer Kritik unterzogen werden. Angelehnt an Judith Butler wird argumentiert, dass neue Formen kollektiver Handlungsmacht paradoxerweise gerade dort entstehen, wo eine spezifische Vulnerabilität verortet ist. Was die Beiträge bei aller Heterogenität der Forscher_innen und ihrer Projekte eint, ist die Suche nach den Verlinkungen von Geschlechter- und Transkulturalitätsforschung sowie der Versuch, Transdisziplinarität nicht nur theoretisch zu erfassen, sondern praktisch werden zu lassen. Dass dabei zugleich neue Einsichten gewährt und gewonnen werden konnten, war eine schöne Erfahrung! Die Realisierung dieses Buches verdanken wir vor allem den Autor_innen, die neben ihren zahlreichen anderen Verpflichtungen – z. B. „in der Zeit“ zu promovieren – Beiträge „geliefert“ haben. Zu danken ist zudem der Universität Salzburg und dem Vizerektorat für Lehre für die finanzielle Basisausstattung der Doctorate School geschlecht_transkulturell sowie dem Land Salzburg, das über die Laufzeit der Doctorate School von 2016–2020, zwei Doktorand_innenstellen finanziert hat. Es sind dies die Stellen der Mitherausgeber_innen Liesa Herbst und Julia Ostwald. Zu danken ist darüber hinaus dem Forschungspraktikanten Maximilian Maria Kaufmann am Fachbereich Kommunikationswissenschaft, der in einem ersten Durchgang die Beiträge Korrektur gelesen hat, sowie Jason Heilmann für das proof reading der englischsprachigen Texte. Schließlich gilt unser Dank dem Verlag Springer VS in Wiesbaden und hier insbesondere Frau Emig-Roller und Frau Mülhausen, die uns umfassend unterstützt haben bei der Herstellung der Online- und Printversion des Bandes.
Transdisziplinarität – von der Theorie zur praktischen Forschung
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Literatur Bal, Mieke. 2002. Travelling concepts in the humanities. A rough guide. Toronto: University of Toronto Press. Bergmann, Matthias, Thomas Jahn, Tobias Knobloch, Wolfgang Krohn, Christian Pohl, und Engelbert Schramm. 2010. Hrsg. Methoden transdisziplinärer Forschung. Ein Überblick mit Anwendungsbeispielen. Frankfurt a. M.: Campus. Bourdieu, Pierre, und Loïc J.D. Wacquant. 1998. Reflexive Anthropologie. Übers. v. Hella Beister. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Butler, Judith. 1990. Gender trouble. Feminism and the subversion of identity. New York: Routledge. Butler, Judith. 1997. Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Dietze, Gabriele, Antje Hornscheidt, Kerstin Palm, und Katharina Walgenbach. 2007. Einleitung. In: Gender als interdependente Kategorie. Neue Perspektiven auf Intersektionalität, Diversität und Heterogenität, Hrsg. Katharina Walgenbach, Gabriele Dietze, Antje Hornscheidt, und Kerstin Palm, 7–22. Opladen: Barbara Budrich. Maasen, Sabine. 2008. Zwischen Dekonstruktion und Partizipation: Transdisziplinaritäten in und außerhalb der Geschlechterforschung. In Re-codierungen des Wissens. Stand und Perspektiven der Geschlechterforschung in Naturwissenschaften und Technik, Hrsg. Petra Lucht und Tanja Paulitz, 51–68. Frankfurt a. M.: Campus. Mittelstraß, Jürgen. 2005. Transdisziplinarität – wissenschaftliche Zukunft und institutionelle Wirklichkeit. Konstanz: UVK. Neumann, Birgit, und Ansgar Nünning, Hrsg. 2012. Travelling concepts for the study of culture. Berlin: de Gruyter.
Geschlechter- und Transkulturalitätsforschung: Positionen, Bewegungen, Akteur_innen
Die Gegenwart mit der Vergangenheit verbinden: Identität, Einflussnahme und Inklusion als Agenden queer_ feministischer Öffentlichkeiten Elisabeth Klaus 1 Verwirrungen und Paradoxien Die Selbstversicherung eines „Wir“, wenn nicht der Frauenbewegung, dann doch der feministischen Bewegungen und der Genderforschung, steht heute zur Debatte. Das „rally around the flag“ feministischer und queerer Politiken wird national wie transnational zunehmend in Frage gestellt. Ich will das zunächst anhand von vier Ereignissen verdeutlichen, die meinen bisherigen Deutungsmustern zuwiderlaufen, deshalb Verwirrung auslösen und viele Fragen aufwerfen. Im Anschluss daran möchte ich einige Wege aufzeigen, die m. E. begangen werden müssen, um gegenwärtige Paradoxien und Verwirrungen zu entschlüsseln, mehr noch: als produktive Ansatzpunkte für Veränderungen sowohl emanzipatorischer Wissenschaft wie emanzipatorischer Politiken zu nutzen. Nicht zuletzt geht es dabei um die Erweiterung des Blicks weg von der nationalen Ebene, hin zur inter- bzw. transnationalen, weg von der Fokussierung auf die Länder des „globalen Nordens“, hin zu einer kosmopolitischen Sicht.
1.1 Women20 Summit Am 25.04.2017 trafen sich u. a. Ivanka Trump, IWF-Chefin Christine Lagarde und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zum so genannten Women20 Summit
E. Klaus (*) Universität Salzburg, Salzburg, Österreich E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Hausbacher et al. (Hrsg.), geschlecht_transkulturell, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30263-4_2
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in Berlin, bei dem es darum ging, den Zugang von Frauen in höchste Führungspositionen zu verbessern (Heide 2017). Dana Heide vermerkt im Handelsblatt eine „gelöste, eine heitere Stimmung“. Und weiter heißt es im Artikel: „Als die Moderatorin Miriam Meckel, Herausgeberin der Wirtschaftswoche, fragt, ob Merkel sich als Feministin bezeichnet, zögert sie. Lagarde, die neben ihr sitzt, hebt ihre Hand, nickt heftig, ja, sie ist Feministin, auch Trump blickt ermunternd Richtung Kanzlerin, nickt. Erst am Ende lässt sich Merkel darauf ein, als Königin Máxima eine Definition liefert, wer überhaupt eine Feministin ist. ‚Ich denke, eine Feministin ist jemand, der möchte, dass alle Frauen die Chance haben, glücklich, und stolz auf sich selbst zu sein‘, sagt Máxima. ‚Dann bin ich auch eine‘, sagt Merkel. Und auch Trump bekennt: ‚Ich bezeichne mich selbst als Feministin‘.“ (Heide 2017).
Das ist viel Stoff zum Irritiertsein und Nachdenken: Gibt es doch kaum Institutionen, die sich ausbeuterischer verhalten und, in meinem Verständnis von Feminismus, antifeministischer agieren als jene, denen diese Frauen in leitender Position angehören: die amerikanische Regierung, der Weltwährungsfond und, mit Nuancen, die deutsche Bundesregierung. Bisher war ich ganz zufrieden, dass weder Thatcher noch Merkel sich je als Feministin „geoutet“ haben, nun hat letztere dies getan und ist damit Lagarde und Trump gefolgt. Habe ich mit diesen Frauen noch etwas Anderes gemeinsam als das Bekenntnis, „Feministin“ zu sein? Und falls nicht, was bedeutet dann Feminismus heute überhaupt noch, wenn eine Elite diese für sich reklamiert, um Führungspositionen zu besetzen? Was bedeutet es, dass Miriam Meckel, Journalistin, Kommunikationswissenschaftlerin und offen lesbisch lebende Frau, diese Inszenierung ermöglicht und mitträgt? Und schließlich: Was heißt es, wenn eine Gender Studies Forscherin mir eröffnet, dass sie sehr glücklich sei, dass die Gender Studies sich mittlerweile vom „alten Feminismus“ gelöst hätten und damit nun endlich eine seriöse Disziplin wären?1
1.2 Geschlechterproporzgeschichte Claus Kleber interviewte im Juli 2017 in den Tagesthemen die Schauspielerin Maria Furtwängler zu den Ergebnissen einer Studie über audiovisuelle Diversität und Geschlechterdarstellungen in Film und Fernsehen.2 Die von der 1So
geschehen in einem privaten Gespräch.
2https://www.zdf.de/nachrichten/heute-journal/es-gibt-hier-eine-unwucht-ein-ungleich-
gewicht-100.html [31.05.2019]. Vgl. zu den Reaktionen auf das Interview Prommer und Linke 2019, S. 120–123.
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MaLisa Stiftung3 initiierte Studie wurde von den Rostocker Kommunikationswissenschaftler_innen Elizabeth Prommer und Christine Linke (2017) durchgeführt und u. a. von ARD, ZDF, RTL, ProSieben und Sat.1 finanziell unterstützt. Gemessen an der Stichprobengröße handelt es sich um die bis dato größte Studie zum Geschlechterbild der Medien. Sie hat ein traditionelles methodisches Design und zählt das Vorkommen von Männern und Frauen, Jungen und Mädchen in verschiedenen Formaten, erhebt ihr Alter, ihre Rolle und ihr Aussehen. Die Studie steht in der Tradition der frühen Repräsentationskritik, wie sie Küchenhoff (1975); Schmerl (1984); Weiderer (1993) etc. praktiziert haben und die im Rahmen der kommunikationswissenschaftlichen Geschlechterforschung u. a. wegen ihres problematischen Geschlechterbegriffs und ihrer impliziten Ignoranz gegenüber den Konstruktionsweisen des Fernsehens auch kritisch rezipiert worden sind. Die Studie „Audiovisuelle Diversität? Geschlechterdarstellungen in Film und Fernsehen in Deutschland“ (Prommer und Linke 2017, 2019) kommt u. a. zu folgendem Schluss: Auf eine Frau in Film und Fernsehen kommen zwei Männer, im Kinderprogramm sogar drei. Nur bei Telenovelas und Soaps ist das Geschlechterverhältnis ausgeglichen. Es gibt auch einen Altersgap: Frauenfiguren sind deutlich jünger als Männerfiguren. Im Informationsprogramm erklären Männer die Welt. Sind diese Ergebnisse langweilig, weil „Wir Feministinnen“ das schon geahnt haben? Sind sie erschreckend, weil im Zuge der Dethematisierung des Feminismus, wie sie Angela McRobbie (2010) konstatiert hat, entweder viele geglaubt haben, dass die Geschlechterhierarchie sich inzwischen ganz anders darstellt als in den 1970er Jahren, oder aber solche Fragen inzwischen als langweilig und unwichtig gelten? Zurück zum Interview von Kleber mit Furtwängler – dieser fragt: „Wozu brauchen Sie Zahlen aus dieser Analyse, oder haben Sie eine Agenda damit?“ Furtwängler erklärt daraufhin ruhig, warum sie die Zahlen für bedeutend halte. Kleber hält der Diagnose entgegen, dass Hollywood und die deutschen Fernsehsender doch „ein ganz feines Gefühl dafür“ hätten, was das Publikum sehen wolle und schließt daraus: „Das heißt, was Sie wollen, ist eigentlich das Publikum umerziehen?“ Und dann noch deutlicher: „Geht’s in der Fiktion nicht auch darum, eine Traumwelt zu zeigen […] und Sie wollen das jetzt mit so einer Geschlechterproporzgeschichte überziehen und geraderücken?“4
3https://www.malisa-home.org/
[27.05.2019]. verwendeten Zitate sind der Videoaufzeichnung des Interviews entnommen (siehe dazu Fußnote 3).
4Die
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Das Gespräch erinnert an den Beginn der Geschlechterforschung in der Kommunikationswissenschaft, als z. B. die Frauen im WDR erstmals mit Zahlen das belegten, was Irene Neverla und Gerda Kanzleiter (1984) dann als vertikale und horizontale Segmentation im Journalismus fassten. Die Legitimität oder auch Seriosität dieser ersten Studien wurde bezweifelt und deren Sinnhaftigkeit in Frage gestellt.5 Kaum zu glauben, dass die Erforschung der Geschlechterverhältnisse in den Medien (wieder?) so umstritten ist, wie es das Interview offenbart hat. Und wenn schon das einfache Zählen des Vorkommens von Männern und Frauen im Fernsehen so viel Widerspruch hervorruft, wie stark muss dann erst der Widerstand gegen die poststrukturalistischen Gender und Queer Studies sein, für die Judith Butlers Publikationen (z. B. 1990, 1997, 2006) bahnbrechend waren. Mir scheint in der Furtwängler/Kleber-Episode eine gravierende Ungleichzeitigkeit zwischen Alltagsdiskursen und Wissenschaftsdiskursen deutlich zu werden, eine Unwucht zwischen Praxis und Theorie, die es zu bearbeiten gilt. Vielleicht kann man das auch kurz und knapp durch die Beantwortung folgender Fragen veranschaulichen: Wer weiß und wer weiß nicht, was „gender“ bedeutet und wie es richtig ausgesprochen wird? Wer versteht das Sternchen am Ende der „Frau*“ und wer nicht? Diesen „gender gap“ ganz eigener Art, das Auseinanderfallen von luziden Insider-Debatten und dem Unvermögen von Outsidern, diese zu verstehen, gilt es in den Gender Studies laufend zu reflektieren. Das hat Alice Schwarzer auf eine eigenwillige Art und Weise getan.
1.3 Schwarzers Beißreflex Alice Schwarzer berichtet im Mai 2017 auf ihrer Homepage über einen Abend an der Würzburger Uni, an dem sie von einer, O-Ton Schwarzer, „fanatisierten Minderheit“ angegriffen worden sei und der „sektiererische Terror einer Handvoll Frauen Hunderte zum Schweigen brachte. Wie kann es sein, dass der U ni-Betrieb und die Lebenswirklichkeit so auseinanderklaffen?“ (Schwarzer 2017a) Und weiter: „Es ging ihnen nicht um Fakten und Argumente, sondern um Unter-
5Maria
von Welser legte 1976 im Auftrag des damaligen Intendanten einen „Bericht zur Lage der weiblichen Mitarbeiter im WDR“ vor. Obwohl die Welser-Studie eine wissenschaftliche Leerstelle füllte, verschwand sie wegen ihrer angeblichen „Unwissenschaftlichkeit“ zunächst in der Schublade und wurde schließlich nur auf Drängen der daran beteiligten Frauen und mit Unterstützung von Gewerkschaft und Personalrat veröffentlicht (Bönninghausen 1990, S. 128–129).
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stellungen und Diffamation. Eine Methode, die wir auch von Rechtspopulisten aller Länder zur Genüge kennen.“ Interessanterweise liefert sie in diesem Beitrag dann aber nicht Beispiele für das Vorgehen jener „Rechtspopulisten aller Länder“, sondern nennt ausschließlich linke Gruppen aus der Studentenbewegungszeit. Das gehört zur Vorgeschichte des Emma-Heftes vom Juli/August 2017, in dem scharfe Angriffe gegen die Gender Studies veröffentlicht wurden. Unter anderem kommen darin die Verfasser_innen des Essaybandes „Beißreflexe“ zu Wort, der im Juni 2017 erschienen ist und in der Zeit Online unter der Überschrift „Die queer_feministische Gender-Stasi“ vorgestellt wurde (Rehberg 2017). Vojin Saša Vukadinović, der einen Abschluss in Gender Studies hat, fragt in der Emma: „Gender Studies: Die Sargnägel des Feminismus?“ (Vukadinović 2017, S. 66) Der Artikel ist voller Halbwahrheiten und Verleumdungen und beinhaltet auch konkrete Namensnennungen, u. a. die von Judith Butler und Sabine Hark. Beide antworten darauf in einem Artikel in der Zeit und stellen der „Grammatik der Härte“ eine Haltung entgegen, „die sich der Welt zuwendet“ (Butler und Hark 2017). Der Artikel ist sachlich und argumentativ gehalten, aber für Menschen, die die Auseinandersetzung nicht kennen, schwer nachvollziehbar und überhaupt für im akademischen Diskurs wenig Geschulte nicht leicht zu verstehen. Alice Schwarzer nahm in der darauffolgenden Ausgabe der Zeit unter der Überschrift „Der Rufmord“ den Stab auf, wobei sie sich in ihrer Erwiderung genau wieder jener „Grammatik der Härte“ bedient, die Hark und Butler monierten (Schwarzer 2017b). Schwarzer schlug aber nicht nur einen viel aggressiveren Ton an als die beiden kritisierten Genderforscher_innen, darüber hinaus zeigt ihr Text, dass sie die Entwicklung der Gender Studies und ihrer Themenfelder entweder nicht kennt oder nicht begriffen hat. Schon 2007 hatte sie sich in „Die Antwort“ mit der Begründung, neuere Gendertheorien seien unverständlich, pauschal von den gesamten Gender Studies verabschiedet (Schwarzer 2007). Ihre hier genannten Beiträge reihen sich nahtlos in das Phänomen ein, das Sabine Hark und Paula Irene Villa als „Anti-Genderismus“6 bezeichnet haben, der Versuch die Gender Studies durch Un- oder Halbwahrheiten zu diskreditieren (Hark und Villa 2015). Wie aber stehen Antifeminismus und Antigenderismus zueinander? Vielleicht kann man Alice Schwarzer heute zu den „neuen Rechten“ zählen, wie es Kay Solokowsky (1999) schon nach ihrem Leni Riefenstahl-Porträt 1999 in der konkret getan hat, selbst daran habe ich meine Zweifel. Sicher kann man aber nicht alle Leser_innen der Emma dazu zählen und zu Feind_innen des
6Vgl.
zur Problematik dieses Begriffes Sebastian Scheele (2016).
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eminismus und der Gender Studies erklären. Wie bewerten wir in den Gender F Studies diese Debatte angesichts der historisch doch stets engen Verbindung der Theorie und Praxis queer_feministischer Emanzipationsbewegungen? Emanzipationsbewegungen waren und sind stets auf wissenschaftliche Theorien und Methoden angewiesen, um ihre Forderungen zu untermauern, weil diese den hegemonialen, als natürlich angesehenen Wissensbeständen entgegenlaufen. Insofern sind Antifeminismus, Maskulinismus und Antigenderismus zwar nicht dasselbe, aber eben doch in ihren Wirkungen und Effekten auf Emanzipationsprozesse eng miteinander verzahnt, denn wenn auf die Theorie gezielt wird, soll immer auch die politische Praxis mit getroffen werden und vice versa.
1.4 Queere Rechtsextreme Im August 2017 ging eine Meldung durch die österreichische Presse: „Heeres-Beamtin regt mit Hitler-Thesen auf.“ (heute 2017) Die Meldung bezieht sich auf eine Buchpublikation, auf die das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) in Wien aufmerksam gemacht hat. In der Buchankündigung heißt es: „Aus Sicht der anglo-amerikanischen Globalisierungsclique, die die Weltherrschaft anstrebt, muss (…) Deutschland zerstört werden. (…) Im anlaufenden Dritten Weltkrieg inklusive inszenierter Massenmigration soll Deutschland als wirtschaftliches Gravitationszentrum Europas destabilisiert werden. Deutschland ist das Hauptangriffsziel. Die Deutschen sollen aus ihrem eigenen Land herausgezüchtet werden“. Und dann später: „Adolf Hitler hatte also im Großen und Ganzen Recht, als er sagte: ,Es ist eine kleine wurzellose internationale Clique, die die Völker gegeneinander hetzt.‘“7 (zit. nach heute 2017) Die Autorin dieser so verquasten wie erschreckenden Sätze ist Monika Donner, Ministerialrätin im Verteidigungsministerium und als Publizistin in der rechten Szene bekannt. Bis 2002 hieß Donner Anton Justl und war aktiver Offizier der 4. Panzergrenadierbrigade in Linz; sein letzter Dienstgrad war Hauptmann. 2009 erstritt er/sie vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) eine Entscheidung, die den OP-Zwang für Transsexuelle kippte. Donner hat sich im Standard-Interview (Schmid 2017) als ein „mitte-links“ gesinnter Mensch bezeichnet. „Meine Frau und ich können herzhaft darüber lachen, dass wir ausgerechnet hier in
7http://kontro-vers.at/produkt/monika-donner-krieg-terror-weltherrschaft/
[27.05.2019].
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Österreich von eigenartigen Zeitgenossen als ‚rechts‘ eingestuft werden“. Die Autorin hat queere Anliegen in die Öffentlichkeit gebracht und zur Anerkennung von transsexuellen Identitäten beigetragen. Zählt sie damit zur LGBT bzw. LGBTQIA+-Community? Die Diskursposition von Donner ähnelt jedenfalls der von Milo Yiannopoulos, der mit der US-amerikanischen Alt-Right-Bewegung assoziiert wird und früher bei Breitbart News gearbeitet hat, sich selber aber als „Libertärer“ beschreibt. Wie aber kann queere Identitätspolitik mit rechtsextremen, inhumanen und mit männlicher Dominanz verbundenen Positionen zusammen gehen? Wie verhalten sich solche Positionierungen zueinander? Alle vier Ereignisse werfen Fragen nach dem Verhältnis von Gender und Queer Studies, Feminismus und Medien auf. Alle vier Ereignisse scheinen mir symptomatisch für die verwirrenden Paradoxien, mit denen queere Feminist_ innen und zugleich Gender Studies Forscher_innen in der Kommunikationswissenschaft heute zu tun haben. Alle haben ganz offensichtlich mit dem Thema Feminismus und Öffentlichkeiten, auch mit Kritik, Widerstand und Interventionen im medialen Wandel zu tun. Sie sind eingebettet in globale und transkulturelle Wandlungsprozesse, die auch in den Debatten um Feminismus und Gender Studies ihre Spuren hinterlassen. Im folgenden Kapitel führe ich aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive einige Instrumente ein, die es ermöglichen, die Vielfalt der beunruhigenden Vorkommnisse zu ordnen und erste Antworten auf die damit in Zusammenhang stehenden Fragen zu finden.
2 Überbordende Diskurse und queer_feministische Öffentlichkeiten 2.1 Zur Bedeutung einer historischen Perspektive Wenn man Feminismus, Queer und Gender Studies als Diskurse fasst und diese mit Siegfried Jäger als Flüsse von Wissensvorräten durch die Zeit definiert (Jäger 2004, S. 23 f.), dann brodelt es in diesem Fluss mächtig. Mir scheint auch, dass dieser hier und da über die Ufer getreten ist und gefährliche Stromschnellen und Wellen bildet, wo seit Beginn der 1990er Jahre ein eher ruhiges Dahinfließen war. Dieser wildgewordene Strom bringt Dinge zum Vorschein, die versunken waren, bringt Abgelagertes in Bewegung und schwemmt Verlorengeglaubtes an, darunter auch manches Überraschende. In vielen Gesellschaften finden heute „epochale Transformationen“ (Sassen 2007) statt, also tiefgreifende mediale, politische,
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ökologische und kulturelle Wandlungsprozesse. In solchen Umbruchphasen zeigt sich, dass in der Tat das „Vergangene nie tot und nicht einmal vergangen ist“8. Ein Beispiel dafür stammt aus der historischen Frauenbewegungsforschung. Feministische Historiker_innen, etwa Ute Gerhard und Ulla Wischermann, haben die Protagonistinnen des radikalen Flügels der historischen Frauenbewegung aus dem Vergessen wieder in das Licht der 1970er Gegenwart gezogen. Das hatte weitreichende Folgen, weil es zur Ermächtigung und Selbstverständigung der autonomen feministischen Bewegungen beitrug und nicht zuletzt auch ihre transnationalen Verbindungen zeigte (Gerhard 1992). In einer Zeit, in der vor allem Erinnerungen an die bürgerlich-liberale und national orientierte Frauenbewegung den Geschlechter- und Emanzipationsdiskurs der bundesdeutschen Nachkriegszeit prägten, stellte es eine wichtige Ressource für die damaligen Aktivist*innen dar, die Vorgänger_innen – die Radikalen der historischen Frauenbewegung und mit Abstrichen auch ihre proletarischen Vertreterinnen (Hervé 2001) – mit ihren Ansichten, Forderungen und Aktionen wieder zum Vorschein zu bringen. Das bedenkend, könnte sich das gegenwärtige Überborden der Diskurse um Geschlecht, Gender, Identitäten, Humanität und Gerechtigkeit, könnten sich diese Verwicklungen der unterschiedlichen Diskursstränge gleichermaßen als Quelle der Verunsicherung wie der Erkenntnis erweisen. Denn die damit einhergehenden Verwirrungen und Paradoxien erlauben, das Alte mit dem Gegenwärtigen auf neuartige Weise zu verschränken und die Gegenwart im Licht der Vergangenheit neu zu inspizieren. Wie Feminismus und Öffentlichkeit sich im medialen und im gesellschaftlichen Wandel darstellen lassen, wie Kritik, Widerstand, Interventionen und Reaktionen sich in historischer Perspektive beschreiben lassen – das herauszufinden, ist die gemeinsame und sich immer wieder neu stellende Aufgabe der Gender und Queer Studies. Einige wenige Überlegungen dazu möchte ich im Folgenden zur Diskussion stellen. Ein einzelner Sammelband kann die verwirrenden Kreuzungen verschiedener Diskurse und Diskursstränge sicher nicht entwirren, ein einzelner Beitrag reicht dazu schon gar nicht aus. Die Gegenwart mit der Vergangenheit verbinden möchte ich, indem ich zunächst auf wichtige Agenden queer_feministischer Bewegungen und ihre Öffentlichkeiten schaue, um dann zu sehen, ob sich die vier von mir geschilderten Ereignisse hiermit bearbeiten lassen.
8Das
Zitat stammt von William Faulkner, der es 1951 in „Requiem für eine Nonne“ einen Protagonisten sagen lässt. Christa Wolf beginnt 1976 ihren Roman „Kindheitsmuster“ mit diesem Satz.
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2.2 Agenden queer_feministischer Öffentlichkeiten Ausgangspunkt für die Bestimmung der Agenden queer_feministischer Öffentlichkeiten bildet ein Vorschlag zum Verständnis sozialer Bewegungen, den Ulla Wischermann (2003) in ihrer Arbeit zu den Ursachen des Erfolges der historischen Frauenbewegung aufgegriffen und mit dem von mir vorgeschlagenen DreiEbenen-Modell (2001) verknüpft hat. In diesem habe ich Öffentlichkeit als Selbstverständigungsprozess der Gesellschaft gefasst und nach der Komplexität der Kommunikationsformen zwischen einer einfachen, mittleren und komplexen Ebene von Öffentlichkeit unterschieden. Diese Ebenen haben sich durch digitale Medien stärker verschränkt, bleiben aber für Analysen hilfreich (z. B. Drüeke 2013; Katzenbach 2017). Das so bereitgestellte Instrumentarium nutze ich im Weiteren, um Veränderungen in den Agenden queer_feministischer Bewegungen zu beschreiben, aber auch um auf Kontinuitäten hinzuweisen, wie wir sie heute etwa im Antifeminismus, (Anti-)Genderismus und Maskulinismus finden. Wischermann (2003) ist in ihrer Habilitationsschrift den Bedingungen des außerordentlichen Erfolges zweier Frauenbewegungen um 1900 nachgegangen, der Sittlichkeitsbewegung für eine Reform des Sexualstrafrechts und der Stimmrechtsbewegung für die gesetzliche Verankerung des Wahlrechts für Frauen. Sie unterscheidet dabei mit Bezug auf Oskar Negt und Alexander Kluge (1972/2001); Nancy Fraser (2001) und Elisabeth Klaus (2001) zwischen drei Ebenen des öffentlichen Wirkens dieser Bewegungen, die in ihrem Zusammenspiel zu deren Erfolgen beigetragen haben: der Ebene der Frauenbewegungskultur, der Bewegungsöffentlichkeiten und der Adressierung der komplexen Öffentlichkeit, der öffentlichen Meinung. Die Formierungsbedingungen von Frauenbewegungen charakterisiert Wischermann anhand einer bereits 1992 von Jean L. Cohen und Andrew Arato eingeführten Differenzierung zwischen einer „politics of identity“, einer „politics of influence“ und einer „politics of political inclusion“ (Cohen und Arato 1992, S. 556). In Wischermanns Typologie der auf den verschiedenen Ebenen der Frauenbewegungsöffentlichkeit verwendeten Kommunikations- und Interaktionsformen kommt zugleich die Bedeutung von Medien und kulturellen Produktionen deutlich zum Ausdruck (Wischermann 2017). Cohens und Aratos Publikation „Civil Society and Political Theory“ (1992) gilt als eines der bahnbrechenden Werke der sozialen Bewegungsforschung. In Auseinandersetzung u. a. mit Jürgen Habermas, Nancy Fraser, und Charles Tilly entwerfen die Politologin und der Soziologe eine Theorie sozialer Bewegungen. Am Rande sei erwähnt, dass ihre Beispiele zwar vor allem die sog. Neuen Sozialen Bewegungen der 1970er und 1980er Jahre, insbesondere auch die
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Abb. 1 Ebenen des öffentlichen Wirkens und der Strategien der historischen Frauen_ bewegungen. (Quelle: Eigene Darstellung auf Basis von Klaus (2001), Wischermann (2013) und Cohen und Arato (1992))
a utonome feministische Bewegung, umfassen, die beiden Wissenschaftler_innen aber auch explizit auf die sich in den USA damals vehement formierende „Pro Life“-Bewegung verweisen, also auch rechte bzw. rechtsextreme Proteste einschließen.9 Diese Bewegungen sehen Cohen und Arato durch eine spezifische Dynamik gekennzeichnet, die durch die oben erwähnten drei Politiken vermittelt wird. Dabei geht es bei der „politics of identity“ um die Entwicklung eines „Wir“ von individuellen Akteur_innen, indem gemeinsame Interessen artikuliert und geteilte Forderungen aufgestellt werden. Wischermann siedelt die „politics of identity“ auf der einfachen Ebene von Öffentlichkeit an (Abb. 1). Auf dieser Ebene entfaltet sich eine Frauenbewegungskultur, in der die persönlichen Beziehungen zwischen den Akteur_innen zur internen Mobilisierung genutzt werden. Das mittels der „politics of identity“ geschaffene „Wir“ wird über gemeinsame Veranstaltungen wie Reisen, Ausflüge oder auch ein Zusammenwohnen gestärkt und greift auf persönliche Medien wie Tagebuch und Briefe zurück.
9Ich
erwähne das deshalb, weil heute oft zu lesen ist, dass die soziale Bewegungsforschung solche reaktionären bzw. rechtsextremen Öffentlichkeiten nicht berücksichtigt habe. Auch wenn das in der Tendenz stimmt, gilt das nicht pauschal.
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Als eine weitere Konstitutionsbedingung für soziale Bewegungen identifizieren Cohen und Arato die „politics of inclusion“, manchmal in ihrem Buch auch als „politics of inclusion and reform“ bezeichnet. Diese Strategie zielt auf Veränderungen im politischen Raum sowie in der Gesetzgebung ab durch die Inklusion von Bewegungsaktivist_innen und die Berücksichtigung ihrer Anliegen. Im Rahmen der historischen Frauenbewegungen ist die „politics of inclusion“ auf der komplexen Ebene von Öffentlichkeit bzw. öffentlicher Meinung angesiedelt, an die sich Forderungen nach dem Wahlrecht auch für Frauen sowie nach Reformen im Sexualstrafrecht richten (Abb. 1). Das setzt die Verbreitung antihegemonialer und alternativer Deutungsmuster und eine Veränderung der bestehenden Geschlechterverhältnisse voraus, die durch intensive Medien- und PR-Arbeit, durch öffentliche Protestversammlungen, Demonstrationen und Aktionen des zivilen Ungehorsams erreicht wird. Die Politik der Skandalisierung hat Susanne Kinnebrock (2005) in ihrer Biographie über Anita Augspurg eindrucksvoll beschrieben. Augspurg nutzte die damaligen Medien und setzte gezielt auf Presse-Illustrationen und Fotografien, um auf die Anliegen der Frauenbewegung aufmerksam zu machen und Diskriminierungen zu verdeutlichen. Cohen und Arato arbeiten heraus, dass die „politics of identity“ und die „politics of inclusion“ in vielen Theorien als zentrale Bausteine sozialer Bewegungen diskutiert (allerdings nicht immer namentlich so bezeichnet) werden. Sie sehen die Herausbildung eines „Wir“ und die Durchsetzung politischer Teilhabe aber nicht als ausreichend für die Formierung einer einflussreichen sozialen Bewegung an. Diese politischen Strategien müssten durch eine „politics of influence“ ergänzt werden, ohne die gerade die sog. Neuen Sozialen Bewegungen der 1970er, 1980er Jahre nicht zu verstehen seien. Eine solche Politik der Einflussnahme halten die beiden Verfasser_innen für die wichtigste Bedingung für die Konstituierung sozialer Bewegungen, da sie die nachhaltige Veränderung des öffentlichen Diskurses und der dort gültigen Normen und Werte impliziere. Erst dadurch werde es möglich, dem „Wir“ Bedeutung zu verschaffen und Veränderungen im politisch-institutionellen Raum zu ermöglichen. In den Worten von Cohen und Arato: „the politics of influence […] targets the public sphere for the purpose of gaining recognition as a collective actor“ (Cohen und Arato 1992, S. 526). Dabei geht es etwa in der autonomen feministischen Bewegung zentral um Fragen danach, wie Geschlecht konstruiert wird, wie Geschlechterrollen definiert und Geschlechterpositionen zugewiesen werden. Wischermann sieht diese „politics of influence“ vor allem durch die Frauenbewegungsöffentlichkeiten verwirklicht, siedelt diese also auf der mittleren Ebene von Öffentlichkeit an (Abb. 1). In den Bewegungsöffentlichkeiten geht es um die interne und externe Mobilisierung für die Ziele der jeweiligen Bewegung
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und ein Verständnis für die Anliegen ihrer Akteur_innen. Diese „politics of influence“ findet nicht nur in der Vereins- und Bewegungspresse, in Flugblättern oder Plakaten ihren Ausdruck, sondern entfaltet sich auch mittels der Aneignung und Gestaltung eigener Räume, durch die Schaffung gemeinsamer Rituale und Symbole, durch Gemeinschaft und Solidarität vermittelnde Lieder und Gedichte. Fazit: Mit der Unterscheidung von drei Ebenen von Öffentlichkeit und den dort zum Tragen kommenden unterschiedlichen politischen Strategien wird ein Instrumentarium bereitgestellt, um verschiedene und auch in unterschiedlichen Zeiten agierende Bewegungsöffentlichkeiten zu analysieren. So können die Zusammenhänge zutage treten, die zwischen den aktuellen queer_feministischen Bewegungen, der autonomen feministischen Bewegung, die Cohen und Arato unter die Lupe nehmen und den historischen Frauenbewegungen, die Wischermann analysiert, bei allen Unterschieden eben auch existieren. Das ermöglicht es Fragestellungen nach dem Verhältnis von Feminismus und Öffentlichkeit in Zeiten der gegenwärtigen gesellschaftlichen und medialen Umbrüche a ufzugreifen.
3 Queer_feministische Bewegungen zwischen Kontinuität und sozialem wie medialem Wandel Cohen und Arato vermerken, dass im Verhältnis zu den sozialen Bewegungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den Bewegungen der 1970er und 1980er Jahre Identitätspolitik eine wesentlich größere Rolle spielt. Das gilt insbesondere für die feministischen Bewegungen. Zwar differenziert sich das „Wir Frauen“ auch schon in der historischen Frauenbewegung aus, wie sich in den verschiedenen Richtungen der Ende des 19. Jahrhunderts sich formierenden Frauenbewegung und ihrer transnationalen Verflechtungen zeigt. Die bürgerliche Frauenbewegung unterscheidet sich von der proletarischen durch ihre Haltung zu sozialer Ungerechtigkeit und von den Radikalen durch ihre Haltung zu Autonomie und Selbstbestimmung. Darüber aber liegt etwa im gemeinsamen Kampf für das Wahlrecht von Frauen, auch im „Ungebührlichen ihres Tuns“ ein Mantel, unter dem für (fast) alle Akteur_innen der Frauenbewegung Platz ist. (Gerhard 1992) In den 1970er Jahren zeigt sich ein ähnliches Muster von Differenzierung und Gemeinsamkeit, wenn auch der Streit, u. a. zwischen den heterosexuellen und lesbischen Bewegungsfrauen*, grundlegender erscheint (Lenz 2010; Wischermann et al. 2010). Trotzdem gibt es daneben auch das „Wir Frauen“, das sich u. a. im Slogan „Das Private ist politisch“ manifestiert. Als sich dagegen Schwarze Frauen zu Wort melden, beginnt eine Ausdifferenzierung, die letztlich im Intersektionalitätsparadigma seinen Ausdruck findet, weil es auf die vielfältigen
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Positionen von Frauen* und die Verschränkungen von Geschlecht mit anderen Ungleichheit generierenden Kategorien verweist (Crenshaw 1989; Degele und Winkler 2009; Drüeke et al. 2014). Auch der Einfluss des Poststrukturalismus unterminiert das „Wir Frauen“. Denn unter der Prämisse vielfältiger Identitäten und instabiler Subjektpositionen der Einzelnen kann es nur kurzfristige Koalitionen geben, um Veränderungen zu erreichen und gegen Diskriminierung zu kämpfen. Die Erkenntnis, dass ein universalisierendes „Wir“ stets neue Grenzsetzungen und Ausgrenzungen beinhaltet, erschwert dauerhafte Gruppenbildungen. Aus ganz anderer Perspektive trägt dazu aber auch der Neoliberalismus bei. Die digitalen Medien fördern den kurzfristigen Aktionismus und führen dazu, dass spontane Proteste sich manchmal explosionsartig entwickeln, dann jedoch schnell wieder abflauen und wenig Nachhaltigkeit zeitigen, auch wenn es dazu Ausnahmen gibt, wie etwa die große Resonanz und die Wirkungen der #MeToo-Debatte verdeutlicht. Die immer feingliedrigeren Verästelungen und Ausdifferenzierungen kommen im hinter die Frauen gesetzten „*“ und auch in den Abkürzungen LGBT oder LSBTTIQ+ zum Ausdruck, die auf die Vielfalt der sexuellen Orientierungen und geschlechtlichen Identitäten hinweisen. Diese Politik hat die Aufhebung und Veränderung zahlreicher diskriminierender Gesetze erwirkt, auch zum Abbau von Vorurteilen geführt. Identitätspolitik, die nicht zugleich Gesellschaftspolitik ist, weist aber auch Probleme auf. Auf eines hat Paula Irene Villa (2017) in ihrer – wie ich finde gelungenen – Reaktion auf den „Sargnagel-Artikel“ im Blog des Missy-Magazins hingewiesen. Zunächst weist sie den Vorwurf der Zensur und mangelnden Diskussionsbereitschaft und Vielfalt als unqualifiziert zurück, fügt dann aber nachträglich an: „So gibt es tatsächlich eine seit Jahren in Subkulturen, im Feuilleton und auch im Seminar (eine) um sich greifende Praxis, Verhältnisse und Strukturen mit Personen gleichzusetzen und Letztere für Ersteres haftbar zu machen. Das ist ein Problem, es ist so falsch wie inhuman, so destruktiv wie sektiererisch.“ (Villa 2017) Ein weiteres Problem von Anerkennungspolitik ergibt sich, wenn Individuum und Gruppenzugehörigkeit in eins fließen, also keine Differenz mehr zwischen einer negativen Stereotypisierung oder Beleidigung einer Gruppe, der ich mich zugehörig fühle oder der ich zugeordnet werde, und einer persönlichen Beleidigung gemacht wird. Und schließlich sind auch identitätspolitische Moralisierungen problematisch, wenn diese eine argumentative Auseinandersetzung verhindern. Im Begriff der Mikroaggression10 scheinen mir solche Probleme mitzuschwingen. Bewegungen
10Zum
Einstieg in die Debatte vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Mikroaggression [31.05.2019].
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brauchen stets ein „Wir“, aber dieses „Wir“ kann die Vielfalt der Identitäten, die es konstituieren, doch nie vollständig repräsentieren. Das „Wir“ und das „Ich“ waren und sind nie deckungsgleich. Die Trumps, Lagardes und Merkels vom Women20 Summit zeigen, dass der Kampf um Anerkennung einer spezifischen Identität unter neoliberalen Bedingungen keineswegs gleichzusetzen ist mit einer an einer Öffnung zur Welt und an Demokratie orientierten inklusiven, kosmopolitischen Politik, die den Kern queer_feministischer Positionierung ausmacht. Noch drastischer ist das rechtsextreme Engagement von Danner und Yannopoulis. Der Kampf um Anerkennung eines bestimmten Identitätsmerkmals ist per se nicht inklusiv und solidarisch. Hier wird die Anerkennung oder Duldung der transsexuellen Identität innerhalb rechtsextremer Positionierungen im Gegenteil durch den aggressiven Ausschluss anderer Identitäten bewirkt – von Migrant_innen, Feminist_innnen, Linken. Die Identitätspolitik der vergangenen Jahrzehnte hat, jedenfalls an der Oberfläche, erstaunliche Erfolge erzielt. Den deutschen Bundesregierungen, die die Neoliberalisierung vorantrieben, gehörten u. a. an: die erste Bundekanzlerin (Angela Merkel), der erste Finanzminister im Rollstuhl (Wolfgang Schäuble), der erste offen homosexuell lebende Außenminister (Guido Westerwelle). Das ist das Credo des Neoliberalismus: Jede und jeder kann es trotz einer spezifischen Gruppenzugehörigkeit schaffen, vorausgesetzt Anpassungsbereitschaft oder ein Exot_innenstatus ist gewährleistet. Gudrun-Axeli Knapp (2012) hat angesichts dessen dafür plädiert, neben der Forderung nach Anerkennung kultureller Differenz und der Verstörung des Geschlechterdualismus, Gesellschaftsstrukturen und soziale Ungleichheit wieder stärker in den Mittelpunkt der Theoriebildung zu rücken. Mit der Diskussion von Prekarität als Verwundbarkeit des Menschen sind dazu in den letzten Jahren bereits wichtige Beiträge geleistet worden (Butler 2018; Hipfl 2018; Voglmayr 2018). Zahlreiche aus der kommunikationswissenschaftlichen Geschlechterforschung hervorgegangene Arbeiten haben gezeigt, wie die traditionellen Medien Identitäten jenseits der Heteronormativität normalisieren und zu diesen passfähig machen und, wo das nicht gelingt, eine anerkennende Sichtbarkeit verweigern. Als Beispiele seien hier Tanja Thomas‘ Analyse der Castingshows als „Showtime für das ‚unternehmerische Selbst‘“ (Thomas 2007) sowie Tanja Maiers (2007) Entwurf einer feministischen Fernsehanalyse genannt. Maier konstatiert, dass in einigen Fernseh-Serien heute ein feministisches und queeres Begehren zwar deutlich sichtbar werde, aber damit gleichzeitig verquere und widerständige Identitäten normalisiert und ihres widerständigen Charakters beraubt würden. Deshalb bedarf die „politics of identity“ stets der „politics of inclusion and reform“, die fortlaufend die weiter bestehenden oder auch neuen Ausschlüsse thematisiert.
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Nancy Fraser hat bereits 1997 eine Bewegung von Fragen der „redistribution“ hin zu solchen der „recognition“ beobachtet und argumentiert, dass queer_ feministische Politik beides braucht, „redistribution and recognition“. Fraser hat in ihren Arbeiten darauf hingewiesen, dass die Loslösung feministischer Forderungen von ihrer Macht- und Gesellschaftskritik dazu geführt hat, dass diese für eine neoliberale Umgestaltung der Gesellschaft genutzt werden konnten. An Alice Schwarzers biographischer Entwicklung kann man das exemplarisch nachzeichnen: zugleich Gründerin einer Führungsakademie für Frauen und Berichterstatterin für die Bildzeitung, zugleich Streiterin für Gleichstellung und für ein Verbot der Verschleierung, nun eben auch zugleich medienaffine Vorzeigefeministin und Gegnerin der Gender Studies. Nancy Frasers ketzerische These von einer „unappetitliche(n), untergründige(n) Wahlverwandtschaft“ (2009, S. 50) zwischen Neuer Frauenbewegung und Neoliberalismus findet hier viel Nahrung.11 Die damit angesprochenen ideologischen Umdeutungen waren jedenfalls viel schwieriger, solange die Forderungen nach Aufhebung geschlechterbezogener Ungleichheiten im Kontext der queer_feministischen Bewegungen durch eine umfassende Gesellschaftskritik zusammengehalten wurde. Das in Teilen feministischer Akteur_innen wahrnehmbare Einverständnis mit dem Status Quo hat zu einer Fragmentierung beigetragen, die die neoliberale Vereinnahmung feministischer Forderungen in die kapitalistische Gesellschaft ermöglichte. Dabei kam und kommt den klassischen Medien bei der Dethematisierung von Feminismus eine zentrale Rolle zu, wie Angela McRobbie (2010) gezeigt hat. In diesem Kontext gewinnt die Studie von Prommer und Linke (2017, 2019; Prommer und Wegener 2019) an Bedeutung, weil sie einen Backlash belegt. Offensichtlich, darauf deutet die große Medienresonanz hin, stärkt sie zugleich jene Redakteur_innen, die einem feministischen Journalismus verbunden geblieben sind. Zur gesellschaftlichen Schwächung queerer, feministischer und gesellschaftskritischer Positionen tragen heute vor allem auch antifeministische Attacken, Maskulinismus und Anti-Genderismus bei. Wie schon erwähnt, gehen Cohen und Arato nicht davon aus, dass Bewegungsöffentlichkeiten stets im Sinne
11Trotz
der Auseinandersetzungen um diesen Beitrag ist dieser m.E. nicht zwingend als Vorwurf an die feministischen Frauenbewegungen zu lesen. Ich würde Fraser nicht darin folgen, dass es sich um in irgendeiner Weise bewusste Koalitionen oder ein „Sich-Vereinnahmen-Lassen“ des l iberal-konservativen Flügels des amerikanischen Feminismus handelt. Wichtig erscheint mir aber der Hinweis auf die Notwendigkeit, queerfeministische Forderungen stets mit einer grundlegenden Gesellschaftskritik zu verbinden.
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der Demokratie und einer gerechteren, inklusiveren Gesellschaft agieren. Sie berücksichtigen auch rechte Öffentlichkeiten wie die Pro Life-Bewegung, die sich in den USA in den 1970er Jahren formierte – als Gegenbewegung zur Pro Choice-Bewegung und zu den Reformen, die das Recht auf Selbstbestimmung der Individuen über ihre Körper anerkennen. Dort, wo rechte Öffentlichkeiten wie in diesem Beispiel als Gegenbewegung auftreten, ist m.E. eine Erweiterung der von Cohen und Arato herausgearbeiteten Typologien notwendig, um deren reaktives bzw. reaktionäres Moment mit zu berücksichtigen. Ute Planert (1998) hat gezeigt, wie stark sich der Antifeminismus im Kaiserreich als Gegenbewegung zu den Erfolgen der historischen Frauenbewegungen formierte und wie gut vernetzt er war. Dem zugrunde liegt eine politische Strategie, die ich als „politics of rejection und de-articulation“ bezeichnen möchte. Diese formiert sich in bestimmten historischen Situationen zu einer eigenen Protestbewegung oder wird ein integraler Teil rechter, nationalistischer bzw. völkischer Bewegungen. Planerts Buch liest sich in Teilen wie eine Analyse der aktuellen Entwicklungen. So etwa, wenn sie den biologistischen Diskurs der politischen Rechten im Kaiserreich thematisiert (Planert 1998, S. 266), an dem sich auch die Emanzipationsgegner und -gegnerinnen nach Kräften beteiligten. ‚Volk‘, ‚Staat‘, ‚Rasse‘ und ‚Nation‘ werden als ideologische Waffen gegen Gerechtigkeit im wahrsten Sinne des Wortes „ins Feld“ geführt. Auch die Betonung der Familie als ‚Keimzelle des Staates‘, die damit zu einer eminent politischen Angelegenheit von höchstem nationalen Interesse wird, verweist auf Parallelitäten zwischen dem Antifeminismus im Kaiserreich und den heutigen national-autoritären und antifeministischen Strömungen. Zugleich zeigen aber Danner und Yannopoulis wie auch jene Frauen, die in den rechten Parteien Europas Leitungspositionen einnehmen, dass es zwischen dem damaligen und dem heutigen Antifeminismus bedeutende Unterschiede gibt, die in Gegenstrategien berücksichtigt werden müssen. Die „politics of rejection and de-articulation“ werfen die Frage auf, mit welchen Strategien ihnen jeweils zu begegnen ist. Eine davon liegt in der öffentlichen Artikulierung von Widerspruch. So führte etwa Klebers antifeministische Rhetorik zu einer „zweiten und überdies intensiveren Welle der Berichterstattung“ über die Studie der MaLisa Stiftung (Prommer und Linke 2019, S. 120). In klassischen und feministischen Printmedien wie in den sozialen Netzwerken stieß Klebers Interviewführung auf starke Kritik und sorgte für ein Bekanntwerden der Ergebnisse. Die hier erfolgreiche Strategie des öffentlichen Widerspruchs ist aber abzuwägen gegenüber den Gefahren einer Verwundbarkeit, die die öffentliche Exponierung beinhaltet.
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Eine zweite zentrale Strategie gegen die „politics of rejection and d e-articulation“ liegt im Entwurf zukunftsfähiger Gesellschafts- und Geschlechterkonstruktionen. María do Mar Castro Varela (2018) hat überzeugend argumentiert, dass zentrale Werte wie Gerechtigkeit, Menschlichkeit, Freiheit nicht aufgegeben werden dürfen, selbst wenn sie historisch mit kolonialem, patriarchalem und ausbeuterischem Gedankengut verknüpft sind. Auch Erik Olin Wrights Buch „Envisioning Real Utopias“ (2010) beinhaltet dafür vielfältige Argumente. Bei der Zurückweisung von Angriffen und bei der Formulierung von Utopien kommt der „politics of influence“, die den Selbstverständigungsprozess von Bewegungen trägt, eine zentrale Rolle zu. Die Auseinandersetzung in der Wochenzeitung Die Zeit sehe ich trotz aller Probleme auch als Teil einer „politics of influence“ an, die Unterschiede zum Ausdruck bringt und diese öffentlich macht, die dazu Stellung bezieht und damit zur Debatte stellt, welche Kultur der Auseinandersetzung und Kommunikation „Wir Feminist_innen“ und „Wir Gender Studies Forscher_innen“ wollen. Dazu gehört, sich gleichermaßen zu empören über das Furtwängler/KleberInterview wie über die erschütternden Studienergebnisse, auf denen es beruht und die es, unfreiwillig, untermauert. Die „politics of influence“ sind auch deshalb nötig, weil in den traditionellen Medien kaum Raum für Akteur_innen jenseits des Mainstreams bleibt. Aus diesem Grund bleibt die Schaffung und die Ausgestaltung tatsächlicher und virtueller Räume so wichtig, in denen sich Aktivist_innen über queer_feministische „politics of influence“ austauschen, streiten, manchmal auch verständigen können. Nancy Fraser liefert mit ihrer kritischen Bestandsaufnahme eines neoliberal vereinnahmten Feminismus keine Analyse des Scheiterns feministischer Theorie und Praxis. Die amerikanische Wissenschaftlerin prognostiziert vielmehr, dass die augenblickliche Krise neoliberaler Marktkonzepte zu einer umfassenden Gesellschaftskritik und zur Entstehung neuer sozialer und transnationaler Bewegungen führen könne. 2009 schreibt sie: „Wenn wir die Chance nutzen, könnte es gelingen, die Struktur der bevorstehenden Transformation in Richtung Gerechtigkeit zu verändern – und dies nicht allein im Hinblick auf Geschlechtergerechtigkeit.“ (Fraser 2009, S. 57) Dazu wird es notwendig sein, sich allen genannten „politics“ zuzuwenden, diese einfallsreich zu verbinden und listig auszugestalten.
4 Fazit Ulla Wischermann (2017) hat die Ergebnisse ihrer Studie wie folgt zusammengefasst: „Erst in der Pluralität und Komplementarität von Öffentlichkeiten – der Dynamik von Bewegungskulturen, Gegenöffentlichkeiten und massenmedialen
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Öffentlichkeiten – lag der Schlüssel zur mobilisierenden Kraft der Stimmrechts- und Sexualreformbewegungen. Ihr Kampf für Stimmrecht und Sexualreform fand auf allen Ebenen von Öffentlichkeit statt, in der Interaktion einfacher, mittlerer und komplexer Öffentlichkeiten.“ Wenn Wischermanns Analyse der Erfolgsbedingungen der historischen Frauenbewegungen mehr als eine Fallanalyse ist, wovon ich überzeugt bin, dann wird eine queer_feministische Bewegung gleichermaßen die ‚politics of identity‘, ‚politics of influence‘ und ‚politics of inclusion and reform‘ verfolgen müssen, um Selbstveränderung und Gesellschaftsveränderung erfolgreich zu verbinden. Dann kann den nicht zuletzt via Medien transportierten ‚politics of rejection und de-articulation‘, den Dethematisierungen und Desartikulationen des Feminismus (McRobbie 2010) vielleicht eine ReArtikulation des queer_feministischen Projekts entgegengestellt werden. Schon jetzt stehen den simplifizierenden Antifeminismen und den entdifferenzierenden ‚Anti-Genderismen‘ wirkmächtige Aktionen und Reflexionen gegenüber, die das Kaleidoskop queerer und/oder feministischer Öffentlichkeiten in ihrer Buntheit, Vielfalt und auch Widersprüchlichkeit nachzeichnen und zugleich Material für die Stärkung dieser Bewegungen liefern. Wenn tiefgreifende Wandlungsprozesse, Krisen und damit einhergehende Verunsicherungen Gesellschaften kennzeichnen, kann die Vergangenheit ein wichtiger Haltepunkt sein, um zu sortieren, was neu ist und was nicht. Ebenso können auch frühere Wissensbestände aktiviert werden, um die Narrative der Vergangenheit neu zu schreiben. Viel schöner hat das Alexander Kluge in einem Zeit-Interview ausgedrückt (Nicodemus und Probst 2017). Auf die Frage nach den Splittern der nationalsozialistischen, autoritären Vergangenheit, die Kluge zusammentragen will, antwortet dieser: Es ginge ihm um den Versuch, mit anderen zusammen und mit allen Mitteln der Kunst, der Musik, der Philosophie, der Soziologie […] zu arbeiten. Und dann dieser Satz: „Es geht um die Frage, wie man mit den Erfahrungen des 21. Jahrhunderts das 20. Jahrhundert so beschreiben kann, dass wir überhaupt Boden unter den Füßen haben, für die Gesellschaft, in der wir leben.“ Ja, darum geht es, und gleichfalls um die Frage, wie man mit den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts das 21. Jahrhundert so beschreiben kann, dass „Wir“, die darin feministisch und wissenschaftskritisch Agierenden, überhaupt Boden unter den Füßen haben, für die Gesellschaft, in der wir leben wollen.
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Klaus, Elisabeth, Dr., Professorin am Fachbereich Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Öffentlichkeitstheorien, Theorien sozialer Ungleichheit, kommunikationswissenschaftliche Geschlechterforschung, Cultural Studies und Populärkultur.
Der Ball und die Welt. Perspektiven der Gender Media Studies und Transkulturalitätsforschung Martina Thiele
Wenn es um Fußball geht, denken die meisten vermutlich zuerst an Männer, die einem Ball hinterherlaufen. Auch Frauen spielen Fußball. In der Medienberichterstattung ist dann die Rede von ‚Frauenfußball‘. Wenn aber Männer Fußball spielen, heißt das nicht etwa ‚Männerfußball‘, sondern einfach nur: Fußball. Reklamieren Frauen diejenigen Bereiche für sich, die lange Zeit Männern vorbehalten waren, hat das immer noch etwas von Regelverstoß und Ausnahme. Selbst 2019, einem Jahr, in dem eine Fußballweltmeisterschaft stattfand – die der Frauen. Ausgehend von Grundannahmen der Transkulturalitätsforschung und der Gender Media Studies werden drei Ereignisse aus dem Bereich Kommunikation und Sport, die 2019 weltweit mediale Beachtung gefunden haben, „quer gelesen“ bzw. einem queer comparing (Folie 2019, S. 19) unterzogen. Solche in den Kulturwissenschaften häufiger verwendeten Verfahren dekonstruktivistischer Lektüre verbinden Queer Theory und intersektionale Zugänge bei gleichzeitiger Infragestellung kategorisierenden Denkens. Queer Reading und queer comparing können als Reaktion auf die Dominanz etablierter, ‚westlicher‘ Analysemethoden und Forschungsgegenstände verstanden werden. Die drei Ereignisse sind erstens ein Wettbewerb, an dem Fotograf_innen aus der ganzen Welt teilnehmen und bei dem die Pressefotos des vorherigen Jahres mit dem World Press Photo Award ausgezeichnet werden, u. a. in der Kategorie Sportfotografie; zweitens die Fußballweltmeisterschaft, in deren Vorfeld die US-amerikanische Spielerin Megan Rapinoe durch ihren Protest gegen
M. Thiele (*) Universität Tübingen, Tübingen, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Hausbacher et al. (Hrsg.), geschlecht_transkulturell, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30263-4_3
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Rassismus und Sexismus sowie mit ihrer Forderung nach „equal pay“ Aufmerksamkeit erregt hat. Ereignis Nummer drei ist die Selbstverbrennung von Sahar Khodayari1, einer Anhängerin des iranischen Fußballklubs Esteghlal, die dafür angeklagt wurde, dass sie verbotenerweise als Mann verkleidet ein Fußballstadion hatte betreten wollen. Diese drei Fallbeispiele sind aufgrund des übergeordneten Themas Menschenrechte und des konkreten Themas Frauen und Fußball miteinander verbunden. Sie sind auch deswegen aufschlussreich, weil sie zeigen, was Transkulturalität bedeutet, wie sehr Medien, Sport und Politik globalisiert und miteinander verflochten sind, wie mächtig und zugleich ohnmächtig Institutionen und Individuen in Zeiten beschleunigter, digitalisierter Kommunikation sind, und wie viel noch zu tun ist im Kampf um Geschlechtergerechtigkeit, Anerkennung und Sichtbarkeit.
1 Grundannahmen der Transkulturalitätsforschung und Gender Media Studies Die Kommunikations- und Medienwissenschaft – im deutschsprachigen Raum gibt es historisch bedingt diese beiden und weitere Fachbezeichnungen – versteht sich als interdisziplinär (Pürer 2014) und integrativ (Karmasin et al. 2014). Zu ihren Teildisziplinen zählen u. a. die kommunikationswissenschaftliche Geschlechterforschung bzw. die Gender Media Studies (Klaus 2005; Lünenborg und Maier 2013) und die Inter- bzw. Transkulturelle Kommunikation (Renger und Luger 1994; Hepp und Löffelholz 2002; Hepp 2003, 2014). Auch hier deuten die verschiedenen Begriffe auf unterschiedliche Traditionslinien und theoretische Weiterentwicklungen. Sie können in diesem Beitrag nicht ausführlich dargelegt werden. Wichtiger ist, die neueren Diskussionen aufzugreifen und einige Grundannahmen der kommunikationswissenschaftlichen Transkulturalitäts- und Geschlechterforschung zu erläutern.
1.1 Transkulturalität statt Interkulturalität Lange Zeit vorherrschend war ein Verständnis von Kultur und Nation, wonach vor allem die ethnische Herkunft menschliches Verhalten bestimme. Die u. a. von Johann Gottfried Herder geprägte Idee der Nationalkultur beeinflusste auch das
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gibt auch die Schreibweise „Chodajari“.
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Konzept der Interkulturalität, bei der das Neben- und Miteinander, der Austausch verschiedener, voneinander abgrenzbarer Kulturen betrachtet wird. Seit den 1990er Jahren hat sich jedoch im Zuge der Diskussion postmoderner Theorien Transkulturalität als Begriff und theoretisches Konzept in der wissenschaftlichen Debatte etabliert (Welsch 1997). Während das Präfix „inter“ darauf hinweist, dass von mindestens zwei klar abgrenzbaren Kulturen ausgegangen wird, und damit eher das Trennende, die Unterschiede zwischen den Kulturen betont sind, unterstreicht das Präfix „trans“ (hindurch, quer, jenseits) das Überschreiten konstruierter soziokultureller Grenzen (Conti 2010, S. 184; Vanderheiden und Mayer 2014, S. 31). Aus Sicht der Transkulturalitätsforschung entstehen Kulturen durch Interaktion und Kommunikation. Sie ‚sind‘ nicht einfach, sondern verändern sich permanent, beeinflussen und durchdringen einander und lassen so Neues entstehen. Dieser durch sozialkonstruktivistische Annahmen beeinflussten Sichtweise auf Kultur als dynamisches Konzept und dem Versuch, das „Container-Denken“ (Hepp 2010) zu überwinden, steht ein Verständnis von Kultur und Nation gegenüber, das als „primordial“ (Giesen 1999) bezeichnet wird und das wegen seiner essentialistischen Grundannahmen Gefahr läuft, Stereotypen Vorschub zu leisten.
1.2 Globalisierung und Mediatisierung Für Transkulturalität als theoretisches Konstrukt und Bezeichnung für ein reales Phänomen spricht des Weiteren, dass Migration und Tourismus sowie der durch technische Entwicklungen beschleunigte, weltweite Austausch von Informationen, Ideen und Bildern die gegenseitige Durchdringung von Kulturen und – was sowohl von Vorteil als auch von Nachteil sein kann – das Entstehen einer Globalkultur befördern. Bezogen auf reale wie virtuelle Räume finden Prozesse der Territorialisierung und Deterritorialisierung gleichermaßen statt, was zur Folge hat, dass ortsübergreifende Vergemeinschaftungsformen entstehen, für die der Bezug z. B. auf die Nation nicht entscheidend ist (Hepp 2014). Nachdem Globalisierung als Megatrend in den 1990er und 2000er Jahren diskutiert wurde, stehen mit Etablierung des Web 2.0 die Folgen der Digitalisierung und die umfassende Mediatisierung des Alltags im Mittelpunkt des Interesses. Mediatisierung wird als „paradoxer Metaprozess“ (Karmasin 2016, S. 17 ff.) beschrieben. Ebenso erweist sich Transkulturalität und die mit ihr einhergehenden Prozesse der Homogenisierung wie Hybridisierung bei gleichzeitiger Mediatisierung und Kommerzialisierung als ein höchst ambivalentes Phänomen.
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Denn deutlich wird, dass bei allen Vereinheitlichungstendenzen, doch auch große soziale Ungleichheiten bestehen. Immer wieder zu verhandeln ist daher die Frage nach der universalen Geltung von Werten und Rechten.
1.3 Geschlecht als soziale Kategorie Universalistische und kulturrelativistische Positionen treffen auch in der Debatte über Frauenrechte als Menschenrechte aufeinander (Thiele 1998). Dabei wird überwiegend von einem Standpunkt aus argumentiert, der Sexismus, Patriarchat und Unterdrückung anprangert und gleiche Rechte für Frauen fordert. Elisabeth Klaus (2005) hat diese Perspektive dem Gleichheitsansatz zugeschrieben und mit Differenzansatz und (De-)Konstruktivismus zwei weitere Forschungsparadigmen innerhalb der Geschlechterforschung benannt, die sich sowohl in ihrer Konzeption von Geschlecht als auch in ihrer Forschungsperspektive unterscheiden. Die Idee einer eindeutigen und unumstößlichen (Geschlechter-)Identität, die Gleichheits- und Differenzansatz prägt, stellt der (De-)konstruktivismus grundsätzlich in Frage und problematisiert das Festhalten an den gängigen Subkategorien „Frau“ oder „Mann“, „weiblich“ oder „männlich“. Kritisiert werden „Heteronormativität“ und „Zwangsheterosexualität“, die andere, „queere“ Formen des Zusammenlebens und sexuellen Begehrens ausschließen (Bartel et al. 2008). Regine Gildemeister hat die (de-)konstruktivistische Perspektive auf die Formel gebracht, dass statt nach „Unterschieden“ nach „Prozessen der Unterscheidung“ (Gildemeister 2010, S. 141) gefragt wird. Von Interesse ist, wie „Männlichkeit“ und „Weiblichkeit“ konstruiert und dekonstruiert werden (können) und, speziell aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht, welche Rolle Medien und Kommunikation dabei spielen. Für die empirische Forschung und die Wahl der Methoden hat der Perspektivwechsel, der mit der theoretischen Orientierung vom Gleichheits- und Differenzansatz zum (De-)Konstruktivismus einhergeht, enorme Konsequenzen: denn wie lässt sich die dichotome und biologisch hergeleitete Geschlechterdifferenz hinterfragen, ohne sie in der Auseinandersetzung mit empirischen Phänomenen zu reproduzieren? Auch ein „strategischer Essentialismus“ (Spivak 1993, S. 3)2 zur Sicherstellung politischer Handlungsfähigkeit ist letztlich – reifizierend.
2Zugeschrieben wird dieser Begriff Gayatari Chakravorty Spivak, die aber seine Verwendung kritisch sieht. Denn nicht selten diene er doch der Verbreitung und Rechtfertigung essentialistischer Positionen, statt ausnahmsweise und eben „strategisch“ eingesetzt zu werden.
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1.4 Intersektionalität Doch ist mit der Kategorie Geschlecht nur eine von vielen sozialen Kategorien benannt. Als Herausforderung sowohl für die Theoriebildung als auch für die empirische Forschung gilt, dass soziale Kategorien nicht isoliert voneinander, sondern in ihrem Miteinander-Verschränkt-Sein zu betrachten sind. Darauf spielt der von der US-amerikanischen Juristin Kimberlé Crenshaw geprägte Begriff intersectionality an. Crenshaw (1989) wollte damit auf die besonderen Probleme Schwarzer Arbeitnehmerinnen aufmerksam machen, die aufgrund ihrer sozialen Stellung, ihrer ethnischen und geschlechtlichen Zugehörigkeit diskriminiert werden. Sie erläuterte den Begriff dadurch, dass sie auf die Metapher eines Unfalls auf einer Straßenkreuzung zurückgriff. Eine Analogie, die, wie sie selbst später einräumte, nicht ganz treffend beschreibt, worum es ihr geht, nämlich das gleichzeitige Wirksamwerden verschiedener miteinander verbundener sozialer Kategorien. Die Auswahl und die Benennung von Kategorien sind bis heute umstritten. Während in den USA „race“, „class“ und „gender“ weitgehend als die entscheidenden Kategorien akzeptiert sind, wird in Europa, speziell in Deutschland, der Begriff „race“ aus nachvollziehbaren historischen Gründen sehr kritisch gesehen und durch „Ethnie“ oder „ethnicity“ ersetzt, worunter dann aber zuweilen recht unterschiedliche Subkategorien fallen wie Geburtsort, Staatsbürgerschaft, Migrationserfahrung, Hautfarbe, Religion etc. Gabriele Winker und Nina Degele benutzen bewusst den Begriff Rasse ohne Anführungszeichen, weil sie dadurch „Prozesse der Rassisierung als Prozesse der Rasse erst konstruierenden Ausgrenzung und Diskriminierung sowie ihre gewaltförmige Naturalisierung und Hierarchisierung deutlich machen“ möchten. (Winker und Degele 2009, S. 10) Was die Auswahl der Kategorien anbelangt, liefere, so die Autorinnen, das Konzept der Intersektionalität keine theoretische Begründung, warum gerade Rasse, Klasse und Geschlecht die zentralen Linien der Differenz markieren. Viele weitere Kategorien seien denkbar. Die Auswahl hänge vom Untersuchungsgegenstand und von der Untersuchungsebene ab. (Winker und Degele 2009, S. 16). Der Überblick über Grundannahmen der Transkulturalitätsforschung und der Gender Media Studies zeigt, dass beide stark beeinflusst sind durch postmoderne Theorien, den Konstruktivismus in all seinen Facetten (Drüeke et al. 2017), inter-, intra- und antikategoriale Ansätze, die im Zuge der Intersektionalitätsdebatte ausgearbeitet wurden, z. T. aber auch durch neo-marxistische Ansätze, die die weltweit spürbaren Folgen des analogen wie des digitalen Kapitalismus analytisch zu fassen suchen. Und beide, Transkulturalitätsforschung wie Gender
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Media Studies, kritisieren die „westlich“ zentrierte und orientierte Medien- und Kommunikationsforschung sowie den methodologischen Nationalismus und Geschlechterdualismus. Im Folgenden geht es um Sport als Teil einer globalen Medienkultur. „Mediensport“ wird aus der Perspektive der Gender Media Studies betrachtet, um herrschende Werte und stereotype Zuschreibungen zur weiteren Kontextualisierung herauszuarbeiten.
2 Sport, Geschlecht und Mediensport Weltweit treiben Menschen Sport, interessieren sich für diverse Sportarten und verfolgen mittels Medien, wer wo bei welchen Wettkämpfen erfolgreich ist. Sport ist so gesehen ein transmediales und ein transkulturelles Phänomen. Als durchkapitalisierter Spitzensport verspricht er enorme Gewinne für Unternehmen und Verbände durch den Handel mit Sportübertragungsrechten, durch Spieler_innentransfers, Sportstättenbau, Merchandising, uvm. Sport-PR-Leute und -Funktionär_innen werden nicht müde zu betonen, dass Sport gesund ist und verbindet. Zugleich hat Sport etwas Trennendes, auch wenn Klassifizierungssysteme nach Alter, Geschlecht oder körperlichen Gegebenheiten angeblich für mehr Gerechtigkeit und Vergleichbarkeit sorgen und zudem die Attraktivität der Wettkämpfe erhöhen würden (Bundesinstitut für Sportwissenschaft 2014, S. 5). Diejenigen sozialen Kategorien, die als erste zur Klassifizierung im internationalen Sport herangezogen werden, sind Nation bzw. Staatsangehörigkeit und Geschlecht. Doch während im wissenschaftlichen Diskurs von der Konstruiertheit sozialer Kategorien ausgegangen wird, sind Sport und Sportberichterstattung davon wenig beeinflusst. Dort wird mit scheinbaren Gewissheiten, mit messbaren Unterschieden zwischen Körpern und Leistungen, argumentiert und damit, dass Sportfans und Rezipient_innen des Mediensports nun einmal bestimmte Erwartungen an Spitzensport hätten. Doch wird insbesondere durch den Einsatz von Bildern in der Sportberichterstattung eine „visuelle Empirie“ geschaffen, die nicht ohne Wirkungen bleibt: „Allzu leicht wird damit eine natürliche Ordnung zwischen den Geschlechtern als erwiesen angesehen und immer wieder als Referenzpunkt für die Aktualisierung der sozialen Geschlechterdifferenz und der Legitimierung von Exklusion hervorgebracht.“ (Hartmann-Tews und Rulofs 2010, S. 688, H.i.O.) Bis heute bestätigen zahlreiche Studien die Tendenz zur Essentialisierung und die Reproduktion von Geschlechterdifferenz in der Sportberichterstattung (Fuller 2007; Franks und O’Neill 2016). Das beginnt schon bei der Auswahl
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der berichtenswerten Sportarten und -events. Es dominieren Fußball, Cricket, Hockey, Tennis – der Herren.3 Über diese als „Männersportarten“ klassifizierte Sportarten wird in einem deutlich höheren Ausmaß berichtet. Das ist selbst bei sportlichen Großereignissen wie den Olympischen Spielen, an denen sowohl Männer als auch Frauen teilnehmen, der Fall. Männer und Sport sind die Regel, Frauen und Sport bilden die Ausnahme. Entsprechend sind die in Medien zu Wort kommenden Personen, ob Sportler_innen, Kommentator_innen oder Interviewte, zumeist Männer. Und auch in den Sportredaktionen sind Journalistinnen deutlich unterrepräsentiert (Thiele 2018). Verstärkt wird durch die Sportberichterstattung und die Reproduktion einer geschlechterdifferenten Körperordnung der Eindruck, dass „der männliche Körper ‚quasi wie von selbst‘ zum Sport passt, während der weibliche Körper insbesondere dann ‚stimmig im Bild‘ ist, wenn er sportlich und schön ist.“ (Hartmann-Tews und Rulofs 2003, S. 67 f.) Sportliche Aktivität allein genügt demnach nicht. Eine weitere Voraussetzung der medialen Sichtbarkeit von Sportlerinnen in ‚westlichen‘ Ländern ist, dass sie nach den dort geltenden Maßstäben attraktiv und sexy sind. So schreibt die Bild Zeitung im Juni 2019 nach dem ersten knapp mit 1:0 gewonnenen WM-Spiel Deutschland gegen China über die Spielerin Giulia Gwinn: „Hässlicher Auftakt-Sieg dank unserer ‚Hübschesten‘!“4 Global betrachtet gilt jedoch: Unabhängig von ihrer Attraktivität und ungeachtet ihrer sportlichen Leistungen sind Sportlerinnen medial fast nicht präsent, sie bleiben unsichtbar, außen vor, im Abseits. Die Begriffe Annihilierung, Marginalisierung und Trivialisierung fassen diesen schon vor Jahrzehnten konstatierten (Tuchmann 1978) und bis heute anhaltenden Missstand zusammen: Frauen sind medial unterrepräsentiert, Sportlerinnen umso mehr, da sie sich in einem Umfeld bewegen, das ‚männlich‘ codiert ist. Trotzdem herrschen weltweit große Unterschiede, was die Freiheit anbelangt, Sport zu treiben, an öffentlichen Sportveranstaltungen als Sportlerin oder Zuschauerin teilzunehmen und sich zu (sport-)politischen Fragen zu äußern. Das Recht auf Versammlungs-, Informations- und Meinungsfreiheit wird zwar in der 3Wer in die Suchmaschine „google“ „beliebteste Sportarten der Welt“ eingibt, stößt auf Bildergalerien, die zur Illustrierung des ranking ausschließlich Sportler zeigen, keine Sportlerinnen. Vgl. z. B. www.ran.de/allgemein/bildergalerien/top-10-die-beliebtesten-sportarten-der-welt oder www.spox.com/de/sport/mehrsport/1805/diashow/beliebteste-sportargten/ diese-sportarten-haben-weltweit-die-meisten-fans-fussball-cricket-tennis.html [15.01.2019]. 4Vgl.
https://www.bild.de/sport/fussball/fussball/frauen-fussball-wm-2019-1-0-auftakt-siegfuer-deutschland-gegen-china-62504244.bild.html [15.01.2019].
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Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die fast alle Staaten der Welt unterzeichnet haben, garantiert, es wird jedoch, wie die folgenden Beispiele zeigen, sehr unterschiedlich interpretiert.
3 Queer Comparing Beispiel 1: Forough Alaei, die Fotografin Forough Alaei wurde 1989 geboren. Neben ihrem Jura-Studium malte und fotografierte die in Teheran lebende Alaei und arbeitete für verschiedene Medien als Fotojournalistin. Ihre thematischen Schwerpunkte liegen im Bereich Soziales und Menschenrechte. Mit der Fotoserie Crying for freedom über weibliche Fußballfans im Iran hat sie sich um den World Press Photo Award 2019 beworben. Die seit 1956 jährlich verliehenen World Press Photo Awards zählen zu den renommiertesten Preisen im Bereich Fotojournalismus. Jedes Jahr erreichen die durch die niederländische Stiftung World Press Photo eingesetzte Jury Tausende Pressefotos, die Ereignisse des Vorjahres dokumentieren. Neben der Wahl zum Pressefoto des Jahres werden Preise in zehn Kategorien vergeben, drei Preise für die besten Einzelbilder und drei Preise für die besten Fotoserien/-stories. Forough Alaeis Fotoserie Crying for freedom wurde im April 2019 in der Kategorie Sports Feature mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Das Foto Im Stadion (Abb. 1) ist Teil dieser aus zehn Bildern bestehenden Serie. Es zeigt 17 Personen, alle sind aufgrund äußerlich erkennbarer sekundärer Geschlechtsmerkmale ‚männlich‘ und durch ihre Kleidung als Fußballfans ausgewiesen. Zu sehen sind Gesichter und Oberkörper, z. T. jedoch verdeckt. Die Fans schauen geradeaus, verfolgen offensichtlich das Geschehen auf dem Spielfeld. Nur eine Person betrachtet ihren etwas unter ihr stehenden Nachbarn. Die verschränkten Arme des Betrachters deuten auf Distanz, der Blick ist skeptisch. Diese Aufnahme entstand im Teheraner Azadi Stadion. Es ist das Foto Nr. 9 der zehnteiligen Serie und laut Datumsangaben das zuletzt aufgenommene. Es stammt vom 14. Dezember 2018. Die Fotografin berichtet, dass sie es im Stadion, ebenfalls als Mann verkleidet, mit ihrem Smartphone gemacht hat. Frauen im Iran ist es seit 1979 grundsätzlich nicht erlaubt, als Zuschauerinnen bei Fußballspielen der Männer zugegen zu sein. Die religiösen Führer begründen das Verbot mit der sittlichen Gefahr, die daraus entstünde, wenn Frauen die wenig bekleideten, wettkämpfenden Männer sähen. Weibliche Fans, die sich nicht vorschreiben lassen möchten, wer oder was eine sittliche Gefahr für sie darstellt, haben sich in den letzten Jahren zusammengetan und protestieren auf vielfältige
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Abb. 1 Im Stadion. Bildquelle: https://www.worldpressphoto.org/collection/photo/2019/ 37716/9/Forough-Alaei
Weise gegen das seit nunmehr vier Jahrzehnten bestehende Stadionverbot für Frauen. Sie verkleiden sich als Männer, um ins Stadion zu gelangen und die Fußballspiele verfolgen zu können. Und sie organisieren ihren Protest via social media (z. B. #NoBan4Women). Seit Jafar Panahis Film Offside5 und seit bei der Fußball-WM der Männer 2018 in Russland Aktivist_innen auf die Situation im Iran hinwiesen, berichteten Medien weltweit über das Stadionverbot für Frauen. Der Druck auf die FIFA und ihren Präsidenten Gianni Infantino, sich eindeutig zu positionieren und Sanktionen gegen den Iran zu verhängen, falls das Stadionverbot nicht aufgehoben wird, nahm zu. Der Iran lenkte kurzzeitig ein. Im Verlauf des Jahres 2018 durften einige wenige Frauen ausgewählte Länderspiele abgetrennt von den männlichen Fans verfolgen. Auch hiervon hat Forough Alaei Fotos gemacht, die Teil der Serie Crying for Freedom sind. Sie zeigen die Fans und ihre Emotionen. Obwohl Forough Alaei im April 2019 für ihre Arbeit mit dem World Press Photo Award
5Der
Film thematisiert den Versuch von Frauen, ins Stadion zu gelangen, um ein Spiel der iranischen Nationalmannschaft während der Qualifikationsphase für die WM 2006 zu sehen. Sie werden jedoch festgenommen und von Soldaten in einem abgesperrten Bereich bewacht. Dabei entwickeln sich Diskussionen zwischen den Fans und ihren Bewachern, Der Film durfte im Iran nicht gezeigt werden, bei den Filmfestspielen in Berlin 2006 wurde er mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet.
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ausgezeichnet wurde, hat die internationale Anerkennung nicht verhindert, dass sie im August 2019 gemeinsam mit anderen Aktivist_innen verhaftet und verhört wurde. Nach internationalen Protesten und nach Zahlung einer Kaution kamen sie wieder frei. Dass Sportveranstaltungen und Preisverleihungen genutzt werden können, um vor großem Publikum auf Verstöße gegen Menschenrechte hinzuweisen, zeigt das zweite Beispiel. Beispiel 2: Megan Rapinoe, die Sportlerin Im Juni und Juli 2019 fand in Frankreich die Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen statt. 1,12 Mrd. Zuschauer_innen verfolgten über alle Plattformen die Spiele – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu 2015.6 Schon im Vorfeld erlangten einige der beteiligten Spielerinnen, so die US-Amerikanerin Megan Rapinoe (Abb. 2), größere Bekanntheit. Das lag zum einen an ihren sportlichen Erfolgen, zum anderen aber auch an ihren politischen Statements gegen Sexismus und Rassismus und die Politik Donald Trumps. Aus Protest gegen rassistische Übergriffe weigerte sich Rapinoe wie zahlreiche andere US-amerikanische Sportler_innen die Nationalhymne mitzusingen. Und gemeinsam mit 27 weiteren Profi-Fußballspielerinnen wiederholte sie Anfang März 2019, einige Tage vor dem Internationalen Frauentag, die seit Jahren gestellte Forderung: gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit – auch im Sport. Dass sie als erfolgreiche Fußballerinnen, die im Vergleich zum Nationalteam der Männer zahlreiche internationale Wettbewerbe gewonnen haben, deutlich weniger verdienen, war Anlass der gemeinschaftlichen Zivilklage gegen die „USFF“ (= U.S. Soccer Federation, nicht zu verwechseln mit U.S. Soccer Foundation) vor dem Bundesdistriktgericht in Los Angeles (McCann 2019, o.S.). Im Verlauf der WM, als die US-Amerikanerinnen Sieg um Sieg verzeichnen konnten, flammte die Debatte über Gehälter im Profisport und Geschlechterdiskriminierung wieder auf. Während des WM-Finales USA vs. Niederlande skandierten Zuschauer_innen „equal pay!“. Der Teamsponsor Procter & Gamble zahlte nach dem Turnier an jede der 23 US-Weltmeisterinnen 23.000 Dollar, um die Lohnkluft zu verringern. Der Verband jedoch rechnete vor, dass man von 2010 bis 2018 34,1 Mio. Dollar an Gehältern und Boni an Rapinoe und Co. ausgezahlt habe – und nur 26,4 Mio. Dollar an die Männer. Dabei seien jene
6Weitere
Zahlen unterschieden nach linearem TV, digitalen Plattformen und Zuschauer_ innen in den Stadien unter https://de.fifa.com/womensworldcup/news/mehr-als-einemilliarde-zuschauer-bei-fifa-frauen-weltmeisterschaft-2019tm.
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Abb. 2 Megan Rapinoe. Bildquellen: https://en.wikipedia.org/wiki/Megan_Rapinoe und https://inews.co.uk/sport/football/megan-rapinoe-us-womens-football-champion-honestintegrity-636904. (Foto: Marco Bertorello/AFP/Getty)
Leistungen noch gar nicht eingerechnet, die nur die Frauen erhalten, Gesundheitsvorsorge etwa. Doch während die Frauen ein Fixum von 100.000 Dollar pro Jahr erhalten, werden die Männer mit deutlich höheren Antrittsgeldern und Prämien belohnt. Ein weiteres Argument des Verbands-Präsidenten Carlos Cordeiro: die Männer würden, obwohl sie sich für die WM 2018 nicht qualifiziert haben, mehr Umsatz bringen. Sie hätten im vergangenen Jahrzehnt mit 191 Spielen 185,7 Mio. Dollar erwirtschaftet. Die Frauen mit 238 Partien hingegen nur 101,3 Mio. Dollar. Bei diesen Zahlen handelt es sich allerdings um interne Berechnungen des Verbands. Und die USFF kann als gemeinnützige und steuerbefreite Organisation nicht das amerikanische Arbeitsrecht ignorieren, ohne zu riskieren, dass Bundeszuschüsse für die WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko zurückgehalten werden. Einen entsprechenden Gesetzentwurf brachten Abgeordnete des Repräsentantenhauses im Juli 2019 ein und unterstützen damit die Initiative der Nationalspielerinnen, die bereits zum vierten Mal Weltmeisterinnen geworden waren. (Kalwa 2019, S. 28). Megan Rapinoe hat schon vor dem Titelgewinn in Interviews durchblicken lassen, dass sie und ihre Teamkolleginnen wenig interessiert sind, als Siegerinnen von Donald Trump ins Weiße Haus eingeladen zu werden. Darüber berichteten Medien ebenso wie über das Ansinnen, ihr ein „digitales Ehrenmal“ zu setzen
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(Böckmann 2019, S. 18). In einer Petition, die Anfang August 2019 bereits 34.000 Menschen unterzeichnet hatten, wurde der Computerspiel-Produzent EA Games aufgefordert, auf dem Cover der nächsten Version des Spiels FIFA20 Megan Rapinoe abzubilden, weil sie durch ihre klare Haltung und ihre sportlichen Erfolge zum Vorbild für Millionen Mädchen und Jungen geworden sei. Bislang waren dort immer nur prominente Spieler abgebildet. Immerhin steigt die Zahl der Würdigungen und Preise für Sportlerinnen von Jahr zu Jahr. Im September 2019 wird Megan Rapinoe zur Weltfußballerin gewählt. Sie nutzt die Preisverleihung in der Mailänder Scala wie zuvor die Einladung der US-Demokrat_innen ins Kapitol, um an alle Sportler_innen und Sportfunktionär_innen zu appellieren, sich für Gerechtigkeit und gleiche Bezahlung einzusetzen und deutliche Zeichen gegen Rassismus und Sexismus zu setzen (Abb. 2). Es gehe nicht an, Protest den unmittelbar Betroffenen zu überlassen, vielmehr müssten sich alle gegen Diskriminierungen aussprechen und aktiv dagegen angehen. Profisportler_innen wie sie selbst seien privilegiert und dadurch verpflichtet, auf Missstände hinzuweisen. Doch reiche es nicht, wenn sich Spielerinnen über mangelnde Investitionen in den sogenannten Frauenfußball beschwerten. Eine jede und ein jeder im Saal habe eine Bühne: „Teilt sie mit anderen. Hebt andere hervor. Teilt euren Erfolg. Wir haben im Fußball Möglichkeiten, die kein anderer Sport bietet: Benutzt das Spiel, um die Welt besser zu machen. Tut was. Wir haben unglaubliche Macht.“ (Rapinoe, zit. nach Becker 2019a; S. 36) Wie wichtig es ist, Stellung zu beziehen und öffentlich Kritik zu üben, zeigt das dritte Ereignis aus 2019. Beispiel 3: Sahar Khodayari, die Fußballbegeisterte Der Fall der Aktivistin Sahar Khodayari entfachte die Debatte über Stadionverbote für Frauen im Iran erneut. Die 29-Jährige wollte im März 2019 als Mann verkleidet ins Stadion, um ein Heimspiel des Hauptstadtklubs Esteghlal Teheran anzusehen. Sie wurde festgenommen und inhaftiert. Als nach einem Gerichtstermin Anfang September 2019 weitere Gefängnisstrafen drohten, übergoss sich Khodayari mit einer brennbaren Flüssigkeit und zündete sich an. Sie erlag einige Tage später, am 09. September 2019, ihren Verletzungen. Das „blaue Mädchen“ – so ihr Name, nachdem sie Monate zuvor ein Bild von sich in Fankleidung gepostet hatte (Abb. 3) – wurde zum Sinnbild des Protests gegen den Ausschluss von Frauen aus der Öffentlichkeit.
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Abb. 3 Sahar Khodayari. Bildquelle: https://www.itv.com/news/2019-09-10/iranian-footballfan-known-as-blue-girl-dies-week-after-setting-herself-on-fire/
Weltweit berichteten Medien über die Selbsttötung, und machten dadurch auf die Situation im Iran erneut aufmerksam. Via Twitter (#BlueGirl) bekundeten Sportler_innen und Fans ihr Mitleid sowie Solidarität mit den Aktivist_innen im Iran. Der frühere englische Nationalspieler Gary Lineker schrieb: „Wie furchtbar traurig. Und wie furchtbar, dass eine Frau nicht ins Stadion darf.“ Die Soziologin Parwaneh Salaschuri, die im iranischen Parlament dem Reformflügel angehört, schrieb auf Twitter: „Sie war ein Mädchen Irans, wo Männer über Frauen entscheiden und ihnen die Grundrechte nehmen. Wir sind alle verantwortlich für die Inhaftierung und Verbrennung der Sahars in diesem Land.“ Die schwedische Torfrau Hedvig Lindahl veröffentlichte auf Instagram das Bild eines gemeinsamen Essens der schwedischen Nationalmannschaft mit der iranischen Frauen-Fußballnationalmannschaft, das beim ersten Spiel der Iranerinnen in Europa aufgenommen worden war. Sie schrieb, sie teile das Bild „in liebevoller Erinnerung an das blaue Mädchen Sahar Chodajari, die ihre Lieblingsmannschaft spielen sehen wollte […]. Fifa, das ist nicht in Ordnung.“ (Alle Zit. nach Becker 2019a, o.S.) Als am 23. September 2019 bei der Auszeichnung zur Weltfußballerin des Jahres Megan Rapinoe in ihrer Rede auch den Tod von Sahar Khodayari als ein
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tragisches Ereignis hervorhob, das zu gesellschaftspolitischem Engagement verpflichte, erhöhte das den Druck auf die FIFA, den Iran erneut auf die Einhaltung von Menschenrechten hinzuweisen und mit Sanktionen zu drohen. FIFA-Präsident Gianni Infantino schickte eine Delegation in den Iran und erklärte: „Unsere Position ist klar und eindeutig: Frauen müssen in die Fußballstadien im Iran zugelassen werden. Für alle Fußballspiele.“ (Zit. nach Hellmann 2019, S. 1) Der Nachsatz erwies sich als wichtig, denn der iranische Sportminister Massud Soltanifar hatte die Erlaubnis zunächst nur für einige ausgewählte Länderspiele erteilt. Am 10. Oktober 2019 wurden für das WM-Qualifikationsspiel Iran gegen Kambodscha separate Stadioneingänge und Toiletten für Frauen eingerichtet. 4600 weibliche Fans durften einen extra für sie ausgewiesenen Tribünenbereich betreten. Darüber berichteten Medien weltweit. Die Meldung „Frauen dürfen nun ins Stadion“ auf Spiegel Online, illustriert mit Bildern fröhlicher Fans, rief aber auch Kritik hervor, denn unerwähnt blieb der Tod von Sahar Khodayari.
4 Der Ball und die Welt 2020 Das Queer Comparing lässt Verbindungen zwischen Themen und Ereignissen erkennen, und es liefert Antworten auf die Frage, warum Transkulturalität und Mediatisierung ambivalente Phänomene, gar „paradoxe Metaprozesse“ (Karmasin 2016, S. 17) sind. Weltweit betrachtet haben viele Menschen – wenngleich längst nicht alle – Zugang zu Medien und die Möglichkeit, via social media selbst Botschaften und Bilder zu verbreiten. Sie sind weniger angewiesen auf hegemoniale Öffentlichkeiten. Und so können ‚wir‘ über unterschiedliche Kanäle etwas erfahren über das Stadionverbot für Frauen im Iran, die Proteste dagegen, den Tod von Sahar Khodayari, den World Press Photo Award, die Fußball-WM sowie die Forderungen von Sportler_innen nach gerechter Bezahlung und Unterstützung im Kampf gegen Rassismus und Sexismus. Hier, im Einsatz für die weltweite Durchsetzung von Menschenrechten, erweisen sich Medien und globale Kommunikationsbeziehungen als enormer Vorteil. Es gibt trotz der sich auf die Produktion wie Konsumption von Medieninhalten auswirkenden sozialen Ungleichheiten und digitalen Spaltungen vielfältige Medienöffentlichkeiten, die z. T. auch Transkulturalität erkennen lassen und wichtiger noch: sie ermöglichen. Zugleich sind Fußball-Fans und Sportler_innen durch den globalisierten und extrem kommerzialisierten Mediensport in erster Linie Teil des „Medien-Sport-Kultur-Komplexes“ und einer „global community of consumers“
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(Hegde 2014, S. 98). Zwar können im digitalen Kapitalismus Öffentlichkeiten, Macht und Prominenz „für die gute Sache“ genutzt werden. Darauf hat u. a. Megan Rapinoe in ihrer Rede zur Preisverleihung hingewiesen (Abb. 2). Es bleiben dennoch Zweifel, die Aktivist_innen nach dem Tod von Sahar Khodayari formulierten: Dürfen wir das Bild der mit dem Tod ringenden Verbrannten via Twitter, Instagram und Facebook verbreiten (Abb. 4), um auf unsere Anliegen aufmerksam zu machen? Wie können wir verhindern, dass unser Kampf für Frauenrechte im Iran von politischen Kräften vereinnahmt wird, denen wir genauso kritisch gegenüberstehen wie unserer Regierung und geistlichen Führung? Gibt es derzeit nicht Wichtigeres als Fußball und die Frage, ob Frauen in einigen Ländern – längst nicht nur im Iran – daran gehindert werden, öffentliche Orte wie ein Fußballstadion aufzusuchen? Die Antwort auf die letzte Frage hat eine Aktivistin nach dem Tod Sahar Khodayaris gegenüber einer Journalistin des Guardian so formuliert: „For women in Iran, the Open Stadiums movement is about so much more than access to football games. Over the past 14 years, it has become a vehicle for women to re-assert their human rights and take a stand against oppressive ideologies that have shaped their lives. The world’s media has a responsibility to continue telling their stories.“ (N.N., zit. nach Lewis 2019, o.S.). Seit der Meldung im Oktober 2019, dass einige Frauen das Spiel Iran gegen Kambodscha im Stadion verfolgen durften, ist das Thema „Frauen und Fußball
Abb. 4 Sahar Khodayari. Bildquelle: https://metro.co.uk/2019/09/12/first-pictures-iranianblue-girl-set-fire-football-protest-10732219/
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im Iran“ in den Medien weltweit deutlich weniger präsent. Zu Beginn des neuen Jahres und neuen Jahrzehnts ist nicht ganz klar: Gilt das Stadion-Verbot weiterhin? Handelte es sich lediglich um eine Ausnahme zur Beruhigung der FIFA und Weltöffentlichkeit? Oder dürfen Frauen nun auch zu Spielen der iranischen Ligen gehen? Und selbst öffentlich Fußball spielen? Andere Nachrichten beunruhigen die Weltöffentlichkeit. Nach der gezielten Tötung des iranischen Generals Ghassem Soleimani am 2. Jänner 2020 durch einen US-Angriff in Bagdad droht die oberste Führung in Teheran den USA mit Vergeltung. Iraner_innen, die ihrer eigenen Regierung durchaus kritisch gegenüberstehen, kritisieren zugleich die USA und ihre Politik. Zu öffentlichen Protesten kommt es, als die iranische Führung den unbeabsichtigten Abschuss einer ukrainischen Passagiermaschine über Teheran zugibt, durch den 176 Menschen, darunter viele Iraner_innen, ums Leben kamen. Über diese Demonstrationen berichten ‚westliche‘ Medien in den Hauptnachrichten. Donald Trump setzt Tweets ab, die weniger zur Beruhigung der Lage führen als eskalierend wirken und die den Protestierenden eher schaden. Auch darüber berichten Medien weltweit. Das Thema „Frauen und Fußball im Iran“ ist zu Beginn des neuen Jahres massenmedial nicht präsent. Für die iranischen Aktivist_innen geht der Kampf aber weiter. Sie sehen sich als Teil einer größeren Bewegung, die sich für die Freiheitsrechte weltweit einsetzt und zugleich auf Änderungen im Iran drängt.
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Thiele, Martina, Dr., Professorin für Medienwissenschaft, Schwerpunkt Digitalisierung und gesellschaftliche Verantwortung, an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Bis 2020 lehrte und forschte sie an der Universität Salzburg, wo sie u. a. Mitinitiatorin und Leiterin der Doctorate School geschlecht_transkulturell war.
Mehr „Gender“ statt weniger! Ein Plädoyer für die verstärkte Auseinandersetzung mit der Kategorie „Gender“ in der Theologie Angelika Walser 1 Einführung: Gender trouble in der katholischen Kirche Die letzten fünf Jahre sind für die deutschsprachige theologische Geschlechterforschung einigermaßen turbulent verlaufen: „ Gender-Kritikerinnen“ wie die beiden deutschen Publizistinnen Gabriele Kuby und Birgit Kelle erreichten mit ihren Büchern und Medienauftritten ein Massenpublikum. Ihre Kritik wurde seitens reaktionärer katholischer Medien nur allzu gerne aufgegriffen. Die Buchtitel der genannten Autorinnen (Kuby 2014; Kelle 2015) bringen schnell zur Sprache, worum es bei dieser Kritik im Kern geht: „Genderismus“, so der Vorwurf, sei eine neue Ideologie, welche im Namen einer schrankenlosen Wahlfreiheit der eigenen Geschlechtsidentität und sexuellen Orientierung die Grundlagen der „natürlichen Familie“ und damit der Gesellschaft insgesamt zerstöre. Das folgende Zitat soll den typischen inhaltlichen und sprachlichen Duktus des sog. „Anti-Genderimus“ (Hark und Villa 2015, S. 7) illustrieren, der einen Großteil der Publikationen dominiert: Pauschale Unterstellungen, nicht nachgewiesene Behauptungen und Zitate sowie Suggestivfragen und Polemik: „Alles nur Konstruktion! Geschlecht ist heute wählbar, veränderbar. Der moderne Mensch bestimmt es selbst. Free your mind! Sprengen Sie die biologischen Fesseln und öffnen Sie sich der Auswahl von drei, 20, 60 oder gar 4000 Geschlechtsvarianten, die heute schon zur Verfügung stehen. Ist das nicht
A. Walser (*) Universität Salzburg, Salzburg, Österreich E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Hausbacher et al. (Hrsg.), geschlecht_transkulturell, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30263-4_4
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h errlich, diese Freiheit, diese Auswahl? Soviel Auswahl haben Sie nicht einmal an der Wursttheke im Supermarkt Ihres Vertrauens.“ (Kelle 2015, S. 10). Ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis dieser und anderer Publikationen des Anti-Genderismus verdeutlicht, was den Leser oder die Leserin erwartet: Eine Pauschalabrechnung mit allem, was die Grundlagen des menschlichen Zusammenlebens im 21. Jahrhundert angeblich gefährdet: Der Feminismus, die Menschenrechte und die Vereinten Nationen, die Europäische Union, Pornographie, Homosexualität, Abtreibung, Eugenik, Sexualerziehung in Schule und Kindergarten … (Kuby 2016, Inhaltsverzeichnis). Fehlende Seriosität in der Bearbeitung höchst unterschiedlicher Konfliktfelder, mangelnde Struktur und Systematik sowie die pathetische Behauptung, das christliche Abendland vor dem Zugriff satanischer Mächte retten zu müssen, machen einen Gutteil des Erfolgs solcher Publikationen aus. Sie schmücken sich ausdrücklich damit, „nicht-wissenschaftlich“ zu argumentieren und verweigern bewusst die Auseinandersetzung mit akademischen Diskursen: „Denn wohin mit all den Lehrstühlen, Gleichstellungsbeauftragten und Instituten, wenn es gar kein Problem zwischen den Geschlechtern mehr gibt? […] Bei Erfolg droht Arbeitslosigkeit. Also muss es immer neue Probleme geben, im Zweifel muss man sie an den Haaren herbeiziehen oder, um im Gender-Jargon zu bleiben, dann muss man sie eben ‚konstruieren‘. Hauptsache, die Kohle fließt weiter.“ (Kelle 2015, S. 9). Warum solche unseriösen und teilweise bösartigen Unterstellungen überhaupt so viel Gehör finden, wäre eine eigene Untersuchung wert, doch ist dies nicht Gegenstand theologischen Nachdenkens, sondern fällt eher in den Bereich der Kommunikations- und Politikwissenschaften. Dass Publikationen dieser Art jedoch dankbar von reaktionär katholischen Medien aufgegriffen wurden und ihre Spuren in Form von Flyern an das Kirchenvolk in Kirchenbänken (Kirche in Not 2018) und in Stellungnahmen von osteuropäischen Bischofskonferenzen hinterlassen (Kathpress 2018; Marschütz 2014, S. 457–459; Anic 2015, S. 157–161)1,
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Kroatische Bischofskonferenz hat im April 2018 erneut die sog. Istanbul Convention, eine Konvention des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, offiziell abgelehnt. Die Begründung: Der Text enthalte „Gender-Ideologie“. Die Bischöfe Kroatiens setzen damit wie auch andere osteuropäische Bischofskonferenzen ihren Pakt mit diversen nationalistischen Bewegungen innerhalb Europas fort. Gemeinsam mit den Bischofskonferenzen Norditaliens und Ungarn warnen sie die katholischen Gläubigen vor Gender. Die Herder-Korrespondenz, ein führendes Meinungsbildungsorgan in der katholisch-theologischen Welt, widmete der Debatte mehrere Ausgaben.
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ist allerdings sehr wohl theologisch bzw. innerkirchlich gesehen beunruhigend und wieder einmal ein deutlicher Hinweis, wie wenig bis gar nicht eine sachlich-differenzierte theologische Auseinandersetzung mit einer ihr weder wesensfremden noch neuen Wahrnehmungs- und Analysekategorie in der kirchlichen Öffentlichkeit aufgenommen wird. Jedenfalls sah sich auch die Deutsche Bischofskonferenz nach der Ablehnung der „Gender-Ideologie“ durch Papst Franziskus in seinem nachsynodalen apostolischen Schreiben Amoris Laetitia (AL) im Jahr 2016 in Kap. 56 gezwungen, verunsicherte Gläubige zu beruhigen. Sie tat dies ebenfalls mit einem Flyer (Keul und Ruffing 2015), der auf die Notwendigkeit „geschlechtersensiblen Handelns“ hinweist und mit dem Verweis auf die christliche Überzeugung von der Gottebenbildlichkeit jedes Menschen jegliche Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder Lebensform zurückweist. Mit dem abschließenden Leitsatz: „Differenzen wahrnehmen, aber nicht darauf festlegen“ wird das Bemühen deutlich, naiven und simplifizierenden biologistischen oder essentialistischen Vorstellungen von Geschlecht entgegenzutreten und die grundsätzliche Unterscheidung von sozialem und biologischem Geschlecht auch in kirchlichem Kontext anzuerkennen. Tatsächlich spricht auch Papst Franziskus im schon erwähnten Dokument Amoris Laetitia davon, dass „das Männliche und das Weibliche nicht etwas starr Umgrenztes“ seien (AL 286), eine Feststellung, die angesichts seiner Warnung vor der sog. „Gender-Ideologie“ etliche Kapitel vorher verblüffen mag. Dass das innerkirchliche Ringen um die Auseinandersetzung mit der Genderfrage weiter geht, davon zeugt ein weiteres aktuelles Schreiben der Bildungskongregation aus dem Jahr 2019, mit dem Titel Male and Female he created them (Congregation for Catholic Education for Educational Institutions 2019). Hier wird in einem Dokument, das laut Untertitel dem Dialog dienen soll, der Gendertheorie pauschal und gleich zu Beginn unterstellt, die Geschlechterdifferenz und damit die anthropologische Basis einer „natürlichen Familienordnung“ zerstören zu wollen. Im Folgenden werden dann ohne genaue Referenzen, auf welche Werke sich die Kritik eigentlich jeweils bezieht, und in teilweise unklarer Terminologie Behauptungen in den Raum gestellt, die hinter der wissenschaftlichen Diskussion zurückbleiben. In diesem Rahmen kann keine genaue Analyse der einzelnen Passagen erfolgen, doch bleibt festzuhalten, dass das jüngste vatikanische Dokument leider die eingangs beschriebene unseriöse Auseinandersetzung mit Gender fortführt und kaum zu einem echten Dialog beiträgt. Die Diskussion über die Genderfrage wird damit allerdings so wenig beendet sein wie die von dem jüngsten Dokument wohlweislich verschwiegene und teilweise auch von Bischöfen erhobene Forderung nach einer Neubewertung
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von Homosexualität (Overbeck 2019, S. 6). Auch innerkirchlich gibt es also sehr unterschiedliche Positionen und Meinungen. Wie ist es nun um den aktuellen Stand der Kategorie Gender in der Theologie bestellt?
2 Zum aktuellen Stand der Kategorie „Gender“ in der Theologie bzw. in der theologischen Ethik Die Kategorie „Gender“ als Bezeichnung für das soziale Geschlecht im Unterschied zu „Sex“ als Bezeichnung für das biologische Geschlecht beschäftigt die Theologie, und hier insbesondere die theologische Anthropologie (Schneider 1989), seit ca. 40 bis 50 Jahren. Simone de Beauvoirs berühmtes Diktum „Man kommt nicht als Frau zur Welt. Man wird es“ (de Beauvoir 1991, S. 265) hat sowohl feministische Theologie als auch die theologische Geschlechterforschung beeinflusst (Ladner 2014, S. 210–219). Beide koexistieren heute an katholischen und evangelischen Fakultäten und teilen trotz mancher Differenzen in ihrem Selbstverständnis dasselbe Schicksal. Feminismus hat grundsätzlich das ethisch begründete Anliegen, wissenschaftliche bzw. kirchlich-gesellschaftliche Verhältnisse zu verändern, während Gender Studies dieses Anliegen nicht unbedingt verfolgen: Sie haben bis vor kurzem eher ein „Randdasein“ gefristet, so dass ihre hoch differenzierten Debatten den Mainstream der Theologiestudierenden (damit auch das Gros der heutigen katholischen Führungselite) der letzten Jahrzehnte kaum bis gar nicht erreicht haben. So ist sowohl das feministische Gleichheitsparadigma als auch das Paradigma der sexuellen Differenz (beispielsweise in den Ansätzen von Luce Irigaray oder der italienischen Philosophinnengruppe Diotima) an den meisten Theologen und Theologinnen spurlos vorbeigegangen. Dasselbe gilt für die kritische Männerforschung, die allerdings zumindest an deutschsprachigen Universitäten tatsächlich kaum gelehrt wird. Erst der „transformative (Post-)Feminismus“ mit seinen dekonstruktivistischen Ansätzen, hier vor allem der Ansatz von Judith Butler und ihr Anspruch des „Undoing Gender“ (Butler 1991), haben in Theologie und Kirche ein breites Echo ausgelöst, nicht zuletzt auch aufgrund des Missverständnisses von „Dekonstruktion“ als einer „Theorie der Zerstörung“ eines schöpfungstheologisch vorgegebenen und ontologisch begründeten Verhältnisses der Geschlechter, wie es pointiert das Dokument der Kongregation für die Glaubenslehre „Über die Zusammenarbeit von Mann und Frau in der Kirche und in der Welt“ aus dem Jahr 2004 fixiert hatte und in dem sich Aussagen finden wie: „Mann und Frau sind von Beginn der Schöpfung an unterschieden und bleiben es in alle Ewigkeit (Nr. 12)“ (Kongregation für die Glaubenslehre 2004). Dass solche Sätze die theologische
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Diskussion nicht beenden können, sondern im Gegenteil aufgrund ihres verkürzten Verständnisses und einer metaphysischen Überhöhung von Geschlecht unter Absehung geschichtlicher Realität innertheologisch verstärkt zu Debatten führen müssen, versteht sich von selbst. Seit ca. zehn Jahren ist Gender als Analyse- und Wahrnehmungskategorie daher nun endgültig vom Rand in den Mittelpunkt theologischen Nachdenkens gerückt, hier insbesondere in der theologischen Ethik, die in ihrer Suche nach dem Glücken des menschlichen Lebens vor dem Hintergrund der christlichen Offenbarung wie keine andere theologische Disziplin eine Brückenfunktion ad intra und ad extra hat. Hatte Bernhard Fraling bereits 1995 in seinem Standardwerk über Sexualethik neben den naturalen Rahmenbedingungen von Sexualität ihre kulturell-gesellschaftliche Bestimmung und die kulturell bedingte Pluriformität ihrer Gestaltungsmöglichkeiten betont (Fraling 1995, S. 37–45), so versucht die breitenwirksame und viel rezipierte Sexual- und Beziehungsethik von Martin Lintner (2012), einem misogynen und homophoben Strang katholischer Tradition das Wort der Heiligen Schrift sowie die leib- und sexualfreundlicheren Strömungen christlicher Mystik entgegenzusetzen (Lintner 2012). Stephan Goertz läutet 2015 mit seinem interdisziplinären Sammelband (Goertz (Hrsg.) 2015) dann den endgültigen Versuch einer katholischen Neubewertung von Homosexualität ein. Die dezidierte Auseinandersetzung mit der Kategorie Gender als einem konstruktiven oder konstitutiven Element theologischer Ethik (Ebner und Schmidt 2017, S. 239–259) erfolgt schließlich durch theologische Ethikerinnen, nämlich u. a. durch Christa Schnabl und Marianne Heimbach-Steins seitens der Sozialethik bzw. seitens der Moraltheologie durch Margaret Farley und Regina Ammicht-Quinn (Schnabl 2005; Heimbach-Steins 2009; Farley 2014; Ammicht-Quinn 32004, 2013). Die Herder Korrespondenz, eine der führenden Zeitschriften für aktuelle Strömungen in der Theologie, geht in einer Spezialausgabe von 2016 dem Verhältnis der Kirche zu den Frauen nach (Wendel 2016, S. 38–41); das neu gegründete Jahrbuch für Moraltheologie widmet sich in seiner ersten Ausgabe dem Thema und buchstabiert Gender als eine Herausforderung für die theologische Ethik durch (Klöcker et al. 2017). Zusammenfassend lässt sich sagen: Gender Studies entfalten in der Theologie und hier insbesondere in der theologischen Ethik bereits seit langem ihr transformatorisches Potential, um den Titel einer Veröffentlichung positiv aufzugreifen (Gmainer-Pranzl 2014), wobei die hier genannten Publikationen nur eine kleine Auswahl sind und keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit stellen. Was sind denn nun die hauptsächlichen Herausforderungen, vor denen die theologische Ethik steht, wenn sie Gender als Wahrnehmungs- und Analysekategorie ernst nimmt und sie bei ihrer eigenen Arbeit ins Spiel bringt?
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2.1 Erkenntnistheoretische Herausforderungen Die Einbeziehung der Kategorie Gender führt zunächst einmal ganz allgemein zu einer verstärkten Wahrnehmung, Analyse und eventuell auch Kritik sozialer Realität und damit u. a. auch zu einer immer stärken Einbeziehung empirischer Erkenntnisse in theologisch-ethisches Denken aus Sozial-, Natur- und Humanwissenschaften. So hat sich in jüngster Zeit beispielsweise herausgestellt, dass sexualmedizinische Grundlagenforschung gute Argumente dafür liefert, homosexuelle Orientierung als höchstwahrscheinlich genetisch-biologisch prädisponierte Normvariante sexueller Beziehungsfähigkeit zu betrachten (Bosinski 2015, S. 91–130), die schlichtweg als Ausdruck der Vielfalt von Schöpfung gedeutet werden kann und keineswegs als Verirrung der Natur oder dergleichen (Rosenberger 2016, S. 316–323). Ähnliches gilt für das Phänomen der Intersexualität, das in der Natur in seinen verschiedenen Ausprägungen wohl weit häufiger vorkommt als dies bisher angenommen wurde, so dass die Diskussion, ob es sich hier um eine Störung (DSD = disorders of sex development) oder einfach um eine Variante (DSD = differences of sex development) handelt, auch in Medizin, Genetik und Neurowissenschaften aktuell durchaus kontrovers geführt wird. Solange solche Diskussionen aber noch offen sind, steht es theologischer Ethik nicht zu, dem Ausgang der Diskussion vorzugreifen. Von einer moralischen Verurteilung der Betroffenen hat sie ohnehin Abstand zu nehmen. Im Gegenteil ist es im Hinblick auf Jesu Umgang mit Menschen ihr ureigenster Auftrag, dafür zu sorgen, dass alle Menschen ungeachtet ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität weder in Gesellschaft noch Kirche diskriminierende Vorurteile erfahren. Die Einbeziehung der Kategorie Gender in theologisches Denken führt also tatsächlich zu einer Art heilsamen Verunsicherung und zwar insofern sie dazu zwingt, neben Schrift und Tradition auch das Sachwissen anderer Disziplinen mit ihren verschiedenen Methoden gründlich zu studieren und in ihr Gesamturteil zu integrieren. In jedem Fall zwingt die Einsicht, dass geschlechtliche Orientierung und Geschlechtsidentität stets soziokulturell vermittelt ist, angesichts der offensichtlichen Fehlurteile in der katholischen Tradition und der darauf gründenden Exklusion betroffener Personen zu Bescheidenheit und Selbstkritik bzw. zu Recht nach einem Ruf zur Neuausrichtung katholischer Sexual- und Beziehungsethik insgesamt, u. a. zur kritischen Überprüfung ihres traditionellen zentralen Normsatzes, der jegliche gelebte Sexualität außerhalb der Ehe undifferenziert als Sünde und in den meisten Fällen sogar als schwere Sünde bezeichnet (Katechismus der Katholischen Kirche 2005, Nr. 2390). Dies gilt besonders dort, wo die normative Ordnung der Kirche jahrhundertelang
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und – global gesehen bis heute – teilweise schmerzhafte oder sogar lebensbedrohliche Konsequenzen für betroffene Personen hatte und hat. Insgesamt kann man sagen, dass die Kategorie Gender die mit dem Zweiten Vatikanum bereits begonnene Neuausrichtung theologischer Ethik weg von einer verkürzten Naturrechtslehre hin zu einer personalen Denkform stärkt, weil sie nicht mehr allein aktzentriert ist, d. h. in der Sexualethik sexuelle Handlungen aus ihrem Zusammenhang löst, sondern vom Menschen in seiner Personalität ausgeht und seine Leiblichkeit ernst nimmt. Mit ihrer zwei Jahrtausende langen moralisch-ethischen Tradition rückt auch die Institution Kirche selbst in den Mittelpunkt der kritischen Analyse, wenn Gender nämlich nach den Partizipations- und Handlungsmöglichkeiten von beiden Geschlechtern in sozialen Institutionen fragt und strukturell bedingte soziale Ungerechtigkeiten beim Namen nennt. Angesichts gesellschaftlicher Forderungen nach Geschlechtergerechtigkeit gerät die Begründung für einen Ausschluss von Frauen vom Priesteramt qua Geschlecht in der katholischen Kirche immer stärker unter Druck. Die Diskussion wird sich durch Machtworte von oben kaum mehr beenden lassen (Hilpert 2017, S. 28). Die Kategorie Gender enthält also beträchtliches machtkritisches Potential, indem sie deutlich macht, dass Geschlecht keine hundertprozentig von der Natur klar determinierte Fixierung auf diese oder jene soziale Rolle bedeutet, sondern immer auch Ergebnis von kultureller Deutung ist. Der Spielraum der Freiheit für die Ordnung des Geschlechterverhältnisses, die unter dem Vorzeichen gelingenden Lebens steht, ist somit ein beträchtlicher. Neuere vatikanische Bestrebungen, eine „Theologie der Frau“ (im Singular) zu entwerfen (Religion. ORF.at/KAP 2014), müssen sich die Frage gefallen lassen, ob sie nicht einem Anachronismus unterliegen und die Geschlechterfrage isoliert und unter Absehung von Männlichkeit stellen, um erneut längst fälligen institutionellen Strukturreformen zu entgehen. Auf dem Prüfstand steht neben der sozialen Realität der Institution Kirche im Kern die Konstitution ihrer tradierten Geschlechterordnung, die von einem metaphysisch festgelegten Männlichkeits- bzw. Weiblichkeitskonzept ausgeht und mit seiner Hilfe die ungleiche institutionelle Machtverteilung innerhalb der Kirche stabilisiert, um nicht zu sagen festzementiert: Das sog. Komplementärmodell, das zunächst einmal historisch gesehen als Fortschritt im Vergleich zum sog. Subordinationsmodell, das bis zum Zweiten Vatikanum vorherrschte, gelten darf und von einem klaren Bekenntnis zur Würde der Frau inspiriert ist, wie sie beispielsweise die Enzyklika „Pacem in terris“ (1963) oder auch die Pastoralkonstitution „Gaudium et Spes“ (1965) vertreten (Johannes PP. XXIII. 1963,
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Pacem in terris 22; Paul VI. 1965, GS 29), ist in Diskussion geraten. Es geht davon aus, dass Männliches und Weibliches von ihrem Sein her g rundverschieden sind: „Die gleiche Würde der Personen verwirklicht sich als physische, psychologische und ontologische Komplementarität, die eine auf Beziehung angelegte harmonische ‚Einheit in der Zweiheit‘ schafft.“ (Kongregation für die Glaubenslehre 2004) Mann und Frau müssen wesensmäßig also verschieden sein, damit sie einander ergänzen können. „Gleiche Würde, aber verschiedene, zur Ergänzung bestimmte Wesen – auf diese Kurzformel lässt sich die katholische Lehre und Moral des Verhältnisses von Mann und Frau in Ehe und Familie bringen.“ (Goertz 2014, S. 228) Gesichert wird das Komplementaritätsmodell insbesondere durch das Festhalten an einem „Wesen der Frau“, während das „Wesen des Mannes“ in lehramtlichen Texten kaum bestimmt wird bzw. sogar als Negativfolie erscheint (Goertz 2014, S. 234). Insbesondere Papst Johannes Paul II. hat in seinem Pontifikat von 1978–2005 mit seinen Predigten und Botschaften, beispielsweise mit dem Apostolischen Schreiben Mulieris Dignitatem (1988), bis heute Einfluss auf die Weltkirche. Sein Weiblichkeits- oder besser gesagt Mütterlichkeitskonzept wirkt in der katholischen Kirche weltweit und kulturübergreifend bis heute als hochgelobtes Ideal und Vorbild nach: Frauen sollen sich um eine Kultur des Lebens sorgen, sich für ihre Kinder aufopfern, fürsorgliche Pflegerinnen von Kranken und Alten, Friedensstifterinnen und überhaupt der bessere Teil der Menschheit sein. Theologen und Theologinnen machen zu Recht seit Jahrzehnten darauf aufmerksam, dass hier nicht nur ein völlig überhöhtes Weiblichkeitsideal ohne jeden Bezug zur Wirklichkeit vertreten wird, sondern auch Männlichkeit unweigerlich als negatives Kontrastprogramm erscheinen muss. Keinem der beiden Geschlechter wird in der Realität ihres Lebens eine solch metaphysische Überhöhung bzw. Ignoranz und Abwertung gerecht – abgesehen von der ausschließlichen Binarität des Systems, das jedem, der sich hier mit seiner/ ihrer Geschlechtsidentität nicht zugehörig fühlt, kaum behebbare Defizite unterstellt: „Nur Dank der Dualität von ‚männlich‘ und ‚weiblich‘ verwirklicht sich das ‚Menschliche‘ voll“ (Johannes Paul II. 1995, Nr. 7), schreibt Johannes Paul II. in seinem Brief an die Frauen. Bei der Bestimmung, was nun „weiblich“ ist – wie gesagt: Männlichkeit ist bislang unterbelichtet geblieben, so dass das Nachdenken des derzeitigen Papstes über Maskulinität bzw. Väterlichkeit in „Amoris Laetitia“ (Franziskus 2016, Nr. 55 u. 286) bereits als Fortschritt zu bewerten ist – greifen alle Päpste bis heute vor allem auf die biologische Fähigkeit der Frau zur Mutterschaft zurück. Genau hier aber kommt es – darauf macht seit vielen Jahren die Philosophie zu Recht aufmerksam – zu einem naturalistischen Fehlschluss: Die
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Tatsache, dass die meisten Frauen theoretisch rein biologisch-körperlich in der Lage sind, Kinder zu empfangen und zu gebären, bedeutet weder, dass sie es in jedem Fall tun sollten oder müssten, um ihrer Natur zu entsprechen, noch lässt sich aus dieser ihrer biologischen Disposition ableiten, dass sie in ihrem gesamten Wesen ausschließlich zur Mutterschaft berufen sind, noch dass diese biologische Disposition bereits festlegen würde, wie in weltweit allen Kulturen aller Zeiten die Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern beim Aufziehen von Nachwuchs auszusehen hätte. „Es ist geltend zu machen, dass Normen grundsätzlich nicht unter Verweis auf natürliche Gegebenheiten begründet werden können (Nagl-Docekal 2015, S. 81).“ Kulturell und zeitlich geprägte Geschlechterrollen und das Verhältnis der Geschlechter zueinander können heute nicht mehr ausschließlich durch Rückgriff auf überzeitliche metaphysische Ordnungen jenseits von Kultur und Geschichte bestimmt werden. Nun muss aber auch nicht strikt konstruktivistisch argumentiert werden. Die Leiblichkeit des einzelnen Subjekts und damit die bleibende Verwiesenheit auf anatomisch-biologische Unterschiede zwischen allen Menschen bleibt für das theologisch-ethische Verständnis ein unabdingbares Existenzial menschlicher Personalität. Mir ist kein einziger Entwurf in der theologischen Ethik bekannt, der ohne den Bezug zu einer wie auch immer jeweils verstandenen bereits vorgegebenen Leiblichkeit bzw. Körperlichkeit des Menschen auskommt. Doch war den Vertreterinnen und Vertretern theologischer Ethik auch schon vor Judith Butler bekannt, dass es eine reine Natur ohne Kultur – einen Körper ohne Text – nicht gibt: „Natur und Kultur sind also kaum voneinander abzuheben, eher bilden sie ein Amalgam. Es gibt deshalb, so könnte man auch pathetisch formulieren, keinen Rückgriff auf einen natürlichen nackten Körper, der nicht schon durch ein soziales Gesetz kulturell bekleidet ist.“ (Breitsameter 2017, S. 77) Naturale Dispositionen, so individuell sie jeweils ausfallen und damit eine simple Binarität sprengen (Walser 2017a, S. 137–152), liefern für die (theologische) Ethik keine Begründung von Normen. Sie bilden aber weiterhin den vorgegebenen Rahmen für menschliches Handeln, das allen Menschen gleich welcher Geschlechtsidentität und gleich welcher sexuellen Orientierung zur Gestaltung eines geglückten Lebens in sinnstiftenden Beziehungen in Freiheit aufgegeben ist. Dass dies heute nicht mehr unter Berufung auf ein verkürztes Naturrechtsverständnis geschieht, sondern unter Berufung auf die Menschenrechte und damit auch der normativen Forderung der Geschlechtergerechtigkeit, die in der Menschenwürde gründet, liegt auf der Hand.
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2.2 Inhaltliche Herausforderungen: Wo Gender in der theologischen Ethik in Zukunft eine Rolle spielen wird Abschließend sollen einige inhaltliche Diskurse aufgezeigt werden, in denen die Kategorie Gender in der theologischen Ethik in Zukunft eine Rolle spielen wird: Zunächst sei darauf hingewiesen, dass Geschlecht und Geschlechterverhältnis selbstverständlich nach wie vor in Zukunft äußerst wichtige Orientierung für den alltäglichen Umgang darstellen, doch ist das Miteinander von Menschen nicht allein dadurch bestimmt: In meiner Auseinandersetzung mit Freundschaft als einer wichtigen sozialen Beziehung in allen Lebensformen – von (un-)freiwilliger Ehe- oder Partnerlosigkeit in einem Single-Dasein bis hin zur klassischen Ehe oder zu einem monastischen Leben – stellte sich deutlich heraus, dass Faktoren wie Zugehörigkeit zu einer bestimmten Schicht oder Ethnie oder auch zu einer bestimmten Altersgruppe für die Gestaltung von Freundschaften oft entscheidender sind als das biologische oder soziale Geschlecht (Walser 2017b). Intersektionalität ist daher ein Konzept, das differenzierter als bisher zeigen kann, wie Gender mit anderen sozialen Kategorien verschränkt ist und daraus Herrschaftsstrukturen und -praktiken entstehen und gefestigt werden (Degele 2008, S. 141 f.). Es dient der Wahrnehmung und Analyse der sozialen Realität besser als das simple, aber nach wie vor beliebte Ordnungsraster „Frauen versus Männer“. Den Schritt der Intersektionalität endgültig mitzugehen – soweit das bisher nicht bereits geschehen ist – könnte für die theologische Ethik inhaltlich sehr fruchtbar sein. Ein solcher Schritt zwingt allerdings unweigerlich zur Präzisierung und möglicherweise auch zu einem beschränkten Geltungsanspruch ethisch-moralischer Aussagen in einem bestimmten Kontext. Gleichzeitig stellt dies theologische Ethik bezüglich normativer Aussagen, die einen objektiven Wahrheitsanspruch für alle erheben, vor ein nicht unerhebliches Hindernis. Ob die Einbeziehung von Intersektionalität für normative Ethik in Partikularismus endet oder im Gegenteil die universale Geltung der Menschenrechte sogar befördern hilft, ohne dass diese allerdings zu neokolonialisierungspolitischen Zwecken missbraucht werden (Dhawan 2014, S. 19), wird in den nächsten Jahren noch diskutiert werden müssen. Der universal formulierte Anspruch der Geschlechtergerechtigkeit im Sinne von gleichen Partizipations- und Selbstbestimmungsmöglichkeiten für alle wird bei seiner Umsetzung in den einzelnen Kontexten und Kulturen von den betroffenen Akteuren oder Akteurinnen selbst unterschiedlich durchbuchstabiert und verhandelt. An Geschlechtergerechtigkeit als transkultureller normativer Leitforderung führt aber sowohl im säkularen als auch im religiösen Bereich im 21. Jahrhundert kein Weg vorbei. Eine solche
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Feststellung wird verstärkt in einer interreligiösen/interkulturellen Ethik diskutiert werden müssen, die derzeit bis auf wenige Ausnahmen noch relativ wenig betrieben wird. Theologische Ethik ist bei dieser Diskussion auf interkulturelle Theologie2 und Religionswissenschaft gleichermaßen angewiesen. Wie mir scheint, arbeitet interreligiöse/interkulturelle Ethik hier bislang mit dem Konzept der Interkulturalität, das davon ausgeht, dass zwei oder mehr aufeinandertreffende religiöse Traditionen sich wechselseitig beeinflussen bzw. einander immer schon in ihrer geschichtlichen Entstehung wechselseitig beeinflusst haben. Transkulturalität als Konzept einer Vermischung von Elementen verschiedener Kulturen und Religionen, verbunden mit der Konstitution hybrider Identitäten (Welsch 2017), spielt dagegen in einer theologischen Ethik noch kaum eine Rolle, obgleich dies in einer Globalkultur eigentlich naheliegend sein müsste. Möglicherweise sind es identitätspolitisch motivierte Abgrenzungsinteressen und das in vielen Teilen der Welt vorherrschende Konkurrenzverhältnis der Religionen, die das Transkulturalitätskonzept mit seinem offenen und dynamischen Kulturbegriff für die Ethik weniger geeignet erscheinen lassen als das interkulturelle Konzept, welches den Prozess der Begegnung, des Austauschs und der Kommunikation für die ethische Auseinandersetzung in den Mittelpunkt stellt, und zwar ohne dass die klare Zugehörigkeit des Individuums zu einer bestimmten religiösen Tradition als gefährdet erscheint. Bezogen auf ungleiche Macht- und Genderverhältnisse in den einzelnen Religionen ergeben sich im Vergleich immer wieder erstaunliche Gemeinsamkeiten. So dienen in allen großen religiösen Traditionen dieser Welt Essentialismen (wie oben für den Katholizismus beschrieben) als wesentlicher Faktor zur Aufrechterhaltung einer patriarchalen Geschlechterordnung. Gleichzeitig finden sich jedoch in vielen religiösen Traditionen Ressourcen für die Feststellung einer grundsätzlichen Gleichheit zwischen den Geschlechtern in Bezug auf eine transzendente Größe, wie sie beispielsweise im Judentum und Christentum durch den Gedanken der Gottebenbildlichkeit aller Menschen begründet wird und in ihrem säkularen Pendant der Menschenwürde bis heute auch geschlechterpolitische Sprengkraft entfaltet, nicht zuletzt im Hinblick auf
2Interkulturelle
Theologie ist die Bezeichnung für ein neues Universitätsfach, das theologische Reflexion unter den Bedingungen von kultureller Diversität und religiöser Pluralität und in der Dynamik von Kulturen, Religionen und Identitäten betreibt. Es ist zwischen Religionswissenschaft und Missionswissenschaften angesiedelt und ist ein Charakteristikum der Arbeit der theologischen Fakultät der Universität Salzburg.
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Forderungen nach Geschlechtergerechtigkeit an die religiösen Traditionen selbst (Heller 2014). Im Zusammenhang mit Geschlechtergerechtigkeit wird auch das Thema „Gewalt gegen Frauen und Kinder“ immer stärker auf die Agenda einer interkulturellen/ interreligiösen Ethik rücken. Es war und ist nach wie vor ein klassisches Thema des Feminismus und berührt die Frage nach den globalen Frauenrechten und damit die Frage nach der Autonomie von Frauen in allen Kulturen und Religionen dieser Welt. Allein schon in der katholisch-theologischen Ethik ist Autonomie aber grundsätzlich und ganz besonders im Hinblick auf Frauen ein Reizthema, geht es hier doch um beziehungs- und lebensethische Fragen, in denen das Lehramt der katholischen Kirche sehr klare Vorstellungen von dem hat, was gerade Frauen (nicht) zu tun haben: Die Entscheidung für die Lebensform einer lesbischen Partnerschaft oder für ein Leben als Single ohne Kinder wird amtskirchlicherseits im Vergleich zu Ehe und Mutterschaft nicht begrüßt, ja vielfach ist sie nach wie vor mit Sanktionen moralischer oder beruflicher Art belegt. Autonomie im Sinne einer positiv bestimmten „Freiheit zu“ ist generell nach wie vor eine umstrittene Kategorie in der katholischen Kirche (Striet 2018) und steht stets unter dem Generalverdacht des Relativismus und Libertinismus. Freiheit als „die Fähigkeit, eine autonome Person zu sein, d. h. autonom die Art und Form des Lebens, welches man führen will, zu bestimmen, sofern dies mit der gleichen Freiheit von anderen verträglich ist“ (Pauer-Studer 2000, S. 15) in Bezug auf Frauen ist erst recht nicht wirklich willkommen, weil hier global klerikale Macht und patriarchale Autorität in besonderen Maße auf dem Spiel stehen. Die Selbstbestimmung über den eigenen Körper in Bezug auf gelebte Sexualität sowie in Bezug auf bioethische Debatten um diverse reproduktionsmedizinische Technologien wie In-Vitro-Fertilisation, Gametenspende, Leihmutterschaft bzw. Pränataldiagnostik und Schwangerschaftsabbruch sind daher vielerorts noch stark tabuisierte theologisch-ethische Themen der Zukunft. Sie betreffen jedoch nicht nur Frauen, sondern indirekt oder direkt das Geschlechterverhältnis insgesamt. Eines ist sicher: Die global agierende Institution katholische Kirche, deren moralisch-ethische Vorstellungen dem europäischen Kulturkreis entstammen, und die mit ihr verbundenen Ortstheologien mit ihren kulturellen Eigenheiten werden ein spannungsgeladener Schauplatz der Debatten um Geschlechtergerechtigkeit und um die Autonomie insbesondere von Frauen bleiben. Die verstärkte Auseinandersetzung mit der Kategorie Gender sowie mit Intersektionalität kann hier zu einer größeren Akzeptanz personaler Denkformate bzw. zu einer wachsenden Akzeptanz von Pluralisierung und Diversität und damit zu einer wesentlich offeneren Diskussionskultur in der katholisch-theologischen Ethik beitragen, und das ist gut so.
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Walser, Angelika, Dr., Professorin für Moraltheologie und Spirituelle Theologie am Fachbereich Praktische Theologie an der Universität Salzburg. Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Bioethik, Beziehungsethik, feministische Theologie/Philosophie, Gender Studies, Dialog ‘Theologie – Literatur’.
Aleksandra Kollontaj: International Perspectives Maddalena Elisabeth Comincini
1 Introduction The Bolshevik politician, writer and diplomat Aleksandra Michajlovna Kollontaj (1872–1952) was the first woman worldwide to be appointed as a minister as well as an ambassador. Her writings on the liberation of women from traditional conceptions of their role in the family and in society, as well as her political activity, played a crucial role in the development of the Bolsheviks’ first legal attempts to liberate female citizens from domestic and societal oppression. In addition, through the female protagonists of her literary writings and her personal life as an autonomous, emancipated and free woman, she became a role model for her female contemporaries. The Soviet ruling class’s progressive ideas of transforming the patriarchal social system in the late 1920s weakened and collapsed with the consequent rise of totalitarianism and the social conservatism of Josif Stalin (1878–1953). In this context, the relevance of Kollontaj in relation to women’s emancipation fell into a phase of torpidity. The influence of Kollontaj, however, did not find an end with Stalin’s conservative backlash with regard to the foundations of the family and the related role of women. In fact, starting in the late 1960s, interest in Kollontaj’s writings and biography reappeared and grew in the Soviet Union as well as in the Western world. A great amount of Kollontaj’s work began to be translated into different European languages and actors of second-wave women’s movements were able to read and discuss Kollontaj’s theories and ideas. Hence, in my opinion, it is
M. E. Comincini (*) University of Salzburg, Salzburg, Austria E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Hausbacher et al. (Hrsg.), geschlecht_transkulturell, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30263-4_5
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possible to assume that Kollontaj’s oeuvre became a political and intellectual anchor for various second-wave women’s movements. I will try to give credit to this assumption later in this paper presenting some data and information about the publications of, on and about Kollontaj in selected European countries.
2 Biographical Note Born in St. Petersburg in 1872 as Aleksandra Domontovič, Aleksandra Kollontaj autonomously and against the will of her family chose to marry the engineer Vladimir Kollontaj and bore their son Michail in 1894. Her visit to the Krengolm textile factory and her subsequent awareness of the horrendous working conditions of the proletariat marked the beginning of her active interest in Marxist materialism and determined her political and personal fate. Feeling trapped by the chains of the life of a married woman, Kollontaj left her husband in 1898 and moved to Zürich, Switzerland, to study economics. One year later, she returned to Russia and became a member of the illegal Russian Social Democratic Party. Due to her illegal political activism, she left Russia in 1908 and started living in exile in Germany, where she had the chance to deepen her relationship with fellow influential female socialist politicians Rosa Luxemburg (1871–1919) and Clara Zetkin (1857–1933). In 1909, she became a member of the German Social Democratic Party and, together with Zetkin, she participated in the campaign for women’s suffrage in London. In the beginning of 1911, she lectured in Finland and Bologna, and moved to Paris in spring. In 1914, Kollontaj left Germany due to her opposition to the German Socialists’ support of the war. This anti-war position led her to join the Bolshevik group in 1915. After leaving Germany, she sojourned in Scandinavia, where she remained until 1917. After the abdication of the Czar, the outbreak of the Russian Revolution and the formation of the Provisional Government in 1917, she returned to Russia and became actively engaged on the side of the Bolsheviki. During the July Days she was arrested along with many other leading Bolsheviki, but was fully released by September. Immediately after the October Revolution, she was elected to the Central Committee and nominated as People’s Commissar for Social Welfare in the Soviet Government, becoming the first female minister in the world, but she soon resigned due to her hostility towards the peace of Brest-Litovsk. In 1919, Kollontaj was one of the founders of the Women’s Department of the Secretariat of the Central Committee (Ženotdel) and in the same year, she became one of the initiators of the Worker’s Opposition, a Bolshevik fraction aiming at the independence of the trade unions from the Party,
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fighting against bureaucratization and criticizing Vladimir Lenin’s (1870–1924) New Economic Policy (NEP), which they accused of favoring the peasant class to the detriment of the proletariat. In 1922, she was one of the signatories of the “Declaration of the 22” denouncing to the Comintern the oppressions experienced by the Worker’s Opposition. After the rejection of the motion, in October of the same year, her diplomatic career took off with her nomination as a Counselor of the Soviet delegation to Norway. In 1926, she was sent to Mexico as Minister Plenipotentiary and from 1927 until 1930, she served the same role, this time in Norway. Kollontaj reached the peak of her diplomatic work in 1930 when she was nominated Ambassador of the Soviet Union to Sweden, being the first woman in the world to hold such a position. In 1945, she moved back to Moscow and died in 1952, one year before Stalin.
3 National Relevance Kollontaj’s political and intellectual work has been of great importance from a national as well as from an international point of view. In order to describe her contribution to the development of the woman’s question in the context of the Russian state, I will present in greater detail some of her political and social achievements, especially in relation to the post-revolution phase. Kollontaj, and the Bolsheviki in general, adhered to the theory of orthodox economic Marxist determinism, according to which class struggle represented the dynamics of history. In this framework, different social classes could only stand in opposition to one another. If the Bolsheviki were devoted to the vanguard theory of the party, Kollontaj believed in the idealization of the worker, being convinced that “the untutored proletarian would instinctively work for the ideal of collectivism, because he unconsciously knew it was to his advantage” (Evans Clements 1973, p. 326). This understanding was also the base of her approach towards the woman’s question. In this sense, as stated by Brodsky Farnsworth, Kollontaj has been the central figure in the Russian socialist women’s movement of her time and the sole leading Bolshevik who dealt with the woman’s question on the basis of socialist theory (Brodsky Farnsworth 1976). Already in the framework of the aftermath of the first Russian Revolution in 1905, Kollontaj became aware of the Russian Social Democratic Party’s lack of interest in the women’s cause, although at that time a strong bourgeois women’s movement already existed in Russia. Kollontaj in fact opposed this type of feminism, since she was convinced of the necessity of social, economic and political change in a socialist sense as the founding conditions for the real
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emancipation of women. Hence, she actively started campaigning within her party for the inclusion of the women’s question as one of the relevant topics of the party’s program and in 1907, she founded the first Russian club for women workers. In this sense, Kollontaj’s approach may, in my opinion, be defined as proto-intersectional with regard to the women’s question: gender and class were, from her point of view, considered, interpreted, and dealt with as interconnected and equally relevant categories. It was especially in the early Soviet post-revolutionary years when the contributions of Kollontaj to the cause of female emancipation in Russia were the most relevant. As an active member of the Soviet Executive’s leadership from the beginning, she could concretely contribute to the post-revolutionary social changes from a political and legislative point of view. As a consequence of the 1917 revolutions, Russia became the first country in the world in which a legal base for equality for women and men had been developed. Only two months after the October Revolution, the decrees on the right on divorce and on the secularization of matrimony came into force. In October 1918, these provisions were systematized by the Soviet Central Executive Committee in the new Soviet Family Code, a revolutionary vision of social relations based on gender equality and the renewing of the family. Kollontaj’s role in the development of these legislations was central and many of her writings served as fundamental sources. As an example, her book Motherhood and Society, a comprehensive analysis of maternity welfare and legislation in Europe and Australia, served as a basis for the development of the Soviet social insurance legislation in late 1917. As mentioned before, the originality of Kollontaj’s thinking is linked with her belief that the liberation of women would not automatically be a consequence of the socialist revolution, since the latter was in fact only a condition for further revolutionary transformations in society. These transformations were to be based on the creation of new types of social relations, which could develop only through changes in the personalities of women and men. This path of transformation had to be supported by women’s organizations, which merged into the Ženotdel from 1919. Kollontaj’s theoretical approach towards the liberation of women was deeply rooted in the belief in the necessity of breaking the chains of the specific feminine duties related to family life, as well as the limitations linked to economic dependence and to the sexual restrictions experienced by women in their everyday lives. To describe these concrete ideas empirically, she introduced in her literary writings the figure of the novaja ženščina (“new woman”): an independent, autonomous and emancipated human being, fully
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capable of designing and organizing her own life. This rejection of prescribed gender-related preconceptions could, according to her ideas, find a tangible realization only upon the governmental introduction of institutions intended to takeover household and care work. In addition, it had also to be the State’s duty to initiate this education or, better, re-education of society for this future novyj byt (“new everyday life”). However, these were not the sole attributes Kollontaj ascribed to the novaja ženščina: specifically, this new woman was supposed to have a completely new approach to partnership relations as well as to her own body. Moreover, she criticized “romantic love” as the expression of the property ideals that were typical of bourgeois society. Therefore, it is possible to state that the characteristics Kollontaj conferred to the novaja ženščina were self-discipline, appreciation of her own freedom and independence, and attention to her own individuality. In addition, she asserted the right for sexual freedom for both genders and a new type of love, defined as “comrade love”. This new kind of love rejected the ideas of ownership and jealousy and was considered to be the base for the respect of each other’s personalities and for equality in the framework of the new Proletarian State’s society. These radically emancipatory concepts could not be spread officially, however, since the majority of her fellows—mostly male—Bolshevik leadership members considered Kollontaj’s ideas on sexuality and the private sphere in general to be deviations from real Marxism and unnecessary for the revolutionary cause. However, it is in my opinion possible to affirm that Kollontaj’s theorizations of the private sphere had also a potential influence on Soviet society. The impact of Kollontaj’s ideas was fundamental far beyond the national borders of her country. In fact, the agency of her activities and her oeuvre, as I will try to demonstrate in the next chapter, broadly reached the international context.
4 International Relevance The life journey of Kollontaj, as one may deduct from her biography, has been an example of embodied internationalism. However, the international dimension unfolded not only in her personal life, but also in her understanding of the socialist ideology and the women’s question: Kollontaj depicted this devotion to internationalism in her theoretical writings and performed it in her political actions. In addition, her international relevance may also be demonstrated by the great number of her works that have been published in foreign languages.
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4.1 International Political Activism Kollontaj’s international political activism demonstrates her understanding of socialism and female emancipation as international causes. Throughout her autobiography (Kollontaj 1926), especially in the chapter “The Years of Political Emigration”, she describes her work for the victory of internationalism in the numerous different countries in which she had been living. During her first political emigration, a decade before the outbreak of the First World War (1908–1914), Kollontaj worked as an agitator for the German Social Democratic Party, giving several speeches in Germany and abroad. This period was marked by intense travel to many European countries, such as France, Belgium, Sweden, England, Switzerland and Italy. Kollontaj’s participation in the International Conferences of Socialist Women also demonstrates her concrete devotion to the women’s question from an international perspective. The first conference, held in Stuttgart, Germany, in 1907, dealt with the coordination of the different international socialist movements in the struggle for women worker’s voting rights and the establishment of an international network between women’s organizations worldwide. Kollontaj took part as a delegate for Russia and was in charge of dealing with the social and political questions for the party press (Kollontaj 1926). The main topics of the 1910 Conference, held in Copenhagen, Denmark, were linked with the means for reaching female universal suffrage and with social security issues connected to motherhood. Kollontaj was appointed as an official delegate by the Textile Workers Union for this second conference and gave a speech on the means for maternity protection. In 1912, she was again nominated as a delegate to the extraordinary International Socialist Congress in Basel, Switzerland. After leaving Berlin in 1914, Kollontaj moved to Scandinavia and engaged in anti-war propaganda, giving speeches and organizing demonstrations. As Kollontaj states in her autobiography, it was her opposition to patriotic socialism and her devotion to internationalism that brought her to officially join the Bolshevik fraction in 1915. The same year, she travelled to the USA in order to give lectures in German, English and French in 81 American cities. The aim of these lectures was to spread the “Zimmerwald” internationalist spirit to the American socialist parties.1
1The
Zimmerwald Conference was held in Switzerland in 1915, with the aim of reorganizing the Socialist International against the backdrop of the First World War.
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With the outbreak of the February Revolution in 1917, Kollontaj returned to Russia and began her official Soviet institutional career. From 1918 until late 1922, her political and intellectual energies were more nationally oriented, since they were directed toward the construction of a socialist society in which women could live as emancipated and working citizens in their own country. Kollontaj’s diplomatic work in Norway (1922–1926 and 1927–1929), Mexico (1926–1927) and Sweden (1930–1945) was obviously linked to the official representation of the Soviet Union in the international community and is hence fundamental in relation to Kollontaj’s relevance in the international context.
4.2 Intellectual Work In her autobiography, Kollontaj affirms that the aim of her life was the complete devotion to the Russian revolutionary movement, but also to the workers’ movement in a global perspective. Thus, this focus on social justice and social revolution on an international scale may also be found in her own writings, either explicitly or through text analysis. Already in 1903, she published “The Life of the Finnish Workers”, a study of the lives and working conditions of the Finnish industrial proletariat. Although Finland was part of the Czarist Empire at that time, this text demonstrates Kollontaj’s interest in the destiny of the working class on an international scale. This interest can also be found with regard to the German case, for instance in her article “Why Was the German Proletariat Silent in the July Days?” (1915). Furthermore, Kollontaj’s internationalism also unfolds through her pacifistic and anti-war sentiments, which she developed for example in the essay “Who needs the war?” (1915). Kollontaj’s understanding of social justice from a global perspective undoubtedly unfolds in her writings on women’s liberation as well. In her article on the international “Women’s day”, published in Pravda in 1913, she pleads for the necessity of women organizing and demonstrating on one particular day as a means to raise “the self-consciousness of the woman worker” and to serve “the cause not of the division but of the unification of the working class” (Kollontaj 1984, pp. 64–65). Furthermore, as Polina Popova presents in her paper “Alexandra Kollontai’s Feminism: Transnational Dimension”, Kollontaj’s relevance can also be underscored through the analysis of primary sources, such as The Autobiography of A Sexually Emancipated Communist Woman (1926), the article “Make Way for the Winged Eros” (1923) and the essay “The New Woman” (1913). Kollontaj’s
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autobiography is a description of her work in an international environment during pre-revolutionary times and therefore a demonstration of her transnational relevance from the standpoint of political activism. “The New Woman” is an article presenting a detailed description of the characteristics of the novaja ženščina and is viewed by Popova as Kollontaj’s “manifesto of transnational feminism” (Popova 2013). “Make Way for the Winged Eros” represents a claim for the development of a new morality in a global context, since its theorizations on the ideal of affective relationships as a combination of platonic love and sexual attraction may be applied various geographical spaces. Making use of this perspective, it is also possible to broaden the relevance of Kollontaj’s literary writings towards an international public. These propagandistic and didactical works had as their protagonist and heroine the novaja ženščina, the concept of which, as was already mentioned, can be abstracted and subsequently applied to different international contexts.2 Another text relevant for this purpose is her article “What has the October Revolution done for Women in the West?”, published in the newspaper Ogonek in 1927. In this piece, Kollontaj affirms that the enormous increase in women’s participation in industrial and administrative work during the First World War in Europe and North America “undoubtedly served to advance considerably the cause of female emancipation” (Kollontaj quoted in Dažina 1984, p. 180). However, this emancipatory process only developed further because of the example of the Russian October Revolution, which confirmed the importance of women not only in the private sphere, but also in the social collective. As an aftermath, she asserts that the novaja ženščina could at the time be found all over the Western world. As I tried to demonstrate with this overview of primary sources, Kollontaj’s transnational relevance also unfolds through her own writings, which underline her understanding of the woman’s question and of socialism in general as embedded in a global and transnational perspective towards social justice.
2Kollontaj
also published two povesti (novellas) and five short stories. Skoro (“Early”) was published in Omsk in 1922, while the other texts appeared in Moscow in 1923 as collections. Ljubov’ pčel trudovych (“The Love of the Worker Bees”) contains the povest’ Vasilisa Malygina and the short stories Ljubov’ trech pokolenij (“The Love of Three Generations”) and Sestry (“Sisters”). The second anthology, titled Ženščina na perelome (“The Woman at the Turning Point”) comprises the povest’ Bol’šaja Ljubov’ (“A Great Love”) and the short stories Tridcat’ dve stranicy (“Thirty-three Pages”) and Poslušannyj razgovor (“The Eavesdropped Conversation”).
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4.3 International Reception Kollontaj’s relevance from an international perspective may also be confirmed by the great amount of translations of her writings, as well as of secondary sources on her life, work and theories. As stated at the beginning of this paper, Kollontaj was one of the key figures in the development of the new Soviet legislation aimed at the emancipation of women and, more broadly, social justice. Her presence in the political and intellectual frameworks was very active and wide-ranging. Nonetheless, starting from the late 1920s, her written theoretical and political contributions began to decrease and to become less relevant in the new totalitarian historical context. However, as one of the aftermaths of de-Stalinization and the Chruščëv era, in the Soviet Union, authors and theoreticians who were forgotten or banned during Stalin’s dictatorship began to be rediscovered. This is also true for Kollontaj: in 1964, the first monograph on her life was published in Moscow. This biography by Anna Itkina, a personal friend of Kollontaj, titled Revolucioner, tribun, diplomat: Očerk žizni Aleksandry Mikhajlovny Kollontaj3 marked the beginning of a new phase of interest in Kollontaj’s personal life and ideas in Russia. The (re-)discovery of Kollontaj in the West was linked with the rise of the social movements in the 1960s as well as with the formation of second-wave feminisms and the consequent interest in anti-conformist, controversial, radical and progressive left-wing thinkers of the past. Numerous translations of Kollontaj’s political essays and literary writings appeared in different Western languages, especially in Swedish, English, German, French and Italian. With regard to secondary sources, several articles, essays and books have been published in relation to the analysis of the historical and political relevance of Kollontaj’s writings and political activity during her lifetime, on the one hand, and in relation to her biography, on the other.4 In this respect, I would like to mention some works by scholars who, in my opinion, have been among the most relevant in this (re-)discovery of Kollontaj. I chose to concentrate on texts in English, German and Italian for two reasons. First, since English is perhaps the most widely known language in the academic world, I assume that these publications have been and still are potentially the
3English:
Revolutionary, Tribune, Diplomat: Memoirs in the Life of Aleksandra Michajlovna Kollontaj. 4I extracted the data on the publications of books by and about Kollontaj through online research on WorldCat.org, the world's largest network of library content.
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most accessible and therefore widespread. Second, the interest in German and Italian publications is connected to the aims of my PhD research, which focusses on Kollontaj’s social, political and cultural heritage in second-wave women’s movements in Italy, the Federal Republic of Germany (FRG) and the German Democratic Republic (GDR). These three case-study countries were subject to very different political, cultural and social contexts and particular historical developments during the timeframe under consideration. Moreover, political relations between the Soviet Union and these three states were very heterogeneous at the time. Third, the historical understanding and interpretation of the Soviet Union’s ideology and subsequent development diverged greatly with regard to the official positions of the states I am focusing on. In relation to publications on Kollontaj in English, I would like to mention in the first place the historian Barbara Evans Clements, a specialist in Russian and Soviet women’s history. She has dedicated several writings to Kollontaj’s life and ideology: in 1979 she published the biography Bolshevik Feminist, The Life of Aleksandra Kollontaj, referring to her with the dichotomic term “Bolshevik Feminist”. The book was preceded in 1973 by the publication of “Emancipation Through Communism: The Ideology of A. M. Kollontai”, an article giving a detailed analysis of Kollontaj’s theory of women’s emancipation in a socialist context as well as her concrete ideas for the actual liberation of women from female family duties. Another biographical work to be mentioned is Aleksandra Kollontai: Socialism, Feminism, and the Bolshevik Revolution, published in 1980 by the Russia expert and historian Beatrice Farnsworth. This book combines an analysis of the different interpretations and means of dealing with the women’s question from the standpoint of the Party and Kollontaj herself. A further fundamental scholar to be mentioned is the British historian and translator Cathy Porter, who also published a comprehensive and detailed biography on Kollontaj in 1980. In 1984, Sinowi Schejnis published the book Aleksandra Kollontaj: Das Leben einer ungewöhnlichen Frau (“Aleksandra Kollontaj: the Life of an Extraordinary Woman”) in East Berlin. In the introduction to this biography, we find heavy criticism of the biographical works on Kollontaj by Evans Clements, Farnsworth and Porter, with Schejnis accusing the three authors of delivering false information and of interpreting Kollontaj’s life and theories according to their own wishes and not to reality. This is particularly relevant in relation to the different interpretations of the causes of Kollontaj’s diplomatic “exile” and her relationship to Stalin. These debates may also be a confirmation of the spread of transnational interest in Kollontaj’s thoughts and beliefs. In the late 1980s, Gabriele Raether published an introductory text on Kollontaj in German, which functions as a more divulgatory information channel on
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Kollontaj’s biography and theorizations. This book was also translated into Italian in 1996. Regarding Kollontaj’s primary sources, in 1977, one of the most comprehensive collections of translations of Kollontaj’s texts was published in London. The book, Aleksandra Kollontaj: Selected Writings, was edited by the British scholar Alix Holt, who also provides an introduction focusing on Kollontaj’s biography as well as several commentary essays contextualizing the text from a historical and political point of view. This collection contains Kollontaj’s theoretical essays and literary writings, offering the reader the possibility to become familiar with two genres in which Kollontaj expressed her ideas in the written form. This anthology was also published in an Italian translation in 1979 (Holt 1979). Another miscellany of primary source texts is the book Aleksandra Kollontaj: Selected Articles and Speeches, which was compiled and annotated in Russian by I. M. Dažina in 1972 and translated into English by Cynthia Carlile in 1984 (Dažina 1972, 1984). This collection contains articles and speeches related to three main topics: peace, women’s and people’s emancipation, and Lenin. In addition, this book may also be relevant for trying to understand Kollontaj’s oratory talent. A further extensive collection of translations of Kollontaj’s primary sources was published in West Germany in 1979 with the title Aleksandra Kollontai: Der weite Weg. Erzählungen, Aufsätze, Kommentare (“The Long Way. Stories, Essays, Commentary”). The book contains literary writings, essays and commentaries by the three female coeditors. Christiane Bauermeister presents a small biographical note of Kollontaj’s life; Krisztina Mänicke-Gyöngyösi gives an interpretation of Kollontaj’s political and social positions through a transnational historical and philosophical contextualization; Helene Imendörffer’s essay argues against the sexist literary criticism to which Kollontaj’s literary work has been subject to (Bauermeister et al. 1979). In addition to essays, articles and literary writings, Kollontaj also delivered several autobiographical notes: her best known autobiographical writing, The Autobiography of a Sexually Emancipated Communist Woman, published in Moscow in 1926, reached the English-reading public in 1971 through a translation by Salvator Attanasio derived from the 1970 German version. This book has been translated in several languages and contains Kollontaj’s famous quotation, “the man always tried to impose his ego upon us and adapt us fully to his purposes” (Kollontaj 1972, p. 8). This phrase demonstrates how Kollontaj was aware of the links between personal relationships and social change. Additionally, she underscores the problem of the double standards by which men and women
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are evaluated and calls for the necessary application of the same moral criteria to both sexes. In this sense, one can state that her theory was a precursor to the second-wave feminists’ fundamental statement, “The personal is political!” (Notz 2017). It is my assumption that this primary source was one of the most widely read by European second-wave feminists associated with the socialist and radical sphere. In the FRG, the German translation was printed for the first time in 1970 and reprinted in 1977 and 1980. This publication was edited by the German political scientist Iring Fetscher and served as the basis for subsequent translations into English and Italian. In Italy, the text was published in 1973 and reprinted in 1975 and 1977. Another relevant strand of publications of Kollontaj’s primary sources is related to translations of her literary writings. It is likely that these narrative books were read with particular interest during the European social-movement decades, since they offer a fictional empirical representation of Kollontaj’s theorizations on the novaja ženščina, her new lifestyle and emotional relationships: themes which were very much discussed in those years. The short story collection Love of the Worker Bees was published for the first time in English in 1977 in a translation by Cathy Porter, who was also responsible for the first translation of the novella A Great Love in 1981. In the 1980s, Love of the Worker Bees appeared also in German: two editions were published in the FRG and one in the GDR. However, in 1974, one of the stories contained in this book—Vasilisa—had already been published in the FRG. The same writing appeared in Italy in 1978. After the great social-movement decades, the number of publications by and about Kollontaj started decreasing. However, the interest in Kollontaj’s personality and theories did not disappear and it is empirically possible to state that such interest remains present today. This can be deducted from the new editions and publications of writings by and about her.
5 Conclusion As I have outlined in this paper, Aleksandra Kollontaj was a central thinker who contributed to fundamental social and political discussions and developments in the Russian, Soviet and international environments. In addition, interest in her theorizations in the European and American context grew as a consequence of and deeply connected with the historical phase of social movements. A large number of books on Kollontaj’s life and ideas, as well as translations of her
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writings, were published in the aforementioned years. This directly demonstrates the great interest in and relevance of her work and personality long after her death in 1952. At the same time, however, there is a lack of research and of publications on the influence of Kollontaj beyond her lifetime. It is my belief that her theoretical as well as literary oeuvre have been intensively read and discussed in circles of specific second-wave feminist movements in the European context. Therefore, it is necessary to fill this gap in order to understand the extent and the ways in which Kollontaj’s social, political, personal and cultural heritage influenced subsequent women’s movements.
References Bauermeister, Christiane, Helene Immendörfer und Krisztina Mänicke-Gyöngyösi, Hrsg. 1979. Alexandra Kollontai: Der weite Weg: Erzählungen, Aufsätze, Kommentare. Frankfurt: Verlag Neue Kritik. Brodsky Farnsworth, Beatrice. 1976. Bolshevism, the woman question, and Aleksandra Kollontaj. The American History Review 1 (2): 292–316. Dažina, I. M., Hrsg. 1984. Alexandra Kollontai: Selected articles and speeches. New York: Progress Publishers. Evans Clements, Barbara. 1973. Emancipation through communism, the ideology of A. M. Kollontai. Slavic Review 32 (2): 323–338. Evans Clements, Barbara. 1979. Bolshevik feminist, The life of Aleksandra Kollontaj. Bloomington: Indiana University Press. Holt, Alix, Hrsg. 1979. Alexandra Kollontai, Vivere la rivoluzione: Il manifesto femminista che la Rivoluzione di Ottobre non seppe attuare. Garzanti: Milano. Kollontaj, Aleksandra. 1972. The autobiography of a sexually emancipated communist woman. London: Orbach & Chambers. Notz, Gisela. 2017. Die vielen Leben der Aleksandra Kollontaj. In Roter Oktober, Beiträge zur Geschichte der russischen Revolution, Hrsg. Bernd Hüttner und Christoph Jünke, 30–38. Berlin: Rosa Luxemburg Stiftung. Popova, Polina. 2013. “Alexandra Kollontai’s Feminism: Transnational Dimension”. https://www.academia.edu/5999395/Alexandra_Kollontai_s_Feminism_Transnational_ Dimension. Accessed 21 May 2019.
Further Reading Evans Clements, Barbara. 1980. The revolution and the revolutionary: Aleksandra Mikhailovna Kollontai, 1917–1923. Ann Arbor: University Microfilms. Farnsworth, Beatrice. 1980. Aleksandra Kollontai: Socialism, feminism, and the Bolshevik revolution. Stanford: Stanford University Press.
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Geiger, Kent H. 1968. The family in Soviet Russia. Cambridge: Harvard University Press. Goldman, Wendy. 1993. Women, the state and revolution: Soviet family policy and social life, 1917–1936. Cambridge: Cambridge University Press. Holt, Alix, Ed. 1977. Aleksandra Kollontai. Selected writings. London: Allison & Busby. Itkina, Anna M. 1964. Revoljucioner, tribun, diplomat, očerk žizni Aleksandry Michajlovny Kollontaj. Moskva: Izdat. Političeskoj Literatury. Kollontaj, Aleksandra. 1916. Obščestvo i materinstvo. Sankt Peterburg: Žizn’ i Znanie. Kollontaj, Aleksandra. 1920. Die neue Moral und die Arbeiterklasse. Berlin: Seehof & Co., Verlag. Kollontaj, Aleksandra. 1970. Autobiographie einer sexuell emanzipierten Kommunistin. Berlin: Guhl. Kollontaj, Aleksandra. 1971. The autobiography of a sexually emancipated communist woman. New York: Herder and Herder. Kollontaj, Aleksandra. 1973. Autobiografia di una comunista sessualmente emancipata. Milano: Palazzi. Kollontaj, Aleksandra. 1974. Wassilissa Malygina. Frankfurt a. M.: Roter Stern. Kollontaj, Aleksandra. 1977. Love of the worker bees. London: Virago. Kollontaj, Aleksandra. 1978. Vassilissa: l’amore, la coppia, la politica: storia di una donna dopo la rivoluzione. Roma: Savelli. Kollontaj, Aleksandra. 1980. Wege der Liebe, Drei Erzählungen. Frankfurt a. M.: Roter Stern. Kollontaj, Aleksandra. 1981. A great love. London: Virago. Kollontaj, Aleksandra. 1982. Wege der Liebe, Drei Erzählungen. Berlin: Der Morgen. Kollontaj, Aleksandra. 1988. Wege der Liebe, Drei Erzählungen. Frankfurt a. M.: Roter Stern. Kollontaj, Aleksandra. 2003. Mein Leben in der Diplomatie. Aufzeichnungen aus den Jahren 1922 bis 1945. Berlin: Karl Dietz Verlag. Kollontaj, Aleksandra. 2008. Largo all’Eros alato. Genova: Il Melangolo. Porter, Cathy. 1980. Aleksandra Kollontaj: A biography. London: Virago. Pina, La Villa. 2017. Aleksandra Kollontaj: marxismo e femminismo nella Rivoluzione russa. Catania: Villaggio Maori editori. Raether, Gabriele. 1986. Alexandra Kollontai zur Einführung. Hamburg: Junius-Verlag. Raether, Gabriele. 1996. Aleksandra Kollontaj: Libertà sessuale e libertà comunista. Roma: Erre emme. Schejnis, Sinowi. 1984. Aleksandra Kollontaj: Das Leben einer ungewöhnlichen Frau. Berlin: Verlag neues Leben. Stites, Richard. 1978. The women’s liberation movement in Russia: Feminism, nihilism and bolshevism, 1880–1930. Princeton: Princeton University Press.
Comincini, Maddalena Elisabeth, Mag. MAIS, PhD candidate in the Doctorate School gender_transcultural at the University of Salzburg. She obtained master’s degrees in Slavic Studies from Ca’ Foscari University of Venice in 2013 and in Advanced International Studies from the Diplomatic Academy of Vienna in 2015. Research focuses: History of Italian, West and East German second-wave women’s movements, History of Russian Socialist women’s movement, Soviet history.
Mediale und künstlerische Repräsentationen
„Just Watch!“ Marlene Dietrich and Gendered Spectatorship in Classical Hollywood Cinema Michael Streif
“Admiration from unknown people leaves me cold.“Marlene Dietrich (1989, p. x)
1 Cinematic Identification In a career spanning six decades on screen and stage, Marlene Dietrich (1901–1992) established herself as an international icon and successfully transgressed the boundaries of society’s traditional gender concepts and the limits of national and cultural affiliation. Coming from Berlin, where she had started her career as a theater and silent film actress in the early 1920s, Dietrich conquered Hollywood in 1930 with the release of her first U.S. film, Morocco. Throughout the rest of her long career, she capitalized on a combination of the debauched decadence of 1920s Berlin and the polished, refined glamor of Hollywood. Her playing with gender roles and her mockery of heteronormativity—or, in other words, her queerness—made her a gay icon; her Americanized Europeanness made her a symbol of transculturality. Judith Mayne (2007, p. 370) argues that “Dietrich is one of those rare icons who appeals, with equal intensity, to male and female, gay and lesbian, and heterosexual audiences.” While there can be little doubt that Dietrich appeals to a diverse public, it is arguable whether the intensity of this appeal towards different audiences is in fact as equal as Mayne assumes.
M. Streif (*) University of Salzburg, Salzburg, Austria E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Hausbacher et al. (Hrsg.), geschlecht_transkulturell, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30263-4_6
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In her book, Cinema and Spectatorship, Mayne (1993, p. 26) points out that “[o]ne of the thorniest and most difficult questions raised by institutional theories of the cinema concerns identification.” The notion of identification is central to a discussion of spectatorship. Mayne argues against making short-circuited and oversimplifying arguments about the nature of cinematic identification, stating that the spectator does not necessarily identify with his or her like: “There is something too literal about a notion of identification whereby I, as a woman or a US citizen or a middle-class academic, necessarily and supposedly unproblematically “identify” with whatever I see on the screen that most approximates my identity.” (Mayne 1993, p. 26). Thus, we need to move away from the somewhat naïve idea that men inevitably identify with male characters and women with female characters. What is more, such a simple notion would ascribe a severely restricted position to lesbian and gay audiences: if identification were indeed literal, the homosexual spectator would hardly be able to identify with characters in classical films, for open depictions of homosexual characters were hardly offered in vintage Hollywood pictures. It is therefore important to note that cinematic identification can be achieved independently from the spectator’s gender or sexual orientation. In a discussion of Dietrich’s Hollywood films, a further aspect comes into the picture: her foreignness. Presented as French, Austrian, German, Russian, Spanish, or very often as someone of completely unknown nativity, in diverse settings ranging from Marrakesh, Vienna, Beijing, and Shanghai to Moscow, New York, Seville, the Sahara, Paris, London, and the wild west, Dietrich’s characters elude a simple identification based on nationality or cultural milieu. Moreover, as the discussion will show, audiences do not always identify with actual characters but often rather with a specific star persona. In Dietrich’s case, this star persona is of such dominance that it is clearly perceivable in virtually all her films, no matter which character she portrays. This star persona is characterized by a mocking of conventions and a successful overcoming of the restrictions imposed on her respective characters by society.
2 Straight Audiences, Identification, and the Question of the Gaze In her groundbreaking essay, “Visual Pleasures and Narrative Cinema,” feminist critic Laura Mulvey (1975, p. 62) claims that the pleasure in watching film is divided into an active/male and a passive/female component and that the female figure on screen is particularly styled in order to meet the expectations of the
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male fantasy. The spectator, Mulvey (1975, p. 63) further argues, projects his look onto the male protagonist, with whom he identifies; thus, the male protagonist’s power in controlling events coincides with the active power of the spectator’s erotic look. Mulvey (1975, p. 65) states that, in his films with Dietrich, director Josef von Sternberg invites a male audience (and, evidently, she assumes a straight male audience) to get involved in voyeurism by breaking the male protagonist’s powerful look “in favor of the image in direct erotic rapport with the spectator.”1 What Mulvey is clearly driving at is an equalization of the camera’s and the male spectator’s gaze. These two concepts, however, are to be decisively differentiated: an image shown through the camera is equal to the image as it is perceived by the spectator only on a visual level, for what the recording device conveys is not necessarily what the viewer allows it to mean. The camera frequently suggests physical proximity with Dietrich’s characters (especially in close-ups); this apparent closeness, however, is oftentimes destroyed by the protagonist’s either mocking or coolly distant facial expression or by what she says in one of these particular moments. Thus, the camera’s gaze presents an intimate image that can hardly be perceived as such by the assumed male spectator. Rather, it allows the female spectator to find pleasure in witnessing the mockery this powerful woman on screen makes of the straight male spectator. Following Mulvey’s theory, however, pleasure in watching would be a strictly male affair, and the woman on screen would count for no more than a passive object to be gazed at. Mulvey thus creates a severely restricted view of a highly complex matter, since she does not even take into consideration that there might be a female pleasure in watching as well. Moreover, Mulvey’s theory reduces men in the audiences to one-dimensional, chauvinistic spectators. In her essay “Visual Pleasure and the Masochistic Aesthetic,” a title clearly referring to that of Mulvey’s work, Gaylyn Studlar (1985, p. 17) criticizes Mulvey for limiting the male spectator’s position to that of a would-be wire-puller who views women only as an object to be possessed and never as an identification figure. Studlar (1985, p. 13), who has written extensively about the impact of Dietrich’s films on audiences, suggests that the male characters in the Dietrich/von Sternberg cycle are usually masochistic. This would put the male spectator into a position which is in stark contrast to that of a controlling force as suggested by Mulvey.
1Dietrich
and von Sternberg made seven films together: The Blue Angel (Germany, 1929/1930), Morocco (USA, 1930), Dishonored (USA, 1931), Shanghai Express (USA, 1932), Blonde Venus (USA, 1932), The Scarlet Empress (USA, 1934), and The Devil is a Woman (USA, 1935).
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Studlar points out that “[i]f the male spectator identifies with the masochistic male character, he is aligned with a position usually assigned to the female. If he rejects the identification with this position of power: the female who inflicts pain. In either case, the male spectator assumes a position associated with the female.” (Studlar 1985, p. 14). This remark is a refreshing counterpoint to Mulvey’s rather one-dimensional views, for Studlar emphasizes the possibility of a male spectator’s identification with a female screen character, a notion Mulvey does not even take into consideration. Still, the question of the straight male spectator’s identification is even more complex than Studlar allows. While her theory certainly proves true for the male spectator’s position in some of the Dietrich/von Sternberg films (especially The Scarlet Empress and The Devil is a Woman), other films require a more differentiated approach with regard to male spectatorship: in Morocco (1930), La Bessière in fact plays the masochistic part in his relationship to Amy; however, in her relationship to Tom Brown it is Amy herself who is put into the masochistic position. Thus, the male spectator has more than the two choices pointed out by Studlar: he can either identify with the masochistic male, the masochistic-turned-dominating male, or the female who embodies both the dominating and the masochistic positions simultaneously. The subject matter is even more complicated with Blonde Venus (1932): E. Ann Kaplan (1983, p. 50) reads this film as “clearly constructed for the male spectator.” She sees evidence for her thesis in the fetishization of the female protagonist, a circumstance she interprets as a demonstration of a method of dominating women. In her essay “Masochism, Masquerade, and the Erotic Metamorphoses of Marlene Dietrich,” Studlar (1990, p. 234) responds to Kaplan’s remarks by arguing that Dietrich’s fetishization may well be constructed in order to please a male audience but that “the implications of that fetishistic process seem much more textually and psychologically complex than Kaplan allows.” In fact, if the heterosexual male spectator longs to identify with one of the two leading men in Blonde Venus, he is left with the dissatisfying options of relating either to the financially and sexually failing husband or to the lover who is not capable of maintaining his relationship with Helen. Even if the male spectator attempts to indulge in the pleasure of masochism, it is his destiny to be disappointed since Helen does not punish the male characters. Thus, her fetishization, which is most notably evident in the first nightclub scene in Blonde Venus (the ape suit, the gigantic blonde Afro-wig, the bare legs), seems not so much designed to attract but rather to mock the straight male gaze, for the woman on stage is a threatening creature whose obvious sexual hunger is intimidating
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and who mockingly reduces any sexually motivated male gaze to absurdity. As for Dietrich’s films, then, the straight male spectator is not in the privileged situation ascribed to him by, among others, Mulvey and Kaplan; in fact, he is in a rather problematic situation: he has to choose between either indulging in masochism or identifying with the female character. If the straight male spectator indeed finds pleasure in possessing or objectifying women—be it through his gaze or through identification with the male protagonists—he can find only disappointment in watching Dietrich’s films. Given this problematic situation for the male spectator, the question is whether films such as Morocco and Blonde Venus are at all constructed for straight male audiences. Among those claiming that these pictures are constructed to appeal to female spectators is Wednesday K. Martin (1995, p. 63), who argues that Dietrich’s image in the early 1930s was, first and foremost, designed to attract women. Referring particularly to the nightclub scene presenting the protagonist in male attire, Donald Spoto (2000, p. 75) states that Morocco enables female audiences to love Dietrich. This point of view is, of course, in starkest contrast to the theory expressed by Mulvey (1975, p. 65), who—despite her claim that “[t]he high point of emotional drama in the most typical Dietrich films, her supreme moments of erotic meaning, take place in the absence of the man she loves in the fiction”—does not even consider the slightest possibility for the female spectator to find pleasure in looking. It is therefore essential to stress the fact that prior to the release of her U.S. debut film, Morocco, the marketing campaign created in order to make Dietrich popular was specifically aimed at female moviegoers: Paramount’s publicity department announced Dietrich as “The Woman Even Women Can Adore” (quoted in Martin 1995, p. 62) and, alternatively, as “The Woman All Women Want to See” (N.N. 1930, p. 8). The same ads, printed in newspapers all over the U.S., described Dietrich as “Continental star” and as “exotic.” The emphasis on her foreignness was juxtaposed with her assumed appeal to women, as if the marketing campaign wanted to assure female audiences that is it alright to be attracted to a woman if she has an “exotic” background. Despite Dietrich’s popularity with women, Kaplan (1983, p. 59) sees her as merely being used as a fetishized object by von Sternberg. To be sure, she argues that Dietrich is well aware of this exploitation and plays with her own objectification, e.g. in scenes that show a “momentary female-female bonding that subverts the dominant system,” an act Kaplan interprets as “a step beyond simply being objectified,” a step through which the female spectator can at least be taken into consideration:
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M. Streif “Dietrich seems aware of how Von Sternberg is using her, of his fascination with her image. This awareness accounts for the extreme self-consciousness of her performance before the camera. … This creates a certain tension in the image, since Dietrich’s awareness of how she is being used … alters in a significant way the effect of her objectification. Her understanding of the extra-cinematic discourse she is placed in permits a certain distance from what is being done to her, providing a gap through which the female spectator can glimpse her construction in patriarchy.” (Kaplan 1983, pp. 51–52).
While acknowledging women in the audience, Kaplan leaves no doubt that she sees the position of the female spectator as a considerably limited one. However, Dietrich’s films have more to offer to the female spectator than the occasional glimpse. It is true that throughout her long career, Dietrich was— without exception—directed by male movie makers and photographed by male cinematographers; thus, the intra-diegetic as well as the camera’s gaze may well be motivated by the male gaze. However, this does not necessarily mean that the female spectator does not have a gaze of her own. In a chapter in Women and Film entitled “Is the Gaze Male?”, Kaplan (1983, p. 30) answers her eponymous question by arguing that “[t]he gaze is not necessarily male (literally), but to own and activate the gaze … is to be in the ‘masculine’ position.” The masculine position in its traditional concept would most likely entail voyeurism and a possessive attitude; the heterosexual female spectator, however, has her very own position. She does not have to indulge in masochism, nor is her gaze ridiculed by the Dietrich character, as is so often the case with the male gaze. That is, of course, not to say that it is considerably easier for straight women than for straight men to find pleasure in watching Dietrich’s films. If women audiences long to identify with the female protagonist, their position is indeed problematic, for the women Dietrich portrays are highly elusive and inaccessible and may thus be hard to identify with, even for savvy audiences. Such is the degree of the artificiality of the typical Dietrich character—the way she speaks, the way she moves, the way she has her exaggerated make-up done—that it is nigh impossible to imagine that a real human being would act in this manner. Women who seek identification with a female character in classical Hollywood cinema are more likely to find satisfaction with Bette Davis or Joan Crawford, both of whom usually played women more down-to-earth than Dietrich did. Undoubtedly, Dietrich’s foreignness plays a crucial role here. As opposed to Davis and Crawford, who were Americans, Dietrich’s characters are hard to pin down when it comes to nationality and cultural background: she plays Frenchwomen in films set in Morocco, China, and Spain, a German in Russia, and characters of unknown descents in settings ranging from exotic South Sea
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Islands and Alaska to London and old Bagdad. Such cosmopolitan sophistication combined with a lack of cultural ties does not exactly make it easier to identify with a particular character, especially when this character is already elusive and hard to comprehend. The question, then, is: how can straight women audiences find pleasure in watching Dietrich’s pictures? Perhaps one needs to turn away from traditional feminist and psychoanalytic approaches to explain the fascination of heterosexual women with Dietrich, for identification with a character of one’s own sex, it must be emphasized once again, is not necessarily the key to enjoy movies. Judith Mayne (1993, p. 26) suggests a critical stance on the notion that the spectator necessarily longs to identify with human figures on screen. In Dietrich’s case, women audiences may find their delight in being invited by the actress to be watching accomplices of her ironic attitude towards men. This connivance enables the straight female spectator to feel connected to the Dietrich character even without identifying with her (or feeling sexually attracted to her). Dietrich’s on-screen star persona does not invite heterosexual women to identify with her, nor does she pretend to be a role model for them. She invites straight women audiences to watch her transgressing traditional gender boundaries, to enjoy the sensual staging of exaggerated artificiality, and to find pleasure in the disempowerment of the male figure. In his volume Stars, Richard Dyer takes up the issue of stars as characters in films and argues that “[a]s regards the fact that a given star is in the film, audience foreknowledge, the star’s name and her/his appearance (including the sound of her/his voice and dress styles associated with him/her) all already signify that condensation of attitudes and values which is the star’s image” (Dyer 2009, p. 126). Dyer (2009, p. 126) mentions Dietrich as the prime example of a star that determines her characters, stating that “[h]er face, her name even, carries the ‘mystique,’ no matter what films she makes or what she says.” Hence, when Helen Faraday in Blonde Venus decides to gain power, she says to her fellow females in a run-down women’s shelter: “Don’t you think I can? Just watch!” This is not only Helen speaking to the other women in the film, this is—first and foremost—Dietrich speaking to her female audience.
3 Dietrich’s Sexual Ambiguity and Lesbian Audiences “Marlene Dietrich,” Alice A. Kuzniar (2007, p. 239) points out, “has always been an icon for lesbian spectators.” The truth of this statement is undisputed; still, answering the question as to what constitutes lesbian audiences’ fascination
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with Dietrich is a task way more complex than it initially appears. Like heterosexual women, lesbian audiences are invited by the Dietrich character in virtually all of her films to enjoy witnessing her mocking and ironic attitude towards men; however, lesbians may additionally be erotically attracted to this woman on the screen to a degree that transcends the pleasure straight women audiences may find. Using Blonde Venus as an example, Kaplan (1983, p. 58), however, claims that any form of women audiences’ pleasure in watching at best happens accidentally: discussing the nightclub scene, in which Helen—in full male attire—bonds with the chorus girls, Kaplan (1983, p. 58) argues that “the female spectator may receive a powerful erotic charge [but that] [t]his is not a response that the scene intends, constructed as it is for a narcissistic male spectator.” Andrea Weiss, too, argues that Hollywood did not intentionally seek to address lesbian audiences but that the suggestion of lesbianism was designed to appeal to straight male audiences’ voyeurism. However, Weiss (1992, p. 32) emphasizes the fact that this use of innuendo enabled women spectators to direct their erotic gaze at a female star such as Dietrich or Garbo, in the safe environment of a darkened theater. It is noteworthy that Weiss cites Dietrich and Garbo as examples in this context: due to her Swedish descent, Greta Garbo—like Dietrich—was considered exotic and otherworldly. The foreignness of both leading ladies most likely adds to their sexual impact on audiences. Both Kaplan and Weiss see lesbian women’s pleasure in watching classical Hollywood cinema as an effect the movie makers did not have in mind. It is, however, hard to imagine that both Dietrich and von Sternberg did not intend to provoke erotic feelings among lesbian audiences, for in their films, lesbian references are not exceptions. What is more, even if the scene in Blonde Venus were indeed constructed for the male spectator, his narcissism could hardly be satisfied in a scene which so clearly demonstrates that the absence of a male figure on the stage enables the protagonist to present herself as an independent, powerful woman who can finally indulge in—and openly show—her same-sex desire. Helen’s interaction with the chorus girls limits the male spectator’s power by leaving no doubt that the presence of a man is completely undesired. Whatever the scene’s intention in fact is, Dietrich’s sexually ambiguous attitude secures the lesbian spectator’s pleasure in watching it. Film scholar Julia Lesage states in an interview that “Dietrich […] fascinates women as lesbian figure with whom they identify. […] As a female figure, she has many kinds of power. […] For example, remember the scene in Blonde Venus when she sings in drag? I read that moment very lustfully; it gives me a really sexual feeling. Most women I know—gay or straight, but who are in tune to that kind of thing—feel the same way.” (quoted in Harrigan 1978, p. 90).
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The notion of identification Lesage addresses in her statement requires some clarification: most likely, lesbian women do not identify with the actual character on screen, i.e. Dietrich’s respective role; it is the Dietrich persona, a persona that stands for characters living according to their own standards rather than society’s rules. The fact that these characters defy what is generally considered to be the norm and refuse to be intimidated by a society that longs to impose an acceptable, i.e. heteronormative, lifestyle on everyone (and on women in particular) reinforces the Dietrich persona’s allure and her impact on lesbian audiences. Nonetheless, Kuzniar (2007, p. 240) points out that “the lesbian fan faces disappointment and limitations when she wants to interpellate herself into Dietrich’s films.” This is true insofar as the films’ narratives never present Dietrich as a “fully” lesbian woman, even though same-sex desire is frequently implied. However, the toughness and power of Dietrich’s characters offer what Walters (1995, p. 97) calls “ample opportunities for lesbian spectators to fantasize and ‘desire differently.’” This fantasizing doubtlessly played an especially crucial part in the days of the films’ original releases, when homosexuality had to remain in the closet. What is more, queerness was an integral component not only of Dietrich’s screen persona, but also of Dietrich as a private person. Weiss (1992, p. 33) points out that what the public in the 1930s knew about the private life of a film star cannot be separated from their respective star image, and that rumors about Dietrich’s bisexuality were shared by many lesbians as early as in 1930, when Morocco was premièred. What contributed further to Dietrich’s status as an icon for lesbian audiences was her relatively open affair with author Mercedes de Acosta in the early 1930s (Kuzniar 2007, p. 239). Thus, the sexual identity of the women Dietrich portrayed was less important than the knowledge (or at least the speculation) about Dietrich’s real-life sexual orientation. In her discussion of the scene in Morocco in which Dietrich kisses a woman in the audience, Weiss (1992, p. 33) argues that “[t]his flirtation with a woman […] is a flirtation with the lesbian spectator as well.” It is to be emphasized that it is Dietrich, and not Amy Jolly, her film character, who flirts with the lesbian spectator, for Dietrich, as Weiss (1992, p. 33) convincingly suggests, steps out of her role for a moment, “acting out that rumored sexuality on the screen.” The film’s narrative goes on depicting Amy Jolly as the love interest of two men; however, with Dietrich kissing a woman early in her first U.S. film, she lays the foundation of her future screen persona. Dietrich’s queer image was enhanced by her cross-dressing, which had a particular impact on her contemporary women audiences. As Martin (1995, p. 63) points out, Dietrich encouraged American women to don male attire “in a tribute
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to a woman whose range of reference and style hinted at a broad world of social and sexual possibilities.” Her extravagant, mannish style of dress further added to her image of foreign sophistication and transculturality, since she made a clothing style that was not uncommon for women in 1920s Berlin popular in 1930s America. Her impact was such that the Los Angeles city government in the early 1930s, as Bett L. Abrams (2004, p. 75) states, tried (howsoever unsuccessfully) to stop women from cross-dressing—seen as a sign of their admiration for Dietrich—by passing a law prohibiting people from appearing in drag. Of course, Dietrich’s fashion statements most certainly appealed to both heterosexual and homosexual women alike; nonetheless, her self-confidence in donning male attire especially attracted the lesbian subculture of the early 1930s: trousers on women were then regarded as signifying an alternative lifestyle, and “until the end of the 1930s the very notion of a respectable woman wearing trousers was frowned upon in conventional households” (O’Connor 1992, p. 64). Thus, lesbian women found a role model in a woman who—through the choice of her clothes—left no doubt that she did not bother about conventions and restrictions.
4 Dietrich, Gay Sensibility, and Camp Dietrich’s appeal towards gay men has been perhaps even greater than her appeal towards lesbian women. Richard Dyer (2004, p. 154) argues that gay male readings of Dietrich are to be clearly differentiated from lesbian readings, without further discussing how this distinction is to be made. However, some aspects of Dietrich’s image may simultaneously attract lesbian and gay male audiences (or, more generally, queer spectators), such as the identification with and the worship of the typical Dietrich character as an independent, self-determined, and courageous figure who, albeit living on the margins of society, keeps her chin up. The question, then, is: in how far is Dietrich appealing especially towards gay male audiences? It has been stated frequently enough that Dietrich is one of the most important icons in gay culture, that she “developed fanatically loyal followings among gay men” (Garber 1996, p. 141), and that gay fans have created a “Marlene Dietrich cult” (Loyo 1996, p. 326). Dietrich’s status within the gay community is so much taken for granted that attempts to analyze the reasons for this phenomenon have often been dissatisfying. As a starting point, it is worthwhile to draw on gay men’s individual reports about their respective view on Dietrich. In his essay “Shame on Me, or the Naked Truth about Me and Marlene Dietrich,” David Caron (2009, p. 119) states that, back in his teenage days, proclaiming his love for Dietrich was a coded form of coming out. Referring to a scene in Billy
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Wilder’s comedy A Foreign Affair (1948) in which Dietrich, cast as a German honky-tonk singer in post-war Berlin, performs a song in a smoky nightclub full of hormone-driven American soldiers, Caron notes that “when you’re a teenage gay boy you want to be Marlene Dietrich. At least I did, and identifying with a glamorous screen legend was at once a very empowering feeling and a feeling of self-denying shame. […] Back in my teenage years, the relationship between the fantasy of performing ‘Black Market’ in a roomful of drunken sailors and that of being fucked up in the ass was already clear to me.” (Caron 2009, p. 118) Although he relativizes his over-generalizing remark that young gay men want to be Dietrich by stressing that this at least proved true in his case, Caron’s statement is somewhat problematic since it may reinforce the misconception of gays being women trapped in the wrong bodies. This is, of course, not to say that Caron’s one-time longing to be a glamorous diva is shared by no one; yet, there can be little question that a vast majority of gay men do not identify with Dietrich as a woman but with Dietrich as a self-determined, queer character. Daniel Harris (1996, p. 168) reinforces this assumption in his explanation of his fascination with Hollywood divas: “I was not attracted to Hollywood stars because of their femininity nor did my admiration of them reflect a burning desire to be a woman, as the homosexual’s fascination with actresses is usually explained, as if diva worship were simply a ridiculous waste product of gender conflicts. Instead, it was their world, not their femininity, that appealed to me.” (Harris 1996, p. 168) Harris touches on an important issue when he mentions the importance of the divas’ world to gay male audiences. As for Dietrich, this world is a place where one can get away with being queer, a place in which difference is critically eyed but usually not punished. Dietrich hardly ever portrayed completely amoral women; her moral was defined in a way that diverted from society’s standards and expectations. Dietrich’s characters were confronted with prejudices but they held their ground. This strength and courage made Dietrich a gay icon in times when homosexuals struggled for recognition. Walter Holland (2009, p. 48) emphasizes Dietrich’s self-confidence in being different in his description of how his fascination with Dietrich started when he was a twelve-year-old boy: “Marlene, herself, was known for her bisexuality, and in that I found a clue to her allure to me. In Morocco, when she stoops to kiss a young, pretty woman on the lips, tipping her silken top hat, her outfit that of a dandy, I remember feeling a moment’s shock as I stood, a young boy of twelve, in the basement of our house in Lynchburg, Virginia. How could a woman do that to another woman? What did it mean? Hers was a sophistication far beyond my upbringing in the American South, tied up in exotic locales, cabaret bars far beyond Monument Terrace in Lynchburg with its confederate statue and tobacco warehouse.” (Holland 2009, p. 48).
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Holland’s statement emphasizes Dietrich’s sophistication, which is a result of her otherness, i.e. her queer character and her foreignness. Dietrich shows in her films (and through her very star image in general) that being different—when it comes to both sexuality and nationality—and refusing to live a life according to the conventional attitude to morality is both desirable and pleasurable, and that there is no reason to be ashamed of one’s otherness. Dietrich’s transcultural exoticism and her blunt display of her queerness were thus especially appealing to gay audiences in times when homosexuality was not only considered abnormal but was in fact illegal. Holland’s remark could, admittedly, also be the report of a lesbian woman who worships Dietrich, since the celebration of otherness is very probably fascinating for most homosexual spectators, male or female. However, if lesbian audiences’ fascination with Dietrich mainly springs from her cross-dressing and her rejection of traditional gender roles, gay men find further pleasure in Dietrich’s exaggerated display of artificial femininity, or in other words, her “camp” value. Benshoff and Griffin (2006, p. 69) argue that camp often refers to gay men’s idolization of classical Hollywood divas who exuded a b igger-than-life quality and whose acting styles were melodramatic, such as Dietrich, Garbo, and Crawford. Camp taste, Benshoff and Griffin (2006, p. 70) further point out, “gravitates toward any element of Hollywood cinema that is heavily stylized and artificial.” Considering the emphasis put on stylization and artificiality throughout her film career, it comes as no surprise that Dietrich has been a camp icon for decades. Susan Sontag (2008, p. 59) points out that the six American Dietrich/von Sternberg pictures appeal to camp taste due to their “outrageous aestheticism.” Jack Babuscio (2005, p. 130) argues along the same line and states that these films are all camp since they appeal to the gay sensibility and reflect ironic attitudes. The outlandish costumes Dietrich wears, her often highly unnatural acting style, as well as her mocking attitude towards her own femininity and towards gender roles in general have clearly made the Dietrich/von Sternberg cycle a camp favorite. Benshoff and Griffin (2006, p. 70) convincingly suggest that films appeal to camp taste when “one can simultaneously appreciate and mock them with delighted disbelief.” Such mixture of admiration and tender ridicule is exactly what the Dietrich/von Sternberg films arouse in gay male audiences: plots do not have to be comprehensible, and the lines delivered need not make perfect sense; it is the aesthetic value of exotic settings and exaggerated costumes as well as the artificiality of dialogue that makes Dietrich’s films (and, it must be stressed, not only those directed by Josef von Sternberg) so remarkably
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appealing to camp taste. Indulging in the pleasure of camp aesthetics enables spectators to take a film’s narrative less seriously and to enjoy what others may refer to as implausible, bad taste, or bad acting. The gay male spectator, then, is likely to find considerably more pleasure in watching Dietrich’s films than the heterosexual male spectator: due to the joy they find in camp aesthetics, gay men can keep a certain ironic distance to the films’ narratives. Thus, the gay spectator hardly experiences the straight spectator’s disappointment in attempting to identify with an actual character in Dietrich’s films.
5 Conclusion Both the queerness and the exotic foreignness of the Dietrich persona play a crucial part in the reception of her films: as the discussion of spectatorship has shown, straight male audiences may find it difficult to find pleasure in films which so clearly mock and ridicule the male position. The straight male spectator, then, is not in a situation as privileged as feminist theorists Laura Mulvey and E. Ann Kaplan suggest. On the contrary, he is in a rather problematic situation: if he longs to identify with a character on the screen, he must assume a position traditionally associated with the female, for he can either identify with the strong and powerful woman or with the masochistic and weak male character. Straight women audiences are invited to be the Dietrich characters’ watching accomplices and to enjoy the disempowerment of the male figures. The homosexual spectator is most likely to identify with Dietrich’s star persona, i.e. a woman living her life according to her own standards: the women portrayed by Dietrich transgress the limits of nationality and cultural ties, they defy what is generally considered the norm, i.e. a heteronormative lifestyle, and they show that being queer is not dishonorable but, on the contrary, that a refusal of moral conventions is a desirable and pleasurable way of living. While lesbian audiences may be erotically attracted to the woman on screen as a result of her cross-dressing and her lesbian references, gay men find considerable pleasure in the camp aesthetics that characterize Dietrich’s performances both on the screen and on the stage. The gay spectator enjoys the fact that he can simultaneously worship and mock Dietrich. Thus, gay men keep an ironic distance to Dietrich’s films and do not have to face the disappointment in attempting to identify with an actual character on the screen. Dietrich’s stylization and artificiality, together with her distinct transculturality, made her an icon whose fame has stood the test of time.
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Streif, Michael, Mag.phil. Lecturer and PhD candidate at the Department of English & American Studies at the University of Salzburg. Research focuses: Queer studies, Gender studies, American theater, film.
Rugged Rocks, Gentle Men: Hollywood’s Influence on the Austrian Heimatfilm Ralph J. Poole 1 An Austrian Postwar Success Story, Revisited The Heimatfilm of the 1950s was one of the most popular genres in Austrian cinema with Echo der Berge (1954)—better known under the title Der Förster vom Silberwald—as one of its prime examples. Do these Austrian Heimatfilme carry out a specific cultural agenda transcending scenic kitsch, character stereotypes, and formulaic narratives? Indeed, is the Heimatfilm a particularly Austrian phenomenon, a specifically Austrian genre? Most critics tend to disagree, both conflating the Austrian and German films of that genre as well as the histories of both nations’ postwar film industries in general. My interest lies in disentangling these conflating national narratives. Furthermore, I want to add to this discussion by highlighting the henceforth rather neglected aspect of the increasing adaptation of Hollywood stylistics of genre films, especially the Western, into the conception of the postwar Austrian Heimatfilm. While this influence can prominently be seen in more recent productions such as Die Siebtelbauern (1998) and Das finstere Tal (2014), both of which have been marketed as Alpine Westerns, the Hollywood effect is already discernible in Austrian productions of the 1950s and ’60s. This attempt in resituating the Heimatfilm beyond its decried ahistorical nostalgia is in line with other recent revisionist scholarship on the Heimatfilm (e.g. Moltke 2005; Ludewig 2011; Baer 2012; Fritsche 2013) arguing
R. J. Poole (*) University of Salzburg, Salzburg, Austria E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Hausbacher et al. (Hrsg.), geschlecht_transkulturell, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30263-4_7
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for a reappraisal of the genre. The pronounced naïve timeless harmlessness, which seems to be at the core of the Heimatfilm, has lately been extracted on a metatextual level as posttraumatic identity strategies, as efforts in collectively reshaping the imaginary of an Austrian national culture: “Gerade im Spielfilm der fünfziger Jahre materialisieren sich Lebensentwürfe, soziale Muster und ungeschriebene Normen, die als gesellschaftlich erwünschte Verhaltensweisen zu interpretieren sind. […] In [ihm reflektieren] sich sowohl die Publikums- und Produzententräume der Zeit als auch die ökonomischen Rahmenbedungen des österreichischen Filmgeschäfts.” (Rieser 1995, pp. 119–120).
Following Rieser, the simple life models of the Heimatfilm can be interpreted as daydreams of a society in which the envisioned social patterns fulfill normative functions. This can be seen especially well in the conception of characters whose gender roles seem clear-cut and unambivalent, leaving hardly any space for grey areas. Analogous to the classical Western and its categorial distinctions of characters as the good, the bad, and the ugly, Rieser suggests: “Die Männer, glatt und gelackt, machten wieder Karriere—als Förster in der traditionalen Sheriffrolle.” (1995, p. 125) A closer look, however, reveals those character types as more flexible, ambivalent, and disturbing than has largely been acknowledged. This is true for female as well as male characters, but especially for the forester-lovers reluctantly taking on sheriff-like functions. I, therefore, want to suggest that, in the Austrian Heimatfilm, the forester in part adopts and reshapes the traditional male role model of the American Western to serve a new postwar Austrian masculinity. In this, the forester symbolizes the Heimatilm’s effort to balance traditionalism and modernization. Referring to German film after the 1950s, Harro Segeberg outlines the two cross-currents typified by the forester: “[die] zivilgesellschaftliche […] Mobilisierung und Modernisierung” on the one hand, and “eine […] die neuen Wirklichkeiten überformende mentale […] Restauration alter Wirklichkeiten” on the other hand; or put differently: “konsumistische […] Mobilmachung bei gleichzeitig wirksamen mentalen Restaurationsanstrengungen.” (Segeberg 2009, p. 15, emphasis in the original) The success with the audience of a cinema that often has been chastised by research for its backward orientation, nostalgic escapism, and ideological rigidity results instead from an audience willing to embrace the genre’s effort in negotiating complex realities and contradictory visions. I, therefore, want to ask how the Austrian Heimatfilm can be situated between consumerist mobilization and mental restoration, and what important role Hollywood, especially the Western, played for such a cinema.
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2 The Austrian Heimatfilm: A Special Case or a German Variant? Even though Austria—in contrast to Germany—regained its state sovereignty in 1955 with the founding of the Second Republic, independent from occupying forces and bound to absolute neutrality, its national identity remained deeply wounded through the Austro-fascist past and war participation and resistant to reparative actions for a long time. Austrian cinema very much participated in this general atmosphere of willful amnesia with its renunciation of an aesthetics of realism (in contrast to the Trümmerfilm in Germany or the Neoverismo in Italy) and its leaning instead towards the most marketable, and arguably escapist, genres such as the emperor film, operettas, and the Heimatfilm. Also in contrast to Germany, where since the 1950s popular film could develop a genuine regional culture—if massively influenced by American popular culture (cf. Fluck 2006, pp. 58–59; Luger 1995, p. 502)—a revivification of the Austrian postwar film industry was hindered rather than promoted. Whereas opera, theater, and festivals were politically favored and financially promoted as cultural institutions, film was not supported as an artistic genre but primarily seen as a means of income to subsidize the elitist high culture productions. Accordingly, the Austrian film industry was integrated as part of the Federal Ministry of Trade and Reconstruction, and film screenings were charged with a special contribution, the “Kinosondersteuer”, until 1964 (Rieser 1995, p. 129; Steiner 1987, pp. 223–224). Besides an internal disavowal of national film support, external factors further enhanced the struggle of the immediate postwar film industry. Hollywood’s “Motion Picture Export Association”, founded in 1945, took drastic measures to restore the American film market and to regain its leading international role, which had been lost during the war due to trade restrictions. What Reinhold Wagnleitner calls “Operation Celluloid” (1994, p. 239), led to a successful campaign, in part based on censure and licensing measures, to reinstate the dominant position of Hollywood films in Austrian cinemas. The “Austrian Country Memorandum” of 1945, penned by the Hays Office (Motion Picture Producers and Distributors of America), explicitly considers Austria as an especially lucrative market for such a cultural mission: “It is very probable that Austria, under normal conditions and not subject to German pressure, would be an excellent market for American motion pictures.” (quoted in Wagnleitner 1994, p. 257) Besides the enforced American measures, the dilapidated Austrian film
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industry was further hampered by that fact that Austria was “used” for cheap productions by its better-funded German neighbor, and accordingly, as Günter Peter Straschek (1975, p. 267) argues, Austria was degraded to a “‘B’-Picture-Industrie” (quoted in Rieser 1995, p. 128). Arguably, this theory of a double—American and German—assault needs to be re-evaluated, because allied censorship ended in 1949, leaving Austria to take care of its own film industry. Also, the question remains whether the Austrian audience did not have a similar craving for American Hollywood productions as did their German neighbors (cf. Heidkamp 2006, p. 145). Certainly, a case can be made for the Austrian youth, whose yearning for American popular culture was rampant and promptly caused a campaign against such Americanized “Schmutz und Schund” (cf. Jagschitz and Mulley 1985; Blaschitz 2014; Hanslmayr 1985; Schmidlechner 1995). As for blaming Germany, one can also argue against the neighborly scapegoat theory that there were active efforts from the Austrian side to serve German taste, for example by softening the Austrian dialects or rather by mainstreaming the diverse Austrian regional dialects towards a generic, easily digestible “Austrian” Viennese as well as creating non-specific filmic landscape “paintings” with the effect that these rural films could take place anywhere— including somewhere in Germany.1 Therefore, one could pointedly claim that the Austrian film—and the Heimatfilm in particular—curried favor with the German audience to get at least a small share of the market revenues. Looking at the Heimatfilm, therefore, I want to counter such assessments to a certain degree and argue that this film genre was essential for the development of Austrian postwar cinema and for addressing very specific Austrian concerns—environmental interests and issues relating to gender and national identity being amongst the most prominent. My own understanding of the Austrian Heimatfilm partly grew out of a dissatisfaction with the academic as well as popular science discourse on the genre. While reading some of the most prominent research on the emergence of the Heimatfilm in the 1950s, I became increasingly irritated to find that many critics are indeed ignoring Austrian cinema at all or are conflating the Austrian and German postwar situation concerning the revival of the Heimatfilm in both countries.
1The
Austrian actor Paul Hörbiger confirmed this in a statement from 1951: “Aufgrund meiner reichen Erfahrungen, die ich während meiner Dreharbeiten in Deutschland sammeln konnte, habe ich mir einen Wiener Dialekt zugelegt, der auch in Berlin und Hamburg verständlich ist. Da sich der österreichische Film in Österreich selbst nie amortisieren kann, müssen wir unsre Filme nach den Wünschen des gesamten deutschsprachigen Publikums inszenieren.” (quoted in Höfig 1973, p. 73).
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Claudius Seidl, for instance, in his study on the German film of the 1950s makes a strong claim for the Heimatfilm being a very German phenomenon, tied to a specific time and place: “Der Heimatfilm […] steht ganz allein da: das einzige typisch deutsche Kinogenre; in keinem anderen Land gibt es ein Pendant.” (1987, p. 61) And yet, among the first examples of films and actors he lists, are Rudolf Prack and O. W. Fischer, both Austrian actors, as well as Rudolf Lenz of Echo der Berge (pp. 58–59), arguably the most iconic Austrian postwar Heimatfilm. While grounding the success of the Heimatfilm on the friendly and welcoming landscapes, which distinctly contrast the reality of ruins and rubble of the German postwar cities, Seidl nevertheless goes on to make an astounding claim: “Der deutsche und der österreichische Heimatfilm sind so eng verwandt, daß man die beiden kaum auseinanderhalten kann.” (1987, p. 65) He argues that since both nations share a common past—and guilt—when it comes to the involvement in National Socialist politics, it did not matter where exactly the Heimatfilm took place as long as the landscape served its purpose of spending solace: “Ein deutscher Heimatfilm konnte also ohne weiteres im Salzburger Land oder in Tirol spielen, österreichische Heimatfilme mit österreichischen Schauplätzen boten den gleichen Trost, die gleiche Beschwichtigung wie ihre deutschen Pendants.” (1987, p. 66) Like Seidl, Barbara Schrödl asserts that the Heimatfilm is a typical postwar German phenomenon, depicting a specific notion of Heimat. At the same time, she too argues that there is nothing specific regarding this landscape, no distinction between the Lüneburg Heath, the Black Forest or the Austrian Alps. She then goes on to single out as a key example, once again, Echo der Berge, which she like most others discusses under its German marketing title Der Förster vom Silberwald: „Der Heimatfilm ist eng mit dem westdeutschen Nachkriegskino verbunden. Er entwirft ein spezifisches Bild der Heimat. Die ‚Heimat‘ wird mit ländlichen Gegenden Deutschlands oder Österreichs—Heide, Schwarzwald, Alpen—assoziiert. Naturaufnahmen sind zentraler Bestandteil der Filme. Sie porträtieren nicht bestimmte Landschaften, sondern kombinieren idyllische Bilder verschiedener Schauplätze.“ (Schrödl 2004, p. 29).
Similarly, Hester Baer highlights the setting of Echo der Berge. While she mentions shooting “on location in the Austrian state of Styria”, she nevertheless speaks of the film’s celebration of “the beauty of the pan-German landscape” (2012, p. 163). Even Johannes von Moltke in his groundbreaking revisionist study on the Heimatfilm at times risks blurring the distinction between the two cinematic nations. Looking at the German postwar film industry, he writes about the difficulty “to stake its claim in a market heavily influenced by ‘American film colonialism’ and Allied distributors” (2005, p. 22). He goes on to assert that as a “protectionist strategy of product differentiation”, the German film industry
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turned “inward” and his very first example of the Germans turning to its own resources is the Austrian film of 1948, Rendezvous im Salzkammergut, by the Austrian director Alfred Stöger. Moltke does not, however, mention that this is an Austrian film set in Austria, but instead and with a view toward an international and especially American market, speaks of a “restricted Austro-German geography” being mapped out by such films making them “so parochial as to have remained virtually unexportable” (2005, p. 22). All of the aforementioned critics furthermore link the similarity or indeed indistinguishability of the German and Austrian Heimatfilm to production costs and market logistics. Moltke remarks that “we should look south from the Federal Republic and recognize that the cinema of the 1950s, and the Heimatfilm in particular, are essentially a German-Austrian co-production (even if the dependence of the Austrian film industry on the German market for amortization makes this an often rather lopsided affair)” (2005, p. 25). Schrödl similarly points to the dependency of Austria on the German market: “Ich subsumiere den österreichischen Heimatfilm und den westdeutschen Heimatfilm, da die Filme kaum nationale Unterschiede aufweisen, die Filmindustrien beider Länder eng miteinander verflochten waren und die österreichische Filmwirtschaft auf den Export nach Deutschland ausgerichtet war.” (2004, p. 37) Seidl, too, makes such a claim: “Die Filmindustrien beider Länder waren seit langem miteinander verflochten, an österreichischen Produktionen waren meist auch deutsche Geldgeber beteiligt, und kein österreichischer Film konnte seine Produktionskosten allein in Österreich einspielen” (1987, p. 65). While all these critics largely have German cinema in mind, even when dealing with Austrian films, Gertraud Steiner is one of the major researchers writing about the Austrian development in particular. In her landmark study, Die Heimat-Macher, she marks 1949 as the year of a serious crisis for the Austrian film industry and she addresses the exodus of film artists to Germany: “Viele Filmschaffende verließen Österreich, weil sie in Deutschland wegen des beginnenden Wirtschaftsaufschwungs bessere Möglichkeiten vorfanden. Den Anfang machte Rudolf Prack.” (1987, p. 50) She also highlights, however, that the financial crisis was only one reason for the ailing film industry: “Einen mindestens genauso großen Anteil an der Misere dürfte aber die geistige Erstarrung in Thematik und Gestaltung der Filme gehabt haben. […] Film in Österreich sollte einzig und allein eskapistische Entspannung liefern.” (1987, p. 51, 54) In her account of the postwar history of Austrian cinema, Steiner shows that the decisive turning point came in 1955, instigated by the surprise success of Echo der Berge (and followed by the three Sissi films of 1955–1957), which triggered many imitators and led to the strongest period of postwar productions until 1960, with the Heimatfilm
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as the most popular genre within the national film industry (Steiner 1987, p. 153–154). Part and parcel of this popularity arose directly from the successful strategy of the Austrian Heimatfilme to serve “as promotional tools for the national tourist industry, which was keen to lure cinema-goers as tourists to Austrian villages.” (Fritsche 2013, p. 104) Thus, to instigate an internal tourism, as Maria Fritsche argues, these films “actually display a number of signifiers that imply ‘Austrianness’” (2013, p. 104) such as dialects, costumes and names of actual places in Austria, assuring the audiences “that Heimat is a ‘real’, exiting place that can be found on the map” (2013, p. 104). With this line of reasoning, Fritsche is one of the few critics who goes against the dominant paradigm of a unanimously shared cultural heritage of Austria and Germany. While admitting that the Austrian film industry had strong ties to and was largely dependent on its German neighbor, I want to argue that this iconic example of the postwar Heimatfilm, Echo der Berge, is not only essential for the development of Austrian postwar cinema as well as for the revival and development of the genre of the Heimatfilm, but furthermore, that this film addressed very specific Austrian concerns. Admittedly, some strategies served the double purpose of also attracting a German audience in addition to an Austrian one. Amongst these strategies are casting, language, costume, and plot, but especially the treatment of the figure of the stranger, on which I will focus. But when looking forward to my second example from the mid-1960s, Ruf der Wälder, my claim as to this alleged bilateral connection extends to viewing these films in the light of a triangulated transnational context that is based on an overwhelming presence of Hollywood productions in postwar Austria creating an influence of and a reaction to such cinematic authority. In contrast to many critics who argue that these films show a de-Austrification for commercial purposes, I want to suggest that this was largely a strategic maneuver, behind which stood the very important purpose of helping to model an Austrian identity as decidedly distinct from its German neighbor.
3 Echo der Berge and the Gentleman Forester From an Austrian perspective, Echo der Berge is one of the most successful and trendsetting films of the 1950s. As argued by Steiner, the film remains the prototype of what we today understand as Heimatfilm (cf. Steiner 1987, p. 160). It was, however, a surprise success not only in financial terms but above all as the blueprint for many films to follow, because originally it was not meant to be a feature film at all. In its initial stages in 1952, the film project was conceived as a 30-minute documentary (Kulturfilm), mainly envisaged for propagating
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nature conservation and advertising the connectedness of the master hunter (Herrenjäger) to nature in Austria. The film was to be shown at the international hunting exhibition in Düsseldorf in 1954, but eventually also in movie theaters. The latter, however, could only be achieved either in a shorter version as an opening program or in a longer version as a full feature film. The decision was then made to include a plot that should be in symbiosis with the idea of nature conservation. To this dual focus—a marketable film and hunting propaganda— a third component was added: a touristic advertisement for Austria. The Austrian Federal Ministry of Trade and Reconstruction, at the time in charge of all matters concerning film in Austria, granted an unusually high amount for the film’s production (a fifth of the film’s overall budget), based on these three promotional pillars, i.e. a feature film project raising awareness for hunting and tourism. Also unusually, the film was an all-Austrian production without a distributor for Germany yet. And indeed, the sales representatives for the German market thought the film unsuitable for a German audience because the plot was believed to be too simple, the pictures not cinematic enough, and the dialect too Austrian. Above all, the aesthetics were considered as not adhering to feature film standards, after all, but leaning to a documentary style instead (cf. Steiner 1987, pp. 163–164). After its immediate box-office success in Austria, however, the Germans changed their mind and wanted to include the film in their program, but with two alterations: the film should be more cinematic, which meant changing some scenes, and the title should be more sellable, thus the decision to change it to “Der Förster vom Silberwald”. The film went on to be a smash hit in Germany, winning the BAMBI for the most commercially successful film of the year. It is noteworthy that the film in its native country was marketed decidedly as an antidote to the American products that dominated the Austrian movie theaters. One slogan stood out in that it overtly set the promotion of the Austrian landscape against its American counterpart: “Auch das Gebirge lebt, nicht nur die Wüste!”, wrote Rudolf Weys in a review of Echo der Berge in 1954 (quoted in Peterson 2010, p. 130). The reference to genre films is obvious: Alpine mountains are characterized as vibrantly as desert landscapes, and thus in continuation the Heimatfilm as just as exciting as the Western. More intricately, however, the slogan also refers to Walt Disney’s The Living Desert of 1953 (German title Die Wüste lebt), yet another national type of Kulturfilm which was perceived by Austrian critics as too “artificial and over-technologized”, while Echo der Berge was praised for its authenticity and realism (Baer 2012, p. 163). Indeed, Shane Peterson notes that the reception of Echo der Berge in the daily and cinematic press coverage “employed the Alpine terrain in 1954 to come to terms primarily
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with the present, using American landscapes and Hollywood cinema as a foil for negotiating post-war Austrian identity during Allied occupation” (2010, p. 139). The forester Hubert Gerold, played by Austrian actor Rudolf Lenz, in his portrayal as guardian of nature is instrumental for the film’s environmental as well as national and gender politics. From the very first images, we see Hubert fighting to protect ‘his’ forest from multiple threats stemming both from without and within the mountain community: he chases poachers but also reckless urban intruders such as Liesl (Anita Gutwell) in her first unaccompanied entry into the forest, where Hubert hunts her down to chastise her for upsetting the animals. But he also fights against those modernizers from the village Hochmoos, who through deforestation want to build hotels to attract tourists. As such, Hubert stands for the country and against the city, for tradition and against modernization. Looking back, the actor Lenz considers his role as essential for staking out the Austrianness of the film: “Ich finde, daß dieser ‘Förster vom Silberwald’ oder ‘Echo der Berge’ ein rein österreichischer Film war und die österreichische Mentalität verkaufte. Und das war der Grund für den geschäftlichen Erfolg dieses Films.” (quoted in Fritz 1984, p. 83). Critics caught onto the voyeuristic style of the film early on, and indeed, it is Hubert’s gaze—magnified through his “prosthetic visual devices” (Baer, p. 164), the binoculars and field glasses—that we are forced to follow.2 In the film, it is Liesl who is being instructed to honor and cherish the marvelous nature. Beyond the diegesis—and supported by the orchestral grandeur of the film score—it is the audience who is called upon to revere the majestic mountainscape, however. This didactic agenda as conveyed through the forester reveals a contradiction that is at the heart of the film’s complex ethics: while the film condemns the villagers’ radical approach to deforest the legendary Silberwald to facilitate tourism, it nevertheless envelops the touristically inclined viewers through its offer of voyeuristic pleasure. At the same time, it seems odd that, of all people, Hubert is chosen to convey this message, thus adding to the film’s intricate ambiguity. Because as much as Hubert is the spokesperson for safeguarding the local forest and its animals, there is a problem with him: he is a stranger to this village. Accordingly, the forest is not “his” at all but the property of Hofrat Leonhard, his employer. And yet, he
2Bliersbach
links Hubert’s gazing both to the audience’s erotic fascination with watching a film, since, like Hubert, they are impotent in this passive exclusion, as well as to the aggressive activity of a photographer taking snapshots, i.e. bloodless shooting (1985, p. 47).
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takes pride and responsibility in his vocation, which is met with scorn by the locals. In one of the first scenes, when confronting them for cutting down trees, he is straightforwardly told: “Wenn ich ein Zug’reister wie Sie wär, tät ich mich nicht um fremde Angelegenheiten kümmern.” (05:02–05:07) The only trait that finds approval is his shooting competence: “Ihr seid schon merkwürdige Leute hier. Bei Euch fängt der Mann wohl erst beim Jäger an, hm?” (48:56–49:00), comments Hubert’s rival Max, an outsider like Hubert, after witnessing the local males praising Hubert’s hunting skills. Humbert’s “foreign” background—exemplified through his playing Bach on the organ as well as mentioning a lost farm—suggests him being a displaced war veteran, expelled from his native Protestant home. Arguably, this circumstance may have specifically appealed to a German audience, as Buchschwenter suggests (1996, p. 264).3 However, in his character conception, I would argue, it was his particular model of softened masculinity that was attractive and trendsetting for an Austrian audience. His status as the film’s hero does not rely on a hard, military, and aggressive masculinity, but on one that is grounded in nurture and restraint. Having lost his home, he is emotionally wounded but morally stalwart with a resolute male code of honor. Such “moral masculinity” (cf. Fehrenbach 1995, p. 155)4 must be seen as essential for presenting a new postwar hero for
3Buchschwenter’s
argument is tempered, however, by his erroneous claim that the audience could especially identify with the “foreignness” of both Hubert and Liesl, because both characters were played by German actors: “die beiden (deutschen!) Hauptdarsteller von Echo der Berge Rudolf Lenz und Anita Guttwell [sic]“ (p. 264). Not only are both actors Austrian, the claim to Lenz’s and Gutwell’s Germanness and thus problematic adaptation veils the very different—and eminently gendered—difficulties of the characters Hubert and Liesl to integrate into the village community. Irritatingly, Buchschwenter is not the only critic to confuse Hubert’s actor’s identity. Moltke mistakes Lenz for Prack when he writes that the “local hunter” was “played by Rudolf Prack” (Moltke 2005, p. 138). 4Heide Fehrenbach discusses the moral masculinity of forester Walter Rainer (Rudolf Prack) in Grün ist die Heide (1951) as a newly emerging ideal “for the German romantic lead—the man, that is, who will take Germany into the future. Like the forester, Walter Rainer, the ideal German has a code of honor. He is law-abiding to a point but not to a fault. In Grün ist die Heide, Walter resists having Lüdersen [i.e. Helga’s father] arrested for poaching out of concern for the shame it will bring Helga” (1995, pp. 154–155). Walter, like Echo’s Hubert, is a stranger facing communal problems because of his outsider status. And like Hubert, Walter in the end is integrated in the community due to his being “perceived as a principled humanitarian, a man with a heart—something that signals his difference from the Nazi film hero” (Fehrenbach 1995, p. 155). But Hubert’s moral masculinity serves above all as a model for the future within a specifically Austrian context, which not only sets him apart from an older military masculinity in general but also from a fascist masculinity linked to a German past in particular.
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Austria, a hero who is moderately modern and sufficiently traditional, lecturing on conserving nature and animals against capitalist greed and technological advancement. His superior manhood becomes obvious when contrasted to his rival competing over the same woman. The character of Max Freiberg, played by Austrian actor Erik Frey, is negatively marked by his abstract art (he has an art studio in Vienna) and playboy lifestyle (Liesl is only one of his protégée girlfriends), which correlates to his destructive and illegal hunting. Besides Max’s trendy red sports car, which supports his urbanite stylishness, the clothes of Max and Hubert signify their respective backgrounds. Whereas Hubert is consistently clad in the earthy clothes of a forester, which not only provide him with a “sturdy appearance suggesting physical strength and power” through their thick and stiff fabrics, but which also reflect nature through their colors and thus “function like protective mimicry, enabling men to reunite with nature” (Fritsche 2013, p. 127). Max, even while poaching, wears fashionable city clothes, which highlight his urbanite out-of-placeness. Through his illegal hunting and promiscuous, avant-garde lifestyle, Max’s masculinity is defined as socially dangerous and culturally abnormal. In contrast, Hubert’s masculinity is ascertained and secured by his being at home in the mountains and forests. Furthermore, this nurturing and caretaking masculinity of the forester entails elements of the feminine resulting in a partial reversal of traditional gender roles. Nature is man-handled and thus there is no need for women in such landscapes; they might even be “prevented from entering them unguarded because they are perceived as carriers of impurity, and are thus in danger of polluting them” (Fritsche 2013, p. 127). This clearly can be seen in Liesl’s first solo entry into the forest; from there on she is ‘guarded’ and lectured by Hubert, whose uncontested closeness to nature establishes his moral masculinity, as does his willingness to sacrifice his happiness for the sake of protecting Liesl’s honor. When he catches Max poaching, Hubert wants to hand him over to official persecution, but assuming that the weapon Max uses for shooting game may have been given to him by Liesl (which turns out to be untrue), he keeps silent, lets Max get away unscathed and loses his position as a forester. What typically would have been a showdown and a shootout scene marking the film’s climax and solving the male rivalry here turns into a restrained “manly” negotiation, which is in alignment with the overall affective economy and moral code of the Austrian postwar Heimatfilm, in which the heroes are not overtly violent, do not act up against injustice, and suffer in prolonged silence instead until—as is the case with
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Hubert at the very end—they are reinstalled in their honorable righteousness. Hubert, at first outraged and adamant to pursue legal measures (“Sind Sie verrückt? Was haben Sie da gemacht? Das ist ja Wilderei! Unser bester Hirsch. So eine Gemeinheit! Ich zeig Sie an! […] Es ist meine Pflicht […] Das kostet Sie ein paar Monate, Herr Freiberg! Was Sie getan haben, ist ein Verbrechen, verstehen Sie?” (52:43–53:17)), reluctantly relinquishes his responsibilities and resigns when he realizes that the rifle came from the arsenal of Liesl’s grandfather. Max, meanwhile, deliberately does not say who gave the weapon to him (“Man hat es mir gegeben.” (53:33–53:35)), downplays his poaching and even tries to bribe Hubert (“Machen Sie doch keine solche Affäre draus. Ich habe mich eben hinreißen lassen. Bitte, ich werde die Sache bereinigen. Was kostet das?” (53:08–53:12)), and forces Hubert into an agreement (“Es muss doch einen Weg geben, die Sache aus der Welt zu schaffen. Glauben Sie nicht, Herr Gerold, dass es das Beste wäre, wir schweigen darüber?” (53:43–53:47)), which costs Hubert his position as forester and Liesl’s adoration, and thus drives Liesl—if only temporarily—back to Vienna, reinstalling her into Max’s artistic entourage. Hubert’s code of honor and gentlemanly considerateness seem ill-motivated given Max’s roughish and corrupt misdemeanor. Hubert is guilty himself, after all, for hushing up a crime. Only at the very end of the film will his reputation be restored, and only through Liesl’s initiative after she finally finds out about Max’s secret poaching. Wrongful accusations against the male hero are a staple of the Heimatfilm, and usually—like in Hubert’s case—lead to a reaffirmation of masculine virtues. Accordingly, this formula—discouraging masculine aggression in order to ascertain chivalrous endurance—entails the temporary emasculation of the hero before restoring him to power, as Fritsche points out, adding that this ritual process follows a religious design: “Men have to undergo a period of trial in which their faith is tested; this is a religious motif that serves to underpin Heimatfilm’s endorsement of traditional, Christian values.” (2013, p. 111) Echo der Berge blatantly asserts this message: the final tableau shows the town gathered at the church to celebrate the Hubertustag, the feast of the hunter. Hubert, whose name now clearly is confirmed in its metaphorical meaning, gets back his forester position and, through a silent exchange of gazes, he also comes to a tacit understanding with Liesl. Even though “[l]ike many other postwar films, this one also fails to attain the consummation of a relationship between its protagonists” (Baer 2012, p. 174), Hubert, the foreign but gentlemanly forester, receives the necessary blessings to be integrated into the rural community.
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4 The Forester as a New Western Hero “Der Western ist ein Heimatfilm.” (Früchtl 2004, p. 53) Indeed, the Heimatfilm has repeatedly been compared to the Western film. Both are said to be the epitome of those genres which best represent the national psyche. Both depict “nationalmythische […] Selbstprojektionen”, according to Peter Pfeiffer (2008, p. 156).5 Both the Western and the Heimatfilm are spatial genres and they have always been spectacular in the ways they relate landscape to character and narration. In both genres, nature figures as a major protagonist, and it is the male hero whose fate and character are intricately linked to the landscape. Both genres reach a climax in the 1950s and have undergone various stages of revision since. And yet, as Claudius Seidl (1987, pp. 58–59) points out, there are distinct differences between the Heimatfilm and the Western of the 1950s. Although both succeed as postwar genres, subtly dealing with the traumas of that war, they are strangely chiastic in their strategies and outlook, one may argue. The traditional Western looks back at the late nineteenth century with the frontier not yet closed. The Civil War functions as a thinly veiled substitute for World War II. But this backwardness notwithstanding, the outlook is one oriented towards the future. In contrast, as Seidl (1987, pp. 59–60) maintains, the Heimatfilm is usually set in the present, but its ideology is one firmly rooted in former and presumably better times. This myth of a better past is played out in safeguarding nature against technology and by analogy in keeping its inhabitants within a moral system that defies the intrusion of modernizing evils. I believe, however, that films such as Echo der Berge display a more complex picture than merely an escapist future-phobic arcadia. The forester, while traumatized by his recent war experience, is very much invested in staking out the parameters of finding a new home. This entails redefining his relation to nature, violence, and women, a precarious revision that can be compared to that of a new type of hero in 1950s Westerns. The American Western of the 1950s struggled to revise its traditional black-and-white formula. Writing in 1954, Robert Warshow already describes
5Pfeiffer
here critiques the generalizations of Bliersbach (1989); Rentschler (1984); Steiner (1987); Schuh (1996), and others, who insist on the reactionary, kitschy, anti-modern escapism of the Heimatfilm as “Opas Kino” (Peiffer 2008, p. 156).
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the Western hero as being lonely, a man of repose, his presumed moral clarity reflected through his physical image against the landscape, the last gentleman with honor and style, he does what he has to do. “A hero is one who looks like a hero,” writes Warshow (1999, p. 667), and yet he accedes an ultimate moral ambiguity: this hero is someone who kills men, after all (1999, p. 659). Warshow’s essay was published at a crucial turning point in the Hollywood Western tradition, a turn towards an increasing psychologizing and melodramatizing of the genre (Seeßlen 1995, pp. 104 ff.), which led to an erosion of hegemonic masculinity (Hamilton 2016, p. 46). This crisis of masculinity entails a softening of the hard-male physicality and the rise of a new look: the softer and neurotic, yet highly attractive rebel heroes played by actors such as Montgomery Clift and Marlon Brando (Cohen 1997, p. 204; Mitchell 1996, p. 158). Following this revision, I want to suggest that the Austrian Heimatfilm of the 1950s invokes similar traditional oppositions but questions them critically and even tries to overcome them. Like the sheriff of the Westerns being contrasted to the outlaw, the Heimatfilm restages the “good” but boring forester in contrast to the “bad” but exciting poacher. The question remains whether this Manichean split reflects the moral outlook that the Heimatfilm aims to convey, or whether— like the Western—it rather aims to shatter such dichotomies: “Westerns strive to depict a world of clear alternatives—independence versus connection, anarchy versus law, town versus desert—but they are just as compulsively driven to destroying these opposites and making them contain each other.” (Tompkins 1990, p. 48) The typical forester, like the sheriff, not only has the law on his side, he is above all part of the landscape, merging with nature. This makes him problematic concerning his integration with the village community, and it even brings him closer to his opponent—the outlaw in the Western, the poacher in the Heimatfilm. For this reason, the triangular relationships are always precarious: If the desired woman does not function anyhow as mediating figure within the symbolic traffic between the men, then a central conflict of the 1950s is at stake: the sexually more attractive poacher must be eliminated as a socially incompatible element in favor of a not unattractive but harmless and socially suitable forester. It remains uncertain whether the woman always makes the right choice, but also whether the male types are as different as they seem. Taking a second look at Rieser’s claim that films such as Echo der Berge succeeded because they installed the “Förster in der traditionalen Sheriffrolle” (p. 125), I suggest that Hubert in his soft and suffering masculinity does not fit the description of a traditional cool, hard-bodied, virile sheriff. A case in point is Hubert’s sexuality. Going against the prudish morality of the typical 1950s
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Heimatfilm, where passionate kissing is not shown, there is a rather extended kissing scene halfway into the film between Hubert and Liesl in Echo der Berge. And yet, this scene seems triggered by watching fighting animals and is thus mediated through its voyeuristic nature gazing. The effect is decidedly not so much romantic but rather dramatic since the emotional built-up of the kiss is cross-cut and thus enhanced by the violent documentary shots of an eagle killing a fox and of Max racing in his red sports car towards Hochmoos. Baer comments on this scene that “[n]ot only does this cross-cutting escalate the conflict between Max and Hubert as Liesl’s diametrically opposed suitors, but it also heightens the contrast between the traditional beauty of nature and the glamour of modern accoutrements like Max’s car” (2012, p. 176). The scene, however, also foreshadows an element that will be pronounced in later Heimatfilme: as much as Hubert the forester may be said to emanate a pacified, if not stiff and boring masculinity, this scene not only suggests an erotic allure otherwise missing in the film but also a sexuality that is directly tied to danger and even death. Even though Hubert only reluctantly relies on violence in his actions, he does so explicitly by shooting the poaching dog, who happens to be the Hofrat’s and also very dear to Liesl, and implicitly by being triggered and—dare we say?— aroused by watching the majestic eagle hunting down and killing its prey. The forester’s outwardly peaceable and docile masculinity may harbor suppressed and undomesticated elements, after all. And while this subdued dangerous potential is contained in the end with Hubert’s and Liesl’s union—and significantly not sealed by a kiss but sanctioned through attending the archaic ritual of blessing a dead stag—the proximity of romance and death as mediated through the male hero moves to the forefront in Heimatfilme of the 1960s, epitomized in Ruf der Wälder.
5 Ruf der Wälder and the Dangerous Sexy Stranger The Silberwald of Echo der Berge was in danger but saved by the forester’s bravado. And yet, Hubert’s gentle but ultimately ambiguous masculinity cannot gloss over the fact that the “generic image of the forest idyll shades over easily into the dark and unheimlich woods” (Moltke 2005, p. 94). Moltke points to the proximity of Heimat, horror, and history as essential to the Heimatfilm, where “the forest is not only a refuge for morally upstanding city folk, but also provides cover to countless smugglers, poachers, and other wayward figures” (2005, p. 94). Echo der Berge additionally discloses the threat to the forest as stemming from all-too-eager modernizers, be it for the sake of tourism or in the name of
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technology. While the former—increasing the attraction for tourists—led the Heimatfilm towards what Steiner calls “ländliche Lust-Spiele” (1987, p. 238) such as the revival of the Weiße Rössl films (Im Weißen Rössl [Werner Jacobs 1960], Im Schwarzen Rössl [Franz Antel 1961], Im singenden Rössl am Königsee [Franz Antel 1963]), the latter more willingly embraced technology in films such as Das Lied der Hohen Tauern (Anton Kutter 1955) or Ruf der Wälder. In any case, both trends of modernization signify a demise of the traditional Heimatfilm formula, which went hand in hand with a general and severe period of crisis that Austrian cinema entered in the 1960s. Amongst the many reasons for this crisis was that Germany—in contrast to Austria—launched a state-sponsored film promotion program in 1962 and actively invited Austrian filmmakers to transfer their productions to Germany (Steiner 1987, pp. 218–219). Measures taken from the Austrian side were an increase in co-productions (e.g. with France, Italy, Czechoslovakia) leading to an internationalization of national cinemas in general as well as an Americanization in particular in the sense that Austrian films turned to formulas known from American films, especially “sex and crime, themes that would overtake Austrian and West German films of all genres during the decade” (Dassanowsky 2005, p. 181). Ruf der Wälder of 1965 is a prime example of this overall development, since here all kinds of currents converge marking the change in Heimatfilm aesthetics. In many ways, it was a solidly Austrian production with Franz Antel, one of Austria’s most productive and successful directors. Also, it was Antel’s second of three adaptations of Moravian-Austrian writer Marie von Ebner-Eschenbach’s 1896 novella “Krambamuli”, a story about a dog, first belonging to a tramp, then to a forester.6 The 1965 version took the Heimatfilm to a “new”, modernized, and “hardened” style by inserting a sex-and-crime plot into the Heimatfilm narrative. Furthermore, the depiction of the Kaprun Tauernkraftwerk and glacial aerial lift (Gletscherbahn 1 opened in 1965, the second in 1974) as central locations pointed to a strong symbol of the successful reconstruction of postwar Austria’s industry and technology. This was a symbol of progress that nevertheless ignored the fact that the plans for a hydroelectric power plant dated back to the 1920s. Its construction was partly done by prisoners of war and Jewish and Soviet forced
6Antel’s
two other adaptations of Ebner-Eschenbach’s story are Heimatland (1955) and Sie nannten ihn Krambambuli (1972). In addition, there are two more adaptations by other directors: Krambambuli (1940) by Karl Köstlin, and Krambambuli (1998) by Xaver Schwarzenberger.
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laborers during the war and completed with massive help from the Marshall Plan in 1955, a few months after the signing of the Austrian State Treaty.7 Likewise, Ruf der Wälder uses Kaprun’s power plant as a backdrop, but does not mention its conflicted history. Like Echo der Berge, the plot of Ruf der Wälder revolves around a love triangle: the assistant forester Bernd—played by German actor Hans Jürgen Bäumler (then at his height of popularity as an ice-skating champion)—is in love with Angelika (played by the Austrian actress Johanna Matz), who however falls for immigrant worker Marcello (Mario Girotti, the Italian actor later known as Terrence Hill).8 Both Bernd and Marcello are outsiders arriving in Kaprun literally on the same train, but only Marcello gets into trouble for being too foreign to be assimilated into the Alpine village community. He is framed for a crime he only inadvertently committed, has to go to jail, breaks out, and is shot—significantly not by his rival but by the senior forester (Gerhard Riedmann). Angelika buries her lover and remains with the young forester in what is clearly not a full-scale happy ending. Steiner argues that the change from the original rover in Ebner-Eschenbach’s story to Marcello as Italian migrant worker is an indicator that the film was meant to specifically appeal to German audiences, where Gastarbeiter had already been recruited in significant numbers and Italians were one of the largest groups.9 She particularly condemns this alteration as a poor, racist choice: “Die Darstellung des Italieners als Totenschläger und sein unrühmliches Ende waren dazu angetan, gehässige Affekte zu schüren. Eine wirklich fortschrittliche Bearbeitung der Vorlage hätte die Diffamierung von Randgruppen aufgeben müssen. Stattdessen wird hier einfach an Stelle des Vagabunden eine andere Menschengruppe, die der Gastarbeiter, mit dem Stempel der Minderwertigkeit versehen. […] Sein Tod kommt einer Verurteilung gleich.” (1987, p. 235)
7Elfriede
Jelinek refers to Kaprun’s power plant in two of her plays, In den Alpen (2002) and Das Werk (2003), with bitingly ironic criticism of the Austrian victim myth: “Das meiste wurde verschwiegen. […] Etliche hat damals auch die Betonspinne erwischt, droben, auf der Dammkrone. Wutsch, waren sie weg, im Guß des Damms verschwunden, gleich eingemauert, das Einmauern haben wir damals ja noch gekonnt, egal, was die Heimat von uns dachte. Egal, was die Heimat andrer von uns dachte” (2002, p. 9). 8The DVD cover in the 2013 series Filmjuwelen mainly advertises Terence Hill; both his name and picture are larger than those of Matz and Bäumler. 9In an article from 1963, i.e. two years prior to the release of Ruf der Wälder, the overall number of Fremdarbeiter for the month August was listed as 13,800; the share of Italians was 2400. In comparison, the Federal Republic of Germany had over 800,000 at the same time (“Das Fremdarbeiter-Kontingent in Österreich” 1963, p. 411 and 414).
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Notably, the depiction of Marcello, the Gastarbeiter—or Fremdarbeiter as they were still called then—is ambivalent. On the one hand, the film plainly shows that such a foreigner cannot integrate, even though in many ways he does not seem different from his co-workers except for his lack of fluency in speaking German. But even that varies throughout the film, for example when in a scene in the bank where he meets Angelika for the first time he starts with standard German syntax only to switch to a sort of Pidgin-German to better flirt with Angelika, who realizes this: Angelika: “Sie sind ein Gauner! Sie können doch fabelhaft Deutsch!” Marcello: “Nein, nein, nein! Ich könne überhaupt nix. Kein überhaupt nix Deutsch.” (23:33–23:41)
Brenna Reinhart Byrd mentions that in interviews the actor Mario Girotti “speaks with a much more subtle [sic] Italian accent […]. Hence, it is reasonable to believe he is exaggerating an Italian accent for this film” (2010, p. 79). Byrd contends that while Ruf der Wälder is one of the earliest examples of representing Gastarbeiter in a German-language film, “Marcello is much more fluent in German than the migrants in other movies of this time period, and he also often speaks Italian without the film adding subtitles” (2010, p. 80). This is noteworthy since it seems to suggest that Austrian audiences were familiar with Italians and that a person speaking Italian was not a hindrance for social acceptance per se. On the other hand, the film bluntly shows that part of the trouble in Kaprun is homegrown, since the criminals who frame Marcello are local villagers and co-workers. One of them in particular, Kubesch (Rolf Olsen), is patently xenophobic from his first encounter with Marcello, and only too happy to have Marcello forcefully eliminated from their community. In this sense, the figure of Marcello only adds to the loss of social coherence already prevalent. It is important to stress that Kubesch is an extremely unsympathetic character, in striking contrast to Marcello: “Through the sympathetic character of Marcello, the film is able to critique some attitudes in Austrian society, by making the Austrian seem foolish and aggressive, obsessed with rules and hostile towards foreigners.” (Byrd 2010, p. 80) And yet, even though he only stumbled onto the real crime scene, surprising Kubesch and another local as they are attempting a bank robbery, he gets into a fight with this local because he kicks Marcello’s dog. Marcello gets so upset that he beats the assaulter and ultimately hurts him lethally. In contrast to Marcello’s otherwise gentle and polite manners, this violent reaction when it comes to hurting his dog has precedence and thus shows him as displaying a hot-blooded Mediterranean temperament. What is more,
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he is thought to be “too sexy” and thus dangerously attractive and harmful for local girls while causing a crisis of masculinity with the local men as articulated repeatedly and most rudely by Kubesch, who complains: “Es wird noch so weit kommen, dass uns die Makkaroni die Mädel wegschnappen.” (22:51–22:53) As further indicator of Marcello’s dangerously virile attractiveness, he has left behind a fiancée back in Italy who, after hearing nothing more from Marcello, comes looking for him and confronts Angelika. There is never a fair chance for the future of the romance between Marcello and Angelika, even though they are obviously in love, whereas Angelika only endures Bernd, her eventual lukewarm lover. The difference between the two men can already be seen in their way of dressing: Marcello’s choice of clothes is consistently very stylish and modern, the turtlenecks and polo-shirts tightly hug his muscled body, and he is even shown semi-naked in swimming trunks. Bernd’s style is more ambiguous; at times he wears clothes similar to those of Marcello, for example, a fashionable checkered sports coat, but he is also clad in local Tracht due to his profession as a forester and thus signaling his nature-oriented steadiness and willingness to uphold local customs. In any case, however, even though Bernd is far from shy in his flirtatious ambitions, his manner of wearing these assorted clothes comes across as stiff and buttoned-up, as if he were posing for an ideal he only aspires to. In this, his virile attributes never quite add up to a convincingly unified masculinity and Bernd thus never gets close to emanating the same kind of sexiness—and danger—as Marcello does. Accordingly, although like Hubert in Echo der Berge he is a stranger in this Alpine community, he likewise features a softened, moral masculinity, and even overcomes his jealousy and saves the life of Marcello at one point. But in contrast to Hubert, this does not heighten his appeal anymore. In the end, he is clearly the second, if the safer and communally more acceptable choice for Angelika, who follows the “realist” love ethics of the engineer Prachner (Rudolf Prack) as explained to Angelika.10 While she insists on Marcello’s laudable qualities (“Warum sollen wir nicht zueinander gehören. Ich hab nie gewusst, dass ein Mann so zärtlich sein kann. So
10Interestingly,
Prack has been cast in the first four of the five “Krambambuli”-adaptations. But while in the 1955 version Heimatland he still performed the lover as a middle-aged forester who in self-defense shot his rival, the poacher, and in the end married the woman the two men fought over, in Ruf der Wälder he has been relegated to the side-lines as lover. Even though he seems to be enamored of Angelika, he leaves the battle over her to the two younger rivals and now acts as a wise elderly mentor to both Marcello and Angelika.
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rührend und lustig.” (41:31–41:37)), he suggests that Marcello would prove to be a difficult choice for Angelika because of his double nature: Angelika: Ist ein Italiener vielleicht ein schlechterer Mensch? Prachner: Mit der Nationalität haben diese Dinge nichts zu tun. Angelika: Dann wollen Sie sagen, Marcello ist ein schlechter Mensch. Prachner: Auch nicht. Aber ich möchte Sie trotzdem vor einer Enttäuschung bewahren. Liebe ist etwas anderes als ein Leben miteinander verbringen. Nur wer das ganz große Los zieht, bei dem fallen diese beiden Dinge zusammen. Ich weiß, am Anfang glaubt man immer, weil man liebt, gehört man auch zueinander. Das meint man nur, weil man gern möchte, dass es so ist. […] Aber in jedem Menschen stecken auch andere Dinge. Marcello zum Beispiel ist maßlos jähzornig. Ich habe ihn kennengelernt, wie er einen Menschen beinahe umbrachte. (41:08–41:45)
Ultimately, Angelika follows Prachner’s advice, almost verbatim repeating his words and adding further, when Marcello wants to persuade her to make a run with him for Italy: “Wir haben zuwenig voneinander gewusst. […] Wir beide haben einen schönen Traum geträumt. Ein romantisches Glück, irgendwo auf einer Insel. Aber diese Insel für zwei Menschen allein gibt es nicht. Träume kann man nicht leben. Leben muss man die Wirklichkeit. Und die Wirklichkeit für mich ist hier.” (1:13:58–1:14:18)
Angelika has chosen the realist path of living, while Marcello opts for pursuing a fiercely emotional and ultimately fatal “dream”. Pfeiffer sees this ending as being open for the future instead of resorting to a retrograde utopia but admits that the ambiguous rivalry between Marcello and Bernd remains unresolved, thus rendering the psychological logic of the plot ultimately incoherent as a “Modernisierung im Lodenlook” (2008, p. 159, 167, 161). In my understanding of the film’s solution, I perceive a precarious poise in the way the film wavers between the introduction of an alternative model of masculinity (sexy Marcello) and an adaptable type (moderate Bernd). Even though the latter seems to win, the former remains more alluring, attesting to an ongoing representational crisis of masculinity in Austrian cinema that continues to linger throughout the 1960s and beyond. Andreas Hudelist suggests that “Ruf der Wälder ist noch ein Produkt der konservativkatholischen und bildungsbürgerlich-aufstiegsorientierten, gewerkschaftlichen Kreise auf dem Filmmarkt. Dabei setzt der Film eine heimatliche Idylle fort, die im Schatten des meistbesuchten österreichischen Heimatfilm Echo der Berge […] steht” (2017, pp. 155–156). But he admits that his idyll is merely meant to lead the audience to believe in a utopia without conflicts. The inclusion of a character like Marcello discloses as much the fear of an intrusive foreignness as a longing for Hollywood-like outlaw types closer at home. The audiences of Ruf der Wälder
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already reveled in the new type of heroes in Westerns such as Montgomery Clift and Marlon Brando and rebel outsiders such as James Dean and Elvis Presley. In turn, European actors such as Mario Girotti and Horst Buchholz not only succeeded to international fame in Westerns (Spaghetti and Hollywood Westerns respectively), their success also stands for a star system that binds stars to specific filmic genres. Since in the Westerns as well as the Heimatfilm the moral “lesson” is pivotal for the identification with the star (and especially the male star in these genres), such castings were of utmost importance and influential in their affective impact on the audience. And even though the overall message of such genre films at the time may still have remained a conservative one, these rebel characters opened the path to diverging readings and ultimately to generic revisions. Therefore, the thrill of the sex-and-crime update in Ruf der Wälder demarcates as much a crisis for the Austrian Heimatfilm genre and its negotiation of postwar moral masculinity as it points the way towards presenting actors of a new, post-Prack and -Lenz generation playing roles that are more alluring in their ambiguously—because dangerously— virile sexuality.
6 Rooting for the Villain: The Suspense of the New Transnational Heimatfilm Already Echo der Berge wavered between a partial modernization and safeguarding of traditionalism. While the Silberwald can be saved through the initiative of the forester, another parcel of land—which the film never shows— is sold for future touristic development, which attests, according to Pfeiffer, to the conservative and ideologically dishonest character of such Heimatfilme (2008, p. 162). This hidden modernization moves to the surface in Ruf der Wälder, along with a now unconcealed presentation of violence. In Echo der Berge, the “logic of substitution” (Kapczynski 2010, p. 311) only shows animals shot and dead, symbolic bodies absorbing the continuous subcutaneous male violence still at work, albeit to serve a moral purpose. In contrast, in Ruf der Wälder, Marcello gets shot, although in a rather sentimentalized and accidental shootout. Nevertheless, male-on-male aggression is both represented as dangerously nearby and morally objectionable. Hubert in Echo der Berge contains the violence, which he encountered and presumably participated in during the war, and channels it by legitimately hunting game. When confronted with a rival/poacher, he negotiates and keeps secrets rather than risk confrontation and m an-on-man violence. The outcome, therefore, is predictable: his hard worked-for gentlemanliness secures amorous success and social acceptance. Bernd in Ruf der
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Wälder is both a tamer and modernized version of Hubert. Already belonging to a post-war generation, he has no burden to suppress. His non-violent masculinity is genuine, as are his efforts in flirtation and fashionableness. Although not shown as an ardent lover, his persistence and respectability win over Angelika as well as the village community. With this conclusion, the Austrian Heimatfilm once again manages to convey its burdened message: home belongs to those who morally earn it. But did the audience still buy into such an ending? While from the start, we suspect that his fate will turn out fatal, it might have been Marcello, who audiences had rooted for, after all. But even given this presumed knowledge, the film generates more suspense than the standard Heimatfilm of a decade earlier. This is in line with other film suspense genres where, according to Aaron Smuts, suspense arises through the knowledge that our desires will be frustrated. Relying on the Hitchcockian thriller scenario, Smuts explains that it is our utter powerlessness to affect narratives that creates suspense, “the inability to let a character know that danger lurks just around the corner” (2008, p. 285). We know that Marcello had a fair chance of escaping to Italy had he not decided to return to Kaprun to see Angelika. And we know that his desperate flight after she turns him down is bound to fail, but we are unable to make use of this information that could have affected the outcome of this narrative situation. “Merely knowing more than a character does not create suspense, but when we know something that could help a character that we care about stay alive, and we are unable to relay the information, we feel suspense. Our desire to make use of the information is frustrated—that is, we want to help, but here is nothing we can do.” (Smuts 2008, p. 295).
A crucial difference, therefore, is detectable when comparing the two Heimafilme, which in turn leads to broader conclusions regarding the development of the genre: Echo der Berge does not create suspense in the same way Ruf der Wälder does. While both films confirm the laws of the genre in the end with the “right” men succeeding in their bid for love and recognition, only Echo der Berge can still satisfy the genre’s ultimate expectations of creating a balance of traditionalism and modernization specific to the Austrian postwar situation. Ruf der Wälder, in contrast, has strategically moved towards a revision of the genre by relying on a trans-national narrative that opens a gateway towards other possibilities. Even while resorting to a “realist” conservative conclusion by once more upholding a hard-won, postwar Austrian moral masculinity—symbolized by the gentle forester being at home within the rugged Alpine mountainscapes—the film, by eliciting an affective response in favor of the non-native hero, instigates a revision of genre. Marcello’s othered, outlandish masculinity may still be too
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difficult to be contained within the generic conventions, but some of us might have affected an alternate narrative outcome and desired this—yet—impossible coup. The generic alterations of Ruf der Wälder point toward one of the directions the Austrian Heimatfilm has pursued since. The 1960s meant a demise for the genre in its more traditionalist design, but also a diversification with various efforts of renewal. While one shorter-lived strand veered toward exploiting nature’s sexual appeals in Heimatfilm—sex comedies such as Die Liebesquelle (1965) or 00Sex am Wolfgangsee (1966)—another prominent variant explored the touristic marketing possibilities, with the Weiße Rössl franchise being especially successful up to its latest version, Im weißen Rössl—Wehe Du singst! (2013) (cf. Keck and Poole 2016). And whereas eminently popular television series such as Ein Schloss am Wörthersee (1990–1993) heavily resorted to an older, traditionalist formula, there has also been a more subdued but steady thread of the Austrian Heimatfilm that leads from Ruf der Wälder with its inclusion of a Hollywoodian sex-and-crime plot to films such as the internationally acclaimed Das finstere Tal, which blends the Heimatfilm with elements of the Western (cf. Poole forthcoming). As old-fashioned and outdated as the Heimatfilm may seem for many at first glance, a fresh look reveals that this genre was not only crucial for the development of Austria’s postwar cinema but has also proven to be surprisingly flexible and excitingly versatile in its efforts for renewal and in continuously redefining the generic borders by envisioning a Heimatfilm balanced between an Austrian cinematic heritage and the move toward a transnational scope.
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Poole, Ralph J., Dr., Professor of American Studies, Department of English and American Studies, University of Salzburg. Head of department, deputy speaker of the Doctorate School Popular Culture Studies. His research interests include literature, theater, film and television studies, gender and queer theory, popular culture, and transatlantic negotiations.
Acts of Resistance: Female Counter-Conduct in Transnational Dystopian Narratives Sylvia Mieszkowski 1 Introduction Dystopian fiction, as a transmedial genre, is booming. This has been brought to a wider audience’s attention most prominently, in recent years, by the popular as well as critically acclaimed TV-adaptation of Margaret Atwood’s classic The Handmaid’s Tale (1985), which, to anyone who follows the news on reproductive-rights legislation in the US, has re-gained relevance in the most spine-chilling fashion.1 In the following, Atwood’s novel will primarily serve as a stepping-stone to discussing resistance depicted by several dystopian narratives that operate in different media. In order to enrich my investigation of how the chosen objects of analysis represent their female characters’ acts of resistance, I will be drawing on Michel Foucault’s concept of counter-conduct (Foucault 2009, pp. 200–201), theorised within the context of thinking power and its relation to subjectivity discursively. I will aim to add a feminist spin to this approach in a gender studies transmedial cultural analysis. These objects of analysis stem from different corners of popular culture, and while they share an anglophone frame of
1For
details on the uncanny reverberations between Atwood’s/Hulu’s Handmaid’s Tale and Republican legislation, and the resulting emergence of ‘the Handmaid’ as an icon of political protest, see my article “Jenseits von Atwood: Gruselige Echos oder die ‚Magd‘ als ikonische Figuration (geschlechter-)politischen Widerstands”, which will be published in Gender: Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft in 2020.
S. Mieszkowski (*) University of Vienna, Vienna, Austria E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Hausbacher et al. (Hrsg.), geschlecht_transkulturell, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30263-4_8
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reference, which all but ascertains smooth sailing for cultural commodities, they discuss gendered anxieties that transcend this frame and lay claim to a broader transcultural trajectory. These objects of analysis are: the trailer the streaming service Hulu launched in 2017 to advertise its TV-version of The Handmaid’s Tale; the graphic novel V for Vendetta (1988) that resulted from a collaboration between author Allan Moore and comic artist David Lloyd’s; the eponymous Hollywood feature film (2005), which the screenplay-writing Wachowski siblings and director James Mc Teigue based on Moore’s/Lloyd’s work; and the short story The War on Women (2009), which British writer Kate Atkinsons contributed to a volume that Amnesty International’s commissioned to commemorate the 50th anniversary of the Declaration of Human Rights. In this article I trace how risky truth telling—verbal or not—, is represented in dystopian narratives which contribute to Anglophone popular culture, and it is my contention that the texts, panels and clips by Canadian, US-American, Australian and British writers, filmmakers, and graphic artists all stage acts of resistance as (sometimes unintended) effects of power, which lead to their female characters’ political subjectification.
2 Feminist Foucault Michel Foucault has been widely criticised by feminist scholars. Some lament his theory’s “covert androcentricity” (Soper 1993, p. 29), while others castigate it for its “gender blindness” (Macleod and Durrheim 2002, p. 42). Although it is fair to say that women were hardly at the centre of Foucault’s attention, it would be incorrect to pretend that there is no intersection between his interests and feminist ones. Catriona Macleod and Kevin Durrheim alone list six “points of convergence” (2005, pp. 42–32). While half2 of these lie beyond this article’s immediate scope, “a focus on sexuality as a key area of political struggle; an expansion of the political to include social domination; [… and] an analysis of the politics of personal relations and everyday life; […]” (Macleod and Durrheim 2005, pp. 42–43) inform the following analysis of dystopian narratives. Combining ‘government’ and ‘rationality’, Foucault’s term ‘governmentality’ simultaneously refers to the practicing of government, by using techniques and
2They
are: “[…] a critique of biological determinism, humanism and the search for a scientific ‘truth’; a critical stance concerning human sciences insofar as they have participated in modern forms of domination; […] a critique of the rational subject.” (Macleod and Durrheim 2005, pp. 42–43).
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practices to generate a certain conduct, and the understanding of it (Gordon 1991, p. 2). “To govern […]”, Foucault writes, “is to structure the possible field of action of others” (2000, p. 341). Arnold Davidson clarifies that “the ‘government of men’ is understood as an activity that undertakes to conduct individuals, […] while governmentality locates it in the direction of political institutions” (2011, p. 26). Despite this stress on institutions, the “conduct of conduct” (Foucault 2000, p. 341) is ultimately achieved through a microphysics of power, which targets the mundane aspects of everyday life through “procedures, analysis, reflections, calculations and tactics” (Foucault 2009, p. 108). All of these form part of the dystopian narratives to be analysed. In his theorisation of counter-conduct Foucault puts his finger on gender as a crucial factor. At the very inception of his exploration of “anti-authority struggles” (Foucault 2000, p. 329) he mentions “opposition to the power of men over women […], of administration over the ways people live” (Foucault 2000, p. 329). Especially the last phrase refers specifically to governmentality as the “management of possibilities” (Foucault 2000, p. 341), which cannot but bring forth its own forms of resistance or “confrontation strategies” (Foucault 2000, p. 346). Resistance, as Davidson (2011, p. 27) summarises a thought already key in the History of Sexuality, “is not in a position of exteriority with respect to power, and […] points of resistance do not answer to a set of principles heterogeneous to relations of power […].” Instead, resistance for Foucault “is ‘coextensive and absolutely contemporaneous’ to power”, which prompts Davidson to point out that “[…] relations of power themselves only exist relative to a multiplicity of points of resistance” (Davidson 2011, p. 27). Having rejected alternative terms, such as ‘revolt’, ‘disobedience’, ‘insubordination’, ‘dissidence’ and ‘misconduct’ (Davidson 2011, p. 28), Foucault first settles on ‘counter-conduct’ as the term which captures best what he means by resistance, that is, “something as ‘inventive, as mobile, as productive’ as power itself”, which “goes beyond the purely negative act of disobedience.” (Foucault 2009, pp. 200–201). Later, he takes recourse to the term parrhesia for a specific form of truth telling. This is the means of resistance most interesting for my analysis of counter-conduct, since, as Foucault explains in The Government of Self and Others, it designates a speech act that entails a risk and simultaneously constitutes the speaker’s subject status: the subject thus becomes a subject by binding itself to the statement of truth and the act of stating it (Foucault 2010, pp. 56, 66). Such an act of freely exercised courage, inextricably linked to Foucault’s concept of power—which is, by definition, “exercised only over free subjects, and only insofar as they are ‘free’” (2000, p. 342) –, ultimately forms the basis of an ethics of truth telling in which all of my objects of analysis show an interest.
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3 Creepily Current: Atwood, The Handmaid’s Tale & Its TV Incarnation In 2017, thirty-two years after its publication in 1985 Margaret Atwood’s feminist classic The Handmaid’s Tale climbed to the top of Amazon’s best-seller list (Fallon 2017, n.p.). No doubt, this was fuelled by Hulu’s ad campaign, yet it also reflects the political climate in the US in the 21st century’s second decade. Atwood’s dystopia is set in a not too distant future, in which the US has been turned into ‘The Republic of Gilead’. This Puritan theocracy results from a double event: environmental pollution reaches a level of toxicity which kills a fair portion of the population while rendering most survivors infertile, and a subsequent political coup that wipes out the administration at one fell swoop. That Gilead is structured by a fiercely patriarchal form of biopower (Foucault 1978, p. 140) becomes evident in the so-called Ceremony. It professes inspiration by a scene from Genesis (The King James Bible, Book Genesis 1997, 30: 1–3), in which Rachel demands that her husband Jacob give her a child by impregnating her maid Bilhah. Declared an attempt to repopulate the depleted country, the Ceremony is de facto state-orchestrated ritualistic rape. Every high-ranking man in Gilead and his wife, if they are unable to conceive, are assigned a young woman, who has given birth before, as a so-called ‘handmaid’. Held in place by the wife, she is raped, on fertile days, by the husband. If she falls pregnant, the baby is given to the married couple, while the handmaid is sent elsewhere. Atwood’s eponymous first-person narrator, protagonist and focalizer is ‘trained’, and then assigned to the Commander and his wife. In the end, a resistance organisation modelled on the historical Underground Railroad, which, in the 19th century, helped escaped slaves from the South on their way to freedom, organises her escape. Although the flight’s outcome remains unclear, the novel’s epilogue, set a century later, discloses that the state of Gilead did not survive.3 Only a few years ago, Atwood commented on her novel again, re-evaluating its original perception in an interview conducted with The Guardian: “When The Handmaid’s Tale was published, […] the novel was reviewed by British critics as an enjoyable fantasy, and by the Canadians with a certain anxiety (‘Could it happen here?’). In America, though, there was a sense of: ‘How long have we
3In
this context it is interesting that in The Testaments—Atwood’s eagerly awaited sequel to The Handmaid’s Tale, which won one of the two Booker Prizes 2019—Aunt Lydia, a collaborator with the regime and a female oppressor of women, turns into the figure of resistance that actually brings about the downfall of Gilead.
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got? [She sighs.] Apparently, not as long as I thought’ […].” (Higgins 2016, n.p.) Five years earlier, in a journalistic piece of her own, Atwood (2011, n.p.) had described The Handmaid’s Tale as an “ustopia”, a neologist portmanteau of ‘utopia’ and ‘dystopia’, that puts into a nutshell an insight voiced, in the diegesis, by the Commander. Commenting on the brave new world of Gilead, which has set out to build a ‘better society’, he admits: “Better never means better for everyone, […]. It always means worse, for some.” (Atwood 1996, p. 222) It is precisely these ‘some’—like Atwood’s protagonist and her TV-equivalent, who have an interest in that resistance which power, according to Michel Foucault, cannot help create as a by-product of governance. In 2016, the streaming service Hulu adapted Atwood’s The Handmaid’s Tale for TV. In April 2017 the series kicked off, ending its first season in June. Since then, season two aired between April and July 2018, the third season followed between June and September 2019 and there are persistent rumours of a fourth season, although no official airing date has been confirmed yet. When the show first became available, Claire Fallon of The Huffington Post hailed it as “almost ludicrously well-timed to the political moment” (Fallon 2017, n.p.). Deborah James shared this opinion when, writing for In Media Res, she commented that the series “feels custom made, constructed out of our recent experiences of threats to Planned Parenthood, protests in the form of the worldwide women’s march of January 21, battles for rights of the LGBT community, and legal challenges to access to reproductive health care” (James 2017, n.p.). The fact that Hulu’s Handmaid’s Tale was seen to pick up on current vibes in the US’s political discourse, which had both ushered in the Trump-era and continues to structure it, certainly contributes to the series’ enormous success—both at the box office and with juries of several awards.4 Emmy, Golden Globe, Gold Derby TV Awards and Peabody Awards. The Handmaid’s Tales pre-launch trailer,5 released in January 2017, culminates in a confrontation between Offred (Elizabeth Moss) and Aunt Lydia (Ann Dowd), which foregrounds how resistance and subject formation coincide. Aunts, in the story world, are ideological enforcers, who, on behalf of Gilead, indoctrinate and ‘re-educate’ fertile women, seeking to ‘grind them down’ into compliant breeding-machines. As in Atwood’s novel, “Offred” is the name the
4Amongst
others the Emmy, the Golden Globe, Peabody, Gold Derby TV, Television Critics Association Award, Art Director Guild Award, Critics’ Choice Television Award and BAFTA Television Award. 5https://www.youtube.com/watch?v=2dYUa7qxp4w.
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protagonist has been given upon assignment as a handmaid. It replaces what is “forbidden now” (Hulu 2017, 0:03), the name she used to bear when she was free and her country was the US. While Offred’s first words allude to her old signifier of identity—“I had another name” (Hulu 2017, 0:01) –, the trailer consistently withholds what that name was. The effect is that—for viewers of the trailer— the new name becomes the only one. In a sense it also becomes the ‘real’ one, since only “Offred” represents both the protagonist’s status as handmaid and the restrictions it implies: forbidden to own property, to read or communicate freely, she is disowned of her body, reduced to her reproductive function, and—most importantly—robbed of her subject status. Particularly this last point is reflected in the fact that each handmaid’s ‘name’ is a mere derivative of her Commander’s. She is—literally—the sexual object and property ‘of Fred’. Since in the trailer the protagonist acknowledges this name as hers, she seems to have accepted her role and fate. As the voice-over states “My name is Offred. And I intend to survive.” (Hulu 2017, 0:20–0:30), these words, their accompanying images and sounds, deliver in a nutshell how subjectification works in The Handmaid’s Tale. A blow and a boom frame Offred’s last sentence. I read the intradiegetic blow of Aunt Lydia’s cattle prod to the protagonist’s face as ‘action’, the louder extradiegetic boom as ‘reaction’, and the drawn-out six seconds of rich resonance that follow the latter—and keep echoing to the trailer’s end—as its lasting reverberation. The Aunt’s hitting Offred lends itself to two interpretations. And although they seem to contradict each other, it would be a mistake to think of them as mutually exclusive. Rather, their contradictoriness is a symptom of Offred’s paradoxical situation. According to a first reading, physical violence, and the fear to provoke more, is why the protagonist has accepted her identity as Offred. But one might also argue that the Aunt’s blow, delivered after the protagonist’s voice-over has acknowledged her submission, marks the point at which she turns towards resistance. According to this second reading, “My name is Offred” not only immediately precedes “And I intend to survive”, but actually causes Offred to utter it. Couched in Foucauldian terms, the extradiegetic boom—with its prolonged echo—represents power’s productive flipside, which governmentality inevitably brings forth by being exercised. The Aunt’s violence thus simultaneously enforces obedience and triggers the will to resistance, which directly entails Offred’s renewed subjectification. It is visualised in the trailer’s final image (see Fig. 1). Radiating an enforced calm, blank enough, yet determined, this is a textbook example of what Gilles Deleuze (1986, p. 87) calls an “affection-image”: a cinematic face suspended between movement and sensation, which creates affect
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Fig. 1 Hulu 2017, 0:23
due to the simultaneity of stasis and micro-movements. The trailer introduces the extreme close-up as a tool the Hulu-series will use extensively, frequently inviting viewers to read Offred’s thoughts in her face—first with the aid of a voice-over, later without it –, since she cannot express them verbally. At this moment, the camera is positioned at Offred’s eye-level, which places viewers ‘down there with her’. Her gaze, however, is not directed to the camera but upwards from her low angle. The effect is anything but submissiveness. Instead of breaking Offred, this image suggests, the aunt’s blow has given her focus, strength and purpose. The conjunction ‘and’ in “And I intend to survive” is interesting, too. Given the circumstances, one might expect “My name is Offred” to be followed by “But I intend to survive”. Were that the case, the intention to persist would be a residue of Offred’s old identity, her past marked as a source of strength, and her subjectivity something she seeks to regain. The “and”, however, presents her intention to survive as the logical consequence of her name being “Offred”. That this speech act is delivered in voice-over might suggest that the narrating self tells her story from a safe distance. Yet, the use of present tense indicates that the dangerous situation is ongoing, and the voice-over therefore represents Offred’s thoughts to which only we, as viewers, are privy. While she finds a path to subjectivity through counter-conduct, her resistance in the trailer remains silent for the world, and any risk involved lies in her facial expression. As mentioned
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above, the voice-over is an important stylistic device throughout seasons one and two of The Handmaid’s Tale. It remains to be seen whether the show runners have abandoned it in the course of season three, and grant June a public, political voice that comes close to the one Evey, in both versions of V for Vendetta, finds for herself, as she discovers her interest in the kind of resistance which the exercise of power cannot help create.
4 V for Vendetta 4.1 “Thank you. But I’d rather die…” Shot by Australian director James McTeigue in 2006, and presented on DVD a year later, the film-version of V for Vendetta, like its intertext from the late 1980s, is set in a totalitarian contemporary England. Its dictator, Chancellor Suttler, was voted into office after a series of alleged terrorist attacks, secretly orchestrated to sweep his islamophobic, homophobic Norsefire party into power. A man, who escaped from a concentration camp, always wears a Guy Fawkes-mask and calls himself ‘V’, attempts to overthrow this regime. The film’s female protagonist, Evey Hammond, at first unwillingly, becomes his accomplice. After she confesses to be “afraid all the time” (McTeigue 2006, 41:03), her worst nightmare comes true when she is arrested, interned and tortured to make her give up V. Hidden in her cell she finds an autobiography, handwritten by a former occupant, which imbues her with the her strength to resist her torturer. This scene’s text is taken verbatim from Alan Moore and David Lloyd’s graphic novel: “Torturer: I am instructed to inform you that you have been convicted by special tribunal. And that unless you are ready to offer your cooperation, you are to be executed. Do you understand what I’m telling you? Evey: Yes. Torturer: Are you ready to cooperate? Evey: No. Torturer: Very well. Escort Miss Hammond back to her cell. Arrange a detail of six men and take her out behind the chemical shed and shoot her. [a short time passes] It’s time. Evey: I’m ready. Torturer: Look, all they want is one little piece of information. Just give them something. Anything.
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Evey: Torturer:
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hank you. But I’d rather die behind the chemical sheds. T Then you have no fear anymore. You’re completely free.” (McTeigue 2006, 1:15:38–1:16:53)
While Offred in the Hulu trailer remains silent, although the voice-over acquaints us with her inner resistance, Evey, threatened with death, makes explicit her refusal to cooperate, and McTeigue chooses to shoot his heroine’s “No.” at roughly the same angle that draughtsman David Lloyd picked for the equivalent panel (see Figs. 2, 3): Yet the film opts for a close-up rather than a semi-total, the effect of which is that Evey seems more determined, less lost in dark space. Consequently, her “No.” carries more weight. For its heroine’s second moment of resistance, in the same scene, the film adaptation diverges even further from the graphic novel (see Figs. 4, 5): Lloyd draws Evey in profile, so she seems emotionally distanced, even uninvolved; as if she had already given up. McTeigue, by contrast, maintains the
Fig. 2 McTeigue 2006, 1:16:00
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Fig. 3 Moore and Lloyd 1988, p. 161
full-frontal perspective, but changes the angle. Evey’s head is lowered, yet her gaze is directed upwards into the camera. These changes in position and angle create the same Deleuzian ‘affection-image’ with the same effect the Hulu trailer of The Handmaid’s Tale uses to build its visual vocabulary of counter-conduct (see Fig. 1, 4). McTeigue’s shot, however, does not position viewers ‘down there’ with Evey, as the Hulu trailer does with its audience and Offred. Instead, the camera puts us at the torturer’s eye level. Because of this, we, as viewers, feel
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Fig. 4 McTeigue 2006, 1:16:29
the full impact of Evey’s resistance, addressed to the position of authority whose point of view we are made to share. That Evey’s first refusal to cooperate is already risky is clear from the subsequent order to execute her. It is not quite parrhesia, yet, since there is no truth telling involved. Her second act of counter-conduct, by contrast, attains this level. When she states her preference of death over collaboration and life in Norsefire-ruled Britain, she tells a truth the regime would prefer not to hear. Introduced by the ironic “thank you”, which exposes the pseudo-choice the torturer gave her and thus mocks his authority, Evey’s speech act exposes the limits of power that are reached when the person over whom it is supposed to be exercised opts for death and against obedience. Here, freedom is revealed, in a truly Foucauldian manner, as “the condition for the exercise of power” (Foucault 2000, p. 342). Far from being unproblematic, however, the implication of this is fraught with the same difficulty that accompanies the late Foucault’s glorifications of suicide as an act of authenticity. Moreover, both the film and the
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Fig. 5 Moore and Lloyd 1988, p. 162
graphic novel build a didactic frame around Evey’s decision not to comply under the threat of death. Viewers learn at the same time she does, that V had staged the whole experience, impersonated the interrogators and torturing her, to free her of fear. While his scheme works, since Evey really thinks she is going to die, it also means that there never was any real danger of her being executed. This, one could argue, comes dangerously close to romanticising resistance in a concentration camp setting.
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4.2 Becoming Resistance While Evey continues V’s fight after his death in both the film and the graphic novel, only the latter has her become V. Just before he dies, V gives her a paradox to solve: “First, you must discover whose face lies behind this mask, but you must never know my face, is that quite clear?” (Moore and Lloyd 1988, p. 245). While she honours this command after V’s demise, Evey still fantasises what face she might find, were she to disobey. Four panels visualise these fantasies: in two V’s dead body bears the countenances of other regime-victims, in the third Evey imagines him with her (dead) father’s visage, and in the fourth she pictures his body with the face of her own wide-eyed, pre-parrhesia self (see Fig. 6): This last fantasy triggers an epiphany, and the following panel’s thought bubbles convey Evey’s mental process as she stares at herself in the mirror: “[…] And at last I know. I know who V must be.” (Moore and Lloyd 1988, p. 250) Two panels slowly zoom in on the mirror image, while the last in this sequence settles on the reflection of Evey’s broadly smiling face (see Fig. 7). First and foremost, this smile seems to indicate that Evey is happy to have solved V’s riddle and relieved to know where her path lies. But this image’s full significance only becomes clear when one juxtaposes it with the mask that V has been wearing, throughout the story, as a signifier of anonymity and resistance against Norsefire’s fascist regime (see Fig. 8): As Evey’s face moulds itself into the features of V’s mask, she not only transforms into his successor but, actually, turns into his resistance’s latest (but quite possibly not last) incarnation. From the regime’s point of view, another risky truth illuminates this smile, which I read as another non-verbal act of parrhesia, because it communicates that Evey now is V. Therefore, she will not only continue his acts of counter-conduct but instead has become resistance. Having understood this about herself, Evey has also solved V’s paradox. While never knowing his face, she has discovered that her own—for the moment—has to ‘lie behind this mask’. It is this discovery that produces her as a Foucauldian subject endowed with political agency, which—as her happy smile indicates as well—she finds becoming.
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Fig. 6 Moore and Lloyd 1988, p. 245
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Fig. 7 Moore and Lloyd 1988, p. 251
Fig. 8 Moore and Lloyd 1988, title page
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5 The War on Women: Finally… “what you would call political” In 2009, Amnesty International published Freedom: Short Stories Celebrating the Universal Declaration of Human Rights, a collection of short fiction commissioned from 31 international authors. With the exception of the epilogue, each of its stories is inspired by one of the Declaration’s articles. Kate Atkinson’s The War on Women responds to article 16, which covers human rights within marriage and the family. Using it as my last example will allow me to demonstrate that non-verbal parrhesia is not limited to visual media, and that Margaret Atwood’s Handmaid’s Tale had not stopped resonating with British writers even before developments in US-politics turned feminist dystopias into a newly vibrant genre. The War on Women is a third person-narrative set in a contemporary dystopian Scotland and focalised by Tina, a housewife and mother. A quarter into the story the state passes ‘the Law’. While the short story withholds what this Law actually states, it shows its misogynist consequences. Going back to Mcleod’s and Durrheim’s points of convergence between Foucault and feminism: As Atkinson’s text expands the realm of the political well into the private sphere, social domination over women is not only established, but also—once characters find their personal relations and everyday lives transformed—directly produces forms of resistance against it. At first, women’s gradual disenfranchisement in the diegesis contrasts with Tina’s explicitly apolitical attitude, as she refrains from protesting publicly, for instance when she refuses to take part in one of the women’s marches that resonate so eerily with worldwide events organised for 21 January 2017: “Well, I don’t know, […] ‘I’ve never been what you would call political.’” (Atkinson 2009, p. 225, 230). The story continues to chronicle changes, which the state’s “disciplinary technolog[ies]” (Foucault 1995, p. 227) effect in women’s lives, and monitors in detail how their conduct is governed through newly introduced practices reminiscent the ones described in The Handmaid’s Tale. Headscarves and robes are introduced; freedom of movement is curbed; women are forbidden to own property; confined to the private sphere; denied access to the Internet, education and paid labour (Atkinson 2009, p. 224, 226, 227). Although some of these practices might trigger associations with those proscribed by shari’a law, Islam is never mentioned in The War on Women. This decision of Atkinson’s, rather reminds one of Atwood’s deliberate ambiguity about her handmaids’ headgear: “The coverups […] have been variously
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interpreted as Catholic (as in nuns) or Muslim (as in burqas). The truth is that these outfits are not aimed at any one religion.” (Atwood 2011, n.p.) The War on Women is less ambiguous than Atwood’s novel, since Atkinson’s story does refer explicitly to one particular religion. The deity mentioned, however, is not Allah, but “a robust, manly Church of Scotland God” (Atkinson 2009, p. 224). Perhaps this is to draw attention to how easily Western readers tend to forget that Islam, historically speaking, has no monopoly on enforced practices of androcentric and misogynist governmentality. Perhaps it is also a strategic decision to ward off the inconvenient criticism that Atkinson’s text, at times, sails dangerously close to Islamophobia; for instance, when it instals polygamy as a male privilege under ‘the Law’. By mentioning a Presbyterian form of Christianity, rooted in Calvinism, and emphatically gendering it masculinist, the story goes to great length to make the point that ‘the Law’ and all other monotheistic religions are underpinned by the same misogyny. Female sexuality emerges as the key area of governmentality in Atkinson’s story, when women are beaten up and raped if they walk the streets unaccompanied. The narrator mentions in quick succession the stoning to death of a woman for adultery; Tina’s husband taking a second wife, while denying her a divorce; his punching her in the face when she questions the Law; and finally, his decision to sell their twelve-year-old daughter into marriage (Atkinson 2009, pp. 230–232). Finally galvanised into activity, if not activism, Tina reacts to this last event with an act of parrhesia; albeit, one that is performed and body-based rather than verbal. The story’s final passage describes how the protagonist, having thrown off her headscarf and robe “[…] stood on the doorstep and felt the warm breeze on her skin, on her face. She shook her hair free. She walked down the path and turned into the street. […] Tina stepped out of her shoes. She removed her top, her skirt, her underwear and let them fall to the ground. She was no longer invisible. Tina walked naked across the Meadows. The sky pealed back. The light was blinding. The trees that lined the path dropped their petals on her, like confetti. She wondered how far she would get.” (Atkinson 2009, pp. 232–233)
While risky, this courageous deed constitutes Tina as a political subject, and the truth told by her non-verbal parrhesia is that of women’s embodied social and political existence. By crossing from the private into the public sphere and traversing it—although, initially, she is far from Femen—in the nude, she re-claims the visibility the Law took from her. This confrontation strategy “beyond the purely negative” (Foucault 2009, pp. 200–201), which Tina chooses as her “point of resistance” (Davidson 2011, p. 27), answers directly
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to the Law’s command that women’s bodies must be “erased, blacked out inside their blankets” (Atkinson 2009, p. 226) hidden from view, deleted from the public domain. Her counter-conduct is, thus, not only “coextensive and contemporaneous” (Davidson 2011, p. 27) to the power relations instated by the Law, but—once again—directly produced by it. Fully expecting to be killed, Tina opts for what Davidson, with recourse to Foucault, calls an “active intervention […] in the domain of the ethical” (2011, p. 37), performing an act of parrhesia that “pertain[s] to being-in-the-world, to socio-political existence” (Milchman and Rosenberg 2010, p. 157). Concerned with the question “if there was anything she could do” (Atkinson 2009, p. 232) about the effect the Law would have on her daughters’ lives, Tina’s act of truth telling is likely to end lethally. That Atkinson’s short story breaks off rather than narrates how its heroine is punished for her counter-conduct, chimes in with the other dystopias analysed here, since in a hopeful gesture that condones lack of realism, none of them (so far) has made its protagonist pay the ultimate price for her resistance.
6 Conclusion The Handmaid’s Tale (1985/2017) combines the dystopian leitmotif of totalitarian surveillance—pivotal to both versions of V for Vendetta (1988/2005)—with the state-organised attempt to re-gain mastery over reproduction by controlling female sexuality, which also lies at the centre of Kate Atkinson’s The War on Women (2009). Harkening back to Atwood’s novel, Hulu’s adaptation addresses women in the second decade of the 21st century, who have political agency, and people of all genders that support their retaining it. Using the dystopian genre to recall that women’s status as political subjects is still precarious, and how easily it can be taken away again, both versions urge their audiences to protect it. McTeigue’s film and Moore and Lloyd’s graphic novel are not primarily concerned with feminist issues. Yet by having a heroine take over from the hero to become the personification of counter-conduct in a totalitarian society, they disturb an androcentric conceptualisation of resistance to governmentality. Whereas the film comes dangerously close, at one point, to romanticising resistance in a concentration camp setting, the graphic novel avoids this trap. Although The War on Women, like the other objects of analysis, refuses to narrate its heroine’s death, it strongly implies it, thereby putting more emphasis than the other dystopias on the potential cost of counter-conduct. Its privileging bodily performance of female subjectivity through visible nudity runs the risk of associating itself too uncritically with a neo-liberal script that equates nudity
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with liberty. This has a side effect, one could argue, when taken in conjunction with the short story’s choice of misogynist governmental practices. As long as the compulsory veiling of female bodies, polygyny or stoning as a death penalty are as closely linked, in the western collective imaginary, to Islamic tradition as they are at the moment, this creates a problem for Atkinson’s short story’s message. A bigger problem, at least, than the portrayal of exactly the same practices creates for the ideological bottom line of The Handmaid’s Tale, which does not associate female nudity with freedom but—for instance in the scenes set at the clandestine brothel Jezebel’s—with sexual exploitation. Whether The War on Women actually presents its feminist message of resistance at the cost of allowing itself a latently Islamophobic subtext, calls for broader discussion. Against the backdrop of Foucault’s insight that power, in being exercised, cannot help bringing forth resistance against itself, the heroines’ acts of parrhesia in all the dystopian narratives I analysed provide a ray of hope for the disenfranchised of the diegetic worlds. It is also a warning to those of us readers and viewers, who still enjoy the status of political subjects, to guard against losing it by exercising our rights and political duties.
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Mieszkowski, Sylvia, Dr., Professor for British Literature; Faculty of Philological and Cultural Studies at the University of Vienna. Current research areas: short stories (specifically by Zadie Smith); sound studies; gender studies & queer theory; female (Victorian/Edwardian) adventurers.
Geschlechterkonstruktionen in der deutschsprachigen Literatur osteuropäischer Autor_innen (Dariusz Muszer Der Echsenmann) Eva Hausbacher 1 Kultur und Geschlecht Es waren Kulturwissenschaftlerinnen wie Gayatri Spivak, Trinh T. Minh-ha und bell hooks, die bereits in den 1980er Jahren feministische Kritik am phallogozentrischen Diskurs mit postkolonialer Kritik an okzidentalen Denkmustern zusammengeführt und damit die vielfältigen Verschränkungen der Kategorien Kultur und Geschlecht sowie die Interrelationen von nationalkultureller und geschlechtlicher Identitätsbildung aufgezeigt haben. Das Erkennen dieser Zusammenhänge hat zur Annahme einer M ulti-Axialität oder Intersektionalität1 von Identität geführt, wonach Nationalität, Ethnizität, Klasse, Geschlecht und Sexualität immer in Wechselwirkung miteinander stehen. Methodologisch erfordert dieser Ansatz eine interdisziplinäre Verknüpfung diverser Forschungsrichtungen wie etwa der Gender-, der Cultural- und der Postcolonial Studies mit Kulturwissenschaft und Ethnologie. Aus der Perspektive der Literaturwissenschaft steht dabei die Frage der Repräsentation im Fokus: wie das Fremde, das die andere Kultur, und das Fremde, das das andere Geschlecht ist, zur Wahrnehmungsgestalt gebracht werden, wie in der diskursiven Konstruktion von Identität kulturelle und geschlechterspezifische
1Der
Begriff der „Intersectionality“ wurde von der amerikanischen Juristin Kimberlé Crenshaw (1989) entwickelt und bezieht sich auf eine Subjekttheorie, die Identität auf Kreuzungen von Differenzierungslinien lokalisiert.
E. Hausbacher (*) Universität Salzburg, Salzburg, Österreich E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Hausbacher et al. (Hrsg.), geschlecht_transkulturell, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30263-4_9
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Zuschreibungen ineinanderwirken. Die ästhetische Differenz, die ein literarischkünstlerischer Text ins Spiel bringt, hat dabei die Funktion eines Reflektors, denn das vielgestaltige Verfremdungspotential, das in den poetischen Verfahren literarischer Texte liegt, schärft den Blick für die Wechselwirkungen von kultureller und sexueller Differenz. Textanalysen können demnach aufzeigen, inwieweit die in den Texten entwickelten Bewältigungskonzepte von kultureller Differenz mit Verstehensmustern der Geschlechterdifferenz verwoben sind, wo genau die Parallelen in den literarischen Verfahren liegen, die das Fremde der anderen Kultur und das Fremde des anderen Geschlechts literarisch zum Ausdruck bringen. Besonders virulent wird die dekonstruktive Kraft der ästhetischen Differenz hinsichtlich der Verflechtungen von kulturellen und geschlechtlichen Darstellungsmustern in solchen literarischen Texten, die im Kontext von Migration entstehen. Zum einen bereichert die Erfahrung des Kulturwechsels das Schreiben von Migrationsautor_innen um vielfältige Doppelungen (der Raum-, Zeit-, Sprach- und Kulturerfahrung) und eröffnet damit weitere Facetten im Spiel mit den Differenzen. So entstehen in der transkulturellen Konstellation, die der Migrationskontext herstellt, auch interessante textuell-künstlerische Übersetzungen von genderspezifischen Konnotationen in der nationalkulturellen Konstruktion des Eigenen und Fremden bzw. der Verwobenheit von geschlechtlicher und kultureller Alterität. Zum anderen machen Migrationsprozesse die Konstruiertheit und kulturelle Überformung von Geschlechteridentität deshalb so offensichtlich, weil sie kulturelle Variationen von Geschlecht offenlegen. Die Lektüren transkultureller Migrationsliteratur, die im deutschsprachigen Raum erscheint und deren Autor_innen osteuropäischer Herkunft sind, zeigen, dass in den Texten die differenten Normen und Stereotypen in den Geschlechterbildern von „Ost“ und „West“ im Spiel sind; zumindest implizit werden aber auch Fragen nach deren Dekonstruktion und nach Denkmodellen jenseits statischer Entwürfe von geschlechtlicher und kultureller Identität aufgeworfen.
2 Transkulturelle Migrationsliteratur Migrationsbewegungen und transkulturelle Verflechtungen mit den sie begleitenden Phänomenen wie Mehrfachidentitäten oder Sprachmischungen sind längst keine Randerscheinungen mehr, sondern bestimmen den öffentlichen Diskurs ebenso wie den literarischen Kanon. In der Literaturwissenschaft kursieren verschiedene, einander ablösende Begriffe für Literatur, die im Kontext von Migration steht: von der Migranten- zur Migrationsliteratur, vom inter- zum transkulturellen Schreiben. Im deutschsprachigen Raum ist eine zunehmende
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Tendenz zur Amalgamierung dieser Texte mit der Deutschen, Österreichischen und Schweizer Literatur zu beobachten. Dabei ist festzustellen, dass seit geraumer Zeit die deutschsprachige Literatur maßgeblich von Autor_innen osteuropäischer Herkunft mitbestimmt wird. So gehen in den letzten Jahren auffällig oft nicht nur jene speziell für Migrationsliteratur installierten Preise wie der Adelbert-von Chamisso-Preis, sondern auch längst etablierte Auszeichnungen wie der Ingeborg Bachmann Preis oder der Deutsche Buchpreis immer wieder an diese Gruppe von Autor_innen. Die Rede ist von einem „Eastern Turn“ (Haines 2008) bzw. einer „Osterweiterung“ (Bürger-Koftis 2008) der deutschen Gegenwartsliteratur. Unbestritten ist die transkulturelle Migrationsliteratur ein wichtiges Feld ästhetischer Innovation geworden. Für sie sind die autobiographische Dimension ebenso wie bestimmte thematische Schwerpunkte kennzeichnend. Aber die Gemeinsamkeiten beziehen sich nicht nur auf die Handlungsebene und die Deutungsmöglichkeiten dieser Texte, sondern betreffen auch deren literarische Formen und Erzählweisen (Hausbacher 2009). Die Texte von Autor_innen mit osteuropäischem Migrationshintergrund bringen dabei nicht nur einen anderen Gedächtnis- und Erfahrungsraum in die deutschsprachige Literatur ein, sondern auch andere literarische Traditionen und neue sprachliche Zugriffe.2 Wiewohl die Vielfältigkeit transkultureller Schreibweisen zugunsten einer wie immer gearteten Typologie nicht ausgeblendet werden darf, lassen sich doch Übereinstimmungen feststellen: Osteuropäische Autor_innen sind in der deutschsprachigen Literatur Grenzgänger_innen, deren eigene Biographien durch Grenzen und Grenzüberschreitungen zwischen „Ost“ und „West“ geprägt sind. Grenzen sind auch ein vielfach präsentes Thema in den Texten, deren Held_innen häufig ebenso Grenzgänger_innen und Neuankömmlinge in einem fremden Land sind (Csorba et al. 2018). Eine weitere Gemeinsamkeit betrifft den Umgang mit „klassischen“ Erinnerungsnarrativen in den Prosatexten der transkulturellen Migrationsliteratur osteuropäischer Prägung. Hierbei kann zum einen ein gesteigertes Komplexitätsbewusstsein für historische und kulturelle Zusammenhänge festgestellt werden (Isterheld 2017); zum anderen ist auffällig, dass die transkulturelle Perspektivierung häufig eine Dynamisierung gängiger Erinnerungsnarrative
2Günther
Stocker (2009) hebt die andere literarische Sozialisation von Migrationsautor_innen aus Osteuropa, ihr distanziertes Verhältnis zur deutschen Sprache sowie die Differenzen in den unterschiedlichen literarischen Traditionen hervor, wie beispielsweise das weitgehende Fehlen von Geschichtenerzählen in der modernen österreichischen Literatur.
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auslöst, die neue Akzente in der Darstellung des transkulturellen Beziehungsgeflechts ermöglichen. Diese Texte entwerfen in der literarisch konstruierten Erinnerung einen anderen Blick auf die Geschichte. Sie können als eine Art Gegenerzählung zu den nationalen, das kulturelle Gedächtnis konstituierenden Narrationen gesehen werden, die die Gedächtnisräume der deutschsprachigen Literatur erweitert (Riedel 2017, S. 571). Außerdem verzichten sie aufgrund ihrer transkulturellen Perspektive weitgehend auf Strategien des Othering bzw. einer Exotisierung des Anderen. Auch für die deutsch-polnische Gegenwartsliteratur gelten diese Feststellungen, wenn auch insbesondere in dieser Gruppe sehr spezifische Verfahren in der Darstellung kultureller Differenz wie Selbstorientalisierung, Ironisierung und Polemik und eine besonders markante Geschlechterperspektivierung zur Anwendung kommen, wie die nachfolgende Analyse von Dariusz Muszers Roman Der Echsenmann zeigen wird. Neben konzilianten, auf Integration in westliche Kulturmodelle bedachten Erzählstrategien (Uffelmann 2003), wie sie beispielsweise in den Texten von Radek Knapp zu finden sind, die auf Brückenbau und kulturelle Vermittlung abzielen, stehen in der Literatur der vorläufig letzten Emigrationswelle aus Polen bei solchen Autoren wie Artur Becker, Dariusz Muszer und Leszek Herman Oświęcimski der Clash of Cultures und die Fremdheitserfahrung im Vordergrund, eine doppelte Wahrnehmung des Gastlandes und der verlassenen Heimat, die in den Erzähltexten mit den literarischen Mitteln der Satire, Groteske, Parodie und Phantastik zur Darstellung gebracht wird. So basiert Dariusz Muszers Thematisierung der Entfremdung seiner meist nicht intellektuellen Protagonist_innen auf Sarkasmus und Groteske, sie bleiben Fremde, die das Eigene und das Fremde aus einer extremen Außenseiterperspektive betrachten und sich in der Rolle des Provokateurs sehen (Kałążny 2012, S. 126). Dabei legt der Autor „deutsche Traumata und den latenten, tief unter der Oberfläche der political correctness verborgenen Fremdenhass der deutschen Gesellschaft bloß.“ (Kałążny 2012, S. 126). In der Forschung wird diese „polnische Spezifik“ sowohl auf die Bedeutung der Literatur in der Entwicklung der polnischen Nation, insbesondere der Zeit der polnischen Teilungen zurückgeführt (Makarska 2015; Trepte 2013), als auch auf die große Relevanz von Geschlechtermythen (Matka Polka) und der Katholischen Kirche im Diskurs über die Rolle der Geschlechter in der polnischen Kultur (Helbig-Mischewski 2014). Damit in Verbindung steht die Prägung der polnischen Gesellschaft, Kultur und Literatur durch die Erfahrung von Exil und Emigration, die sich auch im 20. Jahrhundert fortsetzt (Trepte 2013,
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S. 269). Die zeitgenössische deutsch-polnische Migrationsliteratur ist im Kontext der Solidarność-Emigration in den 1980er Jahren entstanden, die ca. 100.000 Migrant_innen nach Deutschland gebracht hat, darunter auch (künftige) Schriftsteller_innen wie Artur Becker, Magdalena Felixa, Dariusz Muszer, Paulina Schulz, Natasza Goerke, Brygida Helbig, Krzysztof Niewrzęda oder Janusz Rudnicki (Makarska 2015, S. 120). „Ihr [der Solidarność-Emigration, E.H.] folgten Migranten, gezielt Weggewanderte ebenfalls in mehreren Wellen, die sich eine nach dem demokratischen Umbruch im östlichen Teil Europas (1989/90) mögliche Rückkehr in ihre Herkunftsländer wie auch eine Option, in den Gastländern […] zu bleiben, offen halten. Ihre Entscheidung wird kaum mehr von politischen oder ideologischen Gründen, sondern von zumeist rein ökonomischen Erwägungen bzw. privat-persönlichen Motiven bestimmt.“ (Trepte 2013, S. 277).
Die kulturelle und sprachliche Grenzüberschreitung in der Literatur, die im Kontext von Exil und Migration entsteht, geht immer auch mit weiteren Transgressionen einher, die sich u. a. auf politische, gesellschaftliche, religiöse und sexuelle Tabus beziehen (Trepte 2013, S. 271). Insbesondere in der zu asianistischen Strategien3 (Uffelmann 2003) tendierenden Gruppe der deutschpolnischen Autor_innen sind es auch die Grenzen der politischen Korrektheit, die überschritten werden. Immer wieder spielt in deren Werken die kulturelle Polemik sowie ein zuweilen ermüdender Austausch von Stereotypen und Klischeevorstellungen im Spannungsfeld von „Ost“ und „West“, von „Polen“ und „Deutschen“ eine wichtige Rolle. Besonders deutlich wird das bei Dariusz Muszer, der den traditionellen, in der polnischen Kultur und Literatur geführten Ost-West-Dialog in seinen Werken aufgreift und ironisch-mimikrierend dekonstruiert (Trepte 2013, S. 278).
3Uffelmann
verweist in seinem Aufsatz Konzilianz und Asianismus. Paradoxe Strategien der jüngsten deutschsprachigen Literatur slavischer Migranten (2003) auf die rhetorischen Strategien von Konzilianz und Asianismus, die er den beiden, die Einwanderungs- und Multikulturalitätsdebatten prägenden Paradigmen zuschreibt: Assimilation und Integration der Konzilianz, Differenz dem Asianismus. Es sei die Spannung zwischen diesen beiden Polen, „die Spannung von Versöhnung und Provokation, von puristischer Anpassung an die Sprache des Einwanderungslandes und rhetorischer Normverletzung, welche die deutsche Literatur slavischer Migranten nach 1999 kennzeichnet.“ (Uffelmann 2003, S. 395).
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3 Dariusz Muszer Der Echsenmann Dariusz Muszer wurde 1959 in Westpolen geboren und lebt seit 1988 in Hannover. In Polen studierte er Jura an der Universität Posen und war danach in verschiedensten Berufen vom Dachdecker über Kellner, Taxifahrer und Lehrer bis zum Journalisten und Schriftsteller tätig. Neben Lyrikpublikationen in zahlreichen literarischen Zeitschriften, Hörspielen und Radiovertonungen erschienen seit 1987 mehrere Gedichtbände auf Polnisch. Der eigentliche Durchbruch als Autor gelang ihm erst mit dem Wechsel ins Deutsche: Für seinen ersten Roman, Die Freiheit riecht nach Vanille (1999), wurde er vom Verband Deutscher Schriftsteller ausgezeichnet. 2001 folgte sein zweiter Roman, Der Echsenmann; weitere Romantitel sind Gottes Homepage (2007) und Schädelfeld (2015). Außerdem ist Dariusz Muszer auch als Übersetzer tätig und überträgt neben seinen eigenen Werken auch die anderer Autor_innen wie beispielsweise Corinne Hofmann und Artur Becker ins Polnische. In allen seinen bisher erschienenen Prosatexten nimmt Dariusz Muszer den bereits auf die Literatur der polnischen Romantik zurückreichenden O st-West-Dialog auf und gestaltet eine, Kulturen übergreifende Polemik, die das Klischee-Bild des östlichen Barbaren im Westen fortschreibt und dabei den w estlich-feministischen Emanzipationsdiskurs konterkariert. Auch der Roman Der Echsenmann mit seiner Reptilienpersonifikation bietet in dieser Hinsicht einiges. Ähnlich wie andere Texte von Muszer spielt auch dieser im Hannover der Gegenwart, und auch hier ist der Protagonist ein Migrant aus Osteuropa, der sich als Taxifahrer durchs Leben schlägt und seine Rolle als Underdog nicht zu überwinden vermag. Eines Nachts macht der Held des Romans, der den unslawischen Namen Espen Askeladden trägt, einen mysteriösen Fund: Er entdeckt eine Frauenleiche in einem Waldstück am Stadtrand. Was zunächst wie eine klassische Szene aus einem Kriminalroman anmutet, nimmt allerdings einen ungewöhnlichen Verlauf. Das Problem liegt nämlich darin, dass Askeladden nicht mehr weiß, ob er derjenige ist, der den Mord gesehen und die Polizei benachrichtigt hat, oder ob er gar der Mörder ist. Er leidet an einer Art Amnesie. Für den recherchierenden Polizisten, Meister Eckard, der diesen Fall leitet und in dem wir eine ironische Anspielung auf den deutschen Mystiker des Spätmittelalters Meister Eckhart lesen, wird er dadurch verdächtig. Bei den Befragungen gibt sich Askeladden mal für einen Osteuropäer, mal für einen Bulgaren oder Rumänen aus, womit die Absurdität der Unternehmung, in der multikulturellen Welt jemanden zu einer Gruppe zuzuordnen, karikiert und eine hybride migrantische Identität entworfen wird (Rogacka-Michels 2015). So fragt ihn der Polizist skeptisch: „Aber Sie sprechen Deutsch mit einem Akzent, das können Sie doch nicht leugnen, oder?
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[…] Sie behaupten also, aus Osteuropa zu stammen. […] Ihrer Aussage nach sind Sie weder Türke noch Perser […] Wissen Sie, hier stimmt etwas nicht. […] Es ist schon merkwürdig, sehr merkwürdig. Sie sprechen ja plötzlich akzentfrei. […] Was ist mit Ihnen los?“ (Muszer 2001, S. 10–19). In seinen Antworten fordert Askeladden Verständnis für seine unklare Zugehörigkeit: „Dass ich kein Deutscher bin, das hört man, das sieht man und das riecht man deutlich. […] Heute bin ich ein Mensch aus Osteuropa und wandere auf osteuropäische Art und Weise durch die Stadt.“ (Muszer 2001, S. 10). „Bitte akzeptieren Sie endlich, dass ich heute Nacht ein Osteuropäer bin. Wer weiß, vielleicht bleibe ich noch ein paar Nächte lang dabei oder ein paar Monate oder sogar Jahre. Was die Zukunft bringt, weiß ich nicht. Niemand von uns weiß das. In unserer Schnellimbisswelt gibt es Menschen, die ihre Staatsangehörigkeit öfter wechseln müssen als ihre Beischlafpartner. Ich gehöre zu diesen Menschen. Im Leben geht es nicht um Nationalität und Zugehörigkeit, sondern ums blanke Überleben.“ (Muszer 2001, S. 30).
Askeladden hat keinen Halt in einer nationalkulturellen Identität, alle gängigen Zuordnungen schlagen in seinem Fall fehl. Er wechselt seine Rollen, variiert die Geschichten, die er von sich erzählt, und ändert seine Namen: „Ich habe meinen Namen geändert, als ich gezwungen wurde, die deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen. […] Um ein Recht auf Leben zu haben, muss man sich für diesen oder jenen Staat entscheiden, sonst bleibt man ein Flüchtling, ein Wanderer ohne Rechte, den jeder mit einem Baseballschläger oder einem Abschiebungsbefehl wegjagen darf. Ich wurde gezwungen, die Staatsangehörigkeit unseres Staates anzunehmen. […] Früher hatte ich keinen Namen, früher war ich namenlos.“ (Muszer 2001, S. 31).
Als Espen Askeladden nach Deutschland kommt, rät ihm sein Freund Jadollah: „Niemand, aber wirklich niemand soll unseren richtigen Namen kennen, sonst kann er uns vernichten, ja, abrasieren, wie einen lebenslang gepflegten Bart.“ (Muszer 2001, S. 44) Die Angst, benannt zu werden, verweist auf die repressive Politik gegen Migrant_innen. Gleichzeitig kann die Namensfindung aber auch als Widerstandsstrategie eingesetzt werden. Askeladden ist ein Held aus der Norwegischen Folklore und wird dort assoziiert mit dem jüngsten, kleinsten und schwächsten Familienmitglied, das in einem Aschenschuber, der „ash-lad“, sitzt. Vergleichbar mit den Taugenichts-Figuren deutscher Märchen ist es ein Junge, der darauf achtet, dass das Feuer nicht ausgeht. Im Echsenmann heißt es entsprechend, Askeladden sei „[d]er einzige Hannoveraner, der ausreichend Feuer in sich hatte, um sich selbst zu entzünden.“ (Muszer 2001, S. 29).
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Die instabile Identität als ein migrantischer Außenseiter zeigt sich auch darin, dass Askeladden seiner eigenen zuverlässigen Stimme beraubt ist, um seine Erfahrungen zu artikulieren. Vielmehr übernimmt er jene Geschichten und Rollen, die seine Kunden während der Taxifahrten über ihn imaginieren. Beispielsweise ist Askeladden im Gespräch mit einer älteren Dame ein Bulgare: „‚Ich bin nämlich Bulgare. Jaja, schauen Sie mich bitte nicht so verwundert an, ich bin wirklich einer, ein waschechter Bulgare aus Fleisch und Blut. Bitte, Sie können mich ruhig anfassen, um sich selbst zu überzeugen, wie sich ein Bulgare anfühlt. […] Sie müssen mir also aufs Wort glauben, dass sich ein Bulgare beim Anfassen genauso gut anfühlt wie ein Albaner oder ein Franzose. Mit einer Ausnahme: Bulgaren fühlen sich an manchen Stellen weicher an. […] Die bulgarischen Nasen sind auf südslawische Art und Weise gebaut. […] Die Nasen von Bulgaren sind innen anders gestaltet. Es bildet sich mehr Schleimhaut, was verhindert, dass Knoblauchgeruch in die Nase dringen kann. Außerdem wohnt in fast jeder bulgarischen Nase ein Polyp, der die Gerüche zusätzlich filtert.‘ ‚Sie wollen mich auf den Arm nehmen!‘ ‚Das kann ich jetzt leider nicht, gnädige Frau. Ich muss doch lenken.‘“ (Muszer 2001, S. 112–113).
In diesem ironischen Spiel mit Identitätszuschreibungen scheint Askeladden zunächst die Kontrolle über seine Lebensgeschichten zu haben. Immer wieder gelingt es ihm, sich selbst aus der Distanz zu beobachten und zu sehen, wie er eine subalterne Position einnimmt: „Ich bin nur anpassungsfähig. Und das halte ich für eine Art Intelligenz.“ (Muszer 2001, S. 105) Gegenüber dem Polizisten spickt er diese devote Haltung sogar mit erotischen Anspielungen: „Wollen Sie mich nicht? Gefalle ich Ihnen nicht? Vielleicht bin ich zu dick, aber ich kann abnehmen. […] Wenn Sie also wollen, kann ich mich für Sie dünner oder kleiner machen oder auch ganz verschwinden. Sie müssen mir nur sagen, wie Sie mich haben wollen. Sich anpassen ist für mich das höchste Gebot.“ (Muszer 2001, S. 14) Diese von der deutschen Mehrheitsgesellschaft eingeforderte Unterordnung von Migrant_innen perpetuiert einerseits den kolonialen Überlegenheitsdiskurs des Westens (Kazecki 2016, S. 442); andererseits ist es auch eine mimikrierende Haltung, die Askeladden, der sich als „König der Verwundeten“ (Muszer 2001, S. 96) bezeichnet, quasi freiwillig und vorauseilend einnimmt und so lange Zeit als karikierendes Spiel mit den kulturellen Hierarchien einsetzt. Mit zunehmender Häufigkeit der Verwandlung in ein Echsenwesen gerät dieses Spiel jedoch außer Kontrolle. Seine, stark an Kafkas Verwandlung erinnernden Metamorphosen rücken den Roman in die Nähe des phantastischen Realismus. Einerseits hat sein Umfeld – die ukrainische Mitbewohnerin Chantal, sein Internetpsychologe, aber auch der Polizist Eckard – Kenntnis davon und nimmt den Vorgang als realen wahr; andererseits tauchen im Text eine Reihe
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phantastischer Figuren auf – der Gartenzwerg Jadollah, die Amazone Ylajali, das hellsichtige Mädchen Chadidja – die im Laufe der Geschichte immer realeren Charakter annehmen. Der Rückgriff auf deren archetypisches Dasein kann als Antwort auf das Nicht-Leben von Migrant_innen in der urbanen Gegenwart interpretiert werden. Inmitten der phantastischen Welt, die sich im Wald nahe der Stadt abspielt, ist auch der furiose Schluss des Romans verortet. Dort werden Askeladden und der Polizist von einer mysteriösen weiblichen Rachefigur getötet, die zuletzt selbst von einer anderen Fantasiefigur, der Amazone Ylajali, ermordet wird. Auch formale Kennzeichen des Textes unterstützen die Ambivalenz der Ichbilder, die durch die Instabilität und Wandlung des Protagonisten thematisiert wird. Der Roman muss als Gattungshybrid bezeichnet werden: er ist Krimi, Fantasy-Roman und psychologische Liebesgeschichte zugleich (Faryn 2015), und verwebt kunstvoll einzelne Elemente aus diesen verschiedenen Gattungstraditionen ineinander. Die Unzuverlässigkeit des Erzählten wird auch durch die Erzählweise verstärkt. Die Ambivalenz in der Narration über Askeladden wird erzähltechnisch durch den Wechsel von Passagen in der dritten und der ersten Person zum Ausdruck gebracht. Diese Unzuverlässigkeit im Erzählmodus und die unterschiedlichen Erklärungen, wer Askeladden ist, versetzen die Leser_ innen selbst in die Position eines Detektivs und involviert sie in das Spiel um die Identitätsverschiebungen des migrantischen Helden. Deutlich wird das noch einmal im Verweis darauf, dass er als Taxifahrer zwar eine eindeutige Identifikation besitzt: Er ist als solcher die Nummer 4909 und fährt das Fahrzeug 804. Im Text wird hier eine Allusion zu den Tätowierungen der Gefangenen in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern aufgebaut, deren untergeordnete und ausgelieferte Position mit einer derartigen Nummer markiert war. Askeladden wird damit am Bodensatz der Gesellschaft positioniert. Gleichzeitig wird aber auch diese Identitätsfixierung unterbunden, wenn die Erzählstimme feststellt: „Für Analphabeten und Nichtsehende bleibt er namenlos.“ (Muszer 2001, S. 73).
3.1 Selbstorientalisierung, Mimikry, Polemik Wirft man einen postkolonialen Blick auf die polnische Literaturgeschichte, zeigt sich relativ rasch das Bild von einem antirussischen Orientalismus, gepaart mit einem positiven Okzidentalismus (Uffelmann 2009, S. 153–154). Auch in Exil- und Migrationsnarrativen findet sich dieses Spiel mit den dualen Ost-West-Oppositionen wieder, das allerdings in der jüngeren deutsch-polnischen Literatur produktive Wendungen erfährt, wenn dort die Vorurteile der deutschen
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Gastgeberkultur gegenüber Migrant_innen aus Osteuropa übernommen und ins Absurde gesteigert werden. Dieses literarische Sujetverfahren bezeichnen Dirk Uffelmann (2009) und Jakub Kazecki (2016) als „Selbstorientalisierung“: eine ironisch-sarkastische, subversive Stilisierung der eigenen östlichen Herkunft zum barbarischen, unzivilisierten, wilden Ostler. Ähnlich wie die erstmals in Kanak Sprak von Feridun Zaimoglu (1995) inszenierte Umwertung des Kanaken-Heterostereotyps mittels einer strategischen Selbstkanakisierung, soll auch die Selbstorientalisierung in Form einer Übernahme von orientalisierenden Heterostereotypen die von außen zugeschriebenen Stereotypen des Barbaren aus dem Osten in der Umwertung zu einer Art Selbstermächtigung führen. Diese Strategie kennzeichnet auch Dariusz Muszers Prosa, die ähnlich wie Kanak Sprak eine gehörige Dosis Aggression birgt. Der Held von Die Freiheit riecht nach Vanille, Muszers erstem Roman, geschrieben aus der Ich-Perspektive eines polnischen Migranten und sozialen Außenseiters in Hannover, vereint gleich mehrere selbstorientalisierende Provokationen, wenn er über sich resümiert: „Ich bin ja nur ein Mischling, ein slawisch-germanisch-jüdischer Köter, der den Weg eines Außerirdischen gewählt hat, um zu überleben.“ (Dariusz Muszer 1999, S. 213) Überboten wird diese Selbstorientalisierung dann nochmals durch die Selbstbestialisierung des Helden (Ufellmann 2009, S. 160): „Von Jahr zu Jahr wurde ich behaarter und dicker, bis ich schließlich das geistige Niveau eines Schimpansen erreichte.“ (Dariusz Muszer 1999, S. 25) Uffelmann und Kazecki sind sich einig in der Bewertung dieser Selbstorientalisierung als Verfahren der Mimikry vorgegebener Klischees und deren Funktion einer Selbstermächtigung und Befreiung aus einer migrantischen Außenseiterposition:4 „Mithilfe der Umwertung des Kanaken-Heterostereotyps zur Selbstbeschreibung macht die strategische ‚Selbstkanakisierung‘ Migrantinnen und Migranten zu Subjekten mit politischer Handlungsmacht (agency) im Sinne der postkolonialen Widerstandstheorie.“ (Uffelmann 2009, S. 159). „The purpose of such self-Orientalization is to gain subaltern agency. It is a strategy not only of selfimmunization against negative streotypes, but also of political ‚self-empowerment‘ [‚Selbstermächtigung‘] and, ultimately, of successful commodification and commercialization of the migrantʼs cultural project.“ (Kazecki 2016, S. 437).
4Uffelmann
verweist allerdings auch darauf, dass diese Strategie, sobald sie aufgrund von Erfolg am Literaturmarkt verbreitet und damit anverwandelt wird, die Position der Subalternität verlassen wird.
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Konkretisieren lässt sich dieses Verfahren der „deklaratorisch-expliziten Selbstorientalisierung“ (Uffelmann 2009, S. 171), wie Uffelmann überzeugend nachweist, an einer Reihe von Textmerkmalen: dem Einsatz ästhetischer Turpismen, einem provokativen Spiel mit Ekel, der Verwendung von Tier- und Alienmetaphern zur Beschreibung der Figuren und einer „Poetik des ungehobelten Kerls“ (Uffelmann 2009, S. 171). Neben dem Entwurf einer hybriden migrantischen Identität des Helden Espen Askeladden, der seine unterprivilegierte Position als polnischer Migrant in Deutschland mittels freiwilliger Übernahme der von außen zugewiesenen Klischees karikiert, betont Kazecki (2016) auch die Besonderheit der literarischen Räume im Echsenmann, die die Deterritorialisierung im Sinne einer postkolonialen Widerstandsstrategie umsetzen: Askeladden verbringt den Großteil seiner Zeit im Taxi, einem beweglichen Nicht-Ort, in dem die Begegnungen anonym verlaufen können und in dem der Entwurf ganz unterschiedlicher Identitäten möglich ist. In der Funktion einer heterotopischen Gegenwelt, die die koloniale Ordnung der Stadt unterminiert, kann auch der Wald gelesen werden, in den Askeladden immer flüchtet, wenn er sich in das Echsenwesen verwandelt: dort finden zwar die beiden Morde statt, gleichzeitig ist es aber auch das Reich der Phantasiegestalten, die die Hierarchien der realen Welt verkehren. Dass diese Strategie der Selbstorientalisierung und Selbstbestialisierung zumindest bislang ausschließlich in Texten männlicher Autoren der deutsch-polnischen Literatur anzutreffen ist, wirft die Frage nach deren Gender-Dimension auf. Ob weibliche Migrationsautorinnen für Selbstorientalisierung resistent bleiben, lässt Uffelmann offen (Uffelmann 2009, S. 177). Autobiographische Deutungen dieser Texte versteigen sich gerade diesbezüglich in sehr problematischen Einschätzungen, wenn beispielsweise Helmut Höge in seiner Rezension des Echsenmanns Muszer als „sexbesessenen Loser“ abqualifiziert, der seine eigenen Demütigungsphantasien als polnischer Migrant in Deutschland in seinen literarischen Texten in Rachephantasien auslebt (Höge 2000).5 Dass der Roman aber nicht nur gegen die scheinbar politisch korrekte multikulturelle deutsche Gesellschaft polemisiert, sondern auch deren scheinbar politisch korrekten Geschlechterverhältnisse kritisch ins Visier nimmt, soll im folgenden Abschnitt aufgezeigt werden.
5„Von
gelegentlichen Jobs (als Abwäscher oder Werbezettelverteiler) abgesehen, beziehen sie [hier meint Höge die Autoren Muszer und Litanischwili, ebenso wie die Protagonisten
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3.2 Migration als Kastration Brigitta Helbig-Mischewski (2014) ortet in der zeitgenössischen deutsch-polnischen Literatur einen Zusammenstoß des immer noch recht traditionellen Rollenbildes der Geschlechter in der polnischen Gesellschaft mit den Vorstellungen westdeutscher Feministinnen. Diese Diskrepanz in den Geschlechterbildern sei „für die meisten polnischen Migranten-Schriftsteller und Migranten überhaupt ein Problem […], das einer symbolischen Kastration (doppelt – als Mann und Ausländer) gleichkommt.“ (Helbig-Mischewski 2014, S. 40)6 Auch die Protagonisten in Dariusz Muszers Texten leisten gegen den westlichen Gleichstellungsdiskurs von Mann und Frau und der damit einhergehenden Feminisierung des Mannes Widerstand: In der diesbezüglich programmatischen Gedichtsammlung Ich bin ein Kerl (Jestem chłop 2004) wird in dem Gedicht Ich pinkle im Stehen das Bekenntnis zu einer chauvinistischen Männlichkeit gegeben und einem links-liberalen Männerbild eine Absage erteilt. Im Roman Die Freiheit riecht nach Vanille wird der feministische Slogan „Mein Bauch gehört mir“ als „Mein Penis gehört mir“ (Muszer 1999, S. 137) polemisch adaptiert. Auch Askeladden kämpft mit dieser Problematik. Im Echsenmann lässt sich beobachten, dass der männliche Held Migration als eine Art Kastration erlebt: Die in Deutschland gänzlich anders als in osteuropäischen Ländern organisierten und stärker auf Gleichberechtigung abzielenden Geschlechterbeziehungen bringen Askeladden nämlich stark aus dem Konzept, war doch lange Zeit sein einziges stabilisierendes Element die Beziehung zu Lokisa, die er als seine Heimat bezeichnet hat (Muszer 2001, S. 145). Espen Askeladden bringt Lokisa, die keinen Sex mit ihm haben will, um, als er sie mit einem anderen
in deren Texten] Sozialhilfe. In depressiven Phasen sehen sie sich als Versager und Sozialschmarotzer. Beide Autoren kämpfen mit der Sinnlosigkeit. […] Ansonsten haben sie verwickelte Onaniertechniken entwickelt. In ihren Büchern reden sie bisweilen mit einem Leidensgenossen, der ihnen – als letzter ‚Freund‘ – verblieben ist. Darum geht es den Autoren gerade: die ganze Arschlochhaftigkeit ihrer Existenz herauszuarbeiten – ohne dabei Deutschland etwas zu schenken! Keine Peinlichkeit bzw. peinigende Wahrheit wird ausgelassen.“ (Höge 2000). 6Auch bei Helbig-Mischewski muss die Problematik der biographistischen Intepretation kritisch vermerkt werden, wenn sie etwa schreibt: „Der Sarkasmus und der Hang zum Absurden tun den polnischen Migranten-Schriftstellern gut. Sie machen ihre Frustration produktiv und wandeln Aggression in Kreativität um […].“ (Helbig-Mischewski 2014, S. 41 f.).
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Mann erwischt, womit eine Mordserie beginnt, die er als Echsenmann verübt. Und auch seine Mitbewohnerin Chantal hat für ihn eine ähnlich schützende Funktion. Als eine aus der Ukraine stammende „Freizeithure“ (Muszer 2001, S. 149) nimmt sie eine Position in der Gesellschaft ein, die im feministischen Diskurs kritisch reflektiert, von Askeladden allerdings nicht in Frage gestellt wird. Mit der phantastischen Ebene des Romans, zu der auch die Verwandlung Askeladdens in eine Echse gehört, und die als Radikalisierung der eigenen Andersartigkeit als Pole und Mann in Deutschland nicht drastischer zum Ausdruck gebracht werden könnte, unternimmt der Held die Flucht in eine andere Identität. Es ist dies seine Antwort auf die Brutalität der Welt, in der er lebt und die Gefühlskälte, die ihm entgegenschlägt, und eine Flucht in eine, seine männliche Würde rettende Phantasie, in der das Emigrationstrauma bewältigt werden kann (Helbig-Mischewski 2013, S. 173). Die überfallartige Verwandlung in ein Tier mit Schuppenhaut und gespaltener Zunge ist dabei nicht nur erotisch konnotiert, sondern auch dezidiert geschlechtlich markiert: Askeladden wird ganz explizit zum Echsenmann, der einen Verlust rationaler Kontrolle über sein Verhalten und das Durchschlagen des animalischen Instinkts erlebt. Seine in der realen Welt gezügelte männliche Energie entlädt sich hier ganz brutal und wendet sich gegen jene Frauen, die ihn in seiner Männlichkeit gedemütigt haben: Lokisa, eine Malerin aus Litauen und Askeladdens große Liebe, hat während ihrer Ehe Sexualität mit ihrem Gatten verweigert: „Immer wenn sie spürte, dass mein Penis sich aufrichtete, warf sie mich aus dem Bett. […] Wenn Sie ein richtiger Mann sind, wissen Sie, wie ich mich dabei fühlte. […] Es war dumm von mir, mich als Mann so zu verstümmeln. Ich habe mich kaputt onaniert. Jedes Mal verlor ich ein Stück Selbstachtung. Doch ich habe es erst bemerkt, als es zu spät war.“ (Muszer 2001, S. 148) Nachdem Askeladden Lokisa eines Tages mit einem anderen Mann im Bett in flagranti ertappt, reagiert er mit einem Bordellbesuch, bei dem er Chantal kennen lernt (Muszer 2001, S. 149). Ebenso hat sein zweites Mordopfer, die flüchtige Internetbekanntschaft Susan, Askeladden stark in seiner Männlichkeit verletzt. Sehr eindeutig wird dies in der Beischlafszene sichtbar, als Susan einen Dildo Askeladdens Penis vorzieht. Als er miterlebt, wie Susan masturbiert, setzt er sich nackt auf den Boden in eine Zimmerecke: „Sein Gesicht verbirgt er zwischen den Beinen. Er ist wütend und er weint.“ (Muszer 2001, S. 58–59). Auch andere Episoden in Askeladdens Leben in Deutschland berauben ihn Stück für Stück seiner Maskulinität. Beispielsweise verliert er alle seine Haare, als ihm Chantal ein Lösungsmittel empfiehlt, mit dem er seine beim Streichen der Wände grün gewordenen Haare wieder blond bekommen will.
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Der Konnex von kultureller und sexueller Subalternität wird allerdings relativiert, als deutlich wird, dass auch der deutsche Polizist Meister Eckard Probleme mit Frauen hat. Meister Eckard und Askeladden sind insofern nicht nur durch den Mordfall miteinander verbunden, sondern auch durch ein ähnliches Schicksal: Beide wurden von ihren Frauen verlassen: Espen Askeladden vermisst seine wahre Liebe Lokisa, Meister Eckard wurde von seiner Ehefrau verlassen. Beide verbindet eine weitere Frau, Chantal, Espens Mitbewohnerin in der WG, in der er wohnt, die zugleich auch Eckards Geliebte ist – genauer gesagt, Meister Eckard ist ihr Kunde im Bordell, wo sie als Prostituierte arbeitet. Beide sind also in ihren Männlichkeitsrollen beschädigt; der deutsche Polizist reagiert darauf mit dem Besuch einer Prostituierten, Askeladden mit Gewalt. Letztlich werden beide von einer weiblichen Rachefigur ermordet, die ihrerseits wiederum von einer spinnenhaften Amazone getötet wird. Nicht nur Askeladden kann als doppelt kastrierter, erfolgloser Underdog seine sexuelle Attraktion nicht bewahren, sondern auch der wenig erfolgreiche Polizeimeister, dessen Karriere stockt: „Alle Frauen lieben erfolgreiche Männer und nichts ist erotischer als Erfolg, das weiß er längst, das hat er schon immer gewusst. Er aber, Elias Eckard, ist nur Meister und beschäftigt sich mit dem Tod in Deutschland.“ (Muszer 2001, S. 117). „Starke“ Frauen, so ließe sich interpretieren, stellen sowohl in der realen, als auch in der phantastischen Welt Bedrohung und Gefahr für den Mann dar. In der realen, männlich dominierten Welt müssen sie ihr Emanzipationsstreben mit dem Tod büßen, was im Reich der Phantasie allerdings gerächt wird.
4 Fazit Auch im deutsch-polnischen Segment der zeitgenössischen transkulturellen Migrationsliteratur lassen sich in Themen und Schreibweisen die Überlagerungen und Wechselwirkungen von kulturellen und geschlechtlichen Identitäts- und Alteritätskonstruktionen nachvollziehen. Dariusz Muszers Roman Der Echsenmann kann als postkolonialer Migrationskrimi gelesen werden, in dem in der Figur des Protagonisten das Aufeinanderprallen west- und osteuropäischer Kultur- und Geschlechterbilder thematisiert wird. Sowohl die Integration Askeladdens in die deutsche Gesellschaft, als auch seine Verbindungen zum anderen Geschlecht scheitern. Weder seine Strategie der Selbstorientalisierung, noch die Flucht in das Reich der Phantasie führen zu einer positiven Entwicklung Askeladdens, implizieren aber massive Kritik an den aktuellen Diskursen zu Integration und deren geschlechterspezifischen Aspekten. Nimmt man das Bild
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des sich verwandelnden Echsenmannes als Symbol für eine instabile Identität, so lässt sich der Roman als eine polemische Reaktion auf das Ideal einer hybriden migrantischen Identität lesen. Anders als in anderen Texten der transkulturellen Migrationsliteratur, in denen Hybridität als privilegierte kulturelle Erscheinung entwickelt wird,7 mündet das aggressive Spiel des Protagonisten mit dem inneren Orient, der seine Frustrationen als Migrant und Mann in eine grausame Rachefantasie wendet, mit dessen Tod. Aus Perspektive der postkolonialen Theorie betrachtet kann die Selbstorientalisierung und Selbstbestialisierung des Helden aber auch als Akt der Selbstermächtigung verstanden werden, denn in der mimikrierenden Wiederholung der Negativzuschreibungen wird das koloniale Gefälle besonders offensichtlich. Dafür entwirft er einen Helden, der das Profil eines Psychopathen hat, homophobe Denkschablonen bedient und mit Ekel spielt. Muszer entwirft – wie es Uffelmann ausdrückt (2009, S. 165) – eine Verhaltenspoetik des Bürgerschrecks, die teilweise in gewollter Zumutung für die Leser_innen daherkommt. Dass Der Echsenmann eine Herausforderung für die Rezeption darstellt und die dort implizierte Kritik an der political correctness des Migrationsdiskurses nicht immer erkannt wird, beweist der durch Helmut Höges Rezension (2000) ausgelöste Disput innerhalb der Literaturkritik: Höge argumentiert, dass Texte wie Der Echsenmann der rechtsradikalen Szene im deutschsprachigen Raum Munition für ihre Ausländerfeindlichkeit liefere. Darauf hat die Literaturkritikerin Olga Mannheimer mit der Frage reagiert: Was darf Literatur, was darf sie nicht? Sollten Exil- bzw. Migrationsautor_innen nur politisch korrekt schreiben, um der eigenen Gemeinde und dem Vaterland nicht zu schaden (Mannheimer 2015)? Mannheimer meint, dass sich zwar über die ästhetische Qualität dieser drastischen Prosa, ihre derbe Sprache und grotesken Bilder hervorragend streiten lässt, aber Höges Spekulation, das rechte Lager könnte sie missbrauchen, weist sie ganz eindeutig zurück. Zunächst betont sie, dass es sich hier keineswegs um authentische Erfahrungsberichte, sondern um literarische Provokationen handelt. Mit Verweis auf den großen Polemiker Karl Kraus führt sie aus, dass Provokation zum Schreiben gehört und Muszer die Insiderperspektive, wie sie seine Biographie nahelegt, gekonnt ausspielt, um das Karikieren bestimmter Milieus authentisch zu unterfüttern. Mannheimer kritisiert auch, dass Höges Hinweis auf die Brauchbarkeit dieser Romane für braune Propagandazwecke eine kausale Verbindung zwischen dem Fremdenhass und der Wesensart des Fremden suggeriert.
7Als
Beispiel kann Olga Grjasnowas Romandebüt Der Russe ist einer, der Birken liebt (2012) angeführt werden.
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Damit werden nämlich die Autoren indirekt für fremdenfeindliche Angriffe mitverantwortlich gemacht. Ganz entgegen der Befürchtung Höges, selbstironische Migrationsliteratur könnte der Diskriminierung Nahrung geben, sieht es Mannheimer als ein gutes Zeichen, dass die Migrationsautor_innen aus Osteuropa Literatur als Provokation betreiben: „Das Selbstbewusstsein, das sich in ihren karikaturhaften Bekenntnissen behauptet, kann als Indiz für ein gewachsenes Sicherheitsgefühl gewertet werden – nicht zuletzt, weil sie auf die Urteilsfähigkeit der deutschen Leser vertrauen.“ (Mannheimer 2015). Dieser Einschätzung ist beizupflichten und zu betonen, dass gerade transkulturelle Migrationsliteratur das Potential hat, den Tendenzen zur Homogenisierung unserer Kultur- und Geschlechterbilder nach westeuropäischem Maß und der kolonialen Implikation von Integration entgegenzuwirken, weil sie ein Spielfeld für nicht einheitliche Identitäten und Übungsplatz multiperspektivischen, verfremdeten Sehens ist.
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Hausbacher, Eva, Dr., Professorin am Fachbereich Slawistik der Universität Salzburg. Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Russische Literatur im 20. und 21. Jahrhundert, Literatur im Kontext von Migration, Literatur- und Kulturtheorie, Gender Studies und Postcolonial Studies, Fashion Studies.
Dance, Intangible Cultural Heritage and YouTube: Methodological Approaches Sheenagh Pietrobruno
Understanding the intersection between intangible cultural heritage and digitization has become increasingly crucial in order to grasp the processes of heritization within current international mediated contexts. Global processes of heritization highlight the gendered dynamics of intangible practices within specific national contexts. When these national practices are digitally transmitted throughout the world and reshaped through algorithmic mechanisms, their national gendering can be reinforced or undermined. The significance of this connection between intangible heritage and digital media emerges through the attention it is granted by national governments (Canadian Heritage Information Network 2017) and supranational governing bodies, including the European Commission (Pietrobruno 2019b). Dance is integral to this relation, which grounds digital intangible cultural heritage, as an emerging field of inquiry (Pietrobruno 2014). A key strand within this field is the dissemination of dance on social media platforms (Pietrobruno 2019a). Methodological approaches to the study of YouTube and intangible heritage illustrate that the transcultural social archiving of dance videos on YouTube can both counter and reinforce official heritage narratives within the gendered dynamics of national practices. This claim is developed through the case study of the Mevlevi Sema Ceremony of Turkey, or the whirling dervish ceremony, within the context of UNESCO’s Convention for the Safeguarding of the Intangible Cultural Heritage (2003). The central argument unfolds in three stages. First, background information is provided in regard to the Sema and its links to gender, UNESCO, YouTube and communities. Second, an explanation of YouTube as archive is outlined S. Pietrobruno (*) Saint Paul University Ottawa, Ottawa, Canada E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Hausbacher et al. (Hrsg.), geschlecht_transkulturell, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30263-4_10
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to show how this platform enables the social archiving of heritage through the technologies of personalization and infinite scrolling. Finally, an example from the methodological approach is detailed to argue that the social archiving of community practices can both challenge and sustain official heritage within the performance of gendered relations.
1 Contextualizing the Sema as a Gendered Practice The Sema was established in Konya in 1273 by the Mevlevi Sufi order. With prayer, music and poetry, the dance of the Sema furthers the adherence of the Mevlevi order to the inner path of Islam. Sufi practice enables one to pass through the opaqueness of the temporal realm and shed the veils of the perceptible world in order to ponder the inner spiritual realities and achieve an experience of unity with the divine (Geoffroy 2010, p. 2, 12, 171). The whirling of the Sema dance is a physical embodiment of this spiritual passage toward the center of the circle, which is achieved through the destruction of the temporal self. This death is indicated symbolically by the dervish’s clothing. The tall hat (sikke) of the dervish emblematizes the tombstone, the black cloak (hırka) connotes the tomb, and the flowing white dress (tennure) mirrors the shroud (Fremantle 1976, p. 330). As a nineteenth-century Mevlevi Sema ceremony coloured lithograph from the Derra de Morroda Dance Archives demonstrates, only men traditionally performed the Sema in the dance hall area (semahane) of the Mevlevi lodge (Fig. 1). From an enclosed lattice-covered gallery in the semahane and out of the public eye, women could in the past observe public performances of the Sema (Bakirci 2010, p. 54). Records do exist of a few instances in the Ottoman era when women took part in public ceremonies with men (Baldick 1989, p. 113; Helminski 2003, p. 124). Despite exceptional cases, the Sema has remained for centuries an ancient male ceremony that women have been essentially forbidden to practice in public (Tanrıkorur 2004, p. 27). Through the Convention for the Safeguarding of the Intangible Cultural Heritage (UNESCO 2003), the Mevlevi Sema Ceremony was officially proclaimed as intangible cultural heritage in 2005. UNESCO put forward the Convention to preserve the heritage of practices performed by people. Dance plays a pivotal role in the safeguarding strategies of the Convention. One of its key stipulations is that nation-states are supposed to safeguard intangible heritage in a manner that captures the way that heritage constantly changes through the involvement of all the communities and groups within a given territory (UNESCO 2003). Nevertheless, representatives of national governments often
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Fig. 1 Coloured Lithograph of a Mevlevi Sema Ceremony in a Mevlevi Lodge with the title Danse des Dervishes [Dance of the Dervishes] handwritten on the back (Circa 19th century) (Derra De Moroda Dance Archives, Salzburg University, DdM ic B178)
safeguard only the practices of those communities that conform to their political and nationalistic goals. This tendency can lead to the violation of rights of communities, including women’s rights. Although representatives of nation-states are supposed to consult all the communities and groups in their territory when they are safeguarding a practice, the Convention cannot legally compel them to do so. That is because the Convention grants sovereignty to nation-states (Lenzerini 2011, pp. 111–112; Lixinski 2011, p. 86). Since 2009, through the UNESCO YouTube channel, UNESCO has disseminated videos of the intangible heritage elements that it safeguards. Consequently, YouTube stores videos that safeguard national governments’ preservation of their heritage in ways that can lead to the violation of the rights of members of communities. UNESCO through the Turkish government officially safeguards the Sema as a male practice, and this exclusivity emerges explicitly in the candidature file (International Mevlana Foundation 2004, p. 4, 7). This file is the official
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document that state representatives produce and submit to have their practice considered for official recognition by UNESCO. Furthermore, the candidature file of the Sema produced by the Turkish Ministry of Culture and Tourism lists the Mevlevi orders in Turkey that are recognized by the national government and the one order that is not recognized. The group that is not recognized is the Foundation of Universal Lovers of Mevlana Jalaluddin Rumi, or EMAV (International Mevlana Foundation 2004, p. 7). EMAV is primarily excluded because, under the spiritual leadership of Hasan Dede, this group has integrated women alongside men in public performances since 1993 (Ayman 2004, p. 47). By not recognizing this group, the Turkish government is not fully abiding by the terms of the Convention, which ask nation-states safeguarding intangible heritage to consult all the communities and groups in the nation and to adhere to an understanding of intangible heritage that allows for change. Therefore, the practices of this community are not recognized in UNESCO’s official video posted on YouTube, which visually portrays the Sema as exclusively male without explicitly stating that women are officially excluded (UNESCO 2009).
2 YouTube as an Archive of Heritage Individual YouTube videos outline each of the 549 intangible heritage practices, referred to as elements that are currently officially safeguarded by UNESCO. These videos are tabulated on UNESCO’s (2008) listing of the elements officially recognized by this global institution. On this site, UNESCO safeguards these elements with a short text, a set of photographs as well as a YouTube video produced by representatives of the national governments involved in safeguarding their respective practices. This official tabulation of intangible heritage resembles to a certain extent a traditional archive administered by central authorities, which in this case are national governments sanctioned by UNESCO. It is the representatives of national governments who determine the contents of the lists and hence their value (Gracy 2007, p. 189). The UNESCO YouTube videos featured on this official list nonetheless also circulate on the YouTube platform under an array of search headings that group them with videos of the very practices officially safeguarded by this global heritage institution. These videos are uploaded by a range of users, including other institutions, communities and individuals. UNESCO videos combine with videos from a variety of sources. This process forges an archive that can challenge the central authority of the traditional archive by providing representations of intangible heritage that offer alternatives to those put forward by nation-states through UNESCO (Pietrobruno 2013a).
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YouTube challenges the authority of UNESCO-sanctioned heritage narratives because the platform enables the circulation of videos from diverse of sources besides UNESCO. Yet YouTube as a medium succumbs to another authority: the politics of code. As an unofficial public archive of heritage, YouTube is under the control of algorithms that Google designs and upgrades to monetize the labour of YouTube users. These algorithms include the personalization of content. For individual users, this means that the videos they access on YouTube dealing with heritage are increasingly personalized and algorithmically designed so that Google can monetize individual user media activity and consumption. Algorithms personalized to a user’s IP address as a dataset transform each search engine result page (SERP) under keywords into a unique media form. In 2009 Google converted from universal search results for all users to personal results for each user that are targeted at individual preferences and search history as a unique dataset and identity (Rogers 2018, p. 7). Personalization algorithms are integral to YouTube search result pages and are black-boxed and kept secret along with YouTube’s range of ranking algorithms (Pietrobruno 2018, p. 528). Algorithms transform YouTube into a distinct social-media-based archive in which two paradoxical tendencies operate at the same time on the platform. First, given search terms will produce a diverse set of videos whose order shifts in response to algorithms and user-generated content and communication. For instance, Christos Goodrow, YouTube’s director of engineering for search and discovery, indicates that YouTube’s ranking algorithms are tweaked between 50 to 100 times per year (Computerphile 2014). Second, despite the continuous possible changes in ranking order under specific search terms, a selection of videos may also remain at the top of a SERP in accordance with the hierarchical structure of YouTube’s algorithms, which are in place to monetize the site (Pietrobruno 2018, p. 528).
3 The Sema and the Digital Methods Approach 3.1 A Qualitative Approach to YouTube’s Archiving That the social archiving of heritage can both reinforce and challenge official heritage is outlined through an example of the methodological approach of tracking Sema videos on YouTube. This method builds upon the previously outlined understanding of the platform as an archive. Tracking the lists of videos on search engine result pages under set keyword search terms captures the two tendencies in YouTube’s archiving: (1) a selection of videos remains at the top of a SERP; and (2) continuous shifts occur over time in the ranking of
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videos in a given stream under these stable search terms. This approach elicits heritage narratives by tracking videos at the top of a SERP with the use of a set of keywords as well as by identifying narratives that are forged by tracking the stream of videos generated using these same terms. The heritage stories produced via the content of YouTube videos and lists are read through an interpretative context enriched by scholarly research on the historical and contemporary gendered aspects of the Sema. The building of these narratives on YouTube is further informed by an actual ethnography of women dervishes in Istanbul. In intermitted periods during 2012, ethnographic research was conducted on Semas conducted by EMAV at its Silivrikapı Mevlevihanesi (Mevlevi lodge) in Istanbul. This fieldwork included attending ceremonies as well as interviewing women dervishes and the spiritual head of the community, Hasan Dede. This research also builds on interviews at the UNESCO headquarters undertaken with members of the Intangible Cultural Heritage Section in 2012, 2015 and 2018.
3.2 Integrating the Technology of Infinite Scrolling In this method, 100 videos are tracked during fixed timeframes via set keywords. The reason for taking into account a stream of 100 videos reflects changes in YouTube searching formats. In 2018 YouTube introduced infinite scrolling. With this technology, users can run down a stream of videos without having to actively move from a page of twenty videos as they were obliged to do with the previous design. Furthermore, infinite scrolling produces seemingly endless results because data keeps appearing in conjunction with user action. It is as though the stream of content continues to grow without a clear endpoint (Cousins 2018). This function enables users to scan the tabulation of 100 videos on their mobile phones in minutes. Infinite scrolling transforms the search process on a laptop or desktop computer into one that resembles the way users find data on phones. This method incorporates 100 videos within a SERP to reflect how users can so easily and quickly scan a large number of videos on YouTube with the use of scrolling technology. The pleasure of following a stream is that the path is continuously being refreshed, leading the user into an unknown journey that fulfills the desire to be surprised by the new discoveries. In the popular press, discussions have been taking place that pitch infinite scrolling as an addictive practice (Eyal 2012; Hern 2019). The psychology of users is allegedly affected as the technology lures them to constantly check their social media by grabbing their attention and urging them to delve further into unknown streams of endless data. The technology is compared to products, including slot machines that foster dependent
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habit-forming behaviour patterns in their users to benefit the businesses that produce and promote products that create addictions (Eyal 2012). Despite the potential perils of infinite scrolling, this search feature is being repurposed in a positive way in this method. With scrolling, users do not simply stay at the top of a SERP but are urged by the technology to quickly scan down the stream of videos with the tips of their fingers. This enables videos that do not rank high in the SERP to more easily reach the attention of audiences. The scrolling technology also drives users to look farther down a list in order to find the surprising and the new. Previous research showed that users looked only at the first three to five ranked items. With infinite scrolling, there is a greater probability that they will search farther down the list (Rogers 2018, p. 5). This change has consequences for the heritage narratives of communities that counter official versions. In an interview, Hugues Sicard (2012), the knowledge management specialist of UNESCO’s Intangible Cultural Heritage Section in Paris, proposed that Google may privilege the ranking of heritage videos uploaded by institutions. The top of SERPs may also show versions of heritage that cohere with those supported by official institutions. With the infinite scrolling function, users can rapidly scan down an endless stream of tabulated videos and glance at thumbnail images that point to videos featuring versions of heritage that provide alternative perspectives at a tabulation ranking well below the top three to five entries.
3.3 Methodological Steps This specific example of the methods to be detailed draws from the SERP of 100 videos tracked from July 30 to August 6, 2019. The search keywords used were “Mevlevi Sema Ceremony + kadın semazenler,” the latter of which mean “women dervishes” in Turkish. The use of contrasting keywords juxtaposed the reference to the practice of the Sema as it is featured in the title of the English-language UNESCO video with the Turkish words for “women dervishes.” Employing contrasting keywords can potentially reveal counter heritage videos by eliciting videos of women dervishes to surface on a SERP within the mediated backdrop of its official safeguarding as a masculine practice. In this method, under the keywords identified above, the 100-video SERP feed was tracked simultaneously on two computers set up on different browsers. One computer was running the Google Chrome Browser, personalized to my home-office IP address in Ottawa, in order to capture my personalized identity as a dataset, and the other computer was running the Tor Browser, which shifts the search site to changing IP locations. The Tor Browser anonymizes users’ web
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traffic by repeatedly relocating their communication throughout a distributed network of relays managed by volunteers positioned around the world so that the physical location of users cannot be ascertained. This method deploys the Tor Browser in a productive manner in order to obtain more comprehensive SERPs on YouTube that expand results beyond those that are targeted only at a given IP address. The Tor Browser is also used as a “Dark Web” technology that enables users to hide their IP addresses and physical locations in order to realize a range of goals, from countering the control of totalitarian governments to conducting criminal activities (Gehl 2018, p. 12). Comparisons are drawn on the SERPs produced using each browser that take into account the paradoxical archiving strategies evident on YouTube. Therefore, two types of recorded observations are conducted: (1) to investigate the videos that stay ranked at the top of each SERP, the videos that are positioned in the first five positions of the 100 videos are tracked; and (2) to investigate the shifts in video content on the two streams, the videos featuring women dervishes in Mevlevi communities are tracked within the tabulation of the 100 videos.
3.4 Top of the SERP Analysis The following is a list of the videos at the top of the SERP of the 100 tracked videos that were tabulated using each browser with the set keywords. These findings were recorded on August 6, 2019, the last day of the research week. On the Tor Browser, this list was recorded in the following order, with the numbers indicating their ranking from the top of the SERP: #1 Mevlevi Sema (Karin Vlietstra 2014) #2 Kadın Semazenler (Turner Baydar 2015) #3 Sema Ceremony—Whirling Dervishes (mevlanafoundation 2011) #4 The Mevlevi Sema Ceremony (UNESCO 2009) #5 Şeb – i Aruz Törenleri Semazen Sema Sunumu – Whirling Dervish Sema Ceremony (Mehmet Cahit Canlı 2017) On the Chrome Browser personalized to my IP address in Ottawa, this list was recorded in the following order, with the numbers indicating their position from the top of the SERP: #1 Kadın Semazenler (Turner Baydar 2015) #2 Mevlevi Sema (Karin Vlietstra 2014)
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#3 Sema Ceremony—Whirling Dervishes (mevlanafoundation 2011) #4 Şeb – i Aruz Törenleri Semazen Sema Sunumu – Whirling Dervish Sema Ceremony (Mehmet Cahit Canlı 2017) #5 The Mevlevi Sema Ceremony (UNESCO 2009) In this example, the same videos appeared on the top of the SERP during the research week. Nonetheless, within the top five positions, these videos changed ranking continuously on each browser. Their ranking fluctuated on each research day within the same browser and between the two browsers. Such shifting reinforces the claim that YouTube does rank certain videos at the top of a SERP, yet it also shows that this ranking is itself fluid, as specific videos regularly alternate position at the top of a SERP under set keywords. Only one video at the top of the SERP, “Kadın Semazenler” (Turner Baydar 2015), counters the masculine exclusivity of the official heritage narrative. On August 6, 2019, this video ranked the highest on the Chrome Browser personalized to my IP address in Ottawa and was tabulated in second place on the Tor Browser. This video features a section of an EMAV performance in which women perform alongside men. The other four videos tabulated at the top of the SERP instead reinforce the national narrative. The video “Mevlevi Sema” (Vlietstra 2014) features only men in a public performance in Turkey and therefore does not counter the national heritage. “Sema Ceremony – Whirling Dervishes” (mevlanafoundation 2011), created by the International Mevlana Foundation, shows only men in a public Sema ceremony in Turkey. The video “The Mevlevi Sema Ceremony” (UNESCO 2009) was also produced by the International Mevlana Foundation, which is affiliated with the Turkish Ministry of Cultural and Tourism and which also produced the candidature file for UNESCO. This video was uploaded by the UNESCO channel in 2009 and is featured on the UNESCO website showing the lists of safeguarded intangible cultural heritage (UNESCO 2008). This video is a shortened and revised version of an approximately ten-minute video submitted to UNESCO along with the candidature file in 2004 by the Turkish Ministry of Culture and Tourism. The video “Şeb – i Aruz Törenleri Semazen Sema Sunumu – Whirling Dervish Sema Ceremony” (Mehmet Cahit Canlı 2017) features a male-exclusive performance held in the Turkish city of Konya that adheres to the national narrative. As noted by Sufi scholar and former minister of culture Talat Halman (1930–2014), the city of Konya does not permit women to perform the Sema in public (cited in Jamjoon 2010). These four videos listed on the Tor Browser under the employed search term reinforce the official version of this practice put forward by Turkish governmental institutions and sanctioned by UNESCO. Nonetheless, the video uploaded by Turner Baydar
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does provide a counter-narrative by featuring women dervishes in a public performance. Despite predominantly disseminating official heritage narratives, the top results on YouTube also promoted a counter-perspective. The contrasting keywords in the search term, which forced a juxtaposition of official heritage and women dervishes, did enable alternative accounts of heritage practices of Sema communities to appear and be ranked at the top of the SERP on each browser.
3.5 Analysis of the Stream of 100 Videos—the Tor Browser The presence of women dervishes in the YouTube stream of 100 videos of the Sema also emerges amid the dominance of male-only depictions. The following is a list of the videos highlighting women dervishes in public Sema performances and their rankings, recorded on August 6, 2019, on the Tor Browser: #1 Mevlevi Sema (Karin Vlietstra 2014) #2 Kadın Semazenler (Turner Baydar 2015) #7 Kadın Semazenlerin Sema Gösterisi (Mistik Alem 2014) # 9 Sema Ceremony of the Whirling Dervishes (Mevleviyya 2006) #16 Amerikalı Mevleviler/American Whirling Dervishes/Sema Ceremony (gunlukvb 2012) #18 Turkey: World Famous Whirling Dervishes (AP Archive 2015) #20 Mevlevi Sema Ceremony Istanbul 2012 Ramazan (Sheenagh Pietrobruno 2013c) #32 Female Whirling Dervishes—Turkey (Journeyman Pictures 2008) #38 Mevlevi Sema Ceremony Istanbul 2012 Summer (Sheenagh Pietrobruno 2013d) #42 Mevlevi Sema Ceremony Istanbul August 2012 (Procession) (Sheenagh Pietrobruno 2013b) #46 Mevlana Sema Ceremony (Bodhi Sahaj 2007) #48 The Sufi Whirling Dervishes of Istanbul (4transform 2007) #61 Whirling Dervishes in Istanbul (April Roberts 2006) #67 In A Spin—Turkey (Journeyman Pictures 2007) #73 The Women Sufi Whirling Dervishes of Istanbul (Tali Landsman 2018) #76 Evrensel Mevlana Aşıkları Vakfı (EMAV) (Şeref R. Ayar 2010) #78 2017 Şeb-i Arus Sema Ayini Silivrikapı Mevlevihanesi (Hasan Dede and Evrensel Mevlevi Bilgeliği 2017) #99 Derviches Tourneurs d’Istanbul (Kenan Öztürk 2015)
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Only these 18 of the 100 videos listed using the Tor Browser feature women performing the Sema in public performances. Exclusively male performances prevail, as the majority of the remaining 82 videos generally include such performances. Semas featuring women-exclusive performances or women dancing alongside men do surface and provide a counter-narrative. In conjunction with the top-ranking video uploaded by Turner Baydar (2015), which features EMAV women dervishes performing with their male counterparts, an analysis of the rest of the stream of 100 videos reveals the multifarious context of women dervishes in Mevlevi communities within Turkey and outside the nation. The third video, in seventh place on the list, “Kadın Semazenlerin Sema Gösterisi” (Mistik Alem 2014), features a 2014 performance by the Bursa Mevlana Kültürünü Tanıtma ve Yaşatma Derneği (Bursa Association to Promote and Sustain the Culture of Mevlana). This association, located in the Turkish city of Bursa, is unique in its enactment of large-scale women-only Semas that are disseminated on social media (Today’s Zaman 2011). Depicting roughly seventy women and girl dervishes whirling together on stage, this video reveals the changes that are taking place in community practices regarding the Sema that extend beyond 2004, which marks the completion date of the candidature file, as well as beyond 2009, which is when the Sema video was uploaded to YouTube by UNESCO. The videos ranked in ninth and sixteenth places on the list portray performances by the Mevlevi Order of America, which has integrated women into public performances since its establishment in various cities in the United States in 1978. The candidature file recognizes the Mevlevi Order of America as a legitimate organization even though the file points out that this community includes women dervishes in public performances (International Mevlana Foundation 2004, p. 7). The remaining videos feature performances by EMAV and its integration of women into public performances. They include videos of performances by EMAV in Istanbul enacted from 2005 to 2018 and uploaded by channels produced by individuals, including 4transform, April Roberts, Tali Landsman and Bodhi Sahaj, as well as my channel, Sheenagh Pietrobruno. As illustrated by the thumbnail of a close-up of a women dervish in an EMAV ceremony captured from one of my listed channel’s videos, entitled “Mevlevi Sema Ceremony Istanbul 2012 Ramazan” (Fig. 2), these performances would not be recognized as legitimate by the Turkish government through UNESCO’s safeguarding. The video stream also includes media channels disseminating documentaries that include footage and related commentaries regarding the practices of EMAV. The two videos “Female Whirling Dervishes—Turkey,” and “In a Spin-Turkey,” both uploaded by Journeyman Pictures (2008 & 2007), an independent source of films and documentary, highlight EMAV’s spiritual leader, Hasan Dede,
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Fig. 2 Thumbnail of the YouTube Video entitled, “Mevlevi Sema Ceremony Istanbul 2012 Ramazan”. (Sheenagh Pietrobruno 2013a)
and his integration of women into public performances in 1993. Another is the video “Turkey: World Famous Whirling Dervishes,” created and uploaded by AP Archive (2015), the film and video archive of the Associated Press, an American not-for-profit news agency, which features performances by EMAV where men perform alongside women. The listed videos also include “Evrensel Mevlana Aşıkları Vakfı (EMAV),” uploaded by the user-generated channel Şeref R. Ayar (2010), which features a Turkish-language video created by EMAV to outline its beliefs and practices, including the integration of women into public performances. The EMAV video “Şeb-i Arus Sema Ayini Silivrikapı Mevlevihanesi” was uploaded by Hasan Dede and Evrensel Mevlevi Bilgeliği (2017), the YouTube channel of the EMAV community and its spiritual leader. The establishment of this channel in 2015 reveals that the community disseminates and archives its intangible heritage practices on YouTube. Through the community’s agency on YouTube, the EMAV members and their spiritual leader, Hasan Dede, further provide their own alternative perspective to the national narrative of the Sema put forward by the Turkish Ministry of Culture and Tourism through UNESCO. The last video in the list, “Derviches Tourneurs d’Istanbul,” uploaded by Kenan Öztürk (2015), shows a performance by EMAV at the Karagöz Center in
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Ayvalik on the Aegean coast, which opened in 2005 as a branch of the Caféturc music & arts. Caféturc is an agency founded in Paris in 1996 and based in France and Turkey. It specializes in “management, booking and artistic consultancy in world and contemporary music and holds a unique knowhow in Turkish music” (Caféturc music & arts 2018). This video elicited an interpretation that went beyond the contents of the video and the list in which it appeared. Because Caféturc is based in Paris, the video brought to mind my ethnographic work related to the EMAV community. In 2013 EMAV was invited to perform in Paris at the 17th Festival de l’imaginaire, which is organized by the Maison des cultures du monde – Centre français du patrimoine culturel immatériel. Prior to EMAV’s performance, I was asked by one of the women dervishes in the community to check the English translation supplied by the festival organizers in order to see whether it was identical to the official French-language version. My recollections of this volunteer translation work conducted during my fieldwork, which was triggered by Kenan Öztürk’s video, reminded me of the impact that EMAV’s integration of women dervishes has had in the international arena through their performance in Paris. Viewing Kenan Öztürk’s video added to this awareness by revealing EMAV’s association with Caféturc, which has ties to France. Integrating my ethnographic work within the search process through the specific detail of my reviewing EMAV’s contract for its Paris invitation expanded the search results beyond the terrain of information contained in the text, images and videos. It included my “wet web,” which Alexander Halavais (2018, p. 92) describes in terms of its relation to search as “the information that remains stuck in people’s brains, the tacit knowledge that has not been recorded in indexable form.” According to Halavais (2018, p. 81), search is a subjective process that extends beyond the parameters of looking for and finding information. An understanding of the data found is impacted by the knowledge and wisdom that the human searcher brings to the search engine result page. My reading of Kenan Öztürk’s video in this stream of 100 videos is probably unique, as it is embedded within my particular contextual framing. Havalais (2018, pp. 81–82) highlights the individuality embedded in search: “two people who receive and process the same results are likely to reach radically dissimilar conclusions.”
3.6 Analysis of the Stream of 100 Videos—the Personalized Chrome Browser The following is the list of videos featuring women dervishes accessed on the Chrome Browser personalized to my IP address in Ottawa:
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#1 Kadın Semazenler (Turner Baydar 2015) #2 Mevlevi Sema (Karin Vlietstra 2014) #6 Kadın Semazenlerin Sema Gösterisi (Mistik Alem 2014) #8 Amerikalı Mevleviler/American Whirling Dervishes/Sema Ceremony (gunlukvb 2012) #22 Sema Ceremony of the Whirling Dervishes (Mevleviyya 2006) #27 Turkey: World Famous Whirling Dervishes (AP Archive 2015) #32 Mevlevi Sema Ceremony Istanbul 2012 Ramazan (Sheenagh Pietrobruno 2013c) #42 The Sufi Whirling Dervishes of Istanbul (4transform 2007) #57 Whirling Dervishes in Istanbul (April Roberts 2006) #73 2017 Şeb-i Arus Sema Ayini Silivrikapı Mevlevihanesi (Hasan Dede and Evrensel Mevlevi Bilgeliği 2017) #81 Evrensel Mevlana Aşıkları Vakfı (EMAV) (Şeref R. Ayar 2010) This list personalized to my IP address includes only 11 videos that feature women dervishes in public performances. The other 79 videos generally depict performances composed only of male whirlers. Despite the reduction in the number of videos featuring women dervishes personalized to my IP address in comparison to the list that was tabulated using the Tor Browser, the content of the videos in the personalized list resembles that of the videos obtained via the Tor Browser. A similar set of videos is featured on each list, which in turn creates an almost analogous narrative regarding women dervishes through the search conducted on each browser. There are nonetheless differences that shift the narratives to a certain degree. On the list generated by the personalized Chrome Browser, there are fewer videos uploaded by individual channels that feature EMAV performances. The videos that do not appear are the following: • Mevlevi Sema Ceremony Istanbul 2012 Summer (Sheenagh Pietrobruno 2013d) • Mevlevi Sema Ceremony Istanbul August 2012 (Procession) (Sheenagh Pietrobruno 2013b) • Mevlana Sema Ceremony (Bodhi Sahaj 2007) • The Women Sufi Whirling Dervishes of Istanbul (Tali Landsman 2018) • Female Whirling Dervishes—Turkey (Journeyman Pictures 2008) • In A Spin—Turkey (Journeyman Pictures 2007) • Derviches Tourneurs d’Istanbul (Kenan Öztürk 2015) Videos personalized to my IP address do not highlight my own videos. This personalized list of videos also consists of a reduction in the number of videos
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that feature less recent EMAV Sema performances, such as the ceremony depicted in Bodhi Sahaj’s (2007) video. It also features a reduction of more recent uploads, as demonstrated by the absence of Tali Landsman’s (2018) video of an EMAV performance. This personalized list of videos does not feature any videos by Journeyman Pictures, reducing the impact that media channels can have on the dissemination of videos targeted to my IP address. But the only absence that significantly affects the narrative is the lack of tabulation of the video “Derviches Tourneurs d’Istanbul,” uploaded by Kenan Öztürk (2015). The nonappearance of this video means that I did not take the interpretative path that I travelled in response to the Tor Browser SERP, which led me to remember my ethnographic work in 2012 when I checked EMAV’s French-language contract for their invitation to perform at the 17th Festival de l’imaginaire in Paris. The absence of this video also means that EMAV’s international presence is not highlighted in the videos targeted to my IP address. The community’s association with the France- and Turkey-based Caféturc is simply not indexed.
4 Conclusion Through a comparison of the SERP personalized to my IP address and the one obtained via the Tor Browser, a more comprehensive picture can be ascertained of the way that YouTube’s video archiving provides heritage gendered narratives that counter those put forward by nation-states through UNESCO. The Sema, with its whirling dance, has provided an illuminating case study for the archiving of gendered national intangible cultural heritage on YouTube’s search engine result pages. Search engines assemble these expressions on YouTube’s shifting list of videos and in turn position them within a fluctuating transcultural gendered context. Like the intangible dance of the Sema, which harbours gendered rejuvenation in its individual and social expression, videos that are tabulated through endless scrolling are in constant flux in terms of their gendered dynamics. The Sema is renewed with each lived performance by a woman dervish. Mevlevi communities have been innovative in their performances of the ceremony by permitting women to whirl in public. In parallel, search engines result pages are continuously shifting in terms of ranking and video content to absorb the constant flux in user communication and modifications in algorithmic coding. The tabulation of videos on the two SERPs examined will differ from that recorded on August 6, 2019, in the days, weeks, months and years ahead. Is this analysis of Google’s search business via a comparison of tabulated videos that document a religious practice viable or, for that matter, even ethical?
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The actual performance of the Sema experienced by the dancer is different with each dervish’s spiritual awakening, whereas SERPs shift with personalization algorithms, ranking algorithms and infinite scrolling tabulation to monetize its users. Despite the problematics of drawing a link between a religious practice and the commercial practices of a social platform, the intangible nature of SERP algorithms reflects the changing nature of heritage in lived gendered contexts and its consequent transcultural dissemination on social media platforms. Through the constant modifications in the order that videos are ranked via endless scrolling in response to search keywords, the heritage narratives that users can glean from the communication paradigm of this commercial platform can also transform. In the case of EMAV’s incorporation of women dervishes into public performances, this revision has been positive. SERPS have enabled this development to reach YouTube’s audiences. In what future ways will SERPs on YouTube challenge as well as reinforce the official gendered heritage narrative of the Mevlevi Sema ceremony? Will new community expressions surface to confront official gendered narratives? The answers to these questions remain to be discovered through the whirling of dervishes in Mevlevi communities and the dynamics of YouTube’s search engines.
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Pietrobruno, Sheenagh, Dr., Professor in the Social Communication at Saint Paul University, which is federated with the University of Ottawa. She was a Visiting Professor (2018) in the Department of Social Change and Culture (ISAK) at Linköping University. Her areas of research include dance, gender, intangible heritage, museum studies, digital media, social media and visual studies.
Von „half of the sky“ zu „halfway“. Chinas Single-Frauen als Gegenstand von politischen und kommerziellen Kampagnen Liesa Herbst 1 Einleitung „Frauen tragen die Hälfte des Himmels“ – so lautet ein chinesisches Sprichwort, das dem ersten Präsidenten der Volksrepublik, Mao Zedong zugeschrieben wird und im Kontext von Gleichstellungsfragen vielfach bemüht wurde. 2015 verwendete es der amtierende Präsident Xi Jinping in seiner Rede anlässlich des 20. Jahrestags der Vierten Weltfrauenkonferenz: „China will do more to enhance gender equality as its basic state policy, give [full; LH] play to women’s important role as ‚half of the sky‘ and support them in realizing their own dreams and aspirations in both career and life.“ (Xi 2015, S. 4) Xi’s Erklärung, die weibliche Bevölkerung darin zu unterstützen, ihre („their own“) beruflichen sowie privaten Ziele zu verwirklichen, damit individuelle, vielfältige Lebensmodelle zu fördern, steht im eklatanten Gegensatz zu einer staatlichen Kampagne, die 2007 vonseiten der chinesischen Regierung initiiert wurde. (Hong Fincher 2014) Auf medienwirksame Weise, unterstützt von der offiziellen Frauenrechtsorganisation All-China Women’s Federation wurden gebildete, berufstätige, ledige Frauen, die älter als 27 Jahre sind, als „sheng nu“ bzw. „Übriggebliebene“ stigmatisiert. Damit sollten junge Single-Frauen daran erinnert werden, möglichst bald zu heiraten sowie eine Familie zu gründen, um nicht selbst mit spätestens 27 Jahren
L. Herbst (*) Universität Salzburg, Salzburg, Österreich E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Hausbacher et al. (Hrsg.), geschlecht_transkulturell, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30263-4_11
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als „sheng nu“ zu gelten. Die medienvermittelte Stigmatisierung lediger Frauen in China ist Gegenstand dieses Beitrags. Der „sheng nu“-Diskurs, unter anderem ein Beispiel für „direct state efforts at social engineering“ (Wallis und Shen 2018, S. 379), bildete die Grundlage für die 2016 gestartete Werbekampagne changedestiny des japanischen Kosmetikunternehmens SK-II. Das Unternehmen ruft Frauen dazu auf, „to shape their own destiny“ (SK-II #changedestiny). Inwiefern die SK-II-Kampagne als ein Gegenentwurf zum staatlichen „sheng nu“-Diskurs verstanden werden kann, soll die qualitative Analyse des 2019 veröffentlichten Kampagnenfilms MeetMeHalfway verdeutlichen. Anhand der Analyse von Geschlechterkonstruktionen sowie weiteren Ungleichheitskategorien zeige ich darüber hinaus, wie der „sheng nu“-Diskurs und diese Werbemaßnahme, als ein Beispiel für „commodity feminism“ zusammenhängen und was diese Verbindungen aus Sicht der Gender Media Studies wiederum aussagen. Zuvor zeichne ich die historische Entwicklung der Stellung von Frauen in China nach, vom Sozialismus ab 1949 bis zum heutigen Postsozialismus. Die Skizzierung chinesischer Geschlechterpolitiken soll den Wandel sowie die Kontinutitäten der Geschlechternormen und damit verbundene Geschlechterdiskurse sichtbar werden lassen angesichts der beobachtbaren Wiederkehr traditioneller, konfuzianischer Geschlechtervorstellungen (Sun und Chen 2015).
2 Frauen in China: eine historische Perspektive Mit der Gründung der Volksrepublik im Jahr 1949, dem Erlass einer neuen Verfassung sowie eines „Neuen Ehegesetzes“1 war die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter erreicht. Mit Slogans wie „Frauen stützen die Hälfte des Himmels“ und „Frauen können dasselbe leisten wie Männer“ wurde die konfuzianische Tradition, der Unterordnung von Frauen unter Männer, explizit abgelehnt (Wu 2010). Die Kommunistische Partei förderte die Beschäftigung von Frauen im Produktionssektor (Linck 1988, S. 120–121). Biologische Geschlechterdifferenzen
1Das
Ehegesetz von 1950 sicherte Frauen das Recht auf Eigentum, Scheidung und freie Wahl des Ehepartners zu, verbot das Konkubinat, die Verlobung von Kindern sowie den Verkauf von Söhnen und Töchtern in Ehe oder Prostitution (Davis und Harrell 1993).
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wurden heruntergespielt bzw. negiert „in order to mobilize women to do whatever men can do and to maximize the use of female labor“ (Young 1989; Yang 1999 zit.n. Yang 2011, S. 353). Die frauenpolitischen Maßnahmen der Partei vereinten somit verschiedene (nationale) Interessen. Als weibliche Vorbilder dienten die „eisernen Mädchen“, die androgyn gekleidet, in starken und selbstbewussten ‚typisch männlichen‘ Posen dargestellt wurden (Eber 1976, S. 34; Hanser 2005, S. 581). Trotz der Aufwertung der Frau als Arbeitskraft unter dem Staatsfeminismus bestand weiterhin eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung sowohl im Bereich der Erwerbs- als auch Care-Arbeit (Croll 1995). Jiping Zuo (2013, S. 99) hält fest: „(W)omen’s liberation and gender equality campaigns during the socialist era fell far short of enabling women to achieve autonomous agency or relief from their double burden at home.“ Nach dem Tod Mao Zedongs und mit Beginn der Reformen im Jahr 1979 unter Deng Xiaoping kam es – als Reaktion auf die jahrelange „erasure of gender and sexuality“ im öffentlichen Raum (Yang 1999, S. 41) und das bis dahin dominante androgyne Frauenbild – zum Wiederaufleben eines essentialistischen Geschlechterdiskurses sowie der Betonung angeborener biologischer Geschlechterunterschiede (Yang 2016, S. 78). „In direct contrast to the Mao-era emphasis on the sameness of the sexes, reform era ideology emphasizes the innate differences between men and women, which justifies the resurfacing gendered division of labor.“ (Yang 2016, S. 78) Die aus feministischer Sicht angestrebte Aufwertung und Betonung des ‚Weiblichen‘ lieferte gleichzeitig eine Erklärungsgrundlage für „new forms of gender asymmetries“ (Brownell und Wasserstrom 2002; siehe auch Yang 2013; Zheng 2012; Luo und Sun 2015; Sun und Chen 2015, S. 1091). Diese betrafen u. a. die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung (Yang 2016, S. 78), Gehaltsunterschiede und Unterschiede im Pensionsantrittsalter (Evans 2008). Das traditionelle Leitbild der Frau als „tugendhafte Ehefrau und Mutter“, traditionelle Geschlechterrollenvorstellungen insgesamt, erlebten eine Aufwertung (Pimentel 2006, S. 345; Wallis 2006; To 2013; Hong Fincher 2014; Yang 1999; Kim 2013, S. 62). Darüber hinaus ging die rasant fortschreitende Kommerzialisierung der chinesischen Gesellschaft einher mit einer „commercialization/objectification of women’s bodies“ (Sun und Chen 2015, S. 1091). Der weibliche Körper wurde zu einer „key resource for manipulation by the state and market“ (Wallis und Shen 2018, S. 379). Am Beispiel der boomenden Schönheitsindustrie in China zeigt sich auf besonders eindrückliche Weise die „transformation of the communist ideal
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of woman as producer into the neoliberal image of woman as consumer“ (Xu und Feiner 2007, S. 310). Sun und Chen (2015) bestätigen die Entwicklung einer „revitalization of traditional gender values“, welche begleitet wird von einer „neoliberal rhetoric emphasizing individual responsibility/rational choice“. Sun und Chen erklären weiters: „Such an alliance works in the end to justify gender inequality that has been exacerbated by marketization.“ (Sun und Chen 2015, S. 1091–1092) Der gegenwärtige P ost-Sozialismus stellt Frauen somit vor besondere Herausforderungen: sowohl in Bezug auf soziale und ökonomische Verhältnisse als auch in „the reconstruction of their post-socialist femininty“ (Luo und Sun 2015, S. 242). Im nächsten Abschnitt folgt eine Darstellung der staatlichen Medienkampagne über „sheng nu“ sowie damit verbundene demografische, familienpolitische Debatten.
3 Der sheng nu-Diskurs Wie eingangs beschrieben, wird der chinesische Begriff „sheng nu“ bzw. „übriggebliebene Frau“ zur Bezeichnung unverheirateter Frauen verwendet, die älter als 27 Jahre sind (Hong Fincher 2014, S. 16). 2007 erstmals von der staatlichen Frauenrechtsorganisation All-China Women’s Federation (ACWF) definiert, wurde der Begriff im selben Jahr durch das chinesische Bildungsministerium mit folgender Definition in das Lexikon aufgenommen: „highly successful unmarried women over the age of 27 with advanced degrees“ (Wang 2011 zit.n. Feldshuh 2017, S. 2). Seither wurde der Ausdruck, der hier explizit als Geschlechterkonstruktion in Verbindung mit weiteren Ungleichheitskategorien (Alter, Klasse, Herkunft) verstanden wird, besonders über die Medien populär gemacht (Feldshuh 2017, S. 4). Leta Hong Fincher spricht von einer gezielten staatlichen Medienkampagne seit 2007, die unterstützt von der ACWF2 zum Ziel hatte, insbesondere gebildete Frauen aus urbanen Räumen davon abzuhalten, immer später zu heiraten (Hong Fincher 2014, S. 15). Ledige, kinderlose Frauen wurden in den Medien als zu wählerisch, sexuell freizügig, karriereversessen bzw. zu gebildet beschrieben, um für das andere Geschlecht „desirable“ zu sein und/oder
2Die
All-China Women’s Federation veröffentlichte zwischen 2007 und 2012 über 200 Editorials zu „sheng nu“, wie z. B. „Let experts tell you how to get out of the ‚leftover women‘ dilemma“ (Li 2015, S. 525) oder „Do ‚leftover women‘ really deserve our sympathy?“ (Hong Fincher 2014).
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mit Ende 20 bald zu alt, um Mutter zu werden (Hong Fincher 2014). Die stereotype Figur der „sheng nu“ ist nicht nur im offiziellen, staatlichen Mediendiskurs allgegenwärtig, sondern ebenfalls in kommerziellen Medienangeboten, z. B. in TV-Datingshows. „The danger of becoming a shèngnǚ is one of the most talked-about issues in China, and single women are constantly reminded of their looming expiration date“, wie Schneider (2014, S. 267) festhält. Die breite, staatlich gelenkte mediale Aufmerksamkeit, die Single-Frauen erfuhren, lässt sich u. a. damit erklären, dass China von einem enormen Geschlechterungleichverhältnis betroffen ist. In der Generation der unter Dreißigjährigen leben 20 Mio. mehr Männer als Frauen (Hong Fincher 2014, S. 4). Der Männerüberschuss stellt eine Konsequenz der 1980 auf nationaler Ebene eingeführten Ein-Kind-Politik3 dar, die aufgrund der traditionellen Präferenz männlicher Nachkommen zur Abtreibung von Mio. weiblicher Föten führte (Hong Fincher 2014, S. 20–21). Junggesellen bzw. „guanggun“4 im Chinesischen werden als Gefährdung der ökonomischen und politischen Stabilität, als „a source of trouble to societies“ (Liu et al. 2013, S. 917) beschrieben. Dieser demografischen Problematik wird offenbar damit begegnet, Frauen gezielt unter Druck zu setzen, ihre traditionelle Rolle als Ehefrau und Mutter, als „virtuous wife and good mother“ (Gaetano 2014) zu erfüllen. So können sich weibliche Singles von dem Stigma der „sheng nu“ durch eine Hochzeit gewissermaßen befreien, gleichzeitig dabei die Junggesellenkrise Chinas abwenden (Fincher 2014; Li 2015). Der „sheng nu“-Diskurs wird darüber hinaus durch das konfuzianische Erbe des Landes verstärkt. Wallis und Shen (2018, S. 380) halten fest: „Within the leftover discourse, women’s bodies thus become a site for enforcing biopolitics through traditional beliefs about filial piety.“ Als Kardinaltugend verstanden meint kindliche Pietät den absoluten Gehorsam und Respekt gegenüber den Eltern, der älteren Generation insgesamt (Wandel 1989, S. 15). Kinderlosigkeit wird im Konfuzianismus als Verstoß gegen das kindliche Pietäts-Gebot bzw. als Beweis mangelnder Loyalität gegenüber den Vorfahren bewertet (Wandel 1989, S. 121) – insbesondere bei Männern, da nur sie zu den Mitgliedern der Ahnenlinie zählen bzw. diese fortführen können (Kristeva 1982, S. 52; Wandel 1989, S. 19). Für Frauen gilt zusätzlich ein „dreifacher Gehorsam“ (chinesisch: „sang cong“): als Tochter dem Vater, als Ehefrau dem Mann und als Witwe gegenüber dem Sohn. Die traditionelle Rolle der Frau als „virtuous wife and good mother“
3Seit 4Der
2015 verfolgt China eine Zwei-Kind-Politik. Begriff meint die „kahlen Äste des Familienstammbaums“.
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wird damit im Diskurs um „übriggebliebene Frauen“ bestärkt (Gaetano 2014). Der Mutterkult in China ist jedoch keineswegs eine per se konfuzianische, sondern vielmehr eine patriarchale Erfindung (Schon 1982, S. 59). Sandy To konnte in ihrer Interviewstudie mit Single-Frauen zeigen, dass in China „positive concepts for describing independent career women who do not fit into traditional domestic roles“ nach wie vor fehlen (To 2013, S. 2). Im Folgenden zeige ich, wie ein Kosmetikunternehmen den Versuch unternimmt, ein anderes Bild von Single-Frauen zu zeichnen. Dass mit SK-II ausgerechnet ein Schönheitskonzern die Stigmatisierung von Single-Frauen sowie damit verbundene Geschlechternormen (die ‚weibliche Verpflichtung‘ zur Ehe und Mutterschaft) in China zum Gegenstand einer Werbekampagne macht, mag zunächst überraschen.
4 Die SK-II changedestiny-Kampagne Die japanische Luxus-Kosmetikmarke SK-II5 lancierte im April 2016 die Werbekampagne „Change Destiny“ (#改写命运#) mit dem Ziel, „to inspire and empower women to shape their own destiny“ (SK-II #changedestiny). Dazu präsentiert SK-II „strong and independent women who have chosen to pursue their dreams instead of being pressured into marrying for the sake of it“, so der Wortlaut auf der Website zur Kampagne (Koetse 2016). Die Initiative umfasst mittlerweile drei Einzelkampagnen mit so bezeichnenden Titeln wie Marriage Market Takeover (2016), The Expiry Date (2017) und Meet Me Halfway (2019). Während sich das erste, preisgekrönte Video um „Chinese women being pressured to get married before they turn 27“ dreht, wird der geografische Fokus in The Expiry Date erweitert, als dass von „age-related pressure felt by women worldwide“ (SK-II. The Expiry Date), folglich von einem weltweiten Phänomen die Rede ist. In dem Kurzfilm kommen Frauen aus drei asiatischen Ländern (Korea, China, Japan) vor. Meet Me Halfway (2019) thematisiert den Generationenkonflikt zwischen Single-Frauen und ihren Eltern, und wie dieser gelöst werden kann. Im nächsten Abschnitt folgt die qualitative Analyse des neuesten Videos Meet Me Halfway unter dem Gesichtspunkt der sozialen Konstruktion von Geschlecht
5SK-II
wurde in den 1970er Jahren in Japan gegründet, 1991 von dem amerikanischen Konzern Procter & Gamble gekauft. Der Konzern vertreibt seine Produkte im „high-end skincare sector“ in Nordamerika, Europa, Australien sowie in Ostasien.
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(doing gender) sowie weiteren Ungleichheitskategorien. Dabei zeige ich, inwieweit die SK-II-Kampagne als ein Gegenentwurf zum staatlichen „sheng nu“-Diskurs verstanden werden kann.
4.1 Meet Me Halfway Der Kampagnenfilm Meet Me Halfway (4’36’’), produziert von Forsman & Bodenfors Singapore, erfuhr seit seiner Veröffentlichung am 18. Februar 2019 enorme Beachtung. Innerhalb von 24 h erzielte das Video über 18 Mio. views (Marketing Communication News 2019). Die Kampagne wurde auf chinesischen Plattformen, wie Sina Weibo (ähnlich: Twitter) in positiver Weise kommentiert. Die hohe Aufmerksamkeitsquote erschließt sich aus dem Statement, das SK-II auf seiner Website veröffentlichte: „SK-II launches ‚Meet Me Halfway‘ to celebrate courageous women who have taken the first step to create the understanding between parents and daughters on marriage pressure and change destiny.“ (SK-II. Meet Me Halfway) Damit positioniert sich SK-II entgegen dem beschriebenen offiziellen „sheng nu“-Mediendiskurs, in dem Single-Frauen unter Druck gesetzt werden, möglichst zeitnah (spätestens mit 27) zu heiraten. Inwiefern SK-II dem selbstformulierten Anspruch gerecht wird, „mutige“ Frauen und damit ein modernes Frauenbild jenseits traditioneller Geschlechterrollen zu präsentieren, wird nachfolgend diskutiert. Das Video stellt drei Chinesinnen vor, die für das chinesische Neujahrsfest, ein zentraler Feiertag in China, nicht zu ihren Familien fahren möchten, um so den wiederkehrenden unangenehmen Nachfragen bzw. Aufforderungen ihrer Eltern („Get married. Have kids.“) zu entgehen. Eine der Frauen bezeichnet das Neujahrsfest als „burdensome and stressful“. Eine weitere junge Frau berichtet: „When I go back home, it’s no longer about reunion. It’s only about marriage, marriage, marriage. Why?“ Die Frauen fühlen sich von ihren Eltern unverstanden: „I feel like they don’t know what I really want in life.“ Dass dies keine Einzelfälle sind, unterstreicht SK-II mit folgendem eingeblendeten Text: „A majority of single Chinese women hesitate to go home for Chinese New Year.“ Die befragten Eltern der Single-Frauen sprechen sich allesamt für eine traditionelle Frauenrolle aus: „Women should be traditional – a good wife and a good mother. She shouldn’t be obsessed with her career.“ Denn: „It’s exhausting for a girl.“ Daraufhin beschließen die jungen Frauen ihren Eltern einen Brief zu schreiben, in dem sie ihre Gefühle offenlegen, die von Druck und Versagensängsten („I’ve always tried to live up to your expectations. However, it has put a lot of pressure on me.“) bis hin zu Schuldgefühlen reichen
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(„No matter what, I still feel in debt to my parents.“). Weiters schlagen die Töchter vor, sich „auf halbem Weg“ bzw. „der Mitte“ zu treffen („meet me halfway […] both literally and figuratively“). Das Vorlesen der Briefe durch die Eltern sowie das anschließende Zusammentreffen, begleitet von großen Emotionen (Weinen, Lachen), führt die Familien wieder näher zusammen. Die Eltern zeigen sich verständnisvoll für die Lebensentwürfe ihrer Töchter. Ein Vater erklärt: „You have grown up. You can live independently now. And we can be rest assured.“ Gleichzeitig pflichtet eine Tochter zu: „Your point of view might be right. But everyone’s path in life is different. I will find the right person when the time is right. And as long as you have faith in me, I will succeed.“ Abschließend bittet eine Mutter ihre Tochter zum Neujahrsfest nach Hause zu kommen. Kopfnickend mit einem Lächeln, begleitet von einsetzender Musik, fallen sich Kind und Eltern in die Arme. Die familiäre Harmonie scheint erneut hergestellt. Das Video endet mit der Aufforderung an die Zuseher_innen, die Kampagne zu teilen, „to inspire more families to meet halfway and #changedestiny“. Zuletzt wird das Markenlogo mit dem darunter stehenden Hashtag #changedestiny eingeblendet.
4.2 Interpretation Die in Meet Me Halfway dargestellten Single-Frauen verstehen sich entgegen dem „sheng nu“-Stereotyp nicht als Übriggebliebene, wie der Slogan der Kampagne „We’re single, but not ‚leftovers‘“ unterstreichen soll (SK-II. Marriage Market Takeover). Darin, in der Absage dieses sexistischen Begriffs, besteht zweifelsohne der emanzipatorische bzw. ermächtigende Beitrag dieser Kampagne. Bei genauerer Betrachtung erweist sich die feministisch anmutende Werbemaßnahme in ihren Inszenierungen der Geschlechter jedoch zum Teil als stereotyp bzw. konventionell – maximal als Variationen heteronormativer Geschlechtlichkeit. SK-II präsentiert drei Single-Frauen, die sich demonstrativ unwohl fühlen aufgrund der elterlichen Erwartungen an sie. Tränen unterstreichen ihre Verzweiflung. Trotz eines, durch die Töchter aktiv vorangetriebenen, „happy ends“ für alle drei Familien, dem Erreichen von „mutual understanding“, wirken die jungen Frauen insgesamt weniger ‚selbstbewusst‘, ‚stark‘ und ‚unabhängig‘ als von SK-II angekündigt. Zwar widersprechen die Töchter ihren Eltern in der Bedeutung von Ehe („For women these days, marriage isn’t the ultimate goal in life.“), doch schließen sie Ehe und Familie für sich selbst keineswegs aus. Eine Tochter, die abends an ihrem Arbeitsplatz sitzt, blickt auf ein altes Familienfoto und meint: „To be honest, I really hope to have a family too. (…) But I’m not ready to be a wife yet.“ Die Erklärung folgt durch eine weitere Frau: „There are
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other things I want to accomplish first.“ Welche Träume sie konkret haben, wird nicht weiter ausgeführt, sondern lediglich auf der Bildebene angedeutet. Damit wird suggeriert, dass der Single-Status der jungen Frauen lediglich temporär ist – bis sie „den Richtigen“ („the right person“) gefunden haben. Damit inszeniert SK-II die karriereorientierten Frauen, zwar in positiver Weise, als Abweichungen traditioneller Weiblichkeit. Im Zentrum des Spots steht der Generationenkonflikt zwischen den traditionell eingestellten Eltern und ihren emanzipiert anmutenden Töchtern, der auf überraschend einfache Weise gelöst werden kann: ein handgeschriebener Brief der Töchter, ein anschließendes persönliches Treffen genügt, um in allen drei Fällen gegenseitiges Verständnis („mutual understanding“) zu erreichen. Der Grund dafür scheint mir zu sein, dass sich Eltern und ihre Kinder – wie vorhin beschrieben – in ihren Vorstellungen eines „guten“ Lebens deutlich weniger voneinander unterscheiden als zunächst durch verschiedene Stilmittel der Kontrastierung, Emotionalisierung und Dramatisierung6 vermittelt werden soll. Der von SK-II angebotene Lösungsvorschlag, das beschriebene Erzählmuster, wird m. E. der Thematik damit nicht gerecht. Das Thema wird ausschließlich auf individueller, familiärer, damit privater Ebene, verhandelt. Damit werden gleichzeitig strukturelle, kulturelle, ökonomische, politische Faktoren, die den „sheng nu“-Diskurs bedingen, ausgeblendet. Wiederum ist in Meet Me Halfway eine Idealisierung der Kleinfamilie zu beobachten. Die liebkosenden, schützenden Berührungen und Worte der Eltern am Ende des Films wirken gewissermaßen als Ersatz bzw. Kompensation fur den – noch nicht gefundenen – Ehepartner. Mit dem von SK-II formulierten Ziel der Kampagne „to inspire and empower women to shape their own destiny“ (SK-II #changedestiny), suggeriert der Konzern ausschließlich für weibliche Selbstbestimmung, damit ein feministisches Ideal zu werben. Der eigentliche marketingorientierte Zweck von changedestiny bestand darin, den Verkauf des High-End-Produkts „Facial Treatment Essence“7 in China anzukurbeln: eine Gesichtsessenz, die laut Produktinformation das „Auftreten von Falten“ verhindern und für einen „weicher, glatter, strahlender und jünger aussehende(n) Teint“ sorgen soll (Amazon). In Meet Me Halfway sowie den beiden anderen Filmen wird der Produktbezug gänzlich weggelassen, lediglich das Markenlogo ist zu sehen. Die changedestiny-Kampagne ist beispielhaft
6Auf
visueller Ebene: durch einen westlichen, modernen Einrichtungsstil der Töchter im Vergleich zu den Wohnungen der Eltern; durch Verwendung eines schnellen Schnitts, dem Einsatz von Musik, zur Verstärkung der gezeigten Emotionen der Protagonist_innen. 7Der Preis für 230 ml Facial Treatment Essence beträgt rund 180 EUR.
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für einen globalen Marketingtrend „where companies focus not on selling things but feelings, values, and affective relations as part of brand culture“ (BanetWeiser 2012). Nicht das zu bewerbende Anti-Aging-Produkt steht im Fokus der Kampagne, sondern in diesem Fall eine gesellschaftspolitische, emanzipatorische Botschaft, mit welcher ein bestimmtes Markenimage aufgebaut bzw. verkauft werden soll. Dass SK-II hierzu den Diskurs um „sheng nu“ aufgreift, ist wenig überraschend, denn die dabei im Fokus stehende Gruppe unabhängiger, berufstätiger, kaufkräftiger Single-Frauen stellt eine wichtige Zielgruppe für das Unternehmen dar. Jene „highly educated urban female“ mit einem „taste for upscale niche products and service“ (SK-II Business Strategy) sollen mit der Kampagne gezielt angesprochen, damit zum Kauf der SK-II-Produkte animiert werden. SK-II verbindet hier Femininismus und Konsum bzw. Kapitalismus. Diese Werbestrategie verweist auf ein Phänomen, das als „commodity feminism“ bzw. „Warenfeminismus“ bezeichnet wird. Der Begriff wurde 1992 von Robert Goldman in seinem Buch Reading ads socially geprägt. „Commodity feminism“ beschreibt „the way feminist ideas and icons are appropriated for commercial purposes, emptied of their political significance and offered back to the public in a commodified form“ (Gill 2008). Feministische Werte (hier: Selbstbestimmung, Unabhängigkeit) werden zu kommerziellen Zwecken eingesetzt und gleichsam ihrer politischen Bedeutung entzogen. Ein anderes Beispiel für „commodity feminism“ ist die Dove-Kampagne Keine Models aber straffe Kurven (Knop und Petsch 2010). Mittlerweile können verschiedene Formen von „commodity feminism“ unterschieden werden (Gill 2008). Angela McRobbie beschreibt die popularisierte Spielart des Feminismus vor allem deshalb als problematisch, da politische und ökonomische Verhältnisse nicht kritisch hinterfragt werden, jedoch Teil unserer Existenz sind (McRobbie 2008, S. 539). „Commodity feminism“ sollte daher nicht als Feminismus im Sinne einer politischen Bewegung missverstanden werden. Die Analyse von MeetMeHalfway konnte zeigen, dass in SK-II’s Aufruf zu weiblichem „empowerment“ die strukturellen Dimensionen, die den „sheng nu“-Diskurs ermöglichen bzw. aufrechterhalten, unerwähnt bzw. ausgeblendet bleiben. Das Thema wird ausschließlich auf individueller, familiärer, damit privater Ebene, verhandelt. Rosalind Gill (2007), die „commodity feminism“ als ein Beispiel eines umfassenderen Phänomens, nämlich: Postfeminismus, sieht, bewertet Werbung insgesamt eher als Gefahr für den Feminismus. Werbung missbrauche laut Gill feministische Ziele wie Unabhängigkeit oder die Kontrolle über den eigenen (weiblichen) Körper dazu, um letztlich Produkte zu verkaufen. Damit beraube Werbung den Feminismus um dessen politische und soziale Bedeutung. Ihr Fazit: feministische Werbung kann niemals dazu beitragen, echte politische oder soziale Veränderungen herbeizuführen. (Gill 2007, S. 98) Kylene Campos,
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„global brand director“ bei SK-II, erklärt die Intention zur Kampagne 2016 wie folgt und bestätigt in gewisser Weise Gills Feststellung: „It wasn’t our intent to pick a sensitive topic for the sake of being provocative (…). But our goal wasn’t to create an activist campaign or attack the establishment. (…) We just wanted to depict the issue and tension in an honest way.“ (Hall und Suen 2019, o. S.) Damit weiß das in Meet Me Halfway inszenierte Subjekt offenbar umzugehen, wie folgende Aussage einer der Single-Frauen unterstreicht: „In today’s modern world I must learn how to rely on myself.“ Auf die Bedeutung neoliberaler Rhetoriken verweisen u. a. Sun und Chen (2015, S. 1091): „Media’s repeated use of individualistic approaches to structural problems, suggesting an alliance between patriarchal and neoliberal ideologies in shaping public gender discourse while concealing structural inequalities in urban China.“
5 Resümee Abschließend kann der SK-II-Kampagne positiv angerechnet werden, eine mediale Plattform u. a. dazu zu nutzen, ein nicht nur in China gesellschaftspolitisch relevantes Thema zu behandeln: die Stigmatisierung unverheirateter Frauen. Des Weiteren stellt die Initiative ein Gegenkonzept zur staatlichen Medienkampagne über „sheng nu“ sowie zum Teil sexistischen Werbekampagnen (z. B. Audi 2017) dar, in denen Single-Frauen als Problem oder Störfaktor karikiert werden. Gleichzeitig, und das kritisiere ich, inszeniert SK-II die alleinstehenden Frauen als Abweichungen vom Ideal der Ehefrau und Mutter, stellt Geschlechternormen nicht grundlegend infrage. Der Single-Status der Frauen erscheint – um im Bild der Schönheitsindustrie zu bleiben – als korrigierbarer ‚Schönheitsfehler‘ (siehe hierzu auch die Kampagnen von Dove; Knop und Petsch 2010, S. 132). Die Figur der „sheng nu“ bzw. „übriggebliebenen Karrierefrau“ wird damit zwar als schönes Stigmata aufgewertet bzw. umgedeutet, Geschlechterverhältnisse, Machtstrukturen und Herrschaftsverhältnisse bleiben jedoch unangetastet. Die Kampagne ist abschließend als innovativ, sozialambitioniert durch ihren aufklärerischen Impetus und zugleich konventionell, traditionell aufgrund der gewählten Geschlechterinszenierungen sowie der Festschreibung des Ideals romantischer (heterosexueller) Liebe und Ehe/Familie zu bewerten. Ich habe darüber hinaus gezeigt, weshalb die analysierte SK-II Werbekampagne changedestiny als ein Beispiel für „commodity feminism“, als Teil einer postfeministischen, neoliberalen Medienkultur, zu verstehen ist. Feministische Themen werden aufgegriffen, um damit ein bestimmtes Markenimage zu entwerfen bzw. ihre Produkte zu bewerben.
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In heutigen Mediengesellschaften prägen Medien sowie Werbung, als diskursive Macht, das Frauenbild in entscheidender Weise mit. Medienvermittelte Definitionen von Weiblichkeit/en, von „richtigem“ und „falschem“ „weiblichen“ Handeln sind nicht zu unterschätzen, da Individuen wiederum ihr Handeln daran ausrichten (können). Damit soll die Orientierungsfunktion von (werbe-)medialer Kommunikation bzw. Deutungsangeboten verdeutlicht werden (Krotz 2007). Es bedarf weiterer feministischer, kommunikationswissenschaftlicher Analysen zum „sheng nu“-Diskurs, um die damit in Verbindung stehenden sexistischen sowie klassistischen Politiken als solche erkennbar zu machen, zu dekonstruieren. Wie gezeigt wurde, ist der staatliche, offizielle „sheng nu“-Diskurs erst im Kontext von u. a. biopolitischen Projekten, konfuzianischen Ethiken, einer postfeministischen Medienkultur, in umfassender Weise zu erfassen.
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Körper und Gewalt
François (Féral) Benga as Le Mercure Noire Nicole Haitzinger
François (Féral) Benga is probably one of the most fascinating figures of Parisian modernity. Having come from the (formerly French-ruled) Republic of Senegal, migrated to the Parisian metropolis, and performed in the so-called Revue Nègre as well as in artistic cooperation with the Parisian avant-garde, the dancer almost fell into oblivion in twentieth century historiography. Benga has presently been rediscovered in the wake of the urgent enlargement of the canon to include the artistic positions of dancers of color (Coutelet 2012; Smalls 2013a; Lindstrom 2013), of decolonial thought (Chatterjee, Sandra; Cramer, Franz Anton and Nicole Haitzinger, FWF-funded project Border Dancing Across Time), and the omen of staging masculinity in the performing arts.1 One could initially state that, on the modern stage, a male body of color can be considered as the shadow of the “uniform”, socially constructed (heterosexual) male body that was formed under
1Recent
works on Benga include Coutelet (2012), Décoret-Ahiha (2005), Lindstrom (2013), Rosenhaft and Aitken (2013), Smalls (2013 and 2017), Vendryes (2003 and 2008); the exhibition The Black Model at the Musée d’Orsay Paris, where he is presented as paradigmatic figure; and the performance The BEATification Of Feral Benga by Athi-Patra Ruga 2017 at the Nordwindfestival Berlin.
N. Haitzinger (*) University of Salzburg, Salzburg, Austria E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Hausbacher et al. (Hrsg.), geschlecht_transkulturell, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30263-4_12
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enormous effort and discursive operations.2 Judith Butler categorizes gender from the perspective of “performativity” as multirelational and distinguished through social dimensions. As a consequence, it can be compared with a performance in an artistic context: “No one performs gender alone. […] gender is performed for a someone, even if that someone does not yet exist; and sexuality is lived in relation to a world of others, whether it is reclusive, auto-erotic, externalized, or exposed. […] Gender is not gender if it does not imply the social dimension of a bodily being, the way that the body refers to a broader world and exceeds the one who bears or does it, even as that one remains in some sense singular. But the same goes for performance—and perhaps this is part of the link between them. Performance is always an action or event that involves a number of people, objects, networks, and institutions, even when performance takes place without a stage and in the briefest of moments, gathered up and dispersed in evanescence. […] So performance is not the self-constituting act of a subject who is grounded nowhere, acting alone. If performance brings a subject into being, it does only in terms of the social and material coordinates and relations that make it possible or form its scenes of intervention” (Butler 2016).
In the context of performance arts, François (Féral) Benga’s shadow does not seem to be shaped exclusively through his social body: in fact, the stage lighting as the artificial sun of modernity, which I would like to understand here as a metaphor for the dispositive of theatre, creates the shadow of an empowered figure. Benga’s specific and singular dance-like and artistic articulations mirror the discontinuity and destabilization of a uniformly designed masculine identity. His stage presence is not apostrophized with his artistic byname “wild” (féral) by chance. He embodies and represents a manifestation of “dangerous masculinities” (Poole 2012). In spite of the normative institutional, political, social and aesthetic regime, gender relations get completely mixed up in the performing arts. Particularly evident become, first, the inner conflict of the modern subject and, second, the severe crisis of the categorization of socio-culturally standardized sexuality: Benga’s scandalous gesture is the scenic and performative classification as a “wild” form of masculinity that is only conditionally expressed (and subject to his time at the Revue Nègre) as stereotype.
2As
Andreas Kraß accurately states: “der Körper ist immer schon mit einer sozialen Geschlechterrolle imprägniert, die durch den Prozess der performativen Wiederholung stetig affirmiert wird” (Kraß 2003, p. 20). Translation: The body has always been associated with a social gender role that is continually affirmed through the process of performative repetition.
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1 Benga’s Precarious Transnational Position: Dakar—Paris François Benga (1906–1957), who—characteristic of the period context of the 1920s Paris revue—performed as Féral Benga (wild Benga), was born in Dakar as the illegitimate son of a Lebu father and a Serer mother.3 His childhood was marked by conflicted genealogical and dynastic structures and positions, involving the resolute assimilation to work and, especially, work for the French colonial regime on his father’s side and warring resistance against it on his mother’s side. Aside from receiving a fairly non-professional education at a state school, he was active in a choir of missionaries. As a seventeen-year-old, Benga went to France with his father, where he was undoubtedly confronted with the precarious position of a “colonial subject” in the French metropolis. At present, historical research places this position under the heading of transnationalism: “colonial subjects in the metropole face up to negotiating the differences of the differences of cultures and expectations among themselves, shaping political programmes and institutions that will serve their common needs and triangulating among different native patrimonies and the shared stresses of metropolitan life under the divisive pressures of ‘race’ and empire” (Rosenhaft and Aitken 2013, p. 6). Benga’s performance and articulation possibilities as a dancer of color are extremely limited in spite of the French political strategy of selective enfranchisement of colonial subjects in the 1920s: like Josephine Baker, he decides upon an ambivalent model of performing “race”: to both “exploit and marginalize racial difference simultaneously” (Smalls 2013b, p. 64). In the negrophile Parisian revue context, he would accompany, for instance, Josephine Baker’s “danse des bananes” (1925) on the tom-tom drum. In the early 1930s, he emerged as one of the stars of the revue Un coup de folie at the Folies-Bergères. François Benga’s roles in the Parisian revues of the 1920s seem to accord with the period-typical markers of a Europe-invented Africa devoid of ethnographic implications; these include syncopated dance and music, the loincloth, and acrobatic virtuosity.
3For
Féral Benga’s biography, see Décoret-Ahiha (2005).
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2 Benga’s Emancipation as Black Mercury In the early 1930s, however, Benga went beyond the typecast assigned by the conventions of the music hall.4 The French artistic avant-garde, as is well known, had a predilection for the exoticist divertissements of the revue. Not only did it recognize Benga’s special performative presence, but it contributed significantly to the modelling of a modern phantasmatic figure, interweaving the European classical (bronze) sculpture with the African dancing body. Furthermore, it experimented with a “radical and intimate merging of man and machine” (Cheng 2011, p. 122); these were to form a supra-natural entity. Already in 1920, Jean Cocteau polemicized against what he perceived as a fashionable, one-sided Parisian negrophilia: “the Negro craze has become as tiresome as the Japonisme of Mallarme’s generation” (Cocteau 1920, p. 24). François Benga’s performance as a limping black angel in Jean Cocteau’s Le Sang d’un poète (1930) (Fig. 1) points the way towards such attributions as Bel Adonis nègre (beautiful Negro Adonis), Dieu de bronze (Bronze God), or Le Mercure noir (Black Mercury) (Smalls 2013b, p. 67). From a movement-analytical perspective, François Benga’s regulating of his motor activities relies on low variability in the expenditure and distribution of energy. The measure of energy used by the muscles is even, with body weight giving into gravity only slightly, or, in alternation, counteracting it only slightly. The specific muscle modulation produces the phenomenological impression of great elasticity. The kinesthetic perception of an elastic-swinging, supranatural figure is intensified by an equalized phrasing with no sudden changes in the distribution of energy and by a regularized pacing of motor acts and gestures. A slightly limping left leg constitutes a significant movement motif. Prior to filming, Benga had sprained his foot; Cocteau’s artistic approach allowed him to integrate this accidental movement limitation, a performative ready-made, into his crafting of the figure. In terms of the staging, François Benga’s body becomes theatricalized by Cocteau making use of heavy lighting effects for the purpose of establishing contrast in the ensemble’s figuration. The solarization scene reverses the visual contrasting (black/white, positive/negative); at the same time, airplane propeller noises accentuate the intimate interweaving of machine, angle and human being. The typecasting European gaze upon an apparently black body—“apparently” as
4“[D]anseur
p. 205).
noir comique, danseur noir exotique, danseur noir érotique” (Coutelet 2012,
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Fig. 1 Féral Benga as Black Mercury in Jean Cocteau’s Le Sang d’un Poète (Blood of a Poet) (1932). The Flushing Remonstrance—Part Two. Vimeo. (https://vimeo.com/216772822, [25.06.2019])
this attribution is inextricably linked to a variable aesthetic perception, to regimes of seeing—is subverted by a subtle interplay of gestural and motor action, lighting effects, and sounds.
3 Benga as Mirrored by Reception Les Visages de la Danse (1933), published by the Jewish-Russian writer and critic André Levinson, who emigrated to France after the October Revolution, is in several aspects an epochal work for the European modern era (of dance). Paradoxically, as one of the harshest critics of performative avant-gardism (such as the Ballets Suédois) and popular cultural phenomena in dance (the music hall or revue) while simultaneously acknowledging their aesthetic value, Levinson attests to the multi-facetedness of modern dance (Haitzinger 2016). Despite his idealization of classical ballet, Levinson cannot deny the knowledge of the ever-present “other” (avant-gardism and so-called “exoticisms”) around
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him in Paris of the 1920s and beginning of the 1930s due to his preeminent intellectuality. He cannot not deny it, in fact; he records, he registers, he renders modernity as plural, with a focus on the Africanistic in the sense of the multilayered and complex resonances and presences of Africas in modernity. Levinson’s categorization of dances is based on a determination/identification of aesthetic similarities: “Toujours, en fait de danse, pareilles analogies de formes font l’étonnement de l’esthéticien et déroutent les ethnologues” (Levinson 1933, p. 251).5 At the beginning, he emphasizes the kinship of the “great human family”: through conquests, migrations, cultural expansions, the transmission/ radiation of ideas, and the circulation of symbols, it emerges as a net(work) characterized by “convincing similarities”, “blurred boundaries” and “proximity to/between extremes”.6 As a competent chronographer of his day, Levinson catalogues dances from “elsewhere” on the basis of movement analysis and within the racialized categorizations and terminologies that were customary during his time. Levinson attributes the modern so-called “Steps Nègres” that are performed in the Paris revues first by creating an immediate link to jazz and step dance, secondly by emphasizing the aspect of yielding to gravity in the execution of these forms, and thirdly by determining syncopation as an essential marker. Simultaneously, he enables, for example, an analysis of Josephine Baker’s virtuous dance that not only exhibits her body as a surface for projections of Africa, but stages her as an embodied multiplicity.7 The Revue Nègre transfers the 5Translation:
“Always, in what concerns dance, such analogies of form surprise the aesthetician and trouble ethnologists.” The closeness to Warburgian thinking in particular is striking; a more in-depth comparison of these two intellectuals of modernity would be revelatory. 6“[D]es analogies et filiations ethniques, religieuses, historiques qui donnent à la variété indéfinie des formes une apparence d’unité. Ces courants et interférences, les affinités naturelles des races et des tribus, grandes familles humaines, les conquêtes, migrations, l’expansion des cultes, le rayonnement des idées, la circulation des symboles créent partout de séduisantes similitudes, effacent les limites, rapprochent les extrêmes” (Levinson 1933, p. 224). Translation: “Ethnic, religious, historical analogies and connections give an appearance of unity to the indefinite variety of forms. These trends and interferences, the natural affinities of races and tribes, large human families, the conquests, migrations, the expansion of cults, the spread of ideas, the circulation of symbols, create seductive similarities everywhere, erase limits, bring the extremes closer together.” 7Current research on Josephine Baker argues that she intentionally over-emphasized, super-imposed, and ultimately subverted a variety of racist stereotypes. See for instance: “Colonial pastiche, in this context, refers to several features of Baker’s performance, including her well-known propensity to appropriate or mimic the prevailing representations of colonial people. It extends, as well, to an over-the-top assemblage of a diversity of
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relational, energetic qualities of the (social) dances connoted as African into the now formal-aesthetic space of the revue. Josephine Baker’s performance is a coup théâtral, temporarily overriding any classification or categorization (Haitzinger 2017). Baker emphasizes the dynamic and energetic effects of movement through the specific regulation of energy. One might speak of a contamination of style, for in a hybrid form of dance, she combines the movement vocabularies of the Charleston, African dance, elements of Caribbean and Latin-American dances, Modern Dance, Step, Cakewalk, and comical faces (cross-eyed expressions) as a parody of modern times (McCarren 2003, p. 160). As an intellectual audience member, Levinson seems to have recognized and understood this immensely revolutionary gesture, even if he de- or re-codes Baker’s performance in the midst of the 1920s according to the dominant (aesthetic, cultural and political) orders,8 by referring primarily to the collapse of forms and to the movement motif charged as “African”.9 As part of the tenth and final chapter of Levinson’s Les Visages – Notes sur la danse au music-hall—a sub-chapter entitled “Le Mercure Noir” is dedicated to Benga, Baker’s former male dancing partner in the Revue Nègre. It is no coincidence that Levinson does not engage with Benga as part of the chapter on exoticism, but as part of his notes on the Paris revue and its stars. In any case, through Levinson’s description and analysis of Benga’s presence as performer and dancer, we see the emergence of a particular facet of the intellectual view of Africa in late-1920s European art and theatre: namely, the discursive interweaving of classical sculpture and African body. So-called Afro-modernism, which may be understood in terms of “interconnecting cultures and aesthetic practices spanning Africa, Europe and North America” (Smalls 2013b, p. 63) is, in this respect, generative of discourse and form. Not only does it subvert the
representations, parts, styles, and genres, a technique of performance that is implicitly parodic, if not deeply subversive in unsettling ways” (Guterl 2010, p. 26). 8This argument is supported by, among others, Brenda Gottschild: “Stars like Florence Mills, Josephine Baker, and many others unwittingly carried on the primitive legacy, their real contributions misinterpreted and their greatest potential untapped” (Gottschild 1996, p. 37). See also Henderson (2008, p. 10). 9“Les possédés sont devenus des ‘professionnels’, mais par son singulier et inquiétant génie, une Joséphine Baker rejoint, d’un bond, la sauvageonne et, d’un autre, notre commun ancêtre animal, quand, courant sur les pointes de pieds et les paumes des mains, elle s’enfuit à quatre pattes dans la coulisse, à l’instar d’un gorille” (Levinson 1929, p. 278).
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great Western (and “white”) narrative, but it also creates a context productive of creolized constellations in the performing arts, positing new forms of aesthetic experience. European intellectuals, among them André Levinson, invent an instance linking the creolized with a (European) classicism under a trans-historical perspective. We observe, then, an interweaving of that which throughout the long nineteenth century had been constructed largely in terms of opposition, or the greatest possible difference, in scholarship and in discourses of the body. It is significant that Levinson’s model seems to privilege specific “classicized” bodies and forms. I say “seems to privilege”, because in a deep structural analysis, the Creole constellations cause his hierarchic structural arrangement and his self-imposed value-model to implode between the lines. The model attests to a fundamental dilemma; more precisely, it shows the conflict between the maintenance of the interpretative authority (of the classical), an aesthetic fascination (for the exotic), and ethical positioning. An example of one of these paradoxical figures is formed by Benga’s embodied modern representation of the classical messenger god: Le Mercure Noir. While it has not been possible to reconstruct whether André Levinson saw François Benga’s performance in Le Sang d’un poète, his description and analysis of the black Mercury corresponds in various ways to the phantasmatic figuration of the black angel as modelled by the avant-garde. His approach, however, does not include the modernist technological facet. Furthermore, we can observe a changed accentuation in Levinson, developing an analogy with the classical ballerina. Levinson calls Benga “un être merveilleux”; according to him, the latter’s presence in performance and dance is, in many ways, even superior to that of Vaslav Nijinsky, probably modernity’s most famous dancer (Levinson 1933, p. 316): “an elegance and purity of […] form […] The grace of his stretched muscles, the form of his thin joints enchants the eye. […] The colour of his classical body resembles less an African skin tone and more a noble bronze patina. […] His true technique emerges as quasi feminine, like that of a flexible danseuse” (Levinson 1933, pp. 315–316). To Levinson’s aesthetic perception, François Benga appears as a classical figure transformed: he seems comparable to Lysippos’s athlete, embodies Praxiteles’s ideal of beauty for the present, resembles, finally, the Florentine Renaissance artist Giovanni Bologna’s Flying Mercury (Levinson 1933, p. 316). Levinson’s quasi-scholarly discursive approach undoes any possible separation between the dancer and artist François Benga, on the one hand, and the phantasmatic figure embodied by Benga in film or on stage on the other. Benga’s exposed, dancing, bronze body renders present in idealized period-typical
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manner the naked bronze sculpture that Levinson has marked as trans-historically classical (European): Le Mercure Noir.
4 Benga’s Liaison with Cultural Studies Avant La Lettre In the 1930s, resonances of this imaginary can be found beyond the performing arts and avant-garde film in two further contexts: first, as motif in the visual and plastic arts as well as in photography, and secondly, in modern anthropology, an emerging discipline at this point upon which—it might be suggested—François Benga exerted direct influence. Notably, in 1934, Benga embarked on a research trip to West Africa together with Geoffrey Gorer, a British anthropologist who was acquiring the methods of the field largely autodidactically and with support from two colleagues and pioneers of cultural studies avant la lettre, Margaret Mead and Ruth Benedict (Lindstrom 2013). It is clear that Benga and Gorer become romantically attached. The monograph Africa Dances. A book about West African Negros (1935), published in connection with their research, testifies to their romance both in the inscription and between the lines. It is unfortunately beyond the scope of this contribution to discuss in greater detail Benga’s more or less evident engagement in gaining highly differentiated insights on West Africa and, more specifically, in establishing the sometimes more, sometimes less differentiated register of 40 observed dance forms (or Benga’s photographs of these dances as central to the publication). In spite of the inventory of particularities established—which may be attributed to Benga and his movement-analytical competence—Gorer’s anthropological gaze on the West African body and dancer, and on François Benga’s body, nevertheless mirrors the phantasm that has been deciphered in this contribution: “As far as I am concerned negroes are halfway between human beings and statues (in the Greek naturalistic tradition) […]. With negroes the difference in surface— uniform colour, the absence of contrasting hair, the smooth texture of their skin which affects the eye like worked marble or bronze (my fingers were always surprised to find negro bodies warm and yielding)—makes them appear as much ‘objects’ as ‘people’” (Gorer 1935, p. 270).
François Benga’s performance in Cocteau’s film Le Sang d’un poète, his reception in the arts, in theatre and in dance criticism—with André Levinson’s texts taken as indicative—and, finally, his role within the framework of
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anthropology founding itself as a discipline during this period—in short, his figuration may be understood as a pivotal point within the paradigm shift concerning the male dancing African body in European modernity around 1930. Following on the artistic and intellectual negrophilia of the 1920s, based on the construction of the greatest possible difference between Europe and Africa— an example of which may be Levinson’s contrasting of the Steps Nègres and classical ballet—we see the emergence of a phantasmatic figure crafted from two to three different threads: these are (1) classical sculpture, (2) the African dancing body, and (3) the technological-proximate coupling of man and machine. As black Mercury, this figure, embodied and performed by François (Féral) Benga, appears on the theater stage, in Cocteau’s avant-garde movie, and in dance historiography. Having transformed from Hermes to Mercury in Rome, the son of Zeus and the mountain nymph Maia fulfills diverse functions in myths and cults: as messenger of the gods, guardian of the souls and travelers, god of sleep and dreams, god of gambling, god of the planets, patron of orators (especially of construing, explaining, and interpreting them), of merchants, thieves, and athletes. Myth does not know one great narrative for Hermes/Mercury. His narration rather breaks into “a number of snapshots” (Huß 2008, p. 344). In this sense, Mercury does not only represent an ancient contextual, relational, and polysemous figure. There are three facets that influence the god with winged sandals the most: he is a herald, a trickster, and a thief. With reference to François (Féral) Benga, one can identify three resonances of this role profile—originating in ancient theatre—as a temporary potentiation of “dangerous masculinity”: (1) The erotic tension of his scenic presence enables the spectator to perceive “queer” elements in an aisthetical/aesthetical way; (2) in his artistic oeuvre, Benga asserts himself in a masterful manner as a figure of transformation par excellence at the interface between life and art, politics and aesthetics as well as between colonial subject and artist; and (3) he exploits quasi-normatively encoded agency and adopts it, if only for a single theatrical moment under the artificial sun on the theatre sky.
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Haitzinger, Nicole, Dr., Professor at the Department of Art History, Musicology and Dance Studies at the University of Salzburg, head of the department of Musicology and Dance Studies. Key research areas: concepts of staging body, movement and action (in various historical formations); theory, history and aesthetics of performing arts from the seventeenth century to the present day; modernity as plural: tranculturality, transmediality and transhistoricity; stagings and embodiments of the tragic; contemporary performative arts; decolonial thought: performing arts; deaths on stage; curating in the performing arts.
Hybride Identitäten: Zur Verkörperung von Transkulturalität auf der Bühne der Gegenwart Johanna Hörmann 1 Transkulturelle Lesarten in der Antike und der Gegenwart Die Idee des transkulturellen Theaters verkehrt das konventionelle Verständnis von Fremdheit in ihr Gegenteil, wenn sie den kritischen Blick nicht auf ein ‚Außen‘, sondern auf das vermeintlich Vertraute, das ‚Eigene‘ richtet: „Das Konstrukt des transkulturellen Theaters geht aus von der Erfahrung des Fremden. Fremdes begegnet darin nicht in fernen Ländern und exotischen Kulturen, sondern im Inneren der vermeintlich eigenen. Das hindurchgehende Fremde in den kulturellen Phantasmen, die uns umgeben, das Trans, ist der Beweggrund des transkulturellen Theaters.“ (Heeg 2014)1 Bernhard Waldenfels bringt dies bereits ein Jahrzehnt vor Günther Heeg in seiner Phänomenologie des Fremden (2006) mit dem Begriff der „Ekstatischen Fremdheit“ zum Ausdruck, wenn er konstatiert: „Die Fremdheit beginnt bei mir selbst“ (S. 11). Übertragen auf das Theater ist Transkulturalität nach Heeg „weder ein spezifisches Genre noch eine neue Theaterform“. Sie ist vielmehr die „Erfahrung des Fremden“, des „Fremdseins“ und des „Sich-Selbst-Fremd-Werdens“ (Heeg 2014, S. 154), die im Theater und anderswo
1Zitiert aus dem Vortrag „Das transkulturelle Theater. Grenzüberschreitungen der Theaterwissenschaft“ im Rahmen der Ringvorlesung Theaterwissenschaft „Aus Tradition Grenzen überschreiten“ am 3. Juli 2014, Universität Leipzig.
J. Hörmann (*) Universität Salzburg, Salzburg, Österreich E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Hausbacher et al. (Hrsg.), geschlecht_transkulturell, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30263-4_13
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durch die kollektive Überschreitung oder die Entgrenzung des Selbst ermöglicht wird. Das transkulturelle Theater erschließt sich uns primär als Transit. Es ist ein Medium, das die Hinwendung zum Fremden durch transkulturelle Verflechtungen und Überschreitungen gewährleistet (Heeg 2017). Blicken wir zurück auf die Anfänge des westlichen Theaters in der griechischen Antike werden Grenzgänge unterschiedlich markiert: durch skēnē (vorder- und hinterszenisch), Gattung (tragisch, komisch und satyrhaft) oder Akteure (göttlich, tierisch und menschlich). In neueren theaterwissenschaftlichen Studien wird insbesondere der Chor kritisch betrachtet und dem fremden Blick ausgesetzt. In seinen antiken und zeitgenössischen Formationen wird der Chor als eine „Figuration der Fremdheit“ (Meister 2016, S. 156) oder noch expliziter als „Migrant“ (Haß 2012, S. 19) gedacht, der seine marginale Stellung und den „Mangel an Zugehörigkeit“ (Meister 2016, S. 153) zur Polis-Gesellschaft reflektiert und kommentiert. Besonders häufig sorgen auch die mythischen Figuren der dionysischen Sphäre für das Außerkraftsetzen von Grenzen und Ordnungen. Als junger Mann in Frauengewändern gekleidet, sprengt der androgyne Gott Dionysos durch seine differenten Erscheinungsformen die Geschlechtergrenzen. Das Spiel mit Gender und die Inszenierung mit weiblichen Attributen verweist auf die doppelte Geburt des Theatergotts: beim ersten Mal durch den Leib seiner Mutter Semele; beim zweiten Mal durch den Schenkel des Göttervaters Zeus (Bischoff 2001, S. 307). Der Mythos besagt, dass Dionysos mit einem lärmenden und tanzenden Gefolge durch Syrien, Ägypten unter anderem weiter nach Thrakien und Indien reist. Unerkannt stößt der fremde Gott „mit langen Locken und weißer Haut“ (Bischoff 2001, S. 307) in der eigenen Geburtsstadt Theben und bei König Pentheus auf Zurückweisung. Begleitet wird er auf seiner Reise von rasenden Frauen, den wilden Mänaden (auch bekannt als „Bakchen“ oder „Bakchantinnen“), die sich um den jungen Gott scharen. In der euripideischen Tragödie Die Bakchen vereinen sich die ‚einheimischen‘ thebanischen Frauen mit den ‚ausländischen‘ asiatischen Mänaden und stürmen nachts gemeinsam in die Berge. Bei der Praxis von ekstatisch-orgiastischen Tänzen zu Ehren Dionysos’ geraten sie ‚außer-sich‘ und zerreißen im Rausch den Körper von König Pentheus (Haitzinger 20192; Schlesier 2011, S. 189–191). Ihr männliches Pendant bilden die Satyrn. Es handelt sich hierbei um lüsterne sowie
2Die
Ausführungen zu Dionysos basieren zum Teil auf dem Vortrag „Chorische Resonanzen der Euripideischen Bakchen in den szenischen Künsten der Gegenwart: Marlene Montero Freitas’ Bacchae – Prelude to a Purge und Marta Górnickas Magnificat“ am 6. Juni 2019, Universität Salzburg.
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notorisch feige Mischwesen, die vor allem drei Dingen frönen: dem Wein, dem Tanz und den Frauen. Ihre maskulinen Körper sind mit tierischen Zügen durchkreuzt. Die mythischen Satyrn treten auch im theatralen Kontext mit Tiermaske und am Lendenschurz befestigtem Phallos als dionysischer Chor in Erscheinung. Wie die kurze Einführung zeigt, stehen Dionysos und sein Gefolge paradigmatisch dafür, wie transkulturelle und geschlechterkritische Setzungen am Körper bereits in der griechischen Antike die Unangemessenheit einer herrschenden Ordnung und einer (vermeintlich europäischen/westlichen) Kultur zum Vorschein bringen und theatral stören. Die Idee des transkulturellen Theaters wird aber nicht nur als eine leibliche Erfahrung wahrnehmbar, sondern sie ist auch eine Forschungsperspektive und ein Wissenstransfer; die Fähigkeit ungewohnte Bezüge herzustellen und damit einen shift zu markieren. Das heißt, in Brecht’scher Manier das Altbewahrte und Gewohnte, wie „die Fixierung von Identitäten quer zu denken“ (Primavesi 20163) und die soziale Konstruktion von Geschlecht immer aufs Neue zu befragen. Das transkulturelle Theater ist eine kritische und dynamische Perspektive, die versucht „historisch und räumlich unterschiedliche Gestalten von Theater in ein neues Licht“ (Heeg 2017, S. 14) zu rücken. Mit Rekurs auf Brecht verweist Heeg hier etwa unter anderem auf das theatrale Mittel der Historisierung als eine Chance für die Gegenwart, da sie durch den Verfremdungsfilter und die dadurch entstehende Distanznahme unweigerlich zu einer Revision des Vertrauten und Gegebenen führt. Mit diesem transkulturellen Ansatz beschäftigten sich vor dem Einzug in die Theater- und Tanzwissenschaft (terminologisch verbreitet war zuvor das Inter- oder Intrakulturelle Theater) etliche ethnologische, soziologische und philosophische Konzepte. Die konservative Kulturtheorie von Herder (1784–1791), die nicht zuletzt mit ihrem einprägsamen ‚Kugelbild‘ der Nationalstaaten für berechtigte Kritik sorgt, erscheint durch das von Wolfgang Welsch (1997) entworfene transkulturelle Gesellschaftskonzept als historisch und nicht mehr zeitgemäß. Nun, da wir Rückzug, Bewahrung und Verengung als Negativfolgen von Globalisierung verzeichnen, droht diese Behauptung jedoch ins Wanken zu geraten. Eine transkulturelle Ausrichtung scheint daher nicht nur für das Theater, sondern für die szenischen Künste insgesamt, zukunftsweisend und für die Wissenschaftsdisziplinen dringlich geboten. Dieser transkulturellen Perspektive folgend, wird die griechische Antike in diesem
3Primavesi,
Patrick: „Überschreitung des Theaters“ im Rahmen der Tagung „Postdramatisches Theater als transkulturelles Theater“, 14.–16. April 2016, Universität Innsbruck.
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tanzwissenschaftlichen Beitrag nicht als homogenes und in sich geschlossenes, europäisches Kultursystem betrachtet, sondern als eine bewegliche Referenzkultur für nachfolgende (auch außer-europäische) Kulturen.4 Ausgehend vom dionysisch-theatralen Kontext der Figur des Satyrs untersucht der zweite Teil die transkulturelle Verkörperung der philippinischen Choreographin und Tänzerin Eisa Jocson auf der Bühne der Gegenwart: Das Heraustreten aus der eigenen Identität und die Herausbildung hybrider Geschlechtsidentitäten in Zeiten des Kapitalismus wird am Beispiel der zeitgenössischen Soloperformance Macho Dancer (2013) exemplifiziert.
2 Der griechische Satyr: Eine transkulturelle Denkfigur Transkulturalität zeigt sich bereits in der griechischen Antike als ein Körper- und Bewegungskonzept, das sich erstens in hybriden Körpern – wie bei Gorgonen, Kentauren, Sirenen oder Chimären – und zweitens im Spiel mit beweglichen Geschlechtsidentitäten versinnbildlicht findet. Mit dem Satyr nimmt der Beitrag eine facettenreiche, theatrale und transkulturelle Figur in den Fokus, die trotz schwindender Bedeutung des Satyrspiels und seiner Verdrängung von der Bühne bis heute, so der Gedanke, ästhetische Relevanz besitzt. Die Satyrn sind als mythologische Mischwesen der griechischen Imagination geradezu paradigmatisch für eine Hybridisierung im Sinne zweier vorher ‚getrennter‘ Körper. Ausgestattet mit Vollbart, spitzen Ohren, kleinen Hörnern, Stupsnase und Pferdeschweif führen sie das Animalische mit dem Humanen in ihrer Satyrgestalt zusammen (Abb. 1). Die halbmenschlichen Naturwesen verkörpern einerseits den Prozess der Neubildung von Geschlechtsidentität durch ihre Aushandlung eines Sowohl-als-auch, andererseits entziehen sie sich jeglicher Zuschreibung durch ein Weder-noch. Wie eingangs erläutert sind die griechischen Satyrn bocks-, beziehungsweise nach neuerer Forschung, pferdeähnliche Kreaturen (Primavesi 2008) der griechischen Mythologie, die tanzend und musizierend dem Gefolge von Dionysos – Gott des Rausches, der Verwandlung und der Ekstase – angehören. Neben ihrer theatralen Profilierung als chorisches Kollektiv im Satyrspiel erfahren sie, besonders in der
4Basierend
auf dem Ansatz, dass „antike Kulturen die Referenz sind für Transformationen in nachantiken Gesellschaften“ und geht hervor aus dem Sonderforschungsbereich Bd. 49: Antike als Transformation (2017) hrsg. v. Helmrath, Johannes/Hausteiner, Eva Marlene/ Jensen, Ulf.
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Abb. 1 Prometheus und Satyrn auf einer Vase in Athen, vermutlich inspiriert vom Satyrspiel Prometheus Pyrkaeus von Aischylos (um 430 v. Chr.), Orpheus-Maler. Archäologisches Nationalmuseum, Athen (1167). (Foto © Johanna Hörmann)
Kunst, eine hypermaskuline und erotische Stilisierung. Heute bringen uns zahlreiche Vasenszenen und Marmorskulpturen dieses imaginierte, häufig mit dem Phallos attribuierte, Männerbild näher. Ihre Darstellung bildet dabei kein gesellschaftliches Abbild, sondern ist als eine komische Projektionsfigur gedacht, die sowohl situativ als auch
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kontextbezogen konstruiert wird und durch ihre Ambivalenz gleichermaßen besticht wie irritiert. Die Frage nach der Funktion dieser hybriden Halbwesen in der Antike wurde in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen bereits mehrfach gestellt. Pierre Voelke (2001) argumentiert, dass Satyrn sogar in dreierlei Hinsicht eine hybride Natur besitzen: Sie sind nicht nur halb Mensch/halb Tier, sondern auch halb Kind/halb Erwachsener und – dies mag aufgrund ihres explizit maskulinen Körperbildes überraschen – sogar halb Mann/halb Frau. Im antiken Kontext können sie einerseits als dionysisches Gegen- und Umkehrbild zur attischen Männlichkeit gelesen werden. Andererseits entsprechen Aspekte wie das „Kreisen der Hüften“ oder ihre „passive homosexuelle Neigung“ (Voelke 2001; Griffith 2015) eher einer ‚weiblichen‘ Attribuierung. Die Satyrn sind daher immer schon queer, weil sie innerhalb einer dionysisch-verzerrten Sphäre stets jenseits der Norm agieren und sich per se außerhalb der gesellschaftlich anerkannten Konstruktionen von Männlich- und Weiblichkeit bewegen. Dies zeigt sich insbesondere in ihrer Abbildung auf attischen und griechischen Vasenszenen, in der sie häufig die Ausnahme von der Regel bilden. Der französische Philologe François Lissarrague weist in diesem Zusammenhang auf die „squatting position“ (Lissarrague 1990, S. 55) als eine signifikante Pose der Satyrn hin. Die frontale Hockstellung mit provozierend gespreizten Beinen steht diametral zur normierten ‚en profil‘-Darstellung von Körper und Bewegung: „In the case of the amphora in Berlin, we can relate this frontality to the posture of the satyr, whose entire body is frontal, torso and pelvis facing the spectator, thighs and legs open and symmetrical with respect to the belly and genitals which they uncover and exhibit, like the panels of an open triptych. The satyr’s posture is precisely that of the exhibitionist who, facing the spectator, shows that which decency would demand not that he hide – the Greek male did not have our modesty – but that he carry discreetly.“ (S. 55–56)
Wie Lissarrague darlegt, sind die Satyrn zwar als Anti-Typen des in der Antike vorherrschenden, heteronormativen Männerbilds imaginiert, aber auch als bestätigendes Gegenmodell zum gültigen kulturellen System konstruiert. Der von Satyrspieltheorien priorisierte Aspekt des Komischen und Burlesken verleiht ihrer derb ausgestellten Sexualität nach Lissarrague allerdings eine soziale Degradierung: „It would also be a mistake to see in the satyrs’ ithyphallicism a positive sign of hypervirility. Their extraordinary sexual energy brings them closer to animals than to men and, if it provokes laughter, it is in fact hardly enviable, for it devalues them.“ (S. 56) Dies lässt vermuten, dass die Satyrn Repräsentanten einer ‚niederen‘, marginalen Randgruppe angehören und daher häufig als Projektionsfläche für Vorurteile dienen. Die Satyrn werden in den
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überlieferten Textfragmenten und Vasenszenen konsequent als dionysisch ‚Anderes‘ inszeniert, ästhetisiert oder erotisiert. Trotz ihrer Andersartigkeit, Exotik und Obszönität genießen sie unter dem Label der griechischen Antike einen besonderen, dionysisch-göttlichen Status. Mit Heegs Worten gesprochen, figurieren die Satyrn „das Außerordentliche, das jede Ordnung begleitet und dessen diese zu ihrem Erhalt in der Überschreitung bedarf“ (Heeg 2017, S. 49). In zeitgenössischer Lesart stellen sich die wilden Satyrn der bestehenden patriarchalen Polis-Ordnung quer, verkörpern sie doch ein alternatives Identifikationsangebot, das Fremdes im Eigenen zulässt. Balbina Bäbler weist im Eintrag des Kleinen Pauly (Heinze und Bäbler 2001) allerdings auch auf die „mythische Überhöhung“ der Satyrn hin, die ein „bestätigendes Gegenbild zu den Werten des Polisbürgers“ darstellt (S. 120). Im Satyrspiel, das bei den alljährlichen städtischen Dionysien in Athen auf drei Tragödien folgte, begibt sich der tragische Mythos szenisch in die ländliche Peripherie und thematisch in die Randgebiete der eigenen Identität. Diese bestehe nach Welsch (1997) zu einem großen Teil auch aus fremden Elementen. Erst, wenn uns diese Fremdheit bewusstwird, so führt Carla Filippa (2014) die Theorie von Welsch weiter fort, erkenne man auch die Ähnlichkeiten mit äußerer Fremdheit. Im Bereich der Bewegungssprache und der antiken Körperbilder sind die verschiedenen Arten sich zu bewegen, kulturell wie historisch kodiert und können den sozialen Status definieren (Lissarrague 1990, S. 56). Lissarrague verweist hier exemplarisch auf die Parallelen der aufreizend geöffneten Hockstellung der Satyrn und der knienden Haltung von Sklaven auf Vasenabbildungen: „The crouching position of slaves is the inverse of that model: body folded, almost hidden; height diminished; close to the ground. The satyrs adopt this position, except for the placement of the legs. Instead of holding one knee to the chest and placing the other on the ground, they spread their legs symmetrically, showing their genitals, thus adding indecency to the humility of their posture.“ (S. 57) Ein typisches Motiv des Satyrspiels ist die Gefangenschaft der Satyrn und ihre Trennung von Dionysos. Egon Flaig schreibt: „Die fundamentale Teilung der griechischen Gesellschaft war nicht die geschlechtliche, sondern die Teilung der Menschen in Freie und Sklaven“ (Flaig 2006, S. 31). Die Satyrn thematisieren diese fundamentale Differenz, indem sie sich fremde Bewegungsweisen aneignen, die mit dem eigenen Bewegungsrepertoire ergänzt und gemäß dem spezifisch obszönen Satyr-Vokabular angepasst werden. Das „Hinzufügen von Unanständigkeit zur Demut ihrer Haltung“ (Lissarrague 1990, S. 57) verkehrt die Betrachtungsweise der Pose durch die veränderte Stellung der Beinhaltung: Zeugt die Hockstellung der Sklaven mit angezogenen Beinen noch von kindlicher Hilflosigkeit und demutsvoller Opferhaltung wird sie von den Satyrn – selbst
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„Slaves of Dionysos“ (Griffith 2015) – als frontale Ermächtigung performt und durch das In-Szene-Setzen des Geschlechts als Phallos zum dionysischen Status erhoben. Wie das Beispiel zeigt, steht die von Satyrn adaptierte „ crouching“-Pose exemplarisch für eine transkulturelle Setzung und Verschiebung, die hier den Sklavendiskurs in der griechischen Antike betrifft. Sind die Gender und Queer Studies im Bereich der historischen Tanz- und Theaterwissenschaft eine noch vergleichsweise junge Kategorie, so finden sich sogenannte Gender Performances – die „Inszenierung von Männlichkeit und/oder Weiblichkeit“ nach der Definition von Jenny Schrödl (2014, S. 34) bereits in der Antike. Insbesondere der Phallos als Symbol und „privilegiertes Zeichen“ (Bischoff 2001, S. 294) unterliegt seit dem Dionysos-Kult je nach soziokulturellem und gesellschaftspolitischem Kontext immer wieder einer Neuperspektivierung. Bischoff betont in diesem Zusammenhang den „theatralen Aspekt“ (S. 309) dieser rituellen Phallos-Prozessionen der griechischen Antike. Sie schreibt: „Denn wenn der Phallos als Zeichen von Allmacht und der Überwindung körperlicher Schwäche durch ein selbst geschaffenes Symbol zugleich Visionen körperlicher Zerstückelung [Verweis auf die Zerreißung von König Pentheus, Anm. der Verfasserin] aufruft, bleibt der kulturelle Symbolisierungsprozess, der auch die Geschlechterpositionen hervorbringt und zueinander in Beziehung setzt, als solcher kenntlich. Der Gott, der seine Anwesenheit durch einen Phallos zu erkennen gibt, ist nicht notwendigerweise auch eine phallokratische Macht.“ (S. 309)
Im nächsten Abschnitt wird nach gegenwärtigen, transkulturellen Verflechtungen gefragt. Danach, ob jene Projektionsbilder der Antike auch in zeitgenössischen Verkörperungen auszumachen sind.
3 Transkulturelle Setzungen im zeitgenössischen Tanz: Eisa Jocson’s Macho Dancer (2013) „Macho Dancer takes off directly from where Death of the Pole Dancer ends – the pole dancer reincarnates as a macho dancer. The destruction of one persona gives birth to another.“ (Jocson 2014) Eisa Jocsons beschriebene Erfahrung ihrer physischen Transformation von einer ausgebildeten Ballett- und Pole-Tänzerin zu einem weiblichen „Macho-Tänzer“ lässt sich mit einem dionysischen Zerstörungsakt gleichsetzen. Der Tod des einen ist die Voraussetzung des anderen. Der Prozess des Sich-Selbst-Fremd-Werdens setzt hier, das Zitat legt dies nahe, die ‚Zerstörung‘ (als eine dionysische Kategorie) der eigenen Körperlichkeit und seiner erlernten, eingeschriebenen Bewegungsweise voraus. Erfahrbar im
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Trans, als Unterbrechung und im Übergang von Death of a Pole Dancer (2011) zu Macho Dancer (2013), ist die physische Transformation kein inhärenter Bestandteil der Aufführung. Die künstlerische Produktion einer ‚stage persona‘ findet nicht nur auf der Bühne, sondern bereits im Zwischen der Aufführungen – im Probenprozess und beim Training im Fitnessstudio – statt. In ihren transkulturellen Verkörperungen von philippinischen Erotiktänzer_innen führt das Eingangszitat von Eisa Jocson zunächst zu einer Reihe von Fragen: Wo ist der weibliche Körper, als „Macho Dancer“ auszumachen? Wird das ‚weibliche‘ von dem ‚männlichen‘ Bewegungsvokabular überschrieben? Ist die hybride ( Gender-) Identität hier körperlich gespalten oder verdoppelt? Eisa Jocson ist eine zeitgenössische Choreographin und Tänzerin aus den Philippinen. Ausgebildet in bildender Kunst und Ballett, gewann sie 2010 ihren ersten Pole-Dance-Wettbewerb in Manila und begann daraufhin mit Interventionen im öffentlichen Raum. Jocson beschäftigt sich in ihrem PerformanceOeuvre kontinuierlich mit Konstruktionen und Repräsentationen von Gender und Identität. In ihren Soloarbeiten (Death of a Pole Dancer [2011], Macho Dancer [2013], Host [2016], Princess [2018]) eignet sie sich fremde Körperund Bewegungsweisen an. Ihre Auswahl ist dabei nicht zufällig gewählt: Jocson ergründet Körper und Verkörperungen, in denen sie Themen wie „Transkulturalität, Körperausbeutung und die Erosion von Geschlechternormen“ (Ploebst 2016) am eigenen Leib verhandelt. Fündig wird sie in der Erotik- und Unterhaltungsindustrie ihres Herkunftslandes, auf den Philippinen. In all ihren Kreationen – von einer Poletänzerin zu einem Machotänzer und von einer japanischen Hostess bis hin zur Disney-Prinzessin – ist die treibende Kraft der Bewegung, die Auseinandersetzung mit den Folgen des Kapitalismus, der den Körper in (räumliche) Abhängigkeiten drängt. Eisa Jocson enthüllt diese Körperpolitik in der Dienstleistungs- und Unterhaltungsbranche aus der sozioökonomischen Sicht der Philippinen. Präzise untersucht sie den tanzenden Körper, wie er sich bewegt und welche kulturellen, soziopolitischen und gesellschaftlichen Bedingungen ihn auch zwangsläufig bewegen. Insbesondere soziale Mobilität und Migrationsarbeit in den Unterhaltungssektoren der Philippinen bringen hybride Identitäten und ihre spezifischen Bewegungsweisen hervor, erklärt Jocson im Interview (2014). Die Choreographin nähert sich dem sozialen Kontext der marginalen und erotischen Tanzpraktiken durch die Aneignung von Bewegungssprache und Verführungsstrategien. Die Bewegungsrecherche führt sie in das unmittelbar räumliche Umfeld ihrer Entstehung, wie Jocson weiter erklärt: „I approach these subjects from within movement languages specific to each context. There is a long and intimate transmission process between my teachers
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working in the field (macho clubs, host club in Tokyo) that results in my embodiment of their dance practices. Dancing their dances does not equal to telling their stories. These marginal movement practices loaded by their specific context become tools in destabilizing dominant and comfortable ways of seeing. All 3 works operate in the dissonance between perceived notions of reality and performed embodiment.“ (Jocson 2014)
Ihre transkulturelle Herangehensweise soll nun am Beispiel von Macho Dancer skizziert werden: Der „Macho Dance“ ist eine spezifisch männliche Tanzform, die in den Nachtclubs von Manila auf den Philippinen aufgeführt wird. In ihrem gleichnamigen Stück zitiert Eisa Jocson diese männliche Inszenierung und Bewegungsweise: „My project is a solo piece of a woman performing a macho dance. Her becoming a macho dancer challenges our perception of sexuality and questions gender as a tool for social mobility“ (Jocson o. J., o. S.). In den Nachtclubs von Manila kultivieren die sogenannten Machotänzer jeden Abend eine spezifische Vorstellung von heterosexueller Männlichkeit, die hauptsächlich durch junge Männer aus prekären Gesellschaftsschichten repräsentiert wird. Auf den ersten Blick ist Macho Dancing mit dem lasziven Bewegungsvokabular eine erotische Unterhaltungskunst für ein zahlendes (vorherrschend männliches) Publikum. Erst auf den zweiten Blick wird erkennbar, dass es sich um eine ökonomisch motivierte Sprache der Verführung handelt, die (Hyper-)Maskulinität als Körperkapital für soziale Mobilität einsetzt (Jocson o. J., o. S.): „He [the macho dancer, Anm. d. Verf.] realizes his potential, and exercises his individual empowerment, only to return the following night. Desire and performance of social mobility, after all, are only posed in simulation. In gay bars, as in the Philippine nation, real mobility is evasive, restricted, and temporary. Yet every night, the desire and the performance of social mobility are reenacted.“ (Tolentino 2009, S. 88) Als einzigartiges soziokulturelles Phänomen auf den Philippinen wurde dem männlichen Verführungstanz außerhalb der Sphäre der Nachtclubs bisher wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Die vielfach international getourte Tanzperformance Macho Dancer (Uraufführung 2013 in Brüssel) zielt darauf, diesen erotischen Männertanz – ausgeführt von einem weiblichen Körper – als „Gender-Loop“ (Jocson 2014, o. S.) in das öffentliche Bewusstsein zu rücken und diesen „perfekt normativen Körper“ letztendlich als „konstruierten Körper“ (Jocson o. J., o. S.) herauszustellen: „The macho dancer through his practice is pushed into a marginal, weak position in society. However the image that a macho dancer simulates is that of a strong male. The woman performing a macho dance assimilates that role of a strong male, and with transgressing gender, the performer also seems to change her social status. Nevertheless, since she engages in that marginal practice that is macho dance she
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remains vulnerable, weak, just like the social status of an objectified woman. The performance thus generates a ‚gender loop‛ in which performer and audience are entangled.“ (Jocson 2014, o. S.)
In einem politisch-soziologischen Kontext markiert Roland B. Tolentino in seinem Artikel Macho Dancing and the Feminization of labour (2009) zwei Phasen des Macho Dancing, die sich wiederum tanztechnisch auch im Bewegungsstil ausdifferenzieren lassen: Die erste Generation der Macho-Tänzer von den 1970er bis Mitte der 1980er Jahre zeichnete sich durch einen schlangenartigen Bewegungsstil mit einer weiblich-konnotierten Fluidität aus. Für das sogenannte „snake-dancing“ (S. 78) ist nach Tolentino ein Bewegungsduktus charakteristisch, der ausgehend von den Beinen über den Torso hinauf zur Brust, weiter zu den Armen bis zum Kopf fließt und wieder zurück. Aufgrund politischer und wirtschaftlicher Veränderungen, die Tolentino mit dem Aufkommen und der Entwicklung der männlichen Unterhaltungskunst engführt, nahm das Machotanzen spätestens ab 1990 eine marktfähigere Form an. Die zweite Generation des Machotanzes, nun stärker geprägt durch ein neoliberales Körperbewusstsein, lässt zwar immer noch langsame, fluide Bewegungen (langsames, sinnliches Kreisen der Hüften) erkennen aber mit einer verstärkten Macho-Attitüde, die erstens durch die Kostüme der Tänzer (Bauarbeiter, Cowboy etc.) und zweitens durch kantigere, sexuelle Elemente in den Performances besonders akzentuiert wird. Janine Schulze hält in ihrem historischen Abriss zu „Tanz“ im interdisziplinären Handbuch zu Männlichkeit (2016, S. 358 ff.) fest, dass beim Anblick eines tanzenden Mannes seit jeher ein homosexuelles Begehren befürchtet wurde. Dies führte, wie zahlreiche Beispiele der Tanzgeschichte zeigen, zu einer gesellschaftlichen Verunsicherung, die hauptsächlich die Erotisierung und Objektivierung des maskulinen Körpers betrifft, sowie den begehrenden Blick auf den tanzenden Mann. Interessant ist in diesem historischen Kontext, dass der Machotänzer seit der zweiten Welle gleichermaßen ein männliches wie auch ein weibliches Publikum adressiert und sowohl ein hetero- als auch ein homosexuelles Begehren hervorruft. Der Machotänzer, wie er in den philippinischen Clubs inszeniert wird, ist mit körperlichen Sekreten wie Schweiß, Blut, Sperma und mit Manifestationen körperlicher Anstrengung verbunden (Jocson 2014, o. S.). Der Beiname ‚Macho‘ wird vorsätzlich als Attribut gewählt, um sich erstens von homo- und transsexuellen Tänzern der vielen Gay-Clubs in Manila abzugrenzen und zweitens ein hypermaskulines Bild zu profilieren. Die Macho Clubs präsentieren den Mann in meiner Lesart als Satyr: wild-animalisch, sexuell dominant und in körperlich muskulöser Statur. Auf den zweiten Blick spiegelt der Machotänzer, wie die Figur des Satyrs, aber einen interessanten Kontrast: Als Performer projiziert er
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ein Bild der allzeit erregten männlichen Sexualität und Potenz. Als dienender „Guest Relations Officer“ (Tolentino 2009, S. 84) nimmt er in den G ay-Clubs von Manila aber eine prekäre soziale Stellung ein. Seit dem autoritären Marcos-Regime (1972–1986) dominieren vor allem junge Männer in der Unterhaltungsbranche. Der machistische Gestus wird zur performativen Ermächtigung und als solche in den Machoclubs Nacht für Nacht wiederholt auf die Bühne gebracht. Die Bühne der Performance Macho Dancer (2013) führt durch einen Steg in den Zuschauerraum. Aus dem Nebel tritt ein Körper langsam in Erscheinung; definierte Arm- und Beinmuskeln werden durch den Lichteinfall konturiert. Wie der Kaugummi im Mund dehnt sich auch dieser Körper aus und zieht sich wieder zusammen. In einer breitbeinigen Standhaltung dominiert Eisa Jocson mit Blicken ihr Publikum. Die von ihr konstruierte Männlichkeit gebärdet sich in erotischen Posen (Abb. 2), die sich ganz im Signum des Phallos immer wieder an ‚Härte‘ übertreffen. Die Überbetonung von männlicher Potenz findet beim Machotänzer durch den erigierten Penis und durch sexuell konnotierte Posen ihren körperlichen Ausdruck. Die Erektionsfähigkeit wird als Säule männlicher Identität und sexueller Selbstsicherheit inszeniert. In ihrer
Abb. 2 Eisa Jocson als Macho Dancer, 2013. (Foto © Giannina Urmeneta Ottiker)
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acho-Verkörperung knüpft Eisa Jocson sich auf der Bühne langsam die Hose M auf; der dabei abstehende Gürtel wird symbolisch zum (abwesenden) Glied. Jocson präsentiert das Oeuvre eines Machotänzers: kreisende, sinnliche Hüftbewegungen, Kniebeugen, Ausfallschritte, eine Reihe von perfekt ausbalancierten ‚squats‘ und wie bei jeder guten Macho Performance ergänzt sie das spezifische Bewegungsvokabular mit eigenen ‚signature moves‘. Jocson transformiert ihren Körper durch Muskelaufbautraining und verwischt die Grenzen zwischen den Geschlechtern, ohne diese dabei ganz aufzulösen. Vielmehr scheint es ganz so als trete eine hybride Figur in den Fokus, die unsere Sehgewohnheit herausfordern will. Janine Schulze schreibt: „In der Wahrnehmung lassen sich die auf eine geschlossene Männlichkeit rekurrierenden Choreographien durch die ausführenden Frauenkörper als Konstruktionen besonders deutlich erkennen […].“ (Schulze 2016, S. 368) Die Verschiebung von performativer Identitätsstiftung und sozialer Lebensrealität differenziert die australische Soziologin Raewyn Connell in vier Konzepte, die als fluid begriffen sind, aus: die „hegemoniale Männlichkeit“, die „untergeordnete Männlichkeit“, die „Komplizenschaft“ und die „marginalisierte Männlichkeit“ (Connell 1995). Diese Verschmelzung von Vorstellung und Identität führt dazu, dass die Zugehörigkeit der Machos sowohl zur dominanten (innerhalb der Gay Bars) als auch zur sozial untergeordneten Gruppe (innerhalb der Gesellschaft) führt. So gewährleistet ihm sein erotisches Profil, das er mit Politiken der Verführung und hypermaskulinen Codes etabliert, eine temporäre Machtposition einzunehmen. In anderen Worten: Werden die jungen Männer innerhalb der hegemonialen Beziehungen von Männlichkeit und gesellschaftlichen Machtstrukturen noch dominiert, wechseln sie in ihrer performativen Praxis als Machotänzer zu den Machtausübenden. Das Konzept der „hegemonialen Männlichkeit“ nach Raewyn Connell, ist gleichzeitig Handlungs- und Erkenntnismodell der Machtdominanz von Männlichkeit innerhalb der Gruppe ‚Mann‘: „‚Hegemoniale Männlichkeit‘ ist kein starr, über Zeit und Raum unveränderlicher Charakter. Es ist vielmehr jene Form von Männlichkeit, die in einer gegebenen Struktur des Geschlechterverhältnisses die bestimmende Position einnimmt, eine Position allerdings, die jederzeit in Frage gestellt werden kann.“ (Connell 1995, S. 98) Mit dem Beginn der Stückentwicklung zu Host (2016), in dem Jocson eine philippinische „Japayuki“-Erotiktänzerin verkörpert, verlässt sie den Macho Club in Manila und widmet sich dem Host Club in Tokyo. „Japayuki“ werden hauptsächlich philippinische Frauen genannt, die in der japanischen Unterhaltungsindustrie arbeiten (Da-anoy-Satake 2001, S. 1). Im Übergang, dem Trans, unterzieht sich Jocson erneut dem Prozess einer Körpertransformation: „I had to reorient my body away from macho dancing into a malleable vessel that is versed on transcultural notions of feminine representations.“ (Jocson 2014, o. S.)
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Wie am Beispiel von Macho Dancer deutlich wird, liegt hinter der männlich konnotierten Aneignungsdynamik und Verkörperungstechnik von Jocson die künstlerische Intention, Gender als soziale Konstruktion zu dechiffrieren. Ihre hybride Verkörperung überschreitet die eigene Körperlichkeit, ohne dabei vollends zu verschwinden, sondern stattdessen, um die Grenze zwischen ‚weiblich‘ und ‚männlich‘ uneindeutig zu machen. Ganz im Sinne Heegs werden hier die „Grenzen zum Anderen in der Rückwendung auf das Eigene hin“ (2014) überschritten. Mit dem shift in den Theaterraum wird die spezifisch erotische Tanzpraxis als philippinisches Randphänomen für eine breite, internationale Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Durch die weibliche Macho-Verkörperung, Einschreibung und Aufführung legt Jocson die soziokulturell bedingten Gender-Konstruktionen offen und dekodiert deren Mechanismen.
4 Fazit Die transkulturellen Setzungen auf der Gegenwartsbühne durch die erotischen Verkörperungen von Eisa Jocson resonieren in der mythischen Figur des Satyrs, wenn sich die adaptierte „crouching“-Pose der Satyrn in der Arbeit Macho Dancer (2013) von Eisa Jocson als „squatting“-Pose erkennen lässt und weitere Gedankenspielräume öffnet. Performative Aneignungstechniken und der Transfer von Körperposen zeigen erstens das Wechselspiel von kultureller Projektion und Gender-Identifikation, zweitens die künstlerische Auseinandersetzung mit der Fremdheitserfahrung der eigenen Kultur. Der antike Satyr kann hier als historische Referenz für einen queeren und transkulturellen Körper bezeichnet werden. Der Machotänzer wird von Eisa Jocson als männliche Konstruktion offenbart, die Nacht für Nacht in den Clubs von Manila inszeniert wird. Übergreifend wird die Wechselwirkung zweier kultureller Phänomene und ‚Gender-Kippbilder‘ deutlich, die Transkulturalität und Geschlecht historisch wie gegenwärtig mit einem hybriden Körper verhandeln. Sowohl die griechische Antike, speziell ihre dionysische Gegenwelt, als auch die Sphäre der philippinischen Nachtclubs bringen hybride Identitäten und Körper hervor, die durch theatrale Störpraktiken wie transkulturelle Überschreitungen und Verflechtungen produziert werden.
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Hörmann, Johanna, MA, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Dissertantin am Fachbereich Kunst-, Musik- und Tanzwissenschaft der Universität Salzburg. Aktuelle Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Tanz und Performance aus der Perspektive der Gender/ Queer-Theorie, Männlichkeitskonzepte in den szenischen Künsten, Theater und Tiere.
Posthumane Stimm-Körper und die Produktion von Geschlecht Julia Ostwald
„[…] dass gender kein Fachgegenstand sein kann, dass gender vielmehr etwas ist, was sich ‚zeigt‘, was ‚sich tut‘, was gehört und (unbewusst) wahrgenommen wird.“ (Angerer 2014, S. 29) „Was bedeutet es in Zeiten der Hochtechnologie, verkörpert zu sein?“ (Haraway 1995, S. 62)
Stimme und Körper werden vielfach als untrennbare, essentialistische Einheit verstanden. Dies reicht von Argumentationen, die die geschlechtliche Konstitution der Stimme als rein naturgegeben darstellen1, über die Gleichsetzung von Stimme mit Identität und Persönlichkeit (Sendlmeier 2010), bis hin zur Attribuierung der Stimme als Medium politischer Handlungsmacht. Betrachtet man jedoch theatrale wie auch mediale Inszenierungen von Stimmen und Körpern, so drängt sich vielmehr eine Perspektive des Performativen auf, die der essentialistischen Einheit ihr Selbstverständnis entreißt. Stimme als „performatives Phänomen par excellence“ (Kolesch und Krämer 2006, S. 11) ernst zu nehmen, bedeutet, ihr eine eigenständige Wirksamkeit zuzuerkennen, die in einem Spannungsverhältnis zum sichtbaren Körper steht. Fragen der
1Diese
Position findet sich etwa noch immer in gegenwärtiger Literatur zur Gesangspädagogik, die dabei unhinterfragte Konstruktionen des 19.Jahrhunderts als biologische Tatsache übernimmt (Grotjahn 2005).
J. Ostwald (*) Universität Salzburg, Salzburg, Österreich E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Hausbacher et al. (Hrsg.), geschlecht_transkulturell, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30263-4_14
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(Re-)Produktion von Geschlechternormen werden in diesen performativen Stimm-Körpern implizit verhandelt, etwa in der je spezifischen Materialität und Klanglichkeit, der Modellierung der Bewegungen wie in deren Wahrnehmung. Gerade das Implizite muss als eines der wirksamsten Mittel im Manifestieren von Normen benannt werden. So spricht Stuart Hall vom SelbstverständlichErscheinenden als „most ideological moment“ (Hall z. n. Sterne 2006b, S. 20). Maßgeblich prägend für die heutige (westliche) Konstruktion und Wahrnehmung von Körpern und Stimmen sind die sich seit dem frühen 20. Jahrhundert ausbreitenden medialen Technologien wie Phonographie2 oder Film. Im Spannungsfeld von Dissoziation und Synthese, De- und Re-Synchronisierung von Körper und Stimme wird Subjektivität dabei offenkundig eine Frage der Konstruktion. Hinsichtlich dieses produktiven Potenzials von Medientechnologien schlägt Jonathan Sterne einen Rückbezug zum Begriff der technē vor: Dieser bezeichnet – in aller Kürze dargestellt – das praktische und verkörperte Wissen, Handeln und Produzieren (poiēsis) in Nachahmung (mimēsis) der Natur (Kittler 2005, S. 16). Der Begriff trennt sich historisch, nach Sterne, in Technik und Technologie auf. Als Technik bezeichnet er das im menschlichen Körper gespeicherte und im Handeln aktualisierte Wissen. Unter Technologie versteht Sterne die an maschinelle Körper delegierte Technik. Beide Formen von technē unterscheiden sich für Sterne nicht qualitativ, sondern lediglich hinsichtlich des Mediums der Verkörperung. Daraus ergibt sich eine grundsätzliche Verflechtung von (Medien-) Technologien, Körper- und Wahrnehmungstechniken (Sterne 2006a, S. 95), die die Frage nach den spezifischen Performanzen von Gender aufwirft. Während mediale Technologien in kritischer und teils feministischer Theorie vielfach als unterdrückender apparativer Gegensatz zum ‚natürlichen‘ Körper verstanden wurden (Brink 2004, S. 187), begrüßen die maßgeblich von Donna Haraways Cyborg Manifesto (1985) beeinflussten posthumanen Ansätze die Durchdringung von Mensch und Maschine in ihrer potenziellen Öffnung des Normierten (Hayles 1999; Braidotti 2014). Vor diesem Hintergrund widmet sich der Beitrag im Folgenden den inszenatorischperformativ erzeugten Stimm-Körpern zweier historisch divergierender Tanzproduktionen: Les Mariés de la Tour Eiffel (1921) der Ballets Suédois sowie My Private Bodyshop (2005) der Compagnie Liquid Loft. Beide Datierungen markieren medienhistorische Momente des Umbruchs (durch Radio und (Ton-)Film einerseits,
2Ich
verwende im Text diese Schreibweise, um Phonograph/Phonographie als historisches Phänomen zu markieren.
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digitale Medien andererseits) und spannen so einen Bogen von den Anfängen der massiven technologisch bedingten Trennung von Stimmen und Körpern, hin zu vermehrten Transformationen zwischen Technologischem und Organischem. Exemplarisch soll anhand dieser „Bewegungsgefüge“3 gefragt werden, wie bewegte Körper und Stimmen jeweils in Bezug zueinander gesetzt werden im Kontext der Trias von Medientechnologien, Körpertechniken und der Produktion von Geschlecht. Inwiefern tragen die jeweiligen Konstellationen von Stimmen und Körpern kulturelle Codierungen weiter, irritieren oder lösen sie auf hin zu einer posthumanen (vermeintlichen) A-Geschlechtlichkeit? Während im gendertheoretischen tanz- wie filmwissenschaftlichen Diskurs lange der Aspekt des Visuellen dominierte, soll die Aufmerksamkeit hier auf bisher weniger beachtete Facetten des Auditiven gelenkt werden. Das heißt, im Zentrum stehen die sich im Stimmlichen und dessen Wechselwirkungen mit dem Sichtbaren manifestierenden Macht- und Wahrnehmungsstrukturen.
1 Les Mariés de la Tour Eiffel: Stimm-Körper zwischen Animierung und Verdinglichung Am 18. Juni 1921 bringt die avantgardistische Compagnie Les Ballets Suédois in Paris das von Dada- und Surrealismus inspirierte Ballett Les Mariés de la Tour Eiffel (Die Hochzeit auf dem Eifelturm) zur Uraufführung. Das Libretto stammt von Jean Cocteau, der ebenfalls die Inszenierung und gemeinsam mit Jean Börlin die Choreografie zu großen Teilen verantwortet. Protagonisten von Les Mariés sind ein Fotoapparat und zwei Phonographen. Letztere sind rechts und links der Bühne situiert. In ihnen verbergen sich zwei Schauspieler, die die etwa 40-min Produktion mit einem atemlosen Dauerdialog bestimmen. Die frei von jeglichem literarischen Stil sprechenden Phonographen verknüpfen ästhetisch – so Cocteau – antiken Chor und Präsentatoren einer Revue (1948a, S. 42): Sie wechseln permanent die Position zwischen allwissendem, akusmatischem Erzähler, Kommentator des Sichtbaren und Sprachrohr der Figuren in Imitation ihrer Stimmen. Zwischen den Phonographen wird die „lächerliche Handlung getanzt und gemimt“ (Cocteau 1948a, S. 42, Übers. J.O.), die sich wie folgt zusammenfassen lässt: Eine bürgerliche Hochzeitsgesellschaft im Stil der Belle Époque
3Als
„Bewegungsgefüge“ standen und stehen in choreografischen Anordnungen immer schon technologische, (bewegungs-)technische und ästhetische Entwicklungen mit kulturellen Wissensordnungen im Verbund (Angerer et al. 2014, S. 11–15).
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findet sich am Nationalfeiertag auf dem Eifelturm ein. Ein Fotograf versucht wiederholt, sie zu fotografieren, wobei der Kamera in menschlicher Größe (Cocteau 1948b, S. 52) unter anderem ein Vogel Strauß, „a bathing girl from a cheap Parisian postcard“ (Programmheft z. n. Gilman 1923), das zukünftige Kind des Brautpaares und ein Löwe entspringen. Letzterer frisst den Ehrengast, den General, der zuvor von seinen Erfahrungen mit optischen Illusionen in Afrika berichtet hat. Schließlich wird die zum Bild erstarrte Gesellschaft selbst als ‚primitive Kunst‘ (Cocteau 1948b, S. 64) an einen amerikanischen Kunstsammler verkauft, bevor sie gänzlich von der Kamera verschluckt wird. Das als „harlequinade of the French bourgeoisie“ (Gilman 1923) und „farce nietzschéenne“ (Cocteau z. n. Aschengreen 1986, S. 109) angelegte Stück dekonstruiert bürgerliche Normen, indem es den „Gemeinplatz“ exponiert (Cocteau 1948a, S. 43, Übers. J.O.). Die parodistische Verknüpfung von Hoch- und Populärkultur, Ernst und Unterhaltung durchzieht alle Ebenen der Inszenierung: Ebenso wie das Bühnenbild von Irène Lagut eine verzerrte Perspektive vom Eiffelturm auf darunterliegende Straßen eröffnet, orientiert sich die Musik von Komponisten der Gruppe Les Six im Aufgreifen populärer Rhythmen, Tanzstile und Instrumentierungen an der Lautheit und Hyperbolik von Rummel (Sanborns 1923) und Zirkus (Cocteau 1921). Vor allem aber ist Les Mariés ein Ballett, in dem Sprechstimme und bewegte Körper – in Vorwegnahme von Verfahren des Tonfilms ab Ende der 1920er Jahre – produktionsästhetisch dissoziiert und in der Wahrnehmung zu Figuren synthetisiert werden. Im Kontext des Films bezeichnet Michel Chion Momente, in denen ein auditives und ein visuelles Phänomen „like a couple of perfectly matched dancers“ (Chion 1994, S. 64) in der Rezeption verschmelzen, als Synchrese (zusammengesetzt aus Synthese und Synchronisation). Der Effekt basiert auf kulturellen Gewohnheiten und Normierungen und trägt diese zugleich affirmierend weiter (Chion 1994, S. 64). Seit den Anfängen des Tonfilms ist in der Synchronisierung von Figuren das ‚Passen‘ von Stimmen und sichtbaren Körpern oberstes Gebot. Dies umfasst sowohl die Synchronizität von Bild und Ton als auch die Reproduktion von Normen und Stereotypen (Silverman 2016; Taylor 2009).4 Synchronisierung ist so aufs Engste verknüpft mit Fragen der Ver-
4Der
erste Tonfilm mit Dialogen wird erst um 1927 datiert. Wie in der Historiografie des Tonfilms betont wird, steigt mit der neuen vokalen Ausdrucksebene der Charaktere das Bestreben naturalistisch essentialistischer Verkörperungen. Dies betrifft insbesondere weibliche Filmstars, aber auch rassistische Clichés hinsichtlich einer vermeintlich spezifischen afroamerikanischen Stimme (Taylor 2009).
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körperung von Gender, race und Klasse. Dieses mit dem Tonfilm einhergehende Paradigma essentialistischer Synchronisierung nimmt Les Mariés parodistisch vorweg, durch Übertreibung einerseits und subtile Verschiebungen andererseits. Die aus Draht konstruierten, ausgestopften (Cocteau 1931, S. 61) und schablonenhaften Kostüme – für die Abbildungen im Lexikon Larousse zu den Einträgen Löwe, Braut oder Badende (Häger 1990, S. 150) Jean Hugo als Vorlage dienten – verleihen den Tanzenden artifizielle Konturen, die jegliche ‚natürliche‘ Physiognomie verdecken. Sie beschränken die Bewegungen der meisten Figuren auf Gesten von Armen und Händen, Positionen der Beine oder Füße und Neigungen von Kopf oder Rumpf. Choreografische Notizen Börlins sowie Fotografien verweisen auf geschlechtlich stereotyp zugeordnete Bewegungsmuster. General, Jäger oder Fotograf zeichnen sich durch raumgreifende Haltungen mit weiten Ausfallschritten sowie beredte pantomimische Handgesten aus. Demgegenüber sind die wenigen ‚echten‘ Tanzszenen mit der Figur der ‚Badenden von Trouville‘ und den personifizierten, aus New York eintreffenden Telegrammen weiblich besetzt. Diese gestikulieren nicht als stummer Ersatz vermeintlich intelligibler Sprache, sondern posieren mit dem ganzen Körper. Die Badende nimmt verführerisch konnotierte Positionen mit zurückgelegtem Kopf und den Körper berührenden Händen ein, wie sie auf Postkarten der Jahrhundertwende kursierten; die Telegramme, „who looked like the Tiller girls“5 (Garafola 1996, S. 81), führen eine Einlage zwischen revueartigen ShowgirlFormationen und Ballettparodie auf. Entgegen ihrer äußerlich geschlechtlichen Stereotypisierung werden verschiedene Rollen wie etwa die Badende teils crossgendered getanzt.6 Die Ganzkörperkostüme und Masken in Les Mariés bedingen eine mechanistische Produktionsweise in geradezu mathematischer Präzision, denn die Tanzenden können darin weder die Musik noch die Phonographen hören. Zählen ersetzt das Hören in der Choreografie, die genauestens festlegt, wer wann was tut (unbekannter Autor 1931, S. 57). Diese im Kontext des modernen Tanzes erstaunlich abstrakte Produktionsweise nimmt Aspekte des postmodern
5Die
in den 1920er Jahren ungemein populären Tiller Girls können mit ihren exakt synchronisierten und entindividualisierten ‚Bein-Shows‘ als weibliche Bühnenvariante des industriellen Taylorismus gesehen werden (McCarren 2003, S. 142–146). 6So tanzt etwa Jolanda Figoni die Rolle des Jungen und Jean Börlin selbst übernimmt wiederholt unerkannt die Rolle der Badenden (Jean Hugo in Aschengreen 1986, S. 106).
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dance vorweg.7 Das Phantasma des „perfectly autonomous, self-creating, liberated body of the modern dancer“ (McCarren 2003, S. 36) wird vielmehr ersetzt durch die als „expressionless dummies“ (Gilman 1923) bewegenden, puppenhaften Figuren. Im Rückgriff auf Versatzstücke medial geprägter Posen und Gesten sowie populärer Tanz- und Bewegungsstile (Garafola 1996, S. 81), die mechanisch durchgezählt in Bewegung versetzt werden, entwickelt Börlin eine spezifische Bewegungstechnik. In der zeitgenössischen Rezeption treffen darin ‚primitivistische Wildheit‘ und ein die technologisierte Moderne repräsentierender Amerikanismus (McCarren 2003, S. 127) aufeinander. Während das ‚Wilde‘ in der Moderne mit der Metapher eines ungebremsten, motorischen Antriebs verknüpft ist, kann das Technologische metaphorisch in einer puppenund automatenhaften Mechanisierung situiert werden (McCarren 2003, S. 102). Der Autor Blaise Cendrars nennt Les Mariés de la Tour Eiffel als eine von Börlins wichtigsten Arbeiten und beschreibt den Stil des Choreografen allgemein mittels verschiedener Analogien. Dabei stellt er Börlin zunächst in eine Reihe mit zeittypisch als ‚wild‘ und ‚primitiv‘ markierten Figuren wie „Matrosen, Soldaten, Mulatten, Neger, Hawaiianer, Wilde“ (Cendrars z. n. Häger 1990, S. 291, Übers. J.O.). Im gleichen Atemzug setzt Cendrars Börlins Tanz gleich mit motorisierten Orten wie Bahnhöfen, Flugplätzen oder Autorennbahnen (Cendrars z. n. Häger 1990, S. 291). In Cendrars Liste der Analogien werden zudem Lautsprecher erwähnt und ein gigantisches Grammophon, aus dem „das Herz“ Walt Whitmans „birst“ (Übers. J.O.). Die Metaphern des Mechanischen und des Motors können in Les Mariés auch im ununterbrochenen Sprachfluss der Phonographen situiert werden. Cocteau fordert für den durch das Libretto genau vorgegebenen Text der Phonographen eine sehr laute, sehr schnelle, jede Silbe betonende Sprechweise (Cocteau 1948a, S. 52), die den sichtbaren Figuren stereotype Stimmklänge verleiht: „Zwei menschliche Fonografen rezitieren den Text und verwenden beide unterschiedlich Stimmtimbres, die für die Diktion das sind, was für die Typografie
7Die
Abstraktion ist in der völligen Ausblendung des Hörsinns zu verorten. Das Hören ist nicht nur im klassischen Tanz, der den Hintergrund der Ballets Suédois bildet, als Interaktion mit der Musik entscheidend, sondern auch bei den die Musik ablehnenden Protagonist_innen des modernen Tanzes. So haben etwa Isadora Duncan, Doris Humphrey oder Mary Wigman das Hören auf die körpereigenen Laute und Rhythmen betont (Ostwald 2016). Dieses nach innen gerichtete, das Kinästhetische berührende Hören, rückt das Individuum ins Zentrum. Eine das Hören negierende Produktionsweise ersetzt demgegenüber auf radikale Weise Intuition und Einfühlung durch Mechanik und Abstraktion.
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Großbuchstaben, Kursiva usw. sind […]. Alles ist hier so einfach, so ‚groß‘, wie die Sätze der Syllabarien für Kinder.“ (Cocteau z. n. Dietrich 2015, S. 227). Diese in der floskelhaften Einfachheit des Textes vielfach improvisiert wirkende Sprechtechnik (Häger 1990, S. 32) substituiert literarische und theatrale Konventionen durch eine „gestaltete Natürlichkeit“ (Hartel und Kaspar 2004, S. 138). Letzteres wurde zeitgleich für das Sprechen im Radio gefordert und sollte dort „etwas Neues, Zupackendes, Frisches“ (Felderer 2004, S. 383) vermitteln. Sprech-Stimmen und bewegte Körper agieren in Les Mariés zeitgleich, aber zunächst unabhängig voneinander als Ballett und Radiospiel in einem: „Marié is thus a ballet in which the characters […] move and do not speak, and a sort of music-hall or even radio drama, with its speaking cast reduced to two.“ (McCarren 2003, S. 114) Wenn es laut Chion unterschiedliche Grade von Synchronizität gibt, kann hier eher von einer losen Verknüpfung gesprochen werden. Denn die maskierten Tänzer_innen sind nicht durch Mundbewegungen, sondern ausschließlich durch Gesten und Posen als Sprechende zu erkennen. Wie bei der Ton- und Bildspur eines Films ist die gemeinsame Zeitstruktur Bedingung für die Synchronizität von Stimmen und Bewegungen. In den Momenten der Synchrese ‚inkarnieren‘ die Natürlichkeit vermittelnden phonographischen Stimmen in den schematischen Figuren. Wenn äußere stereotypisierte Erscheinung mit dem jeweils kulturell normierten Klang ihrer ‚richtigen‘ Verkörperung übereinstimmen, entstehen so Effekte essentialistischer Subjektivität. Bemerkenswert ist die Irritation, die diese Synchronisierung laut einem Kritiker erzeugt: „The idea is not bad, but the human voice is surprising, too natural among the masks. They should have dressed it up too. If only the actors would remember Polichinello’s ‚practice,‘ so necessarily associated with his humped back!“ (Laloy z. n. Batson 2005, S. 97). Die erwähnte Stimmpraxis Pulcinellas ist vermutlich auf eine Pfeife bezogen, die der harlekinesken Figur in Korrespondenz zu ihrer stilisierten Körperlichkeit eine künstliche, metallisch klingende Stimme verleiht (Agamben 2018, S. 138–143). Während Pulcinella zwar durch seine mechanisierte Andersheit polemisiert, so ist es doch eine in sich schlüssige Figur. Nicht zufällig war ein Auftreten ohne jene Pfeife Puppenspielern in Frankreich etwa verboten (Agamben 2018, S. 142). Denn die Überlagerung von natürlich und artifiziell Erscheinendem in ein und demselben Körper irritiert entschieden kulturell gezogene Grenzen. So ruft Les Mariés durch die Verflechtung von zweierlei Aspekten Irritationen hervor: Zum einen hypostasieren in der Synchronisierung der Stimm-Körper kulturelle Normen von Gender. Zum anderen erfährt diese Darstellung aber Brüche durch die zwischen Authentizität und Konstruktion, belebt und unbelebt, Handlungsmacht und Automatisierung situierte ästhetische Differenz von Hör- und Sichtbarem.
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Während der Moderne – wie McCarren mit Bruno Latour argumentiert – gerade an einer Trennung von Subjekt und Objekt, Körper und Maschine gelegen war im Geiste der Narration modernen Fortschritts, wird sie zugleich durch Hybridisierung konstituiert (Latour z. n. McCarren 2003, S. 39). Die Faszination für das Technologische und das Primitive verbinden sich dabei im zivilisierten Primitivismus der Moderne (Taussig 2014, S. 261). Im Kontext der von Kolonialismus, Kapitalismus und beginnender medientechnologischer Durchdringung geprägten Gesellschaft Anfang des 20. Jahrhunderts ist Cocteau nicht an Originalität gelegen, sondern an einer Darstellung „plus vraie que le vraie“ (Cocteau 1921). Diese nimmt sich ausgehend von den mimetischen Maschinen (Taussig 2014, S. 267) Phonograph und Fotoapparat die Ähnlichkeit zum Maßstab (Cocteau 1931). Mit Cocteau gesprochen, werden Auge und Ohr durch Ausdrucksformen „betrogen“, die normierten Konstruktionen von Subjekten ähneln, diese aber zugleich als monströse und atavistische zeigen (Cocteau 1931, Übers. J.O.). In diesen verkomplizierten Verflechtungen und Transformationen zwischen Künstlich- und Natürlichkeit, maschinellen und organischen Körpern, Subjekten und Objekten lassen die Stimm-Körper von Les Mariés Aspekte des Posthumanen avant la lettre aufscheinen.
2 „Don’t trust anybody!“: Liquid Lofts posthumane Stimm-Körper Die 2003 vom Choreografen Chris Haring gegründete Wiener Tanzcompagnie Liquid Loft setzt sich konsequent mit den Bedingungen und Wahrnehmungsweisen des Körpers im Zeitalter digitaler Medien auseinander. My Private Bodyshop (2005), eine ihrer frühen Produktionen, die im Kontext sich verbreitender neuer Medien entstand, verfolgt inhaltlich die Idee der Austauschbarkeit von Identität und damit verbundenen Formen der Kommunikation. Programmatisch warnt eine Tänzerin zu Beginn des Stücks: „Don’t trust anybody!“ Ihre performative Identität permanent aufs Spiel setzend, erzählen die zwei Tänzerinnen und Tänzer in abgegriffenen Floskeln globalen Englischs vermeintlich persönliche Fragmente: sie „[…] wühlen im hintersten Winkel ihres Privateigentums und kehren ihr Innerstes akustisch verstärkt nach außen.“ (Liquid Loft Homepage). Dabei steht weniger der Inhalt im Zentrum als die sich in Stimme und Bewegungen manifestierenden, wechselnden Körperlichkeiten der Performer_innen. Die erwähnte akustische Verstärkung ist dabei die Schlüsselstrategie in Liquid Lofts Methode, die in Kooperation mit dem Komponisten Andreas Berger entwickelt und als akustische Dislozierung bezeichnet wurde.
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Zwischen Ent- und Verkörperungen besteht die Entortung aus drei Schritten: Zunächst die Aufnahme von durch die Tanzenden gesprochenen Texten sowie weiteren nicht auf der Bühne erscheinenden, anderssprachigen Personen; daran anschließend die elektroakustische Bearbeitung und Komposition der vier Stimmspuren nicht nach semantischen, sondern vielmehr klanglich-musikalischen Parametern; und schließlich die erneute Verkörperung der Klangspuren durch die einzelnen Tänzer_innen. Schritt zwei und drei entstehen verflochten miteinander im Laufe eines intensiven improvisatorischen Probenprozesses, wobei die Tanzenden sich ihre verfremdeten eigenen wie auch ausgetauschte fremde Stimmen einverleiben. Im Gegensatz zur filmischen Synchronisierung, die den sichtbaren Körpern in der Regel ‚passende‘ Stimmen verleiht, synchronisieren hier umgekehrt die Körper durch präzise Bewegungen der Lippen, Gesten und Posen die vorfigurierten Stimmen. Ebenfalls entgegen gängiger filmischer Praxis, deren Ziel es ist, den technologischen Synchronisierungsprozess so zu perfektionieren, dass er letztlich nicht mehr wahrnehmbar ist, bleibt die Synchronisierung hier in Form von Lautsprechern sichtbar. Denn im minimalistischen Bühnensetting von Erwin Wurm ist jedem Tänzer/jeder Tänzerin ein eigener Lautsprecher als sicht- und hörbares Objekt zugeordnet. Der Lautsprecher fungiert hier als offensichtliche technologische Extension des organischen Körpers, als prothetisches Körperteil, das – in variable räumliche Positionen gebracht – einmal akzentuiert, ein anderes Mal (fast) nicht mehr wahrgenommen wird: So ersetzt der Lautsprecher etwa bei liegenden Figuren den Kopf, die Performenden platzieren ihn hinter sich am Boden oder tragen dieses – ihr – Stimmobjekt unter dem Arm durch den Raum. Stimme wird bei Liquid Loft als Teil eines umfassenden „sound environments“ (Haring 2017) eines Subjekts verstanden. Das heißt die Stimmaufnahmen beinhalten unter anderem Umgebungsgeräusche, Körperklänge, Musik oder sie machen spezifische akustische Räumlichkeiten hörbar (Haring 2017). In My Private Bodyshop affirmieren und irritieren diese „sound environments“ durch ihre wechselnden Klanglichkeiten und Zuordnungen zu den einzelnen Tänzer_ innen essentialistische Körper-Stimm-Beziehungen. Das heißt, in graduellen Verschiebungen fließen die Cyborg-artigen Figuren zwischen weiblich, männlich, maschinell und menschlich changierenden Attribuierungen. Sicht- und hörbare Gendermarkierungen werden dabei ebenso ‚passend‘ wie ‚unpassend‘ im Sinne normierter Verkörperungen synchronisiert. So stellt beispielsweise das extreme Nach-unten-Pitchen der Stimme eines Performers die codierte Verbindung von sonor-tiefer Stimme und Maskulinität heraus, die sich zugleich dem maschinellen Sound annähert, der seine Bewegungen begleitet. Analog dazu geht die schnelle, hohe, von einer Tänzerin verkörperte Sprechstimme über in den Klang des
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orspulens eines Videos oder Tapes. Beide Beispiele verbinden auf parodistische V Weise stereotype Geschlechtszuordnungen der Stimme – Männer haben tiefe, Frauen hohe Stimmen – mit technologischen Klängen. Anders ausgedrückt: Selbst die in der Durchdringung von Technologie und Körper posthuman wirkenden Figuren der Inszenierung führen Geschlechterstereotype teilweise fort. Gleichwohl werden diese ebenso irritiert, wenn die Stimme etwa cross-gendered nicht zum sichtbaren Körper ‚passt‘; sich alle vier Performenden unisono eine vervielfachte Stimme teilen; eine Tänzerin mit abwechselnd nach oben und unten gepitchter Stimme spricht oder temporäre Transformationen stattfinden hin zu klanglich anderen (medialen) Räumen. Die Verkörperung dieser Sounds bedingt eine spezifische Bewegungstechnik, deren Material alltägliche Gesten und Posen sowie deren Transformationen in Bildmedien sind. Im Zentrum des Probenprozesses steht dabei die Frage, welche Körperlichkeiten die technologisch transformierten Stimmen erzeugen. Dementsprechend bezeichnet Chris Haring die Bewegungstechnik als „Gesprochen-Werden“ (2017). Dies ist wörtlich zu verstehen, denn die Artikulationen der Stimme werden in bewegte Artikulationen des Körpers übertragen wie es etymologisch im lateinischen articulatio als Gliederung, Gelenk und deutliche Aussprache anklingt. Mit anderen Worten und bewegungsanalytisch betrachtet, ist es eine auf simultanen und isolierten Rotationen, Beugungen und Streckungen vor allem der distalen Gelenke beruhende Technik. Rhythmische Akzente der Sprechstimme transformieren hier zu gebrochenen physischen Linien (Haring 2017). Hinsichtlich der energetischen Modulierung überwiegt ein durch Pausen rhythmisch gegliederter, ansonsten aber gleichbleibend geführter, leichter Energiefluss. Ähnlich der schwerkraftlosen Bewegungsqualität computeranimierter Figuren wird so ein Effekt kontinuierlich morphender Posen erzeugt. Darüber hinaus sind Wiederholungen und eine durch Frontalität und Statik der Tanzenden erzeugte Bildlichkeit markante Elemente. Auf diese Weise entsteht eine Bewegungstechnik, die in ihren wiederholten Mustern nicht Singularität, sondern ein abstraktes System codierter Bewegungen offenlegt, zugleich aber den Effekt emotional aufgeladenen Live-Ausdrucks erzeugt. Analog zur Bearbeitung der Stimmen changieren die Bewegungen zwischen Affirmation, Subversion und Denunziation ihrer Normierungen. Letzteres etwa, wenn die Tänzerin Ulrika Kinn Svensson weiblich konnotierte Haltungen mit seitlich verschobener Hüfte, den Körper berührenden Händen und in den Nacken gelegtem Kopf durch extrem nach innen verdrehte Knie und überdehnt positionierte Hände in zerrbildartige Torsionen überführt. In dieser Bewegungstechnik und ihrem Bezug zu Audio- und Videotechnologien spiegelt sich Katherine Hayles’ auf Merleau-Ponty rekurrierende
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U nterscheidung von Einschreibung (inscription) und Einverleibung (incorporation). Meint Einschreibung die abstrakten, diskursiven Codes einer Bewegung, so stellt Einverleibung deren singuläre, improvisierte Aktualisierung dar. Hayles situiert Verkörperungsprozesse im Kontext posthumaner Subjektivierung dementsprechend – jenseits einer Differenzierung von Original vs. Kopie – im Feed-Back-Loop von Einschreibung und Einverleibung, Zeichenhaftigkeit und Performativität, Medialität und Leiblichkeit und räumt medialen Reproduktionstechnologien darin eine entscheidende Position ein: „incorporations are transformed into inscriptions through video- and audiorecording devices; […] and embodied experience is transformed, through the inscriptions of the tape-recording, back into essentialized manifestations of ‚the word‘“ (Hayles 1999, S. 220). Medientechnologien sind in diesem Sinn nie neutral, sondern eingebunden in kulturelle Prozesse der Verkörperung. Während die Bezeichnung ‚akustische Dislozierung‘ essentialistische Annahmen impliziert,8 lässt das Verfahren in My Private Bodyshop Subjektivierung als Konstruktionsprozess zwischen Einschreibung und Einverleibung erscheinen. Dabei wird der technologische Anteil nicht kaschiert, sondern deutlich wahrnehmbar gemacht: in den durch die Lautsprecher erweiterten Körpern, in den ‚sound environments‘ ihrer Stimmen wie in der Codifiziertheit ihrer
8Die
Bezeichnung ‚akustische Dislozierung‘ erscheint hinsichtlich der beschriebenen Wechselwirkungen und Bedingtheiten nicht nur wenig treffend, sondern problematisch. Denn ‚Dislozierung‘ muss sich den gleichen Vorwurf eines untergründigen Essentialismus gefallen lassen wie der ähnlich gelagerte Begriff Schizophonie. Der Klangforscher R. Murray Schafer bezeichnet damit die mittels elektroakustischer Technologien seit dem frühen 20. Jahrhundert virulent gewordene Spaltung von „sound environments“ von ihren sichtbaren Quellen sowie deren Übertragung in andere Kontexte (Schafer 1994, S. 91). Schafer versteht Schizophonie explizit negativ, wenn er den entfremdenden Effekt betont: „I coined the term schizophonia […] intending it to be a nervous word. Related to schizophrenia, I wanted it to convey the same sense of aberration and drama.” (Schafer 1994, S. 90–91). Wie Sterne treffenderweise anmerkt, akzentuiere dieses Verständnis – wie es auch der Dislozierung zugrunde liegt – die hierarchische Unterscheidung in (eigentliches) Original und (abweichende) Kopie, wobei der technologische Übertragungsprozess selbst in seiner vermeintlichen Neutralität ausgeblendet werde. Im Weiteren setze dies nicht nur die zweifelhafte Annahme einer vortechnologischen, essentialistischen Identität von Körper und Stimme voraus (die erst durch die Technologie zerstört werde), sondern ebenso deren Geschichtslosigkeit (Sterne 2006b, S. 20–21). Sterne betont demgegenüber nachdrücklich die soziale Eingebundenheit von Technologien. Rekurrierend auf Walter Benjamin verweist er darauf, dass die mediale Reproduktion Originalität erst produziere (Sterne 2006b, S. 220) oder mit anderen Worten: „reproduction precedes originality.“ (Sterne 2006b, S. 221).
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Bewegungstechnik. Gleichwohl aber entsteht in der Wahrnehmung eine Synthese von Bewegungs- und Stimmkörpern zu prozesshaften, inkonsistenten Figuren. Wie der Titel der Produktion My Private Bodyshop bereits nahelegt, agieren diese provisorischen S timm-Körper zwischen den Polen essentialistischer Verkörperungen (wie die Standardnorm im Film sie verfolgt) und der Illusion (technologisch ermöglichter) völlig frei konstruier- und wählbarer Subjektivitäten (wie sie neoliberalen Selbstoptimierungsversprechen innewohnt und wie sie auch in der theaterwissenschaftlich dominierenden Theoretisierung ‚disseminierter Stimmen‘9 mitschwingt). Durch dieses Verfahren verlieren Geschlechtercodes ihren gesicherten Ort und fluktuieren vielmehr fragmentarisch durch die inszenierten Körper. Anders ausgedrückt: Diese Körper werden zu Orten, in denen Geschlecht temporär erscheinen, ebenso aber auch verschwinden kann (Hayles 1999, S. 291). Mit der beschriebenen Verflechtung von Audio-Technologie und Körpertechnik legt Liquid Loft Mechanismen der Produktion von Geschlechtlichkeit offen, wie Teresa de Lauretis sie als Technologies of Gender bezeichnet. In explizit feministischem Kontext subsumiert de Lauretis darunter den Komplex ‚sozialer Technologien‘ wie Diskursen, Epistemologien, alltäglichen Praktiken und nicht zuletzt dem Kino (de Lauretis 1987, S. 2). Trotz dieser breiten Definition von Technologie – die weit über die in diesem Artikel gewählte spezifischere hinausgeht – ist die Perspektivverschiebung auf den produktiven Charakter von Technologie hier relevant. Potenziell ist dies eine Produktion im zweifachen Sinn von Reproduktion und Neuproduktion der Normen oder – mit de Lauretis – ein „movement in and out of gender“ (de Lauretis 1987, S. 26). In Anerkennung der sozialen und kulturellen Bedingtheit von Technologien, situiert sie das Potenzial für Veränderung nicht in der Negation von Normen, sondern darin, sie in Spannung zu versetzen durch „contradiction, multiplicity, and heteronomy“ (de Lauretis 1987, S. 26). Auf ähnliche Weise erwächst aus den Verkörperungen des weiten Spektrums von „sound environments“ durch die
9Dissemination
betont die Streuung und Hybridität von Stimm-Körpern. Ohne Frage ist dies ein Aspekt in den szenischen Künsten der Gegenwart. Jedoch droht diese Perspektivierung zu ignorieren, dass auch im freien Spiel der (theater-)technischen Möglichkeiten die Wahrnehmung historisch und kulturell bedingt ist. In der Tendenz der akusmatischen, disseminierten Stimmen, sich spätestens in der individuellen Wahrnehmung wieder zu verkörpern – und sei es in imaginären Körpern – werden so doch spezifische, zu differenzierende Körperbilder produziert. Dass diese frei von Konventionen und Konditionierungen sind, ist fraglich, dennoch werden die unterschwelligen Codierungen hinter den vordergründig erscheinenden Möglichkeiten der Hybridisierung und Zersplitterung von Subjekten kaum thematisiert. Siehe u. a. Lehmann (2011, S. 277–283).
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einzelnen Tänzer_innen in My Private Bodyshop das Potenzial, medial geprägte Wahrnehmungsmuster sowie geschlechtliche, kulturelle und anthropologische Normen aufzuzeigen und teils zu verschieben.
3 Schluss Mit der Erfindung des Tonfilms bezeichnete der Begriff Phonogenität, in Analogie zur Fotogenität, die besondere Eignung einer Stimme für die audiotechnologische Übertragung. Phonogen war eine Stimme, wenn ihre Sprechtechnik und Materialität in der Reproduktion bestimmten kulturellen Kriterien eines ‚guten‘ und zum Subjekt ‚passenden‘ Klangs entsprachen. Das Verschwinden dieses Begriffs seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist laut Chion Symptom einer „immersion in mediated acoustical reality“ (Chion 1994, S. 103). Das heißt, die Techniken des Sprechens und die spezifische Performanz der Stimme haben sich an die durch medialisierte Stimmen vorgegebenen Normen angepasst (Chion 1994, S. 104). Les Mariés de la Tour Eiffel und My Private Bodyshop sind zwei choreographische Positionen, die in ihrem historischen Kontext normierte Verkörperungen von Stimmen ihrem Selbstverständnis entreißen. Beide Produktionen bedienen sich zeittypischer Medientechnologien, die sich in den jeweiligen Produktionsweisen spiegeln. Das heißt, Anfang des 20. Jahrhunderts stehen Phonograph und Fotoapparat den Tanzenden als eigenständige, anthropomorphe Körper zur Seite. Produktionsästhetisch werden zugleich Körper und Stimmen, Hören und Sprechen radikal getrennt. Im Jahr 2005 fungieren die Lautsprecher als körperliche Stimm-Prothesen und scheint Technologie im Körper verinnerlicht zu sein. Dies spiegelt sich im mehrstufigen Verfahren der akustischen Dislozierung. Im Kontext des Geflechts von Medientechnologien und Bewegungstechniken hat der Artikel die Frage nach der Produktion von Gender in der inszenatorisch-performativen Verknüpfung von Stimmen und Körpern verfolgt. Dabei ist deutlich geworden, dass beide Choreografien auf je spezifische Weise den produktiven, prozesshaften Charakter von Audio-Technologien im Wechselverhältnis mit Körpertechniken hervorheben und damit auf die zwei spannungsgeladenen, widersprüchlichen Seiten dieser Produktion verweisen: als Affirmation von Normen wie als Potenzial ihrer Verschiebung. In Les Mariés gerät die Konstruktion von Gender zu einer parodistischen Hypostasierung, die gleichzeitig Risse erfährt durch die Inkongruenz der als mechanisch rezipierten Bewegungen und der natürlich wirkenden Stimmen. Die Norm wird so nicht nur als offensichtliche Konstruktion – als eine Kopie unter Kopien – entlarvt, sondern auch in ihrer „monströsen“ (Cocteau 1931, Übers. J.O.) Machtfunktion. Im
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Fall von My Private Bodyshop entstehen im Zusammenspiel von Stimmen und Bewegungen temporäre, morphende Subjekte. Im Spannungsfeld von Einverleibung und Einschreibung erscheint Subjektivierung als kontinuierlicher, vermeintlich frei wählbarer Prozess. Wenngleich der Begriff Posthumanismus erst seit Ende des 20. Jahrhunderts verwendet wird, um die Verbindungen von Mensch und Technologie und eine damit einhergehende Kritik am humanistischen – das heißt weißen, männlichen, autonomen – Subjekt zu beschreiben, werfen beide Produktionen avant und après la lettre Fragen hinsichtlich der posthumanen Kondition auf. Dies wird in den komplexen Verflechtungen von Mensch und Maschine, Körpertechniken und audiovisuellen Technologien sowie der Kategorien ‚natürlich‘ und ‚künstlich‘ (Kolesch 2004, S. 30) deutlich. Dabei zeigt sich in beiden Beispielen jedoch auch, dass die posthumane Auflösung des Subjekts in der Verknüpfung mit Technologien nicht notgedrungen mit einer emanzipatorischen Überwindung geschlechtlicher und anderer identitätspolitischer Normen einhergeht. Dem Versprechen des Posthumanen, durch das Kappen der historischen kulturellen Bindungen gewissermaßen bei einem neutralen Subjekt jenseits binärer Ordnungen zu beginnen – wie es in Donna Haraways Cyborg Manifesto anklingt –, wohnt wie gezeigt wurde die Gefahr inne, implizite ideologische Normen unhinterfragt weiterzuführen.
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Ostwald, Julia, MA, Projektmitarbeiterin der Doctorate School geschlecht_transkulturell sowie Doktorandin am Fachbereich Kunst-, Musik- und Tanzwissenschaft der Universität Salzburg. Ihre Forschungsschwerpunkte sind: Ästhetik der Stimme im Tanz, szenische Künste der Gegenwart und der Moderne, Gender und Queer Studies.
How to Write House… Mpreg Fan Fiction and Concepts of Bodies, Gender and Family Julia Elena Goldmann
Families. Father, mother, children. The image itself is so universal that we encounter it numerous times a day: When we open the newspaper and read about certain political arguments or social security regulations, when we go out on the streets and encounter a multitude of advertisements, when we turn on the television or decide to go to the cinema in the evening. Recently, however, a tendency towards a broader range of the “traditional” concept of families has been noted by academics (e.g. Nay 2017) and the media alike. Frequently, a parenting couple that belongs to the same gender fulfills this criterion of diversity. From Elton John and Jodie Foster right up to Neil Patrick Harris and Cynthia Nixon: emphasizing happiness, their family lives have been covered in the media quite frequently. A step towards the celebration of diversity at first sight, the second glance is a rather sobering one. The parents mentioned above share some very important traits: They are white, able-bodied, have money at their disposal—hence, they are able to fulfill their children’s (material) needs—and they are famous. The tendency towards homonormativity (Duggan 2002) that, in rather simplistic terms, describes the transformation of heterosexist norms onto the queer community becomes evident. Similarly, Yv E. Nay (2017) has examined in their study on LGBT*Q families—meaning an LGBT*Q couple with children—that such (media) practices of normalization based on heteronormative foundations have excluding effects for “the Others”. These “Others” can be people whose gender identity is not male or female, who are disabled, or who have a non-white background, to name only a few criteria.
J. E. Goldmann (*) University of Salzburg, Salzburg, Austria E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Hausbacher et al. (Hrsg.), geschlecht_transkulturell, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30263-4_15
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This trend towards apparent diversity is not restricted to the tabloid newspapers or online media. Next to fictional couples like Mitchell Pritchett and Cameron Tucker in Modern Family or Nic and Jules Allgood in The Kids Are All Right, advertisements take on the subject as well. What is rather curious is that the subjects of such advertisements (for example, the ad for Austrian Federal Railways from 2018, or for Marriott from 2014 onwards with the hashtag #lovetravels) mostly feature two fathers and their child or children, respectively. This subject is taken up rather frequently by an entirely different segment of the public sphere, and most likely for different reasons. The public I am referring to are fans—fan fiction authors to be more specific. Fan fictions are texts written by fans of a particular source text. This source text can either be a film, a book or television series, comics, video games or real people like actors, actresses, or musicians (cf. Pugh 2005, p. 25). Fans who decide to write fan fiction take this primary text, the so-called canon, as a starting point for their own creative works and write new scenarios and plots with the established characters. Knowledge of that canon is practically a precondition for reading fan fiction in a particular fandom, as the characters, their personalities as well as their physical attributes and abilities are commonly deeply embedded in the same. If one is not familiar with these traits, the fan fiction will most likely not be as enjoyable to the person reading it as it would be to one who is at least vaguely familiar with the source text. In a cultural studies tradition, the source text is considered to be polysemous (Fiske 1992). Hence, it is open to interpretation and re-focusing, and fans use these “gaps” as points of entry for their own creative input. These alterations can, for example, take the preferred characters on a new mission, can transport them into a completely new environment—such as taking Star Wars characters to the grounds of Hogwarts—and/or elaborate on romantic relationships that are in most cases not present in the source text. Kristina Busse and Karen Hellekson (2006, p. 10) have classified fan fictions into three distinct genres—the “organizing principles” as they call them: Gen, which describes fan fictions in which no romantic pairing is present, or if so, it is only secondary to the plot. Het fan fictions focus on a heterosexual couple that can but does not have to be present in the source text. Slash stories are similar fan fictions that revolve around a male homosexual couple. More often than not, the depicted relationship is based on perceived homoerotic subtext in the source text instead of an already present relationship. Slash is a rather popular genre, both amongst scholars (Green et al. 2006) as well as authors, for one particular reason: fans tend to identify most with fictional characters that offer an elaborate and believable backstory and that in most cases are (still) male. Therefore, the avid production of Slash is probably
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not as surprising as numerous scholars have previously believed it to be. Instead of asking why people invent homosexual relationships for established characters, I am casting my research focus onto the stereotypical depictions of these relationships in fan fiction. Building on the idea of family from the opening paragraph of this text, I will focus on the last of the three genres of fan fiction. The umbrella term Slash subsumes a multitude of subgenres, including what is called Mpreg in fandoms. Mpreg is an abbreviation of “male pregnancy”, which already defines the most crucial part of these stories: that at least one man gets pregnant. In the following section, I deepen that rather blatant description and point to the specifics of the subgenre. After explaining my methodological design, I analyze the two best-liked Mpreg fan fictions on the platform Archive of Our Own (AO3) in the Star Trek and Supernatural fandoms. In this analysis, I examine whether homonormative stereotyping is present in the depiction of family. My analysis focuses on the depiction of gender roles, bodies as well as the romantic relationship and on the question whether these relationships follow traditional norms or whether fan fiction authors open queer perspectives.
1 The Subgenre Mpreg As outlined above, Mpreg is the abbreviation for male pregnancy and refers to fan art—including fan fiction—where a man (or at times both men) of a given couple becomes pregnant. A huge part of the subgenre is based on the so-called Omegaverse, which classifies society according to wolf pack hierarchies (cf. Busse 2013): Alphas are sexual but also societal dominants, Omegas are submissives, and Betas basically “everyone else” (Busse 2013, p. 317). This division in Alphas, Betas, and Omegas is based on biological imperatives that are closely connected to stereotypes. Alphas are the dominant forces in these Alpha/Beta/ Omega (A/B/O) structures; they are commonly tall, strong, and have the ability to demonstrate their power. Omegas, on the other hand, are perceived to be smaller and commonly have little or even no agency of their own (this depends to a huge degree on the author and how they create their universe). They tend to the needs of their Alpha-mate, a term that I will elaborate on below, and are responsible for the domestic sphere as well as child rearing. “Beyond the biologically determined hierarchy, these wolf-like humans often have other wolf-like traits: they may scent their partners or imprint on first sight, and often mate for life. […] Often, omegas go into heat [where the Alpha can
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impregnate the Omega] and release pheromones that drive alphas wild. Animal terminology, such as heat, mating cycles, claiming, mounting, breeding, and the ever-popular knot (a swelling at the base of the penis found in canines after ejaculation that forces the penis to stay inside to ensure impregnation), tend to be popular in A/B/O stories” (Busse 2013, p. 317, emphasis in the original).
What I have to emphasize at this point is the fact that even though a majority of Mpreg scenarios result from these A/B/O dynamics, not all of them feature that particular trope. Berit Åström (2010) has conducted a study on Supernatural Mpreg stories and has found that in the by definition supernatural universe, other explanations for male pregnancy are present. Angelic intervention, demonic rape, or curses are amongst the most popular reasons for Mpreg. Mary Ingram-Waters (2015) states that Mpreg mirrors real-life pregnancy. Commonly, the child is growing within the body of the man who receives the sperm during sex. This can be considered an implicit comment on gender norms as the bottom or submissive partner (the Omega) is often perceived to be more fitting to carry and consequently care for the child. Furthermore, her findings show that the depiction of birth itself is quite frequently not very detailed—or not present at all. If it is, these depictions often mirror conventions known from other popular cultural texts: birth is an extremely rapid process that happens away from any medical help. The narrative elements of buying the first house, deciding which room should be the nursery, buying clothes for the baby, or deciding on names are also very common topics addressed by these fan fictions (cf. Åström 2010).
2 Stigmatization of Mpreg Authors Even within a single fandom, discriminating practices can take place—a fact that Mpreg authors are highly aware of. This small yet exceptionally visible subgenre faces a huge stigma. A large part of any given fandom—even fan fiction authors themselves—do not shy away from voicing their dislike of Mpreg fan fiction. Although the reasons for these discriminating practices have not been the focus of academic studies, it is likely that the stigmatization grounds in the fundamental change of gender relations. The popular culture scholar Constance Penley (1997, p. 131) is one of the few who have provided a possible reason for this discrimination against Mpreg authors. She calls fan fictions about
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male pregnancy “the most extreme retooling of the male body”, which can be considered the reason why so many fans detest these stories (cf. Ingram-Waters 2015; Penley 1992, p. 158, 2014, p. 181). “Taken as a whole, mpreg as a genre has specific rules about the intersection of pregnancy, masculinity, and sexuality: the pregnancy must be plausible, and it must not compromise the character’s masculinity or cisgender male status” (Ingram-Waters 2015). So it seems that Mpreg queers both masculinity as well as pregnancy. As a result, Mpreg enthusiasts have created their own communities or work with an explicit tagging system (like on AO3). Still, there are certain hierarchies even among Mpreg authors. One example of such intra-fandom discrimination would be the rejection of vaginal birth or breastfeeding. Those two examples are illustrative in so far as both of them do indeed “compromise” (Ingram-Waters 2015) a character’s cisgender male status and hence serve to “feminize” them. Members of Mpreg communities also frown upon the delivery of the baby through the anus, notoriously called “ass!baby”. On the one hand, these findings strongly point towards Mpreg being a “thought experiment about gender, sexuality, and the male body” (Ingram-Waters 2015). On the other hand, the focus of the family, of parents with their own biological children, might underline what Flegel and Roth (2010) argue: that male pregnancy—or Slash itself—not so much undermines or subverts heterosexuality and heteronormativity, but follows quite conventional (gender) patterns—only with two men instead of a man and a woman. Authors of Mpreg do not take the boundaries provided by the source text as universal; they do not shy away from applying some groundbreaking alterations to popular cultural content. Given the transcultural nature of online fandom, the production of fan fiction is a most interesting practice of contemporary media culture. In the case of male pregnancy, this alters first and foremost biological factors and thus queers gender and gender roles. Moreover, as I will show, these stories address gender stereotypes in western societies and critique them. By queering the otherwise very hegemonic source texts, the authors show how fandom can reimagine and rewrite a given source text. In my study, I examine whether the potential of Mpreg to be a transgressive, empowering, and/or subversive subgenre of Slash is taken up by the respective authors and, more importantly, to what extent. The questioning and negotiations of bodies is surely the most distinguishing feature of these kinds of fan-written stories and provides the genre with at least some kind of critical statement.
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3 Methodological Design As the focus of my study is fan-fiction texts, I have decided to apply qualitative content analysis. To be more precise, I am employing a structuring approach that utilizes deductively formed categories in order to attend to the data sample (cf. Mayring 2013, p. 473, 2015, p. 97). In order to analyze the sub-generic definitions of these stories, I deemed this the best suited approach. Its aim is to identify structural patterns in the material in question in relation to the theoretical grounding done in advance. Following the hermeneutic tradition, I conducted a second step of analysis and focused my qualitative content analysis on concepts of masculinity, sexuality, relationships, and corresponding family patterns that, in turn, might affect the generic classification as well. I analyzed the Mpreg fan fiction that received the highest number of Kudos (which equal likes) on the fan fiction platform AO3 on June 1, 2017, both within the Star Trek as well as the Supernatural fandom. I used the website’s elaborate tagging and filter system to receive only completed Mpreg stories. Then, I ranked the fan fictions according to their number of Kudos and chose the one with the highest amount. By doing this, I assured that I would compare very well-received and thus popular examples of Mpreg that might be exemplary for the genre. After having decided on the methodology, I needed to focus on two fandoms. This was a crucial point, as a comparison of Mpreg in two fandoms has, to my knowledge, never been done before. As for my decision on Star Trek as well as Supernatural, the selection might seem random at first, but both television series and their fandoms share numerous characteristics. Even though Star Trek has a longer tradition than its more modern counterpart,1 fans of both shows have taken comparable actions to save “their” show from cancellation. Both cult television series have gained a nickname due to these fan protests: Star Trek is known in fandom as “The Show the Network Could Not Kill” and Supernatural as “The Little Show that Could”. The canon of both shows features fantasy and/ or science fiction elements: alien worlds in Star Trek, indeed supernatural beings and events in Supernatural. In terms of fan fiction, both television shows have a clear preference for a dominant Slash pairing. Star Trek fans tend to write predominantly about the romance between Captain James T. Kirk and his First Officer Mr. Spock, whereas the fandom of Supernatural witnessed a change in
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Trek was first aired in the 1960s whilst the first Supernatural episode was broadcast in 2005.
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the most dominant pairing: Whilst fan fictions favored Sam and Dean Winchester in the beginning, nowadays the preferred pairing is Dean Winchester and Castiel, an angel (Wilkinson 2013, p. 311; Flegel and Roth 2010). The Mpreg fan fiction with the highest appreciation of the readers in the Star Trek fandom was My Golden Sun/Kin-Kur Las’hark T’nash-Veh,2 written by user giddytf2. This fan fiction has 23 chapters (111,853 words) and received a total of 2084 Kudos. Predictably, the pairing focused upon is Kirk/Spock. I will summarize the contents of the fan fiction rather briefly below: Kirk and Spock are imprisoned on an alien planet when Kirk, who identifies as an Omega, realizes that his “heat” is starting. Trapped in a cell with Spock, his heat hits him particularly hard, which causes him immense pain. Only then he learns that Spock, whose mate died in the destruction of Vulcan, has gone into ponn farr himself. Spock explains that if he does not “mate” with someone, he is going to die from the Vulcan blood fever. The Vulcan only then learns about Kirk’s Omega status, which the captain deliberately hid with Alpha pheromones. He found this an essential lie, as an Omega would never have been granted the opportunity to become captain of a starship. As having sex seems to be the only logical way out of both of their dilemmas, both men follow through with it. Months later, Kirk learns that he is pregnant from Spock and plans his resignation from Starfleet without telling the Vulcan about their child. Still, Spock finds out about Kirk’s plans and confronts him. The Vulcan is under the impression that Kirk is avoiding him because Spock practically raped him during the ponn farr. Once the mutual misunderstandings are resolved—Spock declaring that he has ended his relationship with Uhura and Kirk ensuring Spock that he had enjoyed their sexual encounter—both men enter a Vulcan mind-meld and decide to build a home in San Francisco, close to Starfleet Academy, where there are safe areas for Omegas. During Kirk’s trial over his deception of Starfleet about his status, he learns that each and every member of his crew supports him, some more, some less publicly. The trial, which concludes in favor of Kirk, who has done more for Earth than any Alpha ever did, assured the Omega that he is indeed a person worth caring for and not a “useless Omega slut”, like his foster father always called him. After conceiving another baby in the middle of an earthquake in San Francisco, the two men start to build a life on New Vulcan with their girl, T’Aman.
2https://archiveofourown.org/works/8831866.
[19 January 2019].
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The best-liked Mpreg fan fiction in the fandom of Supernatural was Into Your Hideaway3 by thepinupchemist. The story has 34 chapters (176,557 words) and received 7657 Kudos. The dominant pairing is Castiel and Dean Winchester. Castiel is an Alpha and lives in a secluded house in the Colorado Mountains. He had been a doctor but finds himself without a license, which was taken from him because he had attacked an Alpha who assaulted one of his Omega patients. In the first chapter, Castiel finds a naked and pregnant Omega on the side of the road, whose body shows overwhelming signs of (sexual) abuse. He persuades the stranger to join him in his car and takes him home. After some reassurance, the Omega lets Castiel tend to his bloody feet, where the doctor finds a hormone chip in the man’s ankle that causes him to be in constant heat. Only after further assurance is Castiel allowed to remove the chip surgically. It takes some time until the Omega, who has not spoken a word since the meeting, tells the doctor his name—Dean. Castiel tries to give the Omega the space that he needs and eventually both men form a tentative friendship, with Dean building a relationship of trust with Castiel. The Alpha learns that Dean was abducted by sex traffickers about seven years ago and kept at a brothel where he was gravely injured and raped countless times. It was the threat of Alastair, the owner of the brothel, to cut out Dean’s baby that led the man to flee. Eventually, Dean and Castiel enter a romantic relationship and become bond-mates. As a couple, they need to overcome difficulties with their families (Castiel’s parents do not consider Dean a suitable mate for their son and Dean’s father is an alcoholic with enormous stereotypes against Omegas), build a circle of friends for themselves and eventually a family when Dean’s girl, Mary Grace, arrives. When Dean decides to report what happened to him to the police, he is forced to face his past. First, he has to report the sexual abuse to a detective, then lead them to the brothel and finally testify against Alastair in court. In the end, Dean manages to overcome his fears—with help from a therapist and mostly due to his feeling of need to help the other Omegas at the brothel as well as his newly built family.
4 Comparative Analysis and Findings Comparing the two Mpreg fan fictions, two similarities immediately become evident: Firstly, both stories feature the preferred pairing of each fandom. Secondly, both texts rely on the Omegaverse to explain the male pregnancy.
3https://archiveofourown.org/works/1069692/chapters/2146371.
[19 January 2019].
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This places one character—James T. Kirk and Dean Winchester—as the Omega and hence as the male who is or is becoming pregnant. This is interesting in so far as, in the respective source texts, both characters are strong, muscular, tall, and powerful men—hence they would fulfill the stereotype of an Alpha perfectly. This, of course, is supplemented by the corresponding actors’ appearances. The authors of both fan fictions decided to negotiate their rather traditional and, in Cornell’s (2015) terms, “hegemonic masculinity” and place them as being forced to embody a “subordinated” masculinity concept in their stories. In turn, Castiel is indeed classified by the author as an Alpha while Spock is “still” a Vulcan. While he is experiencing the Vulcan blood fever ponn farr, which might be comparable to being in heat, he impregnates the Omega Kirk. So while Castiel is classified as being an Alpha and in consequence occupies a powerful position in society (which he does not embody, as I will argue below), I would classify Spock as either embodying a marginalized or even a subordinated position himself. He, as a Vulcan, has to live amongst many species—but mostly humans—and hence is part of a minority with a physicality and sexuality most of his immediate colleagues (like Kirk) are unfamiliar with. To stick with the stereotypical descriptions of Alphas and Omegas for a little longer, I want to start with the discussion of the Omegaverse in My Golden Sun/ Kin-Kur Las’hark T’nash-Veh. Kirk has tried to disguise his status as an Omega because he wanted to study in the command track at Starfleet Academy, which was forbidden to Omegas due to traditional and biologistic stereotypes. Amongst them are, for example, that they are weak, useless “sluts” who are only good for “breeding”. These prejudices make their life significantly harder, which leads to Kirk’s self-doubt: “‘I’m an Omega, Spock. For as long as I can remember, everybody’s said that Omegas are only good for getting fucked and popping out babies for Alphas, that they’ll never be capable of anything more. Frank [Kirk’s stepfather], that fucker, he believed that. […] Even Mom did. She never said it aloud but I know she did. And they … they all left me. Because I wasn’t good enough for them. For anybody.’ Jim swallows hard, still staring at the ceiling. ‘And when I got my first heat? It was horrible. I was so damn lucky that Frank left town that week for some trucking job. I felt so helpless, so … disgusting afterwards. I felt like some disgusting Omega slut. I was a disgusting Omega slut, lying there and begging to be fucked and knotted by any Alpha. I think if Frank had been around –’ Again, he swallows hard. ‘Disgusting Omega slut. That’s me’” (My Golden Sun/Kin-Kur Las’hark T’nash-Veh).
As Kirk is not yet aware that Spock, too, is in love with him, he tries to prepare for single parenthood as an Omega: He thinks about moving to San Francisco, as there
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are “safe houses” for single Omega parents and fights for Omega rights are taking place, and he is less likely to face job discrimination there than for example in his hometown of Riverside, Iowa. Once Kirk’s status as an Omega is revealed, Starfleet Academy presses charges against him for lying about this very personal fact. As word gets out, the crewmembers of the Enterprise voice their support for their captain. Accordingly, television features on the matter also clearly report in his favor and call him “the Omega captain who saved the world twice”. For once, he is publicly called more heroic than his father George, an Alpha. Hence, the common stereotype of Omegas being the “weaker sex” that parallels traditionalist prejudices against women rather openly, is addressed very critically in giddytf2’s Mpreg story. In addition, their fan fiction elaborates on the problems Omegas are faced with thoroughly. A very good example would be the lengths Kirk has to go to in order to “pass” as an Alpha so he would be allowed to train for the job he wanted. The pregnant character in Into Your Hideaway is Dean Winchester, who was abducted by the head of a sex trafficking ring. For seven years, he was continuously abused: he was in constant heat due to a hormone implant, raped, and in consequence got pregnant, but once the head of the ring found out about this pregnancy, he wanted to kill the baby. This was the reason why Dean attempted and indeed succeeded in finally escaping. Hence, the pregnancy plays a crucial role in terms of plot development. Even though the pregnancy itself is depicted rather conventionally—Dean has food cravings, the baby kicks him frequently, he is talking to the “pup”, and he gets stretch marks on his belly—the context of the pregnancy is rather unusual and traumatic for both men involved: for Dean, obviously, because he is still struggling with the profound trauma he has experienced for years, and for Castiel because he has to stand up to his rather traditional family who does not deem Dean Winchester a suitable mate for the Alpha—most of all because the baby is not Castiel’s. In addition, the pregnancy itself and the according preparations for the child address gender stereotypes: Dean is not equipping the nursery in a stereotypical way, mainly because he does not (want to) know the gender of the “pup” (the author clearly adopts the wolfish terminology here). So he paints the walls in a rich green, gets the baby green sheets with little guitars on them, and builds a mobile with cars and a purple skull on it for the “pup”. Additionally, Castiel starts knitting hats and socks for the baby. On the one hand, this is rather unusual and frowned upon for an Alpha. On the other hand, it is a very interesting connection to the actor who portrays Castiel, Misha Collins, who admitted that one of his major hobbies is knitting. The birth of the baby is not quite what the literature about Mpreg suggests: it does indeed happen far away from civilization, as Castiel lives rather isolated in the Colorado Mountains, but it does not happen far away from medical help. Castiel is a doctor and knows the procedure rather well. The birth does not, as previous
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academic accounts have lined out, occur rapidly but takes hours. Those hours, however, are indeed not overly described and the descriptions of the actual process of birth stay rather abstract. What is a quite curious element in this fan fiction is that it does feature breastfeeding of the baby, something that previous literature states as a taboo for Mpreg. However, thepinupchemist made the conscious decision and stood up to the stigma that this narrative element, which apparently threatens the character’s masculinity, has faced within fandom. An interesting counterpart to this are the bodily changes that Kirk undergoes during his pregnancy in My Golden Sun/Kin-Kur Las’hark T’nash-Veh. His beard stops growing, his hips get wider, and during his second pregnancy, his “breasts” even produce milk due to the emitted hormones. These elements are interesting insofar as the common formula for Mpreg does not specifically account for them. So this fan fiction’s caution towards the changes caused by estrogen is indeed noteworthy. Despite featuring elements that “compromise” a character’s masculinity, both fan fictions have received the highest amount of Kudos in the male pregnancy subgenre. In the table below (see Table 1) I have listed the formulaic elements that I deduced from the preceding literature and have noted their presence in the examined Mpreg stories. It becomes quite clear that the elements are indeed all present—the birth that does not in fact happen away from medical help in Into Your Hideaway being the only exception. However, A/B/O dynamics are absent from the given academic accounts. I strongly suggest changing that—not only due to their presence in this rather small sample but because of their specific elements. The most dominant element—next to the characters going into heat—is smell. The smell of one’s partner (mate) and/or children is a profoundly different concept of “the home” or the domestic sphere than previous studies have suggested. Table 1 Formulaic Traits of Mpreg My Golden Sun
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As I have outlined while focusing on the formulaic traits of both Mpreg fan fictions, “gender roles” and the roles of Alphas, Betas, and Omegas are quite stereotypical. This, however, only accounts for the general setting of the story and not the protagonists within it. While the society around the two dominant couples is rather traditional (Starfleet denying Omegas the opportunity to study on the command track, Omegas with children not suitable partners, etc.) the two men in the respective relationships are not. Kirk has passed as an Alpha since he started his career at Starfleet Academy by using Alpha pheromones to cover up his identity as an Omega. Dean’s strong build and height come closer to the stereotypical build of an Alpha than to an Omega, which caused the huge disappointment for his father, who expected him to present as an Alpha. Castiel practices hobbies that are unfit for an Alpha (knitting) and he bonds with an Omega who is pregnant with somebody else’s child. And of course there is Spock, who, as a Vulcan, does not fit into any of the three categories. These characterizations strongly suggest the authors’ awareness of the highly stereotypical implications of A/B/O dynamics and underscore their decision to comment on them critically in their fan fictions. The stories can be seen as a fictional equivalent to discourses surrounding gender and the corresponding prejudices and discrimination. This was underlined by a comment giddtf2 posted on the sixth chapter of My Golden Sun/Kin-Kur Las’hark T’nash-Veh, which is very light and “fluffy” in tone. The chapter features Spock twitching his pointy ears to cheer up T’Aman as well as Kirk, and according to the author, it was posted in response to the White House’s removal of LGBTQ content from its website. This statement is clearly a critical comment on the current (the post is dated January 27, 2017) US government and its views on matters of gender and sexuality. In terms of the depicted relationships, both fan fictions conform to a large degree to what Janice Radway (1985 [1984]) has called the ideal romance formula. Even though My Golden Sun/Kin-Kur Las’hark T’nash-Veh starts with Kirk and Spock having sex immediately—something that Radway classified as a characteristic of so-called failed romances—the relationship between the two men develops rather slowly due to the obstacles in the way. A good example of this would be Kirk’s confession of his Omega status and the emotional turmoil connected to it, as well as Spock’s concerns that he had raped his captain. Into Your Hideaway mirrors this as Dean and Castiel have to learn to trust each other—most of all Dean, who has to overcome the trauma of his abuse—but ultimately commit to each other. Hence, both couples form a bond that equals
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monogamous marriage. Both fan fictions depict the family moving in together— Dean with Castiel at an earlier stage than in My Golden Sun/Kin-Kur Las’hark T’nash-Veh. In combination with the bond between the men, it really does mirror the “traditional” family with children, only with two men instead of a heterosexual couple. Hence, the Mpreg fan fictions confirm Nay’s (2017) findings of the privileges attributed to the nuclear family—at least on first glance. The network of people as well as topics surrounding the dominant couple offer a certain critique on the otherwise very traditional family setting. Focusing on personal relations first, I have found that the male characters have a rather delicate relationship with their own parents—something that Nay has found in her study as well. James T. Kirk not only struggles with his status as an Omega but with the fact that his father, an Alpha, has the reputation of a hero that he is expected to compare to. Dean Winchester’s father could never cope with the fact that his son presented as an Omega, even though his physicality strongly suggested otherwise. Hence, Dean distanced himself from his father as well as his brother (with whom he reunites during the story). Castiel’s family has rather traditional perspectives on society, so they are firmly against their son bonding with a low-class Omega who is expecting a child from somebody else. This complicated relationship to one’s own parents heightens the importance of what Christian Lenz (2016) has called the new urban family. This network of support might consist of actual family members (like Sam Winchester in Into Your Hideaway) but more likely of friends and colleagues, such as the crew of the Enterprise. In this way, the dominant couples experience support and encouragement throughout both fan fictions. These new urban families are even considered to be more important than blood relatives. As in both Mpreg stories, one man gets pregnant before the actual bond is entered; topics such as patchwork families (Into Your Hideaway) as well as cross-species parenting (My Golden Sun/Kin-Kur Las’hark T’nash-Veh) are dealt with at length. Despite the rather traditional family setting—parents with (their) children— extensive commentary on “gender” stereotypes are present in both Mpreg fan fictions. The setting in A/B/O societal structures offers both authors numerous possibilities to do so, which were taken up in great detail. Hence, giddytf2 and thepinupchemist chose the setting for a reason; they wanted to comment critically on Omega stereotyping. It is interesting that the discourses surrounding Omegas perfectly match the debates about women and women’s rights. Furthermore,
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both fan fictions did not “respect” the taboo of diminishing the pregnant man’s masculinity. Rather, they deliberately included elements like breastfeeding (Into Your Hideaway), body changes due to the emittance of estrogen (My Golden S un/ Kin-Kur Las’hark T’nash-Veh), and something at least resembling vaginal birth, which can be interpreted as criticism of what is considered masculine in western societies. The contexts surrounding the respective couple do not shy away from socially sensible topics as well, including illegal sex work, physical and sexual abuse, rape, discrimination both in one’s own family as well as at work due to one’s gender (including drastic measures to deal with the same), or overcoming experienced trauma. Hence, despite the homonormative setting of the family with children, the nuclear family, the examined Mpreg fan fictions commented rather critically on gender roles and connected sexuality as well as possible ways of becoming a family. In this regard, fan fiction really does hold the potential to discuss and address these topics by transforming socially relevant discourses onto a (fandom) shared set of characters.
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Goldmann, Julia Elena, Dr., communications scholar (University of Salzburg), associated member of the doctorate school gender_transcultural, gender and popular cultural scholar. Research foci and dominant topics in teaching: gender, bodies, intersectionality, popular culture, film and television.
Ist der Brief ein Symptom? Zu einem komplexen Motiv in Marlen Haushofers Die Mansarde Marlen Mairhofer
So wie Marlen Haushofer, gemessen an ihrer akademischen Rezeption, zu den Randerscheinungen der österreichischen Literatur der Nachkriegszeit zu rechnen ist, zählt ihr letzter Roman Die Mansarde (1969) zu den Randerscheinungen ihres Werks. Auf den ersten Blick nicht so politisch wie Wir töten Stella (1958) oder Die Wand (1963), beschränken sich die Forschungsbeiträge vor allem auf kurze Aufsätze und einige wenige Dissertationen. Dabei gibt besonders ein Handlungselement Anlass zu anhaltender Diskussion: Die Verbrennung ihrer 17 Jahre alten, verloren geglaubten Aufzeichnungen durch die Protagonistin, die ihr, anonym, als Briefe zugeschickt werden. Ob die Vergangenheit so zu einem Abschluss gebracht oder schlichtweg verdrängt wird, bleibt offen. In jedem Fall entsteht der Eindruck, dass der Schriftvernichtung in ihrem ritualisierten Ablauf etwas Neurotisches anhaftet. Für eine psychoanalytische Lektüre der Mansarde scheint zunächst die vorübergehende Ertaubung der Protagonistin einen geeigneten Ausgangspunkt zu bieten, hat man es hier doch eindeutig mit einem Symptom zu tun (so etwa Grant 1997). Wenn aber das Symptom, wie Freud behauptet, stets als Reminiszenz fungiert (1991b, S. 86), haben dann nicht auch die Aufzeichnungen symptomatischen Charakter, genauer, strukturelle Ähnlichkeit mit dem Symptom? Bisherige psychoanalytische Lesarten des Romanwerks Haushofers befassen sich indessen meist mit der Frage nach weiblicher (Mit-)Schuld am und Verdrängung des Nationalsozialismus. Häufig ist damit ein geschlechtertheoretischer
M. Mairhofer (*) Universität Salzburg, Salzburg, Österreich E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Hausbacher et al. (Hrsg.), geschlecht_transkulturell, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30263-4_16
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Ansatz verbunden, der die Position der weiblichen Hauptfiguren im Familiensystem und die Verknüpfung familialer mit gesamtgesellschaftlichen Strukturen untersucht (siehe z. B. Fliedl 1986; Roebling 1994; Morrien 1996; Brüns 1998; Tabah 2000; Vinardell Puig 2006). Diese Herangehensweise ist angesichts des Entstehungskontextes und motivischer Konstanten nicht nur gerechtfertigt, ja notwendig, sondern hat auch wesentlich zu einer Anerkennung der politischen Dimension von Haushofers Texten beigetragen, und so der „Psychopathologisierung der Figuren oder – schlimmer noch – der Autorin bei gleichzeitiger Ausblendung des gesellschaftskritischen Potenzials“ (Morrien 1996, S. 28) entgegengewirkt. Psychoanalytische Theorie, insbesondere Freuds Konzept des Unbewussten, fungiert in diesen Untersuchungen aber vor allem als Stichwortgeber; die Analysen bewegen sich hauptsächlich auf der Makroebene der Romane und versuchen, werkübergreifende Tendenzen zu beschreiben. Motivische Details treten dabei notgedrungen in den Hintergrund. Die folgenden Ausführungen fokussieren sich dagegen auf einen spezifischen Aspekt der Mansarde: die Funktionen und Implikationen der Briefe; nicht mit dem Ziel, die im Titel gestellte Frage endgültig zu beantworten, sondern um auf Schnittstellen zwischen Haushofers Text und Freuds Theorie sowie deren Weiterentwicklung durch Jacques Lacan hinzuweisen. Obwohl damit keine transkulturelle Fragestellung im engeren Sinne behandelt und daher auch nicht explizit auf Theorien der Transkulturalität eingegangen wird, kann es hilfreich sein, die Räume, in denen die Handlung angesiedelt ist, als Kulturräume zu denken.1 Die Erzählung des Romans bewegt sich im Wesentlichen nicht über Wien bzw. Pruschen hinaus und bleibt auch innerhalb dieser Orte zumeist auf einzelne Zimmer beschränkt, die wichtigsten davon wohl Mansarde, Wohnzimmer und Keller. In Wien sucht die Protagonistin zwar hin und wieder öffentliche Räume auf, aber auch sie sind in der Regel an ein strenges (soziales ebenso wie gegendertes) Protokoll gebunden: Der Frisörsalon dient der Entspannung, das Krankenhaus dem (geheuchelten) Mitgefühl, die Wohnung der ehemaligen Vermieterin sozialer Pflichterfüllung. Das Heeresmuseum bildet insofern eine Ausnahme, als es in erster Linie der Ort Huberts, des Mannes der Hauptfigur, ist, der sich für historische Schlachten interessiert und meint, seinen Vater auf einer der ausgestellten Fotografien zu erkennen. 1In
Haushofers Text werden Alterität und Fremdheit in erster Linie in Bezug auf die Geschlechterdifferenz verhandelt, weshalb diese im Folgenden im Fokus steht. Die Psychotherapiewissenschaften setzen sich gegenwärtig allerdings sehr wohl mit transkulturellen Fragestellungen auseinander: An der SFU Wien gibt es beispielsweise ein eigenes Institut für transkulturelle und historische Forschung.
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Besonders an die Räume im Wohnhaus sind bestimmte Ge- und Verbote, Wertvorstellungen und Verhaltensnormen gebunden, die sich auch in den Selbstzuschreibungen der Protagonistin widerspiegeln. So wäre es etwa undenkbar, statt in der Mansarde, wo sie Künstlerin sein darf, in der Hausfrauen-Sphäre (Küche oder Wohnzimmer) zu zeichnen, oder die Briefe außerhalb des Hauses zu lesen. Diese bringen, als unerwartete Eindringlinge, etablierte Ordnungen durcheinander und wirken sich auch damit auf das Selbstverständnis der Protagonistin aus, wie später gezeigt werden wird.
1 Liebe dein Symptom wie dich selbst? Definitionsversuche zwischen Auflösungs- und Integrationsanspruch Als nach außen sichtbares, aber keineswegs immer klar zuzuordnendes Zeichen psychischer Vorgänge erfährt das Symptom seit den Anfängen der Psychoanalyse zahlreiche Definitionsversuche. Eigenschaften und Funktionen, die ihm dabei zugeschrieben werden, variieren nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb von Werkkomplexen, wie der folgende Abschnitt skizziert.
1.1 Sigmund Freud: Symptome zu ihrer letzten Lösung bringen2 Bereits in den Studien zur Hysterie (1895), zu einer Zeit also, in der Freud noch der Hypnotherapie verschrieben ist, äußert er sich ausführlich zu Entstehung, Zweck und Wesen des Symptoms. Dessen Behandlung, mit dem Ziel der Überführung von „hysterische[m] Elend in gemeines Unglück“ (1991, S. 312), bildet den Ausgangspunkt der therapeutischen Intervention. Obwohl der Symptombegriff innerhalb des Œvres Freuds mit den Jahren konzeptuelle Veränderungen erfährt, bleiben zwei wesentliche Funktionen konstant: Das Symptom fungiert als Reminiszenz und Signifikant. Folgt man Freuds früher Definition, so sind
2Vgl.
Freuds vorauseilende Entkräftigung des Vorwurfs, seine Patientin Dora nicht geheilt zu haben, im Vorwort zu Bruchstücke einer Hysterie-Analyse: „Vielleicht wird ein Leser, der mit der in den Studien über Hysterie dargelegten Technik der Analyse vertraut ist, sich darüber verwundern, daß sich in drei Monaten nicht die Möglichkeit fand, wenigstens die in Angriff genommenen Symptome zu ihrer letzten Lösung zu bringen.“ (1991, S. 169).
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Symptome „Affekte und Reste von Erregungen, welche das Nervensystem als Traumen beeinflußt haben.“ (1991, S. 141) Das Fortbestehen dieser Erregungen erklärt sich aus der Unmöglichkeit, in einer als traumatisch erfahrenen Situation adäquat zu reagieren, da Schock, gesellschaftliche Konvention, Angst oder Scham ein Ausagieren des Affekts verhindern. Die Erinnerung an dieses Erlebnis wird zwar aus dem Bewusstsein verdrängt, beeinflusst die Psyche aber weiterhin: „[D]er kausale Zusammenhang des veranlassenden psychischen Traumas mit dem hysterischen Phänomen ist nicht etwa von der Art, daß das Trauma als agent provocateur das Symptom auslösen würde, welches dann, selbstständig geworden, weiter bestände. Wir müssen vielmehr behaupten, daß das psychische Trauma, respektive die Erinnerung an dasselbe, nach Art eines Fremdkörpers wirkt, welcher noch lange Zeit nach seinem Eindringen als gegenwärtig wirkendes Agens gelten muß […].“ (1991, S. 85; Herv.i.O.)
Das Therapieziel ist klar: Das Symptom muss weg. Bereits vor Entwicklung der Gesprächstherapie und ihrer Methode der freien Assoziation erfolgt Freuds Zugang zum auslösenden Moment über die Sprache. Durchlebt die Patientin (die ersten Analysanden Freuds sind bekanntlich Frauen) die traumatische Situation, zunächst in der Hypnose, später im bewussten Gespräch mit dem Analytiker, erneut, kann der verdrängte Affekt kathartisch ausagiert werden und muss in der Folge keine weiteren Symptome produzieren. Innerhalb der folgenden zehn Jahre, in denen Freud sich zugunsten der Entwicklung einer eigenen Analysetechnik von der Hypnose abwendet und die Bedeutung der Libido zunehmend ins Zentrum seiner Thesen rückt, erfährt die Bewertung des Symptoms eine Zuspitzung. Paradigmatisch lässt sich das anhand der Bruchstücke einer Hysterie-Analyse (1905), besser bekannt als „Fall Dora“, nachvollziehen. Freud geht bei seiner Behandlung nun nicht mehr direkt vom Symptom aus, sondern lässt die Patientinnen das Thema der Analyse bestimmen, um aus dem Erzählten nach und nach den Ursprung ihrer Leiden abzuleiten. Zur Heilung trägt auch die Überführung der eigenen Lebensgeschichte in ein stringentes Narrativ bei – eine Fähigkeit, die die Hysterikerin in der Regel erst gegen Ende der Analyse ausbildet, wenn der Therapeut sämtliche Gedächtnislücken geschlossen und verdrängte Inhalte ins Bewusstsein überführt hat. Ziel der Analyse ist nicht mehr eine bloße Beseitigung unangenehmer Zustände, sondern die Einsicht in die auslösenden Zusammenhänge und Prozesse. War das Symptom in den Studien zur Hysterie noch allgemein einem starken Affekt unterstellt, wird dieser nun endgültig libidinös – und das bedeutet bei Freud unumgänglich auch ödipal – besetzt: „[W]enigstens eine der Bedeutungen eines Symptoms entspricht
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der Darstellung einer sexuellen Phantasie […].“ (1991, S. 206; Herv.i.O.) In Analogie zum Traum ist das hysterische Symptom letztlich immer Artikulation eines (sexuellen) Wunsches. Dass Freuds Interpretationen sich bei der Aufdeckung dieser Wünsche oft weit von dem entfernen, was seine Patientinnen tatsächlich berichten, zeigt sich exemplarisch am „Fall Dora“. Der Ekel, den sie empfindet, als ein Freund ihres Vaters sie mit 14 Jahren gegen ihren Willen küsst, ist laut Freud schlicht und einfach verdrängte Erregung.3 „Sexualität“, so Freud, fungiere aber nicht „als einmal auftretender deus ex machina [der] irgendwo in das Getriebe der für die Hysterie charakteristischen Vorgänge eingreift, sondern […] [als] die Triebkraft für jedes einzelne Symptom und für jede einzelne Äußerung eines Symptoms […]. Die Krankheitserscheinungen sind, geradezu gesagt, die Sexualbetätigung der Kranken.“ (1991, S. 278; Herv.i.O.). Ebenso wenig wie das Symptom auf eine einfache Ursache-Wirkung-Relation zurückgeht, kann eine exklusive Bedeutungszuweisung erfolgen: Das Symptom ist nicht bloß „Übersetzung“ eines Zustands in einen anderen, seine Implikationen und Ausdrucksweisen können einander abwechseln oder überlagern. Das Symptom ist aber auch mehr als bloß verspätetes Ausagieren eines Affekts, sondern ein „Kompromiß aus einem Rest von Triebbefriedigung und Bestrafung durch das Über-Ich“ (Mertens 2013, S. 266). Ähnlich wie in Harold Ramis’ Film Groundhog Day (1993), in dem Bill Murray als mürrischer Wetterreporter jeden Tag erneut den zweiten Februar in einer verhassten Kleinstadt durchleben muss, bis er lernt, diesem Zustand Sinn abzugewinnen, wiederholt sich das Symptom so lange, bis der ihm zugrunde liegende Konflikt erkannt und gelöst wird. Im Symptom kommt es damit zu einer innerpsychischen Überlagerung bzw. Verschiebung der Zeitebenen – ein Aspekt, der in Lacans Theorie eine wichtige Rolle spielen wird.
1.2 Jacques Lacan: Das ‚Sinthom‘ genießen Musste schon bei Sigmund Freud auf eine fortlaufende Modifikation des Symptom-Begriffs hingewiesen werden, gilt das umso mehr für Jacques Lacan. Noch stärker als Freud ist Lacans Vorstellung vom Symptom teils gravierenden Veränderungen unterworfen, die bis hin zu einer Variation der Bezeichnung selbst
3Sie
entpuppt sich, so Freud, schließlich sogar als lesbisches Begehren: Nicht der Freund des Vaters, Herr K., sei das Objekt von Doras Wunsch, sondern dessen Frau (1991, S. 267).
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reichen – ab etwa 1975 spricht Lacan, unter Proklamation einer etymologischen Rückkehr zum Griechischen, vom „Sinthom“4 (2017, S. 9). Diese Umbenennung ist das Resultat eines jahrzehntelangen Prozesses, der hier nicht in aller Ausführlichkeit nachvollzogen werden kann (einen konzisen Überblick liefert Dylan Evans‘ Wörterbuch der Lacan’schen Psychoanalyse 2017). Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich daher auf einzelne Aspekte der späten SymptomKonzeption Lacans. Um die Verschiebung, die seine Vorstellung vom Symptom in dieser Zeit erfährt, nachvollziehen zu können, sei kurz daran erinnert, dass Lacan davon ausgeht, dass das Unbewusste wie eine Sprache strukturiert ist. Analog dazu funktioniert auch das Symptom wie eine Sprache – in Übereinstimmung mit Freud begreift Lacan das Symptom demnach als Signifikant. Im Zentrum seiner späten Theorie steht hingegen die zunächst befremdlich anmutende Behauptung, dass das Sinthom eine Genussfunktion des Subjekts sei. Die implizite Widersprüchlichkeit dieser Aussage wird dadurch gemindert, dass Lust und Leid innerhalb der Logik der Lacan’schen Theoreme keine Gegensätze bilden. Lust wiederum ist ein Terminus, der in der psychoanalytischen Theorie eine nicht unproblematische Stellung einnimmt: Lacan spricht meist von Jouissance, die Übersetzung dieses Wortes ins Deutsche variiert je nach Kontext und Übersetzer (etwa: Lust, Genuss, Genießen, Erregung). Wesentlich ist, dass Lust als Jouissance nicht nach Befriedigung im Sinne eines Spannungsabbaus strebt, sondern im Gegenteil danach, Spannung zu erzeugen, zu halten und zu steigern. Die Grenze zum Leid, zum Schmerz, zur Unlust ist dabei fließend. Daraus erklärt sich, weshalb etwas potenziell Negatives als Genuss empfunden werden kann. Mit dieser Prämisse geht das Sinthom bei Lacan über die Funktion eines Signifikanten im Sinne eines einfachen Verweiszeichens hinaus: „Es gibt noch einen Überschuß, der auch dann noch fortbesteht, wenn wir hinter dem Symptom seine symbolische Überdeterminierung dechiffriert haben, einen Überschuß, der von keiner signifikanten Interpretation aufgehoben werden kann – dieser Überschuß aber ist das Reale des Genießens. So lautet Lacans Antwort auf ein durchaus ‚praktisches‘ Problem, das sich schon Freud stellte: wieso kann das Symptom, auch wenn es dem Analysanden interpretiert wurde und dieser schließlich die Interpretation angenommen hat, auch wenn es also schon ‚vollkommen klar‘ ist, was es bedeutet, immer noch darauf beharren, sich nicht auflösen? Das Symptom verschwindet nicht, weil der Signifikant nur eine seiner zwei Seiten ist: Das Symptom ist nicht nur ein signifikantes Gebilde, es ist gleichzeitig auch die Weise, in der sich das Subjekt sein Genießen organisiert – das ist jenes ‚Reale‘ des
4So
auch der Titel seines Seminars 1975/1976.
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Symptoms, sein objektives Moment, das sich der Interpretation widersetzt; deshalb liebt das Subjekt, wie J. A. Miller bemerkt, ‚sein Symptom wie sich selbst‘.“ (Žižek 1991, S. 20)
In seiner therapeutischen Praxis ist Lacan daher auch nicht daran gelegen, das Symptom zum Verschwinden zu bringen, da es entweder prompt durch ein anderes ersetzt, oder in letzter Konsequenz sogar die Auflösung des Subjekts herbeiführen würde. Statt einer Heilung per Entschlüsselung plädiert Lacan im Gegenteil für eine Pluralisierung von Deutungen. „Die Aufgabe der Analyse ist demnach […] die Identifikation mit dem Sinthom.“ (Evans 2017, S. 251) Innerhalb der psychischen Struktur des Subjekts, die Lacan als Borromäischen Knoten denkt, kommt dem Sinthom die zentrale Aufgabe zu, die stets von der Auflösung bedrohten drei Fadenringe des Symbolischen, des Imaginären und des Realen zusätzlich zusammenzuhalten.5 Es wurde bereits in Bezug auf Freud festgehalten, dass das Symptom das Subjekt in ein paradoxes Verhältnis zu seiner eigenen Zeitlichkeit setzt. Während es im Freud’schen Verständnis, gleichsam parasitär – Freud spricht vom „Fremdkörper“ und dessen „Eindringen“ –, im Analysanden überdauert und als Relikt der Vergangenheit auf die Gegenwart übergreift, weist Slavoj Žižek darauf hin, dass das Lacan’sche Symptom im Futurum Exactum zu denken sei. Wenn das Symptom erst im Zuge der Analyse seine Bedeutung(en) erhält, heißt das im Umkehrschluss, dass es zum Zeitpunkt seines Auftretens nicht in die eigene Biografie zurück-, sondern voraus verweist auf eine erst zu konstruierende Ursprungsgeschichte: „Ja, die Wirkung kann ihrer Ursache vorangehen: das Symptom ist wortwörtlich die Wirkung von etwas, das sich erst später, nachträglich, durch seine Symbolisierung konstituiert, es ist die Spur einer zukünftigen
5Im
Borromäischen Knoten, eine Figur, die Lacan der mathematischen Topologie (Knotenlehre) entnimmt, sind drei flexible Ringe (Fadenringe) so verknüpft, dass die Entfernung eines Ringes das gesamte Gebilde auflöst. Die drei Ringe sind die drei psychischen Dimensionen des Subjekts. Vereinfacht gesagt, kann das Symbolische als sprachliche Ordnung begriffen werden, das Imaginäre als eine Ebene der bildlichen Vorstellungen und (vorsprachlichen) Körpersensationen und das Reale als jene Dimension, die sich jeglicher Form sowohl sprachlicher als auch bildlicher Darstellung entzieht. Im Seminar von 1975/1976 führt Lacan das Sinthom als vierten Ring ein, der der „Psychose als das Lösen des Borromäischen Knotens […] vorbeugen kann.“ (Evans 2017, S. 60) Es bleibt zu konstatieren: „Die theoretische Verschiebung von der Linguistik zur Topologie […] konstituiert den wahren Status des Sinthoms als nicht-definierbar und erwächst zu einem exegetischen Problem, das das übliche Ausmaß von Lacans dichter Rhetorik übersteigt.“ (Evans 2017, S. 251)
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Wahrheit.“ (Žižek 1991, S. 10) In Bezug auf Freud etwa: Es wird ein ungelöster ödipaler Konflikt gewesen sein. Freuds und Lacans Symptom-Begriffe unterscheiden sich also in erster Linie hinsichtlich der ihnen attestierten Funktionen im psychischen System und, damit unmittelbar zusammenhängend, in der daraus abgeleiteten therapeutischen Praxis. Beide gehen zuerst von einer signifikanten Struktur6 des Symptoms aus. Mit dem Begriff Signifikant bezieht Lacan sich allerdings nicht auf ein genuin psychoanalytisches, sondern auf ein linguistisch-semiotisches Schlüsselkonzept. Ferdinand de Saussure definiert den Signifikanten, eine der beiden Seiten des Zeichens, bekanntlich als die geistige Repräsentation des Lautbilds. Lacan übernimmt die Vorstellung, dass Signifikanten nur in Bezug auf ihre Differenz zu anderen zu bestimmen sind (etwa: a ist a, weil a nicht b ist), begreift sie aber als den Signifikaten (dem Bezeichneten) logisch vorausgehend. „Nicht nur Spracheinheiten, die kleiner sind als Worte (Morpheme und Phoneme) oder größer als Worte (Redewendungen und Sätze), können als Signifikanten fungieren, sondern auch Dinge wie Objekte, Beziehungen und Symptomhandlungen […]. Die einzige Bedingung für einen Signifikanten sieht Lacan in der Tatsache, dass er in ein System eingeschrieben sein muss, in dem er seinen Wert allein Kraft der Differenz zu anderen Elementen des Systems erhält. Diese differenzielle Natur des Signifikanten bedeutet, dass er nie eine eindeutige und fixierte Bedeutung haben kann […]. Im Gegenteil, seine Bedeutung verändert sich je nach seiner Position in der Struktur.“ (Evans 2017, S. 248)
Legt das die Annahme nahe, dass Schriftstücke dazu prädestiniert sind, strukturell ähnlich zum Symptom zu fungieren? Im Falle von Haushofers Mansarde hat diese Lesart manches für sich.
2 „Ein Stück Vergangenheit liquidieren“: Schriftvernichtung als Symptombekämpfung? Die namenlose Hauptfigur der Mansarde, Hausfrau und Mutter, erhält eine Woche lang Post von einem anonymen Absender. Die Briefe enthalten nichts außer ihren eigenen Aufzeichnungen aus jener Zeit, die sie 17 Jahre zuvor bei
6Eine
solche lässt sich, wie oben ausgeführt, auch in Freuds Theorie nachweisen, wenngleich er den Terminus Signifikant in seinen Schriften nicht verwendet (siehe auch Evans 2017, S. 248).
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einem Jäger im fiktiven Ort Pruschen verbracht hatte. Dorthin war sie aufgrund plötzlichen Gehörverlusts von ihrer Familie zur Genesung geschickt worden. Obwohl die Taubheit einsetzt, als die Protagonistin von einer Sirene geweckt wird, ist diese nicht ihr eigentlicher Grund: „Die Ärzte haben […] gesagt, es liege nichts Organisches vor. Ich hätte nur vergessen, wie man hört.“ (Haushofer 2013, S. 57) Auf ihren Spaziergängen in Pruschen lernt sie einen monströs anmutenden, rothaarigen Mann kennen, mit dem sie eine eigenwillige Beziehung eingeht: Ihre Taubheit bietet ihm die Möglichkeit, sich auszusprechen. Was er erzählt, erfahren die Leser_innen, analog zur Protagonistin, nicht; seine brutale Körpersprache deutet jedoch auf ein schreckliches Geheimnis hin. Nachdem die Taubheit während einem dieser ‚Gespräche‘ plötzlich verschwindet, kehrt die Hauptfigur zu ihrer Familie zurück. Der Kanon aus hausfraulicher Pflichterfüllung wird nur durch gelegentliches Zeichnen in ihrem Kreativ- und Rückzugsraum, der titelgebenden Mansarde, unterbrochen. Dort versteckt und liest sie auch die zugesandten Aufzeichnungen, die sie im Anschluss regelmäßig im Keller des Hauses verbrennt. Ihr permanent scheiternder Versuch, einen Vogel zu zeichnen, der nicht einsam wirkt, kommt in dieser Zeit fast völlig zum Erliegen. Wer der anonyme Absender ist und wie er in den Besitz der Schriftstücke gelangen konnte, bleibt offen; die Protagonistin vermutet dahinter den rothaarigen Fremden. Nachdem sie die Briefe vernichtet hat, gelingt es ihr, die Arbeit an einem Drachen aufzunehmen, der, im Gegensatz zu dem imaginierten Vogel, einsam aussehen darf. Die datierten Notizen aus Pruschen sind im Roman in die Beschreibungen des Alltags der Figur eingeschalten. Der Erhalt der ersten Briefsendung liest sich wie folgt: „Ich erkannte nicht nur die Schrift, ich wußte wirklich sofort, was da vor mir lag […]. Ich spürte nichts als Widerwillen und jenen Schock, den mir unvorhergesehene Ereignisse immer versetzen. Ich steckte die Papiere zurück in den Umschlag und trug sie in die Mansarde. Dort versteckte ich sie in der Tischlade unter Zeichenpapier. Es ist sonst nicht meine Art, Dinge zu verstecken. Aber das hier gehörte versteckt, auch wenn es nichts Verwerfliches oder Ehrenrühriges enthielt, nur ein Relikt war aus der Vergangenheit, an die ich nicht erinnert werden will.“ (Haushofer 2013, S. 26)
Mit der Frage, in welches Verhältnis man sich zur eigenen Vergangenheit zu setzen habe, greift die Protagonistin hier ein dem Roman wie Haushofers Gesamtwerk zugrunde liegendes Sujet auf: das „prekäre[] Verhältnis von Erinnern und Vergessen. Die Unentrinnbarkeit der Vergangenheit – sei es die Unschuld der Kindheitsidylle, sei es die Mitschuld zur Zeit des Dritten Reichs […] – prägt die Psyche der Figuren und wird höchst prekär aufgefangen durch eine […] therapeutische Schreibpraxis.“ (Fliedl 1994, S. 628; siehe auch Vinardell Puig
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2006; Polt-Heinzl 2010). Die Haushaltsführung, von der Hauptfigur gezielt als Mittel gegen das Nachdenken eingesetzt, befördert ganz im Gegenteil ihre Erinnerungstätigkeit. Ist es zuerst vor allem ihre Kindheit, das distanzierte Verhältnis zu ihren tuberkulösen Eltern und das Aufwachsen beim geliebten Großvater, rückt mit dem Erhalt der Briefe jene Zeit ihres Lebens ins Zentrum, in der sie ihre eben gegründete Familie aufgrund ihres Gehörverlustes verlassen muss. Außerdem initiiert sie in der oben zitierten Passage eine Handlungsabfolge, die sie im weiteren Verlauf rituell in ihren Alltag integriert: Die Briefe werden in die Mansarde gebracht, dort versteckt, später am Tag gelesen und anschließend im Keller verbrannt. Topografisch betrachtet findet eine Auseinandersetzung mit den Aufzeichnungen nur auf zwei der drei Ebenen des Hauses statt. Der gemeinsame Wohnraum, in dem der repetitive Alltag der Hauptfigur herrscht, bildet eine Sphäre für sich, die von den seltsamen Postsendungen weitestgehend unberührt bleiben soll: „Diese Briefe haben nichts mit meiner Eigenschaft als Hausfrau zu tun und dürfen meinen Tagesablauf nicht stören.“ (Haushofer 2013, S. 179) Die Dreiteilung, die nicht nur das Haus, sondern auch die Protagonistin selbst betrifft (im Wohnbereich ist sie Ehe- und Hausfrau, in der Mansarde Künstlerin, im Keller scheint sie beiden Funktionen temporär enthoben), lässt an Freuds Drei-Instanzen-Modell denken7 – die Idee einer Entsprechung von Stockwerken und Instanzen wird vom Text aber letztlich nicht eingelöst. So ginge es zwar noch an, den Keller des Hauses mit dem Es in Verbindung zu bringen, wie Rita Morrien (1996, S. 71) es in einem Nebensatz tut (die Vernichtung der Briefe korrespondiert dann mit dem dort wirkenden Zerstörungstrieb), der Wohnraum und die Mansarde erweisen sich aber als komplexere Sphären (zur Ambivalenz der Mansarde zwischen einem Ort der Selbstverwirklichung und bürgerlichem Gefängnis siehe von der Lühe 1995). Schlüssiger erscheint es hingegen, sich Lacans Modell vom Realen, Symbolischen und Imaginären (RSI) vor Augen zu führen: Die Mansarde als Ort der Bild-Produktion – die Hauptfigur malt und zeichnet – erinnert an das seinerseits in Bildern strukturierte Imaginäre, der Wohnraum, Sphäre (spärlicher) Gespräche mit der Familie, ähnelt dem von der Sprache beherrschten Symbolischen, der Keller schließlich, in dem die Signifikanten zum Verschwinden
7Freud
selbst bedient sich des Bildes von der Psyche als Haus (allerdings ohne dabei drei Stockwerke zu erwähnen), wenn er in seiner Beschreibung der narzisstischen Kränkung der Menschheit durch die Entdeckungen der Psychoanalyse davon spricht, dass „das Ich nicht Herr sei in seinem eigenen Haus.“ (20057, S. 11; Herv.i.O.)
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gebracht werden, dem sich jeglicher Beschreibung entziehenden Realen. Wie das Symptom in Lacans später Vorstellung vom Borromäischen Knoten bilden die Briefe jenes vierte Element, das die anderen drei miteinander verbindet, die Bereiche, in die es vordringt, aber gleichzeitig affiziert, indem es die etablierte Ordnung subvertiert: Will die Protagonistin die Briefe lesen, muss sie die Mansarde aufsuchen, selbst wenn ihr das zunehmend schwer fällt, weil sie durch die bloße Anwesenheit der Briefe zum „bedrohliche[n] Ort“ wird (2013, S. 93): „Ich wollte eigentlich nicht hinaufgehen, aber wohin hätte ich sonst gehen sollen? Die Mansarde hat sich auch verändert, seit ich hier meine alten Aufzeichnungen lesen muß.“ (Haushofer 2013, S. 177). Will sie ihnen entkommen, begibt sie sich zurück in den Wohnbereich: „Dann ging ich wieder hinunter in die Küche, fest entschlossen, mein System nicht zu durchbrechen: Dinge und Gedanken, die mein Mansardenleben betreffen, haben nicht in das übrige Haus einzudringen. Ich bin sonst nicht sehr ordentlich, aber daran halte ich mich immer. /Ich nahm meine Arbeit wieder auf, eine Arbeit, die mir plötzlich ungeheuer wichtig erschien. Ja, ich klammerte mich fest an meinen großen Kochlöffel […].“ (S. 26). Dass die Briefe letztlich im Keller landen, in dem die Buchstaben langsam „verglosen“ (S. 142), entspricht der Auflösung der Signifikanten im Realen, die, Lacans Vorstellung entsprechend, keine restlose Auflösung sein kann: nicht materiell, da ein sich der Interpretation widersetzendes Häufchen Asche zurück bleibt, und nicht psychisch, da der Vernichtung immer Lektüre und damit Erinnerung vorangehen. Analog zu Freuds Definition des Symptoms scheinen die Briefe zunächst als „Fremdkörper“ zu fungieren. Sie dringen, um eine gemeinsame Formulierung Haushofers und Freuds zu wiederholen, in das Leben der Hauptfigur ein und lösen Erinnerungen an eine abgeschlossen geglaubte Episode ihres Lebens aus. De facto handelt es sich aber nicht um „Fremd“- Körper: Die Schriftstücke sind psychophysische Produktionen der Protagonistin, die sie, wie das einleitende Zitat zeigt, sofort als die zur Zeit ihrer Krankheit produzierten Signifikanten lesen kann. Um die Reminiszenzen als solche zu begreifen, bedarf es hier offenbar keines Analytikers8 – der anonyme Absender fügt den Signifikanten der Protagonistin weder eigene hinzu, noch versucht er sich an einer wie immer gearteten Interpretation. Obwohl sich die Protagonistin unmittelbar an der Schrift erkennt, kommt es zu keiner emotionalen Identifikation. Vielmehr hat sie „nicht
8Zumindest
keines externen – dass Analytiker und Analysand, durchaus gewinnbringend, in eins fallen können, zeigt Freuds Selbstanalyse, etwa in Teilen der Traumdeutung.
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das Gefühl, es handelte sich um [ihre] Vergangenheit“ (S. 47), sondern um die Relikte einer „fremden, unglücklichen jungen Frau“ (2013, S. 103). Eine sich androhende Verringerung dieser Distanz wird entschieden abgewehrt: „[H] eute war sie [die Frau] mir schon nähergekommen und versuchte, mich dorthin zurückzuziehen. Aber ich will nichts mit ihr zu tun haben. Ich mag sie nicht einmal.“ Angesichts einer so vehementen Ablehnung fällt es leicht, die Verbrennung der Aufzeichnungen als Verdrängungsleistung aufzufassen. Auch deutet zuerst alles darauf hin, dass die Protagonistin hier ein Verhaltensmuster der Vergangenheit perpetuiert: Während ihrer Ertaubung kommuniziert sie nur schriftlich mit den sie umgebenden Personen, die penibel darauf bedacht sind, ihre Notate unmittelbar im Anschluss zu zerstören. Dass das Verhältnis, in das der Text seine Protagonistin zu sich selbst setzt, aber wesentlich komplexer ist, hält Konstanze Fliedl schon 1986 fest, wenn sie schreibt, dass sich in der Mansarde „bei aller Bedrohlichkeit des in die Gegenwart hineinragenden Chaos auch ein therapeutischer Akt vorzubereiten“ scheint (1986, S. 49; Herv.i.O.): „Die zeremonielle Beseitigung der ‚peinlichen‘ Schrift als Zeuge einer unbewältigten Vergangenheit verwandelt sich aber im Lauf der Woche in einen Akt der Bewältigung, indem der Frau nach dem Verbrennen der letzten Tagebuchblätter eine neue Produktion möglich wird: die Vision […] eines Drachen, setzt sie in eine gelungene Zeichnung um. Diese ‚Belohnung‘ für die Arbeit an der Vergangenheit behält bei aller positiven Besetzung der Symbole den Rest einer unaufgelösten Ambivalenz […].“ (Fliedl 1986, S. 49)
Es kommt damit zu einer Unterbrechung des in der Logik des Symptoms verankerten Wiederholungszwangs, dem die Vernichtung der Briefe – „Ich benahm mich genauso wie der Jäger und vernichtete Beweismaterial“ (S. 60) – zu gehorchen scheint. Die Beobachtung der Heldin, dass ihre „Schrift […] sich seit damals sehr verändert“ habe, kann so, statt als Zeichen fortschreitender (Selbst-) Entfremdung, als Indiz einer durchaus positiven Loslösung von der Vergangenheit (und den dazugehörigen Autoritäten) gelesen werden: „[S]ie ist nicht mehr so schräg, und die Anfangsbuchstaben sehen anders aus, sie erinnern nicht mehr an die Schrift, die ich in der Schule gelernt habe.“ (S. 142) Schon in dem Moment, in dem die Hauptfigur performativ an die Auslöschungshandlungen aus der Zeit der Taubheit anknüpft, fügt sie ihnen einen entscheidenden ‚Arbeitsschritt‘ hinzu: Sie setzt sich – und darin liegt Rita Morrien zufolge ein „selbsttherapeutisches Moment“ (1996, S. 57) – einem schmerzlichen Erinnerungsprozess aus, trotz beständiger Beteuerung, dass „jede Vergangenheit liquidiert“ gehöre (Haushofer 2013, S. 47).
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Es stellt sich die Frage, ob sich im täglichen Hinauszögern dieser Lektüre nicht Spuren jener Jouissance finden, die im Zentrum des Lacan’schen Sinthom-Begriffs steht. Die Hauptfigur kann jedenfalls kaum fürchten, beim Lesen ‚erwischt‘ zu werden: Die Tochter ist auf Skikurs, der Sohn ausgezogen, Ehemann Hubert verbringt seine Tage in der Kanzlei. Während Lust im Sinne von Freuds Lustprinzip darum bemüht ist, das Erregungslevel konstant niedrig zu halten, strebt das Genießen nach Lacan eine Spannungssteigerung an. Der Alltag der Hauptfigur ist tatsächlich dahingehend strukturiert, mittels selbstauferlegter, nervtötender Routinen nur keine allzu positiven Gefühle aufkommen zu lassen. Mit dem Auftauchen der Briefe stellt sich aber so etwas wie eine masochistische Freude an der Selbstkontrolle ein: „Der Brief lag in der Mansarde, und ich war stolz darauf, soviel Disziplin zu besitzen, daß ich ihn nicht sofort geöffnet, gelesen und vernichtet hatte. […] Tatsächlich vergesse ich sie [die Briefe, M.M.] für Stunden völlig, aber eben nur für Stunden.“ (Haushofer 2013, S. 179). So wird letztlich die ironisch erscheinende Bezeichnung der Briefe als „Geschenke“, mit der die Protagonistin sie einmal bedenkt, doppelbödig: „Es gab nichts zu lachen, für mich bestimmt nicht. Im Gegenteil, draußen im Briefkasten mußte ja schon wieder ein Geschenk auf mich warten.“ (S. 119)
3 Fazit und Ausblick Charakter und Funktion der Briefe bleiben bis zuletzt ambivalent, ihr ‚Wert‘ erschöpft sich nicht im Wecken unliebsamer Erinnerungen. Sie setzen auch eine Kette von Handlungen in Gang, die eine Möglichkeit zur Verarbeitung des Geschehenen bietet und die hausfrauliche Einöde, in der die Hauptfigur lebt, um eine Quelle des Lustgewinns (mittels Spannungssteigerung in einem Lacan’schen Sinn) bereichern. Da der Umgang der Protagonistin mit den Aufzeichnungen eine Auseinandersetzung mit sich selbst initiiert, die sich ohne (analytische) Intervention eines (männlichen) Gegenübers vollzieht, bekommt sie durchaus emanzipatorische Züge. Ein Blick auf die Bezugspunkte Freudsch’er und Lacan’scher Theorie zu Marlen Haushofers Werk ist also, wie dieser kurze Abriss zeigt, analytisch durchaus ergiebig und bei Weitem nicht erschöpft. So konnte, um nur einige Beispiele zu nennen, nicht auf Lacans Überlegungen zu Ding, Objekt und Begehren eingegangen werden, was angesichts der Tatsache, dass Haushofers Protagonistin die Briefe wiederholt als „Ding“ bezeichnet, sicher aufschlussreich wäre; dass die Protagonistin am Ende des Romans die Augen (anstatt der Ohren) schließt und stolpert, eröffnet den Themenkomplex
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der Symptomverschiebung. Auch die Frage nach dem Symptom als „Sexualbetätigung der Kranken“, die in Freuds Theorie einen so zentralen Stellenwert einnimmt, bliebe zu klären. Auf den ostentativen Mangel jeglicher sexueller Beziehung zwischen der Hauptfigur und ihrem Mann wurde immer wieder hingewiesen (Morrien 1996; Vinardell Puig 2006). Ob hinter dem auffällig abwesenden Absender der Briefe ein „kleiner anderer“ oder doch eher der „große Andere“ zu vermuten ist – auch das muss vorerst offen bleiben.
Literatur Brüns, Elke. 1998. Außenstehend, ungelenk, kopfüber weiblich: psychosexuelle Autorpositionen bei Marlen Haushofer, Marieluise Fleißer und Ingeborg Bachmann. Stuttgart: Metzler. Evans, Dylan. 2017. Wörterbuch der Lacan’schen Psychoanalyse. Wien: Turia + Kant. Fliedl, Konstanze. 1986. Die Melancholische Insel. Zum Werk Marlen Haushofers. Vierteljahresschrift des Adalbert Stifter Instituts 35 (1/2): 35–51. Fliedl, Konstanze. 1994. Marlen Haushofer. In Deutsche Dichter des 20. Jahrhunderts, Hrsg. Hartmut Steinecke, 624–634. Berlin: Schmidt. Freud, Sigmund. 1991a. Bruchstück einer Hysterie Analyse. In Sigmund Freud. Gesammelte Werke. Fünfter Band. Werke aus den Jahren 1904–1905, Hrsg. Anna Freud, 161–286. Frankfurt a. M.: Fischer. Freud, Sigmund. 1991b. Studien über Hysterie. In Sigmund Freud. Gesammelte Werke. Erster Band. Werke aus den Jahren 1892–1899, Hrsg. Anna Freud, 77–312. Frankfurt a. M.: Fischer. Freud, Sigmund. 2005. Eine Schwierigkeit der Psychoanalyse. In Sigmund Freud. Gesammelte Werke. Zwölfter Band. Werke aus den Jahren 1917–1920, Hrsg. Anna Freud, 3–12. Frankfurt a. M.: Fischer. Grant, Alyth F. 1997. „Kränkung“ und „Verdrängung“. The Metaphor of Hysteria in Marlen Haushofer’s Die Mansarde und Ingeborg Bachmann’s Der Fall Franza. In 1000 Jahre Österreich im Spiegel seiner Literatur, Hrsg. A. Obermayer. Dunedin: University of Ontago. Haushofer, Marlen. 2013. Die Mansarde. Berlin: List. Lacan, Jacques. 2017. Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Wien: Turia + Kant. Mertens, Wolfgang. 2013. Krankheit und Gesundheit. In Freud-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, Hrsg. Hans-Martin Lohmann und Joachim Pfeiffer, 264–270. Stuttgart: Metzler. Morrien, Rita. 1996. Weibliches Textbegehren bei Ingeborg Bachmann, Marlen Haushofer und Unica Zürn. Würzburg: Königshausen & Neumann. Polt-Heinzl, Evelyne. 2010. Ein Käfig voller Schweigen oder Über den Bedarf an Schubladenkommoden. Die Abgründe von (Wohn-)Räumen und Ritualen in der Literatur der Nachkriegsjahre. In Ich möchte wissen, wo ich hingekommen bin! Marlen Haushofer 1920–1970, Hrsg. Christa Gürtler, 3–50. Linz: StifterHaus.
Ist der Brief ein Symptom?
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Roebling, Irmgard. 1994. Weiblichkeit als Maskerade zur Besänftigung der Dämonen. Einheit und Trennung in Marlen Haushofers Roman „Die Mansarde“. Freiburger literaturpsychologische Gespräche 13:167–190. Tabah, Mireille. 2000. Nicht gelebte Weiblichkeit. Töchter und (Ehe-)Frauen in Marlen Haushofers Romanen. In „Eine geheime Schrift aus diesem Splitterwerk enträtseln…“ Marlen Haushofers Werk im Kontext, Hrsg. Anke Bosse und Clemens Ruthner, 177– 192. Tübingen, Basel: Francke. Vinardell Puig, Teresa. 2006. Die stumme Wut der Menschenfresser. Körpersprache und verdrängte Vergangenheit in Marlen Haushofers „Die Mansarde“. Sprachkunst XXXVII (2): 241–255. von der Lühe, Irmela. 1995. Erzählte Räume – Leere Welt. Zu den Romanen Marlen Haushofers. In Oder war da manchmal noch etwas anderes? Texte zu Marlen Haushofer, Hrsg. Anne Duden, 73–107. Frankfurt a. M.: Verlag Neue Kritik. Žižek, Slavoj. 1991. Liebe Dein Symptom wie Dich selbst! Jacques Lacans Psychoanalyse und die Medien. Berlin: Merve.
Mairhofer, Marlen, MA, Universitätsassistentin für Neuere deutsche Literatur am Fachbereich Germanistik der Universität Salzburg. Dissertationsprojekt zu Körper und Schrift bei Ingeborg Bachmann und Marlen Haushofer. Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Österreichische Literatur des 20. Jahrhunderts, Feministische (Literatur-) Theorie, Literatur und Psychoanalyse.
Rethinking the Relationship Between Child Marriage and Failed Infrastructure During the Syrian Conflict: A Discourse Analysis of Arab Television News Rand El Zein “We cannot know why the world suffers. But we can know how the world decides that some suffering shall come to some persons and not to others.” Guido Calabresi and Philip Bobbitt, 1978
Lebanon hosts the largest number of refugees per capita in the world; a small country of about 4 million people with more than 1.5 million Syrian displaced persons. The presence of such a large number of refugees is perceived as an indefensible burden due to the fact that the Lebanese state has failed to provide the most basic services to its citizens. The Lebanese population has suffered for many years from contaminated water, constant electricity blackouts, air pollution, a heightened garbage crisis, high unemployment, lack of healthcare services, lack of public transportation, lack of funding and resources for education, poor infrastructure, and corruption. The weak infrastructure was barely enough to serve the Lebanese population and now there is a bigger burden in hosting a larger number of people whilst the infrastructure continues to deteriorate (Sanyal 2018). In 2019, the Lebanese cabinet announced that the country is on the verge of economic collapse as it faces a currency and debt crisis (Fanack 2019). All these factors have led to a growing antagonism between the host and displaced communities. Aside from claiming that there is “disproportionate attention being paid by NGOs to refugees over the host population who [is] equally vulnerable” (Sanyal 2018, p. 71), the Lebanese government labels the presence of Syrian refugees as a security issue. The major media outlets owned by political elites continue to scapegoat the displaced Syrian communities for R. E. Zein (*) University of Salzburg, Salzburg, Austria E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Hausbacher et al. (Hrsg.), geschlecht_transkulturell, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30263-4_17
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the deteriorating socio-economic conditions in the country and for disturbing the sectarian balance that underpins Lebanon’s power-sharing system (The Economist 2019). Evidently, the narratives behind the lack of development and the threat to the delicate sectarian balance pre-date the Syrian conflict and the arrival of Syrian refugees to Lebanon. This pattern of scapegoating “foreign elements” initially occurred after the arrival of Palestinian refugees to Lebanon in 1948—the year the State of Israel was created, and many Palestinians were forced to flee their homes. Subsequently, the Palestinians “were unfairly blamed for Lebanon’s 15-year-long civil war, between 1975 and 1990, [and were] treated as demographic threats” (Jaoude and Ayyoub 2018). Parallel to the propagation of this racist rhetoric, the Lebanese government continues to apply different policing strategies to control the mobility of the displaced population, similar to the one applied to the Palestinian communities in the past. As it is not possible to deport the Syrian refugees, the state applies “ad hoc measures to create unwelcome spaces” (Sanyal 2018). For instance, a recent report by Human Rights Watch (2019) revealed how the Lebanese Armed Forces use forcible measures on the displaced Syrian population as a way to pressure them to leave the country. The report showed that: “The Lebanese Armed Forces demolished about 20 Syrian refugee shelters on July 1, 2019, contending they did not comply with long-existing, but largely unenforced housing codes, Human Rights Watch said. The armed forces also have been forcing refugees living in semi-permanent shelters on agricultural land to dismantle their own shelters’ concrete walls and roofs and replace them with less protective materials, or face army demolition of their homes. The forced shelter dismantlement under an order by the Higher Defense Council significantly reduces the adequacy of refugee housing to withstand harsh weather conditions, particularly in the Arsal region, where winters are severe.”
Furthermore, another major issue the displaced communities face is the renewal of residency permits. The Lebanese General Security Directorate requires each displaced person to pay 200 U.S. dollars annually as a residency validation fee (Human Rights Watch 2019). This fee increases the financial burden on families, leaving many displaced Syrians with illegal status in the country and at the risk of detention if caught by the police. While the displaced and host communities compete over job opportunities, scarce resources, and space (Sanyal 2018), the increased restrictions on the Syrian communities, the experienced harassment stemmed from the government’s policing strategies, as well as the production of chronic forms of waiting remain unjustifiable.
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In Jordan, similar restrictions have been imposed on Syrian refugees as a way to prevent any permanent settlement (Dorai and Piraud-Fournet 2018). Jordan hosts the second-highest share of Syrian refugees per capita after Lebanon. In recent years, the Zaatari refugee camp on the Jordanian-Syrian border has grown into a city with its own informal economy and many different neighborhoods. Nevertheless, the standard of living there remains very low, as families continue to live in tents, where very little space is available to accommodate all family members. On top of that, the birth rates in these informal refugee settlements increase every year, both in Lebanon and Jordan. Syrian women and girls have limited access to sexual health services and healthcare in general. They face a high risk of sexual harassment, as many end up in unwanted (early) marriages as a result of harsh patriarchal norms and the families’ financial hardship (Reliefweb 2019). In fact, child marriage during the Syrian crisis has significantly increased since the outbreak of the war (El Arab and Sagbakken 2019). So far, most academic and journalistic articles have approached the topic of child marriage during the Syrian conflict by recognizing it as a negative coping mechanism or as a protection measure. For instance, a study done on Syrian refugee girls in Lebanon showed the different factors that contribute to forced and early marriages, such as “poverty, lack of educational opportunities, and concerns regarding gender-based-violence” (Bartels 2018). Alsaba and Kapilashrami (2016) argue that the displaced Syrian women’s and girls’ experiences of genderbased-violence are highly tied to the political economy of the region. Another study by Asaf (2017) draws attention to how mainstream news articles approach their narratives of the war with a focus on the victimization and vulnerabilities of the Syrian women. The author limits her approach by examining only the effects of governmental policies on Syrian women’s vulnerabilities and does not take the further step of analyzing other factors that contribute to their state of vulnerability. While the aforementioned studies bring great insight to the plight of Syrian women and girls living in refugee camps, none of them take into account how their state of vulnerability is tied to failed infrastructure. Hence, this study posits a lack of deeper engagement with critical theory in studying the gendered television media discourses around Syrian women and girls living in vulnerable states. Aiming to fill this gap, this study compares news reports from the three leading Arab satellite channels and follows a critical discourse analysis in order to engage with the subjects as a mediation between the concept of vulnerability and failed infrastructure.
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1 Method and Research Questions This chapter is part of the wider program of my doctoral thesis. It focuses on the dimensions of the state of vulnerability among the displaced Syrian communities, specifically those concerning women and girls during the Syrian conflict. To obtain a sample of news reports, I referred to the YouTube channels of three pan-Arab satellite television stations: Al Aan, Al Jazeera, and Al Arabiya. I used the search engine of the television stations’ YouTube channels, by typing in such keywords as: Syrian women, Syrian girls, vulnerability, Syrian conflict, displaced community, poverty, suffering, humanitarian crisis, impoverishment, infrastructure, gender-based violence, etc. The two main themes that regularly occurred in the search process were: (1) The increase in child marriage cases in Lebanon’s and Jordan’s informal settlements, and (2) the deterioration of the makeshift refugee shelters in Lebanon’s Beqaa valley during snowstorms. Eight news stories were collected in total; six reports were about child marriage and two were about the deterioration of makeshift refugee shelters. The news reports were issued between January 4, 2014, and August 8, 2017. Three reports were published by Al Aan, two by Al Jazeera, and three by Al Arabiya. They revolved around specific groups of Syrian women and girls: Syrian child brides living in the Zaatari refugee camp on the Jordanian-Syrian border, in the overcrowded informal settlements near Beirut and the Beqaa valley that have uncontrolled and unguided urban sites of exclusion and marginalization, as well as displaced Syrian women and girls living in storerooms, disused garages, and one-room apartments with their families across Lebanon. To further explore these media representations, the study asks two main research questions: 1. How did the Arab television media discourse represent child marriage cases in relation to the state of impoverishment that shapes the daily life experiences of the displaced Syrian communities living in informal refugee settlements? 2. Did the news reports perceive child marriage as a standalone issue that remains decontextualized from the general widespread socio-economic injustice? Because this study invites us to rethink the relationship between child marriage and failed infrastructure during the recent Syrian conflict, Judith Butler’s concept of vulnerability was taken as a starting point for my analysis, and I put it in conversation with Timothy Mitchell’s theory on the rule of experts. By using a discourse analysis, I explore how Arab satellite television media discursively
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generate and naturalize images of vulnerability among Syrian women and girls. By conducting an in-depth reading of every news report, I examine what remains hidden or decontextualized in the reporting and how the framing of the subjects occurs. Although the phenomenon of child marriage and the deterioration of shelter during snowstorms are analyzed in separate parts, the chapter argues that these two supposedly separate dimensions of the state of vulnerability during the Syrian conflict are indeed interconnected.
2 Analysis Judith Butler’s (2016) concept explicates how, during times of conflict, vulnerability is directly tied to infrastructure. The more failed the infrastructure is, the more vulnerable the subject becomes. And the more that the media expose images of the subject overcoming or mobilizing their vulnerabilities, the more they become mere representations and/or misrepresentations. Both infrastructure itself and resistance to infrastructural challenges may take myriad forms. During the recent Syrian conflict, Arab media perpetuated images of different Syrian women present in spaces of failed infrastructure. In the case of a single Syrian mother who became displaced along with her children, resistance may include demands for clean water, the right to work, a safe shelter with a closed door, a running toilet, access to health care, or education for herself or her children. In other cases, Arab television media portrayed Syrian women and girls being forced into or reverting to early or child marriages as a way to overcome their state of exile and vulnerabilities. Several of the news stories concerning the vulnerability of the displaced female Syrians incorporated the opinion of an expert—in this study, “experts” refer to news reporters, lawyers, humanitarian aid workers, etc. By attempting to appear objective, the news report supposedly used the expert’s opinion to provide “rational” coverage on the topic. Within the context of the analyzed news reports, the experts, despite their claim of producing objective reporting, adopted a rationale that was somewhat similar to that of the dominant culture, which also furthers the displaced female Syrians’ subordination. In the context of this study, the experts used their status in order to make their argument credible. The expert is conceived as a third party—i.e. not a displaced Syrian woman/girl, nor a person that has a direct influence on the vulnerability of female Syrians during their daily lives. Throughout the news reports, the experts allegedly gave unbiased insights on the vulnerable states of different Syrian women and girls.
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2.1 Child Marriage On August 8, 2017, a news report by Al Aan television featured an interview with an administrator from the Jordanian Jurists Association, the lawyer Nour Al Immam, in order to tackle the issue of child marriage among Syrian refugees in Jordan. Al Immam, the expert in this news report, began the interview by stating that according to the Jurist Association, 18 is the legal minimum age of marriage for girls and boys in Jordan—a law that was present prior to the outbreak of the Syrian conflict. However, the law underwent certain changes after the arrival of Syrian refugees to the country. She asserted: Al Immam: A waiver can be granted for underage marriages, but this waiver is only authorized under the following conditions: (1) The male spouse should not be older than the wife by not more than 15 years. (2) The female spouse should agree to this marriage. (3) The female spouse is not allowed to abandon her education. (4) The male spouse must provide an initial mahr1 payment before the marriage takes place.
Al Immam then continued describing the laws of child marriage by appealing to the idea that they were made for “the Syrian girls’ benefit”. She emphasized the mahr that supposedly should lessen the girl’s vulnerability. Afterwards, she explained how the law guarantees the mahr payment and how this mandatory payment provided by the groom to the bride is a pre-marital condition that can somehow protect or provide support to child brides. The reporter responded by pointing out that the girls live in dire conditions—mentioning this fact as a way to justify the family’s decision to marry off their underage daughters. The reporter did label the dire economic conditions as an issue that should be tackled, but no reference was made to the deficiency of health care, education, food, and shelter at the Zaatari refugee camp. Both the expert and the reporter agreed that the subjugation of women and girls is due to child marriage, but they perceived it as a phenomenon that stemmed solely from the circumstances of the war. They did not recognize the states of vulnerability and impoverishment as symptoms of an unfair economic model, hence leaving the issue of class inequality unmentioned. On May 29, 2014, a news story from Al Arabiya also tacked the issue of child marriage and its physiological impact on child brides. The report started with an
1Mahr
means dowry in Arabic. It is an ancient custom in Islamic societies, where the male spouse is supposed to provide property, money, or any sort of gift to the bride prior to the marriage ceremony.
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opening statement affirming that the state of refuge is what forced Umm2 Wael, a widowed mother, to marry off her 14-year-old daughter, who now suffers from serious physical and psychological problems. During the news report, the reporter briefly interviewed a social worker at a local NGO in the district of Akkar, Lebanon, as an expert on this issue: The NGO worker: Child marriage among Syrian refugees in Lebanon is partially an educational problem, especially among those coming from rural areas; and the other part of the problem is related to the material and economical needs of these refugees. In fact, child marriage did not exist in Sham (the region of Syria located east of the Mediterranean Sea) before the Syrian conflict, but it was very common in the Syrian provinces of Idlib and Dar’a.
Here, the NGO administrator does not mention the absence of a law in Lebanon forbidding child marriage. Although Lebanese civil society has submitted a draft law in early 2017 that aims to set 18 as the minimum age of marriage, the Lebanese parliament has to date not yet raised the issue of changing the law (Abirafeh and Nassif 2018). The NGO worker made it seem as if the Syrian refugees coming from rural areas brought the phenomenon of child marriage with them to Lebanon. In fact, “outside of the refugee communities, nearly 6 percent of women in Lebanon between 20 to 24 years old were married before the age of 18” (Abirafeh and Nassif 2018). While television channels such as Al Jazeera (Arabic) did not report on the absence of this law in Lebanon, or on Lebanese men who are husbands of underage brides, a news report by Al Jazeera (English) published on January 14, 2014, reported on Hanifa, the 14-year-old girl who “agreed” to marry a 44-year-old Lebanese landlord. Hanifa’s family could no longer pay the $250 monthly rent on their one-room apartment in Arsal, so the landlord demanded Hanifa to become his second wife. In fact, Hanifa and her mother were both interviewed by the news reporter, Zeina Khodr: Hanifa: I am not obliged to marry a 44-year old man, just in order to survive, but I have to do it, so that my family can survive. I feel that my whole life is destroyed, because I do not want to marry him. But if I do, my family can stay in this house. Khodr: This young girl says she feels exploited, but it is a sacrifice she and her family say she has to make.
2Umm
is the Arabic word for “Mother of”.
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The Mother of Hanifa: Every mother wants to see her daughter secure and married to the man she loves. No mother wants to hurt her child, but we have no choice. If we move out of this one-room apartment, we will then need to live in a tent. My husband, who suffers from heart problems, as well my asthmatic son, wouldn’t be able to survive in the cold, and my 12-year-old son, who has a job helping a mechanic, can barely make enough money to provide food for us.
Although this news report actually interviewed the child bride and her mother, while most of the other news reports analyzed in this chapter did not, the precariousness of Hanifa and her family remained decontextualized. The Lebanese landlord, who used his marriage proposal to a 14-year-old girl as an quid pro quo exchange between him and his tenants (i.e. Hanifa’s family), was not portrayed as an active participant in this child marriage case, while on the other hand, the mother of Hanifa was framed as the parent that allowed her daughter to become forfeit in times of economic hardship. In other words, she was willing to sacrifice her own daughter and “hurt her” in order to keep other members of the family safe from cold and disease. No mention was given to how the Lebanese landlord—the person who has the family’s destiny in the palm of his hands—is one of the main protagonists in this oppressive phenomenon. Khodr only used the word “demanded” to describe how the 44-year-old landlord chose the 14-year-old girl to be his wife. Here, the innocence of Hanifa was contrasted with the behavior of her mother and her family, who allowed such sacrifice to take place. Khodr ended the report by attempting to contextualize Hanifa’s story to the issue of Syrian refugees in Lebanon: Khodr: Hanifa’s story is an example of how desperate many Syrian refugees have now become. The majority cannot survive without help, and humanitarian organizations cannot reach all those who need assistance. Lebanon hosts the largest number of refugees from Syria. Over one million have come here. But not all have been registered with the United Nations, which means they are not eligible for aid. Aid agencies are calling the Syrian refugee crisis, a humanitarian tragedy. For Hanifa, it has been one tragedy after another. She manages to smile when she remembers the man she was supposed to spend her life with. But her 22-year old cousin died fighting in Syria last year. She now feels helpless.
Although in this statement, Khodr attempted to contextualize the plight of Syrian refugees in Lebanon, significant social, economic, and political facts remain omitted. For instance, the absence of a law protecting girls in Lebanon from child marriage was not mentioned. The ad hoc measures the Lebanese State applies on refugee-inhabited shelters (in order to keep these shelters as temporary, consequently creating unwelcome living spaces) was also entirely ignored.
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The bureaucratic laws that oblige every displaced Syrian refugee to pay a large annual fee to maintain their legal status in the country in order to avoid being held in confinement was also disregarded. Instead we only learn that Hanifa and her family are obliged to pay an overly expensive rent payment for a one-room apartment. In the news report, the apartment appears to be in an unfinished building, rented from a Lebanese landlord, whom Hanifa will marry in order to make ends meet. The news report also failed to mention that Hanifa’s marriage to the landlord will come as a great advantage, as it will grant her “legal” status in the country without paying the annual fee. Moreover, Khodr emphasized that due to the large number of Syrian refugees, the humanitarian aid agencies are not able to assist all members of the displaced community. This situation was described as a humanitarian tragedy, a tragedy of social exclusion and misfortune. This is what Didier Fassin (2012) described as “a drift towards sentimentalism”. Khodr used the language of compassion to describe the social reality of the displaced community. The reporter’s statement appeals to the viewer’s emotions but at the same time naturalizes the suffering of the displaced community and represents it as a burden on the humanitarian agencies and on Lebanon. On July 24, 2014, another news report by Al Arabiya reported on a 13-year-old girl in Jordan who was forced into an early marriage. The reporter mentions that the child bride is now suffering from health problems due to her early pregnancy: Child Bride: I never wanted this marriage, I am still young, and I wanted to continue my education. But my father didn’t let me continue my education.
Afterwards, the husband of the bride is interviewed: Husband: The doctor said that she might lose the baby due to her fragile body… Her medicine is so expensive to buy. She is not capable of carrying on with the pregnancy. Hopefully, she will lose the baby. We cannot afford to raise a baby.
Here, the notion of “one less mouth to feed” occurs as rhetoric. In this circumstance, the married couple is hoping for a miscarriage due to their financial inability to raise a baby. The reporter then ends by stating that many Syrian people were used to early marriage back in Syria. He then claims that child marriage becomes problematic only when it appears in relation to anxiety, or as a solution to defeat one’s state of exile. Another news report on September 2, 2016, from Al Arabiya reported on 750 cases of child marriage in Jordan, claiming that many other child marriage
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cases are left unreported. The news reporter acts as an expert and claims that child brides try to escape their unsuitable living conditions in the refugee camps through marriage. Lastly, on April 23, 2016, a news report by Al Jazeera (Arabic) briefly declares that child marriage is becoming a protection measure among Syrian families due to the risk of sexual harassment girls face in informal settlements across Lebanon. Granted, most of the experts interviewed agreed that many women and girls are forced to defeat the state of living in drastic conditions through (early) marriage. Almost all the television news reports signaled one significant factor that has pushed the increase in child marriage, which is the notion of “one less mouth to feed”. Poverty-stricken families living in informal settlements are the biggest demographic group among the displaced Syrian populations that resort to child marriage as a coping mechanism (Halldorsson 2017). A study done by UNICEF (2017) on early marriage among displaced Syrians disclosed the following: “Among the so-called negative coping mechanisms are child marriages and child labor. Some are forced to work for their family, while others are forced into early marriage for their own protection and to save money. [Early marriage] can also be a protection measure, considering the vulnerability and risk of sexual harassment girls can face in informal settlements”. The expert’s justification of child marriage as a protection measure reminds me of Timothy Mitchell’s (2002) critique of colonial expertise. The expert’s statement incorporated a fixated understanding of the complexity and the nature of a certain environment; the environment in this case study is the refugee camp, the slum, or any urban settlement the displaced Syrian people inhabit as shelter. Mitchell (2002) referred to these spaces as “projects”, arguing that these projects have no autonomous scientific status and are only recognized through the expert’s knowledge. Accordingly, Mitchell (2002) argues that human agency only becomes acknowledged in relationship to this knowledge. Mitchell’s notion of human agency speaks to the words of, for example, the expert from Al Aan. Al Immam argued for the obligatory presence of mahr during child marriage as a way to protect child brides and/or lessen their state of vulnerability. Here, a technocratic perspective was applied. The expert used her scientific expertise as a lawyer to praise the efficiency of the child marriage laws implemented by the Jordanian Jurists Association by reaffirming that the laws have a positive impact on the human power structures within child marriage (i.e. the child brides’ agency). The expert did not acknowledge the subjectivity of the child brides in her knowledge. Furthermore, she also did not acknowledge the external and internal factors that directly influence the child brides’ wellbeing. She spoke on behalf of the
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child brides, through a scientific method based on previously fixated beliefs: The “correct” way child marriage should be implemented, and the “suitable” socio-economic structures that should be present within this reality. Moreover, the expert from Al Arabiya connected the state of “anxiety” to early marriage among girls who come from families that have lost their breadwinner. The expert’s statement connotes that arranged and early marriage, whether among women or girls, only becomes problematic when it is used as a tactic to overcome exile, insecurity, and economic hardship. This is another signifier of the expert’s knowledge that specifies which socio-economic structures should be present in child marriages. In another news report from Al Arabiya, the expert highlighted the living conditions of the refugee settlements as “unsuitable” for young girls to live in. This indicates that the expert has a correct understanding of what a refugee settlement should be like, or at least what makes the conditions in the settlements “suitable” for an unmarried Syrian girl or woman. Nevertheless, no description was given to how the living conditions are unsuitable, and more importantly, why they are unsuitable. The only unsuitable condition that was mentioned by Al Jazeera was the high risk of sexual harassment present in the informal settlements. However, even this reference was only tied directly to the justification of child marriage as a protection measure. On a general note, the state of destitution among the displaced Syrians was never depicted as an injustice or as an economic inequality, but merely as a tragedy, more so as justification to the breadwinner’s “failure” or “inability” to provide basic socio-economic necessities to the family. In other words, most of the news reports focused on the unsuitable living conditions (that are directly tied to the concept of failed infrastructure), yet none tackled those conditions as a serious problem that needs to be solved.
2.2 Failed Infrastructure This part examines two news reports on the snowstorms that hit Lebanon almost every winter. The television channels reported on the decay of the refugee settlements as a result of the harsh weather conditions. Mitchell (2002) argues that sometimes naturally occurring environmental events may support the construction of a widely recognized concept: Human expertise and nature are separable elements. Following Mitchell’s argumentation, however, they are not. Nature (e.g. the high winds, blizzards, flooding, freezing temperatures, and snowstorms) was not the sole precipitate of the deteriorating changes that took place in, for example, the informal settlements in Lebanon. I view the snowstorm as merely an
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unfortunate event that contributed to the deterioration of the hitherto failing living circumstances in these informal settlements. In the context of this study, the naturally occurring event is the “destructive” snowstorm. The television channels reported on the snowstorm as the sole cause of the deterioration and collapse of the tents and makeshift shelters in the informal settlements. Moreover, the news reported on how many displaced women and children lost their lives and developed brutal respiratory diseases due to famine and the bitter cold temperatures. Therefore, in this section, changes will refer to the collapse of shelters as well as the spread of death and sickness, whereas social conditions of power will refer to the governmental laws on the legal status of displaced people. On January 9, 2014, Al Aan streamed a news report with the following headline: “A tragic scene of a Syrian mother who cannot find food to feed her children”. The news report shows the Syrian woman standing in front of a disused garage she and her three children inhabit as their home in Lebanon, and for which she pays $200 in rent per month. The woman, whilst weeping, spoke into the camera: The Mother: We don’t have any food! And if we don’t pay the $200 rent, the landlord will kick us out and lock our belongings inside. We ran away from war, violence, and bombs, and we came here [Lebanon] to become homeless. We are dying from hunger, from the expensive living conditions, and poverty.
This news report gave a tragic manifestation of how a Syrian mother suffers daily in the “unlivable” settlements in Lebanon. The report tried to arouse pity among the viewers but did not remark on what these scenes really portray, leaving the audience to consume images of destitution without any social contextualization. Like in most of the news reports, the family’s state of impoverishment was portrayed as an individual problem or tragedy and not a social one. Similar to other news reports, it dealt with the state of destitution as merely a consequence of the war in Syria. Moreover, the reporting was not class conscious; it was rather class illiterate, as it portrayed poverty in isolation. On January 13, 2015, Al Aan reported on the snowstorm that hit Lebanon in 2015. The headline of the report was “Displaced Syrian women in Lebanon complain about the absence of the family’s breadwinner [presumably the husband] during the strong snowstorm in Lebanon”. The news report directly tied the woman’s suffering to the absence of the family’s breadwinner and the harsh weather conditions. The reporter, Malek Abu Khair, said:
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Abu Khair: The snowstorm that hit Lebanon brought very difficult weather conditions that have added yet another burden on these women, who do not have a source of income due to the absence of the breadwinner. In the Beqaa Valley, the tents have been destroyed from the storm. Many Syrian families are living in those tents, and their situation became worse during the storm. Hunger became more severe. Help for survival only comes from people who want to do good deeds.
The news reporter then interviewed the mother, Umm Ahmad: Umm Ahmad: My oldest son has missing fingers; they are chopped off. My husband is detained. I don’t have one human being in my life that can get me one Lebanese Lira in order to survive with my family.
Thereupon, the reporter interviewed a displaced Syrian woman who lives close to the family’s tent, and the woman described the family’s situation even further: Displaced Syrian Woman: The tent fell on their heads because of the snowstorm. The tent was not supported properly in the first place!
The displaced Syrian woman makes an important remark that the reporter does not stress upon, or even mention, which is that the tent was initially built poorly. The infrastructure of those settlements was built to fail or built in a way that would only last for a short-term period. In fact, this concept of building poorly structured shelters for displaced people is not a new one in Lebanon. Doraï (2010) examined the urbanization of the Palestinian settlements in Lebanon “as temporary spaces that are always subject to destruction or unilateral state intervention” (p. 7). This notion is closely tied to the fact that both the displaced Syrian and Palestinian populations in Lebanon were never entitled to a refugee status by the Lebanese authorities. In fact, the Ministry of Social Affairs in Lebanon has and still considers the Palestinians and Syrians in refuge as merely “visitors” in the country. The government uses the word naziheen (the Arabic word for displaced) to describe the legal status of the Palestinian and Syrian people (Cornish 2018). Evidently, the term “displaced” signifies the “temporariness” that the Lebanese authorities want to inflict on the visitors: They are discouraged from staying; they are destined to leave the country and go back to their homeland once the conflict is over. This leads us to question the clear distinction made by the UNHCR and UNRWA between “refugees in camps” and “refugees outside camps”. Not all displaced Syrian families are situated in camps funded by the UNHCR; many in fact settled in informal urban and rural settlements that already existed and
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are inhabited not only by Palestinians, but also by migrant workers and their families, as well as Lebanese Shia families who were pushed out of their towns in South Lebanon due to the Israeli-occupied southern border zone. As a result, Lebanese communities have also built informal neighborhoods next to the settlements inhabited by the “visitors” or “migrants” (Doraï 2010, p. 18). These realities make the distinction between the camp and the rest of the urban/rural informal neighborhoods quite blurry. While the news reports did not differentiate between women who are “camp dwellers” and women who are “urban refugees”, no mention was given to how the infrastructure of the camp settlements is maintained or unmaintained. Doraï (2010) asserts that a clear resemblance appears between a camp that survives on supposedly humanitarian assistance and the poor urban/rural areas around Lebanon that were once a camp and have become permanent labyrinthine slums. For instance, a recent article in the Financial Times (2018) describes the infrastructure of Shatila camp as one of many overcrowded camp settlements in Lebanon where displaced Syrians have become the latest to seek shelter. Initially founded for displaced Palestinians who fled to Lebanon almost 70 years ago, Shatila was built by the displaced persons themselves during the conflict. Like many other “camps turned slums”, the Lebanese government actively refrains from exercising any power in those spaces; consequently, basic sewage, electricity, and water systems were never installed. Hence, it is common to have leaking roofs and tangled electric wires everywhere, which causes a high risk of electrocution. Whilst there is no planning and no enforcement of building regulations, the residents tend to build upwards, transforming their tents into one, two, or even up to six-story buildings. Most of “the concrete [used for building] is made using salty [sea] water, causing the structures to corrode from the inside” (Cornish 2018). Moreover, while many of the residents do not exercise their legal right to acquire jobs, some tend to work illegally. This increases their chances of being detained by the Lebanese police; hence, as a result, many take underpaid or illegal jobs inside or close to the borders of the slum as a way to limit their daily mobility. This makes Shatila and other labyrinthine slums in Lebanon resemble some sort of heterotopian site (Foucault 1984): A space neglected by the Lebanese authorities with an independently run economy (i.e. a black market) and an infrastructure system that was built unofficially and developed by the inhabitants themselves. In the words of Lefebvre (1970), a space “excluded from the political city and those who inhabit these spaces are also excluded from politics and denied a voice” (p. 17). A space of otherness, where the concept of time is suspended until a more permanent solution is found (Ramadan 2012).
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In this case, however, the permanent solution is to go back to Syria or Palestine, or to acquire resettlement status elsewhere. A space where the temporary “visitors” who have been waiting for a long time eventually became permanent dwellers who rely heavily on charity and aid agencies to maintain their homes. For instance, the budget per home from charity organizations can go up to 1500 U.S. dollars. Money from NGOs either pays a family to conduct infrastructural improvements themselves or provides them with a budget to buy material goods such as doors, windows, pipes, etc., or for the repair of leaking rooftops and plumbing pipes (Cornish 2018).
3 Conclusion This chapter demonstrated that the deterioration of the settlements after the snowstorm was merely a result of the problems caused by earlier “projects”; in particular, the Lebanese government’s project to deprive displaced populations a permanent status in the country, which has significantly affected many aspects of their lives, such as health, opportunity, infrastructure, and basic human rights. The societal problems, such as child marriage, that are associated with the poor living conditions, the spread of disease and sickness, and the deterioration of shelters were rendered by government institutions as problems of public health and economic inclusion, or what the humanitarian organizations labeled as the “humanitarian crisis”. In Mitchell’s (2002) words: “These projects began to arrange the world as one in which science was opposed to nature and technical expertise claimed to overcome the obstacles to social improvement” (p. 51). Indeed, programs were implemented by the UNHCR and other NGOs in accordance with their perception of a world that appears as such: The snowstorm versus infrastructure, bodies versus cold/sickness, and vulnerable displaced persons versus displaced persons that oppress the vulnerable ones (e.g. child brides versus desperate mothers, or child brides versus oppressive fathers). I believe a sense of betrayal appears when the news reports fail to give impoverishment a social contextualization. What constitutes poverty? And why has the notion of “one less mouth to feed” prevailed among numerous Syrian families, leading to the increase and proliferation of many problems, such as child marriage? Why are the socio-economic necessities (i.e., the elements of basic human rights) difficult to obtain? And why are the drastic living conditions so predominant among the displaced communities, and even among the certain host communities living alongside the displaced communities?
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Perhaps the media images of the state of poverty and the role of exploitation among the disadvantaged displaced Syrian community turns forms of systematic violence into the “normal” state of affairs. Žižek (2008) wrote: “When the media bombard us with those ‘humanitarian crises’ which seem constantly to pop up all over the world, one should always bear in mind that a particular crisis only explodes into media visibility as the result of a complex struggle” (p. 2). Conceivably, this might reflect on how the consequences of the snowstorm on the refugee shelters are socially mediated, due to the fact that the shelters were deliberately built to be semi-permanent, and have at times been dismantled in a forcible manner by the Lebanese authorities. In this context, it was “as if the natural [event] were repeating itself as a social catastrophe” (Žižek 2008, p. 81). The vortex of the snowstorm disrupted the vortex of a social reality that has long been shaped by forms of systematic violence.3 The rise of child marriage cases and the deterioration of shelter were inseparable elements in the state of vulnerability during the Syrian conflict. As Judith Butler (2015) wrote on bodily vulnerability and infrastructure: “I’ve suggested that we rethink the relationship between the human body and infrastructure so that we might call into question the discreteness and self-sufficiency of the human body imagined in a singular form, but secondly, a way of thinking about the human body as a certain kind of dependency on infrastructure, understood complexly as environment, social relations, and networks of support and sustenance that cross the human, animal, and technical divides” (p. 105).
It is important to understand where the deficiency of the urbanized camps’ infrastructure is rooted. Without contextualizing the social, economic, and political composition of these spaces, the viewer is left to consume mere images of dispersed tragedies: oppressed child brides and desperate mothers living vulnerably in broken tents. Their voices became mere depictions, created and framed by the television media. The television channels were more interested in interviewing experts; the reporter reflected on child marriage cases and did not engage with what the subjects had to say on the matter. Moreover, the notion of the desperate mother sacrificing her daughter to solve the family’s financial hardship was generally portrayed from an elitist perspective. This particular representation reminds me
3In the context of this study, the systematic violence is the exploitation of the impoverished, the forcible measures and the policing strategies applied by the Lebanese Armed Forces, etc.
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of Gayatri Spivak’s (2010) essay “Can the Subaltern Speak?”, where the female subaltern embodies a battleground for the dispute between two ideological discourses. In the context of this study, the media images of child brides became mediated between patriarchal norms and the elitist Arab media discourse. While child marriage is represented as a barbaric practice among the poor “foreigners”, the Arab media discourse hampered the child brides’ as well as the mothers’ freedom to speak. In the television media, the spread of famine, sickness, and cold become a result of the snowstorm and the bad weather conditions. Similarly, no one was blamed for the early marriages but the poverty-stricken families. The viewer is left with simplified and distorted concerns in mind. Is it nature in the form of a snowstorm that left the mother with her five children in a broken tent, starving and cold? Is it the individual family’s fault for not being able to feed every mouth in the family? Is it merely a tragedy of life? Is it worth even discussing the plight of social injustice? Perhaps what the news reports disseminated is a reflection of neoliberal ideals that are based on the harsh idea of personal responsibility. In today’s hierarchal society, who is to blame for the state of impoverishment but the impoverished themselves? We cannot be informed in our assessment of the norms that create child brides and vulnerable mothers (because of absent breadwinners) without understanding the social, political, and economical elements that reinforce these norms in the first place. In conclusion, most of the news reports seem sympathetic but detached, aware but uninvolved in the state of impoverishment. Without recognizing what constitutes these families’ destitution, the news reports somehow produced a problematic and flawed representation of it. Poverty is not the fault of the poor or a natural tragedy. When the reporting does not tackle the issue of poverty as a prevailing political phenomenon—stemming from inequality—this results in removing poverty from politics and producing harmful implications for the subject. Poverty appears to be a socio-economic requisite in today’s disparate economic model, where society necessarily produces winners and losers. In other words, the blame is never placed on the system that values the concept of the “survival of the fittest” (House 2009); rather, the poor are blamed for not being able to make ends meet.
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El Zein, Rand, MA, doctoral student in the Department of Communication Studies at the University of Salzburg and a member of the transdisciplinary Doctorate School gender_ transcultural. She obtained her MA in Media Studies from the American University of Beirut, where she worked as a research assistant at the Department of Consumer Behavior, specifically researching poverty consumption in Lebanon. Her current research explores the intersection between gender, geopolitics, mass media, and infrastructure in the Arab world and beyond, and particularly in interrogating the symbolic function of resilience in humanitarian government and neoliberal societies.
Die Migrantin retten!? Zum vertrackten Verhältnis von Geschlechtergewalt, Rassismus und Handlungsmacht Nikita Dhawan und María do Mar Castro Varela
Open Access Dieser Artikel wurde bereits unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ deed.de) veröffentlicht. Sie finden den Beitrag auch hier: https://link.springer.com/article/10.1007/s11614016-0237-3, Österreichische Zeitschrift für Soziologie Heft 41, Seiten 13–28 (2016).
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit den zwingenden feministischen Fragen nach den Verknüpfungen von Geschlechtergewalt, Verletzlichkeit und Handlungsmacht und den Dilemmata, die jene spüren, die sexistische Gewalt innerhalb rassifizierter Communities adressieren müssen. Dabei wird eine postkolonial-feministische Perspektive eingenommen, die eine Sicht auf Migration und Flucht erlaubt, die Annahmen des feministischen Mainstreams gegenüber ‚der anderen Frau‘ kritisch hinterfragt. Angelehnt an Judith Butler (2004) argumentieren wir, dass kollektive Handlungsmacht paradoxerweise gerade dort entstehen kann, wo eine spezifische Verletzlichkeit verortet ist. Selbst wenn sichtbare Verletzlichkeiten nicht selten paternalistische (Schutz-) Maßnahmen zur Folge haben, die zudem gewaltvolle Geschlechterdynamiken stabilisieren, so können im Raum der Verwundbarkeit auch neue Formen von Handlungsmacht entstehen. Kurzum: Es ist möglich, Opfer und zeitgleich N. Dhawan (*) Universität Gießen, Gießen, Deutschland E-Mail: [email protected] M. do Mar Castro Varela Alice Salomon Hochschule Berlin, Berlin, Deutschland E-Mail: [email protected] © Der/die Autor(en) 2020 E. Hausbacher et al. (Hrsg.), geschlecht_transkulturell, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30263-4_18
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Handlungsmächtige zu sein. Und dies ist nur scheinbar paradox. So können wir im Zusammenhang mit der hier interessierenden Subjektposition „hilfsbedürftige Migrantin“ beobachten, dass jede Thematisierung von Geschlechtergewalt das stereotype Bild patriarchaler, gewalttätiger migrantischer Männer und Communities1 stabilisiert und in der Folge rassistische Praxen – manches Mal nolens volens – mobilisiert. Eine vertrackte Situation, denn die NichtThematisierung von Geschlechtergewalt kann in Anbetracht der realen Gewalt kaum als sinnvoll angesehen werden. Um die sozialen Dynamiken besser verstehen und einordnen zu können, werfen wir einen kurzen Blick in die Geschichte der Intersektion von sexistischer und rassistischer Gewalt. Schließlich wird dadurch auch die strukturelle Beziehung zwischen denen bestimmt, die über eine unhinterfragte Zugehörigkeit verfügen, und jenen, die immer wieder zu Anderen gemacht werden: Migrant_innen, Geflüchtete, diasporische Subjekte, ehemalig Kolonisierte, Muslim_innen etc. Dass die Geschlechterbeziehungen der Anderen Westeuropas seit der Kolonialzeit als das Symbol für die Rückständigkeit und den Barbarismus der (ehemals) Kolonisierten galten, ist kaum mehr zu bestreiten. Die Viktimisierung der anderen Frau hat im Westen aber nicht nur eine lange Tradition, sie erfüllt auch wichtige Funktionen (Mohanty 1988; Spivak 1994). Etwas simplifizierend lässt sich dies als ein Prozess beschreiben, der wie folgt aussieht: Die Festschreibung der anderen Frau als Opfer ermöglicht es einerseits der hegemonialen Frau, sich als emanzipiert und modern zu beschreiben. Anderseits werden parallel zur unkritischen Viktimisierung der anderen Frau Interventionen legitimiert, die gegen jene humanistischen Werte verstoßen, die Europa angeblich erst zu Europa machen. Der scheinbar emanzipatorische Diskurs eröffnet einen anti-aufklärerischen Raum, in dem Aufklärung schlicht das ist, was Europa hat, während die Anderen dieser immer nur hinterherhinken können. Machtanalytische Perspektiven können diese Verquickung immerhin soweit entwirren, dass dies als Verbindung lesbar wird.2 Dann lässt sich etwa fragen: Warum hält sich das westliche Vorurteil von der unterdrückten muslimischen oder geflüchteten
1Wie vehement sich das unreflektierte Vorurteil der ‚migrantischen Machos‘ (Gemende et al. 2007) hält, kann an den aktuellen Debatten zu aus Syrien Geflüchteten nachgezeichnet werden. Immer wieder werden etwa junge männliche Syrer repräsentiert, als seien ihre Handlungen weniger rational und stattdessen mehr vom überschäumenden Testosteron bestimmt. 2Eine der Konsequenzen dieser Herrschaftsstrategie ist eine spezifische Konsumtionspolitik, die das Selbstbewusstsein der Europäer_innen stärkt und die Anderen in einem ständigen Verteidigungsmodus zurücklässt.
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Frau mit solcher Vehemenz? Welche Rolle spielen postkoloniale Positionen im feministischen Diskurs des Westens? Wie ist die Beziehung zwischen Rassismus und Sexismus konkret zu beschreiben?3 Das sind einige der Fragen, die den Beitrag rahmen sollen. Die Beantwortung kann hier nur fragmentiert gelingen, doch geht es auch eher darum, auf ein wirkmächtiges Dilemma aufmerksam zu machen, als darum, einfache Lösungen zu propagieren – die immer zwangsläufig problematisch sind. Postkoloniale Gewaltverhältnisse sind komplex. Sie verweigern sich simplen Lösungen und nötigen uns dazu, Ambivalenzen auszuhalten.
1 Geschlechtergewalt und Verletzlichkeit Die feministische Kritik weist eine lange Geschichte diskursiver Interventionen auf einen eng ausgelegten Gewaltbegriff auf. Eine enge Auslegung, die nur körperliche Verletzung als Gewalt anerkennt, wird zurückgewiesen und herausgefordert. Die Debatten um Gewalt in der Familie ermöglichten beispielsweise, den bis dahin geradezu unantastbaren Raum der Familie zu analysieren und die Gewalt, die in diesem von der Öffentlichkeit oft unbemerkt stattfindet, zu skandalisieren: etwa sexuelle Gewalt oder Vergewaltigung in der Ehe. Themen, die lange Zeit als Tabu erachtet wurden. Hervorgegangen sind daraus rechtliche Forderungen wie die nach der Anerkennung unterschiedlicher Formen von vergeschlechtlichen Gewalttaten als Straftatbestand, aber auch Selbsthilfeorganisationen im Bereich sexueller Gewalt entstanden in Konsequenz dieser Debatten. Breit rezipiert wurde in den feministischen Diskussionen Johan Galtungs Konzept der „strukturellen Gewalt“ (1988) wie auch das Foucault’sche der „epistemischen Gewalt“, welches insbesondere innerhalb der feministisch-postkolonialen Theorie eine breite Rezeption erfuhr. Ersteres beschreibt gewaltförmige soziale Strukturen – beispielsweise Bildungssysteme, die nach wie vor insbesondere proletarische Migrant_innen diskriminieren
3Wie
ist etwa zu erklären, dass EMMA, die wohl bekannteste deutsch-feministische Frauenzeitschrift, in aktuellen Beiträgen, die sich mit dem Thema Flucht beschäftigen, von „frauenverachtenden Traditionen“ schreiben kann und zudem noch bemerkt, durch die Fluchtbewegungen seien Menschen- und Frauenrechte in Gefahr. Ein ähnlicher Diskurs wird auch vom Österreichischen Bundesministerium für Inneres mobilisiert, wenn dieses in einem „Refugee-Guide“ die Grundregeln des Zusammenlebens in Österreich erläutert und dabei betont, dass in Österreich Frauen und Männer die gleichen Rechte hätten und die Geflüchteten diese Werte lernen und akzeptieren müssten (Republik Österreich, Bundesministerium für Inneres 2016).
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und ausgrenzen (Castro Varela 2015). Die epistemische Gewalt ermöglicht supplementierend eine Analyse der Wissensproduktionen und fokussiert die Beziehung zwischen Wissen und Macht wie auch ein differenziertes Verständnis von Subjektproduktion dadurch möglich wird. Relevante Fragen sind etwa: Welches Wissen findet Anerkennung? Wer profitiert von welchem Wissen? Und wie wird nicht-hegemoniales Wissen disqualifiziert? Alle diese Diskussionen und begrifflichen Erweiterungen ermöglichen es, Gewalt differenziert zu artikulieren und sie damit politisch adäquater zu adressieren. Die feministische Neukalibrierung des Gewaltkonzepts ließ es darüber hinaus zu, selbst die Nicht-Intelligibilität von Gewalt als Gewalt zu erfassen. So lässt sich fragen, warum es nicht möglich ist, spezifische Gewaltphänomene öffentlich zu artikulieren. Wie kommt es zur De-Thematisierung von Gewalt? Konkret ließe sich beispielsweise fragen, warum Gewalt, die innerhalb der Institution Ehe beziehungsweise in den Familien stattfindet, nicht als solche benannt werden darf. Zweifelsohne profitieren die Täter_innen, während die Opfer erneut viktimisiert werden, indem ihnen die Möglichkeit genommen wird, die Taten öffentlich zu denunzieren. Damit verknüpft ist eine normative Gewalt, die Butler (1999, S. xx) zufolge von den Normen der Gesellschaft selber ausgeht und festlegt, was als nicht-normativ markiert wird. Eine besondere Herausforderung innerhalb der feministischen Auseinandersetzungen stellt darüber hinaus nach wie vor die Biologisierung von Gewalt dar, die sich in Argumentationstaktiken nachweisen lässt, die von einer quasi natürlichen Verletzlichkeit von Frauen ausgehen und die potentielle Gewalttätigkeit von Männern mit deren biologischer Disposition erklärt. Frühe feministische Theorien beharrten noch auf einer strikten Geschlechterdifferenz und vertraten die Ansicht, dass Frauen jenseits aller Unterschiede eine Gewaltgeschichte teilen (Daly 1978).4 Während das Patriarchat als ein weltweites und prinzipiell
4Anhand
der Rezeptionsgeschichte von „Gyn/Ecology“ der US-amerikanischen feministischen Theologin Mary Daly (1978) lässt sich die Problematik solcherlei Vorstellungen gut verdeutlichen. Die radikalfeministischen Ausführungen Dalys wurden seinerzeit von der schwarzen Feministin Audre Lorde zurückgewiesen. Unter anderem weil die Geschichte und Erfahrungen Schwarzer Frauen darin ausgelöscht werden. So schreibt Lorde in einem offenen Brief „What you excluded from Gyn/Ecology dismissed my heritage and the heritage of all other noneuropean women, and denied the real connections that exist between all of us“ (Lorde [1979] (1984a)). Des Weiteren wurde das Buch als transphobisch bezeichnet, weil Daly Geschlechtsanpassungen als „Frankenstein Phänomen“ beschreibt. Viele Feministinnen allerdings feierten die universale Darstellung der männlichen Gewalt gegen Frauen.
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gleich wirkendes männliches Gewaltsystem gegen Frauen beschrieben wurde, wurden Frauen als monolithische Einheit gesehen, die im Patriarchat Gewalt erleidet.5 Im deutschsprachigen Raum war es insbesondere die Frauenforschung zum Nationalsozialismus und Kolonialismus, die in den 1980er-Jahren den entscheidenden Impuls in Richtung Veränderung der Auseinandersetzungen mit „Geschlecht und Gewalt“ setzte (etwa Mamozai 1982). Die These von der Mittäterschaft von Frauen besagt dabei, dass Frauen Gewaltverhältnissen nicht wie einer von außen kommenden Macht gegenüberstehen, sondern dass sie auch an ihnen mitwirken, von diesen profitieren (Thürmer-Rohr 1989). Wenn auch ein Sprechen von Mittäterschaft immer noch einen Unterschied zwischen Tätern und Mittäterinnen konstatierte, so wurde zumindest anerkannt, dass Frauen nicht nur Opfer gesellschaftlicher Verhältnisse sind. Frauen, so ist spätestens seit diesen Interventionen klar, sind verletzungsoffen und zu Gewalt fähig. Je nach sozialer Positionierung können sie auch Privilegien aus machtvollen Gewaltverhältnissen ziehen. In den Kolonien etwa konnte die europäische Frau, auch wenn sie selbst keinen Zugang zu Bildung und/oder ökonomischen Ressourcen hatte, über Sklav_innen verfügen und ihre Respektabilität aus ihrer hegemonial zuerkannten weißen Vorherrschaft ziehen. In ähnlicher Weise gelingt es den dominanten Westeuropäerinnen heute, sich über muslimische Migrantinnen zu erheben, indem sie diesen Emanzipationsfähigkeit absprechen. Muslimische Weiblichkeit und Freiheit scheinen im hegemonialen westlich-feministischen Denken inkommensurabel zu sein. Auch aufgrund dieser Diskurse scheint ein Sprechen von einem „imperialistischen Feminismus“ (Spivak 1994) durchaus gerechtfertigt. Die Mittäterschaftsthese führte zudem zur Sichtbarmachung des nie wirklich vorhandenen Konsenses innerhalb der feministischen Theorie und Praxis (Spivak 1994).6 Mit der Thematisierung von Rassismus und Antisemitismus im weitesten Sinne konnte nicht mehr an der These festgehalten werden,
5Eine
Auseinandersetzung mit Heteronormativiät und einer Zweigeschlechterordnung ist hier kaum nachweisbar. Erst mit einer stärkeren Rezeption poststrukturalistischer Ansätze in feministischen Schriften und der schrittweisen Etablierung der Queer Studies werden die Kategorien von „Mann“ und „Frau“ produktiv hinterfragt. 6Hier sollte angemerkt werden, dass das Sprechen von einer universalen Frauenbewegung immer schon Angriffen ausgesetzt war. Die erste deutsche Frauenbewegung etwa spaltete sich in eine bürgerliche, radikale, jüdische und proletarische Frauenbewegung, die nicht nur unterschiedliche Flügel der Bewegung vertraten, sondern deren Politiken und Ziele durchaus antagonistisch waren. Es ist mühsam, den Beginn der kritischen Differenzdebatten zu markieren, aber ganz sicher liegt dieser weit vor der Einführung des Intersektionalitätsansatzes in den 1990er-Jahren.
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die Geschlechterdifferenz sei das entscheidende Element zwischenmenschlicher Gewalt.7 Aufbauend auf diesen Überlegungen wird im Nachfolgenden Geschlechtergewalt in fluchtmigrantischen8 Communities skizziert, ihre gleichzeitige Thematisierung und De-Thematisierung problematisiert und die Notwendigkeit einer intersektionalen Betrachtungsweise von Gewalt formuliert.
2 Geschlecht und (De-)Kolonisierung In Zeiten eines zugespitzten globalen antimuslimischen Klimas müssen wir uns fragen, ob über Gewalt innerhalb muslimischer Communities überhaupt öffentlich gesprochen werden kann, ohne dass dieses Sprechen gewalttätigen Hass schürt. Doch kann andersherum ein Verschweigen sinnvoll sein, wenn dabei doch die faktische Geschlechtergewalt relativiert wird? Zurzeit wird beispielsweise jede Nachricht über Gewalt in den Unterbringungen oder von einzelnen Gewalttaten von Geflüchteten9 gegenüber Frauen dazu genutzt, Gewalt gegen Menschen, die sich auf der Flucht befinden, zu legitimieren und ihre Kriminalisierung fortzuschreiben. Um uns diesen schwierigen Fragestellungen zu stellen, werfen wir einen kurzen Blick auf die Diskurse im Zusammenhang von (post-)kolonialer Fluchtmigration und muslimischen Fluchtmigrant_innen in Europa. Dabei wird versucht die Kontinuitätslinien freizulegen, die seit der imperialen Herrschaft Europas die ideologische Instrumentalisierung der Gewalt an Frauen, die innerhalb (post-)kolonialer und fluchtmigrantischer Communities stattfindet, transparent werden lässt. Wir fragen uns: Wer stimmt dem essenzialisierenden Reden von dem Islam oder den muslimischen Geflüchteten zu? Welche Funktion erfüllen
7Die
Debatten im deutschsprachigen Raum knüpfen dabei kaum zufällig an die USamerikanischen Interventionen afroamerikanischer Feministinnen an, die in den 1980erJahren den Rassismus der weißen Frauenbewegung offen legten und einen Black Feminism inaugurierten, der weitreichende politische und theoretische Debatten zur Folge hatte (etwa Lorde 1984b; Hill Collins 1990). 8Die Bezeichnung „fluchtmigrantisch“ versucht die Verschlungenheit von Flucht und Migration zu betonen und dabei gleichzeitig die Differenz zwischen den beiden Erfahrungen nicht zu löschen. 9Geschlechtergewalt in den Erstunterbringungen von Geflüchteten ist eine nicht zu verleugnende Tatsache. Zumeist wird hier weggesehen und argumentiert, die Geflüchteten hätten zurzeit wichtigere Probleme. Für die Frauen bedeutet dies, dass sie kaum Unterstützung erhalten und mithin der Gewalt ausgeliefert sind.
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die öffentlichen Diffamierungen von Menschen, die auf der Flucht sind? Und welche Rolle spielen hier Geschlechterdynamiken? Wir nehmen dabei sowohl die pauschalisierenden Repräsentationen des Islams und der Muslime und Muslima in den Blick als auch Vorstellungen von den Afrikanern und der afrikanischen Kultur, die per se als frauenverachtend beschrieben wird. In On the Postcolony (2001, S. 39–52) hat Achilles Mbembe überzeugend herausgearbeitet, welche Rolle die Repräsentation des afrikanischen Kontinents als „Leere“ für die europäische Selbstwahrnehmung hat. Dass innerhalb dieser und ähnlicher Diskurse die Geschlechterdynamiken eine wichtige Rolle spielen, lässt sich dagegen in den Schriften feministisch-postkolonialer Autor_innen nachlesen (etwa McClintock 1995). Als gewalttätiges Zusammentreffen westlicher mit präkolonialen patriarchalischen Hegemonien kann Kolonialismus ohne eine Theorie der Geschlechterregimes kaum verstanden werden (Spivak 1994). Die postkoloniale Kritikerin McClintock (1995) argumentiert darum sehr richtig, dass die Erfahrungen mit Rassismus, Sexismus und Klassenunterdrückung nicht unabhängigen Bereichen zugeordnet werden können. Vielmehr stehen diese in einer gegenseitigen – manchmal widersprüchlichen und konfliktgeladenen – Beziehung zueinander (McClintock 1995, S. 5). Gemäß dieser Vorstellung sind ,Rasse‘ und Geschlecht nicht primär eine Frage von Hautfarbe und Sexualität, sondern ebenso eine von unterworfener Arbeit und imperialer Ausplünderung (McClintock 1995, S. 6). Imperialismus kann für McClintock ohne eine Theorie der Geschlechterregime auch deswegen schwerlich verstanden werden, weil die Mehrheit kolonisierter Frauen bereits vor der Kolonisierung eine prekäre soziale Position innehatte. Eine Tatsache, die ihrer kolonialen Ausbeutung einen anderen Charakter verlieh, als dies für die kolonisierten Männer der Fall war. Geschlechterdynamiken – wie auch Sexualitätspolitiken – erwiesen sich als fundamental wichtig, um die imperialen Herrschaftsverhältnisse zu sichern. Kaum zufällig wurde auf beiden Seiten der kolonialen Grenzziehung der weibliche Körper zur Markierung kultureller Differenz instrumentalisiert (Castro Varela und Dhawan 2015, S. 47–49). Die tatsächliche Geschlechtergewalt innerhalb kolonisierter Gesellschaften lieferte den Europäer_innen eine unentbehrliche Legitimation für die koloniale Gewaltherrschaft. Die imperialen Herrscher plädierten für eine „zivilisatorische Reformbewegung“ (Spivak 1994), die die koloniale Mission als geradezu unweigerliches Ereignis charakterisierte (Castro Varela und Dhawan 2015, S. 193–195). Zudem vermittelte die koloniale Ideologie dem europäischen Mann, dass er es sei, der die Bürde zu tragen habe, dem ,Rest der Welt‘ die zivilisatorischen Errungenschaften Europas zu überbringen (Spivak 1994), – wenn es sein müsse mit Gewalt. Zu diesen Errungen-
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schaften wurde immer auch die Geschlechtergerechtigkeit gezählt. Doch wissen wir um die Kämpfe, die in Europa eben zu jenen imperialen Zeiten10 geführt wurden: Im 19. Jahrhundert forderten Frauen einerseits das Wahlrecht und ein umfassendes Recht auf Bildung und hatten noch für viele Jahre nicht denselben Zugang zu öffentlichen Räumen wie weiße europäische Männer. Auf der anderen Seite interpretierten die antikolonialen nationalistischen Bewegungen Interventionen in Richtung mehr Geschlechtergerechtigkeit als kolonialistischen Eingriff und reagierten darauf mit eigenen Neuordnungen des Geschlechterregimes. Sie fürchteten und beklagten die Verwestlichung der ,eigenen Frauen‘, während ihnen ein gewisser Grad der Imitation des Westen für die Männer als unvermeidbar galt. Der indigenen Frau wurde im antikolonialen nationalistischen Diskurs durchaus kulturelle Überlegenheit zuerkannt, doch die Ehre der respektablen Frau verlangte dennoch nach Verteidigung (Sangari und Vaid 1989). Der westliche Feminismus wurde von den antikolonialen Nationalisten geradezu systematisch verteufelt, galt es doch die Grenzziehungen zwischen den westlichen und den indigenen Frauen zu erhalten. Darüber hinaus nutzten die verschiedenen religiösen Institutionen den Körper der Frau als Schlachtfeld in ihrem Kampf um Erlangung institutioneller Macht (Jayawardena und de Alwis 1996, S. ix; van der Veer 2001, S. 96 ff.). Die Überschneidung von religiösem Nationalismus und patriarchaler Gewalt ist Bestandteil aller sogenannten Fundamentalismen, ganz gleich ob es sich dabei um Hinduismus, Buddhismus, Islam, Sikhismus oder das Christentum handelt. Gleichzeitig darf nicht vergessen werden, dass religiöse Bewegungen äußerst machtvolle Oppositionsbewegungen gegen die koloniale Herrschaft darstellten. Dies ist geradezu symptomatisch für ihre ambivalente Position. Im anti-imperialen Widerstand konstruierten diese eine nationale Identität und ein kulturelles Bewusstsein als wirkungsmächtige Alternative zu der aufoktroyierten Identität und Kultur der europäischen Herrschaft. Doch genau diese effektvolle antikoloniale Waffe hatte für das Leben von Frauen in den (ehemaligen) Kolonien schwerwiegende Folgen. Das nationalistische Projekt setzte eine symbolische Ordnung kultureller Reinheit durch, während Frauen gleichsam zum Eigentum des männlich-nationalen Kollektivs erklärt wurden, welches vor den moralisch verdorbenen westlichen Einflüssen geschützt werden musste. Aus diesem Grunde wurden juristische und reformerische Transformationen als Einmischung der (kolonialen) Regierungen in den heiligen Raum der Familie interpretiert und zum Widerstand gegen diese aufgerufen (Jayawardena und de
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des 19. Jahrhunderts gilt als die Hochzeit der imperialen europäischen Herrschaft.
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Alwis 1996, S. xi). Für Frauen bedeutete dies fortan, eine äußerst schwierige Position zwischen Geschlecht und religiöser Identität besetzen zu müssen. Dieses Dilemma hatte zur Folge, dass einige Frauen den Kampf für die eigene kulturelle und religiöse Identität über den Kampf um Geschlechtergerechtigkeit stellten (Jayawardena und de Alwis 1996, S. xiii). Eben weil das nationalistische Projekt auf die religiöse und ethnische Identität beschränkt blieb, wurde die den Frauen zugewiesene Rolle der Zuständigkeit für die Reinhaltung der nationalen Identität schicksalsträchtig (Jayawardena und de Alwis 1996, S. xiii). Aus diesem Grunde ist die Dekonstruktion religiöser und ethnischer Identitäten ein entschieden politisches Projekt, denn die Thematisierung von Geschlechtergewalt stellt eine wichtige Strategie dar, um die illusionäre Natur religiöser nationaler Identitäten freizulegen (Jayawardena und de Alwis 1996, S. xv). So ist es möglich, stereotype Vorstellungen von als monolithisch beschriebene Religionen und homogene Gemeinschaften über ein nuanciertes Lesen der Verortung muslimischer Frauen innerhalb ihrer religiösen und ethnischen Community wie auch in ihrem Verhältnis zu Recht, Staat und Ökonomie in ihrer Fragmentierung offenzulegen (Jayawardena und de Alwis 1996, S. xv). Die Ablehnung von Frauenrechten durch heutige religiöse Führer legitimiert nicht nur ein repressives patriarchales Regime, sondern spielt auch den Interessen einiger (postkolonialer) Staaten und diasporischer Communities in die Hände, die nach wie vor das Ziel verfolgen, eine singuläre Identität zu formen (Jayawardena und de Alwis 1996, S. xvi). Darüber hinausgehend zeigen die sexuellen und moralischen Kodierungen, die Frauen über hegemoniale patriarchale Institutionen und Instrumente wie Staat, Recht, Religion, Familie, Community etc. aufgezwungen wurden, entscheidende Ähnlichkeiten. So sind es beispielsweise immer die weiblichen Mitglieder, die dazu verpflichtet werden, die angeblichen Traditionen ethnisierter Gruppen zu schützen (Coomaraswamy 2005). Die Erfindung der Traditionen hat hier einen repressivfunktionalen Charakter. Bei der Analyse genderspezifischer Unterdrückungsformen scheint es geboten, die historischen Verbindungen in den Blick zu nehmen, da es diese Verflechtungen sind – ein Erbe kolonialer Herrschaftstaktiken –, die jeden Kampf um Geschlechtergerechtigkeit von Frauen im globalen Süden wie auch in fluchtmigrantischen und diasporischen Kollektiven mit dem westlichen Imperialismus beziehungsweise hegemonialen Kräften verbindet (Castro Varela und Dhawan 2015, S. 163–166). Daneben ist es notwendig, die aktuellen sozialen Positionierungen von Frauen historisierend zu betrachten, so dass transparent wird, dass Praxen, die einst für die Handlungsmächtigkeit derselben standen, häufig im Prozess der Kolonisierung in unterdrückerische transformiert wurden (Oldenburg 2002).
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Heute sind die postkolonialen Regierungen überwältigend männlich, während die physische Gewalt gegen Frauen in den postkolonialen Räumen zu- und nicht abnimmt (Dhawan 2013b). Saskia Sassen hat in diesem Zusammenhang den scharfen Begriff „feminization of survival“ (2000) geprägt, der darauf verweist, dass die Mehrheit der weltweit sich auf der Flucht befindenden Millionen von Menschen weiblich ist und dass es vor allem Frauen sind, die die gewaltigen Kosten der Konflikte, Kriege, des Klimawandels und der neoliberalen Globalisierung zu tragen haben. Das koloniale Erbe beeinflusst selbst die soziale Positionierung von Frauen im globalen Norden und rahmt die Möglichkeiten ihrer Handlungsmacht. Die differenzierten postkolonialen Analysen, so unsere Annahme, zeigen sich für die Beschreibung der diffizilen Situation fluchtmigrantischer Frauen als durchaus ertragreich.
3 Rassismus – Sexismus und die vertrackte Situation der Fluchtmigrantin Aihwa Ong zufolge kämpfen muslimische Feministinnen heute weltweit sowohl gegen ein islamisches Patriarchat als auch gegen einen kulturellen und ökonomischen Imperialismus (Ong 1999, S. 355). Der Repräsentation als die kulturell Anderen, als rückständig und prämodern, versuchen islamische Autoritäten unter anderem dadurch zu begegnen, dass sie religiöse Moralvorstellungen durchsetzen, die erneut Frauen unterwerfen. Ein bekanntes Muster, denn wenn Männer als kulturell minderwertig konstruiert werden, so Ong, begegnen sie der Unterwerfung und Demütigung nicht selten mit einer Retraditionalisierung der Frauen zugewiesenen Rollen. Es wird dann nach einer Belebung angeblich traditioneller Werte gerufen und die Abschirmung gegen Außeneinflüsse vorangetrieben (Ong 1999, S. 355). In den letzten Jahrzehnten hat Ong zufolge der islamische Diskurs an vielen postkolonialen Orten – wie auch in der Diaspora – ein islamisch-männliches Ethos artikuliert, das Frauen in die häusliche Sphäre zurückband (Ong 1999, S. 357). Ong führt hier das Beispiel der malaiischen Debatte um Gewalt in der Ehe an. Schon die Idee wurde in Malaysia von der konservativen Mehrheit als westlich beschrieben und so die Diskussion bereits auf Begriffsebene als kulturell unangemessen abgelehnt (Ong 1999, S. 367). Beispielhaft zitiert sie in diesem Zusammenhang den Vorsitzenden der malaiischen Anwaltskammer, der bemerkte: „We should not blindly import concepts unsuitable for our cultural background and values“ (Ong 1999, S. 367). Es ist dies ein gutes Beispiel für die recht übliche Taktik, die Erfolge lokaler feministischer Bewegungen mit einer Diskussion um westliche Werte zu diskreditieren.
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Diese Praxis hat unweigerliche Auswirkungen auf Dynamiken in der Diaspora. So spricht die Rechtsanwältin Sara Hossain, die sich extensiv mit Zwangsehen innerhalb diasporischer Communities beschäftigt hat (Hossain 2005, S. 384), von einem postkolonialen Paternalismus, der die Fluchtmigrantin als Opfer positioniert und gleichzeitig fluchtmigrantische Communities dämonisiert. Mit der Folge, dass sexistische Gewalt innerhalb fluchtmigrantischer Räume (IWSPACE 2015) den angeblich wichtigeren Kämpfen gegen Rassismus untergeordnet wird. Es scheint uns dringlich, diese verzwickte Lage zu beleuchten, da ansonsten die Frage nach Geschlechtergewalt zwischen Rassismus und Kulturrelativismus unterzugehen droht oder nur von denjenigen auf die politische Agenda gesetzt wird, die sie zur Instrumentalisierung eigener Herrschaftsinteressen zu funktionalisieren wissen. Ähnlich der Selbstdarstellung der Kolonialherren, die behaupteten, dass sie die unterdrückte kolonisierte Frau retten müssten, ist es Teil der dominanten Selbstrepräsentation Europas, sich als die rettende Instanz der ‚hilfsbedürftigen Fluchtmigrantin‘ zu verstehen. Die stereotypen Repräsentationen zeigen etwa muslimische Frauen als Opfer ihrer Religion und Kultur. Die handlungsmächtige Muslima scheint dagegen nicht darstellbar zu sein. Dabei wird weiter an einer asymmetrischen Ignoranz festgehalten, die nicht willens ist, sich der Komplexität des Islams zu stellen, dessen Praxen sich deutlich nach historischen, regionalen und ethnischen, aber auch klassenspezifischen Kontexten unterscheiden (Said 1978). In den westlichen Medien finden wir dagegen fast durchgehend eine dekontextualisierte Darstellung des Islams als barbarisch, frauenfeindlich und homophob (Said 1997; Dhawan 2013a). Lila Abu-Lughod (2013) dagegen verwehrt sich gegen eine Homogenisierung der muslimischen Frau und ihrer Konstruktion als Opfer des Islams. Dies, so Abu-Lughod, würde schließlich nur dem Westen nutzen, der seine kolonialen Rettungsfantasien weiter ausleben und dadurch Interventionen unterschiedlicher Art – auch kriegerischer – legitimieren kann. Gleichzeitig werden die komplexen Machtkonfigurationen, die das Handlungspotential muslimischer Frauen einschränken, rigoros verkannt. Dabei darf nicht unerwähnt bleiben, dass das Bild der handlungsohnmächtigen Fluchtmigrantin im Allgemeinen und der muslimischen Frau im Besonderen auch von einem westlichen säkularen Feminismus gestützt wird (etwa Mohanty 1988, S. 151). Shahnaz Khan (2005, S. 310) bemerkt, dass antikoloniale und antiwestliche Bewegungen nicht nur durch eine Zunahme sozialer und sexueller Kontrolle von Frauen charakterisierbar sind, sondern sie dies regelrecht zum Mittelpunkt ihrer identitätspolitischen Agenda erheben. Wenn Frauen, die durch den orientalistischen Diskurs entfremdet wurden, sich auf der Suche nach Identität dem Islam zuwenden, so sehen sie sich nicht selten mit islamistischen
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Versuchen konfrontiert, ihre Körper in eine rigide sexistische Struktur einzupassen. Orientalismus und Islamismus bilden gewissermaßen zwei Seiten einer Medaille: Im Ergebnis wird die muslimische Frau ihrer Selbstbestimmung beraubt und in ihrer Selbstrepräsentation eingeschränkt. In der Migration, auf der Flucht und im Exil sieht sie sich Rassifizierungsprozessen gegenüber, während sie nicht selten einer rigiden sozialen und sexuellen Kontrolle durch die eigene ethnisch-religiöse Community unterworfen wird (Shahnaz Khan 2005, S. 333). Das M uslimisch-Sein der Frauen innerhalb einer marginalisierten sozialen Gruppe, so Khan, ist signifikant fragiler als in den Herkunftsländern (Shahnaz Khan 2005, S. 312). Während die Integration als ein Schlüsselprozess für Erfolg beschrieben wird (kritisch hierzu Castro Varela 2013), müssen fluchtmigrantische Frauen gleichzeitig ihre Positionierungen innerhalb der eigenen Community aushandeln. Diskurse, die fluchtmigrantische Kollektive als statisch und monolithisch wahrnehmen, schränken den Handlungsradius der weiblichen Subjekte stark ein. Wenn sexistischen Angriffen innerhalb und außerhalb der eigenen Community widerstanden wird, so kann dieser Widerstand der minorisierten Gruppe als Ganzes schaden. So werden fluchtmigrantische Frauen letztlich in einer Gesellschaft verletzlich zurückgelassen, in der sie nicht nur Sexismus, sondern auch Rassismus bewältigen müssen (Shahnaz Khan 2005, S. 313). Muslimische Migrantinnen, so Khan, werden erst in das Kollektiv der Anderen verbannt und dann entwertet, weil sie eben diesem Kollektiv angehören (Shahnaz Khan 2005, S. 314). Patriarchale, ahistorische und romantisierende Betrachtungen der ,eigenen Kultur‘ verneinen dagegen gleichsam die Dynamik von Identitätsverhandlungen innerhalb von migrantischen Communities. Obendrein tendiert der dominante Mediendiskurs dazu, den Dualismus zwischen den „Unterdrückten“ und den „Emanzipierten“ zu verstärken, sodass zum Beispiel die orientalistische Perspektive auf das Kopftuch als unterdrückend der islamistischen Perspektive desselben als befreiend gegenübersteht (Shahnaz Khan 2005, S. 314). Die Suche nach Strategien gegen sexistische und rassistische Gewalt gerät zu einer schwierigen und komplexen Praxis.
4 Fluchtmigration und sexualisierte Gewalt Migration und Flucht sind geradezu zu Symbolen globaler Ungleichheiten geworden. Die Möglichkeiten für Menschen auf der Flucht, auf legalem Wege in den globalen Norden einzuwandern, werden immer weniger. Europa schottet sich ab: Routen werden durch Zäune und Mauern versperrt, die Einwanderungsgesetze überall verschärft, Quoten eingeführt, zwischenstaatliche
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Deals geschlossen, die nur die angebliche Sicherheit der eigenen Bürger_innen im Fokus haben, und das gesamte administrative Procedere der Legalisierung: Registrierung, Antragstellung, Zuweisung etc. wird mehr und mehr kafkaesk. Mobilität wird zunehmend illegalisiert, doch hindert dies die Menschen nicht daran, weiterhin vor Verfolgung, Elend und Krieg zu fliehen. Die extra-legale Grenzüberschreitung erweist sich dabei für Frauen (wie auch Queers) auch aufgrund sexualisierter Gewalt und geschlechtsspezifischer Verletzlichkeiten als signifikant schwerwiegender. Die europäischen Nationalstaaten allerdings betonen die Verletzbarkeit ihrer Grenzen und haben einen Diskurs der Angst vis-à-vis der Fluchtmigration etabliert, der die zunehmende Ausgrenzung und Gewalt gegenüber Fluchtmigrant_innen legitimiert. In der Silvesternacht 2015/2016 kam es in Köln und Hamburg zu sexuellen Übergriffen auf Frauen. Unterschiedliche Gruppen junger Männer, die als nicht-deutsch – manchesmal als arabisch – beschrieben wurden, haben Frauen sexuell belästigt und bestohlen. Die Zahlen variieren stark, aber die Rede ist von einer dreistelligen Zahl und mithin von schweren Vorfällen, auf die international medial reagiert wurde. Spannenderweise geht es in den Debatten um die Silvesternacht jedoch weniger um die tatsächliche sexualisierte Gewalt: eher wird die Herkunft der Täter thematisiert. Und so geht es in den Debatten kaum um Formen und Strategien des Opferschutzes, sondern um die Verschärfung des Asylrechts und um die Forderung nach einer erleichterten Abschiebung von jungen muslimischen Geflüchteten. Sexismus wird zu einem Problem männlicher muslimischer Subjekte, und das, obwohl bekannt ist, dass Sexismus in europäischen Städten ubiquitär ist. Die Fokussierung auf die vermeintlich arabische Herkunft der Täter in den Berichterstattungen vernachlässigt darüber hinaus, dass nach wie vor die meisten sexuellen Übergriffe von Verwandten und (Ex)Partnern ausgehen und dass Women of Color in Europa nicht nur jeden Tag sexualisierte Übergriffe erleben, sondern dass rassistische Praxen geradezu zu ihrem Alltag gehören. Weswegen die Soziologin Kira Kosnick (2016, S. 2) zu Recht bemerkt, dass zum einen „über die Funktion und Bedeutung von sexualisierter Gewalt und strukturellem Sexismus gesprochen werden sollte“ und dass zum anderen die Diskussion erst komplett und sinnvoll wäre, wenn auch über Rassismus und die andauernde Gewalt gegen Geflüchtete gesprochen würde. Die zahlreichen Übergriffe auf Geflüchtete und die grausamen Angriffe auf die Unterkünfte von geflüchteten Menschen, die in Deutschland und Österreich Schutz suchen, sind schließlich mehr als beängstigend. Darüber hinaus zeigen die Diskurse rund um die sexualisierte Gewalt, die nur Geflüchteten zugeschrieben wird, wie schnell die Mehrheit nicht nur wieder Rassismus salonfähig macht, sondern auch listig feministische Forderungen instrumentalisiert,
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um rassistische Diskurse zu legitimieren. Die Bildungswissenschaftlerin Astrid Messerschmidt (2016, S. 1) weist zudem auf eine andere Funktion dieser spezifischen Thematisierung hin. „(D)ie Ereignisse“, so Messerschmidt, „bieten eine Gelegenheit, um etwas anderes zu tun: nämlich den nationalen Innenraum als unschuldig zu repräsentieren. Unschuld ist eine Obsession in der Bundesrepublik Deutschland, Ausdruck einer postnationalsozialistischen Resonanz.“ Die Täter von Köln haben nicht nur alle Männer, die als anders markiert werden, diskreditiert, sie befreien auch die europäischen Männer von dem Verdacht des Sexismus und Rassismus. „Die Skandalisierung der Straftaten in der Silvesternacht als Integrationsproblematik ist ein erschreckendes Beispiel für die Kulturalisierung des politischen Diskurses“ (Kosnick 2016, S. 2). Ein statisches und essentialistisches Kulturverständnis muss in einer Situation, in der die patriarchale Unterdrückung von Frauen als unveränderliches Merkmal des Islams oder auch einer ‚arabischen Herkunftskultur‘ betrachtet wird, fatale Konsequenzen zeitigen – das umso mehr, wenn die Reinheits- und Unschuldsobsession deutscher und österreichischer Mehrheitsangehöriger mitbedacht wird. Kultur und Religion können nicht, wie Kosnick richtig schreibt, „isoliert von geopolitischen Machtverhältnissen, globaler sozialer Ungleichheit und kolonialer Geschichte diskutiert werden“ (Kosnick 2016, S. 2). Positiv sind deswegen die erstarkenden feministischen Widerstände, die Feminismus immer als gleichzeitig antisexistisch und antirassistisch11 beschreiben. Diese verdeutlichen, dass die zum Teil scharfen Debatten in der weißen Frauenbewegung um Rassismus, Klassismus und Antisemitismus nicht einfach verpufft sind.
5 Die Fluchtmigrantin und ihre dilemmatische Position vis-à-vis dem (europäischen) Staat Eine selektive, sehr spezifische Positionierung gegenüber dem nicht-westlichen Feminismus scheint in der Mehrheitsbevölkerung die Regel zu sein. So ist es nur auf den ersten Blick paradox, dass etwa das Interesse an Frauen wie Malala Yousafzai, die jüngste Preisträgerin in der Geschichte des Nobelpreises, mit antimuslimischen Politiken einhergeht. Die westliche Porträtierung dieser Frauen folgt dabei einem immer gleichen Schema: Sie sind die einsamen, starken Streiterinnen im Kampf gegen das Patriarchat ihrer Kultur und Religion. Selten werden sie
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dagegen als Teil großer sozialer und politischer Bewegungen gesehen, die in diesen Ländern für mehr Freiheit und Demokratie kämpfen (Amireh 2005, S. 269; Mernissi 1992). Es kann also kaum verwundern, dass problematische Bücher wie zum Beispiel jene von Necla Kelek oder Seyran Ates¸ weiterhin Bestseller sind. Die Politik der Repräsentation tappt hier gewissermaßen in eine bekannte Falle: Die authentische Stimme spricht und sagt das, was die Mehrheit hören will. In diesem Moment verquickt sich ein hegemoniales Zuhören, welches nur das hört, was die dominanten Verhältnisse reflektiert, mit der Forderung der politisierten Minderheiten nach dem Recht auf eine eigene, eben authentische Stimme. In den letzten Jahrzehnten hat sich im Westen geradezu ein Fluchtmigrant_ innen-Rettungsdiskurs etabliert, der gewinnbringend vermarktet wird, indem in Büchern, Talkshows, wissenschaftlichen Arbeiten etc. exakt die Bilder geliefert werden, die die Mehrheit sehen will. Dies erinnert uns an eine lange voyeuristische Tradition im Westen, die einer Nostalgie nach der ganz Anderen frönt, die auf ihre Rettung durch den Westen harrt. Gleichzeitig ist zu bezweifeln, dass die Verharmlosung und Negierung von Gewalt innerhalb fluchtmigrantischer und diasporischer Communities eine gute Idee ist. Die fatalen Effekte einer solchermaßen einseitigen Strategie für das Leben rassifizierter Frauen sind aus den nationalen Unabhängigkeitskämpfen ehemaliger Kolonien wohl bekannt. Sie schützen die Communities im Allgemeinen, gefährden aber das Leben minorisierter Frauen (und auch anderer Minderheiten innerhalb der Minderheiten). Wie wir gezeigt haben, ist im Westen die Strategie der Legitimierung von Dominanz durch das Motiv der notwendigen Befreiung der anderen Frau nicht neu, weswegen die aktuellen Debatten um Migration und Integration nicht zufällig deutlich koloniale Züge zeigen, die unter anderem rassistische Praxen legitimieren. Die Verschärfung des Migrationsrechts, brutale Grenzziehungen und die immer stärkere Kontrolle von Fluchtmigrant_innen werden unter anderem damit begründet. Der Ruf nach mehr Staat, der Produkt dieses Diskurses ist, geht einher mit Forderungen nach erleichterten Abschiebungen, Erschwerung der Einreise etc. Schließlich ist er Teil eines Bedrohungsszenarios, welches Flucht und Migration schlichtweg zum Sicherheitsrisiko erklärt, auf das mit mehr staatlicher Kontrolle reagiert werden müsse (Castro Varela 2005; Brown 1992). Im Kontext von antiislamischem Rassismus, eines zunehmenden religiösen Fundamentalismus und der anhaltenden Gewalt gegen Frauen ist es dringend geboten, eine Perspektive einzunehmen, die sich auf die Überschneidungen unterschiedlicher Machtachsen konzentriert. Doch muss gleichzeitig auch der Interessenskonflikt innerhalb migrantischer Kollektive für eine Analyse der Gewalt gegen Fluchtmigrant_innen grundlegend sein.
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6 Schluss Integrationspolitiken versuchen Migrant_innen und Geflüchtete in eine imaginierte Gemeinschaft einzufügen. Fokussieren wir die weiblichen Mitglieder fluchtmigrantischer und diasporischer Communities aus einer feministisch-postkolonialen Perspektive, so wird ein Dilemma sichtbar, welches für die Instrumentalisierung von Migrantinnen und Geflüchteten verantwortlich zeichnet. Ein wachsender anti-muslimischer Rassismus, der sich in Europa immer wieder gewalttätig Ausdruck verschafft, scheint eine adäquate Artikulation sexistischer Gewalt innerhalb muslimisch-fluchtmigrantischer Communities – oder von fluchtmigrantischen Männern ausgehend – unmöglich zu machen. Werden sexistische Vorfälle hier skandalisiert, führt dies unweigerlich zur Bestätigung rassistischer und orientalistischer Vorurteile, die rassistische Alltagspraxen und die Verschärfung von Asyl- und Migrationspolitiken zu legitimieren scheinen. Eine gute Lösung scheint es nicht zu geben, und dennoch muss beständig beides gemacht werden: das Offenlegen rassistischer Praxen und die Thematisierung von Gewalt gegen Frauen (und anderer verletzlicher Subjekte) innerhalb fluchtmigrantischer und diasporischer Communities. Dies erfordert ein hohes Maß an dekonstruktiver Wachsamkeit und ein politisch-strategisches Nachdenken, welches auch ein Nachdenken über die Rolle, die der Staat in diesem Dilemma einnimmt, beinhaltet. Auch hier gilt es, eine feministische Politik zu etablieren, die das Unmögliche wagt, um Dekolonisierung und Demokratisierung voranzutreiben. Die Auseinandersetzung mit den Dilemmata und Aporien scheint der einzige gangbare Weg zu sein.
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Castro Varela, María do Mar, Dr., Diplom-Psychologin, Diplom-Pädagogin und promovierte Politikwissenschaftlerin, Professorin für Allgemeine Pädagogik und Soziale Arbeit an der Alice Salomon Hochschule Berlin. Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Gender und Queer Studies, die Postkoloniale Theorie, Kritische Migrationsforschung, Kritische Bildungswissenschaften und Trauma Studien.
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