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German Pages 479 [491] Year 1788
Geschichte des
Thomas Jones eines Findelkindes.
Mores hominum inu 11orum vidit.
Fünfter Band. Aus dem Englischen.
Leipzig, bey Georg Joachim Gischen.
Geschichte
des
Thomas Jones eines
Findelkindes. Fünfter Band.
A s
Geschichte des
Thomas Jones eines
Findelkindes.
Dreyzehnteö Buch. Enthält einen Zeitraum von twölf Lagen-
Erstes Kapitel. Eine Anrufung. omm, strahlende Liebe des hohen Ruh mes, komm, begeistre meine glühende Brust! Nicht Du, Dich ruf' ich nicht an, die Du auf emporsteigenden Wogen von Blut und Thränen den Helden hintragst zur A 3 glan.
Thomas
VuchXlll.
glanzenden Siegespforte, indessen die Senf, zer von Millionen Elendgewordcnen seine ausgespreitetcn Segel schwellen! Nein, nur Dich, schönes, holdes Mädchen, von M ne« sis, der glücklichen Nymphe, zuerst an dm Usern des Hebrus gezeuget. Dich ruf« ich an, Dich, die Du in Maouicn erzogen wardst, die Du Dein Mantua mit Zärtlich« kcit liebtest, und die Du gern sitzest auf dm Höhen des steilen Hügels bey Deinen Lieb lingen , den unsterblichen Sangern der Wahrheit und Natur, und ihnen zufachelst die Kühlung des lieblichen Zephyrs, wann pon dem hohen Geschäft, mit ihrer heroi« schm Leyer die Herzen der horchenden Sterb lichen zu entzücken, ihre strahlen« umwunde« ue Schläfe glühen! Fülle Du meine wonne« trunkene Phantasey mit der süßen Hofnung, noch einst der Liebling entfernter Zeiten zn seyn! Weissagemir: das empfindsame Mäd chen, deß Großmutter noch erst späterhin die Welt betasten soll, werde, wann sie un« ter
Kap.l.
Jones.
7
ter dem bichtrischen Namen Sophia die Züge hoher Würde und Schönheit lieft, die ehedem in meiner Charlotte wirklich die Welt beglückten, werde aus sympathetischem Busen tiefe Seufzer entwickeln. Lehr' Du mich voraussehn in der Zukunft den Lohn der Nachwelt; nicht nur voraussehn, son dern auch sein genießen; ja, mehr noch, als sein genießen — lehr' mich an ihm meines Lebens nöthige Weide finden! Sprich Ruh' und Trost in meine Seele, durch die feyerliche Verheißung, man werde mich lefirn, auch dann noch, wann längst dasZimmerchen, worin ich eben hier sitze, enger noch schwinden wird, zum schnöden Moder schrein; auch dann noch werden mich lesen, mit Preis und Ehren, sie, die mich nicht sahen, nicht kannten, und die ich nie kennen werde, noch sehen.
Und Du, weit wohlbeleibtere Dame, die nie sich hüllet in atherische Formen, noch A4
in
Thomas
s in
VuchXlll.
Traumgestalten erhitzter Cinbildungs«
kraft;
die Du Dich erlabest am saftigen
Braten von Rindern und Kalbern, und am reich mit Pflaumen durchmengten Pudding;
Dich ruf'ich an, Dich, von welcher einst, in einer Treck schuit, auf einem Neer«
bätschen Kanal, Juffrow Geld, be fruchtet von einem stämmigen Amsterdam« «er Kaufmann,
entbunden ward;
im
Düchermachergastchen wurdest Du aufgepapzt, mit dem Mehlbrey von Erudition.
Hier
hast Du in reiferen Jahren die Reimkunst
gelehrt und getrieben, zu kitzeln, nicht das Ohr, nein,
sondern de» Dünkelstolz des
reichen Gönners.
Don Dir gelehrt schrei
tet das Lustspiel im feyerlichem Pompe daher; und unterdessen
stürmet das Trauerspiel
laut, und tobet und wüthet, und zerschmet
tert die bange Bühne mit seinem Donner.
Deine müden Glieder In Schlummer zu sau« srln,
erzählt Alderman
Historikus seine
sangweilige Mähr, und Dich wieder aufzu« wecken,
Kap. I.
Jones.
9
wecken, gaukelt Monsieur Roman Dir feine
wundersamen Hokus Pokus vor.
Nicht
weniger gehorcht der wohlgenährte Verleger Deinem stets mächtigen Einfluß.
Auf Del-
nen Rath wird der schwere, ungelesene Fo« lio« Ballen, der langst im bestaubten Laden
als treuer Hüter schlief, in dünne Hefte und mit Titeln blau und
Nummern gespaltet,
roth und grün, und treibt so sich, kreise!» behende, durch die Nation.
Von Dir be
lehrt tauschen der Bücher manche,
Saalbadcrn,
durch
groß
gleich
versprechende
Wunder die Welt, während daß andre sich in zierliche Herrchen verwandeln , und ihren
ganzen Werth auf schön vergoldeten Schnitt und Bramung setzen.
Komm, Du fülle,
reiche Grazie mit Deinem blinkenden Antlitz!
Du magst mir Deine Begeisterung entziehen,
nur reiche mir dar, deine lockenden Deloh. nungen; Deine blanken, klingendenHaufen;
Deine behende zu verwandelnde Daknote,
schwanger mit ungesehenem Reichthum; Dein A 5
steigend
Thomas
10
BuchXHI.
Zeigend und fallendes Aktien-Kapital; das
warme gemächliche Wohnhaus; und endlich
auch noch einen wackeren Antheil an jener liebreichen Mutter,
deren Segen triefenden
Brüsten reichlich Nahrung entquillet,
für
alle ihre zahllosen Kinder, wenn nicht eint« ge, zu gierig und zu muthwillig, ihre Brü« ter
von der Nüpfel drängten.
Komm,
Du! Und hätt' ich selbst nicht Sinns genug
für Deine Schätze;
so
wärme Du meine
Brust mit dem hcrzerhebendcn Gedanken, sie
an Andre zu vcrcheilen.
Sag es mir, daß
durch Deine milden Gaben, der stammelnde Säugling, der oft durch meine Arbeit in seiner
Freude gestört
ward,
einst sehr
reichlich könne belohnet werden-
Und nun, nachdem dieß zwisiige Joch
pnd Pharaons doppelte Traume, der magre Schatten und die fette Substanz, mich haben
getrieben zum Schreiben; wessen Beystand ruf' ich jetzt an, meinen Federkiel zu leiten? Vor
Kap. I.
Jones.
II
Vor allen Genie! des Himmels freye Gabe; ohne dessen Hälfe wir alle vergebens anarbciten gegen den Strom der Natur; Du, der du ausstreuest den trefflichen Sa« men, den die Kunst nährt und pflegt, und bis zur Reife entwickelt'; nimm Du mich bey der Hand, und leite mich durch die verschlungenen Gange und die dunkeln Schlupf« winkel des verwickelten Labyrinths der Na tur. Weihe mich ein in alle jene Mysterien, welche prophane Augen nie sehen. Lehre mich, denn Dir ist es ein Leichtes, die Men schen besser kennen, als sie selbst sich kennen. Zerstreue den Nebel, der die Augen des Dersiandes der Sterblichen verdunkelt, so, daß er Menschen vergöttern laßt, wegen ihrer Kunst, und andre verabscheu'«:, wegen ihrer List, damit sie andre tauschen: wann beyde, dem wahren Wesen nach, weiter nichts sind, als Thoren zum Belachen, die nur sich selber betrügen. Nimm hinweg die dünne Verkleidung, wohinter Selbstdünkel für
Thomas
Buch XIII
für Weisheit, Geltz für Mäßigkeit, Reich
thum und Prahlsucht für Ehrliebe gehalten ftpit möchten. Komm! Du begeistertest Dei
nen Aristophan, Deinen Lucian, Dei nen Cervantes,
Deinen Rabelais,
Deinen Moliere, Deinen Shakespear,
Deinen Swift, Deinen Marivaux, (und Deiner nicht minder Geliebten manche, unter
unserer Sächsischen Sippschaft, deren Namen schwer lauten,
dem,
tonvolle Sprache kennt.)
der nicht ihre
Komm und fülle
auch mein Blatt mit der bcitzenden Würze noch »«verdunsteten Witzes; bis die Kinder der Menschen die
Gutmüthigkeit
lernen,
über Andrer Thorheiten bloß zu lachen, und
die Demuth, über ihre eignen sich zu härmen. Und Du, fast unzertrennliche Begleite
rinn des wahren Genies,
Menschenliebe!
Dring herbey alle Deine feinen Gefühle; und hast Du sie ave bereits «ertheilt unterDeinen
Allen und Deinen Lyttlcton; o, so müs sest
Kap. I.
Jones.
13
fest Du sie auf eine kleine Weile aus ihrem Dusen stehlen. Wer kann rührende Sce nen malen ohne sie! Von ihnen allein ent springen die edle, uneigennützige Freund schaft, die Seelen schmelzende Liebe, die groß« muthsvolle Gesinnung, die heiße Dankbegirde, das sanfte Mitleid, die liebreiche Meynung von Andern, und alles das thäti ge Wirken eines wohlwollenden Herzens, das das wassernde Auge mit Thränen füllt, die glühenden Wangen mit Blut, und die Seele überströmt mit Gram, mit Freude und Stligkcitsgefühl im Wohlthun.
Und Du, Gelehrsamkeit! (denn ohne Deinen Bepstand kann selbst das Genie nichts Reines, nichts Korrektes hervor bringen,) leite Du meinen Kiel! Dir brachte ich meine Verehrung dar, zur Zeit meiner frühesten Jugend, in jenen von Dir begün stigten Gefilden, wo die Helle, sanftwallende Themse an Etons Ufern spielt. Dir
opferte
Thomas opfttke ich,
Buch XIII.
mit achter Spartanischer
Andacht, an Deinem birkenen Altare, mein
Blut.
So komm dann auch nun, und öf-
ne mir die vollen Speicher- wo Deine gro» ßen, unerschöpflichen Reichthümer, in bejahe» ten Antiquitäten aufgehäuft liegen.
Schlie
ße mir auf Deine Maonischen und Mantua» Nischen Schranke/ und worin sonst Deine
philosophischen, poetischen und historischen Schatze aufbcwahrt liegen, sey das Mark
in G r i e ch i sch en oder R v m i sch e n Charakh-rot, womit cs Dir beliebet har, die schwe ren Kisten zu bezeichnen! Mir gieb nur auf
eine Zeit lang die Schlüssel zu Deinen Schä tzen ,
die Du Deinem Warburton wohl
ehemals anvertraut hast.
Zuletzt noch komm auch Du,
Crfah.
rung! Bewahrte Vertraute des Weisen, des
Guten, des Gelehrten, und des feinen Weltmanns.
Doch nicht nur mit diesen hieltest
Du Umgang, sondern auch mit Menschen von
Kap.I.
Jones-
15
von jedem Range und jedem Stande, vom Minister, aus seinem Konfcrenzkabinct herab, bis jum Werkmeister des gram - und planvollen Spinnhauses; vöm Assemblee« saal der Gräfinn, bis hinunter zum Zahl tisch der Wirthinn desWcinschanks, oder Nur auch schäumenden DiereS. Bloß alleine durch Dich lernt man die Sitten der Men schenkinder kennen, ewig fremde dem men schenscheuen Pedanten, so weltumfassend er auch sey, der Kreis feines todten Wissens, oder des unübersehbaren Feldes seiner Gelehr samkeit. Ihr alle, und wenn es möglich, «och mehrrre, kommt! Denn wichtig ist mein un ternommenes Werk, und wird mir, helft Ihr nicht alle, so fühl ich'S, für meine Kräfte zu schwer. Lächelt Ihr aber alle meiner Arbeit, so hoff' ich noch, bring' ich sie glücklich zum Ziele-
Zwcy-
i6
Thomas
Buch XIII.
Zweytes Kapitel. Was Herrn Ioneö bey seiner Ankunft
in London begegnete. (y*\er gelehrte Doktor Misaubin pflegte zu sagen; die eigentliche Briefaddresse an ihn wäre: An Herrn Doktor Misaubin in der Welt; womit er zu verstehen geben wollte, daß in derselben sehr wenig Menschen waren, denen sein berühm ter Name nicht bekannt sey. Und bey einer genauen Untersuchung finden wir vielleicht, daß dieser Umstand unter den mancherley Vorzügen der Großen dieser Welt keine der geringfügigsten sey.
Die große Glückseligkeit von der Nach welt gekannt zu werden, mit der Hofnung, auf welche Wir Uns in dem vorher gehenden Kapitel so gütlich thaten, fallt nur Wenigen zum Erbtheil. Die verschie denen Elemente, welche unsere Namen fernponi-
Kap. Il,
Jones,
17
poniren, wie Sydcnhant es ausdrücket, noch nach tausend Jahren in der Zukunft tö nend ;u machen, ist eine Gabe, welche Titel und Reichthümer nicht zu schenken vermögen, nnd kaum anders zu erhalten, als durch'S Schwert und durch die Feder. Den schimpf lichen Vorwurf aber, bey unserm Leben zu vermeiden/ Jemand zu seyn, den Nie mand kennt, (ein Schimpf, der neben her gesagt, schon zu Homers Zeiten ein Schimpf war, wie aus dem zweyten Buche seiner Odyssee erhellet,) wird allemal das beneidete Erbthcil derjenigen seyn, welche zn Recht gegründete Ansprüche entweder auf großen Stand, öder große Reichthü mer haben.
Der Leser wird also auö der Figur, welche der Irländische Reichsstand, welcher Sophien zur Stadt brachte, bereits in die ser Historie gespielt hat, ohne Zweifel schliefen, es müsse ein Leichtes gewesen seyn, sein V. Dand, B Haus
-r
Thomas
Buch XIII.
Haus in London aufzufinden, vhnr eben die eigentliche Straße oder den Marktplatz zu wissen, wo er wohne, weil er zu der Zahlderjenigen gehören müsse, die Jeder mann kennt. Und so müßte cs auch frey, lich für alle und jede von den Kaufleuten und Handwerkern gewesen seyn, welche gewohnt sind, den Großen sehr fleißig in ihren Vorzimmern aufzuwarten; denn die Thüren der Großen sind gemeiniglich eben so leicht zu finden, als es schwer ist, dadurch Eingang bey ihnen zu erhal ten. Jones war aber, sowohl alsRebhun, in London völlig unbekannt; und weil sich's so fügte, daß er in einem Quartier der Stadt anlangcn musste^ dessen Einwohner in den großen Hausern der Hohen deS Reichs und des Hofs wenig Verkehr haben: so wankte er eine ziemliche Zeit umher, be vor er noch einmal seinen Weg nach jenen glücklichen Wohnungen finden konnte, um welche das Glück eine Scheidewand zwischen dem
Kap. II»,
Jones.
dem gemeinen Haufen und diesen erhabenen Helden gesetzt hat, diesen Nachkommen der alten Britten oder Danen, deren Uranherrn, welche in bessern Zeiten geboren wurden, ih» rer Nachkommenschaft, durch verschieden; Arten von Verdienst, Reichthümer und Eh» re erworben und hinterlassen haben.
Nachdem Jones endlich in diesen irdi« scheu Elysaischcn Feldern angclangt war, würde er die Wohnung Sr. Hochgräflichen Gnaden bald ausfindig gemacht haben. Zu'allem Unglück aber hatte dieser Herr sein voriges Haus geräumt, als er nach Irland reifete; und da er eben ein neues bezogen hatte, so war die Fama von seiner Equipage bis jetzt noch nicht hinlänglich ge nug in der Nachbarschaft herum erschollen; dergestalt, daß, nachdem er so lange verge bens nachgcfragt hatte, bis die Glocke Eilst schlug, Jones endlich Rebhuns Rath Ge hör gab, und sich nach deyi Wirthshaus« B 2 Bull
so
Thomas
Buch XIII.
Bull und Gate inHolborn zurück ver fügte, woselbst er zuerst abgestiegen toar, und wo er einkehrte, um diejenige Art von Muhe zu genießen, welche Personen in seinen Umstünden gemeiniglich zu finden pflegen. Frühe des folgenden Morgens macht' ee sich abermals auf, Sophiens Aufenthalt rinszuforschen; und manchen sauren Schritt that er eben so vergebens, wie vorhin. Zu letzt geschah' cs, und weil bas Glück er weicht worden, oder weil es nicht länger iti seinem Vermögen stand, ihn irre zu führen, gerirth er in diesclbige Gasse, welche die Ehre hctte, daß Se< Hochgrafliche Gnaden darin Dero Residenz genommen; und nach dem matt Jones das Hans gezeigt hatte, that er mit dem Klopfer einen gemäßigten Schlag an die Thüre.
DcrThürwarter, welcher aus der Beschei denheit des Klopfens eben keine hohe Idee von
Kap. II.
Jones.
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von der sich meldenden Person gefaßt hatte, faßte auch eben keine bessere aus dem Aufzugc dcS Herrn Jones, der einen schlechten Mock von Plüsch und an der Seite den Degen trug, den er vor kurzem von dem Wachtmeister gekauft hatte, dessen Gefäß, von so schon gehärtetem Stahl die Klinge auch seyn mochte, von bloßemMessing, und nicht einmal von dem feinst polirten war. Als sonach Jones sich nach der jungen Dame erkundigte, welche mit dem gnädigen Herrn zur Stadt gekommen wäre; antwortete der Thürwarker mit grämlicher Stimme: Hier Ware keine solche Dame. Hierauf wünsch te JoneS, dem Herrn vom Hause seine Auf wartung zu machen; erhielt aber zur Ant wort: Se. Gnaden wollten heute Morgen Niemand sprechen. Und als Herr JoneS noch dringender ward, sagte der Thürwarter: Er habe gemessene Befehle, keinen Men schen vorzulassen. »Wenn Sie aber für gut „finden," sagt'er, „Ihren Namenabzugeben, D z „so
2»
Thomas
Buch XIII.
»so will ich es dem gnadgen Herrn sagen; »und wenn Sie hernach wieder vorsprechen »wollen, so können Sie erfahren, ober -»Sie annehmen will.«
Jones erklärte jetzt, er habe eine drin« gettde Angelegenheit bey der jungen Dame, und könne nicht weggehen, ohne mit ihr ge« sprochen zu haben. Worauf der Thürwarter mit eben nicht angenehmer Stimme ober angenehmen Blick bekräftigte, in dem Hause hier wäre keine junge Dame, und folglich könnt' er auch mit keiner sprechen; wobey er hinjusetzte: »Warlich, Sie sind der feit« »samste Mensch, der mir noch vorgckommcn »ist, denn Sie wollen sich ja gar nicht sagen »lassen.« Ich habt oft gedacht, Virgil könn te wohl bey feiner genauen Beschreibung des Cerberus, des Thorwärters vor der Hölle, im sechsten Gesänge der Aeneide, die Absicht
Kap. II.
Jones.
*3
Absicht gehabt haben, eine Satyre auf die Thürwärter der vornehmen Herrn feiner Zeit zu schreiben. Zum wenigsten gleicht daS Gemälde denjenigen ganz, welche die Ehre haben, an den Thüren unserer gro. ßen Herren aufzupasscn. Der Thürsteher in seinem Z i b i rken gleicht ganz genau dem Cerberus in seiner Höhle; und gleich diesem, muß jener erst, miteincmFras geschwelgt werden, «he man vor seinen Herrn gelan« gen kann. Vielleicht mochte ihn Jones in diesem Lichte betrachtet, und sich der Stelle erinnert haben, wo die Sibylle, um dem Aeneas den Eingang zu verschaffen, dem Wachter vor den Pforten der Hölle den in Honig getunkten Kuchen vorwirst. Denn auf gleiche Weise begann jetzt Herr JoneS dem menschlich gestalteten Cerberus eine Ve« stechunganjubieten; und cinLivreybedienter, der cs von Ferne hörte, kam augenblicklich herbey, und erklärte: Wenn Herr Jones ihm die angebotene Summe geben wollte, fr D 4 wolle
LH
Thomas
Buch XIII.
wolle er ihn zu berDame hinführen. Jones ließ sich dieß augenblicklich gefallen, und ward ohne fernern Aufenthalt von demselben Men« scheu, der des Tages vorher die beyden Da« men dahin gebracht hatte, zu Madame Fitz Patricks Wohnung geführt. Nichts macht uns über eine vereitelte Hofnung mißvergnügter, als wenn wir un serm Wunsche sehr nahe zu seyn geglaubt haben. Der Spieler, welcher seine Parthie in Piquct nur um einen einzgen Point ver liert , beklagt sich zehnmal mehr über sein Unglück, als derjenige, welcher nicht so weit zählte, daß er Hofnung haben konnte, das Spiel zu gewinnen. Eben so bey den Lot« terien; die Besitzer, der nächsten Nummern von derjenigen, die das größte Loos gewonnen hat, pflegen sich für unglücklicher zu halten, als ihre übrigen Mitverspieler. Kurz! die ses unserm Wunsche auf ein Haar breit nah? gewesen zu seyn, hatdas Ansehn
Kap. II.
Jones.
25
Anfehn eines beleidigenden Gespötts der Ma dame Fortuna, welche solchergestalt uns zu assen, und auf unsere Kosten ihren Muth« willen $u treiben scheint. Jones, der schon mehr als Einmal die« fe neckende Gemüthsart der heidnischen Göt« tinn ei fahren hatte, war jetzt abermals dazu verdammt, sich den Dissen vorm Munde entrückt zu sehen. Denn, er kam vor der Thüre der Madame Fitz Patrick ungefähr nur zehn Minuten spater an, als Sophie daraus wcggegangen war. Er wandte sich jetzt an die Kammcrjungfer der Madame Fitz Patrick, welche ihm die unangenehme Nachricht sagte, daß das Fräulein ausgezogen sey, und sie nicht sagen könne, wohin? Und eben dieselbe Antwort bekam er auch hernach von Madame Fitz Patrick selbst. Denn weil diese Dame kcineSweges zweifel te, Herr Jones müsse von ihrem Onkel We« stern al'Aeschickt seyn, seine Tochter auszuy 5 kund«
26
Thomas
Buch XIII.
kundschaften, so War sie viel zu großmüthig, ihre Freundin» zu verrathen. Ob nun gleich Jones diese Madame Fitz Patrick nie» mals gesehen, so hatte er doch wohl ge, hört, daß «ine Küsine von Sophien an einen Herrn dieses Namens verhekrathct worden wäre. Indessen fiel ihm .dieses, bey dem gegenwärtigen Tumult in seinem Gemüthe mit keiner Sylbe wieder ins Ge dächtniß. Als aber der Bediente, welcher ihn ans des Grafen Hause hieher gebracht hatte, von der genauen Vertraulichkeit »u, ter beyden Damen Nachricht gegeben, und wie sie sich einander Kusine nennten; so er« inncrte ihn solches an die Geschichte der Verheiralhrmg, von der er ehemals gehört hatte; und da er sich alsobald überzeugte, daß dieß eben bas Frauenzimmer seyn müßte; so nahm ihn dir Antwort um desto mehr Wunder, die er erhalten hatte, und er bat sehr ernstlich um die Erlaubniß, der Dame selbst aufwsrten zu dürfen. Man schlug
Kap« H-
Jones.
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schlug ihm aber dies« Chr« eben so rund auS ab. Jones, der freylich niemals am Hofe ge
wesen, hatte dennoch mehr Lebensart, als die Meißen die dran leben, und war unvermögend, sich gegen eine Dame unhöflich oder ungr«
zogen aufzuführen.
Als er sonach ein«
deutliche abschlägige Antwort erhalten Hat« te, begab er sich fürs erste zurück, und sagte
zu der Kammerjungfer: Wenn es jetzt eine
unbequeme Stundte wäre, der Dame seine Aufwartung zu machen,
so wolle er des
Nachmittags wiederkommen, und hoff' er alsdann auf die Ehre, derselben seinen Re«
spekt bezeigen
zu köune».
Die Höflich,
keit womit er dieß vorbrachte, zusammen« gevommen mit der großen Anmuth seiner
Person machte Eindruck auf die Kammerjung«
fer, und sie konnte sich nicht enhaltcn zu ant« Worten:
»Das ist vielleicht möglich, mein
»Herr!« Und in der That sagte sie hernach ihrer
28
Thomas
Buch XIII.
ihrer Gebieterinn alles mögliche, was sie nur für fähig erachtete, sie zu überreden, einen Besuch von dem hübschen jungen Herrn an« zunehmen; denn so nannte sie ihn. Jones vermuthete sehr schlau, Sophie wäre jetzt bey ihrer Kusine, und würde für ihn »er« laugnet; und diesi habe er ihrem Unwillen über das, was zu Upton vorgefallen, zuzu schreiben. Nachdem er also Rebhuhn fort« geschickt hatte, um eine Wohnung für ihn zu miethen, blieb er den ganzen Tag über jn der Gasse, und ließ die Thüre des Hau, ses nicht aus den Augen, worin, wie er meynte, fein Engel verborgen war. Allein er saheNiemand heraus kommen, ausgenom« men einen Bedienten des Hauses. Und des Nachmittages ging er wieder hin, Madame Fitz Patrick seinen Besuch zu machen, und diese gute Dame war endlich so herablassend, ihn anzunkhmen. Cs
Knp.H.
Jones»
39
Es giebt ein gewisses Mesen von Wohl« ekzogenheit im natürlichen Anstande und Ve* tragen eines Menschen, welches zn geben oder zu verbergen, nicht in der Gewalt der Kleider steht. Dieses Wesen besaß Herr Jo» nes, wie Wir bereits vorhin haben merken lassen , in einem sehr hohen Grade. Die Aufnahme, welche er deswegen von der Da« me empfing, war etwas von derjenigen verschieden, die sein äußerlicher Aufzug zn xrheischen schien. Sogar ward er, nach* dem er ihr die erfoderlichen Respektsbezei* gnngen abgestattct halte, gebeten, sich zn seßem Der Leser wird, wie ich glaube, nicht verlangen, diese Unterredung umständlich zu erfahren, welche sich eben nicht zu großer Zufriedenheit des Herrn Jones endigte. Denn obgleich Madame Fitz Patrick sehr bald den Liebhaber entdeckte, (denn in solchen Dingen haben alle Frauenzimmer Falkenau* gen)
Thomas
Buch XIII.
gen) so dachte sie doch «och immer, es wä« re ein solcher Liebhaber, dem eine großmü thige Freundinn die Geliebte nicht verrathen müßte. Kurz, sie hegte den Argwohn, eS Mare "der währe Herr Vliftl, vor welchem Sophie geflohen sey, und alle Antworten, welche sie künstlicher Weise von Herrn Jones über Herrn Alwerths Familiensachen heraus lockte , bestärkten sie In dieser Meynung. Dieserhalben lüugnete sie gradezu, daß sie die geringste Kenntniß von dem Orte habe, wohin Sophie gegangc« sey; und Jones konnte nichts weiter erhalten, als die Erlaubniß, ihr des folgenden Nachmittags wieder aufzuwarten.
Nachdem Jones fortgegangen war, erüfncte Madame Fitz Patrick ihren Argwohn, in Ansehung des Herrn Dliftls, ihrer Kammerjungfer, welche drauf antwortete: ,,Ge„wiß, Ihr Gnaden, es ist ein viel zu hüb»scher Mann, nach meiner Meynung, daß »nur
Kap. II.
Jones.
31
»nur irgend ein Frauenzimmer in der Welt
»vor ihm weglauftn könnte.
Ich sollte lie-
»6er glauben, es wäre Herr Jones.« „Here
»Jones?« sagte die Dame.
»Was für ein
»Herr Jones?« denn Sophie hatte sich in allen ihren Gesprächen kein Wörtchen von einer solchen Person entfallen lassen.
Al
lein Jungfer Honoria war weit nrittheilender gewesen, und hatte ihrer Schwesterzofe
Jones ganze Geschichte zum Vesten gegeben, welche diese nunmehr» ihrer Gebieterinn wie
der erzählte.
Sobald als Madame Fitz Patrick diesen
Unterricht eingezogen hatte, stimmte fte der Meynung ihrer Jungfer völlig bey, und sah, welches ganz unbegreiflich ist, an dem wa« ckern glücklichen Liebhaber Reize, die sie an dem
verachteten Junker übersehen hatte.
»Detty,« sagte sie, »Sie hat ganz gewiß »Recht;
es ist ein sehr Hübscher Mensch;
»und ich wundre mich nicht, daß Ihr die
»Jung-
Zs
Thomas
Buch XIII
»Jungfer meiner Kusine gesagt hak, es wa»rett so manche Frauenzimmer in ihn ver, »liebt. Es Lhtik mir fetzt lcid, daß ich ihm „nicht gesagt habe, wo meine Kusine zu fin« „bett ist; und doch, wenn er ein so furch» »terlicher Wildfang ist, so wäre cs traurig, „wenn sie ihn jemals wieder zn sehen Gefönt» »men solltet denn was kann anders dabey „herauskommen, einen solchen unbeständi« »gen Arbesritter und armen Bettler gegen „den Willen eines Vaters zu heirathen, »als daß sie sich ins EleNL stürztet Nein, »gewiß! wenn es ei» solcher Mensch Ist, als „ihn däs Mädchen Zhe beschrieben hat, so „ist es ein wahrer Liebesdienst, zu verhnr« »der», daß sie nichts, von einander ersah„ren; und mir wäre es gewiß, nicht zn Sek« „zeihen, wenn ich anders dabey verfahren „wollte- d« ich von dem bitter» Elende, das „eine solche unkluge Heirath begleitet, nur »zu sehr gekostet habe-«
Kap. III.
Jones.
35
Hier warb sie durch die Ankunft clneä Besuchs unterbrochen, welches Niemand anders war, als der Herr Graf. Da aber bey diefem Besuche nichts Neues oder Au» ßerordeutliches, oder dieser Geschichte We» sentlichcs vorfiel, so wollen Wir hier diesem Kapitel ein Ende machen.
Drittes Kapitel. Ein Projekt von Madame Fiß Patrick, imb ihr Vesuch bey Madame Bellaston. AslS Madame Fitz Patrick sich zurRuhe be'*'* gab, waren ihre Gedanken mit nichts Anderm beschäftigt, als mit ihrer Kusine Sophie, und mit Herrn IoneS. Cie war wirklich ein wenig unwillig auf die Erste, wegen ihrer Zurückhaltung, welche sie jetzt entdeckte. Mit diesem Nachfinnen hatte sie ihre Einbildungskraft noch nicht lange. V.BanS. C beschaf.
Kap. III.
Jones.
35
Hier warb sie durch die Ankunft clneä Besuchs unterbrochen, welches Niemand anders war, als der Herr Graf. Da aber bey diefem Besuche nichts Neues oder Au» ßerordeutliches, oder dieser Geschichte We» sentlichcs vorfiel, so wollen Wir hier diesem Kapitel ein Ende machen.
Drittes Kapitel. Ein Projekt von Madame Fiß Patrick, imb ihr Vesuch bey Madame Bellaston. AslS Madame Fitz Patrick sich zurRuhe be'*'* gab, waren ihre Gedanken mit nichts Anderm beschäftigt, als mit ihrer Kusine Sophie, und mit Herrn IoneS. Cie war wirklich ein wenig unwillig auf die Erste, wegen ihrer Zurückhaltung, welche sie jetzt entdeckte. Mit diesem Nachfinnen hatte sie ihre Einbildungskraft noch nicht lange. V.BanS. C beschaf.
Thomas
BuchXlU.
beschäftigt, als sich ihr der folgende Einfall darbot r Sie würde, nach aller Wahrschein,
lichkeit, wenn sie es durch ihre Vermittel, lung dahin brachte, daß Sophie diesem
Manne nicht in dieHande gericthe, sondern ihrem Vater wieder zugestellt würde, durch «inen so wichtigen, der Familie geleisteten Dienst, ihren Onkel und ihre Tante Western
wieder mit sich aussohnen. Und so wie bas einer von ihren herzlich
sten Wünschen war, so schien auch die Hof. nung des glücklichen Erfolgs so vernünftig
«nd gegründet, daß ihr nichts weiter übrig blieb, als auf die schicklichsten Mittel zu den«
km,
ihren Entwurf zur Ausführung zu
bringen.
Es kam ihr nicht rathsam vor,
es auf eine vernünftige Ueberlegung der Sa. che mit Sophien ankommen zu lassen: denn weil sie Betty, aus Jungfer HonorienS Er
zählung, benachrichtigt hatte, daß Sophie eine heftige Neigung zum Herrn Jones hat-
tt,
Kap. III.
Jones,
te, so sah sie wohl ein, es würde einerley Unternehmen seyn, ihr diese Verbindung aus dem Sinne reden zu wollen, oder eine Mücke herzlich und angelegentlich zu bitten, sie möge doch nicht in's Licht fliegen. Wenn der Leser so gütig seyn will, sich zu erinnern, daß die Bekanntschaft, welche Sophie mit der Frau von Bellaston hatte, im Hause des Hochwohlgebornen Fräuleins von Western begonnen, und also grade die Zeit hindurch gepflegt seyn mußte, da Ma dame Fitz Patrick sich bey der letztern, Dame aufhielt: so wird er der Erinnerung nicht bedürfen, daß Madame Fitz Patrick gleichfalls mit ihr bekannt gewesen seyn müsse. Ueber« dem waren beyde noch etwas weitlauftig mit ihr verwandt. Nach vielem hin und herdenken, beschloß sie also, des Vormittags ganz zeitig zu dieser Dame zu gehen, und, ohne baß C 2 Sophie
36
Thomas
Buch XIII.
Sophie es wüßte, mit ihr zu sprechen zu suchen, und sie mit der ganzen Sache besannt zu machen. Denn sie zweifelte im geringsten nicht, diese sehr kluge Dame, die sehr oft die romanenhaften Liebeleycn und die unbesonnenen Hcirathen in ihrem Ge. spräche lächerlich gemacht hatte, würde auch in Ansehung dieser Verplömperung sehr bald ihrer Meynung zustimmen, und ihr allen möglichen Beystand leisten, um ihr zuvor zu kommen.
Diesen Vorsatz setzte sie demnach inS Werk > und des nächsten Morgens, noch vor Sonnenaufgang , warf sie sich in ihre Kleider, und ging zu einer sehr unschicklichen, unzeitigen, mode - und besuchwidrige» Stunde zur Frau von Bellaston, welche ih» ren Besuch annahm, ohne daß Sophie da von das Geringste wußte oder argwöhnte, welche damals noch, zwar nicht schlafend sondern wachend, in ihrem Bette lag, und sich
Kap. III.
Jones.
37
sich von Jungfer Honoria etwas dorschnar« chen ließ.
Madame Fitz Patrick machte eine Menge Entschuldigungen für diesen frühen, unvör« bereiteten Besuch, zu einer Stunde, wo sie, wie sie sagte, nicht daran gedacht haben würde, die gnädige Frau zu besuchen, wenn es nicht eine der wichtigsten Angelegenheiten veranlaßt hätte. Sie cröfnete darauf die ganze Sache, erzählte alles, was sie von ihrer Betty gehört hatte, und vergast auch nicht den Besuch, welchen JoncS des vori gen Nachmittags bey ihr abgestattct hatte.
Die Frau von Dellaston antwortete mit einem Lächeln: »Sie haben also diesen „furchtbaren Mann gesehen, Madame? Sa« „gen Sie mir doch, ist's denn wirklich eine „so schöne Gestalt, als man ihn abmahlt, „denn die F a h r w i n hat mich gestern Abend „fast zwey Stunden von ihm unterhalten. C 3 »Das
Thomas
BuchXM.
»Das Mädchen, glaublich, ist in ihn ver, »liebt, auf Hörensagen.» Hier mag sich der Leser vielleicht ein wenig wundern! Die Wahrheit aber ist, daß die Jungfer Fahr« «in, welche die Ehre genoß, die Frau von Bellaston rin« und zuzufchnürcn und aus« und anzukletden, die umständlichste Nach, richt von besagtem Herrn Jones ringezogen, und solche gestern Abend, (oder vielmehr heute Morgen,) ihrer Dame beym Ausklci« den auf's getreueste hintcrbracht hatte; rod« ches dann verursacht, baß ihre Amtsvcr« Achtungen sich über anderthalb Stunden hinaus in die Länge gezogen hatten. Ueberhaupt genommen, war diese Da me gemeiniglich mit der Unterhaltung der Jungfer Fahrwin zu diesen Stunden ganz wohl zufrieden; aber dteßmal batte sie frey lich die Nachricht, den Herrn Jones betref. send, mit außerordentlicher Aufmerksamkeit angehört; dennHonoria hatte ihn alö einen sehr
Kap. III.
Jones,
39
sehr schönen Menschen beschrieben, ' und Jungfer Fahrwin hatte in der Eile ihrer Ver richtungen , dieser Beschreibung noch so viele persönliche Schönheiten hinzu gefügt, daß ihre gnädige Frau anfing, ihn für eine Art von Wundcrgcschöpf in der Natur zu halten. Die Neugierde, welche ihr die Kammer jungfer cingeflößt hatte, ward jetzt von Ma dame Fitz Patrick um ein Großes vermehrt, welche von der Person des Herrn Jones eben so viel Northeilhaftcs sagte, als sie vorhin Nachthciligcs von seiner Geburt, von seinem Charakter, und seinem Vermögen ge sagt hatte.
Als die Dellafion das Ganze angchört halte, antwortete sie sehr ernsthaft: »In »Wahrheit, Madame, die Sache ist sehr »wichtig, und Sie verdienen gewiß das »größesieLob, wegen der Parthie, die Eit C 4 »dabey
Thomas
DuchXIH.
»dabey genommen haben; und ich werde »mich sehr freuen, auch meiner Scits dazu »beyzutragen, daß ein junges Fraucnzim« »mer von so vielem Verdienste, und für welches »ich so große Achtung hege, vor Unglück »und Gefahr bewahrt werde.«
»Meine gnädige Frau, glaubten Sie »nicht,« sagte Madame Fitz Patrick mitkeb« Hastigkeit, »daß eö der beste Weg wäre, »wenn man aufs baldigste au meinen Onkel »schriebe, und ihm den Aufenthalt seiner »Tochter bekannt machte?« Die Hofdame erwog dieß ein wenig, und antwortete alsbald: »Nun, sehn Sie, Ma« »dame, ich glaube, nein! Die alte Western »har mir ihren Bruder als einen solchen »Brummbär beschrieben, daß ich nicht »drein willigen kann, irgend rin Frauen« »zimmer wieder in seine Gewalt zu bringen, »das einmal daraus entwischt ist. Ich habe »gr«
Kap. Hl.
Jones.
4!
»gehört, er soll sich wie ein Ungeheuer ge« »gen seine eigene Frau betragen haben; »denn er ist einer von denen Tölpeln, wel« »che meynen, sie haben ein Recht übet unS „zu tyrannisiren; und halt' ich's beständig „für eine gemeinschaftliche Pflicht unsers »ganzen Geschlechts, von solch einem Men« „schen ein jedes Frauenzimmer zu erlösen, „das einmal so unglücklich gewesen ist, in sei. „ne Gewalt zu gerathen. — Hauptfach« »lich, liebe Kusine, wird es nur darauf „ankominen, die kleine Western abzuhaltcn, „dafl sie den jungen Burschen nicht eher zu „sehen und zu sprechen bekomme, bis die „gute Gesellschaft, die sie hier in London „Gelegenheit haben wird zu schen, ihr «ine „bcßre Alt zu denken beygebracht haben „wird.« »Aber, gnädige Kusine,« antwortete die Andere, „sollte er ihren Aufenthalt aus« »findig machen, so wird er, verlassen Sie C 5 „sich
Thomas
Brich XIIL
»sich darauf! nichts in der Welt unversucht »lassen, um zu ihr zu gelangen.«
»Aber, Madame,« antwortete die gnä dige Frau, »cs ist unmöglich, dasi er hierher «kommen kann; — ob es gleich, freylich »wohl, möglich ist, daß er erfahre, wo sie »sich aufhält; und bann kann er um das »Haus herum auflauern. — Ich möchte »deshalb fast wünschen, daß ich ihn von »Person kennte.« »Giebt eS keinen Weg, Madame, da «ich ihn einmal zu Gefleht bekommen könnte? »Denn sonst, sehn Sie wohl, SCuftt«, könnte »sie es leicht so karten, baß sie ihn hier in's »Haus kommen ließe, ohne daß ich's wüßte.« Madame Fitz Patrick antwortete: »Er habe »sie auf diesen Nachmittag mit einem zwey« »ten Besuch bedroht; und wenn die gnädige »Fran ihr alsdann'die Ehre geben wollte, »bey ihr vorzufahren, so würde es ihr schwer« »lich
Kap. III.
Jones.
43
»sich fehlen können, ihn zwischen Sechs und »Sieben Uhr zu sehen; und wenn er auch »früher kommen sollte, so wollte sie schon »auf eine oder die andere Art Mittel finden, »ihn so lange aufzuhalten, bis die gnädige »Kusine ankamen.« — Frau von Bella« sion antwortete: Sie wolle den Augenblick kommen, da sie sich von der Mittagsmahl« zeit losmachen könnte, welches nach ihrer Meynung spatstcns um Sieben Uhr seyn würde. Denn es Ware platterdings noth wendig , daß sie ihn von Person kennen lernte. »Auf mein Wort, Madame,« sag. te sie, »es war sehr gut, diese Sorge für »Fräulein Western zu tragen; die bloßeMcn»schenliebe sowohl, als die Achtung für unsre »Familie, macht es uns beyden zur Pflicht; »denn es wäre in der That eine fürchterliche »Hcirath.« Madame Fitz Patrick ermangelte nicht, daS Kompliment gehörig zu beant« Worten, welches die Frau von Dellaston ihrer Kusine gemacht hatte, und begab sich nach
44
Thomäs
Buch XIll.
nach einer kurzen, unwesentlichen Konver sation, auf den Rückweg, und verfügte sich, so behende als sie konnte, und unge sehen von Sophien oder ihrer Kammerjung!, fer Honoria, in ihre Säufke, rmd ließ sich nach Hause tragen.
Viertes Kapitel. Besteht aus Besuchen. .trr Jones war, wahrend des ganze« Tages in der Gegend eines gewissen Hauses und im Angesicht einer gewissen Thüre herurngeschlendevt. Und obgleich dieser Tag einer der kürzesten war, so schien er ihm doch einer der längsten im ganzen Jahre zu seyn. Als endlich die Glocke Fün fe geschlagen hatte, ging er wieder hin zu Madame Fitz Patrick, welche, ob es- gleich eine ganze Stunde zur wvhlanstandigeü Befuchzeit zu früh war, ihn sehr höflich em. Pflug,
44
Thomäs
Buch XIll.
nach einer kurzen, unwesentlichen Konver sation, auf den Rückweg, und verfügte sich, so behende als sie konnte, und unge sehen von Sophien oder ihrer Kammerjung!, fer Honoria, in ihre Säufke, rmd ließ sich nach Hause tragen.
Viertes Kapitel. Besteht aus Besuchen. .trr Jones war, wahrend des ganze« Tages in der Gegend eines gewissen Hauses und im Angesicht einer gewissen Thüre herurngeschlendevt. Und obgleich dieser Tag einer der kürzesten war, so schien er ihm doch einer der längsten im ganzen Jahre zu seyn. Als endlich die Glocke Fün fe geschlagen hatte, ging er wieder hin zu Madame Fitz Patrick, welche, ob es- gleich eine ganze Stunde zur wvhlanstandigeü Befuchzeit zu früh war, ihn sehr höflich em. Pflug,
Kap. IV.
Jones,
pfing, dabey aber beständig auf ihrer Un» wisscuheit, itt Ansehung Sophiens, be» Harm.
Jones, wie er nach feinem Engel sich erkundigte, hatte sich das Wort Kusine ent» fallen lassen, worauf Madame Fitz Patrick sagte: ,.Ei« wissen also, mein Herr, daß «wir Verwandte sind? Diesem. Verhältniß «gemäß, werden Sie mir das Recht rrlau» »bcn, mich zu erkundige», was für ein Ges. «schäft Cie bey meiner Kusine auszurichtm. »haben?« Hier stund Herr JoneS eine ziem« liche Zeit bey sich an, und besann sich, und antwortete endlich, er hätte eine ansehnliche Summe Gelds in Händen, die ihr zugehörte, und die er ihr zuzustelle» wünschte. Er zog darauf daS Taschenbuch hervor, benachrich, tigte Madame Fitz Patrick von dem, was es enthielte, und von der Art und Weise, wie es in seine Hände gefalle» wäre. Mit die ser Erzählung war er kanm zu Ende ge langt,
Thomas
Buch XIII.
langt , als ein heftiges Getöse das ganze Haus erschütterte. DieseS Getöse denje nigen beschreiben zu wollen, diedergleichen ge hört haben, wäre vergebens, und sich zn bestreben, denjenigen, die nichts Aehnlichs ge hört haben, davon eine richtige Jbeezu.'geben, wäre noch vergeblicher; denn man kann mit Wahrheit sagen; — — non acuta Sic geminant Coribantes aera;
(ybelens Priester ließen nicht so laut ihre Cymbeln von Erz ertönen.
Kurz, ein Livrey. Bedienter klopfte, oder vielmehr donnerte, an die Thüre. Joneü ward ein wenig stutzig über das Toben, weil er dergleichen nie vorher gehört Hatter Ma dame Fitz Patrick aber sagte ganz gelassen zu ihm, weil eben einige Gesellschaft ankäme, so könne sie ihm jetzt keine Antwort geben; wenn es ihm aber gefällig wäre, so lange zu warten, bis solche wieder weg wäre, so, ließ
Kap. IV.
Jones,
ließ sie sich merken, Halle sie ihm Wohl Et» Was zu sagen.
Jetzt öfnetcn sich die Flügelthüren des Zimmers, und die gnädige Frau von Bella» sion, nachdem sie ihren weiten Reifrock seitwärts herein geschoben, und erst eine sehr riefe Verbeugung gegen Madame Fitz Patrick, Und hernach eine eben so tiefe gegen Herrn Jones gemacht halte, ward an der obern Geile deS Zimmers auf's Kanapee, zum Gitzen geführt. Wir erwähnen dieser kleinen Umstände so genau, zum besten einiger Landdamen von unserer Bekanntschaft, welche es wider die Regeln der Bescheidenheit hallen, ihre Knie vor einer Mannsperson zu beugen.
Die Gesellschaft war kaum ruhig zum Citzen gelangt, als die Ankunft einer kürz lich erwähnten Person, von den Ständen deS Reich-,
48
Thomas
BuchXIH.
Reichs, «fiten neuen Aufstand und eine Wicderhohlung der Ceremonien veranlaßte.
Nachdem diese geendigt waren, begann die Konversation (wie der Ausdruck lautet) außerordentlich brillant zu werden. Weil da« bey inzwischen nichts vorfiel, das dieser Geschichte wesentlich, oder auch nur eigent lich an sich selbst wesentlich gewesen wäre: so vermeid' ich's, etwas davon anzuführen, um so mehr, da ich aus der Erfahrung weiß, daß die feinste Konversation, im Ton der großen Welt, oft sehr platt ausfallt, wenn sie in Büchern nachgeschrieben, oder auf der Schaubühne hergesagt wird. Wirk lich besteht ein dergleichen Gastmal des Geistes aus solchen Leckerbissen , welche diejenigen, so von vornehmen Assembleen ausge schlossen sind, sich begnügen müssen, eben so wenig kennen lernen, als die verschiede nen Leckerbissen der hohen Französischen Kochkunst, welche bloß auf die Tafeln der Großen
Kap. IV.
Jones.
49
Großen aufgesetzt werden. Weil auch in der That alle beyde nicht für Jedermanns Geschmack zugerichtet zu seyn pflegen, so möchten fle auch wohl beyde an den großen Haufen oft eben so gut als verschwel»« bet seyn.
Der arme Jones war bey dieser ele« ganten Scene mehr Zuschauer, als mitspie, lende Person; denn obgleich in der kurzen Zwischenzeit vor der Ankunft deS Hochge« bornen Herrn Grafen erst die gnädige Frau von Bcllaston, und hernach Madame Fitz Patrick ihre Reden an ihn gerichtet hat« kett: so war doch nicht so bald dieser vornch. me Herr in's Zimmer getreten, als er die ganze Aufmerksamkeit der beyden Da« men ganz alleine verschlang, nnd da er den Herrn Jones eben so wenig bemerkte, als ob er ganz und gar nicht zugegen gewesen, aus genommen, wenn er ihn von Zeit zu Zeit vom Kopf bis zu den Füßen mit den Augen mast, V. Vaud. D so
50
so folgten Beyspiele.
Thomas
Buch Xlll.
die beyden Damen seinem
Die Gesellschaft war nun schon so lan gt bey einander gewesen, baß Madame Fitz Patrick ganz deutlich merkte, ein jeder von ihnen wollte der Letzte zum Weggehen blei ben. Sie entschloß sich sonach, sich Herrn Jones zuerst vom Halse zu schaffen, weil er der Besuch war, mit welchem sie nach ihrer Meynung die wenigsten Umstände zu wachen hatte. Sie nahm also, bey einem kleinen Stillstände desGejhraches, dieGelegrnheil wahr, ihn anzureden, und sagte zu ihm mit einer sehr feyerlichen Miene: »ES wird «mir heute Abend nicht möglich seyn, mein »Herr, Ihnen in Ihrer Angelegenheit eine »Antwort zu ertheilen; wenn Sie aber s» »gütig seyn wollen, rin Wort zur Nach, »richt zurück zu lassen, wohin ich Morgen »nach- Ihnen schicken kann —«
Jones
Kap. IV.
ZoneS.
$i
Jones hatte natürliche, aber keine küust» liche Lebensart. Anstatt also das Geheim* nist von seiner Wohnung einem Bedienten witzutheilen, sagte er es der Länge und Drei« te nach der Dame selbst, und beurlaubte sich kurz drauf mit vielen Ceremonien. Ec war nicht so bald zur Thür hinaus, alS der große vornehme Herr, der ihn in seiner Anwesenheit gar nicht bemerkt hakte, anfing, ihn in seiner Abwesenheit desto mehr zu be» merken. Allein, wenn Uns der Leser be» reits entschuldigt hat, daß Wir ihm den brillankern Theil der Konversation nicht erzählt haben, so wird er gewist auch sehe geneigt seyn, UuS zu entschuldigen, wenn Wir das uncrzählt lassen , was eigentlich, nach gemeiner Art, Nackenschlage hei» ßen kann. Inzwischen mag es vielleicht säe Unsre Geschichte wesentlich seyn, daß Wir einer Bemerkung der Frau von Bellaston er» wähnen, welche ein paar Minuten nach ihm Ihten Abschied nahm, und beym Weggehn zu O 2 Madame
5a
Thomas
BuchXM.
Madame Fitz Patrick sagte: „In Ansehung „meiner Kusine bin ich überzeugt, daß sie „von diesem Menschen keine Gefahr zu be. „fürchten hat.«
Unsre Geschichte soll dem Beyspiele der Frau von Bellaston folgen, und sich von der gegenwärtigen Gesellschaft beurlauben, die sich jetzt verringert hatte, bis auf zwey Personen, unter welchen Nichts vorficl, waS im geringsten Unsern Leser oder Uns anginge, und wodurch Wir Uns also nicht abhal. ten lassen werden, zu solchen Dingen über» zugehen, die allen drnenjenigen von größe. rer Wichtigkeit zu seyn scheinen müssen, wel« che sich nur im geringsten für die Begeben. Heiken in Unserer Geschichte intcressiren.
Fünf.
Kap. V.
Jones.
53
Fünftes Kapitel. Ein Abentheuer, das dem Herrn Jones in dem Hause begegnete, wo er sich ringe» miethet hatte; nebst einiger Nachricht von einem jungen Herrn, welcher eben daselbst Zimmer bewohnte, wie auch von der Wirthinn des Hauses und ihren beyden Töchtern.
bald cs sich des nächsten Morgens '***' früh mit Wohlanständigkeit thun liest, meldete sich Herr Jones an der Thüre der Madame Fitz Patrick , woselbst er die Antwort erhielt, die Dame sey nicht ju Hanse. Eine Antwort, die ihn um so mehr befremdete, da er seit Tagesanbruch in der Gasse auf und nieder gegangen war, und er sie gesehn haben müßte, wenn sie ausgefah» ren wäre, oder sich hätte austragen lassen. Unterdessen mußte er sich diese Antwort g't» fallen lassen, nicht nur jetzt, sondern noch D 3 bey
Thomas
Buch XIII,
bey fünf andern Besuchen, welche er den Lag über in dem Haufe gab.
Um gegen
den Leser aufrichtig herauszugehn, hatte der
Irländische Herr Graf, ich weiß nicht aus was für Ursach? vielleicht aus Achtung für
die Ehre der Dame? ausdrücklich verlangt, fle sollte vom Herrn Jones,
den er für
einen «lenden Gauner ansah, keinen Besuch
ferner annrhmrn; und die Dame hatte dle Gefälligkeit gehabt,
ihm dqs Versprechen
zu geben, welches sie, wie wir jetzt sehen, so
treulich erfüllte.
Weil aber Unser gutmüthiger Leser ver muthlich eine bessere Meynung von dem jun,
gett Manne haben wird, als diese Dame,
und es ihm sogar leid thun möchte, wenn er besorgen müßte, Jones habe, während dieser unglücklichen Trennung von seiner So
phie ,
feine Residenz in einer schlechten
Schenke» oder unterm blauen Himmel ge
nommen , so wollen Wir jetzt eine Nachricht von
Kap. V.
Jones,
von der Wohnung geben, die er gemiethet hatte, welche wirklich in einem sehr an ständigen Haufe und in einer sehr guten Ge gend der Stadt war.
Herr Jones also hatte Herrn Alwerth von einer braven Frau sprechen gehört, in de ren Hause er abzntreten pflegte, warn er in der Stadt wäre. Diese Frau, welche, wie Jo nes gleichfalls gehört hatte, in Vondstreet wohnte, war die Wittwe eines Geistlichen, die er bey seinem Ableben, im Besttz von zwey Töchtern und einiger complcken Jahr gange von Predigten in Manuskript hin terlassen hatte. Von diesen beyden Töchtern hatte Nette, die älteste, ihr siebzehntes, rmd Betty, die jüngste, ihr zehntes Jahr erreicht. Hierher halte Jones den Rebhuhn geschickt, und in diesem Haust hatte er im zweyten Stocke ein Zimmer für sich selbst, und D 4 für
56
Thomas
Buch XIII.
für Rebhuhn eins im vierten Stocke er» halten.
Den ersten Stock bewohnte einer von denjenigen jungen Herrn, welche in vorigen Jahrhunderten in einigen großen Städten schicklich genug Witz» und Wonne.Genossen genannt wurden. Ich sage, schicklich genug, weil, da gemeiniglich Manner nach ihrem Geschäfte, oder nach ihrer Profession be. nennt werden; so könnte man sagen, daß Witz und Wonne das einzige Geschäft, oder die einzige Profession der Herren gewesen, denen das Glück eine jede andere Erwerbs« beschäftigung vnnöthig gemacht hatte. Schaubühnen, Kaffeehäuser und Weinkeller waren die gewöhnlichen Oerter ihrer Der» sammlungen. Witz und Wonne, oder Früh« lichkeit, waren ihre Unterhaltungen in ihren unbesetztem Stunden, und Wiü und Min« n e war das Geschäft ihrer ernsthaftem Au« genblicke. Wein und die Musen eiferten um die
Kap.V.
Zoues.
V7
die Wette, die Hellesten Flammen in Ihren Dusen anzuzündcn. Auch bewunderten sie nicht nur, sondern Einige hatten sogar die Gabe, ihre Schönen durch Gesänge zu ver ewigen, und fast alle waren ziemlich gute Richter vonMinnegcdichten,
Solche Männer führten daher den Na men Witz - und Wonne. Genossen mit gutem Fug. Ich zweifle aber, ob man diese Be nennung heutzutage mit eben der Schicklich keit jenen jungen Herren bcylegen dürfte, de nen es freylich nicht an Ehrgeitz fehlet, sich durch Gabe» und Talente berühmt zu ma chen, die sie so ungefähr nur von Hörensa gen kennen. Doch, um auch gegen diese gerecht zu seyn, sie fliegen noch eine Span ne höher, als ihre Vorfahren, und könnten Witzler-Wisch - Genossen heißen. Denn in einemAltcr, worin die vorgedachtcn jungen Männer ihre Zeit darauf verwendeten, von den Reitzen ihrer Schönen in ihren D 5 Kranz«
5.8
Thomas
BnchXM.
Kränzchen zu sprechen; einen Becher auf ihr
Wohl zu leere»; einen vor «»geweihten An-« gen verLorZenen Gesang, zu ihrem Ruhme, -» dichten; fich einander ihre Urtheile von
Mem Buche oder Minnegedichr zu sage«, schreiben diese fär die Presse»; drechsel»
Lehrgebäude der Weisheit; klexen Reime in Magazine und Monatsschriften; hecheln in
kritische» Wischen ihre Lehrer durch; verfähren,
«en» sie kennen,
ihre Weiber und
Töchter; entführen in Wüthenden oder Win« selnden Romanen erträrrmte Geliebte», und
jedes ihrer geschriebene» Worte wird durch den Druck zu Grabe getragen, Woraus selbst
kein Rohrdommel einen Spuk hervorzubannen vermag.
Solcher Gestalt werde«
ihre Arbeite» witzelndes Spiel, SpieleLiedlvhner« Arbeit.
und ihre
Und jene von ih
rer Genossenschaft, denen der Schweiß ihrer
Water, oder deren'Unterthanen, ein «och. üp
piger Leben erlaubt, Haschen nach Zeitver treib im SchneKukreife der
Kennerschaft
der
Kap. V.
Jones,
59
ter Künste; Mahlerey, Musik, DÜbhaue.
rey beschäftigt sie,
und Natur, oder viel,
mehr Unnaturkunde, die mit demWun«
dcrbaren sich abgiebt, und von der Natur
nichts kennt,
alö ihre Mißgeburten und
Krüppelgestalten.
rvlschkcnner
Dieß ist bk Witzes
Gcnofsam.
Nachdem Jones den ganzen Tag mit
vcrgebner Nachfrage nach Madame Zitz Pa,
trick hingebracht hatte, kehrte er am Ende ganz mißmüthig nach seinem Zimmer zurück. Unterdessen er hier seinem Gram im Stillen
freyen Laufließ, hörte er ein heftiges Ge
tümmel im untern Stocke, und bald darauf
bat ihn eine weibliche Stimme um's Him-
niels Willen herunter zu kommen, und Mord und Todtfchlag zu verhüten.
Jones, der
sich bey keiner Gelegenheit lange bitten ließ,
dem Unterdrückten bcyzustchcn, lief Augen, blicks die Treppen hinunter, und fand, als
er in den Eß Saal trat, aus dem das Eetuat»
6o
Thomas
BuchXIH.
tummel erscholl, den jungen Herr« von der oben besagten Genossenschaft, von seinem Lakaycn an der Wand wie angenügelt gehal« ten, und ein dabey stehendes junges Mäd» chen, welche nichts that, als rufen? »Er »wird ihn morden! Er wird ihn morden!« In der That schien auch der arme junge Herr in einiger Gefahr zu seyn, erdrosselt zu werden, als Jones eilig zu seinem Pep« stand flog, und ihn, eben da ihm der letzte Athem entfahren wollte, aus den unbqrm, herzigen Klauen seines Feindes befreyete.
Obgleich der Kerl verschiedene Püffe und Stöße von den Händen und Füßen deö win« zlgcn jungen Herrn, der mehr Willen als Kraft besaß, empfangen halte, so hatte er sich doch eine Art von Gewissen daraus ge macht, seinen Vrodhcrrn zu schlagen, und würde sich damit begnügt haben, ihn bloß zu ersticken; aber gegen Herrn Jones hatte er keinen solchen Respekt. So bald er sich also
Kap.V.*
Zones.
6t
also rin wenig unsanft, von seinem neuert Gegner angepackt fühlte, bohrte er ihm eine von den Faustkrampen in die Weichen, weU che die Zuschauer in DroughtoNS Schule zwar mit sehr inniger Freude anbringen se hen, die aber bey weiten nicht halb so lustig zu fühlen sind. Der nervige Jüngling hatte nicht so halb diesen Lungenhieb weg, als er auf eb neu höchst dankbaren (Segengruß sann; und nun erfolgte zwischen Jones und dem Lakay« en ein Faustkampf, der sehr hitzig anfing, aber nur kurz dauerte; denn dieser Bursche war eben so wenig im Stande, tS mit Jo»es auszuhalten, alö es vorher fein Herr gewesen war, eS mit ihm aufzunehmm. Und nun kehrte das Kriegsglück, nach seiner alten Gewohnheit, den Zustand dev Sachen herum r der vorige Sieger lag athen» los im Staube, und der besiegte junge Herr hatte
Thomas
Buch XIII.
hatte wieder Athem genug geschöpft, um Herrn Jones für seinen so zeitigen Beystand zu barsten. Auch empfing er eine herzliche Danksagung von dem gegenwärtigen jungen Frauenzimmer, welches wirklich niemand anders war, als Mamsell Nette, die älteste Tochter deS Hauses.
Nachdem der Lakay wieder auf die Dei ne gekommen war, glupte er Herrn JoneS an, schüttelte die Ohren, und sagte mit ei nem bedenklichen Blinzeln r „Des SatanS »will 'ch seyn, wenn 'ch mit Jhn'n wieder »was zu thun hab'» will! Herr, Sie müssen »auf'n Ringelboden gangen seyn, oder ich »müßt' mich verdammt irren!« — Und in der That müssen Wir ihm seinen Irrthum zu gute halten; denn so behende und so kräftig war Unser Held, daß er es vielleicht mit einem der besten Faustfechter aufnehmen, und mit leichter Mühe, alle gewulstete Gra. dnir-
Kap. V.
Jones»
6Z
buirte *) von btr Akademie des Herrn Broughtons hatte von der Zcchtschule schlagen können. Der *) Damit die Nachwelt durch Liese Benennung m keine Mrlegenhrit gerathen möge, halte ich f-3 für nöthig, selche durch eine AnküiiL^Nng i» erklären, welche im Jahr 1747 in Lenden bekannt gemacht wurde. NB, NB. Herr Dreughton macht bekannt, wie er Scsomieii ist, unter erfvderlicher Unterstü tzung, in seinem Hause an» H eumarkte, ei ne Akademie zuerofnen, um denemenigklt Unterricht r» geben, die da Lust und Belieben haben, sich in die Mysterien der edlen Kunst der Deren- rinweihcu zu lassen; worin die gan;e Theorie und Praxis dieser wirklich Btitti« sch en Kunst mit allen ihren verschiedener» Griffen, Stößen, Kreutzfa'usten u. s. w., die bev diesen Kämpfen anzuwendcn sind, ausr deutlichste gelehret und erkläret werbe» sollen; und damit hohe Standespersonen nicht mögen abgeschreckt werden, «inen Cursum in diesem Lollegi» durchzugehen, so versichert man, daß man auf die Mattheit der Dauer und der Lei« derbe»
Thomas
Buch XIII.
Der Herr, welcher vor Wuth schäumte, be fahl seinem Bedienten, aufderStelle-dieLivrey
üuszuziehn, wozu der Lehlrc unter der Pe«
hingung sehr bereitwillig war, wenn er sei nen Lohn erhielte.
Diese Bedingung ward
vhne Widerrede cingegangen, und der Bur
sche entlassen. Und nunmehr bestund der junge Herr, dessen Name Nachtigall hieß, sehr drin
gend darauf, dast sein ?vetter auf eine Flasche Wem mit ihm fürlicb nehmen möchte; welches sich JoneS, nach vielem Nöthigen,
gefallen liest, obgleich mehr aus Gefälligkeit, als aus Neigung, weil die Unruhe, die er in feinem Gemüthe fühlte,
Nicht
zur Gesellschaft
ihn fast gar
aufgelegt
machte.
Mam-
deSbeschaffenhcit des Eleven die behutsamste Rück sicht nehmen wird; des Endes bereits die erfoderlichcn Wülste angefchaft sind, welche sie tot den leidige« Anfälle« blauer Augen, ;erfchellerter Kinnbacke« und blutiger Nasen ljitijänglich schützen und sichern werde».
Kap. V.
Jones«
6z
Mamsell Nette, welche bas einzige Frauenzimmer im Hause war, da ihre Mut ter und Schwester nach der Komödie ge gangen wären, hatte gleichfalls die Gefäl ligkeit, ihnen Gesellschaft zu leisten.
Als Wein und Glaser auf dem Tische stunden, sing der junge Herr an, die Veranlassung zu der vorgefallenen Unruhe zu erzählen. »Ich hoffe, mein Herr," sagt' er zu Jones, »Eie werden aus diesem Vorfälle »nicht schließen, daß meine Gewohnheit sey, »meine Bedienten zu prügeln; denn ich ver« »sichre Sie, daß dieses, so viel ich mich »erinnern kann, das Erstemal ist, da ich »in diesen Fehler verfallen bin, und daß »ich selbst diesem Kerl manchen argen Streich »übersehen habe, eh' er mich hat daz» brin»gen können. Wenn Sie aber hören, was »diesen Abend vorgegangen ist, so werden v. Bans. E »Sie
66
Thomas
Buch XIII.
»Sie, wie ich nicht zweifle, finden, daß ich »zu entschuldigen bin. Es traf sich, daß »ich einige Stunden früher, als gewöhnlich, »nach Hause kam, und vierHerrn in Livree »bey meinem Feuer im Whistsplelen bcgrif» »fen fand — und mein Hoyle, sollten »Sie's glauben — mein bestes Exemplar »vom Hoyle, das mich eine Guinee kostet, »lag dabey aufgcschlagen auf'm Tische, und »die wichtigsten Blätter im ganzen Buche »waren mit Draunbier begossen. Sie wer« »den mir zugeben, daß so etwas einen ar»gern muß > dennoch sagt' ich kein Wort, »bis die honette Spielgesellschaft aus einan. »der gegangen war, und da erst gab ich »dem Kerl einen gelinden Verweis; und Er, «anstatt im geringsten nur zu thun, als »ob's ihm leid wäre, gab mir eine nasewei, »se Antwort, und sagte: Die Bedienten müß> «ten eben sowohl sich einen Zeitvertreib ma. »chen, als andre Leute; es thäte ihm frey«sich leid, daß das Buch begossen worden »wäre;
Kap. V.
Jones.
6?
»wäre; indessen hatten verschiedene von sei« »neu Bekannten dasselbe Buch für sechs »Groschen gekauft, imb, wenn ich wollte, »konnte ich ihm ja so viel von seinem Lohne »abziehen. Hierüber gab ich ihm dann einen »starkem Verweis, als vorher, worauf der »Schurke die Frechheit hatte, mir —■ Kurz, »er sagte, mein früheres zu Haufe kommen »käme — Kurz, er unterstund sich Anmer kungen auszustoßen — Er nannte den »Namen eines jungen Frauenzimmers, auf »eine Art — auf eine Art, die mich in Hi« »tze jagte, und mir alle Geduld benahm, »so, baß ich im Eifer nach ihm schlug."
Jones antwortete: er glaube, es wür. de ihn kein lebendiger Mensch auf Erden ta deln. »Ich, meines Theils," sagte er, »ich gestehe es, ich würde es über das letzte »Vergehen nicht anders gemacht haben.« Unsre Gesellschaft hatte noch nicht lange beysammen gesessen, als sie durch die MutE 2 ter
Thomas
BuchXHI.
ter und die Jungfer Tochter vom Haufe, bey ihrer Heimkunft aus der Komödie, verstärkt ward. Und nun brachten sie einen sehr vergnügten Abend mit einander hin, denn alle, biS anfJones, waren von Herzen munter, und selbst dieser zwang sich, so munter zu seyn, als er nur konnte. In der That war die Hälfte seiner natürlichen Leb haftigkeit, verbunden mit feiner sanften Eemäthsart, schon hinlänglich, ihn zu einem sehr liebenswürdigen Gesellschafter zu mad)tn; und ungeachtet der Kümmerniß seines Herzens, machte er sich bey dieser Gelegen» heit so beliebt, baß der junge Herr, als man aus einander ging, ihn sehr angele gentlich um seine fernere Bekanntschaft bat. Mamsell Nette war sehr gut mit ihm zufrie den; und die Wittwe, sehr erfreut über ih. rin neuen Micthsmann, lud ihn nebst dem Andern ein, des folgenden Morgens mit ihr zu frühstücken.
JoneS,
Kap. V.
Jones.
69
Jones, seiner Ccits, war nicht weni ger zufrieden. Denn Mamsell Nette war freylich nur ein kleines Ding vom Mädchen, aber außerordentlich artig, und die Wittwe hatte alle die Reihe, welche eine Frau gegen Fünfzig schmücken können. Sie war eins der unschuldigsten und zugleich dabey frohesten Geschöpfe von der Welt. Sie dachte, redete oder wünschte niemals im geringsten etwas Böses, und unterhielt beständig jene Begierde, frohe Menschen zu machen, welche auch deswegen die glücklichste Begierde zu heißen verdient, weil sie höchst selten ihres End zwecks verfehlt, wenn sie sich durch keine ge zwungene Zicrercy äußert. Kurz, obgleich ihr Vermögen nicht weit reichte, so war sie doch, ihrem Herzen nach, die wärmste Freundinn. Sie war eine zartlicht Ehegattinn gewesen, und war eine höchst gütige, liebreiche Mutter.
E 3
Weil
70
Thomas
Buch XIII.
Weil unsre Geschichte nicht, wie einZci. tungsblatt, große Lobeserhebungen von sol« chen Leuten macht, von denen man vorher nichts gehört hat, und nachher auch weiter nichts hört: so wird der Leser hieraus schlie« ßcn, daß diese vortrcfliche Frau biernachst mehr Vorkommen', und für unsre Geschichte von einiger Wichtigkeit seyn werde. Auch fand Jones nicht wenig Gefallen errn, mit sammt ihrer alten Philosophie, belegt werben. Wenn tfutt die alte Meynung, daß ein Mann gar gemächlich von seiner Tugend allein leben könne, das ist, wüsste die eben er wähnten weisen Männer zu seyn ausgcfundcn zu haben vorgeben, nämlich, ein erwie sener Irrthum: so ist, wie ich besorge, der Satz einiger Romanschreiber nicht weniger falsch, daß ein Mensch ohne Weiteres von der Liebe leben könne; denn so eine süße und vortrefliche Nahrung diese auch einigen von unsern Sinnen und Begierden gewähren mag, so ist es doch ausgemacht, daß sie den übrigen gar keine giebt. Diejenigen also, welche ein zu unumschränktes Vertrauen auf jene Schriftsteller gesetzt, haben durch eine leidige Erfahrung ihren Irrthum ringesehen, wann eS zu spät war, und haben ge funden, daß Liebe eben so wenig fähig war, den Hunger zu stillen, als eine Rose fähig ist,
Kap. VI.
Jones.
85
ist, das Gehör zu ergehen, oder eine Geige, Dem Gerüche eine angenehme Empfindung zu geben. Ungeachtet also alle Leckerbissen, welche ihm die Liebe vorgesetzt hatte, die Hofnung nämlich, feineSophie auf der Maskerade zu sehen, an welcher er, so ungegründet seine Einbildungen auch seyn mochte«, fich den ganzen Tag erlabet hatte; neigte es sich kaum gegen Abend, als Herr Jones anfing, nach etwas Nahrung von gröberer Art zu schmach te». Rebhuhn entdeckte dieß qus dem blo ßen Ansehn, und nahm daher Anlaß, ent fernte Anspielungen auf die Banknote zu ma chen, und als diese:mit Unwillen abgewiesen wurden, raste er so viel Herz Hastigkeit zufammen, abermals der Wiederkehr zum Herr« Ailwerth zu erwähnen. »Rebhuhn,« sagte Jones, „Er kann »meine Umstünde nicht für verzweifelter HalF 3 »ten,
86
Thomas
Buch XIII.'
»ten, als ich selbst; und ich fange an, es herz»lich zu bereuen, daß ich Ihn nicht ßerljin« »dert hake, einen Ott zu verlassen, wo Ce „Sein Gewerbe trieb, und mir zu folgen. »Inzwischen bestehe ich jetzt darauf; daß Er »wieder heimgehe; und für Seine Kosten »und Mühe, die Er sich meinetwegen soj »gütiger Weise gemacht hak, ersuche ich Ihn,' »alle die Kleider anzunehmen und als Sei» »Eigenthum zu behalten, die ich in Seiner »Verwahrung zurückgclassen habe. ES »thut mir leid, daß ich Ihm meine Erkennt« »lichkeit auf keine andere Art bezeigen kann.« Er sprach diese Worte mit einem so räh« renden Nachdruck, daß Rebhuhn, unter dessen Fehler man kein böses und hartes Herz rechnen konnte, in Helle Thränen aus brach; und, nachdem er ihm zugefchwvrcn hatte, er wolle ihn in seinem Kummer nicht verlassen, legte er's äußerst ernsthaft auf's Dittman, um ihn zu bewegen, daß er wieder nach
Kap. VI.
Jones-'
87
nach Hause kehren möchte. »Um GotteS „willen, mein theuerster Herr," sagte er, „überlegen Sie doch? Was könn'n Cw. Gna« »den thun? Wie ist cs möglich, daß Cie „in dieser Stadt leben können ohne Geld? „Thun Sie, was Sie wollen, liebster Herr, „oder gehn Sie, wohin cs Ihnen beliebt, ich „bin entschlossen, Sie niemals zu ver blassen.— Aber, ich bitte, überlegen „Sie! — Ich bitte, bitte, gnädiger Herr, »um Ihrer selbst willen überlegen Sie cs „wohl; und ich bin überzeugt, Ihr eigner «richtiger Verstand wird es Ihnen sagen, „daß cs höchst nöthig sey, wieder nach Jh« »rer Hcimath zu kehren.« »Wie oft soll kch's ihm sagen,« antwort tete Jones, »daß ich keine Hcimath habe, »wo ich wieder hinkehrcn könnte ? Hatte ich „die geringste Hofnung, daß Herrn All« »Werths Thorr offen stehen würden, mich auf« »zunehmen r so brauchte's keiner Noth, mich F 4 »$«r
tzzur Rückkehrzu dringen — Sey Cr der« „sichert, keine andre Ursache auf Gottes »Erdboden könnte mich einen Augenblick Labhalten, nach seinem Aufenthalte hinzu»eilen, als leider! die, daß ich auf ewig »davon verbannt bin. Seine letzten Worte »waren — O guter Rebhuhn! sie schallen »mir noch in den Ohren — seine letzten »Worte waren, als er mir eine Summe »Geldes zustellte, wie viel es war, weiß ich »nicht; aber ansehnlich war sie, das weiß »ich — Seine letzten Worte waren: »Ich bin entschlossen, von heute an, un^er „kcinerlcy Vorwande, wieder mit Dir etwas »zu schaffen zu haben.«
Hier verstummte IoneS vor Gram des Herzens, so wie Rebhuhn vor Erstaunen auf einen Augenblick stumm blieb; allein er erhielt bald den Gebrauch der Sprache wieder, und nach einer kurzen Vorrede, in welcher cr betheuerte, daß Spähen und For. sch en
Kap. VI.
IoneS.
schm seine Sache gar nicht Ware, erkundig te er sich, was Herr Jones mit einer an sehnlichen Summe Geldes sagen wollen ? und wie er nicht wüßte, wie viel und wo das Geld geblieben Ware?
Ueber alle diese Punkte erhielt er nun hinlängliche Auskunft; worüber er eben im Begriff stund, seine Anmerkungen zu machen, als er durch eine Dothschaft von Herrn Nachtigall unterbrochen ward, der sich von seinem Herrn ausbitten ließ, ihm aus feinem Zimmer Gesellschaft zu leisten. Als beyde Herrn für die Maskerade ausgerüstet waren, und Herr Nachtigall hingefchickt hatte, ein Paar Sanften zu holen, verspürte sich Herr Jones in einer Art von Noth, welche manchem meiner Leser lächer lich genug vorkommen mag. Diese war, woher er das Trügerlohn nehmen sollte? Wenn solche Leser aber sich zurück erinnern K5 wollen,
9o
Thomas
Buch XIII.-
»vollen, was sie selbst über den Mangel von tausend, vielleicht von zehn oder zwan zig tausend Dukaten, um ein Lieblings. Pro jekt auszuführen, empfunden haben: so können sie sich eine deutliche Vorstellung von demjenigen machen, was Jones bey dieser Gelegenheit empfand. Dieser Sum« me wegen wendete er sich demnach an seinen Rebhuhn, und es war die erste, die er khm erlaubt hatte, ihm vorzustrecken, und nach seinem Vorsatze war es die letzte, die der arme Kerl in seinem Dienste auslegen sollte. Die Wahrheit zu sagen so hatte Rebhuhn seit einiger Zeit keine Anerbietnn. gen von dieser Art mehr gethan; ob er des wegen damit zurückgchalten, damit die Banknote angebrochen werden möchte, oder ob die Noth Herrn Jenes treiben sollte, nach Hause zu kehren, oder, was ec sonst für Ursachen dazu haben mochte, das will ich nicht entscheiden. Siebes
Kap. VH.
Jones.
91
Siebentes Kapitel. Enthalt die ganze Kurzweile eincrMas, kerade. | Inste Kavalliere langten jetzt in dem Temi ** pcl an, woselbst Heydegger, der große arbiter deliciarum, der große Ober priester des Vergnügens, die Herrschaft führt, und, gleich andern heidnischen Prie stern, die Opfernden mit der Gegenwart der Gottheit tauscht, wenn im Grunde keine sol che Gottheit vorhanden ist. Nachdem Herr Nachtigall mit seinem Gefährten ein oder ein Paarmal die Runde gemacht, ließ er ihn bald allein, und ging mit einer weiblichen Maske davon, und sagte: »Nun Sie einmal hier sind, Herr »Jones, müssen Sie ihr eignes Wild selbst »aufspüren.«
IoneS
Thomas
Hs
Buch XIII.
Jones fing an, fich mit starker Hofnung
zu Unterhalte«,
daß feitic Sophie auf der
Maskerade wäre; und diese Hvftmng mach-
te fein Gemüth heiterer, als die Illumina tion, die Musik und die Gesellschaft; ob-
gleich auch diese ziemlich starke Mittel gegen den Spleen sind.
Er fing an, jede Maske
anzuhäkeln, an der er einige Aehnlichkeit in Größe, Gange öder Wüchse, Engel zu erblicken glaubte.
mit feinen»
Einer jede«
suchte er einen witzigen Gedanken zu sage«, um sie zu einer Antwort zu bewegen, aus
der er rie Skimine erkennte, in welcher er fich, wie er meynte, unmöglich' irre» wür de.
Einige derselben antwörkcten mit qui«
kender Stimme durch die Frage: Kennen
Sie mich? Die meiste» aber sagten? Ich kenne Sie nicht, Maske! und weiter Nichts. Einige nannten ihn einen zu dreisten
Ünbikannten;
einige älrtwdrteten ihm kein
Wort; und etliche sagten: „In der That,
»ich
kenne
Ihre Stimme
nicht,
Kap. VII.
Jones?
„und also hab' ich Ihnen weitex »nichts zu sagt».;“ und manche gaben ihm so freundliche Antworten, als er nur wünschen konnte, aber nicht mit der Stim me, die er zu hören sich sehnte. Als er so stund, und mit einer der Letzi tern sprach, (die sich als Schäferinn ver kleidet hatte,) kam eine Dame im Domino auf ihn zu, klopfte ihn auf die Schultes und raunte ihm dabey ins Ohr: »Wenn „Sie noch länger mit der Haidschnucke kür..iiicln, so sag ich's Fraulein Western!« Jones hörte nicht so bald diesen Namen, als er ungesäumt die Schäferinn verließ, und sich an den Domino wendete, mit flehrndlicher Bitte, ihm doch die Dame zu zeigen, die sie eben genannt hätte, woferye solche im Saale gegenwärtig wäre.
Die Maske ging eklig durch die Zimmer bis zum äußersten Ende des letzten, und bann,
Thomas
Buch XIII.
dann, anstatt ihm zu antworten, fitzte sie sich nieder und erklärte, sie sey müde. Jo. nes fitzte sich zu ihr, und beharrte noch im. mer bey seiner Ditte. Zuletzt antwortete die Dame ganz kaltsinnig: »Ich dachte, Herr „JoneS wäre ein zu scharfsichtiger Liebhaber, »daß er seine Geliebte nicht hinter jeder „Verstellung erkennen sollte?« „Ist sie denn „hier, Madame?« versetzte Jones, mit vieler Lebhaftigkeit. Worauf die Dame erwiederte — »Hsch! Hsch! mein Herr; „man wird Cie beobachten. — Ich versieh, „re Sie auf meine Ehre, die Western „ist nicht hier.« Jones faßte setzt die Hand der Maske, und bat sie übermal aufs angelegentlichste, ihm zu sagen, wo er Sophien finden konnte? und da er keine verständliche Antwort zu erhalten vermochte, fing er au, ihr höflich vorzuwerfcn, wie sie ihm den Tag vorher seine Hofnung vereitelt Habe, und beschloß damit,
Kap. VH.
Jones,
damit, baßer sagte: »In der That, meine »liebe Zeycnköniginn, ich kenne Ihrs Ma« »jestat recht gut; ungeachtet Eie geruhen, »Ihre Stimme so artig zu verstellen. Irr »der That, meine gnadge Frau von Fitz »Patrick, es ist ein wenig grausam, sich »dergestalt an meinen Qualen zu Mu« -istigcn.« Die Maske antwortete: »Ob Eie mich »schon so schlauer Weise ausfindig gemacht >.baden: so must ich doch in eben der (Stirn» -.nie in'd) sortreden, damit mich andre nicht »auch erkenne». lind meinen Cie, mein »lieber Herr, dast ich meine Kusine nicht lie« »ber habe, als einen Liebeshandcl unterJH« »neu beyden zu begünstigen, der sowohl sät »meine Kusine, als fürSie selbst, zum grö» »stcsten Unglück auSschlagen müßte? Ueber» »dem ist meine Kusine, das versichre ich »Eie, nicht thöricht genug, in ihren eigenen »Untergang zu willigen, wenn Sie auch ge« »nug
95
Thomas
Surf; XIII.
„nug ihr Feind wären, sie dazu verführen „zu wollen.«
„Acb, Madame,« sagte Jones, „wie „wenig kenne» Sie mein Herz, wenn Eie „miet) für einen Feind von Sophien halten!« «Und doch werden Sie zugeben, daß „es wie rin Feind handeln heißt,« sagte die Andre, »wenn man jemand ins Unglück „stürzt; und wenn man durch eben diese Art „zu handeln , ganz wissentlich und gewiß, „sein eigenes Unglück bewirkt, ist cs dann »nicht eben so gut Thorheit ober Tollheit, »als Verbrechen oben drein? Nun aber, „mein Herr, hat meine Kusine nur ein Ge„ringes mehr, als cs ihrem Vater belieben „wird, ihr mitzugeben; nur sehr wenig fük „eine Person von ihrem Slande. — Ihren »Vater kenne» Sie, und kennen auch Ihre »eigenen Glücksumstände»«
Jones
Kap. VII.
Jones.
97
Jones betheuerte, er habe keine solche Absichten auf Sophien, und betheuerte, er wollte lieber des grausamsten Todes sterben, als ihre Glückseligkeit seinen Wünschen auf» opfern; er wisse, wie unwürdig er ihrer in jedem Betracht sey; er Habe schon vor» längst beschlossen, alle dergleichen hoch flie gende Gedanken fahren zu lassen; ein ganz sonderbarer Zufall habe ihm aber das Ver langen eingeflößt, sie noch Einmal wieder zu sprechen, und dann verspräche er, ans ewig Abschied von ihr zu nehme». „Nein, „Madame," fuhr er fort, „meine Liebe ist „nicht von der schändlichen Art, welche ihre »eigene Befriedigung auf Kosten alles des« „jenigen sucht, was ihrem Gegenstände höchst »theuer und werth ist. Ich wollte dem Be»sitze meiner Sophie alles in der Welt auf»,opfern, nur nicht Sophien selbst.«»
Obgleich der Leser bereits eben nicht die engelreinste Idee von der Tugend der Dame V.Band. G im
58
Thomas
Buch XIII.
km Domino geschöpft haben mag, und ob es sich gleich in der Folge zeigen kann, daß sie grade eben nicht der edelste Charakter threS Geschlechts gewesen: so ist dennoch gewiss, Laß diese großmüthigen Gesinnungen einen starken Eindruck auf sie machten, und die Zuneigung um ein Großes vermehrten, die sie vorher schon zu unserm jungen Helden ge faßt hatte.
Jetzt sagte die Dame, nach einem Still schweigen von rin Paar Augenblicken, sie betrachte feine Ansprüche auf Sophien eben nicht als kühn und verwegen, sondern viel« wehr als unbesonnen und wider die Klug heit. »Junge Männer,« sagte sie, »kön« »nen ihre Gedanken niemals zu hoch richten. »Ich liebe die Ambition in einem jungen »Manne, und ich möchte Ihnen rathen, sol»che auf alle mögliche Weise zu kulliviren. »Es kann Ihnen vielleicht bey Personen ge»lingen, die unendlich reicher sind; ja, ich »bin
Kap. VII.
Jones,
„bin überzeugt, eS giebt Frauenzimmer — „Aber, halten Sie mich nicht für eine wun„derliche Kreatur, Herr Jones, daß ich „wich darauf einlasse, einem Manne Rath „zu geben, mit dem ich so wenig bekannt „bin, und dazu noch einem Manne, mit „dessen Betragen gegen mich ich so wenig „Ursach habe, vergnügt zu seyn?«
Hier begann Herr Jones Entschuldigung gm zu machen, wie er hoffe, er habe fie Lurch nichts beleidigt, was er über ihre Ku sine gesagt — worauf die Maske antwor tete r »Und sind Sie denn so wenig mit nut* „nein Geschlecht bekannt, um nicht zu wis»sen, daß Sie ein Frauenzimmer nicht leicht „härter beleidigen können, als wenn Sie „solches mit Ihrer Leidenschaft für eine An»dre unterhalten? Wenn die Fcycnköniginn »keine beßre Meynung von Ihrer Gallante»rie gehabt hätte, sie würde Ihnen schwer-
io«
Thomas
Buch XHI.
»lich eine Zusammenkunft auf der Maskcra»de gegeben haben.«
Jones hatte niemals weniger Neigung zu einer Liebele») gehabt, als jetzt; aber Gal« lanterie gegen das Frauenzimmer war mit unter seinen Grundsätzen von Ehre, und er hielt es für eine eben so große Ehrensache, eine Ausfoderung jttm Lieben anzunehmen, als weiui es eine Ausfoderung zum Schlagen gewesen wäre. Dazu kam noch, daß eben seine Liebe zu Sophien es nothwendig für ihn machte, eS mit der Dame nicht zu ver derben, weil er nicht zweifelte, sie sey im Stande, ihm eine Unterredung mit der An dern zu verschaffen. Sonach began er, auf Ihre letzten Wor te eine sehr warme Antwort zu geben, als eine Maske, verkleidet wie ein altes Weib, sich zu ihnen that. Diese Maske war eine von jenen Damen, welche bloß des Endes auf
Kap. VII.
Jones.
101
auf Maskeraden gehen, um dadurch ihrer Schadenfreude Luft zu machen, daß sie den Leuten bittre Wahrheiten sagen, und, wie die Redensart ist, den Leuten so viel Scha bernack anzuhängen, als sie nur können. Diese liebe Dame also, welche bemerkt hat. te, daß Jones und seine Freundinn, welche sie wohl kannte, in einer Ecke des Zimmers mit vertraulicher Unterredung beschäftigt wa ren, dachte, sie könne ihren Spleen nicht besser auslassen, als wenn sie solche unterKröche. Sie attaquirte sie also, nach Mas. keradensprache, und trieb sie bald aus ih rem ruhigen Sitze; damit noch nicht zufrie den, verfolgte sie das Paar allenthalben, wo es sich hin begeben wollte, um ihr auszuweichen; bis endlich Herr Nachti gall die Verlegenheit seines Freundes wahr nahm , und ihn dadurch erlöset«, das er das alte Weib auf eine andre Art beschäf tigte.
G 3
Wöh-
102
Thomas
Buch XIII.
Während der Zeit, daß Jones mit sei« nerMaske im Saale herumging, um der Fopperinn los zu werden, bemerkte er, daß seine Dame mit verschiedenen Masken eben so frey und bekannt sprach, als ob sie keine Larve vor'm Gesicht gehabt hatten. Er konnte nicht umhin, darüber seine Verwun« derung zu bezeigen, und sagte: „Im Ernst, »Madame, Sie müssen unendliche Geschick» »lichkeit besitzen, die Menschen unter allen »Verkleidungen zu kennen.« Worauf die Dame versetzte: »Sie könne sich nichts »Schalers und Kindischers gedenken, als »tine Maskerade für Leute von Stande, die »sich einander hier so gut kennen, als wenn »sie in einer Assemblee oder bey Hofe zusam« „men kommen; darum spricht auch eine Da»me von Stande mit Niemanden, mit dem »sie nicht bekannt ist. Kurz, von dem zahl« »reichsten Haufen aller Personen, die Sie „hier sehen, kann man mit größerm Recht »hier sagen, daß fit ihre Zeit tödten, als »aq
Kap. VII.
Jones,
gegen alle diese Gunstbezeigungen auf ihn stos sen; und da ihn seine Bedürfnisse nöthigten, sie anzunehmen, so, mcynte er, verpflichte Ihn feine Ehre, dafür den Preis zu zahlen. Dieß also beschloß er zu thun, was für Hcrzleid es ihm auch bringen möchte; und zwar nach eben dem großen Grundsätze der Rechte, nach welchem die Gesetze einiger Länder einen Schuldner, der seinen Gläubi ger aus keine andre Weife bezahlen kann, ver dammen, sich ihm zum Leibeigenen zu übergeben. Als er eben über diese Sache nachdachte, -rächte man ihm von der Dame folgenden Trief.
»Es hat sich ein närrischer, aber sehr »verdrießlicher Umstand zugctragen, seitdem »wir uns das letztemal gesehen haben, und »dieß macht's unschicklich für mich, Sie wie. »der
Kap. IX.
Jones.
ge Nacht! — „Whea every Eye was clos’d, and
V. Ban-.
Thomas
Vllch XIV.
„And silent Stars shone confcious of tha Tbeft.“
»— Als jedes Auge „Geschlossen war, und «Ur der blasse Mond, „Die stillen Sterne Deinen Diebstahl sahii. —«
»Nun, sehn Sie, Herr Nachtigall,« erwiederte JoneS, »ich bin kein frömmeln» »der Heuchler, und mache keinen größer» „Anspruck auf Enthaltsamkeit, als meine »Nachbaren. Ich bin im Punkt der Weibet „Nickt unschuldig; aber daS bin ich mir »Nicht bewußt, daß ich jemals eine Person „verführt Hütte — und möchte auch „Nickt, um meinen Sinnen ein Vergnügen «zu verschaffen, wissentlich Schuld an dem „Elende irgend eines Menschlichen Geschöp. «>fts seyn.«
„Tut,
Kap. IV.
Ioner.
227
»Gut, gut!« sagte Nachtigall. »Ich »glaube Ihnen, und bin überzeugt, daß »Sie auch mich von allen dergleichen Din gen frey sprechen.«
»DaS thu' ich vonHerzen!« antwortete Jones, »davon nämlich, daß Sie daü »Mädchen nicht entehrt haben, aber nicht »davon, daß Sie sich in ihr Herz ringe« »schlichen haben.« »Wenn ich das gethan habe,« sagte Nachtigall, «so ist mir's herzlich leid! Aber »Zeit und Abwesenheit werden solche Ein« »drücke bald auslöschen. Das ist rin Re« »cept, das ich auch mir verschreiben muß; »denn, um Ihnen die Wahrheit zu geste« »hen — in meinem Leben, hab' ich noch »kein Mädchen nur halb so lieb gehakt, ^>als dieses; aber ich muß Sie nur mit dem »ganzen Geheimniß bekannt machen, Tho. »was. Mein Vater hat für mich eine Hei« P 2 »rath
22 g
Thomas
Buch XIV.
„rath ausgemacht, mit rlnem Mädchen, „daS ich nie gesehen habe, und das jetzt iii „die Stadt kommen wird, um sich von mir „die gehörigen Anwerbungen thun zu „lassen." Dey diesen Worten krach Jones in «in lautes Gelachter aus, wobey Nachti gall schrie: — „Nein , ich bitte Dich, „lache nicht über mich! Der Teufel hol „mich, wenn ich nicht ohne dieß schon halb „unsinnig darüber bin! Mein armes Nett« „chen! O Jones, Jones! Desäß'ich doch „nur eignes Vermögen!«
„Das wünscht' ich Ihnen von Herzen," sagte Jones; „denn wenn es da hinkt, so „bedaur' ich Euch aufrichtig alle beyde! „Aber, Sie werden doch bey alledem nicht »Willens seyn, so fortzugehn, ohne von ihr „Abschied zu nehmen?«
„Um
Kap. IV.
Jones.
229
»Um zehntausend Pfund,« antwortete Nachtigall, »möcht'ich mich der Qual nicht »aussctzen, von ihr Abschied zu nehmen. »Außerdem bin ich überzeugt, es würde »nichts Gutes wirken, cs würde nur dazu »dienen, mein armes Nettchen zu peinigen. »Ich bitte demnach, nur heute sich davon »kein Wort entfallen zu lassen, und heute Abend »oder- morgen früh bin ich Willens fort« «zugehen.« Jones versprach, zu schweigen, und sagte: Nach reifer Ueberlcgung glaubte er, da er doch entschlossen und genöthigt wäre, sie zu verlassen, wäre dieß die vorsichtigste Art und Weise. Er sagte drauf dem Herrn Nachtigall, es würde ihm sehr lieb seyn, mit ihm in Einem Hause zu wohnen; und dem zu Folge wurden sie darüber eins, daß Nachtigall ihm entweder den untersten oder den dritten Stock miethen sollte; denn die« P z ser
szo
Thomas
Buch XIV.
fer jungt Herr hatte den zweyten für sich selbst gemiethet.
Dieser Herr Nachtigall, von dem Wir nächstens genöthigt seyn werden, etwaS mehr jii sagen, war bey den gewöhnlichen Oorfallenheiten deS Lebens, ein Mann von strenger Ehre, und, was unter den jungen Stutzern in Städten noch seltner ist, ein Mann von biederer Redlichkeit. In Lie« leshändeln aber war er von etwas lockerer Moral. Nicht, baß er so völlig ohne alle Grundsätze gewesen wäre, als die jungen Herrn zuweilen sind, und noch öfter scheinen «ollen; aber gewiß ist eS, daß er sich einige nicht zu entschuldigende Verrathereyen gegen das weibliche Geschlecht erlaubt und in einem gewissen Handel, genannt Liebesgeschafte, sol che Kniffe ausgeübt hatte, die man, wenn er sich derselben bey einem Geld • oder Waaren« Geschäfte bedient hätte, für die größte Schur«
Jtdp. IV.
Jones.
LZ!
Schurkerey auf Gottes Erdboden anerkannt haben würde.
Allein, da die Welt, aus was für Ur« fachen, begreif' ich nicht so eigentlich, dar« über einig geworden ist, diese Betrüger reycn in einem bessern Lichte zu betrachten; so war er so weit davon entfernt, sich dieser Dübereyen zu schämen, daß er sich vielmehr damit breit machte, und sich oft seiner Ge schicklichkeit beym Frauenzimmer und der Eroberungen ihrer Herzen zu rühmen pfleg« te; worüber ihm Jones schon lange vor« her einige Verweise gegeben hatte, der 6t« ständig eine große Bitterkeit gegen schlechtes Verfahren mit dem schonen Geschlechte blr. cken ließ, und zu sagen pflegte; Wenn man, wie man eigentlich sollte, Frauenzimmer in dem Gesichtspunkte theurer Freundinnen betrachtete, müßte man mit der äußersten Liebe und Zärtlichkeit mit ihnen umgehen, sie in Ehren halten, und ihnen liebkosen. P 4 Betrach«
2;r
Thomas
BuchXlV.
Detrachtcte man sie aber als Feindinnen; so wären es Eroberungen, deren sich ein Mann vielmehr zu schämen, als zu rühmen hätte»
Fünftes Kapitel. Ei» kurzer Auszug aus Madame Mil, lerö LebenSgeschichte.
är einen Kranken nahm Jones heute Mit, tag eine wackere Mahlzeit zu sich, das heißt; die größte Hälfte von einer Hammel, fchulter. Des Nachmittags erhielt er «ine Einladung von Madame Miller zum Theer denn da diese gute Frau, entweder durch Rcb« huhu, oder durch irgend «inen andern na türlichen oder übernatürlichen Weg, erfahren hatte, daß er einen Zusammenhang mit Herrn Allwerth hätte; so konnte sie den Ge» danken nicht ausstehn, ihn auf eine unfried. sich« Weise ausjichcn zu lassen.
S
JoneS
2;r
Thomas
BuchXlV.
Detrachtcte man sie aber als Feindinnen; so wären es Eroberungen, deren sich ein Mann vielmehr zu schämen, als zu rühmen hätte»
Fünftes Kapitel. Ei» kurzer Auszug aus Madame Mil, lerö LebenSgeschichte.
är einen Kranken nahm Jones heute Mit, tag eine wackere Mahlzeit zu sich, das heißt; die größte Hälfte von einer Hammel, fchulter. Des Nachmittags erhielt er «ine Einladung von Madame Miller zum Theer denn da diese gute Frau, entweder durch Rcb« huhu, oder durch irgend «inen andern na türlichen oder übernatürlichen Weg, erfahren hatte, daß er einen Zusammenhang mit Herrn Allwerth hätte; so konnte sie den Ge» danken nicht ausstehn, ihn auf eine unfried. sich« Weise ausjichcn zu lassen.
S
JoneS
Jones.
Kap.V.
233
JoneS nahm die Einladung an; und
tildit so bald war der Theekessel wieder fort«
getragen, und die Töchter auS dem Zimmer geschickt, als die Witwe ohne weitlauftige
Vorrede folgender Maaßen anhub r
»Wohl,
»es ereignen sich manche wunderbare Dinge in »der Welt;
aber eins der wunderbarsten
»ist es gewiß, daß ich einen Verwandten vom »Herrn von Allwerth in meinem Haufe har »ben mußte, ohne daß ich nur ein Wort »davon wußte.
Ach, mein lieber Herr Jo«
„neS, Sic können sich schwerlich einbildcn, »was
für ein Freund dieser
vortreflicht
»Herr für mich und die Meinigen gewesen »ist.
Ja,
lieber Herr Jones, ich schüme
»mtch's nicht, zu gestehen, seiner Güte hab'
»ich's ju verdanken, daß ich nicht verlangst »schon vor Mangel umgckommen bin, und
»meine kleinen armen Wichter, als jwey nack« »te, hilfsbedürftige, freundlose Waisen der
»Varmherzigket, oder vielmehr der Unbarmr
»herjigkcit der Welt habe überlassen müssen.» P 5
»Sie
434
Thomas
Buch XIV.
»Sie müssen wissen, mein Herr, ob ich gleich »jetzt dahin gebracht bin, von der Zimmer« »miethe meines Hauses zu leben, so bin ich »doch als rin adelichcs Kind geboren und »erzogen worden. Mein Vater war ein Of« »fizier von der Armee, und starb in einem »ansehnlichen Range. Cr lebte aber von »seinem Solde; und da solcher w.it seinem Le« »ben aufhörte, so wurde seine Familie bey »seinem Ableben an den Bettelstab gebracht. »Wir waren unser drey Schwestern. Ei„ne von uns war so glücklich, bald nachher »an den Blattern zu sterben. Eine Dame »war so gütig, die zwote aus Mitleidcn, »wie ste sagte, als Gesellschafterinn zu sich «zu nehmen. Die Mutter dieser Dame hat, »te bey meiner Großmutter als Hausmagd »gedient, und nachdem sie von ihrem Vater, »welcher Geld auf Pfander auSlieh, «in »großes Vermögen ererbt hatte, ward sie »an einen vornehmen Herrn von Stande »verheirathet. Sie ging, mit meiner Schwe rster
Kap. V.
Jones.
*35
»fier sehr barbarisch um; rückte ihr oft ih« »ren Stand und ihre Armuth vor, und »nannte sie oft spottweife bas gnädige »Fräulein, so, daß ich glaube, es war vor »bloßem Gram, daß sie ein Jahr nach dem »Tode meines Vaters gleichfalls starb. DaS »Glück fand für gut, auf «ine bessere Weise »für mich zu sorgen, und in einem Monate »nach seinem Lode ward ich mit einem Geist« »lichen verheirathet, der mir schon lange »Zeit vorher seine Liebe erklärt hatte, und »darüber von meinem Vater sehr unfreund« »liche Begegnungen erdulden müssen. Denn, »obgleich mein armer Vater keiner von uns »einen Groschen mitgeben konnte; so ertr» „ständiger Mann ist. Ein einfältiger Kerl „wäre kapabel gewesen, alle diese Artikel zu „Gelde zu rechnen, und in der Mitgabe „mit anzuschlagen. Nein, das muß ich „ihm ehrlich nachsagen, erwähnt hat er „nicht einmal all' der Dinge; und sie gc« »Horen doch gewiß beym Frauenzimmer nicht »unter Thara und Rabbat.«— „Ich »vcrsichre, mein Herr,« sagte Jones, „sie „btsiitt diese Eigenschaften alle in einem sehr »hohen ('uade. Indessen glaubte ich md« »ncr Seils, Sie mochten einige kleine Ein„wcndungcn gehabt haben, und der Partie »nicht so recht geneigt gewesen seyn; denn »Ihr Sohn sagte mir, Sie hätten das »Frauenzimmer niemals gesehen oder ge« «sprachen, und deswegen kam ich her, wenn »das gewesen Ware, Cie zu bitten, zu br»schwären, wenn Ihnen das Glück Ihres »Sohnes thruer wäre, der Verbindung mit »einem
Thomas
Buch XIV.
»einem Frauenzimmer nicht entgegen jtt »seyn, die nicht nur alle diejenigen guten Ci»genschaften besitzt, deren ich erwähnt habe, »sondern noch weit mehre.« »Wenn daS »Ihr Gewerbe war,« sagte der Alte, »so sind wir Ihnen beyde sehr verbunden, »und Sie können völlig ruhig seyn; denn, »ich versichre Sie, ich war mit ihrer Mil« »gäbe ganz wohl zufrieden.« »Mein »Herr,« antwortete Jones, »ich schätze »Sie von Minute zu Minute immer höher. »Sich so leicht befriedigen zu lassen, so mä»ßig zu seyn über diesen Punkt, das ist »ein Beweis von der Richtigkeit Ihres Der»standeS sowohl, als von dem Adel Ihrer See« »le.« — »Nu, so sehr mäßig, mein lieber »junger Herr,« antwortete der Vater, »fi> »entsetzlich mäßig bin ich doch nun auch eben »nicht!« »Immer edler,« erwiederte Jo nes. »Immer edler! und erlauben Sie »mit hinjuzufügen, immer verständiger! »Denn am Ende ist es freylich nicht viel we«Niger,
Kap. VIII.
Jones»
»Niger, als barer Unsinn, bas Geld für »den cinjigen Grund aller Glückseligkeit zu »halten. Ein Frauenzimmer, wie dieses, »mit ihrer geringen, oder eigentlich gar kei« »ncr Mitgabe —« »Ich finde,« rief der alte Herr, »Sie haben eine feine, richtige »Idee vom Gelde! Oder Sie sind auch bef« »ser mit der Persan, als mit ihren Vermö»genslunsianden bekannt! Wieviel meynen «Sie wohl, daß der Brautschatz betrügt?« »Drautschatz!« sagte Jones; »nun, zu wer „ilig, um für einen Mann, wieJhren Sohn, «den Name« zu verdienen.« »Nu, nu, «nu!« sagte der Andre, »vielleicht Hütt' er »eine beßre Parthie thun können. —« »DaS lüugn' ich,« sagte JsneSr »denn sie »lsi einS der besten Frauenzimmer.« — »Nichts darwiber!« antwortete der Andre. »Ich meyne aber nur an Geld und Bar»schäften! — Und dennoch auch daran; »wie viel meynen Sie wohl, daß sie Ihrem »Freunde zubrmgt?« »Wie viel?« rüste V. Band. L Jones,
Thomas
Buch XIV.
Jones, »wie diel? — Nun aufs höchste,
„vielleicht ein paar hnndert Pfund Sterling."
„Wollen Sie mich foppen, junger Herr?«
sagte der Alte ein wenig krausstirnig. — „Nein, wahrhaftig nichtl« antwortete Jo« nes.
»Es ist mein Ernst; ja, ich glaube,
„id) habe eh' zu viel gesagt, als zu wenig. „Wenn ich die Braut für zu arm halte, ss „bitte ich sie um Verzeihung.« „In der That,
„das thun Sie!« rief der Vater.
„Ich
„weiß besser, daß sie über funfzigmal so „viel hat,
und sie muß erst noch fünfzig«
„mal so viel aufblechen, eh' ich einwillige, »baß sie meinen Cohn heiralhet.«
»Ja,
»npn aber« — sagte Jones, „es ist zu »spät vom Einwilligen zu sprechen , ! nun«
»mehr---------- Wenn sie auch keine fünfzig
»Groschen hat, Ihr Sohn ist verheirathet.»
.— »Mein Sohn verheirathet!« antworte« U der Alte mit Erstaunen.
»Je nun,"
sagte Jones, »ich dachte, daS wüßten Sie
»schon.«
»Mein Sohn verheirathet, mit
»Made-
Kap. VIII.
Jones,
2g S
»Mademoiselle Harris!« antwortete er aber» nials. — »Mit Mademoiselle Harris?«« faßte Jones. »Nein, mein Herr, mir Ma» »demoisclle Nanette Miller, Tochter der »Madame Miller, in deren Hause er Zim« »wer bewohnte; ein junges Frauenzimmer, »welche, ungeachtet daß ihre Mutter Zim« »mer vcrmiethen muß —« »Ist dasFop« »percy oder Ist's Ernst?« schrie der Vater, in einem sehr ftyerlichen Tone. — »Mein »Herr,« antwortete Jones, »Fopperey ist »meine Sacke gar nicht. Ich bin in dem »ernsthaftesten Vorsätze zu Ihnen gekommen. »weil ich dachte, wahr fin« »de, daß Ihr Herr Cohn es nicht gewagt »haben möchte, Ihnen eine Verbindung be« »sannt zu machen, die in Ansehung des »Geldes so weit unter ihm ist; die aber der »gute Name des Frauenzimmers nicht (an« »gcr als ein Geheimniß dulden kann.« Unterdessen daß noch der Vater da stund, als einer, den eine Hiobspost der Sprache L2
beraubt
2Z2
Thomas
Buch XIV.
beraubt hat, trat ein Herr inä Zimmer, der ihn mit dem Brudcrnamen begrüßte.
Aber, obgleich diese beyden Männer dem Dlute nach so nahe verwandt waren, so waren sie doch den Gesinnungen nach, so zu sagen, wahre Gegenfüßler. Der Druder, welcher eben anlangte, hatte gleich falls Handel getrieben; aber, er hatte nicht so bald gefunden, daß er rtwan 6000 Pfund verdient hatte, als er sich ein kleines Land gut kaufte, wohin er zu wohnen zog, die Tochter eines unbemittelten Lanbgeisilichen, rin junges Frauenzimmer heirathete, die zwar weder schön noch reich war, seine Wahl aber durch eine außerordentlich lustige und fröhliche Gemüthsart auf sich lenkte.
Mit dieser Gattinn hatte er fünf und zwanzig Jahre hindurch rin Leben geführt, das mehr Aehnlichkeit mit jenen Zeiten hatte, welche gewisse Poeten für das g old ne Alter
Kap. VIIL
Jones.
295
Alter auSgeben wollen, als mit dem unsri« gen. Er hatte mit ihr vier Kinder, wovon aber nur CinS bis zu reifen Jahren gelang. tef daS er und seine Frau,
nach der ge«
meinen Redensart, verzogen, das heißt,
mit der äußersten Liebe und Sorgfalt er jo» gen hatten; welche Liebe und Sorgfalt sie zu einem solchen Grade erwiederte, daß sie wirklich schon eine äußerst vortheilhaste Hei. rath mit einem Herrn von etwas über vier, zig Jahr alt, ausgeschlagen hatte, weit sie es nicht über ihr Herz bringen konnte, sich von ihren geliebten Aektern zu trennen. Das junge Fruenzimmer, welches Here Nachtigall für seinen Sohn bestimmt hatte, war eine nahe Nachbarinn von seinem 93m«
der, und eine Bekannt-, von seiner Nichte; tinb eigentlich war es die bevorstehende Her« rath, welche den Bruder jetzt jur Stadt ge bracht Hatter freylich gerade eben nicht, um solche zu befördern, sondern seinem Bruder T 3 einen
Thomas
Buch XIV.
einen Plan auS dem Sinne zu reden, der, Nach feiner (Einsicht, zum gänzlichen Der« derben feines Neffen ausschlagen müßte. Denn andre Folgen sahe er von der Ver bindung der Mademoiselle Harris nicht, unge achtet der ansehnlichen Größe ihres Vermö gens, weil weder ihre Person, noch ihre Eemüthsbeschaffenheit, nach feiner Mei), rumg, eben eine eheliche Glückseligkeit er warten ließ; denn sie war sehr lang, sehr schmächtig, sehr häßlich, sehr geziert, sehr einfaltig, und sehr boshaft.
Sein Druder erwähnte also nicht so bald der Heirath feines Neffen mit Mademoiselle Miller, als er darüber eine herzliche Freude bezeigte; und nachdem der Vater seinen Sohn bitterlich heruntergerissen, und das Urtheil des Dettelngehens über ihn ausge sprochen hatte, ließ sich derOheim folgender Gestalt vornehmen; »Wenn
Kop.VM.
295
IoneS.
»Wenn Du ein Bisschen kassier toarfl,
»Bruder, so würd' ich Dich fragen, ob Du »Deinen Sohn seinetwegen r »selbst wegen liebst.
Du würdest mir ver*
»niuthlich antworten, »Du meynst es:
ober Deiner
nqd ich vermuthe,
Seinetwegen! Und ohne
»Zweifel meynst Du durch die Heirath, die
»Du für ihn ausgemacht hast, fein Glück
»zu befördern.« »Nun aber^ lieber Bruder, kst mir daS
»Regeln geben, für andrer Menschen Glück-
»ftligkeit, noch immer als etwas sehr Ein„silltiges oorgefommen, und das Bestehen
»auf diesen Regeln, als
sehr tyrannisch.
»Der Irrthum ist sehr gewöhnlich;
aber
»bey alle dem bkeibt's doch immer ein Irr-
»thunr; und wenn es bey andern Fallen ein. „faltig ist, so ist es sogar völlig dumm beym
»Hcirathen, wobey die Glückseligkeit ganz
»allein von der gegenseitigen Neigung ab. »hängt, welche die Verlebten gegen cinan» »der tragen.«
24
»Ich
sgst
Thomas
Buch XIV.
»Ich habe es deswegen beständig für »sehr unvernünftig für die Aeltern gehalten,
„wenn sie bey dieser Sache anstatt der Km« »der haben wählen wollen; weil es unmög» „lich ist, die Neigung der Menschen mit Ge» »walt zu zwingen; ja, die Liebe fliehet der« »gestalt allen Zwang, daß ich nicht ein« »mal weiß, ob sie nicht, vermöge einer un« »glücklichen, aber unheilbaren Verkehrtheit »unserer Natur, sich sogar gegen die Ueber» »rcdung empört und auflehnt."
„Und dabey ist freylich auch immer so „viel wahr, daß, obgleich der Vater nicht »wird vorschreiben wollen, wenn er klug ist, „man ihn doch, nach meiner Meynung, bey
„dieser Gelegenheit auch fragen müsse, und „er, nach aller Billigkeit wenigstens, ein ver« »neinendes Votum haben sollte. Ich ge. „steh' also, daß mein Nesse, da er sich ver« »heirathet hat» ohne Dich um Rath zu fra.
»gen, einen Fehler begangen hat.
Aber
»ganz
Kap.VIIl.
Jones.
-97
„ganj ehrlich gesprochen, Bruder, bist Du „an diesem Fehler nicht selbst ein wenig «Schuld? Haben ihm nicht Deine oft wie« »verholten Erklärungen über diesen Punkt »die moralische Gewißheit gegeben, daß Du »nicht einwilligen werdest, wo es an Reich« »thum fehlte? Und sag nur, Dein gan;er „jetziger Acrger, woher kommt er? Jst's „nicht bloß der Abgang des Vermögens, der »Dich in Harnisch jagt? Und, wenn er „nun auch gegen den kindlichen Gehorsam „gesündigt hätte, hast Du denn nicht auch »Dein väterliche- Anschn viel zu hoch ge. »spannt, da Du ihn, ohne sein Wissen, an „eine Frau ordentlicher Weise verhandeltest, „die Du selbst nie gesehen hast? Und HZt« »test Du sie gesehn, und so gut gekannt, „wie ich sie kenne, so wäre es Raserey von „Dir gewesen, nur jemals daran zu denket», »sie in Deine Familie ju bringen.»
T 5
„Dey
sg8
Thomas
Buch XIV.
»Bey «He dem gestehe Ich, dast mein »Neffe gefehlt hat. Aber ein unverzeihlicher »Fehler ist es gewiß auch nicht. Cr hat in »einer Angelegenheit ohne Deine Cimvilli« »gung gehandelt, wobey er solche hatte 6c# »gehren sollen. Es ist aber auch eine An« »gelegenheit, die hauptsächlich ihn selbst und »fein eigenes Wohlseyn betrift. Du mußt »und wirst zngeben, daß Du bloß auf sein »Wohl sähest: und wenn er nun unglückli« «cher Weife von Dir verschieben denkt, und »in feinen Begriffen von Glückseligkeit ge» »irrt hat, willst Du deswegen, Bruder, »wenn Du Deinen Sohn liebst, ihn immer »weiter ins Unglück bringen? Willst Du »die Übeln Folgen seiner einfältigen Wahl »noch vermehren? Willst Du mir allem »Fleiße eine Heirath gewiß unglücklich ma« »chen, die es zufälliger Weise werken könn« »te? Mit Einem Worte, Bruder, wilistDu »feine Umstände deswegen so kümmerlich nm« „chen, als Du kannst, weil er nicht in Dei« »ner
Kap. VIII.
Jones.
299
»ner Gewalt gelassen hat, sie so wohlha bend zu machen, als Du wolltest?«
Durch die Kraft des wahren kathoki» scheu Glaubens wirkte der heilige Antonius mit seiner Predigt auf die Fische; Orpheus und Amphion krieben's ein wenig weiter, und setzten durch die Zaubergewalt der Musik utt« beseelte Dinge in Bewegung. Wunderwerk ke beydeS! Aber weder Geschichte noch Fa bel haben von Jemanden ein Beyspiel auf. bewahrt, der durch Gründe über ringe« gewurzelten 6eitz zu siegen vermocht hatte. Herr Nachtigall, der Datcr, anstatt es nur zu versuchen, seinem Bruder zu antwor ten, begnügte sich bloß damit, daß er sagte, sie wären über ihre Kindcrzucht niemals ei nerley Meynung gewesen. „Ich wünschte, „Bruder,« sagte er, „Du hättest cs damit „gut seyn lassen, daß Du Dich um Deine »eigne Tochter bekümmertest, und hättest »Dir
3oo
Thomas
Buch XIV.
„Dir niemals-mit meinem Sohne die gering« „sie Mühe gegeben, der, wie ich glaube, „eben so wenig durch Deine Lehren, als »durch Deine Beyspiele viel gewonnen hat." Denn der junge Nachtigall war von seinem Oheim aus der Taufe gehoben, und hatte sich mehr bey diesem, als bey seinem Vater aufgehalten; daß sonach der Oncle oft er« klart hatte, er habe seinen Neffen fast eben so lieb, als seine eigne Tochter. Jones ward ganz entzückt über diesen herrlichen Mann; und als sie funden, daß der Vater, anstatt sich besänftigen zu lassen, nur immer noch mehr aufgebracht wurde, so führte Jones den Oheim z« seinem Neffen nach Madame Millers Hause.
Neun«
Kap, IX.
IonrS.
gor
Neuntes Kapitel. Enthalt wunderliche Dinge.
Sytep der Ankunft in seinen Zimmern fand o#
„vor erröthe, nur seinen Namen zu nennen, „.weder Sie, noch die ganze Welt bey ihr
„verdrängen
werden.«
—
»Auf mein
„Wort, gnädige Frau, Sie werfen mir da
„einen Stein auf's Herz, worunter ich fast „ersticke.«
„Pfui, Herr Graf!» sagte sie.
„Ich hatte vielmehr gehest, er sollte Feuer
„aus Ihnen schlagen.
Ein Liebhaber, und
„von Ersticken sprechen, unterm Steine ei
gnes Nebenbuhlers!
Ich hatte erwartet,
„Sie würben mich um den Namen dieses
»Niesen fragen, damit Sie ungesäumt ge, »gen ihn in die Schranken treten könnten.«
Kap.U.
Jones.
83i
»Verlassen Sie sich darauf, gnädige-Frau,"
antwortete er, »ich wußte nichts, was ich „für Ihre rcitzcndr Kusine nicht unternch« >,mcn wollte; ich bitte, sagen Sie wir doch, »wer ist der glückliche Mann?« — »Wer
„er ist?«
sagte sie.
»Was,
»meinem Leidwesen bekenne,
wie ich jir
die meisten
»glücklichen Manner beym Frauenzimmer
»sind, »Welt.
einer der niedrigsten Kerle von der Er ist ein Bettler,
ein Bastard,
»ein Findling,.ein Kerl in schlechtem Um« »stünden, als der geringste von ihren Livree«
»bedienten.« — er,
»Jst's möglich,«
»daß eine junge Person,
schrie
mit solchen
»Vollkommenheiten, darauf denken kann, sich
»so schändlich wegznwerfett?« »Herr Graf!« antwortete sie.
»Ach leider,
»Aber be«
»denken Sie nur die kanderziehung.
Das
»Land ist das Verderben aller jungen Frauen« ,,zimmer, da lernen sie eine Reihe von ro«
»manhaften Begriffen von der Liebe, und »was weiß ich, von was für Unsinn mehr,
»wrl«
Thomas
Buch XV.
„welche diese Stadt nnd die gute Gesellschaft
„kaum in einem ganzen Winter wieder aus«
»rotten kann.«
»In der That,
gnädige
»Frau,« erwiederte der Graf, »Ihre jtu« »sine ist von zu unendlichem Werthe, um st
»weggeworfen zu werden: einem solchen Un« »heil muß mqn Vorbeugen.«
»Ach ja frey«
«lich! lieber Graf,« rüste sic: »aber wie »vorbeugen?
Die Familie hat schon alles
»gethan, was sie konnte; aber das Mad«
»chen,
glaub' ich,
ist ganz liebetrunkcn,
»und will sich nicht abhalten lassen, in den
»Abgrund zu taumeln.
Und um ganz offen«
»herzig gegen Sie heraus zu gehen, jeden
»Tag bin ich darauf gefaßt, zu hören, daß »sie mit ihm davon gelaufen ist.« — »Was
»Sie mst da sagen, Frau von Bellaston,«
antwortete der Graf,
»rührt mich auf'F
»zärtlichste, und erregt bloß mein Mitleiden, »anstatt meine Verehrung gegen Ihre gott«
»liche Kusine zu vermindern.
Man niuß
»Mittel suchen, rin st unschätzbares Kleinod
»zu
Kap. ll.
Jones.
333
„zu verwahren. Haben Ihro Gnaden schon »versucht ihr vernünftig zuzureden?" — Hier zwang sich die Dame laut zu lachen, rmd rief: »Theuerster Graf, ich dachte, Sie „kennten uns besser, um zu denken» man „könne einem jungen Mädchen durch ver» »Künftiges Zureden ihre Liebe aus dem Kop»ft bringen. Diese unschätzbaren Kleine»dien sind eben so taub, als die Juwelen, „womit sie sich schmücken. Zeit, Herr »Graf, Zelt ist die einzige Medicin, ihre „Thorheit zu kurircn; aber dieß ist eine Me» »dicin, die sie, wie ich gewiß bin, nicht rin» »nehmen wird. Wie gesagt, ich lebe ihrent» „wegen in täglicher Angst. Kurz, hier hilft »nichts, als gewaltsame Mittel.« »WaS »ist zu thun?« rüste der Graf; »was für »Mittel muß man ergreifen? — Giebt's U« „gend Mittel und Wege auf dem Erdboden? n — O theuerste von Dellasion, alles in «der Welt unternehme ich um einen solchen »Preis.« — »Ich weiß wirklich nicht,« ant-
Thomas
Buch XV.'
antwortete die Dame nach einigem Still schweigen; hierauf schwieg sie abermal eia Weilchen, und rief dann aus: — »Auf »meine Seele! mit meinem Witze bin ich »über dieß Mädchen rein zu Ende. —»Wenn sie gerettet werden kann, so muß man »ungesäumt dazu schreiten; und, wie gesagt, »nichts wird helfen, als gewaltsame Mittel. »Ja, Herr Graf, wenn Sie wirklich dieses »Attachement für meine Kusine haben; (und, »um ihr Gerechtigkeit widerfahren zu las« »sen, so ist sie, diese einfältige Inclination »ausgenommen, wovon sie das Thörichte »auch bald cinsehcn wird, ein sehr vortref« »liebes Frauenzimmer,) so, denke ich, ist »noch wohl ein Weg; er ist freylich sehr un« „angenehm, und ich scheue mich fast daran „zu denken. — Er erfodert viel Muth, daS »muß ich Ihnen sagen.« — »So viel ich „mir bewußt bin, Madame,« sagte er, „fehlt's mir daran nicht. Ich glaub' auch »nicht, daß mich jemand anders mit dem Fehler »im
jTap.IL
Jones.
335
,»im Verdacht hat. CS müsste wirklich (in „cntsc?lichcr Fehler an Muth seyn, dec „mich bey dieser Gelegenheit bcdüchllich ma< »chcn könnte.« „Nicht doch, Here »Graf,« antwortete sie; »ich bin weit ent»fernt von dergleichen Verdachte! Ich 6t< a.svrge vielmehr, daß ich selbst nicht Muth „genug habe; denn eben ich laufe dabey tU „ne entsetzliche Gefahr. Kurzum, ich muß »ein solches Vertrauen in Ihre Ehre und »Verschwiegenheit setzen, wie schwerlich eine »vorsichtige Dame, ans irgend einer Ursa„ehe, in eine MannSpcrson setzen wird.«—Auch über diesen Punkt leistete ihr der Graf so ziemlich Genüge; sein guter Name sey unbescholten, und das allgemeine Gerüchte erwiese ihm bloß Gerechtigkeit, indem es gut von ihm spräche. — »Wohlan denn,« sagte sie, »Herr Graf —. Aber nein —> «Ich — Wahrhaftig! Nein, ich kann den »Gedanken daran nicht auSsiehen. — Nein, »daS muß nicht geschehn. Wenigstens must »erst
z;6
Thomas
Buch XV.
»erst sonst alles Mögliche versucht werden. »Können Sie sich heute Mittag los machen, »und bey mir essen? so haben Sie Gelegen»heil, Fräulein Western rin wenig langer »zu sehen, Hyrr Graf! — Wir haben, ge»wiß keine Zeit zu verlieren. Ich habe heute »Niemand als ein paar Fräulein, die Sie »kennen, und den Obersten Hampsted und »Thomas Eduarts — Sie werden alle bey »Zeitenweggehn, — und ich will für Nie»mand zu Hause seyn; so können der Herr »Graf rin wenig deutlicher mit der Sprache »herausgehn. Ja, ich will's dann auch schon »so veranstalten, daß Sie Beweis von ih»rem Attachement an den Kerl haben sollen.« .— Der Graf machte die üblichen Kompli« mente, nahm die Einladung an, und so gingen str aus einander, sich zum Essen anzukleiden, denn eS war jetzt schon 3 Uhr deS Vormittags, oder, nach altem Styl zu rech nen, des Nachmittags.
Dritte«
Jfoip. III.
Jones.
337
Drittes Kapitel. Näherer Aufschluß des vorstehenden Plans. der Leser schon längst gemuth. ***/ maßet haben mag, baß die hochadeliche Dame von Bellaston ein Mitglied, und zwar kein unansehnliches, von der großen Welt gewesen, so war sie überdem noch wirk lich ein sehr ansehnliches Mitglied von bet kleinen Welt; eine Benennung, wo durch eine hoch, und sehr ehrwürdige Gesellschaft bezeichnet ward, die erst seit kurzem in diesem Königreiche blühete. Unter andern guten Grundsätzen, wor auf diese Societät errichtet worden, wat auch einer sehr merkwürdig; eben so, wie «S bey einem ehrwürdigen Klubb von Helden, der sich am Ende des letzten Krieges zusam men that, eine Regel war, daß jedes Mitglied sich jeden Tag wenigstens Einmal schlav.Bans. A gen
Thomas
Buch XV.
gen sollte r so war's in dieser (Societät Ge setz für jedes'Mitglied, binnen vier und zwanzig Stunden zum wenigsten Eine schnakische Lurre zu erzählen, welche durch die ganze Brüder- und Schwesterschaft weiter verbreitet werden mußte. Man erzählte von dieser Societät aller» lcy Ammenmärchen, die nach einer gewissen Eigenschaft zu urtheilen , wohl nicht ohne Zug für die eigne Erfindung der Gesellschaft zu halten find: als z. B. daß der Teufel fhr Präsident gewesen, und baß er oben am Tische in einem Lehnsessel gesessen. Dey genauer Nachfrage aber find' ich, daß an al? diesen Erzählungen, kein Wort wahr lst; daß die Versammlung laus einem ganz guten Schlage von Leuten bestund, und daß die Possen, die sie ausstreuten, unschädlich und bloß erfunden waren, Mitt Scherz und La chen zu verbreiten,
Kap. III.
Jones,
539
Herr Eduards war gleichfalls Mitglied dieser lomischen Gesellschaft. An ihn wen» dcte sich also Frau von Bcllaston, als an ein bequemes Werkzeug zu ihrem Zwecke, und gab ihm ein Märchen unter den Fuß, wo» mit er herausrücken sollte, wenn sie ihm das Stichwort gäbe; und dieß sollte nicht eher geschehen, als bis alle Uebrigen, bis auf Graf Liebegrimm und ihn selbst, fort gegangen wären, und zwar, wenn sie beym Whistspiel- säßen.
Zu dieser Zeit also, welches zwischen' Sieben und Acht Uhr des Abends war, wol len Wir Unsern Leser mit hinnehmen. Als Frau vonDellaston, Graf Liebegrimm, Fräu lein Western und Herr Eduards beym Whist saßen, und au der letzten Parthie ihrer Rubbers spielten, erhielt Eduards sein ver abredetes Zeichen von der Dame vom Hause, welches darin bestund, daß sie sagte; »Nun Herr Eduards, es ist doch wahr, Sie §) 9 »sind
340
»sind »Sie »aus »Sle »Sie
Thomas
Buch XV.
seit rilliger Zeit ganz unausstehlich. pflegten uns sonst noch Neuigkeiten der Stadt zu erzählen, und jetzt wissen eben so wenig von der Welt, als ob in Wüsten lebten.«
Herr Eduards begann darauf wie fol« get: »Meine Schuld ist das nicht, gnädige
»Frau; es liegt daran, daß die Menschen »so rin Schaafsleben führen, und nichts »thun, was des Erzählens werth wäre. —■ »Doch, hm! Ja, rben denk'ich dran, dem
»OberstenWilcox ist ein sehr scheußlicher Zu« »fall begegnet — der arme Lippert! — »Sie kennen ihn, Herr Graf; jedermann »kennt Philip Wilcox! Wahrlich! cs thut »mir herzlich leid um ihn.« »Was ist's denn? So sagen Sir doch!« sagte Dame Dellaston. »Nun, er hat heu« »te Morgen jemand im Duel getödtrt, wei« »ter Nichts!«
Der
Kap. IIL
Jones.
341
Der Ciraf, der nicht um das Geheimnis Wichte, fragte ganz ernsthaft, wen er ge« tödtet habe? Worauf Eduards antwor» tcte r „Einen jungen Menschen, den keiner „von uns kennt; einen Burschen der eben ;,auS Somrrfttshire zur Stadt gekommen „ist, und ein naher Verwandter von deut „Herrn von Allwerth seyn soll, von dem Sir „vielleicht gehört haben. Ich sah' den „Menschen todt liegen auf einem Kaffee« „Hause. — Meiner Seele! es ist einest »der feinsten Gewächse von Körper, die kf> »tu meinem Leben gesehen habe."
Sophie, an der eben das Kartenge« ben war, als Eduards davon gesagt hatte, daß ein Mensch getödtet worden, hielt dir Karten stille in der Hand, und hörte auf merksam zu; denn alle solche Geschichten griffen ihr an's Herz. Als er aber kaum zum letzten Theile der Erzählung gelangt war, wollte sie fortfahren herum zn geben, Z) 3 und
A42
Thomas
Buch XV.
und nachdem fle hier drey, dort sieben, und dem dritten zehn Karten gegeben hatte, sie, len ihr zuletzt die übrigen aus der Hand, und sie sank hin auf ihrem Stuhle. Die Gesellschaft benahm sich, wie «S key solchen Fällen gewöhnlich ist; der ge, wöhnliche Aufstand erfolgte; die gewöhn, liche Hülfe ward herbey gerufen; und zu, letzt kam Sophie, wie gewöhnlich, wieder zu ihren Sinnen, und ward bald hernach, auf ihr ernstliches Bitten, nach ihrem Zimmer gebracht; woselbst ihr, auf Ditte des Gra« fen, die Frau von Dellaston die rechte Wahrheit sagte, bi« Sache als einen kurz weiligen Spaß von ihrer eignen Erfindung wcgftherzen wollte, und fle mit der wieder, holten Versicherung tröstete, daß weder der Graf, noch Eduards, ob sie ihm gleich die Historie rtngegeben hätte, den geheimen Knoten von der Cache wüßten. Der
Kap«
IIIm
Asnes.
34Z
Der GrafLkbegsrmm Ledurftekein weiter Zeugniß, um ihn zu überfuhren, wie richtig
"ihm die Cache von der Frau vonVrl'asto» «orgestellt worden; und-nun ward, bey ihrer Arrückkunft ins Zimmer-, unter diesen zwey LochadelichenPerfouen einPlanchen angelegt,
Welches zwar Sr. Hochgraffichen Gnaden nicht so sträflich vorhrm, (denn Hochdieselben.ver sprachen bey Gräflicher Treue und Glauben^
mnd waren auch wirklich des ernsten Vor satzes, dem Fräulein in der Folge, durch die Mariage alle Erstattung zu leisten, die-nun
in Dero Kräften stund), das. manche von unsern Lesern, wie Wir nicht, zweifeln, mit .gerechtem-Abscheu gekrachten tv.erde.iu
Glocks Sieben des nächsten. Abends Ward für das unselige Vorhaben anberaumk,
da die vortreflrche von Bellaston über, sich
«ahm,- daß Sophie alleine seyn,
und der
Graf bey ihr cingeführtwerdcu- solltL.
Das
ganze Hausgesinde sollte alsdann, zwrckma-
344
Thomas
Buch XV.
ßlg beschäftigt seyn, die meisten Bedienten außer dem Hause verschickt, und Jungfer Honoria, um keinen Verdacht zu erregen, so lange bey ihrem Fräulein gelassen wer den , biS der Graf angekommett; und dann wollte die vertraute, mütterliche Dame sie in einem Zimmer beschäftigen, das von dem Schauplatze der vorhabenden Schandthat so weit als möglich entlegen wäre, und wo Sophie sie nicht abrufen könnte. Nachdem solcher Maßen die Sachen befiens verabredet waren, nahmen Se. Hoch, gräflichen Gnaden Abschied, und Jhro Gnaden begaben sich zur Ruhe, innigst vergnügt über ein Projekt, an dessen glück lichem Ausgange sie keine Urfach zu zweifeln hatte» und welches so sicher versprach, So phien unfähig zu machen, ihrer Liebschaft mit Jones ferner hinderlich zu seyn, und daS zwar auf eine Art, daß sie niemals da-
i«
KapIH.
Jones.
54 J
zu beyräthlg zu seyn scheinen konnte, wo fern auch die That der Welt bekannt wer den sollte. Aber auch diesem, zweifelte sie nicht, wollte sie dadurch vorbeugen, daß sie über Hals und Kopf die Heirath beschleu nigte , wozu die geschändete Sophie sehr leicht zu bereden seyn, und worüber die ganze Familie sich höchlich erfreuen würde. Aber nicht ganz so ruhig stund es in dem Busen des zweyten Verschwornen. Sein Gemüth ward hin und her geworfen in all'der ängstlichen Verwirrung, welche Ehakspear so vortreflich beschrieben hat: Acting of a dreadful Thing, the first Motion, all the Interim is a Phantalma, or a hideous Dream: Genius and the mortal Instruments theil in Council; and the state of Man
Between the
And Like The Are
346
Themas
Buch XV.
Like te a little Kingdom, fuffers tlicn The Nature of an In für rection. —
Eh eine grausenvolle Cchreckenthat Von ihrem Anbeginn ins Werk tritt; Die Zwischenzeit ist wie ein Phantasma, Wie ein furchtbarer Traum. Der Genius Und seine sterblichen Werkzeuge gehn Alsdann zu Rach. Des Menschen Zu» stand ist Gleich einem kleinen Königreich, das sich Zum Aufruhr bäumt. —
Obgleich die Heftigkeit seiner Leiden schaft ihn den ersten Wink von diesem An; schlage sehr begierig hatte auffassen lassen, be sonders, da er von einer Anverwandten des Frauleins gegeben ward; so begann doch, als der Freund der Uebcrlegung, das Kops küssen, ihm die That in allen ihren natür lichen schwarzen Farben, nebst allen Folgen, die sie haben müßte, und denen, welche sir wahr«
Kap.Ill.
Jones.
34?
wahrscheinlicher Weise haben könnte, vorgestellt hatte, seine Entschlossenheit zu wan ken, oder vielmehr ganz und gar zur an dern Seite überzutrrten. Und nach eitum langen Kampfe zwischen Ehre und Gelüsten, der eine ganze Nacht hindurch wahr te, siegte endlich die Erste, und er setzte sich vor, der Frau von Dellaston aufzuwarten, und den Anschlag aufzugeben. Frau von Dcllaston war noch km Bette, ob's gleich schon sehr spat des Vormittags war, und Sophie säst bey ihr, als ihr der Bedient« ansagte, GrafLiebegrimm sey im Besuchzimmer; worauf die Dame ihm sagen liest, sie ließ ihn bitten zu verziehen, sie wolle also« bald bey ihm seyn. Der Bedientewar aber nicht so bald zur Thüre hinaus, als die arme Sophie ihrer Kusine anlag, sie möchte doch die Besuche des häßliche» Grafen, (so nannte sie ihn, obgleich rin wenig unge rechter Weise) die eigentlich ihr galten, be. Pens
Thomas
Buch XV.
stens ablehnen. »Ich sehe seine Absichten,« sagte sie, »denn er hat mir gestern seine Liebt »mehr als zu deutlich merken lassen. Da ich »aber entschlossen bin, mich niemals mit »ihm tinzulassen; so bitte ich Sie, gnädigt »Kusine, uns nicht wieder alleine bey ein« »ander zu lassen, und den Leuten im Haust »zu befehlen, daß sie mich allemal verlaug« »neu, wann er sich bey mir anfagen lassen »sollte.«
»Ha, Kind!« sagte Frau von Della« (ton, »Ihr Landmädchen habt doch beständig »Nichts im Kopfe, als lauter Feinslicb» »chens! So bald nur ein Mann höflich »mit Euch spricht, so bildet Ihr Euch ein, »er sey in Euch verliebt. Er ist einer von »den gallantestcn jungen Mannspersonen ht »der Stadt, und ich bin überzeugt, er »meynt nichts weiter, als eine kleine Ga»lantcrie. Verliebt in Sie? Wahrhaftig! »ich wollte von ganzem Herzen wünschen, »er
Kap. III.
Jenes.
349
„er wär'S; und Sie mußten gradezu im „Kopfe verrückt seyn, trenn Sie ihn aus« „schlügen.«
»Da ich nun aber einmal ganz gewiß „so verrückt bi»,« sagte Sophie, »so hoffe »ich, seine Besuche werden mir nicht aufge« »druugen werden.« »OKind,« sagte Frau von Dellaston, »Sie brauchen sich nicht so zu fürchten. »Wenn Sie mit aller Gewalt mit dem Jones »davon laufen wollen: so seh' ich nicht, wer „Sie daran hindern kann.«
»Auf meine Ehre, Madame,« rüste Sophie, »Sie thun mir zu nahe. Ich »werde niemals mit einer Mannsperson da« »von laufen, und werde mich auch niemals »wider den Willen meines Vaters verhei« »rathen,«
„Gut,
Thomas
Buch XV.
»Gut, gut, Fraulein Western!« sagte die Dame. »Wenn Sie heute Morgen »nicht aufgelegt sind, Gesellschaft zu sehen; »so mögen Eie sich auf Ihre Zimmer bege« »den. Denn ich fürchte mich vor demGra« »fen nicht, und muß ihn in meinToilletten« »zimmer herauf kommen lassen.« Sophie dankte ihrer Tante, und ging fort, und kurz drauf ward Graf Licbegrimm im obern Zimmer angenommen.
Viertes Kapitel. Aus welchem erhellen wird, welch ein gefährlicher Advokat ein Frauenzimmer ist, wenn sie ihre Beredsamkeit für eine schlim me Sache amvcndck. Frau von Bellaston die Bcdenklichkel« ** ten des Grafen vernahm, so behandel« u sie solche mit eben her Schnödigkeit, wo mit
Thomas
Buch XV.
»Gut, gut, Fraulein Western!« sagte die Dame. »Wenn Sie heute Morgen »nicht aufgelegt sind, Gesellschaft zu sehen; »so mögen Eie sich auf Ihre Zimmer bege« »den. Denn ich fürchte mich vor demGra« »fen nicht, und muß ihn in meinToilletten« »zimmer herauf kommen lassen.« Sophie dankte ihrer Tante, und ging fort, und kurz drauf ward Graf Licbegrimm im obern Zimmer angenommen.
Viertes Kapitel. Aus welchem erhellen wird, welch ein gefährlicher Advokat ein Frauenzimmer ist, wenn sie ihre Beredsamkeit für eine schlim me Sache amvcndck. Frau von Bellaston die Bcdenklichkel« ** ten des Grafen vernahm, so behandel« u sie solche mit eben her Schnödigkeit, wo mit
Kap. IV.
Jones,
mit die weise» Manner von der Rechtskun« de, welche die Diebe gegen den Galgen zn vertreten pflege», gewöhnlich die Gewisseusangst eineö jungen angehenden Zeugen be handeln, der'S noch nicht so weit gebracht hat, alles von der Faust frisch weg zu schwö ren. »Mein theurer Herr Graf,» sagte sie, »Eie bedürfen gewiß einerHerzstarkung. »Ich muß wohl hinschicken, und ein Flakon »double Anisette holen lassen. Pfui doch! »Seyn Sie von mehr Entschlossenheit! Er»schrecken Sie vor dem Worte Nothzucht! »Oder ist Ihnen Angst, daß —- — »Wäre die Geschichte mit der schönen Hele»na aus unsern Tagen, ich würde sie für »unnatürlich halten; das Benehmen des »Paris meyn' ich, nicht die Liebe derHelena; »denn alle Weiber haben einen Mann von »tapferem Muthe gerne. Da haben wie »noch eine andre Geschichte von den Sabi« »nisch est Weibern------- aber auch die, »dem Himmel sey Dank, ist aus alten Zeiten. »Dee
Zzr
Thomas
Buch XV.
„Der Herr Graf werben meine Belesenheit „bewundern; aber mich dünkt, Herr Hook „erzählt uns, daß sie sich nachher als ganz „gute Weiber aufführtcn. Ich muß wohl „glauben, daß von meinen verheirakheten „Bekannten nur sehr wenige vor der „Ehe von ihren Mannern genothzüchtigt „worden sind.« — »O, theuerste Frau „von Bellaston,« rüste er, »persifliren Sie „mich nicht so entsetzlich.« — »Wie, mein „guter Graf, meynen Sie wohl, daß sich ein „Weib in der Christenheit finden würde, die „nicht im Herzen über Sie lachte, was für „Züchte sie auch in ihren Mienen zeigte? — „— Sie zwingen mich, eine sonderbare „Art von Sprache zu führen, und Ihnen „mein Geschlecht ganz scheußlich zu Verra« „then: aber ich beruhige mich damit, daß „meine Absichten gut sind, und daß ich ger« „ne meiner Kusine einen Dienst leisten möch« „te; denn ich denke, Sie werden, diesem »ungeachtet, ein wackrer Ehemann für sie "seyn;
Kap-IV.
^ones.
353
»seyn; denn sonst, l'cy meiner Soelel nicht »ein Wort würd' ich verlieren, sie zu bere» »den, sich gegen Leren Stand und Titel „wegzuwcrfm. Sie sollte Mir hernach nicht »vorwerfen, daß ich sie um einen wackern, „mulhvvllen Mann gehracht hätte; denn, »daß er das sey, das gestehen dem jungen »Kerl seine Feinde zu.«
Laß diejenigen, «eiche die Freude erlebt haben, dergleichen Sticheleyrn von einer Ehefrau ober Mätresse zu hören, be» zeugen, ob sie dadurch im geringsten liebli cher zu verdauen waren, daß sie von einet weiblichen Zunge kamen. Gewiß ist es, daß sie beym Grafen tiefer eindrangen, als irgend etwas, das Demosthenes oder Cicero über die Sache hätten sagen können. Frau von Dellaston merkte, daß deGrafen Stolz in Feuer gesetzt wäre» und V.Bgnd. A sing
Buch XV.-
Thomas
fing NUN, gleich einem wahren Redner, a», andre keidenfchast«.n jti ihremLeystande auf,
zuschür'en.
»Belieben Sie nicht zu verges»
»sm, Herr Graf,« sagte sie,
»daß Sie
»der Erste waren, der der Sache gegen mich
»erwähnte;
denn ich
möchte nicht gerne-
»das Ansehen einer Person haben,
der «S
»darum zu thun ftp, Ihnen meine Kusine »anfzuhangm.
Drey bis viermal hundert
»tauftnd Thaler bedürfen eben keines Advo
katen , um sie zu empfehlen.«
»So we»
»nig, als Fraulein von Western," sagte der Graf, »einer Empfehlung von ihrem 33er»
»mögen bedarf; denn in meinen Gedanken »hat noch kein Frauenzimmer die Hälfte ih. »rer Reitzungen besessen.«
»Doch, doch!
»Herr Graf,« erwiederte die Dame, und
sah in einen Spiegel, »es hat Frarrenzim» »mer gegeben die mehr als die Hälfte ihrer
»Reitzungen besaßen, ich vcrsichre Sie. Nicht
»daß ich sie dadurch eben in diesem Punkte »hrrabfttzcn
wollte *,t
sie ist «in Wonne »ver»
Käp. IV.
Jones,
»versprechendes Mädchen, bas Ist ausge« „macht, und wird, sich innerhalb ein paar „Stunden in den Armen eines Mannes be« -»finden, der sie freylich nicht verdient, ob -»ich ihm gleich', brr Wahrheit gemäß, nach, „sagen muß, daß ich ihn wirklich für einen »Mann von Curage hallt.«
»DaS hoffe xd)r gnädige Frau>" sagte -er Graf, »oh jch>gleich gestehen muß, daß »er sie nicht verdient; denn wenn nicht der «Himmel» oder Jhro Gnaden mich hin» »dem, so soll sie bindender Zeit die Meinl» »ge seyn.« »Wohl gesprochen, Herr Graf,« ant« wertete die Dame. »Von meiner Seite «sollen Sie nicht gehindert werden, darauf «verlassen Sie'sich» und noch ehe die Woche «ju Ende geht, weiß ich, daß ich Sie öf. »fentlich Kustn werde nennen können.«
Z-
DaS
zsL
Thorngs
Buch XX-
OSs übrige dieses Austritts bestand durchgängig in Entzückungen, EntschuldiZungen und Komplimenten, sehr lieblich zu hören aus dem Munde der Partheyen selbst; zu schal aber in dec Erzählung Lurch di» zweyte ober dritte Hand. Wx «ollen also hier diesem Gespräche rin En de machen, und der entscheidenden Stunde entgegen eilen, gegen welche also alles zum Verderben der armen Sophie veranstaltS «ar.
Da Ließ aber der tragischte Stoff in Unserer ganzen Geschichte ist, so wollen Wix ihn in einem eignen Kapitel besonders dehandelst.
Lap.V.
Jones.
357
Fünftes Kapitel. Enthalt einige Dinge, welche den leser
rühren,
und andere,
die ihn übcrra.
sehen werden.
(JXk Glocke hatte nunmehr Sieben geschlagen, und dir arme Sophie saß ein sam und melancholisch, und las an einem
Trauerspiele.
ES war die unglückliche
Heirath, und sie war bis an den Auf«
tritt gekommen, wa die bedrängte Isabelle ihren Trauring weggicbt.
Dey dieser Stelle entfiel ihr baS Buch ans den Händen,
und «in Thränensirom
rann in ihren Busen hinab.
Sic halte sich
«ine Minute in dieser Stellung befunden,
als die Thüre aufging und Graf Licbegrimm
herein trat.
Sophie sprang bey feiner Er
scheinung vom Stuhle,
und seine Hoch,
grafl. Gnaden traten weiter hervor, und 3 3
mack)-
Thomas
Buch XV.
machten eine liefe Verbeugung, wobey Sie zu sagen gerührten r »Ich fürchte, mein »gnädiges Fräulein von Western, daß ich »eben so ungelegen, alS unangemeldet kom me.« »In der That, Herr Graf!« sagte sie, »ich muß bekennen, daß mich diefek »unerwartete Besuch eia wenig überrascht.« »Wenn dieser Besuch unerwartet ist, gna« »diges Fräulein,« antwortete der Graf, »so müssen meine Augen sehr ungetreue »Dollmetscher meines Herzens gewesen seyn, »als ich das letztemal die Ehre hatte, mei« »ne Aufwartung zu machen: denn sonst »hatten Sie doch gewiß nickt hoffen können, »mein Herz in Ihrer Gewahrsam zu bchal«ten, ohne von seinem vorigen Eigenthümer »einen Besuch zu erhalten.« Sophie, so verwirrt sie war, antwortete auf diesen Bombast, und zwar sehr schicklich, wie ich glaube, mit einem Blick voll unbeschreib« kicher Verachtung. Der Graf hielt darauf eine andere und noch längere Rede in eben dem
Kap. V.
IoncS.
3)3
dem Style, worauf Sophie zitternd sagte: „Soll ich denn wirklich dafür halten, Herr „Graf, tast Eie Ihren Verstand verloren
„haben? Denn auf eine andere Art wüßte
„ich ein solches Dctragen gewiß nicht zu ent«
„schuldigen.« —
„Mein gnädiges Frau«
„lein , ich befinde mich wirklich in der Lage,
»die Sie mir zuschreibcn, , mein liebster Freund!« rüste JoneS, »ich bin mit dieser Frau si» »verkettet, baß ich nicht weiß, wie ich mich »heraus winden soll" — »Da haben »wir's! Wirklich verliebt!"-— »Nein, mein »Freund! Aber Ich habe ihr Verbindlich, »keiten, und zwar sehr große. Weil Sie V.Band. Er ein»
Thomas
Buch XV.
,,einmal so viel wissen, so will ich ganz cf« »fenherzig gegen Sie herauSgehn. Es ist „beynahe nur sie allein, der ich's zn verdanken „habe, daß mir es nicht schon längst an „einem Bissen BrodS gemangelt hat. Wie «kann ich nur dran denken, ein solches „Frauenzimmer zu verlassen? Und doch muß »»ich ihr entsagen, oder mich der schwarze, „sten Derrätherry gegen eine Andre schul, „big machen, die unendlich mehr Verdienste „um mich hat, als die Dellaston jemals „haben kann. Ein Mädchen, Nachtigall, »gegen die ich eine solche Liebe empfinde, daß »sich nur sehr wenige Menschen davon einen »Begriff machen können. Ich bin halb »wahnsinnig über die Unentschlüssizkeit, wie »ich handeln soll'.« —- »Und ist dieß Mäd«chen, wenn ich bitten darf, eine Geliebte »in allen Ehren?« sagte Nachiigall. — »In Ehren?« antwortete Jones. »Kein, »auch nicht der leiseste Hauch, hat es noch »gewagt, über ihren Namen herzufahren. Die
Kap. IX.
Jones.
43$
„Die lieblichste Lust ist nicht reiner, der klarste „Bach ist nicht Heller, als ihre Ehre. Eie „ist durchaus, an Geist und Körper, die „höchste Vollkommenheit. Sie ist daS „allerschönste Geschöpf unter der Sonne; «und dabey besitzt sie solche edle, erhabne „Eigenschaften, daß, ob sie mir gleich fast „immer in meinen Gedanken schwebt, ich „dennoch kaum jemals an ihre Schönheit »denke, außer, wenn ich sie sehe!« — »Und können Sie denn,« sagte Nachtigall, »bey einer solchen Leidenschaft im Herzen, »noch einen Augenblick anstehen einer an« »dern zu entsagen, einer solchen-------- « »Halt!« sagte JoneS. »Keine weitern »Schimpfwörter auf sie in meiner Gegen« »wart! Ich verabscheue den Gedanken an „Undankbarkeit.« — »Puh!« erwiederte der Andre: »Sie sind nicht der Erste, dem »sie solcherley Verbindlichkeiten erzeigt hat. »Sie ist sehr freygebig, wenn ihre Sinne »sprechen, ob sie gleich, lassen Sie mich Ee 2
Thomas
Buch XV.
„Ihnen sagen, ihre Gunstbezeugungen so „klüglich auszuspcndcn weiß, daß solche viel „eher die Eitelkeit eines Mannes, als seine „Dankbarkeit erregen sollten.« Kur; Nach, jigall ging so tief in diese Materie ein, und erzählte seinem Freunde von der Dame so manches Geschichtchen, deren Wahrheit er beschwor, daß er in Jones Brust alle Hoch, qchtung für sie völlig vertilgte, und seine Dankbarkeit in eben dem Verhältniß ver. minderte.
In der That begann er, alle ihre Ge. schenke mehr als einen Lohn, denn als Wohl, thaten anzusehn, welches nicht nur sie, son, dcrn auch ihn selbst, in seiner eignen Ach. jung erniedrigte, und ihn auf beyde sehr verdrießlich machte. Don diesem Wider, willen ging er, durch eine sehr natürliche Wendung, über zu Sophien. JhreTugend, ihre Reinheit des Herzens, ihre Liebe zu ihm, ihre seinetwegen erduldeten Leiden, erfüll-
Kap. IX.
IoneS.
437
erfaßten alle seine Gedanken, und ließen ihn seinen Umgang
mit der Dellasion in einem
noch verabscheungswürdigern Lichte erblicken. Das Resultat von allen war, auch,
daß, ob er
wenn er aus ihrem Dienste träte,
( denn so kam ihm jetzt sein Verhältniß mit
ihr vor,) seinen Bissen Brod verlöre, so war dennoch sein Entschluß, sie zu verlassen, wenn er nur einen scheinbaren Vorwand finden könn»
te. Als er diesen Entschluß seinemFreunde of fenbaret hatte, sann Herr Nachtigall ein wenig
nach, und sagte dann : »Ich hab's heraus,
»liebster Freund! Ich hab' ein sichres Mit-
»tel gefunden. Tragen Cie ihr die Ehe an;
»und ich möchte meinen Hals drauf setzen, »daß es geht, wie es gehen soll.« »Ehe?«
ruf« Jones.
»Die
»Ja, ja! schlag'
»ihr die Che vor,« antwortete, Nachtigall, »und Du sollst sehn, sie reißt den Strick
»entjwey, und Du bist frey! Ich kenn' ei-
»nen jungen Mensche»,
den
sie vordem
»unterhielt, der ihr das Anerbieten in pu-
Ee z
»rem
Thomas
Buch XV.
»rem Ernste that; und auf der Stell« ward »er seiner Dienste entlassen.»
»Jones meynte, er könne den Versuch »nicht wagen. Vielleicht,« sagte er, »könnte ihr ein solcher Antrag von einem »Manne nicht so sehr zuwider seyn, als »von einem andern. Und wenn sie mich »gar beym Worte faßte, wo wär' ich dann? »In meiner eignen Falle gefangen, und un. »glücklich auf Zeitlebens!« —• »Nein,« sagte Nachtigall; »das sind Sie nicht, wenn »ich Ihnen einen Nothbehelf geben kann, »wodurch Sie zu allen Zeiten wieder aus »der Falle kommen können.« — »WaS »für ein Nothbehelf könnte das seyn?« er. wilderte Jones. »Dieß,« antwortete Nachtigall:, »der junge Mensch, dessen ich er. »wähnt habe, und der einer meiner genaue, «stcn Bekannten ist, die ich auf der Welt »habe, ist wegen einiger hämischen Streiche, »die sie ihm gespielt hat, so ergrimmt auf »sie,
Kap. IX.
Jones.
439
«sie, daß ich versichert bin, er wird Ihnen «ohn' alle Schwierigkeit ihre Briefe lesen «lassen; und bann können Eie gar ansian»diger Weise mit ihr brechen, und ihr den «Handel anfsazen., bevor der Knoten ge. «knüpft ist, wenn sie ja gesonnen seyn sollte, «ihn zu knüpfen; welches aber, nach meiner «Ueberzeugung, ganz und gar ihr Sinn »nicht ist.« Nach einige» Bedenken und Zweifeln, ergab sich Jones endlich auf die Starke seiner Versichrungen; weil ihm aber, wie er schwur, die Dreistigkeit fehlte, ihr den An trag gerade ins Gesicht zu thun, so schrieb er folgenden Brief, welchen Nachtigall diktirte r
»Madame, »Zu meinem, großen Verdruß mußteir »mich eben unglückliche Geschäfte ans dem »Hause geführt haben, und ich dadurch die Er 4 »Ehre
4 40
Thomas
Buch XV.
»Ehre versäumen, Ihrs Gnaden Befehle »denselben Augenblick zu erbrechen, als »sie ankamen; und dieses Mißgeschick »wird dadurch noch merklich größer, »daß ich eS auch noch aufschieben muß, »mich bey Jhro Gnaden zu rechtfertig »gen. O, theuerste Bellaston, was für »Angst und Schrecken hat mir die Furcht »verursacht, daß Ihre Reputation durch »diese leidigen Zufälle in Gefahr gerathen »möchte! Es ist nur Ein Mittel, diese »Gefahr zu vermeiden. Dieß kennen Sie »selbst, ohne daß ich's nennen dürfte. Nur »das erlauben Sie mir, Ihnen zu sagen: »So wie Ihre Ehre mir eben so theuer ist, »als meine eigne, so ist auch meine einzige »Ambition auf den Ruhm gestellt, meine »Freyheit zu Jhro Gnaden Füßen gelegt zu »haben; und glauben Sie mir, wenn ich »Sie heiligst verstchre, daß nichts in der »Welt mich völlig glücklich machen kann, »wofern Sie mir nicht großmüthigst, nach „gött.
Kap. IX.
Jones.
44i
„göttlichen und menschlichen Gesetzen das „Recht ertheilen, Eie die Meinige zu neu» »nen. Ich verharre mit der tiefsten Chr« »rrbictung „Jhro Gnaden »höchstverpflichteter „treu gehorsamster Diener »Thomas Jones.«'
Auf dieses erwiederte fle ohne Weilen folgende Antwort: »Herr Jones,
»Beym Durchlesen Ihrer ernsthaften »Epistel, hätte ich, ihrer Kälte und Fcyer»lichkeit halber, beynahe darauf geschworen, »daß Sie bereits das Recht nach göttli. »chen und menschlichen Gesetzen be« »säßen, wovon Sie schreiben; ja, daß »wir schon seit vielen Jahren die Mißgeburt »von dem Thiere ausmachten, genannt »Ehepaar. Aber halten Sie mich denn Ee 5 »wirk«
442
Thomas
Buch XV.
„wirklich für «ine Närrin«? Oder bilden „Sie sich ein, Sie wären im Stande, mich „dergestalt ju beschwatzen, baß ich mein „ganzes Vermögen in Ihre freye Gewalt »gäbe, und dadurch zugleich di« Mittel „auf meine Unkosten Ihren Vergnügungen „nachzugehen? Sind dieß die Beweise der »Liebe, die ich erwartete? Ist dieß der „Dank für-------- Doch ich bin darüber „weg, Ihnen etwas aufzurücken, und bin »mit höchster Bewunderung Ihrer tiefsten »Ehrerbietung D. N. S. »Ich habe nicht Zeit, was ich „geschrieben noch einmal ju überlesen. —. »Vielleicht hab' ich Mehr gesagt, als ich »mcynte. — Kommen Sie um acht Uhr „heute Abend zu mir.«
AufGutbefinden seines Geheimen Raths, erwiederte Jones r »Ma«
Kap. IX.
Jones.
443
»Madame, »Unmöglich kann ich Jhro Gnaden te« »schreiben, wie sehr mir der Verdacht zn »Herzen geht, den Sie auf mich geworfen »haben. Kann die gnädige Frau von Bel. »laston einem Manne dir höchste Güte 6t« »wiesen haben, den Sie so niederträchtiger »Absichten fähig hielt? Oder können Cie »von den feyerlichsten Banden der Liebe eine »so schnöde Meynung hegen? Können Cie »glaüben, Madame, daß, wenn die Hef« »tigkeit meiner Leidenschaft, in einen über« »eilten Momente, die zärtlichste Achtung »unterdrückte, die ich für Ihre Ehre habe, »icfr mir'ü deswegen erlauben würde, einen »Umgang fortzusetzcn, welcher den Augen »der Welt unmöglich lange verborgen blei« »ben könnte; und der, wenn er bekannt »würde, Ihrer Reputation so höchst nach« »thcilig seyn müßte? Wenn dieß die Mey« »nung ist, die sich Jhro Gnaden von mir »wachen, so muß ich Sir gehorsamst am »(ine
Thomas
Buch XV;
,,einr baldige Gelegenheit bitten, Ihnen die »Geldvcrbindlichkciten zu erstatten, die ich »so unglücklich gewesen bin, von Ihren »Handen zu empfangen; und wegen der an« »dern von einer zärtlichern Gattung werde »ich auf ewig verharren u. f. w. Die Dame antwortete, wie folgt: »Ich sehe, Sie sind ein Lumpe! und »ich verachte Cie von ganzer Seele. Soll« »tcn Sie hier kommen, so bin ich nicht zu »Hause.«
Obgleich Jones ganz froh war, aus ei« ncr Cklaverey bcfreyct zu seyn, welche die jenigen, welche jemals darin gewesen flnd> vermuthlich nicht für die leichteste ausgeben werden, so war er doch bey alle dem, in seinem Gemüthe nicht so völlig ruhig. Es war bey diesem ganzen Verfahren etwas zu Verfängliches für einen Menschen, der alle Arte»
Kap. IX.
Jones.
44$
Arten von unredlicher List und Falschheit aufs äußerste verabscheute. Er würde sich nud) wirklich nicht dazu haben bereden lassen, wäre er nicht in einer solchen peinlichen Lage verstrickt gewesen, daß er genöthigt war, ein wenig außerehrlich gegen die Eine oder gegen die Andre von den beyden Frauenzimmern zu verfahren; und ungezwei« feit wird doch der Leser zngeben , daß jeder gute Grundsatz so wohl, als die Liebe, stark zu Sophiens Vortheil redeten.
Nachtigall jubilirte über die glückliche Wirkung feiner Kriegslist; worüber er von seinem Freunde viel Lob und Dank erhielt. Er antwortete: »Liebster Jones, wir haben »einander ganz verschiedene Gefälligkeiten »geleistet; Cie verdanken mir Ihre wieder »erworbene Freyheit: Ich verdanke Ihnen »den Verlust der meinigen. Wenn Sie »aber bey Ihrem Gewinnste eben so glücklich »sind, als ich bey meinem Verluste; so, »ver.
446
Thomas
Buch XV.
„versichre ich Sie, sind wir die beyden glück« „lichsten Gesellen auf Gottes Erdboden.«
Die beyden Freunde wurden nun zum Mittagscsscn gerufen, wobey Madame Mil« ler selbst das Amt einer Köchinn verrichtet, und ihre besten Talente angewcndet hatte, um die Hochzeit ihrer Tochter zu feyern. Diese freudige Begebenheit schrieb sie haupt sächlich dem freundschaftlichen Bestreben deHerrn Jones zu. Ihre ganze Seele glühete von Dankbarkeit gegen ihn, und alle ihre Blicke, Worte und Handlungen waren so beschäftigt, diese Dankbarkeit an den Ta^ zu legen, daß sie sich mit ihrer Tochter, ja selbst mit ihrem neuen Schwiegersöhne, nur sehr wenig abgab. Die Mahlzeit war eben geendigt, alL Madame Miller einen Brief empfing. Da Wir aber in diesem Kapitel der Briefe schon satt gehabt haben, so wollen Wir seinen Jnbalt inr folgenden anjrigen. Zehn.
Kap. X.
Jones.
447
Zehntes Kapitel. Enthalt theils Thatsachen, und theils Bemerkungen darüber. Brief sonach, welcher am Ende deS '""■'t vorhergehenden Kapitels anlangte, Ivar vom Herrn Allwerth, und der Inhalt desselben war, daß er unmittelbar mit sei. nem Neffen Dlifil zur Stadt kommen wolle; nebst dem Ersuchen, man möchte ihm seine gewöhnlichen Zimm«» in Bereitschaft halten, und zwar den unttrstrn Stock für ihn selbst, und den zweyten für feinen Neffen. Die frohe Munterkeit, die sich vorher über das ganze Seyn und Wesen der arme« Frau verbreitet Halle, ward bey dieser Ge. legenheit ein wenig mit Wolken überzogen« Diese Nachricht setzte sie wirklich um ein Großes auS ihrer Fassung. Eine so unei gennützige Verbindung mit ihrer Tochter gleich damit zu vergelten, daß sie ihrem neue«
Thomas
Buch XV.
neuen Schwiegersohn dieThüre wiese, dünk« te sie auf der «inen Seite unverantwortlich; auf der andern hingegen konnte sie kaum den Gedanken ausstchcn, sich gegen Herrn Allwerth, nach alle den Wohlthaten, die sie »on ihm empfangen hatte, darüber zu ent« schuldigen, wenn sie ihm die Zimmer ver« sagte, die im strengsten Verstände ihm zugehörten. Denn dieser rechtschaffne Herr hatte bey allen seinen zahllosen Wohlthaten, hie er Andern erwies, die Gewohnheit, nach einer Regel zu verfahren, die demjenigen, wie es andre großmüthige Leute zu machen pflegen, schnurgrade entgegen lief. Er sann bey allen Gelegenheiten darauf, seine Wohlthätigkeit nicht nur vor der Welt, son dern selbst vor denen, an welchen er sie übte, zu verbergen. Er bediente sich beständig derWorte, Leihen und Bezahlen, statt des Wortes Geben; und durch jede Me thode, die er zu erfinden vermochte, ver ringerte er beständig dir Gefälligkeiten, wcl. che
che er bezeigte, mit feiner Zunge, inzwischen er solche mit seinen beyden Handen hauste. Dieser Gewohnheit zu Folge, hatte er zn Madame Miller, als er ihr die fünfzig Pfund zum Jahrgehalt aussetzte, gesagt: »Es geschähe deswegen, damit er immer »den ersten Stock in ihrem Hause haben »fJnnte, wenn er in der Stadt Ware, wel« »ches er kaum jemals WistenS war; sie kön« »ne solchen aber zu allen übrigen Zeiten der» »miethen, denn er wolle es ihr allemal ei* »neu Monat vorher anzeigen.« Er ward aber jetzt in so unvermuteter Eile zur Stadt getrieben, daß er keine Zeit hatte, diese An. kündigung zu thun. Und diese treibende Eile hatte ihn wahrscheinlicher Weise verhin*. dert, als er um seine Zimmer schrieb, hin. zu zu setzen, wenn sie eben leer sinn, den: denn ganz gewiß hatte er sie sehr ger ne gtgen eine weit unzulänglichere Entschul. digung fahren lassen, als Madame Miller jetzt hatte anführen könne». V-Bgnd.
Ff
Aber
Thomas
Buch XV.
Aber «S giebt eine Art Menschen, wel che, wie Prior gar vortrefllch sagt, ihr Be, kragen «ach etwas richten Beyond the fix’d and settled Rules Of Vice and Virtue in the Schools, Beyond the Lettef of the Law.
Was jenseits aller Regeln über Laster Und Lugend, die die Schulen geben, was Jenseit dem Buchstaben deS Gesetzeliegt.
Diesen ist eS so wenig hinlänglich, wenn sie ein Gerichtshof auf ihre Recht fertigung freysprechen würde, daß fie noch kaum einmal damit zufrieden sind, wenn das Gewissen, der strengste von allen Rich tern, fie klaglos stellt. Nichts als die rein ste Redlichkeit und Billigkeit kann dem zar ten Gefühl« ihres Gemüths ein Genügen churr? Md wenn irgend eine von ihren Hand-
Xe
Jones.'
45«
Handlungen nicht bis zu diesem Ziele reicht, so sind sie mißmüthig und niedergeschlagen, und eben so unruhig und ängstlich als ein Mörder, der sich unaufhörlich vor Gespen stern oder Scharfrichtern fürchtet. Zu diesen gehörte Madame Miller. Sit konnte ihre Unruh über diesen Brief nicht verbergen. Sie hatte den Inhalt nicht so bald der Gesellschaft mitgetheilt, und sich einige Worte über ihre Verlegenheit entfallen lassen, als JoneS, ihr Schutzgeist, sie also« bald von ihren Sorgen bcfreyete. »WaS »mich selbst betrift, Madame," sagte er, »so sind meine Zimmer zu Ihrem Dienste, »wenn Sie es nur einen Augenblick vorher »sagen; und Herr Nachtigall, da er nicht »sogleich ein Haus einrichten kann, um sei»ne Gattinn zu empfangen, wird flch's, »wie ich überzeugt bin, gerne gefallen las« »sen, nach seinen kürzlich gemietheten Zim« »mcrn zu ziehen, wohin ihm Madame Nach« Ff 2 »ligall
Thomas
Buch XV.
„tigallganz gewiß gerne folgen wird.« Mit diesem Vorschläge waren Mann und Frau den Augenblick zufrieden.
Der Leser wird leicht glauben, daß Ma dame Millcr's Wangen von neuem began nen von erhöhter Dankbarkeit gegen Herrn Jones zu glühen. Vielleicht aber ist es nicht so leicht, ihn zu überreden, daß der Umstand, daß Herr Jones in seiner letzten Rede ihre Tochter Madame Nachtigall genannt hatte, (denn eS war das erstemal, daß dieser liebliche Klang ihr Ohr erweichte,) der liebevollen Mutter mehr Vergnügen verursachte, und ihr Herz gegen Jones noch mehr erwärmte, als weil er ihre gegenwär tige Besorgniß gehoben hatte.
Der nächste Tag ward hierauf dazu angesetzt, daß daS neu vermählte Paar und Herr Jones ausziehen sollten, für welchen Letzten gleichfalls Zimmer in eben dem Hause
Jones.
Kap.X. Hause
mit
werden
sollten.
453
Freunde
seinem
ausgemacht
Und nunmehr war die
Heiterkeit der Gesellschaft abermals
wieder
hcrgcstcllt, und sie brachten alle den Tag
in großer Fröhlichkeit hin, ausgenommen Jones, der,
ob er gleich die Nebligen in
ihren frohen
Scherzen
begleitete,
doch
manchen bittern Herzensstoß beym Anden ken an feine Sophie empfand.
Diese wur
nicht wenig schmerzhafter durch die
den
Nachricht,
daß Dlifil zur Stadt kommen
würde, (denn die Absicht dieser Reise sah er
nur ;u deutlich ein;) und was seinen Kum
mer noch um ein Merkliches erschwerte, war,
daß Jungfer Honoria, welche ihm verspro chen hatte, sich nach Sophien zu erkundi
gen,
und ihm des folgenden Abends bey
Zeiten ihre Nachricht zu überbringen, ihn
vergebens harren ließ.
In der Lage, worin er und feine Ge
liebte sich um diese Zeit befanden, hatte er Ff;
fiunu
Thomas
Buch XV.
kaum «inkgen Grund zu hoffen, daß er ir« gend eine gute Nachricht erfahren würde; dennoch war feine Ungeduld, Jungfer Ho, uoria zu sehen, eben so groß, als ob er er« wartete, sie würde ihm einen Brief von So phien, worin ihn solche zu einer Unterre« düng bestellte, überbringen, und war eben so, unruhig über sein Außenbleiben. Ob dieß eine Wirkung von derjenigen Schwach« heit des menschlichen Gemüths war, nach welcher solches das Schlimmste zu wünschen begierig ist, und Ungewißheit für den unerträglichsten aller Schmerzen hält; oder ob er sich noch mit einiger geheimen Hofnung schmeichelte, das wollen wir nicht entscheiden. Wer aber jemals geliebt bat, muß wissen, daß es das Letzte seyn konnte. Denn unter aller der Gewalt, welche diese Leidenschaft über unser Gemüth ausübt, ist diejenige die bewundernswürdigste, vermö« ge welcher sie, mitten in der Verzweif« lung, noch immer einen Strahl von Hof« nun 8
Kap.X.
^ones.
455
nung bey UNS unterhalt. Schwierigkeiten, Unwahrscheinlichkeiten, ja selbst Unmöglich keiten , werden von dieser Hofnung fast gänzlich übersehen; so, daß man fast von jedem Mann, der in hohem Grade verliebt ist, sa, sm kann, wie Addison vom Casar; The Alps and Pyrenaeans sink before bim!
Die Alpen staken vor ihm hin, und die Pyrenäen. Dey alle dem ist es gleich wahr, baff eben dieselbe Leidenschaft zuweilen Gebirge aus Maulwurfshaufen zu machen, und selbst aus der Hofnung Verzweiflung zu erpressen weiß. Allein- diese kalten Schauer halten bey guten gesunden Menschen nicht lange an. In welcher Beschaffenheit sich Jones jetzt befand, überlassen Wir dem Le ser zu errathen, weil Wir keine genaue Nach richt davon haben. Das aber ist gewiß, §f 4 daß
4s6
Thomas
Buch XV.
daß er zwey Stunden In Erwartung zuge, bracht hatte, als es ihm unmöglich ward, seine Unruh noch langer zu verbergen, und er sich deswegen nach seinem Zimmer begab, woselbst ihn seine Beängstigung fast von Sinnen gebracht hatte, als ihm der folgen, de Brief von Jungfer Honorla überreicht wurde, den Wir hier dem Leser verbatim et litteratim vorlegen wollen. »Hog gehörter Hare »ig hatt lenen Kewiß lenkst Schont Mein »ufwarthunk emagt, alsig Versbroggen »hatte, wann Mlhr lr Knadn nig wär in »wech Kom'n; dän kwiß, ödler Hähr, si »wissen wolle, das's Heißt, en geder Leern »seyn lekzian, so Wirth eß woll in Hauße »stahn, unt vur Maar solig'n anker ahn» »her pltten, Mcgt nig Widergommen sin, »unt Seh hät ig meneröhr kroß unregth »Kehat, Wen igß nät aankenomn alts ir »Knaten so knätich wahrn mlhr aanßupiht» »tcn
Kap. X.
Jones.
457
„ten tast fy Mig zer Dntsjunver Maggen „Wol t ant Jg Hoddse nig Mql (ramm ff« ypfltcn Cyst Waar Ey f t Einhe Fontee „peesten tarnen Fon ter wellt, ant wahrs »fantcrhahr sacht taß fanb rägete Karnall« „gen, anT man ig sel Bist emhal soo waß „fesacht so! Te Habhn. so Wahrs aaß an„schahliger EinvallT. antaat Mihr Herts« »ligleyt. Eyer Knadhen Weisig Woll sank „tjaörlich ant sa eyn Hannetter Häre, ant „zagen Nix wihder Wanig soowaßolthe fe« „sacht Haabn, nnttaß n e Gnnnver sonnt „in Schoten Prinzen, ty ir lipen lepsdage „Ians tan fro'sessien Rehsbackt vor eyer »Knaaten Kehappt Hatt. Wolle Waare „Mann soltte zimmer seyn Tsnngins mauhl „Halltn, terweyl Mann nig Weis Waßiz „geparren kan, ant meyner Oehr Wenst „Mir gemannt nogcstern Gesaacht hatte, „daßig Schons hante in Eynen so Katen „platse sein sollte i das hattigniggeklaupt. „Unt Migg at nigt i maal i Worrt Tason Fs 5 "Ke«
Thomas
Buch XV.
»Ketreimk untlggabe augenigt Epne andre »auß jrtt stalle verdrihben, Wil) aaper »meinhe Knätige Tame Mihr fy fon selp„sten gaap oone tag ig se brumme bäht »So kanSmic nihmHantJbel nämcn Gunn« »ver Daarwihn Nichte Maal. Tas ig taS »uvnäme Waß mihr in N Wäg vällt. untig „Wünsche Eyer Knaten Wollen Ja Nih»Mannt Waß tafott saagen fon tarne Waß ,,igge Sagt bahb. Tannigg Winsch eir wRnatm All © glik Fonder Wällt, untig »zeweibvele angenigt baß sy Die Vröhlen »Fon Western noch am Aende krihgen war« »den aberst. Nuhn fan Jgg nix Meer »dar Dey ttnut, Weillig Drölen nigt Meer »betiehne unt in andren dihnstcn stee un »Tuhn muhs waß mein neie Hehrschhafft »hab N will, untnigtuhn kann Waßigg »roiff.« »inq p!tt noch Fielsmaaken jah reyn »munr Tsu halten über das Waß unter uns »for«
Kap. X.
IoneS.
4s9
»forgcvallen ist unt ferpleibe i Reh biß in ,,dan tot ketreye dihnst Willige Dihne »Rinn »Gunnver Honoris Elster.»
Herr Jones hatte seine eigne Muthmaßungen über diesen Schritt der Frau von Dellaston, welche im Grunde wenig weiterS dabey zur Absicht hatte, als, sich in ihrem eigenen Hause einer Person zu versichern, welche ein Geheimniß besaß, das sie nicht gerne weiter bekannt werden lassen wollte, als es schon war. Am meisten aber war ihr daran gelegen, daß es Sophien nicht zu Ohren kommen möchte; denn obgleich dieß Fraulein beynah die Einzige war, die es nicht weiter gebracht haben würde: so konnte es doch die gnädige Frau gar schwer lich glauben. Denn weil sie jetzt Sophien mit unversöhnlichem Hasse haßte: so meynte sie, Sophie müßte gleichfalls in ihrer zar ten Drusi einen gegenseitigen Haß gegen sie hegen,
46o
Thontas
Buch XV.
hegen, Wolin doch eine solche Leidenschaft noch niemals Eingang gefunden hatte. Unterdessen Jones sich mit den Schreck bildern von tausenderley fürchterlichen An stalten und tief versteckten politischen Entwür fen ängstigte, die nach seiner Meynung bey Jungfer Honoria's Erhöhung zum Grunde liegen möchten, versuchte Madame Fortuna, die bisher eine abgesagte Feindinn von sei ner Verbindung mit Sophien gewesen zu seyn scheint, eine neue Methode, solche mit Einem Male über'n Haufen zu werfen, in dem sie ihm eine Versuchung in den Weg warf, von der cs schien, daß er solcher, in seiner gegenwärtigen verzweifelten Lage, würde schwerlich widerstehen können.
Kap. XI.
Jones.
461
Eilfteö Kapitel. Erzählt sonder bare, obgleich nicht UN. erhörte Vorgänge.
^s war da eine Frau, eine gewisse Ma, dame Hunt, die Herrn Jones oft in dem Hause gesehen hatte, wo er wohnte, weil sie mit den Frauenspersonen in demsel ben sehr genau bekannt, und wirklich eine große Freundinn von Madame Miller war. Ihr Alter war ungefähr dreyßig, denn sie gestund sechs und zwanzig; ihr Gesicht und Person waren gut gestaltet, nur daß sie einen kleinen Ansatz zum Fettwerden hatte. In ihrer Jugend hatten ihre Verwandten sie an einen nach der Levante handelnden Kaufmann verheirathet, der, nachdem er «in großes Vermögen erworben, den Han. del niedergelegt hatte. Mit diesem lebte sie ungefähr zwölf Jahre ohne Tadel, aber nicht ohne Kummer, in einem Stande gro« ßer Selbsiverlaugnung; und ihre Tugend ward
4Ö2
Thoma-
Buch XV.
ward durch seinen Tod, und durch seine reiche Erbschaft belohnt. Das erste Jahr ihrer Wittwenschaft war eben zu Ende, und sie hatte es größesten Theils in Eingezogen heit hingebracht; indem sie bloß ein Paar gute Freundinnen sah, und ihre Zeit zwi schen ihren Andachtsübungen und Stadt« Neuigkeiten theilte, die sie beständig sehr gerne hören mochte. Eine sehr gute Gesundheit, ein sehr warmeö Temperament, und dabey viel Religion, machten es ihr unumgänglich nöthig, sich wieder zu verhciralhen; und sie war eutschlossen, bey einer zweyten Ehe ihrem eigenen Willen zu folgen, wie sie bey der ersten dem Willen ihrer Verwandten hat te folgen müssen. Von dieser Frau ward dem Herrn Jones folgendes Billet gebracht:
»Seit dem ersten Tage, da ich Sie ge« »sehen habe, mein Herr, müssen Ihnen »meine Augen, wie ich nicht zweifeln kann, »nur zu deutlich gesagt haben, daß Sie mir nicht
Kap» XL
Hones.
46z
„nicht gleichgültig waren; aber, weder „meine Zunge, noch meine Hand, sollte es „Ihnen jemals gestanden haben, hätten „nicht die Frauenzimmer in dem Hause, wo „Sie wohnen. Ihnen ein solches Zeugniß „gegeben, und mir solche Beweise von Ih» „rer Rechtschaffenheit und Ihrer edlen Ow »müthöart erzählt, die mich überzeugen, „daß Sie nicht nur ein höchst angenehmer, „sondern auch der würdigste Mann sind. „Ich habe gleichfalls das Vergnügen, von «diesen Freundinnen zu hören, daß Ihnen „weder meine Person, noch mein Verstand, »oder meine Gemüthsart zuwider sind. „Ich besitze ein Vermögen, welches hinrer»chend ist, unS beyde glücklich zu machen, »bas mich aber ohne Sie nicht glücklich ma« »chen kann. Ich weiß wohl, baß ich mich »dadurch, daß ich mich Ihnen antrage, »den Tadel der Welk aussetze: wenn ich Sie »aber nicht mehr liebte, als ich den Tadel »der Welt fürchte, so wäre ich Ihrer nicht werth.
Thomas
Buch XV.
„werth. Nur Eine Schwierigkeit macht „mir Bedenken: Man hat mir sagen wollen, „Sie wären in einen gallanten Umgang mit „einer Person von der großen Welt verwi» „ckelt. Wenn Sie es der Mühe werth ach« „ten, diesen Umgang einer Verbindung mit »mir aufzuopfern, so bin ich die Ihrige; „wo nicht, so bitte ich, vergessen Sie „meine Schwachheit, und lassen dieß ein »ewiges Geheimniß bleiben zwischen Jh« »nen und »Arabella Hunt.«
Beym Lesen dieses DriefchcnS gerieth Jones in eine heftige Wallung. Seine Dermögensumstande waren damals sehr tief Ebbe, da die Quelle verstopft worden, aus der solche bis daher Zufluß erhalten hatten. Von allem, waö er von der Frau von Bellaston erhalten, waren höchstens noch fünf Guineen übrig, und an eben diesem Morgen hatte ihn sein Schneider um doppelt
Kap. XI.
Jenes.
465
doppelt so viel gemahnt. Seine ehrlich ge. meynte Geliebte war in den Händen ihres DaterS, und er hatte kaum ein Fünkchen Hofnung, sie aus denselben jemals wieder zu erhalten. Auf ihre Unkosten von dem kleinen Vermögen zu leben, bas sie unab hängig von ihrem Vater besaß, dagegen sträubte sich die Delikatesse, sowohl seineStolzes, als seiner Liebe. Das Vermögen dieser Frau wäre ihm außerordentlich zu Statten gekommen, und er hatte übrigenin keinem Betracht etwas gegen sie einzuwen. den; vielmehr gefiel sie ihm so gut, als nur irgend ein Frauenzimmer, Sophien ausgenommen. Aber Sophien verlassen, und eine andre heirathen, das war unmög. kich; daran konnte er nicht denken, komme «s, wie es wolle. Aber warum sollte er nicht, weil eS klar war, daß sie die Semi« ge nicht werden könnte? Wäre es eben ih retwegen nicht gütiger, als sie länger in v, Band. E8 einer
466
Thomäs
Buch XV;
«einer hofnungsloftn Leidenschaft für ihn zu unterhalten? Müßte er es nicht thun auS Freundschaft für fie? Diese Gedanken hatten einige Minuten hindurch bey ihm daS Ueber« gewicht, und er hatte sich beynahe entschlos sen, Hr, aus einem hohen Begriff von Ehre und Rechtschaffenheit, ungetreu zu werden. Aber dieses überfeine Dernünf. teln konnte nicht lange gegen die Stimme ter Natur Stich halten, welche in seinem Herzen ertönte und sagte, daß solche Freundschäft eine Derrätherey an der Liebe sey. Endlich ließ er Dinte, Papier und Feder brin gen, und schrieb anMadameHunt,wie folgt:
»Madame,
»Es wäre nur ein armseliger Dank füe »die Gewogenheit, die Sie mir erwiesen »haben, wenn ich der Verbindung mit Jh« »nen eine Gallanterie aufopferte; und ich »würde eö gewiß thun, wenn ich auch nicht, »wie
Kap. XL
Jones.
46?
»wie wirklich jetzt der Fall ist, Mn der. »gleichen Umgänge bereits entsagt hätte. »Aber ich wäre nicht der redliche Mann, »für den Sie mich halten, wenn ich Ihnen »nicht sagte, daß mein Herz an eine Andre »vergeben ist, und zwar an ein sehr tugend»haftes Frauenzimmer, von der ich niemals »ablassen kann, ob es gleich wahrscheinlich »ist, baß ich nie zu ihrem Besitz gelangen »werde. Gott verhüte es, daß ich zur «Vergeltung Ihrer Güte für mich, Ihnen »das Unheil zufügte, und Ihnen meine »Hand gäbe, da ich Ihnen mein Herz nicht »geben kann. Rein, lieber wollte ich vor »Mangel umkommen, als mir so etwas zu »Schulden kommen lassen. Selbst wenn »meine Geliebte an einen Andern vcrheirathet »wäre, würde ich nicht der Ihrige werden »wollen, wofern nicht alle Eindrücke von »ihr völlig aus meinem Herzen verlöschet »wären. Seyn Sie versichert, Madame, »daß Ihr Geheimniß nicht sichrer in Ihrem Gg 2 »eige«
468
Thomas
Buch XV.
„eigenen Busen vergraben war, als in „dem Dusen „Ihres „höchst verpflichteten und „dankbar ergebensten Dieners »T. IoneS.« Als unser Held diesen Brief geendigt und weggeschickt hatte, ging er an seinen Schrank, nahm Sophiens Muffheraus, küßte ihn zu verschiedenen Malen, und ging festen Schritts eine Zeit lang mit froherm Ge müthe im Zimmer auf und nieder, als ein Elücksjägcr jemals gefühlt haben kann, wenn er eben ein Mädchen von einigen hundert tausend Thalern entführt und in Sicherheit gebracht hat.
Kap. XU.
IoneS.
469
Zwölftes Kapitel. Rebhuhn hat eine Entdeckung gemacht.
tXOdt noch Jones sich an dem Bewusst« seyn seiner Redlichkeit erlabte, kam Rebhuhn springend und hüpfend in's Zim« Hier, wie seine Gewohnheit war, wenn er eine gute Zeitung brachte, oder zu bringen glaubte. Cr war diesen Morgen von sei nem Herrn ausgeschickt, mit dem Befehle, zu versuchen, ob er nicht von dem Gesinde der Frau von Bellaston, oder sonst auf eine andre Art erfahren könnte, wohin man So phien geführt hätte; und er kam jetzt zu rück, und erzählte unserm Helden mir froh» lichm Geberden, daß er bas verlorne Schaflein gefunden habe. »Ich habe, kieb»ster Herr,« sagte er, »den schwarzen Ja« »kob, den Wildmeister, gesehn, der einer von »den Leuten ist, die der Junker mic zur »Stadt gebracht hat. Ich kannt' ihn au« »gcnblicks, ob ich ihn gleich seit vielen Iah. Gg z »rett
Thomas
Buch XV.
„ren nicht gesehn habe; aber Sie wissen, »liebster Herr, rS ist ein merkwürdiger Kerl, »oder, um eine reinere Phrasis zu gebrau»chcn, er hat einen merkwürdigen Barl, »den stärksten und schwärzesten, den ich je* »mals gesehn habe. Es währte indessen »ein Weilchen, eh' sich der schwarze Jakob »auf mich besinnen konnte.« — »Nun gut! »Aber hat Er gutes Neues?« rief JoneS. »Was weiß Er von meiner Sophie?« —• »Sollcn's gleich hören,« antwortete Reb huhn. »Ich komme gleich darauf, so bald «ich nur kann. — Sie sind so nngedul«big, liebster Herr, daß Sie gleich den h.xvinitivum wissen wollen, «he Sie noch den aslmperativum fassen können. Was sagt' »ich doch? Ja, es währte «in Weilchen, »ch' er sich auf mein Gesicht besinnen konn»te.«-------- »Mit seinem Affengesicht!« rüste Jones. »Was weiß Er von So»phicn?« — »Nun, liebster Herr,« antjvortcte Rebhuhn, »von Fräulein Sophien »weiß
Kap» XII.
Jones.
47*
„weiß ich weiter nichts, als waS ich Ihne» „eben erzählen will; und ich hätt's Ihnen „schon längst all's erzählt, wenn Sie mir „nicht ins Wort gefallen wären; ober, „wenn Sie so böse ausschen, so schrecken „Sie mir's alles aus dem Kopse heraus, „oder, um eine reinerePhri sis zu gebrauchen, „aus meinem Gedächtniß heraus. Ich ha„be Cie niemals so böse gesehen, seitdem „Tage, da wir Upton verließen; und den „Tag vergesse ich nicht, und sollte ich auch „noch taufend Jahr leben.« »Nun denn! „so fahr Er denn fort auf seine eigne Ma rinier,« sagte Jones; „denn er hat sich.'s „doch einmal in den Kopf gesetzt, mich „wahnsinnig zu machen!« — „Um alles „in der Welt nicht!« erwiederte Rebhuhn. „Das hat mir schon Angst genug gemacht; „und, wie ich sagte, ich werde das „nicht vergessen; so lang' ich lebe!« — „Nun gut! und der schwarze Jakob?« rüs te Joues. — „Nun gut, liebster Herr, Gg 4, »rote
472
Thoma»
Buch XV.
»wie ich sagte, «S wahrte ein Weilchen, eh' »er sich besinnen konnte, wer ich wäre; denn »ich habe mich wirklich sehr verändert, ich „bin geältert, seit dem ich ihn gesehen habe. »Non sum qualir eram! Ich habe wein »Kreuz und Leiden in dieser Welt, und »nichts macht einen Mann früher alt, als »der Gram. Ich habe sagen hören, er soll »in Einer Nacht eisgraue Haare machen »können! Inzwischen kennen that er mich »doch endlich, daS ist wahr genug; denn »wir sind von Einem Alter, und wir gingen »alle beyde in Eine Freyschule. Jakob war »ein recht hartlerniger Junge; aber, was »thut ihm das? Zum Laufen hilft nicht »schnell seyn, sagt Salomon; und nicht alle »Menschen wachen ihr Glück in der Welt, »nachdem sie was gelernt haben; das mag »ich wohl mit Fug und Recht von mir selbst »sagen; ab^r das wird in den nächsten tau« »send Jahren wohl noch nicht anders wer« »den. Nun gut und nicht allzu gut! — »Wo
Jones.
Kap. XIL
473
»Wowar ich denn?— Ha, ja! — Gut!
»Wir hatten uns nicht so trabe einander »wieder gekannt, als wir uns nach man«
»chem herzlichen Händschütteln mit einander »verglichen, nach einem Bierkeller zu gehn,
»und »zu
eine
Kanne
Glücke war
allem
»dem besten,
und
auszuwlppen; das
Bier
das ich gefunden habe,
von so
»lang' ich kn der Stadt gewesen bin. —
»Nun, liebster Herr, nun komm' ich auf
»den rechten Punkt.
Sie,
Sehn
ich
»hatte Sie nicht so stracks genannt und ihm »erzählt,
daß Eie und ich zusammen zur
»Stadt gekommen waren,
und die ganze
»Zeit hindurch mit einander gelebt hatten,
»als er eine frische Kanne einzapfen ließ, »und dabey fluchte und schwur,
er wollte
»eins auf Ihre Gesundheit trinken! Und, »das muß ich sagen,
er trank so herzlich
»scharf auf Ihre Gesundheit,
daß mir die
»Augen übergingen, vor Freuden, zu sehn,
»daß es noch so dankbare Seelen in der Gg 5
»Welt
Thomas
474
Buch XV.
»Welt gäbe. Und als wir die Kanne auS »hatten, nun so sagte ich, baß ich meine
»Kanne ebenfalls geben wollte; und somit »tranken wir noch eine Kanne auf ihre liebe
»Gesundheit; und darauf machte ich, daß »ich nach Hause kam, um Ihnen die gute »Zeitung zu bringen.«
für Zeitung?«
»Das
schrie Jones;
»Er hat mir kein Wort von Sophien gc,
»sagt.« —
»Sünde!
»Ja,
Gott verzeih mir die
das
hatt' ich bald vergessen!»
sagte Rebhuhn.
»In der Tbat, wir spra«
»chen in der Läng' und in der "Breite vom »Fräulein von Western,
und Jakob der
»sagte mir alles, und so! daß J> nkcr Bli»
»sil zur Stadt käme, um mit ihr Hochzeit »zu hallen.
So muß er sich wohl tummeln,
»sagt' ich, oder ich kenne Jemand j der sie
»weg haben kann, eh' er noch einmal dar »ist,
und in der That, Herr Wildmeisier,
»fegt' ich ju ihm, 's wäre tausend Schade,
»wenn
Kap. XU.
Jones.
47s
»wenn sie der Jemand nicht bekommen sollte. »Sie müssen beyde wissen, und ich kann's »Ihnen sowohl als dem Fräulein sagen, »Herr Scrgrimm, sagt' ich, daß es nicht »ihres Reichthums wegen ist, daß er ihr nach, »geht; denn, was das Ding anbclangt, »so kann ich Ihnen wohl sagen, daß eine »andre Dame, von viel vornehmerem Stan« »de, und viel reicher, als Fräulein von »Western, in Jemand so tückisch verliebt ist, »daß sie ihm nachgeht bey Tag und bey »Nacht.» Hier gcrieth Jones in Zorn, und fuhr Rebhuhn gewaltig an, daß er ihn, wie er sagte, verrathen und verkauft habe. Der arme Schlag vom Kerl aber antworte« te, er habe keinen Namen genannt. »Und »daju noch, liebster Herr, kann ich's vek« »sichern, daß Jakob Ihr aufrichtiger »Freund ist, und daß er mehr als Einmal »den Herrn Blifil jum bösen Fierk ge« »wünscht hat. Ja, er sagte auch, er wollt' »alles thun, waö ihm nur menfchmöglich »wäre,
47 6
Thomas
Buch XV.
„wäre, Ihnen zu dienen; und das wird er „thun, darauf will ich wohl meinen Kopf „verwetten. — Ich Sie verrathen, wahr« «hastig! ich zweifle sogar, baß Sie einen »treuern Freund auf der Welt haben, mich „ausgenommen, als ihn, oder einen, der »Ihnen zu Gefallen so weit gehn wollte.« »Wohl!« sagte Jones, ein wenig be sänftigt! »Er sagte, dieser Mensch, von dem »ich wohl glauben will, daß er geneigt ge»nug ist, mein Freund zu seyn, befinde sich »mit Sophien in einem und eben demselbi»gen Hause?« »In eben und bemselbigem Hause!« antwortete Rebhuhn. „Je, liebster Herr, »er. steht ja beym Junker Western in Dien, »sten, und geht recht tapfer gekleidet ein« »her, das versichr ich Sie; und, wenn er »nicht den schwarzen Part hatte, Sie tour# »den ihn schwerlich wieder kennen.«
Kap. XII.
Jones.
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»Einen Dienst,« sagte Jones, »wird »er mir denn doch wenigstens thun können« »Ohne Zweifel wird er mir einen Brief an »Sophien richtig bestellen."
»Auf den Kopf treffen Sie den Nagel, »ad Vnguein!« schrie Rebhuhn. »Daß »doch ich nicht ehr drauf gedacht habe! Ich »steh dafür, auf's erste Wort soll er's flugS »thun.« »Nun gut denn!« sagte Jones; »s» »laß' Er mich jetzt allein, damit ich den »Brief schreibe, den Er ihm Morgen früh »bringen soll; denn ich setze voraus, daß »Er weiß, wo Er ihn finden soll.« »O, jawohl!« antwortete Rebhuhn. »Ich will ihn gewiß schon wieder finden, »bas hat keine Noth! Das Bier ist viel jn »gut, daß er lang' wegbleiben sollte. ES »sollte mich wundern, wenn er nicht alleTage »nach
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Thomas
Buch XV.
»nach der Schenke käme, so lang' er in der »Stadt ist.«
»So kennt Er also die Gasse nicht, wo »meine Sophie logirt?« rüste Jones. »Je, was sollt' ich nicht? liebster »Herr!« sagte Rebhuhn.
»Wie heißt denn die Gasse?« rief Jones. »Wie sie heißt? wie sie heißt? — Je! »'s ist hier nahe bey!« antwortete jReb« Huhn, „nur ein paar Gassen entlangs. »Den Namen weiß ich freylich nicht eigent« »lich; denn, sehn Sie! weil er 'n nicht »sagte, so wissen Sie wohl, hätt' es ihm »Argwohn in 'n Kopf setzen können, wenn »ich darnach gefragt hätte. Nein, nein, »Herr! Rebhuhn weiß Bescheid! da ist er „zu pfiffig zu, so was zu machen, das ver»sichre ich Ew. Gnaden.« «Dn
5?slp, XII.
sottet?»
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»Du bist mir der wahre pfiffige Dur» »sche, wahrlich!« erwiederte Jones. »In« »dessen will ich meinem lieben Mädchen »schreiben; denn so pfiffig wird Er ja wohl »seyn, denk' ich, ihn Morgen in der Bier» »schenke wieder zu finden!«
Und nun, nachdem er den scharfsinnig gen Rebhuhn entlassen hatte, setzte sich Jo« nes nieder zum Schreiben, bey welchem Geschäfte Wir ihn auf einige Zeit lassen wol« len. Und hiermit machen Wir dem fünf« zehnten Buche ein Ende.