Geschichte der Philosophie: III Die Philosophie des Mittelalters 9783110502039, 9783110501575


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Inhaltsverzeichnis
Wichtigste Literatur
Einleitung.
Die Philosophie der Scholastik
1. Kapitel. Allgemeine Charakterzüge der scholastischen Philosophie
2. Kapitel. Der Entwicklungsgang der mittelalterlichen Philosophie in der Früh- und Hochscholastik.
3. Kapitel. Die Philosophie des hl. Thomas von Aquin
4. Kapitel. Die scholastische Philosophie des 14. und 15. Jahrhunderts. Johannes Duns Skotus und Wilhelm von Ockham
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Geschichte der Philosophie: III Die Philosophie des Mittelalters
 9783110502039, 9783110501575

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Sammlung Göschen

Geschichte der Philosophie m Die Philosophie des Mittelalters Von

Dr. Martin Grabmann o. Professor an der Universität München

B e r l i n und L e ip z ig

Vereinigung wissenschaftlicher Verleger Walter de Gruyter & Co. vormals G .J. Göschen'sche Verlagshandlnng — I . Guttentag, Verlags­ buchhandlung — Georg Reimer — Karl I . Trübner — Veit & Comp.

1921

Alle Rechte, insbesondere das Übersetzungsrecht, von der Berlagshandlung vorbehalten.

Druck von C. G. Röder G. m. 6. H., Leipzig. 846121.

Inhaltsverzeichnis. Seite

Die Philosophie der Kirchenväter (Augustinus). Die islamitische und jüdische Philosophie.........................

Einleitung. I.

Die Philosophie der K irch en v äter.................................................. 1. I m a llg e m e in e n ..................................................................... 2. Die Philosophie A u g u s t i n s ................................................ Die islamitische und jüdische P h ilo s o p h ie .................................

II.

5 6 6 9 17

Die Philosophie der Scholastik.

1. Kapitel. A llge m eine C h a ra k te rz ü g e der schola­ stischen P h i l o s o p h i e ..................................................................... I.

Die äußere Form der Scholastik............................................. 1. Scholastik — Schulw issenschaft............................................. 2. Die L iteratu rg attu n g en ............................................................. 3. Scholastische Darstellungsmethode und Darstellungstechnik II. Das innere Wesen der Scholastik............................................. 1. Allgemeine Grundrichtung des scholastischen Denkens . . 2. A u cto ritas und r a t i o ............................................................. 3. Theologie und P h ilo so p h ie ............................................ 4. Scholastik und M ystik................................................................ 5. Scholastik und Naturwissenschaft............................................. III. Die Quellen der scholastischen Philosophie............................

2. Kapitel. D er E ntw icklungsgang der m i t t e l a l t e r ­ lichen P h ilo s o p h ie in der F r ü h - und Hoch­ scholastik ........................................................ I. Die Frühscholastik............................................................................. II. Die Hochscholastik.............................................................................

3.

Kapitel. Die P h ilo so p h ie des hl. T h o m a s v. Aquin

58 58 67

75 Leben, Werke und Persönlichkeit................................................. 75 Aufgabe und Einteilung der P h ilo so p h ie................................ 79 N atu rp h ilo so p h ie............................................................................. 82 Psychologie......................................................................................... 84 M etaphysik..................................................................................... 91 1. S e i n s l e h r e ................................................................................. 91 2. G o tte s le h r e ................................................................................. 97 3. Verhältnis zwischen G ott und W e l t ................ .................... 100 VI. Ethik und Staatsphilosophie.................................................... 103 1. E t h i k ............................................................................................. 103 2. Staatsphilosophie . . . i .................................................... 105 VII. Die älteste Thomistenschule. Der Kamps um die Lehre des hl. T h o m a s ............................................................................ . . 108 I. II. III. IV. V.

4.

26 27 28 30 33 36 36 38 40 43 46 48

Kapitel. Die scholastische P h ilo so p h ie des 14. und 15. J a h r h u n d e r t s . J o h a n n e s D u n s S k o tu s und W ilhelm von O c k h a m ................................................. lio

Wichtigste Literatur. B a u m g a r t n e r , M ., - Ü b e r w e g , F r., Grundriß der Geschichte der Philosophie der puristischen und scholastischen Zeit (m it ausführlichem Literatur­ verzeichnis). 10. Ausl. B erlin 1915. ' B a e u m k e r , C l., Beiträge zur Geschichte der Philosophie des M ittelalters. Texte und Untersuchungen (seit 1891, bisher in 22 Bänden ca. 120 M ono­ graphien erschienen). — Die patrisiische Philosophie. — Die christliche Philosophie des M ittelalters. K ultur der Gegenwart I, 5. 2. Ausl. Leipzig u. B erlin 1913. — Der P lato n ism u s des M ittelalters. München 1916. E n d r e s , I . A ., Geschichte der mittelalterlichen Philosophie im christlichen Abendland. Kempten u. München 1908. G o l d z i h e r , I . , Die islamitische und jüdische Philosophie des M ittelalters. K ultur der Gegenwart I, 5. 2. Ausl. Leipzig u. B erlin 1913. G r a b m a n n , M ., Die Geschichte der scholastischen Methode. 2 Bde. Frei­ burg 1909 u. 1911. — Thomas von Aquin. 4. Ausl. Kempten u. München 1920. H a u r S a u , B ., H isto ire de la Philosophie scolastique. P a ris 1872 u. 1882. M a n d o n n e t , P ., S ig e r de B ra b a n t et l’a v erro ism e la tin a u XIIIme s ie d e . 2 Bde. Louvain 1908 u. 1911. S e e b e r g , R ., Dogmengeschichte des M ittelalters. 2. u. 3. Stuft. Leipzig 1913. S e r t i l l a n g e s , A.-D., S. T h o m as d’A quin. 2 Bde. P a ris 1910. V e r w e h e n , I . , Philosophie des M ittelalters. B erlin 1921. W u lf , M. de, H isto ire de la P h ilo so p h iem 6 d i6 v ale. 4. Aufl. Louvain 1912. — Geschichte der mittelalterlichen Philosophie. Autorisierte deutsche Übersetzung von R. Eisler. Tübingen 1913.

Einleitung. Die Philosophie der Kirchenväter

(Augustinus). Die islamitische und jüdische Philosophie. Die Philosophie des M ittelalters im lateinischen Abend­ lande wird in ihrem Werden, Wesen und Wert nicht ver­ standen, wenn ihre Vorlagen und Quellen nicht erkannt werden. Es ist ja die scholastische Philosophie nicht vergangen­ heitslose Neuschöpfung, sondern in weitem Umfange aus der antiken, puristischen (augustinischen) und teilweise auch aus der arabisch-jüdischen Philosophie herausgewachsen. Fort und fort gemahnt uns in den scholastischen Schriften zusümmende, ablehnende und auch vermittelnde Benützung dieser Quellen, den geschichtlichen Wurzeln und Grundlagen des scholastischen Denkens nachzugehen. Von der Darstellung der griechischen Philosophie, der Gedankenwelt Platons und des Neuplatonismus und vor allem des Aristoteles können wir, da ein eigenes Bändchen dieser Sam m lung hierüber handelt, hier absehen. Wir können in dieser Einleitung uns mit einem kurzen Wort über Augustinus, durch welchen der patristische Einfluß auf das M ittelalter sich hauptsächlich vollzog, und über die Hauptrichtungen der islamitisch­ jüdischen Philosophie begnügen. Es haben diese beiden Vorhallen der christlichen Philosophie des Mittelalters aller­ dings untereinander keinerlei architektonische Verbindung, aber man muß sie durchschritten haben, um in der Scholastik sich zurechtzufinden.

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Einleitung.

I. D ie Philosophie der Kirchenväter. 1. Im allgemeinen. Die Philosophie der Kirchenväter ist im großen und ganzen kein selbständiges philosophisches System, sondern ein in theologische Zusammenhänge und Ziele eingebautes Be­ standstück, ist eine im Dienste der kirchlichen Glaubenslehre stehende religiöse Philosophie. Es ist daher vielfach sehr schwer, die Grenzlinie zwischen Dogmengeschichte und Philo­ sophiegeschichte zu ziehen. Es liegt schon in der Natur der religiösen Inhalte, Werte und Normen des Christentums be­ gründet, das den tiefsten Fragen des Menschenlebens und Menschenstrebens nachsinnende philosophische Denken an­ zuregen und zu befruchten. Namentlich mußten Philo­ sophen, die zum Christentum übertraten, in ihrem eigenen Denken eine Auseinandersetzung und einen Ausgleich zwi­ schen ihrer bisherigen philosophischen Weltansicht und zwi­ schen der christlichen Lehre anstreben und zugleich in sich den Drang verspüren, mit philosophischen M itteln in die Tiefen der Mysterien des Christentums einzudringen. Eine deut­ lichere philosophische Bewegung in der Patristik zeigt sich zuerst bei den A p o lo g e te n des 2. Jahrhunderts (Justin der Philosoph, Athenagoras, Tatian, Theophil v. Antiochien, Minucius Felix usw.), die in ihrer Auseinandersetzung mit den heidnischen Gegnem des Christenglaubens auch zur an­ tiken Philosophie Stellung nehmen mußten. Eine teilweise recht scharfe Polemik gegen die griechischen Philosophen tritt uns bei d enA nti gno stik e rn entgegen, d. h. bei den gegen die antikirchliche Spekulation des synkretistischen Gnostizismus schreibenden Kirchenschriftstellern, namentlich bei Tertullian, dessenSchriften übrigens für diePsy chologie von Interesse sind. Ein engeres Band zwischen Philosophie und Christentum knüpfte sich in der K atechetenschule von A le x a n d rie n

Die Philosophie der Kirchenväter.

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(Pantänus, Clemens v. Alexandrien, Origenes), in der die Lehren des Platonism us, der S toa und Philos eine freund­ liche Bewertung und eine ausgiebige Verwertung in der Begründung der theologischen Spekulation und Systematik gefunden haben. Die griechische Philosophie galt hier als Führer der Heiden zu Christus, als Propädeutik zur Theo­ logie, zur Entwicklung der Pistis zur Gnosis. Auch die K a p p a d v z ie r Basiliusd.G r. und Gregor v.Nazianz haben den formalen Bildungswert und inhaltlichen Erkenntniswert der antiken Literatur und Philosophie anerkannt. Gregor v. Nyssa, die dritte der „drei Leuchten von Kappadozien", hat in der Gotteslehre, Erkenntnislehre und Psychologie sich als platonisch beeinflußter christlicher Denker gezeigt und auch die Wege der spekulativen Mystik beschritten. Die christologischen und trinitarischen Kämpfe und Formu­ lierungen seit dem 4. Jahrhundert gaben Veranlassung, zur Ausprägung einer kirchlichen theologischen Terminologie die metaphysischen Begriffe der Philosophie (cpuffn;, ü n o erraffn;, oüffia) usw. zu verwerten und weiterzubilden. I n der Benützung der antiken Philosophie zeigen die Kirchenväter das Bestreben des Adaptierens und Christianisierens. Abweisend verhalten sie sich gegen jene antiken philosophischen Theorien, die dem Wesen des Christentums widerstreiten, so gegen die Skepsis, mit der christliche Glau­ bensgewißheit unvereinbar ist, und gegen den Epikureismus, der zum Ernst und Opfergeist des christlichen Ethos im Wider­ spruch steht. Aristoteles stand in der Blütezeit der Patristik mehr im Hintergrund, zumal da der Nestorianismus und auch der Monophysitismus vielfach Aristoteliker unter ihren Anhängern zählten. Die Aristotelesbenützung beschränkte sich bei den Vätern vielfach auf formale und terminologische Zwecke. I m Orient haben gegen Ausgang der griechischen P a ­ tristik L e o n tiu s v. B y z a n z und J o h a n n e s v. D a m a sk u s

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Einleitung.

reichlicheren Gebrauch von der aristotelischen Philosophie gemacht. I m Abendlande hat B o e th iu s , der letzte Römer und erste Scholastiker, durch Übersetzungen und Kommentare aristotelische Gedanken besonders logischen In h alts ver­ mittelt, während seine im Mittelalter vielgelesene und kom­ mentierte Consolatio philosophiae neuplatonisch-stoische Grundrichtung hat. Die eigentlichen philosophischen Quellen der Patristik sind die S t o a , ein eklektischer populärer P l a t o n i s m u s und be­ sonders der N e u p la to n is m u s . Die stoische Ethik Ciceros und Senecas begegnet uns bei Minucius Felix, Lactantius und Ambrosius, der stoische Fatalism us wurde abgelehnt und hingegen der christliche Vorsehungsglaube durch die Väter, namentlich durch Johannes Chrysostomus und Theodoret v. Cyrus entwickelt. Der eklektische Platonism us, der in nachchristlicher Zeit weiterlebte, fand ob seines Spiritualis­ mus, ob seiner Stim m ung für das Übersinnliche bei den Vätern sympathische Aufnahme und christliche Umbildung. Noch mächtigere Anregung für die spekulative und system­ bildende Arbeit der späteren puristischen Theologie bot der durch Plotin zu einem festgefügten Gedankenbau gewordene Neuplatonismus, dessen pantheistische Lehren als mit der christlichen Lehre vom persönlichen Gott, von der innertrinitarischen göttlichen Wesens- und Lebensmitteilung und von der freien göttlichen Schöpfungstat unvereinbar ab­ gelehnt wurden. Neuplatonisch gerichtet ist N e m e siu s in seinem dem M ittelalter unter dem Namen Gregors v. Nyssa bekannten Werk TTepi qpuaeuug ävGpumou und noch mehr S y n e s iu s v .C y re n e . Unter d er neuplatonis chen Inspiration des Proklus steht der zu Beginn des 5. Jahrhunderts unter dem Namen des Apostelschülers D io n y s iu s A r e o p a g i t a auftretende Schriftenkomplex, dessen Einwirkung wir in der mittelalterlichen Scholastik und Mystik wahrnehmen. Der

Die Philosophie der Kirchenväter.

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Neuplatonismus hat schließlich auch dem größten aller Kirchenväter, dem hl. Augustinus, das Geleite in das Christen­ tum gegeben.

2. Die Philosophie Augustins. Es ist schwer, im Umriß das gewaltige ausdrucksvolle lichtumflutete Bild des Philosophen Augustinus zu entwer­ fen. Augustinus ist der größte Kirchenvater und Theologe der katholischen Kirche, der der spekulativen Dogmatik, Moral und Mystik die Bahnen vorgezeichnet und eine Reihe theo­ logischer Disziplinen ins Dasein gerufen hat, er hat als der bedeutendste Bischof seiner Zeit eine praktische Tätigkeit ent­ faltet, die einen ganzen M ann ausgefüllt hätte, er ist eine tief religiöse Persönlichkeit voll glühender Gottesliebe und hingebender Menschenliebe, aus der reinster Seelenadel uns entgegenstrahlt, er ist ein Denker von genialer Intuition, der feinsinnige psychologische Beobachtungsgabe, metaphysische Spekulation und mystische Innigkeit in sich vereint, er ist ein Redner und Schriftsteller von bezaubernder Wirkkraft und großer sprachlicher Gestaltungsgabe, er ist eine auch den modernen Menschen anziehende und so dem Altertum, Mittel­ alter und der Neuzeit angehörige, mehrfach als der erste moderne Mensch bezeichnete Denkergestalt von unüberseh­ barer Fernwirkung. Augustinus hat seine Weltanschauung nicht bloß gedacht und geformt, sondern auch errungen und erlebt. Seine Philosophie ist in hohem Maße Persönlichkeits­ philosophie. Aurelius Augustinus wurde 354 zu Tagaste in Afrika ge­ boren, wurde nach gediegener wissenschaftlicher Ausbildung in der Heimat Lehrer der Rhetorik in Tagaste und Karthago, dann in Rom und Mailand, trat dort zum Christentum über und wurde Ostern 387 von Ambrosius getauft, wurde dann Priester und entfaltete von 395 bis zu seinem Tode 430 eine

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Einleitung.

erstaunlich vielseitige Wirksamkeit als Bischof von Hippo. Von seinen zahlreichen Werken kommen für die Philosophie hauptsächlich in Betracht die Confessiones (13 Bücher), die ergreifendste Autobiographie der Weltliteratur, die Mono­ graphien Contra Academicos (gegen die Skeptiker), Soliloquiorum libri II, De quantitate animae, De anima et ejus origine, De immortalitate animae, De ordine, De libero arbitrio und dann die großen Werke De civitate Dei und De trinitate. Die Geistesentwicklung Augustins v'or seiner Bekehrung ist ein Ringen und Suchen nach Wahrheit zuerst bei den Manichäern, deren Sensualismus und Materialismus seine große Seele nicht befriedigen konnte, dann bei der Skepsis der neueren Akademie, deren Wahrheitsverzicht ihm gleich­ falls nicht zusagte. Schließlich wurde der Spiritualism us neu­ platonischer Schriften, die er in der lateinischen Übersetzung des M arius Viktorinus kennengelernt hatte, für ihn der metaphysische Boden, von dem aus er sich zu den übersinn­ lichen und übernatürlichen Wahrheiten und Werten des Christentums erhob. Die heiße Sehnsucht nach Wahrheit ist der Grundzug des augusteischen Seelenlebens. Sein Wahrheitssehnen hat zwei große Ziele klar vor Augen: Gott und die Seele, er will Gott und die Seele wissen, sonst nichts, gar nichts. Der Weg zu diesem Wissen ist Innerlichkeit, ist Versenken ins eigene Selbst, im inneren Menschen wohnt die Wahrheit. I m In n e rn des Menschen ist auch der Ausgangspunkt der augusünischen Philosophie, die zuerst als E rk e n n tn is le h re das Wahrheits- und Gewißheitsproblem, dessen ganze Schwere seine Seele empfunden, lösen will. Lange vor Cartesius hat Augustinus die Selbstgewißheit der Bewußtseinstatsachen und des eigenen Ich zum Aus­ gangspunkt der Philosophie gemacht. Gleich Cartesius geht

Die Philosophie der Kirchenväter.

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er born Zweifeln aus. Vieles läßt sich bezweifeln, aber das eine bleibt gewiß, daß ich ein Zweifelnder bin. Wenn der Vorgang des Zweifelns etwas Gewisses ist, dann sind auch die im Zweifeln sich kundgebenden Bewußtseinstatsachen des Lebens, Sicherinnerns, Einsehens, Wollens, Denkens, Urteilens etwas absolutes Gewisses, dann ist auch die Existenz des Ich, das zweifelt, lebt, sich erinnert usw. absolut gewiß. Der Grund der absoluten Gewißheit der Bewußtseinstat­ sachen und der Existenz des eigenen Ich liegt in der unmittel­ baren Schauung dieser Wahrheiten. Aber diese Wahrheiten sind Tatsachenwahrheiten von individueller Geltung. Wie kommen wir nun zu einer über das eigene Ich hinausgehen­ den Erkenntnis der außer und über uns liegenden Wirklich­ keiten und Wahrheiten? Augustinus unterscheidet im plato­ nischen Sinne zwischen einer körperlichen und einer un­ körperlichen, intelligiblen Welt. Die Sinneserkenntnis ver­ bürgt uns und erschließt uns die Wirklichkeit der körperlichen Welt, aber sie kann uns bloß Meinung, jedoch nicht Wissen und Wahrheit bieten. Ein Wissen gibt es nur von den I n ­ halten und Gegenständen der intelligiblen Welt, welche die wahre Wirklichkeit, das wahre Sein sind. I n unmittelbarem irrtumsfreiem Schauen erfaßt unser Geist in sich selbst die rationes aeternae, die ewigen unwandelbaren und unver­ änderlichen Wahrheiten der Logik, der Mathematik, der Ethik und Ästhetik. Diese Wahrheiten sind nicht aus der Sinneserfahrung geschöpft, sie sind apriorische Vernunft­ prinzipien und Maßstäbe für die Beurteilung unserer In n en ­ welt wie auch der körperlichen Außenwelt, ästhetischer Ge­ bilde und ethischer Handlungen. Diese rationes aeternae sind in unserem Geiste, sie sind aber nicht aus unserem Geiste, sind nicht Produkt unseres Geistes, nur das Ewige, Unwandelbare kann Ursache dieser ewigen unwandelbaren Wahrheiten sein. Dieselben sind

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Einleitung.

Widerspiegelungen der ewigen göttlichen Wahrheiten im individuellen menschlichen Denken. Diesen rationes aeternae entsprechen im göttlichen Geiste die göttlichen Ideen. Augustinus hat die platonische Jdeenlehre im Sinne der ewigen göttlichen Gedanken gedeutet und ausgebildet, der göttlichen Urformen und Urbilder, nach denen alles ge­ schaffen ist. Unser Geist erkennt in sich die ewigen unver­ änderlichen und unwandelbaren Wahrheiten, die rationes aeternae dadurch, daß er mit dem göttlichen Geiste, mit den göttlichen Ideen in Kontakt tritt und eine Einstrahlung der ewigen göttlichen Wahrheit auf unseren Geist stattfindet. I n diesem unsichtbaren reinsten göttlichen Licht erkennen wir die obersten Wahrheiten, ohne daß wir jedoch selbst Gott schauen. Augusünus verwertet hier die neuplatonische Jlluminations- oder Jrradiationstheorie. T er Ausgangspunkt der augusünischen Philosophie von der Selbstgewißheit der Bewußtseinstatsachen und der Existenz des eigenen Ich ist nicht bloß für seine Erkenntnis­ lehre, sondern auch für seine gesamte Philosophie richtung­ gebend. I n der P sy c h o lo g ie wendet er sich den großen meta­ physischen Fragen der Substantialität, Geistigkeit und Un­ sterblichkeit der menschlichen Seele zu. I n seiner psycholo­ gischen Analyse des Ichbewußtseins teilt Augusün dem Ich Realität zu, hebt die Selbständigkeit des Ich gegenüber den seelischen Betätigungen hervor und erweist das Ich als das beharrende Subjekt im Wechsel des seelischen Lebens, wobei er die Bedeutung des Gedächtnisses für das Bewußtsein der Identität des Ich betont. Augustinus hat auch die Seele schlechthin als Substanz gekennzeichnet. Von der Unkörper­ lichkeit und Geistigkeit der Seele will Augustinus nicht bloß ein Glauben, sondern ein klares Wissen haben, er hat der Untersuchung dieser Frage wie auch der Unsterblichkeitsfrage

Die Philosophie der Kirchenväter.

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ganz besondere S o rg falt gewidmet. I n einem schwierigen Gedankengang dehnt er die Gewißheit der Erkenntnis der Bewußtseinstatsachen und der Existenz des eigenen Ich auch auf die Erkenntnis des Wesens dieses Ich aus. W enn die S eele über sich selbst gewiß ist, muß sie auch über ihr Wesen Gewißheit haben. W enn daher die S eele etw as Körperliches wäre, so m üßte sie dies m it derselben Gewißheit erkennen, m it der sie weiß, daß sie denkt, sich erinnert, liebt und existiert. D ies ist nicht der F all, also ist die S eele nichts Körperliches. Augustinus führt auch noch Beweise für die Jm m ate rialität und Geistigkeit der S eele aus dem I n h a lt und der Betätigungsw eise des höheren geistigen Erkennens. D er augustinische H auptbew eis für die Unsterblichkeit der S eele läßt sich auf folgende F orm bringen: D ie W ahrheit ist unveränderlich, unvergänglich und ewig. N un ist aber der menschliche Geist als T räger und Subjekt der W ahrheit m it derselben unzertrennlich verbunden. Folglich ist der mensch­ liche Geist unsterblich. E s gibt n u r eine einzige S eele im Menschen, die ganz im ganzen Leibe und ganz in jedem Teile des Leibes ist. I n der S eele sind Gedächtnis, Intellekt und Wille, in denen die T rinität sich abbildet, die Grundkräfte; dem W illen, der alle Seelenkräfte bewegt, kommt ein ge­ wisser V orrang zu. D en Menschen definiert Augusün als eine Geistseele, die sich eines körperlichen irdischen Leibes bedient oder auch als vernünftige Substanz, die aus Leib und S eele besteht. D ie Verbindung von Geist und Leib ist ihm ein W under, ein undurchdringliches Geheimnis. Augustinus hat indessen nicht bloß den metaphysischen P roblem en der Seelenlehre sich zugewendet, er hat mehr als alle anderen Kirchenväter und als die Scholasüker die Methode der introspektiven Analyse des Seelenlebens gehandhabt, in seinen Schriften ist eine Fülle empirischer Psychologie geborgen. Um nur weniges zu erwähnen, so

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Einleitung.

finden wir bei Augusünus Beobachtungen und Darlegungen über Kinderpsychologie, über die Gedächtnisvorgänge des Sicherinnerns, des Vergessens, des Erkennens und Wiedererkennens, des Lernens, über dasZeitbewußtsein, über äußere und innere Sinneswahrnehmung, über die Assoziation der Vorstellungen, über die Psychologie des Interesses, über die Bedeutung des Rhythmus im geistigen Leben usw. Auch d i e G o t t e s l e h r e Augusüns steht mit dem Ausgangs­ punkt seiner Philosophie in innigster Beziehung, indem Be­ wußtseinstatsachen die Prämissen seines metaphysischen Gottesbeweises bilden. Der augusteische Gottesbeweis ist der Gottesbeweis aus den Eigenschaften der Wahrheit. Bei unserer Jnnenschau finden wir in unserem Geiste die höchsten Wahrheiten der Logik, der Mathematik, der Ästhetik, der Ethik, der Religion vor, Wahrheiten, denen der Charakter des Ewigen, Unveränderlichen und Unwandelbaren zu­ kommt. Das Vorhandensein dieser Wahrheiten in unserem Geiste muß eine Ursache haben. Diese Ursache kann nicht unser Geist selber sein; denn er ist in der Zeit entstanden, wenn er auch unsterblich ist, und ist in seiner Tätigkeit wandel­ bar und kann daher nicht Unveränderliches und Ewiges er­ zeugen. I n scharfsinnigen Gedankengängen erweist sodann Augustinus, daß das Vorhandensein dieser ewigen unver­ änderlichen notwendigen Wahrheiten in unserem Geiste nur erklärt werden kann, wenn ein höchstes ewiges, unwandel­ bares, notwendig seiendes Geistwesen, Gott, existiert, der die höchste ewige Wahrheit und aller Wahrheit Urquell ist. Außer diesem noetischen Gottesbeweis, der im M ittelalter und auch in der Philosophie der Neuzeit' bei Cartesius, Malebranche, Fonelon, Leibniz usw. nachklingt, hat Augusti­ nus noch den Gottesbeweis aus den Stufen der Vollkommen­ heit, der uns bei Thomas v. Aquin begegnen wird, den teleologischen Gottesbeweis, den psychologischen Gottesbe-

Die Philosophie der Kirchenväter.

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weis aus dem Glückseligkeitsverlangen und den moralischen Gottesbeweis entwickelt. Seinem Wesen nach ist Gott unbegreifbar und unaus­ sprechlich. Unser Wissen von Gott ist mehr ein Nichtwissen als ein Wissen. Augusttnus gebraucht schon die bei Bonaventura und besonders bei Nikolaus von Cues uns entgegen­ tretende Bezeichnung der Unzulänglichkeit unserer Gottes­ erkenntnis als docta ignorantia. I m Mittelpunkt des augusünischen Gottesbegriffes steht der große Gesichtspunkt des absolut Seienden, eines Seins ohne eine S p u r von Nichtsein und Veränderung, in Vergleich zu dem die geschaffenen Dinge mehr ein Nichtsein denn ein Sein sind. Gott ist der Urgrund der physischen, intellektuellen und moralischen Ord­ nung, er ist die Urwirklichkeit, die absolute Wahrheit und das höchste Gut. I n der N a t u r p h i l o s o p h i e , in der Lehre vom Wesen und Werden der Welt bekundet Augustinus eine ästhetisch­ optimistische Betrachtungsweise, welche die auch durch das Böse nicht getrübte Harmonie und Schönheit des nach Ord­ nungsgesetzen gegliederten, Gottes Vollkommenheiten wider­ strahlenden Kosmos zeigt. Die konstitutiven Prinzipien der Dinge sind Materie und Form. Die Materie wird in der Auffassung der Platoniker als paene nihil, als prope nihil, als ein an den Grenzen des Nichts stehendes Etwas bestimmt. Auch in der Menschenseele findet sich, da ihre Tätigkeit ver­ änderlich ist, eine allerdings unkörperliche Materie. I n der Lehre von der Entstehung der Welt ist für Augustin maß­ gebend der biblische Schöpfungsbericht, der christliche Schöp­ fungsgedanke, mit dem er die Weltbildungstheorie des pla­ tonischen Timäus und die durch den Neuplatonismus ver­ mittelte stoische Lehre von den Keimkräften (X ö yo i criTepjuatikoi, rationes seminales) verbindet. Gott hat aus freier Güte mit seinem allmächtigen Willen nach dem Plane seiner

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Einleitung.

ewigen göttlichen Ideen die Welt aus Nichts geschaffen. Und zwar hat Gott nicht die empirische entwickelte Welt, sondern eine Primordialwelt geschaffen, er hat den Stoff erschaffen und in denselben Keimkräfte hineingesenkt, aus denen sich nach besümmten Entwicklungs- und Bildungsgesetzen die empirische Weltwirklichkeit mit ihren Einzelwesen unter gün­ stigen Umständen (acceptis opportunitatibus) entfalten und gestalten sollte. I m Schöpfungstheismus Augustins nimmt sonach die Entwicklungslehre eine bedeutsame Stelle ein. Auch in der E thik Augustins komnit seine philosophische Grundlehre von den ewigen, unveränderlichen und notwen ­ digen Wahrheiten zur Geltung. Gott, das höchste Gut, und Gott, das höchste ewige Gesetz, diese beiden Gesichtspunkte bilden die metaphysischen Grundpfeiler der augustinischen Ethik. Gott, das absolut vollkommene S ein und deshalb das höchste Gut, ist das letzte Endziel des Menschen, in dessen Erreichung das dem Menschen schon naturhaft innewohnende Glückseligkeitssehnen allein seine volle Befriedigung findet. Die ganze Moral besteht in der Hinordnung des freien Men­ schenwillens auf Gott, das höchste Gut, das allein um seiner selbst willen geliebt werden kann und In h a lt endgültigen beseligenden Genusses ist (frui). Die außergöttlichen Güter hingegen dürfen nur als M ittel zu Gott hin gebraucht werden (uti). Die beseligende Vereinigung mit dem höchsten Gute ist Jenseitsziel, das hienieden durch Erkenntnis und Liebe erstrebt wird. Die ganze Moral konzentriert sich auf den Sieg der caritas, der christlichen Gottes- und Nächstenliebe über die cupiditas, über die den Menschen vom höchsten G ut und Ziel abdrängende irdische Begier. Gott ist für uns aber nicht bloß das höchste G ut, sondern auch das absolute ewige Gesetz und dadurch die absolute Regel unseres sittlichen Handelns. Das ewige Gesetz (lex aeterna) ist die absolute Wahrheit, ist die Vernunft Gottes, die ewige und unwandel-

Die islamitische und jüdische Philosophie.

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bar in Gott ruhende Norm, an der er selbst nichts ändern kann, ohne mit sich selbst in Widerspruch zu kommen. In h alt dieses Gesetzes ist die ganze Weltordnung. Dieses ewige mit dem Wesen, mit der Vernunft Gottes identische Gesetz ist als Naturgesetz in des Menschen Herz gelegt, leuchtet in den ewigen, notwendigen, unveränderlichen ethischen Wahr­ heiten und Normen unseres Geistes wieder, ist die int Ge­ wissen sich kundgebende Gottessümme im Menschen. I n seiner S t a a t s l e h r e hat Augustinus an die Stelle des antiken Staatsideals, nach welchem der Zweck des Menschen im Staatszweck aufgeht, das christliche Staatsideal gesetzt, demzufolge der S ta a t in den Dienst des höchsten in der Ber­ einigung mit Gott stehenden Menschheitszieles tritt. Der S ta a t ist nicht, wie man Augustin vielfach gedeutet hat, aus der Sünde entstanden, sondern aus der von Gott gewollten und gegründeten Ordnung entsprungen. M an darf bei Augustin die civitas terrena, die irdisch gesinnte gottentfrem­ dete Gemeinschaft, deren weltgeschichtlichen Kampf mit dem Gottesstaat das Werk De civitate Dei in großen geschichts­ philosophischen und geschichtstheologischen Linien zeichnet, nicht mit dem S taate gleichsetzen. D as Verhältnis des christlichen S taates zur Kirche denkt sich Augustinus als ein Freundschaftsverhältnis.

II. D ie islamitische und jüdische Philosophie. F ü r das Verständnis der Geschichte der mittelalterlichen Scholasük ist ein kurzer Überblick über die Hauptentwicklungs­ phasen und die bedeutendsten Persönlichkeiten der islamitisch­ jüdischen Philosophie nötig, da Hinweise darauf uns fort­ während bei den Scholastikern seit Ende des 12. Jahrhunderts begegnen. Weniger von unmittelbarem Einfluß auf das scholastische Denken ist die Theologie des Islam s, die uns vor G r a b man«, Geschichte der Philosophie. III.

2

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Einleitung.

allem in der metaphysisch-religionsphilosophischen Speku­ lation des K alL m (KalLm = Rede) seit dem 9. Jahrhun­ dert entgegentritt. Die M u tik a llim ü n s ( = Sprecher) suchen die Religion des Islam s spekulativ zu durchdringen und darzustellen und sind so gewissermaßen ihrer Methode nach arabische Scholastiker. Gegen die harten und groben Formen der islamitischen Orthodoxie, besonders gegen den Fatalis­ mus nahmen die Mutaziliten, welche für die menschliche Willensfreiheit eintraten, Stellung. Gegenüber der Philo­ sophie, besonders der aristotelischen, verhielten sich die Theo­ logen des KalLm ablehnend. Erst in späterer Zeit wurde durch die beiden hervorragendsten KalLmtheologen R L zi (j 1209) und T usi (f 1273) eine Verbindung von KalLm und aristo­ telischer Philosophie, aus der alles Koranwidrige ausge­ schieden wurde, vorgenommen. Eine theosophisch-mysttsche Richtung innerhalb des Islam s ist der von neuplatonischem Geiste erfüllte S u f i s m u s , für den Gott die einzige Realität und die Welt wesenloser Schein ist. An den Buddhismus gemahnt die Art und Weise, wie der Sufism us die mystische Vereinigung mit Gott auf dem Wege der Askese und Ekstase unter völligem Aufhören der menschlichen Persönlichkeit erklärt. F ü r den Anfang der Philosophie der Araber ist die llbersetzertätigkeit, welche christliche syrische Gelehrte im 9. und 10. Jahrhundert unter den abbassidischen Kalifen entfalteten, von großem Einfluß. Die hervorragendsten Übersetzer griechischer Werke sind J o h a n n i t i u s (Honain ibn JshLk) und Costa b en L u c a (QuostL ibn LüqL), dessen Schrift über den Unterschied von Geist und Seele (De differentia Spiritus et animae) auch der Scholastik bekannt war. Da die aristotelische Philosophie in der Auffassung und Beleuchtung der neuplatonischen griechischen Aristoteliker, vor allem des Themisüus und Porphyrius, an die Araber herantrat, deshalb

Die islamitische und jüdische Philosophie.

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weist die arabische Philosophie in ihren ersten Zeiten eine ausgesprochen neuplatonische Grundfärbung auf, und auch im Anstotelismus der Folgezeit ist eine starke neuplatonische Ström ung bemerkbar. Als ein Werk von ausgesprochen neu­ platonischem Gepräge begegnet uns am Anfang des 9. Ja h r­ hunderts die sog. T h e o lo g ie d es A ris to te le s , ein Auszug aus Plotin. Dieselbe und noch mehr der Liber de causis, ein Auszug aus der crroiyeiwaK; OeoXofiKrj des Proklus, werden uns bei den Quellen der Scholastik wieder begegnen. Die „Theologie des Aristoteles" hat auf die Philosophie der „ la u te r e n B rü d e r" oder richtiger der „Lauteren (Auf­ richtigen)" eingewirkt. Die Enzyklopädie (51 Abhandlungen) der Lauteren lehnt sich wohl äußerlich an die aristotelischen Schriften an und hält auch formell am Koran fest, ist aber inhaltlich im Banne der plotinischen Emanationslehre und der pythagoreischen Zahlensymbolik. Die Schriften der Lauteren, welche zu Beginn des 11. Jahrhunderts in Spanien eingedrungen sind, haben auf die jüdische Philosophie, vor allem Avencebrol im neuplatonischen Sinne eingewirkt und dürften dadurch wenigstens indirekt auch für die Scholastik von Einfluß gewesen sein. Der Synkretismus von neuplatonischer und aristotelischer Philosophie zeigt sich besonders in der Verbindung der Emanationslehre mit der Theorie des intellectus agens, eine dem arabischen Aristotelismus unter verschiedenen Varia­ tionen gemeinsame Lehre. Aus dem ewigen göttlichen, sich selbst denkenden Wesen leiten sich nicht durch freie Schöpfung, sondern durch notwendige stufenweise Emanation geistige Substanzen, separate Intellekte oder Intelligenzen, Sphären­ geister ab, welche die Sphären, die Weltkreise durch ihre Sehnsucht nach dem ersten göttlichen Beweger bewegen. Diese Sphärengeister werden mit den Engeln der Bibel und des Korans identifiziert. Der letzte aus der Intelligenz der 2*

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Einleitung.

Mondsphäre emanierende Sphärengeist ist nun der intellectus agens. Derselbe ist zugleich ein kosmisches Prinzip, die Ur­ sache des Entstehens und Vergehens in der sublunarischen Welt, und auch Prinzip des menschlichen Erkennens, insofern er durch sein Einstrahlen auf den potentiellen Intellekt das menschliche Erkennen bewirkt. Der intellectus agens wird zur Form des intellectus possibilis und dieser dadurch an­ geeigneter Intellekt (intellectus adeptus). Wenn wir nun die hauptsächlichsten Philosophen der Araber kurz charakterisieren wollen, müssen tott zwischen einer Philo­ sophie des Islam s im Orient (Bagdad) und einer solchen im Abendland (Spanien) unterscheiden. Als Aristoteliker be­ gegnet uns im Orient zuerst A l-K in d ! (f ca. 870), der logische und physische Schriften des Stagiriten erklärt hat und in seinem Leben und seinen Werken die für die arabischen Denker so charakteristtsche Verbindung von Mathematiker, Astrolog, Arzt und Philosoph zur Darstellung bringt. A lf a r a b i (f 950) hat die aristotelische Logik (Syllogistik) bearbeitet, eine im M ittelalter vielbeachtete Schrift De ortu scientiarum verfaßt, zuerst die neuplatonische Jntelligenzenlehre mit der Lehre vom intellectus agens kombiniert. Er suchte auch den Gegensatz zwischen Aristoteles und der Ortho­ doxie des Islam s zu überbrücken, indem er Aristoteles die Lehre von der Ewigkeit der Welt absprach. Unter Alfarabis Einfluß steht A v ic e n n a (Jb n S ina, f 1037), der sich zu einem reinen, weniger neuplatonisch gefärbten Aristotelismus durcharbeitete. Durch seinen „Kanon" ist er die Haupt­ autorität für den medizinischen Unterricht des Mittelalters geworden, sein philosophisches Hauptwerk ist das „Buch der Genesung", eine philosophische Enzyklopädie in 18 Bänden, ein Auszug hieraus wird das „Buch der Rettung" genannt. Seine aristotelische Klassifikation der Wissenschaften in eine spekulative (Physik, Mathematik, Theologie) und praktische

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(Ethik, Ökonomik und Politik) Philosophie ist für die Scho­ lastik vorbildlich geworden. Die erste Stelle räum t er der Metaphysik ein, als deren Hauptgegenstand er den Hervor­ gang der Wesen, des Vielen aus dem Einen im S inne der neuplatonischen Emanations- und Sphärenlehre betrachtet. I n der Erkenntnislehre ist Avicenna durch seine Unterschei­ dung der Modi des Seins ante res (im Geiste Gottes), in rebus (das den Einzeldingen immanente allgemeine Wesen) und post res (Allgemeinbegriffe unserer Intellekte) von Einfluß auf den gemäßigten Realismus der scholastischen Universalienlehre gewesen. I n der Psychologie, in der sich ein empirischer Zug zeigt, hat er die aristotelische Vermögens­ theorie übernommen und weitergegeben und auch den meta­ physischen Fragen der Geistigkeit und Unsterblichkeit der Seele sein Augenmerk zugewendet. Unvermittelt neben seiner Philosophie steht die in kleineren Schriften behandelte Mystik Avicennas, die durch beschauliche Konzentration der Seele auf die Gottesidee eine höhere (theosophische, esoteri­ sche) Erkenntnis der Wahrheit erstrebt, als dies der philo­ sophischen Spekulation möglich ist. Die empirische Richtung der Psychologie tritt uns deut­ licher bei Avicennas Zeitgenossen A lh a z e n (Jb n al Haijam, 1 1038) entgegen, der in seiner im scholastischen M ittelalter maßgebenden Optik (De aspectibus, Perspectiva) eine modern anmutende Theorie' der Raumanschauung gibt und auf die Bedeutung der Assoziation und der unwillkürlichen Erfahrungsurteile aufmerksam macht. Gegen die von Al-Kindi, Alfarabi und besonders Avicenna vertretene philosophische Richtung erhob sich als „Erneuerer des Glaubens" A lg a z e l (Ghazall, f 1111), der größte Theo­ loge des Islam s. Derselbe gibt zuerst in der Schrift: „Die Absichten der Philosophen" eine objektive Darlegung dieser philosophischen Lehren, um sodann in einer zweiten Schrift:

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Einleitung.

„Die Widersprüche der Philosophen" die glaubenswidrigen philosophischen Sätze (Ewigkeit der Welt, Hervorgang der Sphären, Ausschluß der Einzeldinge und Einzelgeschehnisse vom Wissen und von der Vorsehung Gottes, Leugnung der eschatologischen Lehren des Islam s usw.) zu bekämpfen und zu widerlegen. I m 13. Jahrhundert hat der Dominikaner Raymundus Martini ( | nach 1284) in seinem ?u§io fickei diese Polemik Algazels ausgiebig benützt. I n einem anderen Werke Ihya zeigt sich Algazel als der reinste und edelste Mysüker des Islam s, gibt eine an christliche Askese und Mystik gemahnende und wohl auch christlich beeinflußte Darstellung des Aufstteges der Seele zur Vereinigung mit Gott durch Beschauung und Liebe. Die autobiographische Schilderung seiner religiös-mystischen Entwicklung erinnert stellenweise an Augustins Confessiones. Wenn wir uns nun der abendländischen spanischen Philosophie des Islam s zuwenden, so begegnen uns als deren her­ vorragendste Vertreter A b u b a c e r (Jb n Thofäil, f 1185), der einen philosophischen Roman schrieb, A v e m p a c e (Jbn Bä-ddscha, f 1138), welcher in seiner Schrift „Leitung der Einsamen" die stufenweise Erhebung der Seele zur Ver­ einigung mit der Welt des Reingeisügen und Göttlichen nicht auf. dem Wege der Mystik, sondern der Spekulation darlegt, und vor allem Averroes, der größte der arabischen Philo­ sophen. . ' ' A v e r r o e s (Jbn Roschd, j 1198) ist der hervorragendste arabische Aristoteliker und wird wegen seiner großen und kleinen Aristoteleskommentare in der Scholastik kurzweg der Kommentator genannt. Aristoteles ist für Averroes der M ann, dessen Vollkommenheit in keinem Zeitalter je ein Mensch erreicht hat; ihn hat die Natur hervorgebracht, um die höchste S tufe menschlicher Vollkommenheit darzustellen. Averroes will in seinen Aristoteleskommentaren die aristo-

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telische Philosophie von den Übermalungen der bisherigen arabischen Peripatetik reinigen und setzt sich deshalb mit Alfarabi und Avicenna auseinander. I n der Streitschrift: Destructio destructionis verteidigt er die Philosophie gegen­ über Kalam und Algazel. Zwischen aristotelischer Philosophie und islamitischer Orthodoxie besteht nach Averroös Übereinsümmung, da Philosophie und Religion die gleichen Wahr­ heiten, nur nach verschiedenen Methoden und für verschiedene geistige Entwicklungsstufen darbieten. Er ist, wie Leon Gauthier, Miguel Asm y Palacios und M. Horten nachge­ wiesen haben, nicht der Vater der Lehre von der doppelten Wahrheit und ist hier von den lateinischen Averroisten des 13. Jahrhunderts falsch verstanden worden. Auch die Lehre von der Vorsehung hat man ihm mit Unrecht abgestritten. Averroes lehrt die Ewigkeit und Potentialität der Materie. Eine besonders charakteristische und in der Scholastik schars­ umstrittene Lehre des arabischen Aristotelikers ist seine Theorie von der Einheit des intellectus agens und die daraus folgende Leugnung der persönlichen Unsterblichkeit. Dieser Intellekt, der letzte der Sphärengeister, ist von den mensch­ lichen Individuen getrennt und daher in allen Menschen numerisch ein und derselbe. Nur dieser Gesamtgeist ist un­ sterblich. Der Mensch hat in sich die Disposition, von diesem intellectus agens affigiert zu werden. Durch die Berührung des intellectus agens mit dieser Disposition entsteht in uns der potentielle oder materielle (hylische) Intellekt. I n der Verbindung des potentiellen oder materiellen Intellekts mit dem tätigen Intellekt, die durch gesteigerte abstrakte Denk­ arbeit und auch durch Bekämpfung der Sinnlichkeit erreicht wird, besteht die höchste Glückseligkeit des Menschen. Um noch kurz ein Wort über die jüdische Philosophie des Mittelalters anzufügen, so ist dieselbe von der arabischen Philosophie stark beeinflußt und hat einen mit derselben

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Einleitung.

ziemlich parallelen Entwicklungsgang. Es gibt auch in der jüdischen Philosophie einen Kalam, eine religionsphilo­ sophische Richtung. An den KalLm der Mutaziliten gemahnt D a v id bett M e rw a n zu Beginn des 10. Jahrhunderts, der Kalam des rabbinischen Judentum s ist durch S a a d j a ben J o s e p h (f 942) vertreten, dessen Werk: „Buch des Glaubens und des Wissens" für die jüdische Religionsphilo­ sophie grundlegend geworden ist. Die jüdische Mystik tritt uns in der von Philo, dem Neuplatonismus und Neupythagoreismus beeinflußten K a b b a la entgegen, die sich seit dem 12. Jahrhundert entwickelt mtb in dem Buche Zöhar (Glanz) des M ose de L eo n (f 1305) ihre bedeut­ samste literarische Erscheinung hervorgebracht hat. Die eigent­ liche Philosophie des Judentum s steht unter dem Einfluß sowohl des Neuplatonismus wie auch des Aristotelismus. Als der älteste jüdische Philosoph gilt I s a a k b en S a lo m o n I s r a e l i (f ca. 940), der Arzt und Philosoph zugleich war und durch seine von Gerhard von Cremona ins Lateinische übertragenen Schriften „Buch der Definitionen" und „Buch der Elemente" auch der Scholastik bekannt war. Der be­ deutendste neuplatonisch gerichtete Philosoph des Judentum s war A v e n c e b r o l (Avicebron, Salom on ibn Gebirol, f um 1070). S ein von Dominikus Gundissalinus ins Lateinische übersetztes und von El. Baeumker ediertes Hauptwerk Fons vitae entwickelt ein System des Emanationspantheismus: Gott als das unerkennbareEine ist die Quelle, aus der alles Sein fließt. Als Mittelwesen zwischen Gott und der Welt fungiert der teils als göttliche Kraft, teils als Hypostase aufgefaßte göttliche Wille, die Lebensquelle, aus der die allgemeine Materie und die allgemeine Form , der Weltgeist, die Welt­ seele und die sichtbare Natur emanieren. Eine Grundlehre Avencebrols, der wir noch in der Scholastik begegnen werden, ist die Behauptung, daß alle Substanzen außer Gott, auch

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die Menschenseele, aus Materie und Form zusammenge­ setzt sind. Neuplatonische jüdische Philosophen des 12. Jahrhunderts waren J o s e f den S a d d ik (f 1199), Verfasser eines Buches Mikrokosmos, A b ra h a m d en C h ijja (f ca. 1136), der Dichter M o ses d en E s r a (f 1139) u. a. I m 12. Jahrhundert gewann der Aristotelismus einen maßgebenden Einfluß auf die Weiterentwicklung der jüdischen Philosophie. Gegen die aristotelische Philosophie richtet sich als jüdische und abendländische Parallele zu Algazel der Dichter J e h ü d a h H a -L e w i (f 1140) in seinem Werk Al-Chazarl, der die philosophische Ergründung metaphysischer Fragen für nutzlos und der Religion abträglich hält und ein intuitives gemütsinniges Innew erden der Gottheit alsLebensinhalt hinstellt. Der älteste Aristoteliker der jüdischen Philo­ sophie ist A b ra h a m ib n D a v id aus Toledo (f 1180), der in seiner Schrift: „Der erhabene Glaube" den arabischen Aristotelismus Alfaräbis und Avicennas vertritt, die Lehre von der Willensfreiheit und überhaupt die Philosophie mit den religiösen Lehren zu vereinbaren sucht. Den Höhepunkt der aristotelischen Philosophie des Judentum s bedeutet M o ses M a im o n id e s (Mose ben Maimün, f 1204), der in seinem Hauptwerk: „Wegweisung des Unschlüssigen" eine Übereinstimmung zwischen aristotelischer Philosophie und jüdischer Religion anstrebt. Hierbei weicht er vom „Fürsten der Philosophen", der ihm in Fragen profanen Wissens höchste Autorität ist, in manchen Fragen religiöser Natur ab. S o hält er an der Schöpfung aus nichts im Sinne der prophetischen Tradition fest, erachtet die aristotelischen Be­ weise für die Ewigkeit wie auch die für den zeitlichen Anfang der Welt vorgebrachten philosophischen Argumente für nicht zwingend. Gott, die erste Ursache ist absolut immateriell und reinste Aktualität. Wesen und Eigenschaften Gottes

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D ie Philosophie der Scholastik.

sind füruns absolut unerkennbar. JnderELHikbetontMaimonides die Willensfreiheit und zeigt in der Glückseligkeits­ und Tugendlehre große Abhängigkeit von Aristoteles. I m 14. Jahrhundert hat die Philosophie des Averroes, dessen Werke Maimonides erst gegen Ende seines Lebens kennen­ gelernt hatte, in der Philosophie des Judentum s Anklang gefunden. Solche jüdischen Averroisten sind L ew i ben G e rso n (f 1344) und M ose ben J o s u a (Magister Bidal, t 1362)> der auch Kommentare zu Averroös und Moses Maimonides geschrieben hat.

Die Philosophie der Scholastik. 1. K a p ite l.

Allgemeine Charakterzüge der scholastischen Philosophie. Unter Scholastik versteht man die in den Schulen des Mittelalters ausgeprägte philosophisch-theologische Speku­ lation. M an hatte früher die Auffassung und hat sich auch jetzt noch nicht ganz davon losgemacht, daß die scholastische Philosophie des M ttelalters eine ganz eintönige und gleich­ förmige Struktur des Denkens aufweise, eine unselbständige Wiederholung und Zusammenfassung antiker und patristischer Gedanken darstelle und nur insoweit philosophische Er­ kenntniswerte darbiete, als dieselben schon in den Quellen und Vorlagen gegeben seien. Es ist richtig, daß eine ungleich größere und deutlichere Gemeinsamkeit und Übereinstim­ mung in derMethode und in den philosophischen Grundüber­ zeugungen im M ittelalter als in der Philosophie der Neuzeit besteht: wir können mit El. Baeumker dieses einheitliche for-

Allgemeine Charakterzüge der scholastischen Philosophie.

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male und inhaltliche Gepräge als „Gemeingut der Scholastik",' mit M. de Wulf als „La synthfcse scolastique“ bezeichnen. Indessen tritt uns in der Scholasük eine „differenzierte Mannigfaltigkeit und Lebensspannung" (Baeumker), eine viel größere Abwechslung und Vielgestaltigkeit der Rich­ tungen und Strömungen entgegen, als man früher ahnen konnte. Wie ein Gebirgszug in der Ferne gesehen einförmig sich ausnimmt und je mehr man sich ihm nähert, desto mehr in seiner Gliederung und in seinem Formenreichtum sich zeigt, ähnlich ergeht es auch jenem, der vor allem in die Quellen und Texte der mittelalterlichen Philosophie sich ver­ tieft und auch die bisher ungedruckten und unbekannten scholasüschen Materialien auf sich wirken läßt. Es ist des­ wegen nicht möglich, auf engem Raum ein vollständiges Bild der scholasüschen Gedankenwelt zu entwerfen. Es wird, wie dies Baeumker in seiner Darstellung der europäischen Philo­ sophie des Mittelalters in vorbildlicher Weise getan, vorzu­ ziehen sein, zuerst die bei aller Vielgestaltigkeit vorhandenen gemeinsamen Charakterzüge des scholastischen Denkens zu­ sammenzufassen, den einheitlichen geistigen Hintergrund zu zeichnen, sodann im Umriß die Hauptentwicklungslinien der scholastischen Philosophie zu ziehen und schließlich das philo­ sophische System eines führenden Scholastikers im Zusam­ menhang eingehender darzustellen. Es kommt hier in erster Linie Thomas von Aquin in Betracht, da seine Philosophie der inhaltlich und methodisch wertvollste und in der geschicht­ lichen Nachwirkung einflußreichste Typus des scholastischen Denkens ist.

I.

Die äußere Form der Scholastik.

Wenn wir die gemeinsamen Charakterzüge des scholasti­ schen Denkens, zusammenfassen wollen, müssen wir zuerst die äußere Form und Erscheinung, in der die scholastische Philo-

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Die Philosophie der Scholastik.

sophie uns entgegentritt, betrachten, und alsdann die innere Seite, den Geist der mittelalterlichen philosophischen Welt­ ansicht einer Analyse unterziehen. Schließlich werden wir dieser allgemeinen Betrachtung noch eine Übersicht über die Quellen der scholastischen Philosophie beigeben müssen, da gerade die Stoffzufuhr, das Bekanntwerden neuer Quellen ein Entwicklungs- und Fortschrittsprinzip des mittelalter­ lichen Denkens darstellt. Bei dem engen Verknüpftsein von äußerer Form und dem Geist einer Wissenschaft werden wir schon bei Darstellung der Außenseite der scholastischen Philosophie mehr oder minder auf deren innere Wesens­ struktur Hinweisen können. 1. S cholastik — S chu lw issen sch aft. Der äußeren Form und Erscheinung nach gibt sich die christliche Philosophie des Mittelalters, wie schon der Name Scholastik andeutet, als S ch u lw issen sch aft uns kund. I m früheren Mittelalter ist scholasticus der Lehrer der artes liberales, der sieben freien Künste des Triviums (Grammatik, Logik oder Dialektik, Rhetorik) und Quadriviums (Geo­ metrie, Arithmetik, Astronomie und Musik). Scholasticus hatte bis ins 12. Jahrhundert auch mitunter die Bedeutung: Schüler. S päter hieß scholasticus ganz allgemein jeder, der schulmäßigen Unterricht besonders in Philosophie und Theologie gab. • Die eigentliche Bezeichnung des Dozenten der Philosophie und Theologie war in der eigentlichen Scholastik magister (magister artium, magister in theologia). P etrus von Poitiers (f 1205) gebraucht die Be­ nennung doctor scholasticus. Als Schulwissenschaft zuerst in Dom- und Klosterschulen, dann auf den Universitäten hat das philosophische Denken des Mittelalters sich herausge­ bildet. Die Entwicklung des Unterrichtswesens aus den Domund Klosterschulen zu den Wissenszentren der Universität,

Allgemeine Charakterzüge der scholastischen Philosophie.

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des Studium generale, war für den Werdegang der Scholastik von mächtigem Einfluß. Gerade die Ausbildung der Artisten­ fakultäten an den Universitäten und die Übung, daß die Scholaren und Professoren der Theologie zuvor diesen philo­ sophischen Fakultäten angehörten, dies hat auf die Verselb­ ständigung der Philosophie im 13.' und besonders 14. Jahr­ hundert eingewirkt. Paris wird von Albert dem Großen die Civitas philosophorum genannt. I n diesem innigen Zu­ sammenhang zwischen Unterrichtswesen und Wissenschaft ist es begründet, daß die Eigenart der Schule sich auch dem wissenschaftlichen Arbeiten und Denken aufprägte. Der Schulbetrieb hatte namentlich in der Ära der Dom- und Klosterschulen den Charakter des Traditionellen, des Uberlieferns von festen formulierten Erkenntnissen. Daher auch die Rezeptivität und der gewissermaßen korporative Zug im wissenschaftlichen Denken, daher die Respektierung der definitiones und auctoritates magistrales, daher die Weiter­ leitung bestimmter Zitate, Schulfragen, Einwände usw. durch wissenschaftliche Generationen hindurch. Daher auch das Zurücktreten persönlicher und nationaler Elemente. Die Grundformen des Unterrichts waren die le c tio und namentlich später auch die d is p u ta tio . Die lectio bestand in der Erklärung von eingeführten Textbüchern. I n der Theologie wurden vom Bakkalaureus die Sentenzen des Petrus Lombardus, vom Magister, vom wirklichen Professor die biblischen Bücher kommentiert. I n der Philosophie bil­ deten vor allem die aristotelischen Schriften, mit denen sich auch Arbeiten des Boethius und pseudo-aristotelische Bücher vereinigten, den Gegenstand dieser kommentierenden Me­ thode. Die disputatio war die nach einem bestimmten Schema und mit einer später reichentwickelten Technik vor­ genommene Erörterung von Problemen, die in Frageform gefaßt, nach allen Seiten pro et contra besprochen und in

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Die Philosophie der Scholastik.

einem bestimmten, begründeten Sinne gelöst wurden. Wäh­ rend in der lectio der Lehrer allein zu Worte kam, spielte sich die disputatio in Rede und Gegenrede ab. Die lectio hatte anfangs einen mehr glossenartigen kompilierenden Cha­ rakter, den sie später unter dem Einfluß der disputatio immer mehr verlor und dafür von der Quästionenform immer größeren Gebrauch machte. Diese Grundformen des Unter­ richts spiegeln sich in zwei äußeren Formen der scholastischen Spekulation wider, in den L ite r a tu r g K ttu n g e n und in der scholastischen Darstellungstechnik. 2. D ie L ite r a tu r g a ttu n g e n . Die Literaturgattungen der scholastischen Philosophie und Theologie nehmen besonders in der entwickelten Scholastik des 13. Jahrhunderts und in der Folgezeit eine reich ab­ wechselnde Gestalt an. I n der Frühscholastik begegnen uns kleinere dialektische Traktate, teils selbständiger Art, teils Erklärungen zur Jsagoge des Porphyrius und zu logischen Schuften des Aristoteles, mitunter auch philosophische Mono­ graphien in Dialogform, wie Anselms Abhandlungen De veritate und De grammatico. Rein philosophische Schriften entstammten namentlich der Schule von Chartres. Sonst sind in der Frühzeit der Scholastik die philosophischen Ge­ danken in vorzugsweise theologischen Werken, in den schon im 12. Jahrhundert sich reich entfaltenden Sentenzen und Summen, in exegetischen Werken, in Kommentaren zu den theologischen Schriften des Boethius usw. untergebracht. Beim Studium der Philosophie der Hochscholastik müssen wir zunächst zu der philosophischen Einleitungsliteratur, zu den Traktaten De divisione, De ortu scientiarum eines Dominikus Gundissalinus, Robert Kilwardby, J o ­ hannes von Dazien usw. greifen, um uns über Umfang, Gliederung und Methode des philosophischen Wissens aufzu-

A llgem eine Charakterzüge der scholastischen Philosophie. 31 klären. Einen Einblick in den Betrieb der Schullogik und oesonders auch Sprachlogik gewährt uns die Literaturgattung der Sophismata (Impossibilia, Insolubilia), Sammlungen logischer und sprachlogischer Übungsaufgaben, wie sie Siger von Courtrai, Bartholomäus v. Brügge, Albert v. Sachsen u. a. geschrieben haben. I n den ganzen Umfang des philo­ sophischen Wissens werden wir durch das Studium der Aristoteleskommentare eines Albertus Magnus, Thomas v. Aquin, Ägidius von Rom, P etrus v. Auvergne, Duns Scotus u. a. eingeführt. Die zahllosen Aristoteleskommentare des 14. und 15. Jahrhunderts eines Walter von Burleigh, Wilhelm von Ockham, Buridanus, Albert v. Sachsen usw. bewegen sich vielfach in selbständiger Fragestellung und ent­ halten eine Fülle eigener und neuer philosophischer Anschau­ ung. Dem Schulgebrauch dienten schon im 13. Jahrhundert hergestellte alphabetische Aristoteleslexika sowie auch zahl­ reiche Auszüge aus dem aristotelischen Schrifttum. Zu dieser philosophischen Kompendienliteratur zählt auch die in den deutschen Stadtschulen des ausgehenden Mittelalters viel­ gebrauchte Philosophia pauperum des A lb e rt von O rla m ünde. Eine umfangreiche, noch ungedruckte selbständige Darstellung der Metaphysik verdanken wir dem Franzis­ kaner T h o m a s v. J o r k (f 1260). Eine gleichfalls selbstän­ dige, einen weiten Umfang des philosophischen Zeitwissens bearbeitende philosophische Leistung ist das auch noch nicht gedruckte Speculum divinorum et naturalium des H einrich B ä te v on M echeln. Ein reiches philosophisches M aterial ist in die großen theo­ logischen Werke, in die zahllosen Kommentare zu den S en ­ tenzen des P etrus Lombardus und in die großen theologi­ schen Summen, namentlich in diejenigen von Thomas von Aquin, Ulrich von Straßburg und Heinrich von Gent hinein­ gearbeitet. M an schrieb damals auch Sum m en vorwiegend

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Die Philosophie der Scholastik.

philosophischen In h alts, wozu die Summa de creaturis Alberts d. Gr., die Summa contra Gentiles des hl. Thomas v. Aquin und eine Robert Grosseteste zugeschriebene Summa philos ophiae zählen. F ü r die Ethik kommen auch dre zahl­ reichen Summae de vitiis et virtutibus in Betracht. Die philosophische Spezialforschung der Hochscholasttk ist in den zahlreichen philosophischen Opuscula des Albertus Magnus, Thomas v. Aquin und seiner ältesten Schule, des Dietrich von Freiberg, Ägidius v. Rom u. a. und ganz be­ sonders auch in der noch umfassenderen Quäsüonenliteratur niedergelegt. Dieselbe gliedert sich in die schon in der aus­ gehenden Frühscholastik (Sim on v. Tournai) entstandenen Quodlibetalia(quaestiones de quolibet) und in die Quaestiones disputatae. Die Quaestiones quodlibetales, von denen die bedeutendsten diejenigen des hl. Thomas v. Aquin, des Heinrich von Gent, Gottfried v. Fontaines, Duns Scotus und Ägidius v. Rom sind, bilden den literarischen Nieder­ schlag der von einem Magister der Theologie zweimal im Jahre (vor Weihnachten und vor Ostern) abgehaltenen Disputationsübungen (disputationes de quolibet), in wel­ chen Fragen aus den mannigfachsten philosophischen und theologischen Gebieten im allgemeinen ohne streng systema­ tische Anordnung pro et contra diskutiert wurden. Die Quaestiones disputatae sind die schriftliche Fixierung der alle acht oder vierzehn Tage von einem Theologieprosessor ab­ gehaltenen Disputationes ordinariae, in denen wichtige, schwierige und zusammenhängende philosophische und theo­ logische Probleme mit der ganzen Gründlichkeit und Tiefe des scholastischen Untersuchens erörtert wurden. Die Quaestiones disputatae eines Thomas von Aquin, Matteo d'Acquasparta, Bernhard v. Trilia, Johannes v. Neapel u. a. sind ausführliche, vollausgereifte, zusammenhängende Dar­ legungen philosophischer und theologischer Hauptfragen. I n

Allgemeine Charakterzüge der scholastischen Philosophie.

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den von Albert d. Gr. und. Thomas v. Aquin beeinflußten Kreisen weist die Quästionenliteratur ein vorwiegend philo­ sophisches Gepräge auf. Die philosophischen Streit-, Zeitund Schulfragen kann man an der Hand polemischer Schriften, z. B. der um die Lehre des hl. Thomas entstandenen Kontro­ versliteratur, kennen lernen. Schließlich hat das philosophische Wissen des Mittelalters namentlich in seinem Zusammenhang mit den naturwissenschaftlichen Kenntnissen auch enzyklo­ pädische Darstellung gefunden, in den Werken De proprietatibus rerum, De naturis rerum des Bartholomäus Anglikus, Thomas v. Cantimpre u. a., im Speculum majus des Vinzenz v. Beauvais, in der Catena entium des Heinrich von Herford. Fast alle diese Literaturgattungen sind aus den Bedürfnissen und Verhältnissen des Unterrichts hervor­ gegangen und tragen deswegen mehr oder minder deutlich auch das Gepräge der Schule an sich. 3. Scholastische D a rs te llu n g s m e th o d e und D a rste llu n g ste c h n ik . Wenn wir die theologische Summa des hl. Thomas v. Aquin oder eine quaestio disputata usw. in die Hand nehmen, sehen wir bei den einzelnen Artikeln folgendes Schema angewendet. Auf die mit „Utrum“ beginnende Überschrift folgen zuerst eine Reihe von Objektionen oder Argumenten, die mit Videtur quod bzw. Videtur quod non eingeführt werden. Hierauf folgen ein oder auch mehrere Gegenargumente unter dem Stichwort: Sed contra. Un­ mittelbar daran reiht sich die eigentliche Problemlösung (Eespondeo dicendum) und deren Begründung, die Responsio principalis oder das corpus articuli, auch solutio ge­ nannt. Den Schluß bildet die Beantwortung der dieser Lösung entgegenstehenden eingangs vorgebrachten Argu­ mente. Dieses stereotype scholastische Schema hat sich aus Grabmann. Geschichte der Philosophie. III. 3

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Die Philosophie der Scholastik.

dem Unterrichtsbetrieb herausgebildet. Abälard hatte in seiner Schrift Sic et non (daher Sic-et-non-Methode) an­ scheinend widersprechende Vätertexte zusammengestellt und in der Einleitung dazu Regeln angegeben, wie diese Dis­ kordanzen namentlich auf dialektischem Wege vereinbart werden können. Doch hat weniger diese Sic-et-non-Methode als vielmehr das Bekanntwerden der aristotelischen Analytica priora et posteriora, Topica und Sophistica in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zur Ausbildung der scholasüschen Disputationsmethode und des scholasüschen Darstellungs­ schemas beigetragen. Während in der Sum m en- und Sentenzenliteratur gegen Ende des 12. und Anfang des 13. Jahrhunderts dieses Schema ein vorwiegend dialektisches Aussehen hat und in der Fülle von Argumenten und Gegen­ argumenten die sachliche Lösung oftmals fast verschwindet, ist in der Hochscholastik bei Bonaventura, Thomas v. Aquin, Matteo d'Acquasparta usw. das Schwergewicht auf eine gut gegliederte und sachlich begründete Lösung im corpus articuli verlegt. I n der Antwort auf die Einwände sind vielfach Nebenbemerkungen untergebracht, welche die Ge­ danken- und Beweisführung des Hauptteiles ergänzen sollen. Übrigens legten die führenden Scholastiker häufig diese uns schwerfällig vorkommende Rüstung ab und bewegten sich in freieren Gedanken- und Beweisführungen. S o Bonaventura in seinem Breviloquium, Thomas in seiner Summa contra Gentiles und in seinen Opuscula, Ulrich v. Straßburg in seiner theologischen Summa usw. Auch die Dialogform wurde in scholastischen und noch mehr in mysüschen Schriften angewendet. Übrigens eigneten der scholastischen D ar­ stellungstechnik, wie auch F r. Paulsen u. a. zugeben, hohe didaktische Vorzüge: Scharfe Problemstellung, eine präzise und klare Beweisführung, Streben nach einer genauen, logisch richtigen Ausdrucksweise usw. Freilich hat auch diese

Allgemeine Charakterzüge der scholastischen Philosophie. 35 Darstellungsmethode besonders in der späteren Scholastik den Rahmen für dialektische Künsteleien und Spitzfindig­ keiten bilden müssen. M it der Darstellungsmethode der Scholastik hängt auch die sprachliche Gestalt, in der die mittelalterliche Philo­ sophie uns entgegentritt, innig zusammen. D as scharfe und impulsive Urteil des Humanismus über die Latinität der aus­ gehenden Scholastik darf nicht verallgemeinert und auf die sprachliche Darstellung der Früh- und Hochscholastik ausge­ dehnt werden. I n Wirklichkeit liest sich das Latein der füh­ renden Denker des 12. und 13. Jahrhunderts ganz gut. E. Norden kann in seiner Geschichte der antiken Kunstprosa Autoren des 12. Jahrhunderts besprechen, die auch als Scholastiker einen guten Namen haben. Was den S til des hl. Thomas v. Aquin betrifft, so ist derselbe schlicht, klar, konzis, ohne rhetorischen Schwung und Schmuck, auf eine lichtvolle und lesbare Darstellung auch der schwierigsten Ge­ dankengänge abgestimmt. Mehr kommen Gemüt und Phan­ tasie in den Schriften Bonaventuras zur Geltung, die nicht selten die glühenden Farben augustinischer Formgebung an sich haben. Übrigens finden sich bei Albert d. Gr., Thomas v. Aquin u. a. Zitate aus antiken Dichtern und Prosaikern, wie überhaupt der humanisüsche Zug in der Scholastik nie erstorben ist. Nicht wenige Scholastiker haben sich auch als lateinische Dichter betätigt, so Hildebert v. Lavardin, Phi­ lipp v. Greve, Thomas v. Aquin, Bonaventura, John Pecham. Der Zusammenhang der scholastischen Sprachform mit der Schule bekundet sich auch in einer bestimmten einheit­ lichen philosophischen Terminologie, die zu einem guten Teil auch in der Philosophie der Neuzeit noch nachklingt und die in der Übertragung der deutschen Mystiker auch den deutschen Sprachschatz bereichert hat.

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D ie Philosophie der Scholastik.

II. Das innere Wesen der Scholastik. 1. A llg e m e in e

G r u n d r ic h tu n g D enkens.

des

scholastischen

Schon die äußere F o rm und Erscheinung der Scholastik hat uns mehrfach auf das innere Wesen, auf den Geist der mittelalterlichen Spekulation hingewiesen. Wenn w ir dieses innere Wesen des scholastischen Denkens tiefer erfassen wollen, müssen w ir zuerst die tr e ib e n d e K r a f t erkennen, welche das mittelalterliche Geistesleben durchhaucht und gestaltet. Erst dann werden w ir imstande sein, die einzelnen Kräfte und Faktoren zu verstehen, aus denen das Werden und das S ein der scholastischen Philosophie begriffen werden kann. Diese treibende G rundkraft ist die theoretische und prak­ tische Erfassung und Bewertung des Diesseits m it a ll seinen In h a lte n und Beziehungen als einer Vorstufe und V o r­ bereitung fü r das Jenseits, ist die tiefchristliche Überzeugung von einem übernatürlichen und überirdischen Menschheits­ ziel. Dieses Jenseitsziel tr it t dem menschlichen Erkennen hienieden in der F o rm übervernünftiger W ahrheiten ent­ gegen, die im Glauben geistig erfaßt werden. Das Seelen­ leben des Menschen w ird fü r dieses Jenseitsziel durch über­ natürliche Gnadenkräfte, die schon hienieden eine Gottes­ gemeinschaft begründen, gestimmt und geordnet. W ie äußert sich nun der E influß einer solch übernatürlichen, zum Jenseits gekehrten Lebensauffassung auf die Gestaltung des philosophischen Denkens? B e i manchen Geistern konnte diese Jenseitsbetonung des Erdenlebens eine Geringschätzung des profanen Wissens und dam it auch der Philosophie her­ vorrufen. B e i anderen hingegen konnte gerade der über­ vernünftige Geheimnischarakter der überlieferten O ffen­ barungslehre den Denktrieb mächtig anregen, zudem die spekulative Bearbeitung der Dogmen durch die Patristik, vor

Allgemeine Charakterzüge der scholastischen Philosophie. 37 allem durch Augustinus zur geistigen Versenkung in die Mysterien des Christentums einlud. Die begeisterte Hingabe an die theologische Spekulation erzeugte naturgemäß auch S in n und Neigung für metaphysische Betrachtungsweise. Eine Wissenschaft vom Übernatürlichen ist nicht möglich ohne eine Wissenschaft vom Übersinnlichen, ohne die Überzeugung von der Möglichkeit der Metaphysik. Die Metaphysik ist der feste Unterbau der spekulativen Theologie und durchherrscht auch den ganzen Tempel der doctrina sacra. Mag auch die Dialektik für die Ordnung und Ausgestaltung einzelner B au­ glieder tätig sein, große Raumwirkung, ein gewaltiger Ge­ samteindruck wird nur von jenen spekulativen Theologen er­ zielt, denen metaphysisches Denken und Können eigen ist. S o ist es denn a priori naheliegend, daß die unter dem Ein­ fluß der auf das Jenseits gerichteten Grundanschauung des Mittelalters entstehende scholastische Philosophie vor allem metaphysisches Gepräge annimmt. Dieser metaphysischen Inspiration von seiten der Theologie, vornehmlich der augustinischen Theologie her verband sich außerdem die Tatsache, daß die Metaphysik des Aristoteles und neuplatonische meta­ physische Schriften in den Gesichtskreis des Abendlandes traten und das Sehnen nach metaphysischer Erkenntnis überreichlich stillten. M it dieser Hingabe an die Metaphysik ist die Richtung auf das Seiende und Gegenständliche, auf das Universelle, auf die quiditas, die durch das Denken aus der konkreten Wirklichkeit abstrahierte Wesenheit und auf reingeistige Inhalte und Werte gegeben. I n diesem Hin­ gegebensein an das Metaphysische und Transzendente kommt das Individuelle und Persönliche nicht in der Weise, wie etwa in der Renaissancephilosophie zur Geltung. Das Konkrete und Individuelle hat nicht den unmittelbaren wissenschaftlichen Wert, der dem Universellen und Ab­ strakten eignet. Und doch findensich unterdenmittelalterlichen

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Die Philosophie der Scholastik.

Denkern scharfgeschnittene Individualitäten und Persön­ lichkeiten. Die Philosophie der Scholastik ist vorzugsweise eine Philosophie des Seins, getragen von der Überzeugung, daß der Menschengeist durch die Erscheinungen hindurch zum Sein und Wesen der Dinge vorzudringen und zuhöchst zum absoluten göttlichen Sein, als dem Urgrund und Endziel des Weltseins, sich zu erheben vermag. Diese allgemeine Grundrichtung und Grundsttmmung des scholastischen Denkens zeigt sich uns klarer, wenn wir im einzelnen die Faktoren und Kräfte, welche den Werdegang der mittelalterlichen Spekulation innerlich bedingt haben, betrachten. Diese Kräfte und Faktoren lassen sich in den folgenden Begriffspaaren aussprechen: auctoritas und ratlo — Theologie und Philosophie — Scholastik und Mystik — Spekulation und empirische Forschung.

2. A u c to ritas und ratio. Auctoritas und ratio sind die Triebfedern der scholastischen Methode. Auctoritas fcefagt die Kirchenlehre, die Aus­ sprüche der Hl. Schrift und die Doktrin der Väter. Aucto­ ritas ist ein Konzilstext, ein Schriftwort, ein Väterzitat. I n späterer Zeit sind auch Sätze von Philosophen, besonders von Aristoteles, den Tabulae auctoritatum einverleibt worden. I n der auctoritas ist das Element des Überlieferten und Feststehenden repräsentiert. Ratio ist die menschliche Ver­ nunft, ist auch die Dialektik und das philosophische Nach­ denken, ist weiter der Vernunftgrund, ist Denkgehalt und Erkenntniswert, das geistig erfaßbare Wesen (elbog) eines Dinges. I n der ratio kommt also das subjektive, das philo­ sophische, spekulative Element, die intellektualistische Physio­ gnomie der Scholastik zur Geltung. Es ist nun von vornherein klar, daß jeder dieser beiden Faktoren des philosophischen Denkens einseitig betont werden kann. Die Überspannung

M g e m e in e Charakterzüge der scholastischen Philosophie.

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der auctoritas führt zu einem hyperkonservativen Traditio­ nalismus, zu bloßem Rezipieren und Kompilieren des Über­ lieferten und Vorgefundenen. Umgekehrt entspringt aus der Übertreibung der ratio, der Dialektik, die Sucht nach Spitzfindigkeiten und Begriffskünstelei, eine Hyperdialektik, welche absolut unhistorisch denkt, das Quellenmaterial nicht sachlich würdigt und die auctoritates zum Gegenstand dialek­ tischer Kunstgriffe macht. Die auctoritas hat hier, wie Alanus de Jnsulis sich ausdrückt, eine wächserne Nase, d. h. sie kann nach verschiedener Richtung gedreht werden. Die eigentlich führenden Scholasüker haben theoretisch und praktisch sich vor solchen Extremen zu bewahren gesucht, bei ihnen hielten auctoritas und ratio sich das Gleichgewicht. Johannes von Salisbury z. B. wertet die auctoritas, die wissenschaftliche Tradition und Kontinuität hoch und beruft sich hierfür auf einen Ausspruch des Bernhard v. Chartres. Derselbe pflegte zu sagen, daß wir Zwerge sind, die auf den Schultern von Riesen stehen. Wenn wir mehr und weiter als diese sehen, so rührt dies nicht von größerer Sehkraft unserer Augen oder von unserer Körpergröße her, sondern es hat dies darin seinen Grund, daß wir durch die Größe des Riesen in die Höhe gehoben werden. Der nämliche Johannes von Salisbury schätzt auch die Macht der ratio, die Dialektik hoch, wenn dieselbe mit den anderen Disziplinen Fühlung hat und inhaltlichen Gesichtspunkten dient: „Wie das Schwert des Herkules in der Hand eines Pygm äen oder Zwerges machtlos ist und wie das gleiche Schwert in der Faust eines Achilles oder Hektor gleich einem Blitze alles niederschlägt, so ist auch die Dialektik, wenn sie der Wucht der anderen Wissenschaften entbehrt, armselig und fast unnütz, während sie, in die wuchtige Hand der anderen Disziplinen gelegt, imstande ist, alle Täuschung und Falschheit zu ver­ nichten."

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Die Philosophie der Scholastik.

Bei Anselm b. Canterbury, Hugo b. S t. Viktor und den Größen der Hochscholastik Albert d. Gr., Thomas b. Aquin usw. stehen auctoritas und ratio nicht bloß nicht gegenein­ ander, sondern greifen ineinander über und fördern sich gegenseitig. Die auctoritas hört unter dem Einfluß der ratio auf, eine bloße Kompilation bon überlieferten Einzelzitaten zu sein, sie gestaltet sich zum zusammenhängenden Studium bon Werken der Kirchenbäter usw. Es ist gerade S in n und Verständnis für das Quellenstudium, das Schöpfen aus den Quellen selbst ein Kennzeichen der Äühenden Scholastik, während Vernachlässigung zusammenhängender Quellen­ studien und das Jagen nach Spitzfindigkeiten an die Verfalls­ zeit der Scholastik gemahnen. I n der Blütezeit der Scho­ lastik hat die auctoritas auch die ratio beeinflußt, sie gab dem spekulatiben Denken reiche neue In h alts und erhob dasselbe bon dialektischer Kleinarbeit zu weitschauender an die Denk­ arbeit der Vergangenheit anknüpfender, born Verständnis für organische Weiterentwicklung der Wissenschaft beseelter Betrachtungsweise. S o spiegelt sich in den Geschicken bon auctoritas und ratio der Aufsüeg und Niedergang der scholastischen Denkarbeit. 3. T h e o lo g ie u n d P h ilo s o p h ie . I n diesem mit auctoritas imb ratio sich innig berührenden Begriffspaar tritt uns das Abhängigkeitsberhältnis der mittel­ alterlichen Philosophie zur Theologie entgegen, das inderbe­ kannten schon bei Philo angedeuteten, bei Johannes b.Damaskus und P etrus Damiani ausgesprochenen Form el: Philosophia est ancilla theologiae seine kürzeste Fassung gefunden hat. Man hat sehrhäufig dieses Abhängigkeitsberhältnis in der Ge­ schichtsschreibung zu sehr unterstrichen und die Philosophie des Mittelalters ganzinderTheologieaufgehenlassen. Die eindrin­ gende geschichtlicheForschunggibtdieserAuffassungnichtrecht.

Allgemeine Charakterzüge der scholastischen Philosophie. 41 Wir gewahren im mittelalterlichen Denken hier zwei extreme Anschauungen und eine Theologie der Vermittlung. Die beiden Extreme sind einerseits Geringschätzung philo­ sophischer Studien und anderseits Überspannung des philo­ sophischen Wissens mit Beeinträchtigung des Glaubens und der Theologie. Das erste Extrem ist im 11. und 12. Ja h r­ hundert durch die Antidialektiker (Othloh b. S t. Emmeram, P etrus Damiani, Manegold b. Lautenbach, Walter b. S t. Viktor, Michael b. Corbeil u. a.) bertreten. Michael b. Corbeil ( | 1199) schreibt: Inutilis inquisitio Studium philosophiae. I m 13. Jahrhundert haben die Spiritualen des Franziskanerordens, Anhänger apokalyptischer Rich­ tungen, z. B. der Arzt Amold b. Villanoba und Franzis­ kanertheologen, welche wie P etru s Johannis Olibi und Serbasanctus in der philosophischen Spekulation wohl zu Hause waren, sich scharf gegen die Philosophie und gegen Aristoteles ausgesprochen. Das andere antitheologische Extrem zeigt sich in der früheren Zeit bei den Hyperdialek­ tikern und im 13. Jahrhundert bei einigen lateinischen Aberroisten der Pariser Artistenfakultät. Diese bekannten sich zu Sätzen, welche zu Dogma und Christentum im Wider­ streit standen, und suchten diesen Konflikt durch die fälschlich Aberroes zugesprochene Lehre bon der doppelten Wahrheit, wonach ein und dasselbe zugleich philosophisch wahr und theologisch falsch sein kann und umgekehrt, auszugleichen. I n diese Linie fällt auch das mehrfach z. B. bei Ramon Lull auftretende Bestreben, die Glaubensgeheimnisse restlos in Vernunftwahrheiten aufzulösen. Zwischen diesen Extremen suchten die führenden Denker der Früh- und Hochscholastik theoretisch und praktisch einen sicheren Mittelweg zu finden und das Verhältnis bon Philo­ sophie und Theologie zu gestalten. Diese Scholastiker - rThomas boran — haben eine Abgrenzung zwischen dem

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Die Philosophie der Scholastik.

philosophischen und theologischen Arbeitsbereich vorgenom­ men und zwischen den Prinzipien, dem Arbeitsgebiet und der Methode beider Wissenschaften scharf unterschieden, wo­ bei sie ihrer Wertschätzung der Vernunft und Philosophie, unbeirrt.durch die Verdächtigungen engherziger Zeitgenossen unverhohlen Ausdruck verliehen haben. Wenn diese Denker der Theologie vor der Philosophie in gemeinsamen Fragen das entscheidende Wort zuteilen und außerdem es für eine ideale Aufgabe der Philosophie hielten, der Glaubenswissen­ schaft ihre Dienste zu leihen, dann waren sie auch hier von Überzeugungen getragen, die der theistischen Philosophie entstammen. Weiterhin darf nicht übersehen werden, daß mit dem An­ wachsen des philosophischen Quellenmaterials in der Scho­ lastik sich das Eigenland rein philosophischer Untersuchungen erweitert hat. I n der Frühschalostik sind im großen und ganzen die philosophischen Gedanken in theologische Werke eingefügt. D as Eintreten des ganzen aristotelischen Schrift­ tums zugleich mit islamitisch-jüdischem und neuplatonischem Material in den Gesichtskreis der Scholastik hatte einen ge­ waltigen Aufschwung philosophischen Interesses, eine mäch­ tige Entfaltung philosophischer Initiative zur Folge. Die Begründung und der Ausbau des scholastischen Aristotelismus durch Albert d. Gr. und Thomas v. Aquin ist eine ausge­ sprochen philosophische Tat. Wäre in den Augen dieser Denker die Philosophie nichts als bloß eine ancilla theologiae, dann wäre es wohl nicht verständlich, wie sie so viel Zeit und Mühe auf die Ausarbeitung ihrer Kommentare zu Aristoteles, auch zu solchen Aristoteleswerken, von denen kein theolo­ gischer Ertrag zu erhoffen war, verwenden konnten. Thomas hat den Satz niedergeschrieben: Nec video, quid pertineat ad fidem, qualiter Philosoph! verba exponantur. Albert und Thomas erscheinen auch im Werturteil ihrer Zeitgenossen

Allgemeine CharakLerzüge der scholastischen Philosophie. 43 als philosophi. I h r Gegner Siger von Brabant schreibt: Praecipui viri in philosophia Albertus et Thomas. Tolomeo v. Lucca feiert Thomas als „Archa philosophiae et theologiaeu. Die wissenschaftliche Einwirkung W e r ts und des Aquinaten ist, wie die großenteils noch ungedruckte Literatur aus ihrem Schülerkreis bezeugt, von vorwiegend philo­ sophischer Art gewesen. Hier zeigt sich die Philosophie auf den weitesten Gebieten als eine selbständige und eigengesetz­ liche Wissenschaft. Nicht mit unmittelbarer theologischer Abzweckung wurde Philosophie in der Artistenfakultät getrieben. Es harrt diese über den Rahmen des theologischen Jnteressenkreises hinausliegenden Philosophie der Artistenfakultät viel­ fach noch der näheren Untersuchung. I m 14. Jahrhundert, da M änner wie Buridanus, Albert v. Sachsen usw. aus­ schließlich philosophische Werke schufen, trat diese Philo­ sophie der Artistenfakultät in den Vordergrund. 4. Scholastik u n d Mystik. Hatte man früher Philosophie und Theologie in der Scho­ lastik so enge zusammengedacht, daß die Philosophie in der Theologie aufging, ihre Selbständigkeit und Eigenart ver­ lor, so war man lange Zeit geneigt, Scholastik und Mystik möglichst weit auseinander zu rücken und in einer gegensätz­ lichen Stellung zu schauen. Die Scholastik M it als blut- und leblose dürre Verstandestat, als unpersönlicher Formalismus und Schablonismus. Hingegen fühlte man in der Mysük das frische Leben persönlichen religiösen Lebens und Er­ lebens pulsieren. Die geschichtliche Forschung hat in dieser Auffassung ein hohes Maß von Konstruktion nachgewiesen und gezeigt, daß Scholastik und Mysük nicht Gegensätze, sondern Korrelate sind. Beide Richtungen begegnen sich auf dem gemeinsamen Boden des religiösen Intellektualismus. „Vita contempla-

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Die Philosophie der Scholastik.

tiva“, bemerkt Thomas v. Aquin, „quantum ad ipsam essentiam pertine t a d in teile ctunV6. I m innersten Wesen sind beide, Scholastik wie Mystik, intellektualisüsch gesümmt. Freilich hält sich die Scholasük in ihrer vollen Entfaltung vorwiegend auf dem Boden des theoretischen und spekulativen Erkennens und Ergründens göttlicher Wahrheit, während die Mystik ein auf einer inneren übernatürlichen Verwandtschaft zum Göttlichen beruhendes, von Liebe durchglühtes, erlebendes Erkennen Gottes und seiner Gegenwart im Innersten der Seele, im Seelengrunde, eine cognit^o Dei experimentalis erstrebt. Die Scholasük ist Lehr- und Lerngut, ihre S tätte ist der Katheder, ihre Form ist mehr verstandesmäßig und unpersönlich, ihr Element ist vor allem Logik und M eta­ physik. Die Mystik ist Zwiegespräch der Seele mit Gott, ihre S tätte ist die stille Klosterzelle, ihre Form besitzt den Reiz des Ursprünglichen und Persönlichen, ihr Element ist der Weg der Seele zu Gott, das „Itinerarium mentis ad

Deum“. Scholastik und Mystik schöpfen auch aus gemeinsamen Quellen. Augusttnus hat beide Gebiete des mittelalterlichen Geisteslebens aufs tiefste beeinflußt. Namentlich sind seine Konfessionen der Jungbrunnen mittelalterlichen mystischen Gottessehnens gewesen. Eine für Scholasük und Mystik gemeinsame Auktorität war der Pseudo-Areopagite. Die Zusammensümmung von Scholasük und Mystik zeigt sich auch darin, daß beide Richtungen oft in einer Person zu­ sammenfließen, ohne die Einheit des Seelenlebens zu stören. Anselm v. Canterbury, Hugo und Richard v. S t. Viktor, Bonaventura vereinigen so in sich geniale Spekulation und mysüsche Innigkeit. Thomas v. Aquin hat seiner theolo­ gischen Summa die für die Folgezeit maßgebende Theorie der mysüschen Beschauung eingeflochten und hat namentlich die um Johannes v. Kreuz und Teresa sich gruppierende

Allgemeine Charakterzüge der scholastischen Philosophie.

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spanische Mystik des 16. und 17. Jahrhundert philosophisch und theologisch beeinflußt. Die deutsche Mystik ist zu aller­ erst von der neuplatonisch orientierten Scholastik Alberts d. Gr. und Ulrichs v. Straßburg ausgegangen. Eine erst aus den Nebeln der Vergangenheit und Vergessenheit wieder emportauchende Gestalt ist J o h a n n e s v. Kastl (ca. 1400), der Verfasser des bisher Albert d. Gr. zugeteilten ergreifen­ den mystischen Büchleins De adhaerendo Deo, der in seinem Schrifttum den Zusammenklang von thomistischer Scholastik und zartinniger Mystik darstellt. Die Quellenanalyse hat bei den deutschen Mystikern bei Eckhart, Tauler, Heinrich Seuse auf scholastischen Grund geführt. Johannes v. S tern ­ gassen hat einen Sentenzenkommentar, Nikolaus v. S traß ­ burg eine vom Vers, kürzlich entdeckte philosophische Summe geschrieben. Mystik und Scholastik haben sich auch gegenseitig beein­ flußt, sie standen im Wechselverkehr des Gebens und Emp­ fangend Die Mystik verdankt der Scholastik inhaltliche Motive, die Gedanken der Gotteslehre, die Grundlehren der Psychologie und Ethik. S ie nimmt, wie dies im 16. Jahrhundert bei Johannes von Kreuz sich besonders zeigt, auch Aussprüche des Aristoteles herüber. Umgekehrt hat auch die Mystik auf den Entwicklungsgang der Scholastik fördernd eingewirkt. S ie hat übertriebener Dialektik ent­ gegengearbeitet, inhaltliche und sachliche Gesichtspunkte be­ tont, organische Zusammenhänge der Erkenntnisse angestrebt, sie ist für augustinische Ideen und Weitblicke eingetreten. I n formaler Hinsicht hat sie Gemüt und Phantasie in der scholastischen Arbeitsweise Einlaß verschafft, durch persönliche und psychologische Züge das dialektisch-metaphysische Antlitz der Scholastik belebt. M an wird die mittelalterliche Philo­ sophie und Theologie nicht ganz verstehen können, wenn man ihre Zusammenhänge mit der Mystik übersieht.

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Die Philosophie der Scholastik. 5. S cholastik u n d N a t u r w i s s e n s c h a f t .

Gegen die mittelalterliche Philosophie wurde und wird oft geltend gemacht, daß ihr der S in n für das Wirkliche und T a t­ sächliche im Naturgeschehen und im Seelenleben fehlte und daß das unvollkommene und unrichtige N atur- und Weltbild auch die philosophische Weltansicht beeinträchtigen, ja ein eigentlich ergebnisreiches, neue Erkenntnisse erschließendes Philosophieren hemmen mußte. Is t dem wirklich so? Vor allem darf m an den Einfluß der Unkenntnis des Scholastikers in naturwissenschaftlichen Dingen, wenn sie wirklich in diesem M aße vorhanden gewesen wäre, auf das philosophische Denken nicht überschätzen. E s gibt ja weite Gebiete des philosophischen Denkens der Logik, Erkenntnislehre, M etaphysikundEthik,aufdenenohnenaturwissenschaftlicheSpezialkenntnisse W ertvolles geleistet werden kann und schon in der griechischen Philosophie W ertvolles geleistet worden ist. D as M tte la lte r hat bei den dam aligen naturwissenschaftlichen Kenntnissen und technischen M itteln die gewaltigen Dome m it ihrer Gesetzmäßigkeit und ewigen D auer geschaffen, dasselbe M ittelalter w ar auch imstande, auf logische und metaphysische, auf psychologische und ethische Problem e sich erfolgreich zu besinnen. Außerdem zeigt die geschichtliche Erforschung des M ittel­ alters im m er mehr, daß die naturwissenschaftlichen K ennt­ nisse der Scholastiker keineswegs so gering w aren, als vielfach behauptet wird. W enn m an das gedruckte und ungedruckte Q uellenm aterial überschaut, gew ahrt m an durch die ganze Scholastik hindurch einen Z ug zu naturphilosophischen B e­ trachtungen und naturwissenschaftlichen S tudien. Die mathematischen und naturwissenschaftlichen Schriften der Antike und der A raber wurden m it großem Eifer studiert. Aristoteles hat den für das philosophische Denken, für eine induktive Metaphysik so grundlegenden S in n für die Er-

Allgemeine Charakterzüge der scholastischen Philosophie.

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fahrung und das Tatsächliche angeregt und genährt und aprioristische Konstruktionen, wie solche auch im Zeitalter blühender Naturwissenschaft möglich sind, hintangehalten. Auch in der Verbindung mit neuplatonischer Metaphysik zeigten sich lebhafte naturwissenschaftliche Neigungen. Man interessierte sich mit den damaligen Hilfsmitteln für anato­ mische Fragen, welche für die Sinnesphysiologie und über­ haupt für die körperliche Seite psychischer Vorgänge von Bedeutung erschienen. Die Forschungen Sudhoffs und seiner Schule zur Geschichte der mittelalterlichen Medizin bringen in diese Seite des mittelalterlichen Wissens neues Licht. Psychologischen Zwecken dienten auch die zahlreichen, von Alhazen beeinflußten Werke über Optik aus der Feder von Scholastikern, z. B. von Robert Grosseteste, Witelo, John Pecham, Dietrich von Freiberg und Roger Bacon. Die neueste Geschichtsschreibung der Naturwissenschaften, besonders die neue Quellen erschließenden Forschungen von P . Duhem haben über das naturwissenschaftliche Erkennen und Können der Scholastik überraschende Mitteilungen ge­ macht. A lb e rt d. Gr. erscheint im Lichte der Quellenstudien immer mehr als selbständiger Beobachter des Naturgeschehens. I n der Zoologie hat er, wie aus H- Stadlers Edition des Autographs von W e r ts Tiergeschichte deutlich ersehen wer­ den kann, sich, wo es nur immer ging, auf eigene Beobachtung gestützt. Ähnliches läßt sich auch von der Botanik und Geo­ logie sagen. P . Duhem rühmt ihm gerade auf geologischem Gebiete eine Fülle von selbständigen, oft sehr scharfen und richtigen Beobachtungen nach. Von P e t r u s P e r e g r in u s de M a r ic o u r t besitzen wir eine Abhandlung in Briefform über den Magnet mit Darlegungen über die experimentellen Methoden. Die Leistungen des von ihm beeinflußten R o g e r B a c o n , der über Mathematik und Astronomie, über Ver­ besserung des julianischen Kalenders, über Geographie, über

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Die Philosophie der Scholastik.

Opük usw. gearbeitet und in der scientia experimentale, im Experiment das Fortschrittsprinzip der Naturwissenschaft gesehen, sind auch früher schon gekannt und geschätzt worden. P . Duhem hat weiterhin die überraschende Feststellung ge­ macht, daß die Scholasüker des 14. Jahrhunderts an der Pariser Universität die Mechanik des Galilei und das kopernikanische Weltsystem antizipiert haben. Es hat schon Thomas v. Aquin bezüglich des ptolemäischen Weltsystems den S tand­ punkt vertreten: Die Hypothesen, welche ein astronomisches System tragen, verwandeln sich dadurch, daß ihre Konse­ quenzen mit den Beobachtungen übereinstimmen, noch nicht in demonstrierte Wahrheiten. F r a n z v. M a y r o n is be­ richtet in seinem 1322 geschriebenen Sentenzenkommentar, daß ein Pariser Professor, den er nicht nennt, die Erdbewegung und die Ruhe des Himmels als die bessere Hypothese be­ zeichnet. N ik o la u s v. O re s m e (t 1382), der auch als Nationalökonom bedeutend war, hat die Lehre von der täg­ lichen Bewegung der Erde und der Ruhe des Himmels mit einer Klarheit und Sicherheit begründet, wie dies nach Duhems Urteil später nicht einmal Kopernikus getan hat. Nikolaus v. Oresme hat auch die Koordinatengeometrie und die analytische Geometrie erdacht und längst vor Galilei das Fallgesetz ausgesprochen. Eine Abkehr von den alten Vor­ stellungen über Dynamik und Astronomie bedeutet auch die Impetus-Theorie des B u r i d a n u s und A lb e r t v. S ach sen , in welcher die aristotelisch-arabische Vorstellung von höheren Geistwesen alsBewegern derHimmelssphären aufgegeben und dafür die physikalische Theorie des Kraftantriebes gesetzt ist.

III. Die Quellen der scholastischen Philosophie. F ü r den Entwicklungsgang und die Ausgestaltung der scholastischen Philosophie ist das Zuströmen neuer Quellen ein bestimmender Faktor gewesen. Wachstum und Lebens-

Allgemeine Charakterzüge der scholastischen Philosophie.

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fülle des mittelalterlichen Denkens ist durch die Assimilation neuerschlossener Materialien bedingt. Das philosophische Quellenmaterial, die wachsende philosophische Bibliothek der Scholastik können wir in drei Gruppen einteilen: I n das aristotelische Schrifttum in Verbindung mit der Philosophie des Islam s und des Judentum s, in die platonische bzw. neu­ platonische, Literatur und in die puristischen Quellen. 1. D a s aristotelische S c h r if ttu m in V e rb in d u n g m it d e r arabisch-jüdischen P h ilo s o p h ie . Der Scho­ lastik war bis gegen die Mitte des 12. Jahrhunderts nur die boethianische Aristotelesüberlieferung zugänglich. Dieselbe setzte sich aus der Jsagoge des Porphyrius, aus den Kate­ gorien und Perihermeneias (in der Übersetzung und Er­ klärung des Boethius) und aus den boethianischen Traktaten: De divisione und De differentiis topicis zusammen. Alle diese logischen Schriften und dazu noch der Liber sex principiorum des Gilbert de la Porree wurden später als logica vetus zusammengefaßt. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts wurden in lateinischer Übersetzung die logischentzauptschriften des Stagiriten: Die beiden Analytiken, die- Topik und die Sophisük bekannt, welche als Logica nova zusammengefaßt wurden. Die wichtigste Zäsur im Werdegang der mittel­ alterlichen Philosophie ist das Bekanntwerden auch der an­ deren Werke des Aristoteles in lateinischen Übersetzungen teils aus dem Griechischen, teils aus dem Arabischen. Das Zentrum der Übersetzung aristotelischer und auch arabisch­ jüdischer Schriften aus dem Arabischen war die Übersetzer­ schule von Toledo (seit Mitte des 12. Jahrhunderts), deren Hauptvertreter D o m in ik u s G u n d is s a lin u s , J o h a n n e s H is p a n u s , G e rh a rd von C re m o n a im 12. Jahrhundert waren. I m 13. Jahrhundert fertigten M ichael S c o t t u s und H e rm a n n d e r D eutsche arabisch-lateinische Übersetzungen an. Übersetzungen aus dem Griechischen ins Lateinische Gr a b ma n n , Geschichte der Philosophie. III.

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fertigten in U nteritalien bzw. S izilien H e n r ik u s A r i s tip p u s v o n C a t a n i a (f 1162) und um die M itte des 13. Jahrhunderts B a r t h o l o m ä u s v o n M e s s in a an. W eiterhin haben im 13. Jah rhundert sich R o b e r t G ro s s e te s te u n d W ilh e lrn v .M o e r b e k e als Übersetzer griechischer Werke hervorgetan. S o wurden denn in rascher Folge fast sämtliche aristote­ lische Schriften in lateinischem Sprachgew ande der Scholasük erschlossen. Die Metaphysik wurde zuerst wohl noch im 12. Jah rhundert in einer griechisch-lateinischen Teilüber­ setzung (Metaphysica vetus), dann in arabisch-lateinischer Übersetzung in 11 Büchern (Metaphysica nova) und schließ­ lich in einer griechisch-lateinischen Gesamtübersetzung, die von Wilhelm v. Moerbeke stammen wird, zugänglich. Die drei Bücher De anima und die Parva naturalia w aren gleich­ falls in griechisch-lateinischen (schon vor 1215) und arabisch­ lateinischen Übersetzungen bekannt. D ie Physik (wie auch De caelo et mundo, De generatione et corruptione) w ar schon von G erhard v. Crem ona (f 1187) aus dem Arabischen ins Lateinische übertragen worden, wozu sich auch (noch vor 1215) eine griechisch-lateinische Ü bertragung gesellte. S p ä te r hat dann Michael S co ttu s die Physik, De caelo et mundo, De anima m it Kom m entaren des Averroes, sowie auch De animalibus wieder aus dem Arabischen ins Lateinische über­ setzt. Die Tiergeschichte wurde 1260 von W ilhelm v. M oer­ beke aus dem Griechischen in s Lateinische übersetzt. D as 4. Buch der Meteorologica hatte schon Henrikus Aristippus aus dem Griechischen übertragen, der vielleicht auch ein Fragm ent der Physik übersetzt hat. Die drei ersten Bücher der Meteorologica wurden von G erhard v. Crem ona aus dem Arabischen in s Lateinische übertragen, später folgte eine griechisch-lateinische Version dieses ganzen Werkes. Die pseudo-aristotelische Schrift De vegetabilibus benutzte die

Allgemeine Charakterzüge der scholastischen Philosophie. 51 Scholasük in der arabisch-lateinischen Übersetzung des Alfredus Anglikus. Von der nikomachischen Ethik waren dem beginnenden 13. Jahrhundert zuerst das 2. und 3. Buch (Ethica vetus) und dann das 1. Buch (Ethica nova) in griechisch-lateinischer Übersetzung bekannt. Aus dem Arabi­ schen übersetzte Hermanus Alemannus (j 1272) im Jahre 1240 die Ethikparaphrase des Averroes, im Jahre 1243 die Summa Alexandrinorum, einen Auszug aus der nikomachi­ schen Ethik und des Averroes Bearbeitungen der aristoteli­ schen Rhetorik (1254) und Poetik. Die ganze nikomachische Ethik wurde um die Mitte des 13. Jahrhunderts wahrschein­ licher durch Robert Grosseteste als durch Wilhelm v. Moerbeke aus dem Griechischen ins Lateinische übertragen. Wilhelm v. Moerbeke hat die Rhetorik und Politik aus dem griechischen Original übersetzt und auch frühere griechisch­ lateinische Übersetzungen revidiert. Bartholomäus von Messina hat unter König Manfred von Sizilien (1258 bis 1260) die Magna Moralia und dazu die Problemata, Physiognomica und kleinere unter des Aristoteles Namen gehende Schriften aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzt. D u r a n d u s v. A u v e r g n e übertrug 1295 die Oeeonorniea, von der es wie auch von der Rhetorik noch eine zweite gleich­ falls griechisch-lateinische Übersetzung gab. Die griechisch­ lateinischen Übersetzungen des aristotelischen Schriftenkreises bilden demgemäß eine viel ältere und umfassendere Phase der Aristotelesrezeption, als man früher annahm. Zugleich wurden auch die Werke der Philosophie des Islam s (Alfarabi, Algazel, Avicenna, Averroes usw.) wie auch die jüdische philosophische Literatur (Israeli, Avencebrol, Moses Maimonides) im lateinischen Sprachgewande Gemeingut des scholastischen Denkens. Weiterhin standen der Hochscholasük auch griechische Aristoteleskommentare des Themisüus, Eustratius, Johannes Philoponus und Simplicius (von 4*

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Die Philosophie der Scholastik.

letzterem übersetzte Wilhelm v. Moerbeke 1266 den Kommen­ tar zu den Kategorien, 1272 denjenigen zu v e caelo et mundo) in Übersetzungen zur Verfügung. Dazu kommt noch ein reiches Material mathematischer, naturwissenschaftlicher und medizinischer Schriften der Griechen (Euklid, Ptolemäus, Galen) und Araber. 2. D ie p la to n isc h e n bzw. n e u p la to n is c h e n Q u e lle n . Von platonischen Schriften waren der Scholasttk die beiden Dialoge Timäus (Übersetzung und Kpmmentar desChalcidius), Phädon und Menon (beide von Henrikus Aristippus übertragen) bekannt. Platonische Gedanken wurden auch durch den dem Apulejus zugeeigneten Dialog Asklepius, durch den Kommentar des Makrobius zu Ciceros Somnium Scipionis, durch Nemesius (Über die N atur des Menschen), auch durch Boethius an die Scholastik vermittelt. Neuplato­ nische Quellen flössen im Schrifttum des Pseudo-Areopagiten (zuerst von Skotus Eriugena, dann von Johannes Saracenus und Robert Grosseteste übersetzt), im über de causis, den schon Thomas v. Aquin als ein Exzerpt aus der IroixeiuKTig 6eoXoYtKri des Proklus erkannt hat, und in diesem Werk des P ro ­ klusselbst, dasvonWilhelmv.Moerbeke(1268) übersetzt worden war. Dieser Übersetzer übertrug später noch kleinere Schriften des Proklus, dieses Scholasükers des Neuplatonismus. Die neuplatonisch gerichtete sog. Theologie des Aristoteles, welche schon Ende des 12. Jahrhunderts aus dem Arabischen über­ tragen worden war, wurde in der Scholastik wenig benutzt. Auch aus der islamitischen und jüdischen Philosophie, beson­ ders aus Avicenna und Avencebrol, kamen neuplatonische Motive in den scholastischen Gedankenbau. 3. D ie p atristisch en Q u e lle n . Der patristische Einfluß auf die mittelalterliche Philosophie ist gleichbedeutend mit dem Fortleben und Fortwirken Augustins im Mittelalter. F ü r die Psychologie der Scholastik ist Johannes v. Damaskus

Allgemeine Charakterzüge der scholastischen Philosophie. 53 verwertet worden, dessen Werk De fide orthodoxa in meh­ reren Übersetzungen (zuerst von Burgundio v. Pisa 1151, dann auch von Robert Grosseteste) zugänglich war. Dies in kurzer Übersicht das Hauptquellenmaterial der scholastischen Philosophie, an das wir auch noch die Schriften lateinischer Klassiker (Cicero, Seneca usw.) reihen könnten. Stellen wir uns nunmehr die Frage: Nach welcher Rich­ tung haben diese Qellenmaterialien auf die Entwicklung und den In h alt des philosophischen Denkens der Scholastik ein­ gewirkt? Um an erste Stelle den aristotelischen Einfluß zu setzen, so wurde im 12. Jahrhundert, auch noch bei Alanus de Insults, Plato höher gewertet als Aristoteles. Das Eintreten des ganzen Aristoteles in den scholastischen Gedankenkreis bahnte einen Umschwung des Werturteils zugunsten des Aristoteles an. Doch vollzog sich die A ris to te le s re z e p tio n im 13. J a h r h u n d e r t nicht ohne Hindernisse. Nachdem in Paris schon vor 1210 die aristotelischen Bücher: „De naturali philosophia“ verboten worden waren, wurde 1210 auf einem Pariser Provinzialkonzil die Lektüre dieser aristote­ lischen Schriften auf drei Jahre verboten. I m Jahre 1215 erließ der päpstliche Legat Kardinal Robert v. Couryon in P aris das Verbot: non legantur libri Aristotelis de metaphysica et de naturali philosophia. Diese Aristotelesverbote hingen mit der gleichzeitigen Verurteilung der anttkirchlichen pantheistischen Lehren des Amalrich v. Bennes und David v. Dinant zusammen. Gregor IX. verordnete 1231 die Fort­ dauer dieses Aristotelesverbotes bis zum Abschluß einer Durchprüfung dieser Aristotelesschriften durch sachverstän­ dige Theologen. Diese Durchprüfung führte zu keinem ab­ schließenden Resultat. Inzwischen hatte trotz dieser Verbote das neue aristotelische und auch arabische Quellenmaterial in den Schriften der Pariser Professoren Verwertung

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gefunden. I m Jahre 1255 ist von der Pariser Artistenfakultät ein Lektionsplan über sämtliche damals bekannte aristotelische Schriften offiziell aufgestellt worden. Wenn Urban IV. 1263 das Aristotelesverbot Gregors IX. erneuerte, so hatte er hier wohl nur den lateinischen Averroismus an der Pariser Hoch­ schule im Auge. Wie hätten sonst gleichzeitig am päpstlichen Hofe Thomas v. Aquin und Wilhelm v. Moerbeke umfassen­ den aristotelischen Studien sich hingeben und Albert d. Gr. seine umfassende Bearbeitung der aristotelischen Schriften im weitesten Umfange vornehmen können? I m Jahre 1366 stellten die Legaten Urbans V. in P aris die Forderung, daß für das Lizentiat in der Artistenfakultät das Studium des ganzen Aristoteles unerläßliche Bedingung sei. Die Aufnahme der Werke des Aristoteles in den Gelehrten­ kreisen des 13. Jahrhunderts wird später bei der Kennzeich­ nung der einzelnen philosophischen Richtungen zu bestimmen sein. Hier nur ein Wort über die Fülle neuer Gesichtspunkte und philosophischer Denkinhalte, welche der neuerschlossene Aristoteles dem 13. Jahrhundert darbieten konnte. Hatte schon das Bekanntwerden des ganzen Organon in mehr for­ maler Hinsicht die Disputationsmethode und scholastische Darstellungstechnik neugestaltend beeinflußt, dann mußte noch mehr die aristotelische Metaphysik, Physik, Psychologie, Ethik, Politik usw. in sachlicher Hinsicht das scholastische Denken auf neue Bahnen führen. Der Scholastik des 13. Jah r­ hunderts stellte sich die aristotelische Seinslehre zur Ver­ fügung. M e Theorien über die Bedeutungen des Seienden, über Potenz und Akt, über Substanz und Akzidenz, die Ur­ sachenlehre, die Bewegungslehre, die Lehre von Zeit und Raum, von Materie und Form usw., wie viel neue Ge­ danken erschloß dies alles der scholasüschen Spekulation des 13. Jahrhunderts! Die Lehre vom unbewegten Beweger, dem reinste Aktualität, Jm m aterialität und denkende Geistig-

Allgemeine Charakterzüge der scholastischen Philosophie.

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feit zukommt, mußte auch die scholastische Gotteslehre be­ einflussen. Nehmen wir dazu noch den aristotelischen Lebens­ und Seelenbegriff, die Darstellung der Seelenvermögen und ihrer Betätigung, die aristotelische Glückseligkeitslehre, die Einteilung der Tugenden, seine Gesellschaft- und Staatslehre, dann haben wir bloß Namen eingeführt, von denen ein jeder eine Unsumme von philosophischen Einwirkungen uns kündet. Wie sehr dieser Einfluß auch auf das theologische Gebiet dort, wo Zusammenhänge mit metaphysischen, psychologischen und ethischen Fragen bestehen, übergriff, ergibt sich aus einem Vergleich der theologischen Summa des hl. Thomas mit einer der vielen ungedruckten Sum m en des beginnenden 13. Jahrhunderts aufs augenscheinlichste. M an würde indes die Verhältnisse nicht richtig beurteilen, wenn man der Scholastik des 13. Jahrhunderts eine blinde und urteilslose Hingabe an die Lehren des Aristoteles, des Philosophus, wie er kurzweg heißt, zuschreiben würde. Auf dem Bilde der Hochscholastik und auch der späteren Scholasük gewahren wir auch die Einträge nichtaristotelischer Einflüsse und die selb­ ständige Hand der mittelalterlichen Denker. Die Philosophie des 13. und 14. Jahrhunderts ist keine bloße Aristoteleskopie. Im m er mehr enthüllt sich uns die Einwirkung neuplato­ nischer Gedankenelemente auf die Scholastik. I n den Lehren der Scholastiker über die Wege der Gotteserkenntnis und Gottesbenennung, über die Ausgießung der göttlichen Güte über die Geschöpfe über den Begriff des Guten und Schönen, über die Stufenordnung der Wesen und den Zusammenhang und Zusammenklang in der Natur, in der von vielen Scho­ lastikern übernommenen Lichtmetaphysik, in der Lehre man­ ches Scholastikers vom Ausfluß der Geschöpfe aus der ersten Ursache, von den über den Menschen stehenden Intelligenzen usw., in all dem erkennen wir Ausstrahlungen neuplato­ nischer Philosophie. Auch Elemente des platonisierenden

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Die Philosophie der Scholastik.

Neupythagoreismus entdeckt das suchende Auge am Gewebe der mittelalterlichen Philosophie. Während die Einflußsphäre des Aristoteles und auch des Neuplatonismus hauptsächlich die Hochscholastik in sich be­ greift, hat A u g u stin u s auf die Frühscholastik fast ausschließ­ lich und auf die Hochscholastik auch noch in hohem Maße ein­ gewirkt. Augusünus war wirklich für die Scholastik, wie Johannes b. Salisbury sich ausdrückt: Doctor ille ecclesiae, cujus nemo satis memor esse potest. Augusünus hat zunächst in mehr methodischer Hinsicht die wissenschaftliche Auffassung des Mittelalters bestimmt und sodann auch einen reichen Schatz von Gedanken der Scholastik dargeboten. I n ersterer Hinsicht hat seine Verwertung der Dialektik und des Platonism us bzw. Neuplatonismus in der Theologie für das Mittelalter die Pflege profaner philo­ sophischer Studien autorisiert. D as Zentralproblem der mit­ telalterlichen Spekulation, die Frage nach dem Verhältnis von Glauben und Wissen ist von Augusünus in maßgebender Weise gelöst worden. D as: Credo, ut intelligam Anselms v.Canterbury ist der Nachhall der augusünischen: Intellige, ut credas, crede, ut intelligas. D as Wissen geht dem Glauben voran. Der Mensch muß zuerst wissen, daßGottgeoffenbarthat, und nimmt erst dann den Offenbarungsinhalt gläubig an. D as Wissen folgt auch auf den Glauben, insofern der Menschen­ geist sich in die Glaubenswahrheit versenkt und sie tiefer zu ergründen sich müht. Auch die Persönlichkeit Augustins hat auf viele scholastische Denker eindrucksvoll gewirkt, wenn auch seine Gedankenwelt nicht als Persönlichkeitsphilosophie, son­ dern in mehr lehrhafter Form vom Mittelalter aufgefaßt wurde. D as Wahrheitssehnen Augustins, der unwidersteh­ liche Zug zu Gott hin, seine theozentrische Weltanschauung, hat mittelalterliche Denker mächtig ergriffen und sott« gerissen. Wenn wir in der Scholastik subjektive und psycho-

Allgemeine Charakterzüge der scholastischen Philosophie. 57 logische Züge wahrnehmen und auf uns wirken lassen, so danken wir dies dem Nachwirken Augustins, des größten christlichen Psychologen. Augusttnus hatte auch in inhaltlicher Hinsicht der scholasti­ schen Philosophie viel zu sagen. Der Ausgangspunkt der augustinischen Philosophie, die Lehre von der Gewißheit der Bewußtseinstatsachen und des eigenen Ich fand, in der Scholastik, da der Gegensatz des Skeptizismus sich nicht mächtiger regte, weniger Verwertung und Fortbildung. Der augusttnische Gedanke von ewigen un­ veränderlichen und notwendigen Wahrheiten als den Weg­ weisern zu Gott (noetischer Gottesbeweis), und von der Ver­ ankerung alles Wahrheitserkennens in Gott, seine Lehre von den göttlichen Ideen fanden in der Scholastik allgemeine Auf­ nahme. Hingegen wurde seine Jlluminationstheorie, seine Lehre vom Schauen der höchsten ewigen, unwandelbaren Wahrheiten in rationibus aeternis, in ihrer Eigenart nur in der Franziskanerschule des 13. Jahrhunderts und damit ver­ wandten augustinisch gerichteten Kreisen übernommen und weitergebildet. I n den gleichen Schulen hat auch Augustins Lehre von den rationes seminales, von der schöpferischen Ein­ senkung von Keimkräften, von Entwicklungsprinzipien in die von Gott geschaffene Urmaterie, aus denen die empirische Weltwirklichkeit sich entwickelt hat, eine Aufnahme gefunden. Augustins Metaphysik, seine Gottesbeweise, außer dem noetischen, besonders derjenige von den Stufen der Vollkommen­ heit, seine Darlegungen über Gottes Wesen und Vollkommen­ heiten, von des Menschen Gottesebenbildlichkeit, haben auf die ganze, auch auf die aristotelisch gestimmte Scholastik, einen tiefgehenden Einfluß ausgeübt. Seine Psychologie war die Psychologie der Frühscholastik und hat der Seelenlehre der Franziskanerschule des 13. Jahrhunderts das vorherrschende Gepräge verliehen, und auch in der aristotelisch eingestellten

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Die Philosophie der Scholastik.

Psychologie W e r t s und des Aquinaten eine vielfache V er­ w ertung gefunden. I n der Ethik und Rechtsphilosophie der Scholasük herrscht Augustins Lehre von der lex aeterna. Es erübrigt noch, auf die historische Bedeutung, welche Augustins Auffassung von Christentum, Kirche und S ta a t auf die m ittel­ alterliche Weltanschauung hatten, hinzuweisen, um dam it diese andeutungsweise Zusammenfassung augustinischer Kräfte im scholastischen Denken abzuschließen.

2. K a p ite l.

Der Entwicklungsgang der mittelalterlichen Philosophie in der Früh- und Hochscholastik. I. Die Frühscholastik. Die Jahrhunderte vom A usgang der V äterzeit bis Anselm D Canterbury, die m an als Vorscholasük bezeichnen kann, sind eine Periode der Rezeptivität, der Florilegien- und Exzerptenliteratur, der Überlieferung patristischer M aterialien gewesen, sie besitzen keine eigentlich philosophische Physio­ gnomie. Die philosophische B etätigung beschränkt sich im ganzen und großen auf die Schuldialektik. A lc h w in e (f 804) hat einen auf Augustin und Cassiodor fußenden Abriß der Psychologie geschrieben. Einen philosophischen Einschlag weisen die theologischen Schriften des R a t r a m n u s ( | nach 868) auf. A us dieser Einförmigkeit des wissenschaftlichen Arbeitens ragt im 9. Jah rh u n d ert die Denkergestalt des J o h a n n e s S c o t u s ( S c o t t u s ) E r i u g e n a ( | nach 870) empor. E r hat durch seine lateinische Übertragung des Pseudo-Areopagita neuplatonische Gedanken an das Abend­ land verm ittelt, er hat durch seine Glossen zu den theologischen Schriften des B oethius die scholastische Arbeitsmethode an-

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bahnen helfen, er hat in seinem Werke De divisione naturae ein originelles philosophisch-theologisches System, eine speku­ lative Verbindung von Neuplatonismus und christlicher Glaubenslehre geschaffen. Es hat dieses idealistische System pantheistischen oder doch semipantheistischen Charakter. Gott ist das Wesen von allem. Durch eine Reihe substantialer Emanationen gibt Gott allen Dingen das Sein. Die erste Stufe ist die natura creans et increata, nämlich Gott in seinem unergründbaren Sein. Gott erkennt in sich die causae primordiales, die Urgründe der Dinge, er entwickelt sich selbst in seinem Erkennen (natura creans creata). Diese Urgründe alles Seienden entfalten sich aus Gott heraus zu der Ge­ samtheit der in Zeit und Raum sich befindenden Dinge (natura creata nec creans). Alles Seiende, das körperliche wie geistige, ist eine Theophanie, eine Ausstrahlung der gött­ lichen Substanz. Schließlich mündet der Weltlauf wieder in Gott ein, kehrt die Welt in Gott zurück, wird mit Gott wieder eins, wird vergöttlicht (natura nec creata nec creans). Das Werk De divisione naturae wirkte auch in der folgenden Scholastik fort, so in der Clavis physicae- des H o n o riu s v. A u g u sto d u n u m , bei A la n u s d e J n s u l i s und G a r n ie r v o n R o c h e fo rtim 12. Jahrhundert, zu Beginn des IZ.Jahrhunderts bei S im o n von T o u rn a i. Sein monisüscher Grundgedanke fand einen verstärkten Widerhall bei A m alrich v. B e n n e s und den Amalrikanern und bei D a v id von D in a n t an der Neige des 12. Jahrhunderts. I m wissenschaftsarmen 10. Jahrhundert war G e r b e r t v. A u rilla c (f 1003 als Papst Silvester II.) ein anregender Lehrer und angesehener Schriftsteller in den Fächern des Triviums und Quadriviums. I n deutschen Landen übertrug N o tk er L ab eo in S t. Gallen (f 1022) des Boethius Consolatio philosophiae und lateinische Übersetzungen der aristote­ lischen Kategorien und Perihermeneias ins Deutsche. Das

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11. Jahrhundert ist durch den Gegensatz zwischen Dialektikern und Antidialektikern gekennzeichnet. Die Überspannung der Dialektik auf profanem Gebiet (A nselm d e r P e r i p a t e tiker) und noch mehr auf dem Glaubensgebiet (B e re n g a r v. T o u r s und der Abendmahlsstreit) rief eine teilweise dia­ lektikfeindliche Reaktion der konservativen monastischen Kreise (O th lo h v. S t . E m m e ra m , P e t r u s D a m ia n i, M a n e g o ld v. L au ten b ach ) hervor. Einen Mittelweg suchten W ilh e lm v. H irschau (f VL091) und L a n fra n c (f 1089), der Lehrer Anselms v. Canterbury, einzuhalten. Gegen Ende des 11. Jahrhunderts machte sich ein Sehnen nach dem Ewigen und Göttlichen bemerkbar, das in den Kreuzzügen seine welthistorische Kundgebung gefunden hat. Gleichzeitig erwuchs auch eine Renaissance des wissenschaft­ lichen Lebens, es brach jetzt die eigentliche Scholastik an. Frankreich, die Heimat der Kreuzzugsidee und der Gotik, ist auch der fruchtbare Boden dieser wissenschaftlichen Renais­ sance gewesen. Die Scholastik des 12. Jahrhunderts, die man als Frühscholastik bezeichnet, ist die Zeit der Anbahnung und Vorbereitung der entwickelten Scholastik des 13. Ja h r­ hunderts, der Hochscholastik. Der Vater der Scholastik ist A nselm v. C a n te r b u r y (f 1109), ein seine Zeitgenossen überragender spekulativer Genius, eine vom Geiste Augustins entflammte, scharf aus­ geprägte Denkergestalt, in der Glauben und Wissen, Theo­ logie und Frömmigkeit, Spekulation und Kontemplation, Väterstudium und Dialektik sich durchdrungen und ausge­ glichen haben. M it der Devise: Fides quaerens intellectum hat Anselm die eigentliche Scholastik inauguriert. Er stellte sich auf den Boden der auctoritas, der Kirchen-, Schrift- und Väterlehre, und erstrebte von diesem Standort aus eine rationelle Einsicht in den Glaubensinhalt und Glaubens­ zusammenhang. Spekulative Vertiefung in die natürlichen

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Analogien des Übernatürlichen, besonders in das eigene gottesebenbildliche Seelenleben, ethische Reinheit, Ver­ wertung der Dialektik und augustinischen Metaphysik, Ab­ lehnung des Nominalismus und der Hyperdialektik wiesen ihm hierzu die Wege. Anselm hat in seinem Monologium und Proslogium die Grundgedanken der augustinischen Gottes­ lehre in selbständiger Fassung der Scholastik dargereicht. Sein Name ist in der Geschichte der Philosophie hauptsächlich an den anselmischen Gottesbeweis geknüpft, den sog. (seit Kant) ontologischen Gottesbeweis, der aus dem Begriffe Gottes in folgender Weise das Dasein Gottes zu beweisen sucht: „Unter Gott verstehen wir allgemein ein Wesen, über das hinaus ein größeres nicht gedacht werden kann. Dasjenige aber, über das hinaus nichts Größeres denkbar ist, kann nicht allein in unserem Denken sein. Denn sonst wäre noch etwas Größeres denkbar, das zugleich in unserem Denken und in der Wirklich­ keit ist. Folglich muß Gott als das Wesen, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann, auch in der Wirklichkeit vorhanden sein. Also exisüert Gott." Dieser Gottesbeweis findet sich int 13. Jahrhundert bei Wilhelm v. Auxerre und Alexander v. Hales erneuert, auch Bonaventura, Albert der Große, Ägidius v. Rom u. a. haben einen ähnlichen Be­ weisgang. Thomas v.Aquin und Richard v.M ddletown hin­ gegen haben diesen Beweis als einen unberechtigten Schluß aus der begrifflichen Ordnung auf die Seinsordnung ab­ gelehnt. Die von Anselm v. Canterbury eröffnete Frühscholasttk hat philosophische Fragen hauptsächlich im Zusammenhang mit der Trinitäts- und Jnkamationslehre, die int Mittelpunkt der theologischen Spekulation standen, erörtert. Selbst das aus­ gesprochen philosophische Problem dieser Zeit, die auch an philosophische Quellentexte (Jsagoge des Porphyrius) an­ knüpfende U n iv e rs a lie n fra g e , d. h. die Frage nach dem

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Die Philosophie der Scholastik.

Geltungswert, nach der Objektivität und Realität der all­ gemeinen Begriffe, der Gattungen und Arten, tritt uns in der Frühscholastik, im Zusammenhalt mit der Trinitätslehre, entgegen. R o s c e lin v. C o m p iö g n e vertritt in der Frage nach dem Geltungswert unserer Allgemeinbegriffe einen ent­ schiedenen Nominalismus, er sieht in den Gattungen und Arten nicht einmal allgemeine Begriffe, sondern nur ge­ meinschaftliche Namen. Gattungen und Arten sind keine Dinge (res), sondern nur Worte. Die Anwendung dieses Nominalismus auf die Trinitätslehre führte zum Tritheismus. Umgekehrt haben die Vertreter des Realismus in der Frühscholasttk z. B. W ilh e lm v. C h a m p e a u x die G at­ tungen und Arten uneingeschränkt als res, als etwas Reales angesehen. Die Frage nach dem objektiven und realen Geltungswert der Allgemeinbegriffe hat das ganze philo­ sophisch interessierte 12. Jahrhundert auf das lebhafteste be­ schäftigt, wie wir aus dem Bericht des Johannes v. Salisbury über die mannigfaltigen Lösungsversuche entnehmen können. Die bedeutendste Förderung hat das Universalienproblem in der Frühscholasttk durch P e t e r A b ä l a r d erfahren, der in seinen jüngst wieder aufgefundenen Glossulae super Porphyrium die Frage auch nach der psychologischen Seite ver­ tieft und eine Vermittlung zwischen Nominalismus und Realismus, freilich mit nominalistischer Grundfärbung, ver­ sucht hat. Tie Universalien sind nach ihm Worte zur B e­ zeichnung der auf dem Wege der Abstraktion gewonnenen Allgemeinbegrisfe Den Allgemeinbegriffen entspricht in den Dingen etwas Objektives (die communis forma oder der Status generalis vel specialis). Dieses Objektive ist aber keine res, da die Dinge individuell nicht allgemein sind. Die Lösung Abälards weist schon die Wege zum gemäßigten Realismus der Hochscholasttk, der unter dem Einfluß der neu­ erschlossenen Schriften des Aristoteles und auch Avicennas

Früh- und Hochscholastik.

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ausgebildet wurde. Namentlich bot die aristotelisch-scholasti­ sche Abstraktionstheorie und die Lehre von Materie und Form hier eine Orientierung. Thomas v. Aquin unterscheidet bei unseren Allgemeinbegriffen zwischen In h alt oder sachlichem Kern und zwischen der Form des Allgemeinen. Dem In halt der Allgemeinbegriffe entspricht eine Wirklichkeit außerhalb unse­ res Denkens, nämlich das dem konkreten Einzelding imma­ nente Wesen, die substantialeWesensform. DieWesensformist eben das spezifizierende, die Materie hingegen das individuali­ sierende Element. Die Form des Allgemeinen an unseren Begriffen ist etwas Subjektives, ist ein Erzeugnis unseres Denkens. Die Grundlage dieser Denkform der Allgemein­ begriffe ist die Abstraktionstätigkeit unseres Intellektes, welche die Wesensform der Einzeldinge, das Typische und Gemeinsame an denselben für sich betrachtet und von den materiellen individualisierenden Momenten trennt. Die Scholastiker des 14. und 15. Jahrhunderts, ein Petrus Aureoli, Wilhelm v. Ockham, Peter d'Ailly u. a. haben, wie wir noch sehen werden, sich vom gemäßigten Realismus in großer Zahl abgewendet und wieder die subjektiven Wege des Nominalismus beschritten. Wenn wir uns nach dieser Übersicht über die Entwicklung der Universalienfrage wieder dem philosophischen Denken des 12. Jahrhunderts zuwenden, so tritt uns das wissenschaftliche Leben der Frühscholastik in einer Reihe von Schulen gegen­ über. Die Schulen W ilh e lm s v. C h a m p e a u x (f 1120), A n selm s v. L a o n (j 1118) und Alberich v. Reims haben ein mehr positiv theologisches Gepräge und sind vor allem be­ deutsam als die Wiege der scholastischen Sentenzenliteratur. An die konservative Richtung dieser Schulen knüpft H ugo v. S t . V ik to r (t 1141) an, ein deutscher Theologe (Graf v. Blankenburg) in P aris, eine ideale und liebenswürdige Gelehrtengestalt, die für den ganzen Bereich des religiösen

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Die Philosophie der Scholastik.

und profanen Wissens aufgeschlossen ist und durch die har­ monische abgeklärte Denk- und Arbeitsweise an Anselm v. Canterbury und Thomas v. Aquin gemahnt. S ein wissen­ schaftlicher Idealism us und Universalismus spricht sich aus in den Worten: ,.Omnia disce, videbis postea nihil essesuperfluum. Coarctata scientia jucunda non est.“ Hugo v. S t. Viktor hat die Gotteslehre und Psychologie unter augusteischen Inspirationen behandelt und auch die lateinische Mysük an­ geregt. Sein Didascaliconift eine ansprechende Wissenschafts­ lehre, eine Art Hochschulpädagogik. Die mystische Richtung Hugos tritt noch stärker bei R ichard v. S t . V ik to r (f 1173), dem „magnus contemplator“ zutage. Derselbe hat in selb­ ständiger Denkarbeit die Vernunft- und Glaubenserkenntnis und vor allem die Stufen des mystischen Erkennens, der Kon­ templation untersucht und zuerst die Mysük in ein System gebracht. Eine mehr praktische Form zeigt die Mysük des hl. B e r n h a r d v. C la irv a u x (f 1153), der in die Psycho­ logie religiöser Innerlichkeit sich vertieft hat. Ein hervor­ ragend spekulativer Kopf aus dieser Zeit, eigentlich zu keiner Schule gehörig, ist R o b e r t v. M e lu n (j 1167), dessen un­ gedrucktes Sentenzenwerk auch philosophische Fragen, be­ sonders der Gotteslehre und Psychologie, eingehend erörtert. Gegenüber der mehr konservativen Richtung der Viktoriner hält sich P e t e r A b ä l a r d ( | 1142), ein hochbegabter Dialektiker, der Peripateticus Palatinus, wie ihn die Zeit­ genossen nennen, mehr an die dialektische Richtung Roscelins. I n seinen theologischen Schriften hat er das Verhält­ nis von Glauben und Wissen grundsätzlich nicht rationalistisch aufgefaßt, wenn er auch faktisch die Grenzen zwischen beiden Gebieten etwas verwischt hat. Als Systematiker hat Abälard eine Reihe von Sentenzenwerken (z. B. die Sentenzen des Roland Bandinellus, des späteren Papstes Alexander III.) in ihrer Struktur wesentlich beeinflußt. Auf die Bedeutung

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seiner Lie-et-uon-Methode wurde schon früher aufmerksam gemacht. I n der Ethik betont er das Gewissen als das in­ dividuelle sittliche Bewußtsein, dessen Zusammentreffen mit den objektiven Normen die Tugend begründet. Der Unter­ schied von G ut und Böse gründet zuletzt nur im freien Willen Gottes. Durch seine von B. Geyer und dem Verfasser neu­ entdeckten (von B. Geyer bisher teilweise edierten) echten logischen Schriften (zwei Glossen zur Jsagoge des Porphyrius und Glossen zu den Kategorien und Perihermeneias) wird Abälard in die erste Linie der philosophischen Köpfe des Mittelalters gestellt. Seine scharfsinnige und selbständige ungemein ausführliche Behandlung des Universalienproblems wurde schon oben angedeutet. Auch sonst sind hier die verwickeltsten Fragen der Logik scharfsinnig, selbständig und in anregender Form erörtert. Die S ch u le v o n C h a r tr e s (Bernhard und Thierry v. Chartres, Bernhard Silvester, Wilhelm v. Conches, auch Adelard v. Bath ist hierher zu zählen) hat eine vorwiegend humanisttsche und unter dem Einfluß von Platons Timäus naturphilosophische Richtung. Thierry v. Chartres hat im neuplatonischen und neupythagoreischen S in n das Sechstage­ werk dargestellt. Z ur Schule von Chartres gehört auch G ilb e r t de la P o r r e e (f 1154), ein hervorragender Dialek­ tiker, dessen allerdings nicht humanistisch geartete Erklärung zu den theologischen Schriften des Boethius für die Wissen­ schaftslehre und die Terminologie von Belang sind. Gilberts Lehre wurde von zahlreichen Schülern (Sententiae divinitatis, Liber de vera philosophia, N ik o la u s v. A m iens) erklärt und verteidigt. Gilberts Schüler war auch O tto v. F r e is in g (f 1158), der berühmte Chronist und Geschichts­ philosoph, der zum erstenmal die Kenntnis der ganzen aristotelischen Logik in seine deutsche Heimat brachte. Der bedeutendste Vertreter der Schule vonChartres is tJ o h a n n e s G r a b m a n n , Geschichte der Philosophie. III. 5

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b. S a l i s b u r y (f 1180), Historiker, Logiker, S ta a ts­ philosoph, der auch einen Blick für das organische Jneinanderwirken der einzelnen Seelentätigkeiten hat. Vom Humanis­ mus der Schule b. Chartres ist auch A la n u s de I n s u l t s (t 1202) beseelt. S ein Anticlaudianus, eine poetische Dar­ stellung der Artes liberales, hat auch in der deutschen, fran­ zösischen und englischen Dichtung einen Nachklang gefunden und ist in dem ungedruckten Kommentar des R a d u lf u s de L ongo C am p o zu einer neuplatonisch gestimmten Wissen­ schaftslehre weitergebildet worden. Des Alanus Maximae theologiae sind für die Terminologie bedeutsam gewesen. Nicht dem Alanus, sondern N ik o la u s b. A m ie n s gehört die Ars catholicae fidei, deren aus Boethius bzw. Gilbert de la Porree herübergenommene mathematisch-deduktibeMethode später bort Thomas. Bradwardine (f 1349) angewendet wurde und in gewissem Sinne die geometrische Methode in Spinozas Ethik antizipiert. Der Theologie der Frühscholastik entstammen auch die ca. 1150 geschriebenen Sentenzen des P e t r u s L o m b a rd u s (f 1164), das unzähligemal kommen­ tierte, auch philosophische Gedanken enthaltende Schulbuch detz dogmatischen Lehrbortrags bis ins 16. Jahrhundert hinein. Der.bedeutendste Schüler des P etrus Lombardus ist P e t r u s b. P o i t i e r s (|1205), bon dem eine Reihe bon um 1200 schreibendenA utorentheologischerSum m en(Sim onb.Tournai, M a r tin u s b .C r e m o n a ,P e tr u s b .C a p u a ,P r ä p o s itin u s usw.) abhängig sind. Es sind diese ungedruckten Sum m en nicht ohne philosophischen, besonders psychologischen Gehalt. Un­ gefähr aus gleicher Zeit stammen die an P e t r u s C a n to r (t 1197) anknüpfenden ungedruckten wehr moralisch-prak­ tischen Sum m en eines R o b e r t b. C o u ry o n , S t e p h a n b. L a n g to n , G u id o d 'O rch elles u. a., die über die ethischen Auffassungen dieser Epoche mehr oder minder orientieren.

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Das Bild des abwechslungsreichen wissenschaftlichen Lebens und Strebens des 12. Jahrhunderts wäre nicht voll­ ständig, wenn wir nicht noch einmal der hyperkonservativen dialektikfeindlichen Richtung gedächten, die in dem Pamphlet des W a lte r v. S t. V ik to r (f nach 1180) Contra quattuor labyrinthos Franciae (gemeint sind Abälard, Gilbert de la Porree, P etrus Lombardus und Petrus v. Poitiers) ihre philosophiefeindlichste Kundgebung fand.

II. Die Hochscholastik. Die Hochscholastik oder die entwickelte Scholastik des 13. Jahrhunderts wurde vor allem durch die neuerschlossenen Quellenwerke der aristotelischen, arabisch-jüdischen und neu­ platonischen Philosophie, durch die Entstehung und Ausge­ staltung der Universität P aris und auch durch die rege Be­ teiligung des Dominikaner- und Franziskanerordens am wissenschaftlichen Leben heraufgeführt. Die ersten Ja h r­ zehnte des 13. Jahrhunderts sind no/h Zeiten des Über­ ganges und Umschwunges, des allmählichen Eintretens der neuen philosophischen Ideen in die bisherige wissenschaftliche Denkweise. Dieser Übergangszeit gehört die für die theo­ logische Terminologie einflußreiche Summa aurea des W il­ helm v. A u x e rre (t 1231) an, die schon Zitate aus dem neuen Aristoteles aufweist. Von Wilhelm v. Auxerre sind die ungedruckten Sum m en des J o h a n n e s v. T re v iso und G a u f r i e d v .P o i t i e r s beeinflußt. Eine schon etwas größere Kenntnis des neuen Aristoteles verrät die an metaphysischen, psychologischen und ethischen Erörterungen ziemlich reiche unedierte Summa de bono des Pariser Kanzlers P h ilip p v. G re v e (j 1236). Die arabische Philosophie ist übrigens schon im 12. Jahrhundert in Schriften des uns schon als llberseZer bekannten D o m in ik u s G u n d is s a lin u s , namentlich in seiner enzyklopädischen Schrift Oe divisione philosophiae

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ausgiebig verwertet. Seine gehaltvolle Abhandlung De immortalitate animae wurde von W ilh e lm v. A u v e rg n e (t 1249) leicht überarbeitet unter eigenem Namen veröffent­ licht. Unter dem Einfluß des neuen Materials, das jedoch die traditionelle augustinische Grundrichtung nur wenig modi­ fiziert, steht Wilhelms v. Auvergne selbständiges systemati­ sches Hauptwerk De universo. Bei der Darstellung der eigentlichen Hochscholastik wird es ausreichend sein, wenn wir die Laufrichtungen in kurzer Skizze nebeneinanderstellen, da ja die eingehendere Dar­ stellung der Philosophie des hl. Thomas v. Aquin zur ver­ gleichenden Betrachtung der gesamten Zeitphilosophie uns Gelegenheit bieten wird. Die eigentliche Hochscholastik tritt uns zunächst als eine vor­ wiegend augustinische R ich tu n g entgegen. Aristoteles zu­ gleich mit der arabisch-jüdischen Spekulation ist hier in reichen Zitaten verwertet, aber mehr als Ornament als wie als Bauglied des augustinisch orientierten philosophisch-theo­ logischen Systems. Als charakteristische Lehrpunkte dieses scholastischen Augustinismus seien die Lehre von der Mehr­ heit der substantialen Form en im Menschen und in den Naturdingen, die von Avencebrol übernommene Behauptung der Zusammensetzung der Menschenseele aus einer geistigen Materie und aus der Form, die augustinische Theorie von den rationes seminales oder den Keimkräften, und in der Erkennt nislehre und Erkenntnispsychologie die Jlluminationstheorie (Exemplarismus) genannt. Während wir die körperlichen Dinge ausgehend von der Sinneserfahrung erkennen, er­ kennt die menschliche Geistseele sich selbst, und ihr Jnnenwesen intuitiv durch Versenkung in sich selbst und die reingeistigen und göttlichen Inhalte in rationibus aeternis, durch eine diesem Erdenleben angepaßte Berührung unseres Intellekts mit der ewigen Wahrheit selbst, mit den ewigen unveränder-

F rü h - und Hochscholastik.

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lichen Regeln in der Gottheit selbst. Diese augustinische Richtung ist hauptsächlich durch die ä lte r e F r a n z is k a n e r ­ schule repräsentiert, die von A le x a n d e r von H a le s (t 1245) mit einer gewaltigen theologischen Sum m a eröffnet wird. Derselben Zeit und Richtung gehörten die Franzis­ kaner Johannes von La Rochelle (Joannes de Rupella), Ver­ fasser einer Summa de anima und einer Summa de vitiis, Odo Rigaldus, Richardus Rufus und Wilhelm v. Melitona an. Der Lieblingsschüler des Alexander v. Hales ist der hl. B o n a v e n tu r a (j 1274), der durch hohe spekulative Ver­ anlagung (Sentenzenkommentar und Quaestiones disputatae), durch geniale Konstruktionsgabe (Breviloquium) und durch tiefsinnige Mystik (Itinerarium mentis ad Deum) in gleicher Weise hervorragt. Unter seinen Schülern sind J o h n P ech am und M a tte o d 'A c q u a s p a rta , der tiefste Darsteller des philosophischen und theologischen Erkenntnis­ lehre des Augustinismus,die bedeutendsten. Diese augustinische Richtung wird weiterhin von den Franziskanern Eustachius, Roger Marston, Wilhelm de la Mare, P etrus Johannis Olivi u. a. lebhaft vertreten. P e t r u s J o h a n n i s O liv i (f 1297) lehrte keine innere Seins- und Natureinheit, sondern eine bloß dynamische Wirkeinheit zwischen Leib und Seele, und betrachtete die Willensfreiheit und freie Kausalität mehr vom empirisch-psychologischen, als vom theologischen und metaphysisch-ethischen Standpunkte aus. Ein besonders in der Erkenntnislehre mehr der aristoteüsch-thomistischen Auffas­ sung zuneigender Franziskanertheologe war R ichard v. M id d le to w n . Ein Aristoteliker der älteren Franzis­ kanerschule ist T h o m a s v. J o r k (f ca. 1260), der eine selb­ ständige, noch ungedruckte Darstellung der Metaphysik im An­ schluß an Aristoteles und Averroes hinterlassen hat. I n Eng­ land nahm die Franziskanerschule, ohne ihren augustinischen Überzeugungen untreu zu werden, vielfach auch ein

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D ie Philosophie der Scholastik.

empirisches und naturwissenschaftliches Gepräge an. B a r t h o lo m ä u s A n g lik u s ist Verfasser des enzyklopädischen Werkes De proprietatibus rerum. Der Franziskanerschule nahe stand R o b e r t G ro sseteste (bort Lincoln j 1253). Dieser vielseitige Gelehrte, der uns als Übersetzer aus dem Griechischen schon bekannt ist, war in der Astronomie und mathematischen Naturlehre wohlbewandert und hat in seiner Lehre über das Verhältnis bort Seele und Leib, über die Er­ kenntnis der Wahrheit und die Willensfreiheit augustinisch gedacht. Die philologische wie Kuch die naturwissenschaft­ liche Denk- und Arbeitsweise tritt uns noch viel markanter in Grossetestes Schüler, dem uns bereits bekannten Franzis­ kaner R o g e r B a c o n (j 1294), entgegen. Roger Bacons Stärke und Verdienst ist sein Eintreten für'empirische natur­ wissenschaftliche Forschung und für eine philologische Funda­ mentierung des philosophisch-theologischen Studium s. I n der Erkenntnislehre steht Roger Bacon mit seiner These, daß der intellectus agens nichts anderes als der göttliche Logos sei, auf dem Boden des augustinischen Platonism us. Durch von A. Pelzer neuentdeckte Schriften Roger Bacons, deren Edition bevorsteht, wird das wissenschaftliche Charakterbild des englischen Franziskaners vervollständigt und vertieft werden. Außerhalb des Franziskanerordens wurde in der Hochscholastik der Augustinismus vertreten von den ä lte r e n T h e o lo g e n d es D o m in ik a n e ro rd e n s , R o la n d v. C re m o n a , dem Verfasser einer ungedruckten Sum m a, R ichard F is h a c re , H ugo v. S t- C h e r , und R o b e r t K ilw a rd b y , der auch eine Wissenschaftslehre versaßt hat. M it Bonaventura berührt sich vielfach der Dominikaner P e t r u s v. T a r a n ta s ia , der spätere Papst Innozenz V. (f 1276). Aus dem Weltklerus waren Anhänger des Augustinismus G e rh a rd v. A b b a tis v illa und besonders H einrich v. G e n t (f 1293), der seine augustinische Auffassung der

Früh- und Hochscholastik.

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metaphysischen, erkenntnistheoretischen und psychologischen Probleme in einer wirksamen und persönlichen A rt vertrat. S ein Schüler, G o t t f r ie d v. F o n ta in e s , hingegen ( f nach 1306) hat in der Erkenntnislehre die augustinische J llu minationstheorie aufgegeben und sich der aristotelischthomistischen Abstraktionstheorie angeschlossen. Z u dieser augusünischen, inhaltlich von Aristoteles nicht ausschlaggebend beeinflußten Richtung bildet gewissermaßen das Gegenstück eine rein philosophische Ström ung, die w ir m it dem Sammelnamen P h ilo s o p h ie d e r A r tis te n f a k u l­ t ä t bezeichnen wollen. Es ist dies eine Philosophie, die nicht im Zusammenhang m it der Theologie, sondern um ihrer selbst w illen gepflegt wurde und in der auch die neue aristote­ lische Bewegung alsbald kräftig einsetzte, um dann auch sich dem theologischen Arbeitsgebiete mitzuteilen. Die P h ilo ­ sophie der Artistenfakultät steht teils in lebendigerer Fühlung m it dem naturwissenschaftlich-medizinischen Gedankenkreis, teils wendet sie sich der Ausbildung der Logik und Sprachlogik zu. D er Aristotelismus dieser Richtung lehnte sich in einem früheren S tadium mehr an Avicenna und die neu­ platonische Richtung an, in einem folgenden S tadium war Averroes fü r die Auffassung der aristotelischen Philosophie besümmend. Z u den älteren Vertretern dieser nichttheo­ logischen Richtung des Philosophierens zählen außer D o m in i­ kus Gundissalinus, vor allem D a n ie l v . M o r la i, m it seinem von S udhoff edierten Liber de naturis inferiorum et superiorum und A lf r e d v. S a re s h e l (Alfredus Anglicus), dessen um das J a h r 1215 verfaßter Traktat De motu cordis neuplatonische Metaphysik, aristotelische Psychologie und aristotelisch-galenische Physiologie verbindet. Alfred schrieb auch einen von A . Pelzer entdeckten Kommentar zu den Meteorologica des Aristoteles. Dem averroisüschen S tadium des Aristotelismus gehört bereits P e tr u s de H ib e r n ia , der

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Die Philosophie der Scholastik.

Jugendlehrer des hl. Thomas v. Aquin, mit seiner von Baeumker aufgefundenen Disputation über denZweck in der Natur an. Der averroisttsche Aristotelismus nahm an der Pariser Artistenfakultät eine antitheologische Form an durch den auch von Dante gefeierten einflußreichen Magister S i g e r v. B r a b a n t (f 1282). Er vertritt in seinen von Mandonnet und Baeumker edierten Schriften, zu denen jetzt noch der von A. Pelzer entdeckte ungedruckte Kommentar zu De anima des Aristoteles kommt, die Ewigkeit der Materie und Bewegung, die numerische Einheit der Geistseele stk alle Menschen (Monopsychismus) und einen psychologischen Determinis­ mus. Über den Gegensatz dieser Lehren zum kirchlichen Glauben und Dogma sucht er sich durch die schon früher er­ wähnte fälschlich dem Averroes zugeschriebene Lehre von der doppelten Wahrheit hinwegzuhelfen. Dieser lateinische Averroismus lebte trotz kirchlicher Verurteilungen und trotz der wissenschaftlichen Gegenwehr Alberto d. Gr. und des hl. Thomas v. Aquin in der Scholastik weiter und wurde im 14. Jahrhundert durch J o h a n n e s v. J a n d u n und P ie tr o d 'A b a n o ,im 15. Jahrhundert durch P a u lv . V e n e d ig u . a. verfochten. Eine erst in neuester Zeit durch die Forschungen von El. Baeumker, E. Krebs usw. schärfer hervorgehobene Richtung und Ström ung der Hochscholastik ist ein Zug zum Neuplatonismus, der zunächst in kleineren Abhand­ lungen, so namentlich in dem von Baeumker edierten Traktat De intelligentiis, zutage tritt. Neuplatonisch ge­ richtet war auch, wie aus dem Vorwort seiner Perspectiva hervorgeht, der Schlesier W itelo . I n einer besonderen Art hat sich dieser Neuplatonismus in der Schule Alberts d. Gr. ausgeprägt. A lb e rt d e r G ro ß e , Graf v. Bollstädt, geb. 1193 zu Lauingen a. D. in Schwaben, f 1280 zu Köln, gleich seinem

F rü h - und Hochscholastik.

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Schüler Thomas v. A quin Dominikaner, w ird in zeitgenös­ sischen Chroniken als philosophus, als philosophorum maximus gefeiert. S ein Schüler Ulrich v. Straßburg nennt ih n :

V ir in omni scientia adeo divinus, ut nostri temporis stupor et miraculum vocari possit. A lbert w ird auch Doctor universalis genannt. Ih m eignet Universalismus der Quellenkenntnis. Aus aristotelischen, arabisch-jüdischen, neu­ platonischen und patristtschen Autoren hat er ein ungeheueres Gedankenmaterial zusammengetragen. Ih m kommt auch U ni­ versalismus in der Beherrschung der Wissensgebiete zu. I n einem weiten Bogen umspannt sein wissenschaftliches Lebens­ werk die gesamte damalige Philosophie, die spekulative Theo­ logie, die Exegese, und wie w ir schon gesehen, das ganze Gebiet der damaligen Naturwissenschaft. Freilich zeigen sich bei A lbert d. G r. auch die Schattenseiten des Universalismus. D ie synthetische Verarbeitung des S toffes, namentlich der gegenseitige Allsgleich verschiedener Richtungen, ist ihm nicht in gleichem Maße geglückt wie Thomas v. Aquin. Die philo­ sophiegeschichtliche T a t Alberts d. G r. ist darin zu erblicken, daß er in einer umfassenden, methodisch von Avicenna beein­ flußten Paraphrase des ganzen aristotelischen S chrifttum s und auch in Monographien die aristotelische Philosophie fü r die abendländische Scholastik benutzbar und sozusagen mund­ gerecht gemacht hat und so einen christlichen scholastischen Peripatetism us irrt großen S tile geschaffen: Nostra intentio

68t omnes dictas partes (sc. physicam, metaphysicam et mathematicam) facere Latinis intelligibiles. A lbert hat in seiner Aristotelesdeutung und Aristotelesverwertung die anti­ theologischen Theorien des lateinischen Averroismus ab­ gelehnt und im G rundriß das aristotelisch-scholasüsche Lehr­ gebäude der Philosophie aufgeführt, das dann Thomas v. A quin in den einzelnen Teilen sorgsam ausgeführt und zu einem einheitlichen architektonischen Ganzen geformt hat.

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Die Philosophie der Scholastik.

I n die Theologie hat Albertus die aristotelischen Materialien und Motive in seinen systematischen Werken (Sentenzen­ kommentar, Summa de creaturis, Summa theologica) noch nicht in dem Umfange wie Thomas eingebaut. I n einem der vom Vers, festgestellten ungedruckten Teile der Summa de creaturis hat Albert ein eindrucksvolles, scharfdurchdachtes System der Ethik, noch ehe er die ganze nikomachische Ethik kannte, geschaffen. Albert d. Gr. hat seinem Schüler Thomas v. Aquin die Wege des christlichen Aristotelismus gebahnt und hat, namentlich in deutschen Landen, eine Zahl begeisterter Schüler um sich geschart und noch auf weite wissenschaftliche Generationen nachgewirkt. Es hat die von Albert ausgehende scholastische Bewegung in Deutschland einen ziemlich aus­ geprägten Charakter, im gewissen S in n ein nationales Ge­ präge an sich. Die charakteristischen Züge dieses deutschen Elementes in der Scholastik sind: Universalismus, Selb­ ständigkeit, Vorliebe für naturwissenschaftliche Fragen, große Hinneigung, zum Neuplatonismus, die auch schon in den Schriften Alberts, besonders in seinem ungedruckten Kom­ mentar zu De divinis nominibus des Pseudo-Areopagita, bemerkbar ist. Aus der Schule Alberts stammt das viel­ gebrauchte Compendium theologicae veritatis des H ugo R ip e lin v. S tr a ß b u r g . Das weitaus bedeutendste Werk aus dieser deutschen Albertusschule ist die gewaltige unge­ druckte theologische Sum m e des Ulrich E n g e lb e rti v. S t r a ß b u r g ( | 1277), die umfassende neuplatonisch ge­ stimmte Darlegungen zur Metaphysik enthält. Neuplatonis­ mus und naturwissenschaftliches Forschen verbindet sich in den Schriften des D ie tric h v. F r e ib e r g . Der Neuplatonismus der Schule Alberts d. Gr. ist auch die Heimstätte der deutschen Mystik des Predigerordens. Ein großes Werk neu­ platonischer Richtung ist der ungedruckte Kommentar des

Die Philosophie des hl. Thomas v. Aquin.

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B e r to ld v. M o s b u rg zur Elementatio theologica ((Ttoixeiuumq 0eo\oYiKr|) des Proklus. Mberts Schule lebte in Deutschland weiter. I m 15. Jahrhundert tritt uns an der Universität Köln der interessante Widerstreit der Schola Albertistarum und der Schola Thomistarum entgegen.

3. K a p ite l.

D ie Philosophie des hl. Thomas von Aquin. I. Leben, Werke und Persönlichkeit. Thomas v. Aquin ward 1225 zu Roccasicca im Neapoli­ tanischen geboren, wurde, nachdem er an der Universität Neapel durch die Magistri M artinus und P etrus de Hibernia in die Philosophie eingeweiht worden, im Jahre 1244 Domi­ nikaner, war dann längere Jahre Schüler Alberts d. Gr. und begann 1252 seine akademische Laufbahn an der Universität Paris. Von 1259 bis 1268 wirkte er im heimatlichen Italien als Professor der Theologie, teils am päpstlichen Hofe zu Orvieto und Biterbo, teils an der Ordensschule in Rom. Im Jahre 1268 wurde er abermals an die Universität P aris be­ rufen und entfaltete dort eine an Arbeiten und Kämpfen reiche Tätigkeit bis zum Jahre 1272, in welchem er als P ro­ fessor an die Universität Neapel ging. Thomas v. Aquin starb am 7. März 1274 zu Fossanuova auf der Reise zum Konzil von Lyon. I n ungefähr 20 Jahren hat Thomas neben seiner ungemein erfolgreichen Lehrtätigkeit eine staunenswerte literarische Schaffenskraft an den Tag gelegt. Von seinen Schriften kommen für ^ie Philosophie hauptsächlich folgende in Betracht: 1. Kommentare zu folgenden aristotelischen Schriften: Perihermeneias (bis 1. II lect. 3), Analytica posteriora,

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Die Philosophie der Scholastik.

Physik, De caelo et m undo (bis 1. I I I lect. 8), De generatione et corruptione (bis 1. I lect. 17), Meteorologica (bis 1. I I lect. 8), De anim a, De sensu et sensato, De memoria et rem iniscentia, Metaphysik (1. I —X II), Ethik, Politik (bis 1. I I I lect. 6). D azu kommt noch eine Erklärung zum Liber de causis. 2. Kleinere philosophische Monographien: De ente et essentia, De principiis n aturae, De n atu ra m ateriae, De occultis operationibus naturae, De m ixtione elem entorum , De m otu cordis, De ae tern itate m undi, De u n ita te intellectus contra A verroistas, De substantiis separatis, De q u attu o r oppositis, De propositionibus m odalibus, De dem onstratione, De fallaciis, De n a tu ra accidentis, De n a tu ra generis, De n atu ra verbi intellectus, De differentia verbi divini et hum ani, De instantibus, De principio individuationis.

3. Reiches PhilosophischesMaterial findet sich in den großen systematischen Werken: Kommentar zu den Sentenzen des P etrus Lombardus, Sum m a contra Gentiles, Sum m a theologica. 4. Quaestiones quodlibetales und Quaestiones disputatae (De v eritate, De potentia, De anim a, De spiritualibus creaturis, De malo. De virtutibus in communi usw).

5. Von den mehr theologischen kleineren Arbeiten ist das Schriftchen In B oethium de trin ita te für die thomistische Wissenschaftslehre und die Schrift De regimine principum ad regem Cypri (von Thomas Buch I und II, c. 1— 4) für die Sozial- und Staatsphilosophie belangreich. Thomas v. Aquin tritt uns aus seinen Schriften und auch im Urteil seiner Zeitgenossen und ältesten Biographen (Wil­ helm v. Thocco) als eine ganz dem Übersinnlichen und Gött­ lichen sich hingebende Denkergestalt und zugleich als eine milde, bescheidene und liebenswürdige Persönlichkeit ent-

Die Philosophie des hl. Thomas v. Aquin.

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gegen. Es liegt wirklich im Charakterbild dieses Scholastikers so etwas Harmonisches, Ausgeglichenes, Stimmungsvolles, das auch aus seinen Schriften demjenigen, der mit denselben vertraut ist, sich zeigt. Seine tiefreligiöse Lebensauffassung hinderte ihn nicht, auch für irdische Kulturwerte und Kultur­ forderungen ein offenes Auge und ein weites Herz zu haben. Der Grundzug seiner wissenschaftlichen Individualität ist das Streben, im ernsten wissenschaftlichen Nachdenken die reine und volle Wahrheit zu finden. Dieses scharf und klar ins Auge gefaßte Wahrheitsideal läßt Thomas nur streng sachliche Gesichtspunkte wahrnehmen. Daher diese Umsicht und Sorgfalt in der Problemstellung, in der Gedanken- und Beweisführung, daher jene Klarheit, Leidenschaftslosigkeit, ja Unpersönlichkeit der ganzen Dar­ stellung. Wenn wir die wissenschaftliche Arbeitsweise des Aquinaten in ihre Elemente zerlegen wollen, so nehmen wir bei ihm positiv-historische Züge in der Bewertung und Verwertung bisher geleisteter Wissensarbeit und zugleich ein reiches Maß selbständiger, tiefeindringender und gestaltender Denkkraft wahr. F ü r seine Philosophie empfing Thomas Anregungen aus Aristoteles und den griechischen Aristoteleserklärern (Alexander v. Aphrodisias, Themistius, Johannes Philoponus, Simplicius), aus der arabischen Philosophie, wobei er die antitheologischen Elemente des Averroismus mit sich steigender Schärfe ablehnte, aus den Schriften jüdischer Philosophen, von denen er Avencebrol bekämpfte und Moses Maimonides viel verwertete, aus neuplatonischen Schriften, aus der Patristik, vor allem Johannes v. Damaskus, Augustinus und Boethius, schließlich auch aus früheren und zeitge­ nössischen, meist nach damaligem literarischen Brauch mit dem unbesUmmten guickam eingeführten Scholastikern. Thomasist, wie dies besonders nachdrücklich Fr. Brentano hervorgehoben

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D ie Philosophie der Scholastik.

hat, der größte Aristoteleskenner und der beste Aristoteles­ erklärer des M ittelalters. D ie aristotelische Grundrichtung seiner Philosophie sucht einen Ausgleich, eine Synthese m it der augustinischen Spekulation zu finden. Das auf aristo­ telischem Fundament ruhende metaphysische Gebäude des Aquinaten trägt augustinische Krönung. I n der Lehre von der Wahrheit und von der Verankerung der höchsten W ahr­ heiten und Erkenntnisprinzipien im göttlichen In te lle k t und Wesen, in der Jdeenlehre und in anderen Fragen zeigt sich, wie w ir sogleich sehen werden, dieser augusteische Einschlag in dem namentlich in Naturphilosophie, Psychologie und E r­ kenntnislehre entschieden aristotelisch gerichteten thomistischen System. D ie aristotelische Philosophie dient ihm auch im weitesten Umfange als H ilfs m itte l und Werkzeug in der theo­ logischen Synthese. D ie Quellenbenutzung ist bei Thomas kein bloßes Zusammentragen und Aneinanderreihen, sondern eine belebende Durchdringung und organische Gestaltung dieser M aterialien und bekundet so die selbständig gestaltende Macht seines spekulativen Genius. Wenn w ir die Eigenart dieses zweiten Elementes seiner wissenschaftlichen Methode näher betrachten, so verbinden sich in der selbständig schaffen­ den und gestaltenden Denkarbeit des Aquinaten, die auch von Eigenem zum überkommenen Wissensgut hinzugibt, Beob­ achtung und Spekulation, Analyse und Synthese. Wenn man seine Werke im einzelnen untersucht, findet man eine F ü lle von Beobachtungen auf psychologischem und ethischem Ge­ biete vor. Thomas w ar eine innerliche N atur, er hatte den Blick auf die Geschehnisse seines eigenen Innenlebens ge­ richtet. Seine Darlegungen über ben. Zusammenhang von Phantasie- und Denktätigkeiten, über die Psychologie des Willensaktes und der Gefühlserlebnisse, über Gedächtnis und Erinnerung, über die Vorgänge des Lehrens und Lernens usw. sind Beispiele psychologischen Beobachtens. Noch mehr zeigt

Die Philosophie des hl. Thomas b. Aquin.

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sich diese empirische Betrachtungsweise in ethischen und sozio­ logischen Fragen und Grenzfragen. Unbestritten ist das Talent des hl. Thomas fü r Synthese, fü r das Zusammenschauen und Zusammenordnen von Einzelerkenntnissen zu einer großen wissenschaftlichen E in­ heit. Es hat diese Systematik eine äußere und eine innere Seite. D ie äußere Seite ist die Systematik der Anordnung, Gliederung und Gruppierung, vor allem eine Funktion logischen und didaktischen Könnens. D ie theologische S um m a vor allem als Ganzes in ihren Teilen, Traktaten, Quaesüonen und Artikeln ist ein Meisterwerk dieser architektonischen Systematik. D ie innere Seite der Systematik ist eine Syste­ matik der Entwicklung, der Ableitung der Einzelerkenntnisse aus großen P rinzipien und Einheiten. Diese Systematik ist bei Thomas die Leistung seiner genialen metaphysischen B e­ gabung. Thomas w ird in seiner wissenschaftlichen I n d i­ vidualität um so tiefer und wahrer erkannt, je mehr man sich in seine Metaphysik versenkt. D er Zusammenhang zwischen Metaphysik und Systematik zeigt sich bei unserem Scholastiker am klarsten dadurch, daß er gerade auf dem Gebiete der reinen Metaphysik, der Seinsmetaphysik m it unnachahmbarer Kürze und Bestimmtheit Zusammenhänge feststellt, Gliederungen und Ableitungen vornim m t, und von dort schärfe Verbindungslinien zu den philosophischen und theo­ logischen Problemen zieht. I I . Aufgabe und Einteilung der Philosophie. M it Aristoteles fü h rt Thomas den Ursprung und Anfang des Philosophierens auf das dem Menschen naturhaft inne­ wohnende Verlangen zurück, die ihm gegenübertretende I n ­ nen- und Außenwelt inden tiefsten Gründen, in den letzten U r­ sachen zu erkennen. S taunen und Verwunderung über die W elt der Erscheinungen, deren Ursachen ihm verborgen

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Die Philosophie der Scholastik.

waren, haben den Menschen zuerst veranlaßt zu philosophie­ ren, die Weltwirklichkeit in ihrem tieferen Wesen und Grunde zu untersuchen, eine Untersuchung, die erst zur Ruhe kommt und sich zufrieden gibt, wenn sie bei der ersten Ursache an­ gekommen ist. Die höchste Vollkommenheit, welche der philo­ sophierende Menschengeist erlangen kann, besteht nach Thomas darin, daß in die Seele sich einzeichne die ganze Ordnung des Universums und seiner Ursachen (ut in ea describatur totus ordo universi et causarum eins). Sache des Intellekts, der Vernunft ist es, Ordnungen, Zusammenhänge zu erkennen, während die sensitiven Erkenntniskräfte nur die konkrete Erscheinungswelt wahr­ nehmen. Es gibt nun eine dreifache Ordnung. Die erste Ord­ nung ist diejenige, welche die menschliche Vernunft nichr schafft, sondern als gegeben vorfindet und betrachtet. Es ist dies die Ordnung der Naturdinge, des realen Seins. Die zweite Ordnung ist jene, welche unsere denkende Vernunft in ihren eigenen Funktionen und Akten bewirkt, wenn sie ihre Begriffe zueinander ordnet oder auch die sprachlichen Zeichen der Begriffe regelt. Es ist dies die Ordnung des Gedachtseins. Die dritte Ordnung ist diejenige, welche die Vernunft in den Handlungen des Willens hervor­ bringt. Es ist dies die Ordnung des Seinsollens, die sitt­ liche Ordnung. Diese von Thomas so entwickelte dreifache Ordnung bildet auch den Einteilungsgrund der Philosophie in ihre Haupt­ disziplinen. Die Erforschung der realen Ordnung, der Ord­ nung der Dinge, welche die menschliche Vernunft betrachtet, aber nicht hervorruft, ist das Arbeitsgebiet der philosophia naturalis, der Naturphilosophie (Realphilosophie) im weite­ ren Sinne, unter welche Thomas hier auch die Metaphysik mit einbegreift. Die Ordnung aber, welche die Vernunft in

Die Philosophie des hl. Thomas v. Aquin.

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ihren eigenen Denkakten setzt, ist Gegenstand der philosophia rationalis, oder der Logik. Die Ordnung endlich der frei­ willigen Willenshandlungen unter sich und zum Endziel ist In h alt der philosophia moralis, der Ethik. Die Logik hat die Akte der menschlichen Vernunft so zu regeln, daß der Mensch in seiner Denktätigkeit ordnungs­ gemäß leicht und ohne Irrtu m voranschreiten kann. Die Logik steht an der Spitze der philosophischen Fächer und muß auch zuerst studiert werden, da sie Methodenlehre ist, das allen Wissenschaften gemeinsame methodische Ver­ fahren lehrte Die Realphilosophie, die philosophia naturalis im weiteren Sinne, welche das reale S ein zu behandeln hat, wird von Thomas im Anschluß an Aristoteles und Boethius nach den verschiedenen Stufen und Graden der Abstraktion in drei Wissenschaften gegliedert. Es können die Naturdinge einmal mit all ihren sinnenfälligen empirischen Eigenschaften be­ trachtet werden. Diese Aufgabe fällt der philosophia natu­ ralis im engeren Sinne zu. I h r Objekt ist das ens mobile. Es kann ferner von Bewegung und sinnenfälliger Materie abstrahiert werden und es können die Naturdinge bloß nach der Ausdehnung betrachtet werden. Damit ist das Arbeits­ gebiet der Mathematik gegeben, deren Objekt das ens quantum ist. Schließlich kann das Sein der Dinge losgelöst von sinnenfälliger Materie, Bewegung und auch Ausdehnung ins Auge gefaßt werden. Das S ein als solches (ens inquantum ens) mit seinen allgemeinsten Eigenschaften und Zusammenhängen, die die Wege zum absoluten göttlichen Sein weisen, ist das Wissensgebiet der Metaphysik. Die Moralphilosophie oder praktische Philosophie gliedert sich, je nachdem sie durch ihre Normen das Leben der Einzel­ menschen, der Familie und des S taates ordnet, in Ethik, Ökonomik und Politik. Gr a b ma n n , Geschichte der Philosophie. 111.

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III. Naturphilosophie. Die Naturphilosophie des hl. Thomas ist vor allem durch die konsequent durch- und weitergedachte Theorie der erstell Materie (materia prima) und der substantialen Form charak­ terisiert. Thomas hat hier von allen Scholastikern den Geist des aristotelischen Hylomorphismus am tiefsten erfaßt und die aristotelische Lehre weitergebildet, wobei auch neuplato­ nische und augusünische Gedankenelexnente, wenn auch im untergeordneten Maße, dem peripatetischen Hauptgedanken sich verbanden. Jedes Naturding vom anorganischen Wesen bis zum Menschen ist eine Synthese aus Materie und Form. Gegenüber der Franziskanerschule, welche auch in den Geist­ wesen eine Zusammensetzung aus M aterie und Form sahen, bestimmt Thomas die geistigen Wesen als bloße subsistente Formen und die reingeistigen mit keinem Körper zur Natureinheit verbundenen Wesen als getrennte Formen (formae, substantiae separatae). Die erste M aterie ist das bestim­ mungslose und allbestimmbare Substrat aller Naturdinge, das bleibende Subjekt für das Entstehen und Vergehen im Naturlauf, sie ist reine, jedoch reale Potentialität der ge­ samten physischen Natur. Die M aterie hat als reine Potenz keine eigene Existenz, sie hat ein S ein nur durch die mit ihr verbundene Wesensform. Thomas lehnt in seiner Betonung der reinen Potentialität und Passivität der ersten Materie die von Bonaventura und der Franziskanerscholastik ver­ tretene Anschauung ab, daß in der Materie die realen Keime (rationes seminales) der aufeinander folgenden durch die Wirkungsursachen zur Entfaltung gebrachten Wesensformen enthalten sind. Die unbesümmte Materie wird durch die substantiale Form in den verschiedenen Spezies der Natur­ dinge determiniert. Die substantiale Form ist das mit der ersten Materie unmittelbar verbundene, Seinsbestimmtheit

Die Philosophie des hl. Thomas v. Aquiu.

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verleihende Prinzip, durch welches ein Ding zuerst das Sein erhält (actus primus) und als Natursubstanz konsütuiert wird. Da aus dem S ein das Tätigsein fließt, deswegen ist die Form auch das Tätigkeitsprinzip des Dinges. Die Materie ist sonach das passive, Sein und Wirken empfangende Prinzip, die Form ist das aktive, Sein und Wirken gebende Prinzip im Naturding. Materie und Form sind als Prinzipien der Passivität und Aktivität der Naturdinge die Voraussetzungen für das Aufeinanderwirken derselben und damit auch für deren Zusammenhang und Zusammenklang zu einen: Ganzen. „Die Dinge von verschiedener Natur können nur dadurch zu einer Einheit der Ordnung verbunden werden, daß die einen tätig sind und die anderen passiv diese Tätigkeit in sich auf­ nehmen." Tie Formen sind weiterhin als Tätigkeitsprin­ zipien auch zielstrebige Prinzipien, Zweckprinzipien des Naturgeschehens. Tie Naturauffassung des hl. Thomas ist eine teleologische. I n der Form tritt die Zweckmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Dinge, deren ratio, deren ideales Moment unserem Denken entgegen. I n der Form ist das Ding geistig erkennbar, in der Form leuchtet uns das Abbild des göttlichen Gedankens entgegen. Die Form ist wie das seingebende, so auch das einheit­ gebende Prinzip im Tinge. Dieser Gesichtspunkt kommt in zwei thomistischen Eigenlehren zur Geltung, in der Lehre von der Einheit der substantialen Form und in der Lehre vom Individuationsprinzip. Thomas hat namentlich in seinen späteren Schriften die Einheit der substantialen Forn: in den anorganischen Wesen, in Pflanzen und Tieren und be­ sonders auch im Menschen betont und damit die P luralitäts­ theorie der Franziskanerschule, d. h. die Annahme mehrerer substantialer Fornren in ein und demselben Ding, wodurch ein Ding ein Körper (forma corporeitatis), ein Lebewesen, ein Mensch ist, entschieden abgelehnt. Die substantiale Form 6*

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verleiht dem Ding das erste und substantiale S ein , konstituiert z. B. ein organisches Wesen zugleich als Körper und als be­ lebten Körper, so daß alle weiter hinzutretenden Formen nur akzidentelle Formen und akzidentelle Veränderungen bedeuten. Die Form gibt so dem Naturding die physische Einheit. I n der Form liegt auch die spezifische Einheit, in der unser Denken Gruppen von Naturdingen zusammenfaßt, sachlich begründet. Wir haben schon früher auf den Zusammenhang zwischen der Lehre von Materie un^d Form und zwischen dem gemäßigten Realismus in der thomistischen Univer­ salienlehre hingewiesen. Während die Form das spezifizie­ rende Prinzip ist, besümmt Thomas die Materie als das Individuationsprinzip, d. h. als den tieferen Grund, warum Wesenheit und Individuum in den Naturdingen nicht das gleiche sind, sondern viele Individuen ein und dieselbe spezi­ fische Wesenheit besitzen. Und zwar ist das Jndividuationsprinzip nicht die m ateria prim a schlechthin, sondern die m ateria signata, d. h. die nach ihren Größen- und Entfer­ nungsverhältnissen bestimmte Materie. I m Bereiche der reingeisügen Wesen fällt, da keine Zusammensetzung mit der Materie vorhanden ist, Individuum mit Spezies zusammen, jedes einzelne reingeisüge Wesen ist vom anderen artlich verschieden. Thomas geht auch hier wie in der Lehre von der Einheit der substantialen Form selbständig und unbeirrt von der gegenteiligen Auffassung der Zeitgenossen die Wege, die ihm die strenge Konsequenz seines Denkens vorzeichnet. IV. Psychologie.

Die aristotelische Richtung der thomistischen Philosophie tritt wohl am deutlichsten in der Psychologie zutage, der Thomas umfangreiche Darlegungen gewidmet hat. Indessen

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sind auch hier augusteische Motive in den aristotelischen Ge­ dankenbau eingefügt. W esen d er S e e le . Thomas hat sich die aristotelische Seelendesinition, wonach die Seele die Entelechie, die erste Wirklichkeit eines physischen lebensfähigen, also orga­ nischen Körpers ist, angeeignet und strenge durchgeführt. Die menschliche Seele ist vor allem als das erste und imma­ nente Prinzip der intellektuellen Betätigung aufzufassen. Aus der Denktätigkeit erschließt Thomas die Unkörperlich­ keit, Jm m aterialität und G eistig k eit der Menschenseele. Der Mensch kann durch seinen Intellekt die Naturen aller Körper erkennen. Wäre die menschliche Seele, das Prinzip der Denktätigkeit, selbst etwas Körperliches, würde sie ihre Denktätigkeit durch körperliche Organe vollziehen, dann wäre sie so determiniert und beschränkt, daß sie unmöglich die Wesenheiten aller körperlichen Dinge erkennen könnte. Die ungehemmte Expansivkraft des menschlichen Denkens ist sonach ein Beweis dafür, daß die Menschenseele, das Prinzip dieser Denkkraft, nichts Körperliches, sondern etwas I m ­ materielles und Geistiges ist. F ü r die Geistigkeit der Seele spricht auch das Selbstbewußtsein, die Fähigkeit des Intellekts über sich und seine Tätigkeit zu reflektieren. M it der Jm m aterialität und Geistigkeit der Menschenseele ist auch deren S u b s ta n tia litä tin n ig verbunden. Die Seele übt als Prinzip der Denktätigkeit Funktionen aus, an welchen der Leib nicht teil hat. Was aber durch sich selbst tätig ist, ist auch durch sich selbst, das ist subsistent, da ja Seinsweise und Tätigkeitsweise einander entsprechen. Am Denken hat der Leib keinen Teil, da er nicht Organ geistiger Tätigkeit ist. Es hat nur indirekt für das geistige Erkennen Bedeutung, insofern körperliche Organe für die Zuleitung von Erkennt­ nismaterial an den Intellekt tätig sind. Durch ihre S ub­ sistenz unterscheidet srch dieMenschenseele auch durchgreifend

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von der Tierseele, die keine von der M aterie sub­ jektiv unabhängige Tätigkeit und kein von der M aterie u n ­ abhängiges selbständiges S ein besitzt. Aus der Geistigkeit und Subsistenz der Menschenseele er­ gibt sich auch ihre Unzerstörbarkeit und U n ste rb lich k e it. T a die Menschenseele ein subsistentes S e in hat, hört sie nicht auf, wenn etwas anderes m it ihr verbundenes, nämlich der Leib zerstört wird. An diese ontologische Erw ägung schließt sich noch ein psychologisches A rgum ent. D er M en­ schenseele wohnt das naturhafte Vergangen inne, im m erdar zu sein. Ein solch naturhaftes V erlangen kann nicht eitel T rug sein. Folglich ist die Menschenseele unsterblich. V e r h ä l t n i s v o n L e ib u n d S e e l e . I n der Bestim­ mung des Verhältnisses von Leib und S eele verläßt Thom as die platonijch-augustinische Auffassung, derzufolge schließlich die Seele der wahre Mensch ist und der Leib nur als O rgan der Seele, nicht aber als ein menschliches Wesenskonstitutiv erscheint. Thom as faßt den Menschen als eine N atureinheit aus Leib und S eele und spricht in Anwendung der aristo­ telischen Lehre von M aterie und F orm das V erhältnis von Leib und S eele also au s: D a s P r i n z i p d e r D e n k t ä t i g ­ k eit, d ie v e r n ü n f t i g e S e e l e , ist d ie W e s e n s fo r m d e s m en sch lich en L e ib e s . S eine B egründung hierfür ist diese: T e r erste und tiefste Tätigkeitsgrund in einem T inge ist die substantiale F orm dieses Dinges. N un ist die menschliche Geistseele der erste und tiefste Tätigkeitsgrund im Menschen, insofern auf sie alle B etätigungen und E r­ scheinungen des vegetativen, sensitiven und intellektuellen Lebens in uns sich zurückführen. Folglich ist die geistige M en­ schenseele die Wesensform im Menschen. Thom as führt diese Grundthese seiner Psychologie auch konsequent durch. Gegenüber dem Monopsychismus der lateinischen Averroisten an der Pariser Universität, welche

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die Verbindung der für alle Menschen numerisch einen Geist­ seele mit dem Körper nur als eine Einheit der Tätigkeit auf­ faßten, weist Thomas nach, daß es ebenso viele menschliche Geistseelen, ebenso viele menschliche substantiale Formen gibt, als menschliche Leiber existieren. Weiterhin nimmt der Aquinate gemäß seiner uns schon bekannten Lehre von der Einheit der substantialen Form nur eine einzige Seele im Menschen an, die Geistseele, durch welche der Mensch ein denkendes, empfindendes, lebendes Wesen, körperlich, eine Substanz und ein Ding ist. Da die Geistseele die einzige substantiale Form im Menschen ist, deshalb ist auch die Ver­ bindung von Leib und Seele eine unmittelbare, durch keine andere Form vermittelte. Diese scharfe Betonung der Ein­ heit der substantialen Form im Menschen wurde von der augustinisch gerichteten Franziskanerschule als Neuerung heftig bekämpft. Nach Bonaventura und seiner Schule ist die Seele aus Materie und Form zusammengesetzt. Leib und Seele sind zwei Substanzen, die ein Wesen werden dadurch, daß die Seele dem Körper das Leben mitteilt, aber nicht das Körpersein. Die augustinische Tradition kommt in der Besümmung des Sitzes der Seele zur Geltung, indem Thomas die schon Plotin geläufige Formel gebraucht: Die Seele ist ganz im ganzen Leibe und ganz in jedem Teile des Leibes. S e e le n k rä fte . Die Seele übt ihre Tätigkeiten nicht unmittelbar durch sich selbst aus, sondern durch reale P o­ tenzen, die von ihr real verschieden sind. Thomas übernimmt die durch Avicenna weitergebildete aristotelische Bermögenstheorie und entfernt sich damit von der noch bei Wilhelm v. Auvergne vertretenen augusünischen Lehre, welche zwischen Seelensubstanz und Seelentätigkeiten keine Seelen­ kräfte einschiebt. Mit Aristoteles nimmt Thomas fünf Grund­ arten von Seelenkräften an, die er nach ihren spezifischen

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Objekten ableitet und gliedert: die vegetativen Vermögen, die Kräfte der Sinneswahrnehmung (die fünf äußeren Sinne und vier inneren S inne: Gemeinsinn, Phantasie, sinnliche Urteilskraft, sinnliches Gedächtnis), das sinnliche Begehrungsvermögen, das Vermögen der willkürlichen Be­ wegung und die intellektuellen Potenzen (Verstand und Wille). E rk e n n tn isp sh c h o lo g ie . Die Eigenart der Psychologie des hl. Thomas tritt uns in seiner Theorie vom geistigen Er­ kennen des Menschen, in der Erörterung der Frage nach dem Ursprung unserer Ideen entgegen: I n der Erkenntnis­ psychologie des 13. Jahrhunderts bemerken wir zwei Haupt­ richtungen: die an Augustinus sich eng anschließende F ran­ ziskanerschule (Bonaventura, Matteo d'Aquasparta, Roger Marston usw.) und die an Aristoteles sich haltende Denk­ richtung Alberts d. Gr. und ganz besonders des hl. Thomas und seiner Schule, Es stehen sich hier die zuerst von Fr. Ehrle in ihrer philosophiegeschichtlichen Tragweite erkannten Gegen­ sätze des Augustinismus und Aristoteleismus einander gegen­ über. Der Augustinismus betont die physische Aktivität im Erkenntnisvorgang, die aristotelisch-thomistische Erkenntnis­ psychologie hebt die Passivität und Rezeptivität der Erkennt­ nispotenzen hervor und faßt das Erkennen als ein Abbilden der in der Erfahrung gegebenen Wirklichkeit auf. Weiterhin berücksichtigt die platonisch-augustinische Richtung weniger die Bedeutung der Sinneswahrnehmung für das geistige Er­ kennen, Thomas hingegen lehrt einen innigen Zusammen­ hang zwischen sinnlicher und geistiger Erkenntnis. Sehen wir nun kurz, wie Thomas sich den geistigen Er­ kenntnisprozeß zurechtlegt. Unser Intellekt ist an sich passiv rezeptiv, er gleicht, wie Aristoteles sagt, einer leeren Tafel, auf der nichts geschrieben steht. I m Anschluß an Aristoteles unterscheidet Thomas einen intellectus agens und intellectus

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possibilis, einen tätigen unb potentiellen Intellekt. Der tätige Intellekt beleuchtet die Phantasmata, die aus der Sinneserfahrung entstandenen inneren Anschauungsbildei oder Jndividualvorstellungen, und hebt durch Abstraktion das allgemeine Ideelle und daher der Natur des Intellekts entsprechende aus dem durch die Sinneswahrnehmung zu­ geführten und durch die Phantasm ata der Denkkraft reprä­ sentierten Erkenntnismaterial heraus und schafft hierdurch Denkbilder (species intelligibiles), denen in der Begriffs­ bildung die bedeutsame Funktion zufällt, den potentiellen Intellekt aus seiner Passivität zur Setzung des geistigen Erkenntnisaktes zu bestimmen. Der Erkenntnisakt vollzieht sich nämlich nicht durch den tätigen Intellekt, sondern durch den intellectus possibilis, der durch die species intelligibiles zur begrifflichen Erfassung des Wesens der Außendinge ge­ führt wird. Die Objektivität und Realität dieser geistigen Erkenntnis wird von Thomas dadurch betont und gewahrt, daß das den Außendingen immanente Wesen als Objekt des Erkennens, als das was erkannt wird (id, quod intelligitur) bezeichnet wird. Das Denkbild, die species intelligibilis ist das, wodurch etwas erkannt wird (id, quo intelligitur). Diese Erklärung der begriffsbildenden Tätigkeit will indessen keineswegs besagen, daß in müheloser automatischer Wesens­ schau auf diese Weise das Wesen der Dinge restlos erkannt wird. Thomas macht häufig darauf aufmerksam, daß wir durch einen Schluß von den Akzidentien auf die Substanz zur Erkenntnis des Wesens der Dinge vordringen, daß die Induktion die Wege zur Erkenntnis des Allgemeinen be­ reitet, und daß durch die verbindende und trennende Tätig­ keit des Urteils und durch Schlußfolgerungen das was in einem Dinge ist, sich uns enthüllt. I n der Bestimmung des Erkenntnismediums, der Erkennt­ nisquelle, aus der unser Intellekt seine Erkenntnisinhalte

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entnimmt, geht Thomas wiederum aristotelische Wege. Dieses Erkenntnismedium ist nicht die Seelensubstanz, da Gott allein alles durch sein Wesen und in seinem Wesen erkennt, dieses Er­ kenntnismedium sind auch nicht die eingeborenen Ideen im Sinne Platos und auch nicht die ewigen göttlichen Ideen der augusünischen Spekulation. Die augustinische Jlluminationstheorie,dieLehre von der cognitio in rationibus aeternis wird von der Franziskanerschule des 13. Jahrhunderts als ein durch Be­ rührung unseres Intellekts mit den göttlichen Ideen gegebene Einstrahlung höchster Wahrheiten auf unseren Intellekt, der so inhaltlich die Wahrheiten in den göttlichen Ideen schaut, ge­ deutet. Thomas faßt die göttlichen Ideen nicht als Erkenntnis­ medium, sondern als erstes effektives Erkenntnisprinzip, inso­ fern unser Vernunftlicht eine Teilnahme am göttlichen Licht ist. Das Erkenntnismedium unserer gesamten geistigen Er­ kenntnis ist nach Thomas die Erfahrung. Unser Erkennen nimmt von den Sinnen seinen Ausgang und Anfang. Die Sinneserfahrung ist indessen nur in objektiver Hinsicht Quelle unserer geistigen Erkenntnis, die Eigengesetzlichkeit und selb­ ständige Aktivität des geistigen Erkennens in subjektiver Hin­ sicht wird hiermit keineswegs im Sinne des Empirismus be­ einträchtigt und verwischt. Der Unterschied zwischen Jndividualvorstellung und Idee ist voll und ganz gewahrt. Tl)omas führt seine These, daß die Sinneserfahrung der Ausgangspunkt der geistigen Erkenntnis ist, in bezug auf alle Objekte unseres geistigen Erkennens entschieden durch. Zu­ nächst erkennt unser Intellekt die körperlichen Dinge jedoch aus eine immaterielle, dem Sein und Wesen unserer geistigen Er­ kenntniskraft konforme Weise. Das an sich Unkörperliche, Transzendente und Reingeistige, von dem es keine Phantasie­ vorstellungen geben kann, denken wir nach Analogie und mit Verwertung des Sinnenfälligen, indem wir die aus der Er­ fahrung geschöpften Begriffe durch Vergleichung, Verneinung,

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Steigerung usw. für transzendente Inhalte adaptieren. Sich selbst erkennt die Seele nach Thomas nicht durch ihre Wesen­ heit, wie dies die Franziskanerschule lehrte. Unser Intellekt gewinnt die Taseinserkenntnis der Seele aus der inneren Wahrnehmung der seelischen .Akte, die Wesenserkenntnis der Seele wird durch sorgsame und tiefgehende Untersuchung (diligens et snbtilis inquisitio) der Natur der seelischen Akte geschöpft. V. Metaphysik. T en Abschluß der spekulativen Philosophie, die das reale Sein aus den tiefsten Gründen und Ursachen erkennen will, bildet die Metaphysik, die wir in drei Teile zerlegen, in die Seinslehre, in die Gotteslehre und in die Lehre vom Berhältnis zwischen Gott und der Welt. 1. S e in s le h re . I n seiner Seinsmetaphysik bietet Thomas eine feindurch­ dachte Synthese aristotelischer und augustinischer Metaphysik. Auch die arabische Philosophie, besonders Avicenna und neu­ platonische Gedanken gaben Motive her für dieses metaphy­ sische Lehrgebäude. Aristotelisch ist die empirische Grundlegung und der Aufriß, augustinisch ist die in göttliche Sphären ragende'Krönung. T ie thomistische Seinslehre hat das aus der empirischen Wirklichkeit abstrahierte Sein als solches, die Be­ deutungen, Eigentümlichkeiten und Gesetzmäßigkeiten usw. des Seins zum Gegenstand und ruht auf der erkenntnistheo­ retischen Überzeugung, daß unser Intellekt durch die Erschei­ nungen hindurch zum Sein und Wesen der Tinge vordringen kann, daß also das Sein durch unser Tenken erreichbar ist. Die Erkenntnispsychologie hat uns die Wege gezeigt, auf denen unser Intellekt den Weg zum Seienden sich bahnt. Unser Intellekt erkennt das Sein als die erste grundlegende Be­ stimmtheit,' unter welchem sich ihm alle Gegenstände zeigen.

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Da das Sein aus der empirischen Wirklichkeit abstrahiert ist, deshalb ist die thomisüsche Seinsmetaphysik von unten nach oben konstruiert, nicht wie die neuplatonische Metaphysik von oben naä) unten. Augustinisch ist das Aufstreben der Seins­ lehre zum Gottesgedanken. Das endliche und mitgeteilte Sein deutet empor zum unendlichen und wesenhaften absoluten Sein, die Eigenschaften des Seins, die Einheit, Wahrheit und Güte haben im göttlichen Sein ihren Urgrund, die Ursachen des Seienden führen zur ersten Ursache zurück. Thomas v. Aquin hat eine hohe Auffassung von der Meta­ physik, er nennt sie im Anschluß an Aristoteles omnium scientiarum rectrix et regulatrix und begründet dies damit, daß sie die im höchsten Grade geistige Wissenschaft (maxime intellectualis) ist. Sie ist die am meisten geistige Wissenschaft, weil sie die am meisten intelligiblen, dem Sinnlichen entrückten Gegenstände behandelt. Sie befaßt sich mit den tiefsten Gründen des Seienden, mit den allgemeinsten Begriffen und Prinzipien, mit den am meisten vom Materiellen losgelösten Objekten. Thomas hat, um den Hauptinhalt seiner Seinslehre uns zu vergegenwärtigen, mit souveräner Beherrschung des Gegen­ standes die B e d e u tu n g e n des S e ie n d e n festgestellt und den aristotelischen Gedanken eine ungemein klare Fassung und eine weiterbildende Systematik gegeben. Das Sein ist das­ jenige, was unser Intellekt zuerst als das Bekannteste erfaßt und in welches er all seine Begriffe auflöst. Alle anderen Be­ griffsinhalte besagen Hinzufügungen zum Seinsbegriff, Be­ stimmungen, gleichsam Verdichtungen des Seinsbegriffes. Da zum Sein nichts hinzugefügt werden kann, was nicht sclbst wieder irgendwie ein Sein ausdrückt, deswegen ist der Seinsbegriss kein Gattungsbegriff, kein univoker eindeutiger, sondern analoger Begriff, der in unendlichem Bogen von den Grenzen des Nichts bis zu Gottes absolutem Sein sich erstreckt. Diese

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Analogie des Seinsbegriffes ist eine Fundamentallehre der thomistischen Metaphysik, die gerade fü r die Gotteslehre von grundlegender Bedeutung ist. Duns Skotus hat den Seins­ begriff als einen univoken B egriff gefaßt. Die zwei Grundbedeutungen des metaphysischen Seins­ begriffes sind Wesenheit und Dasein. Aus der arabischen Philo­ sophie (Mfarabi) und auch unter augustinisch-neuplatonischem Einfluß war in die Scholastik seit W ilhelm v. Auvergne die S treitfrage gedrungen, welcher Unterschied zwischen Wesen­ heit und Existenz in den Dingen bestehe. Thomas hat einen realen Unterschied gelehrt, w eil so der Unterschied zwischen dem relativen kontingenten geschöpflichen Seienden, fü r welches die Existenz nicht etwas durch das Wesen Gefordertes ist, und dem absoluten notwendigen göttlichen Sein, bei welchem die Existenz vom Wesen gefordert ist, zum Wesen gehört, schärfer hervortritt. Die Geschöpfe haben ein Sein, G ott ist das Sein, in ihm ist Wesenheit und Existenz absolut identisch. Die Bestreitung des realen Unterschiedes zwischen Wesenheit und Existenz in den D ingen durch Heinrich v. Gent u. a. hat die ältesten Schüler des hl. Thomas veranlaßt, diese Lehre vom realen Unterschied zwischen Wesenheit und Dasein noch weiter auszubauen. V on Aristoteles hat Thomas die grundlegende Einteilung des Seins in Potenz (Seinsanlage) und Akt (Seinsvollen­ dung), Seinswirklichkeit übernommen, weiter gebildet und fü r philosophische wie auch theologische Fragen in Anwendung gebracht. D ie Begriffe Potenz und Akt, zwei Grundpfeiler der thomistischen Metaphysik, stützen bei Thomas auch das KausalitätsgeseK, welches die Brücke fü r die Gottesbeweise bildet. A u f der Erkenntnis des Seins als solchen und der dem S ein als solchen zukommenden Eigentümlichkeiten beruht nach Thomas auch die Erkenntnis der obersten Denk- und

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Seinsprinzipien. Das erste dieser P rinzipien ist das K ontra­ diktionsprinzip, daß man ein und dasselbe (unter dem näm­ lichen Gesichtspunkte) nicht zugleich bejahen und verneinen kann. Dieses P rinzip stützt sich auf den B e g riff des Seins und Nichtseins, läßt sich auf kein höheres P rin zip zurück­ führen und ist Voraussetzung fü r die anderen höchsten P rin ­ zipien. Dieselben, darunter auch der Satz vom zureichenden Grunde und das Kausalitätsgesetz, lassen sich auf das K ontra­ diktionsprinzip zurückführen, das als 'erstes und höchstes P rinzip Stütz- und Ausgangspunkt, letzter H alt und erstes Regulativ aller Beweisführung ist. Doch es kommt diesen höchsten P rinzipien nicht bloß logische Bedeutung als Denk­ prinzipien zu, sie beanspruchen auch objektive und transzen­ dentale Bedeutung als Seinsprinzip. Da das Kontradiktions­ prinzip und in ihm auch die anderen obersten P rinzipien sich auf den S einsbegriff stützen und das S ein von unserem I n ­ tellekt als etwas Objektives und Transsubjektives erreicht wird, deswegen kommt diesen obersten P rinzipien auch eine objektive, Iranssubjektive Tragkraft zu. D a der Seinsbegriff ein analoger und damit kein in bestimmte Gattungen eim geengter B e g riff ist, deswegen kommt diesen P rinzipien auch eine transzendentale, über die empirische Weltwirklichkeit hinausgreifende absolute Geltung zu. Thomas hat dieser Prinzipienlehre eine große grundlegende Bedeutung bei­ gelegt. Auch in dieser Prinzipienlehre gibt Thomas dem aristotelischen Gedankenbau eine augustinische Krönung. Die ersten P rinzipien der Erkenntnis sind ein Abbild der gött­ lichen W ahrheit im Geiste aller, sie haben ihre metaphysische Wurzel in G ott. I m göttlichen Denken ist die letzte G rund­ lage ihrer J n fa llib ilitä t und Unwandelbarkeit. Auch in der Erklärung der allgemeinsten Eigenschaften des Seins, vor allen: der ontologischen W ahrheit und Güte klingen augusti­ nische Gedanken m it.

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Die grundlegende Besonderung des Seienden in substan­ tielles und akzidentelles S ein hat Thomas von Aristoteles übernommen und weiter ausgebaut. D er Schwerpunkt der gesamten Seinslehre liegt fü r Thomas auf dem Substanz­ begriff, seine Metaphysik ist Substanzmetaphysik. Substanz ist ein D ing, dessen N a tu r es gebührt, nicht in einem anderen zu sein; Akzidenz hingegen ist ein Ding, dessen N atur es ge­ bührt, in einem anderen zu sein. Das Selbständigsein, das in sich selbst und nicht in einem anderen sein, ist das primäre Element im Substanzbegriff, das im eminentesten Sinne 6et G o tt zu trifft. Das Trägersein von Akzidenzien ist das sekun­ däre, nur den geschöpflichen Substanzen zukommende Merk­ mal des Substanzbegriffes. M it Aristoteles unterscheidet Thomas eine erste Substanz, das konkrete Einzelwesen (Sokrates) und eine zweite Substanz, die von unseren! Denken aufgefaßte und vom Einzelding ausgesagte spezi­ fische oder allgemeine Wesenheit. I m prim ären und eigent­ lichen S inne versteht man unter Substanz die erste Substanz. Substanz wie auch Akzidentien sind in der Auffassung des Aquinaten nicht subjektive Denkformen, sondern Seinsbestimmtheiten. Thomas war durch keinerlei phänomenalistische oder aktualistische Zeitströmung veranlaßt, sich einläßlich m it der R ealität und m it dem psychologischen Ursprünge des Substanzbegriffes zu befassen. Doch hat er, wie w ir schon sahen, in der Psychologie den realen Unterschied zwischen Seelensubstanz und Seelenkräften schärfer als die anderen Scholastiker betont und damit die Seelen­ substanz als den realen Einheitsgrund alles seelischen Ge­ schehens dargetan. Thomas ist ganz allgemein von der Existenz von Substanzen so überzeugt, daß nach ihm das S ein im eigentlichsten und wahrsten S inne den Substanzen zukommt. I m Anschluß an die dogmertgeschichtliche Terminologie

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heißt eine Einzelsubstanz, die in sich geschlossen, selbständig und unmitteilbar ist, Suppositum oder Hypostase. Ist diese Hypostase ein vewunftbegabtes Wesen, dann heißt sie Person. Person bedeutet das vollkommenste in der ganzen Natur, das Fürsichbestehen des geisttgen Individuums. Da durch das geisüge Leben, vor allem durch Selbst­ bewußtsein und Selbstbestimmung sich in der Person die Selbständigkeit der Hypostase darstellt, so ist dieser onto­ logische Personenbegriff die Grundlage für die psycho­ logische und ethisch-rechtliche Bedeutung von Person und Persönlichkeit. Mit dem Substanzgedanken steht als zweites Grundelement der thomistischen Seinslehre der Kausalgedanke in innigem und innerem Zusammenhange. Thomas hat von Aristoteles die vier Ursachen: wirkende (bewegende), materiale, formale und finale Ursachen überkommen und dazu noch die platonisch-augustinische Exemplarursache gefügt. Die Lehre von der Wirkursache hat durch ihn eine Vertiefung erfahren, in­ sofern er eine eingehende Theorie der instrumentalen Ur­ sache für theologische Probleme ausgearbeitet hat. Das Kausalitätsgesetz, dessen Iranssubjektive und transzendentale Geltung in der Lehre von den obersten selbstgewissen P rin ­ zipien begründet ist, wird von unserem Scholastiker in den aristotelischen Formulierungen ausgesprochen: „Alles, was bewegt wird, muß von einem anderen bewegt werden" und: „Nichts Potentielles kann in den Akt übergeführt werden außer durch etwas, was schon im Akt ist". Auch die Final­ ursache hat durch Thomas eine weiterbildende Untersuchung und ausgiebige Verwertung in Naturphilosophie, Psycho­ logie, Ethik und Theologie gefunden. Überhaupt durchherrscht die kausale und finale Betrachtungsweise die ganze thomistische Weltanschauung.

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2. G o tte s le h re . D ie Krönung der thomisttschen Seinsmetaphysik ist die philosophische Gotteslehre, die Vernunftlehre über das abso­ lute wesenhafte und notwendige göttliche Sein. A n der Spitze der thomisttschen Gotteslehre stehen die G o tte s b e w e is e , in deren Gestaltung und Form ulierung sich die Eigenart der thomisttschen Metaphysik widerspiegelt. Zuerst wixd die Frage erörtert, ob und wie Gottes Dasein beweisbar ist. D er Satz: G o tt existtert, ist fü r unseren end­ lichen In te lle kt kein analytisches, von selbst einleuchtendes U rte il wie etwa der Satz, daß das Ganze größer ist als sein Teil, sondern eine W ahrheit, die aus anderen Erkenntnissen abgeleitet werden kann und muß, also beweisbar und beweis­ bedürftig ist. V on einer angeborenen Gottesidee kann man höchstens in dem S inne reden, daß w ir durch unsere an­ geborene Denkkraft und die von selbst einleuchtenden obersten Denk- und Seinsprinzipien leicht zur Gotteserkenntnis ge­ langen können. Gottes Dasein kann und muß auf aposterioristtschem Wege, durch einen Schluß von den uns nahe­ stehenden und bekannten Wirkungen auf eine erste und höchste Ursache, auf dem Wege des kausalen Denkens erwiesen werden. Thomas hat denn auch entschiedener als seine Z e it­ genossen den aprioristtschen anselmianischen Gottesbeweis abgelehnt. D ie Gottesbeweise des hl. Thomas ruhen auf dem Kausalitätsgesetz und auf der metaphysischen Über­ zeugung, daß diesem auf das Jdentitäts- bzw. Kontra­ diktionsprinzip zurückführbaren Gesetze objektive und reale, d. h. im Bereiche des Wirklichen bestehende und transzenden­ tale, d. h. absolute, über die empirische W elt hinausreichende Geltung zukommt. A u f fü n f Beweiswegen fü h rt uns Thomas v. A quin zur Erkenntnis des Daseins Gottes. D er erste Beweis geht von der Erfahrungstatsache der Bewegung aus und schließt auf G r a b m a n n , Geschichte der Philosophie.

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einen ersten unbeweglichen Beweger. Die Stützen dieses Beweises sind die Erwägungen, daß sich nichts ganz aus und durch sich selbst bewegen kann und deshalb von einem anderen bewegt werden muß (Kausalitätsprinzip), und daß eine un­ endliche Reihe von Bewegern undenkbar ist. Dieser Beweis ist aristotelisch und von Thomas zum erstenmal in die Scho­ lastik übernommen worden. — Der zweite Beweis wird aus der Kette der bewirkenden Ursachen geführt. Die Reihe der bewirkenden Ursachen kann keine unendliche sein, sondern verlangt eine erste Wirkursache, die keinen Existenzgrund über sich hat. Eine Vorlage für diesen Beweisgang hatte Thomas, der ihn, wie auch den nächstfolgenden Beweis, zum erstenmal in der Scholastik entwickelt hat, bei Avicenna. — Der dritte Beweis, für den Moses Maimonides vorbildlich war, ist auf den Begriffen der Kontingenz und der Not­ wendigkeit aufgebaut und schließt auf ein erstes notwendiges Wesen. Daß die Weltdinge, die als kontingentes Sein an sich auch nicht sein konnten, tatsächlich existieren, ist nur ver­ ständlich, wenn ein notwendiges S ein und zwar, da man keine unendliche Reihe des notwendig Seienden annehmen kann, ein erstes notwendiges Wesen existiert. — Der vierte Beweis ist derjenige aus den Stufen der Vollkommenheit der Dinge. Die Erkenntnis verschiedener Abstufungen des Wahren, Guten usw. in den Dingen, führt uns zu einem höchsten vollkommensten Sein, das die Ursache aller Güte und Vollkommenheit in den Dingen ist. Dieser Beweis ist der Gedankenwelt Augustins und Anselms entnommen und durch Hinzufügung des Kausalgedankens wirksam gemacht. Der fünfte Beweis ist endlich der teleologische, der auch antiken Klassikern (Cicero, Seneca), der Patristik und Frühscholastik geläufige Schluß aus der Ordnung und Zielstrebigkeit der Welt auf eine höchste weltordnende Intelligenz.

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Liese Gottesbeweise begründen für Thomas nicht bloß Gottes Dasein, sondem zeigen auch die Wege zum Nach­ denken über Gottes Wesen und Eigenschaften. Die Gottes­ beweise zeigen uns in ihren Schlußergebnissen Gott als den ersten unbewegten Beweger und damit actus purus, als reinste Seinswirklichkeit, ohne jegliche Potentialität, ohne irgendeinen Schatten von Nichtsein und Möglichsein, als erste selber nicht beursachte Ursache alles Seienden, als das aus sich Seiende (ens a se), als schlechthin ewiges, not­ wendiges Wesen, zu dessen Begriff die Existenz gehört, als absolut vollkommenes Sein und als höchste Intelligenz. Mit eisemer metaphysischer Konsequenz hat Thomas aus diesen Ergebnissen der Gottesbeweise sich ein einheitliches meta­ physisches Gottesbild geschaffen, wobei Aristoteles und Avicenna, Augusünus, Pseudo-Areopagita und Johannes v. Damaskus glücklich verwertet wurden. Im Mittelpunkte der thomistischen Gottesidee steht der Gedanke: G o tt ist der schlechthin S e ie n d e , in dem auch nicht ein Möglichkeitsschatten des Nichtseins ist, die lauterste Wirklichkeit, Sein ohne Grenzen und Enden: Es ist dieses Sein nicht das allgemeinste abstrakte Sein, nicht das tö öv der Neuplatoniker, sondern ein unendlich reales, inhalts­ volles, geistiges, persönliches Sein. Von den Höhen dieses metaphysischen Gottesbegriffes flutet Licht auf die Mederungen des endlichen geschöpflichen Seins. Das geschaffene Sein verdankt dem göttlichen Sein seine innere und äußere Möglichkeit, seine Wirklichkeit, seine Wahrheit und Güte. Die Dinge sind Abbilder göttlicher Gedanken und haben dadurch Leuchtkraft für unseren I n ­ tellekt, der wiederum eine Teilnahme am göttlichen Denken ist und deswegen das von den Dingen ausstrahlende Wahr­ heitslicht in sich aufnehmen kann. Gott ist auch der Urgrund aller Vollkommenheit und Güte in den Dingen, Ziel des 7*

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Strebens des bewußten und unbewußten Seienden im Kosmos. S o thront über der Metaphysik des hl. Thomas nach augustinischem Vorbild der Gottesgedanke. Fast jede philosophische Betrachtung zielt nach Thomas auf die Er­ kenntnis Gottes ab. Seine Weltanschauung ist eine theo­ zentrische. Der Gottesgedanke ist für ihn nicht bloß Theorie, sondern Lebensinhalt und Lebensglück. Seine Überzeugung: Solus Deus voluntatem hominis implere potest erinnert an den augustinischen Satz: „Du hast uns für dich geschaffen und unser Herz ist unruhig, bis es ruhet ick dir." 3. V e r h ä ltn is zwischen G o tt u n d W elt. M it der Gotteslehre hängt, wie dies teilweise schon in den Gottesbeweisen nahegelgt ist, innig die Metaphysik des Ver­ hältnisses zwischen Gott und der Welt zusammen. Die Welt ist ein Werk der Schöpfungstat Gojtes. Alles Seiende ist von Gott geschaffen. Alles Seiende hat nämlich den Charakter des mitgeteilten Seins, das von einem Prinzip, in welchem das S ein nicht durch Teilnahme, sondem wesenhaft ist, d. h. von Gott hervorgebracht sein muß. Der Erweis für die Ent­ stehung der Welt durch Gottes Schöpfungstat ist sonach von der Gottesidee durchherrscht. Schöpfung ist Hervorbringung eines Dinges nach seiner ganzen Substanz, ohne daß zuvor irgendein Substrat vorhanden ist. Schöpfung ist nicht bloße Formierung des Stoffes, sie ist Substanzsetzung, sie ist nicht bloße Seinsbesonderung, wie sie den geschöpflichen Ursachen eigen ist, sondern Seinssetzung. Als Seinssetzung ist die Schöpfung eigenste und ausschließliche Gottestat. I n der Schöpfung ist Gott nicht bloß Erstursache (causa prima) im Sinne der ersten substanz- und seinsetzenden Wirkursache, er ist auch vorbildliche Ursache alles Seienden. Indem Gott Substanz und S ein setzt, substanzialisiert er sein" Göttlichen Ideen.

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Gott ist auch die höchste Zweckursache der Welt. Die Teleologie, die Zweckordnung in der Welt ist auf Gott hin­ gerichtet. Von den Bestandteilen des Universums ist jed­ wedes Geschöpf zunächst für seine eigene Tätigkeit und Voll­ kommenheit da und hierfür zweckmäßig eingerichtet. Weiter­ hin sind die niedrigeren Wesen wegen der höheren und vor­ nehmeren da. Die an Würde und Vollkommenheit unter dem Menschen stehenden Wesen sind des Menschen wegen geschaffen. Alle einzelnen Dinge sind wiederum auf die Vollkommenheit des Universums hingeordnet. Schließlich ist das ganze Universum mit all seinen Teilen und Teil­ zwecken auf Gott als Endzweck hingeordnet. I n allen Ge­ schöpfen strahlt die Macht, Weisheit und Güte Gottes wider zur Verherrlichung Gottes. Die vemunftbegabten Wesen haben auf eine besondere Weise G ott zum Endzweck, indem sie durch Erkennen und Liebe bewußt sich zu Gott hinordnen können und sollen. Seinen Schöpfungsbegriff und damit auch den Gottes­ begriff führt Thomas mit strenger Konsequenz durch in seiner Lehre von der göttlichen Welterhaltung, M twirkung und Vorsehung. T ritt im Schöpfungsbegriff, in der scharfen Be­ tonung des unendlichen Abstandes zwischen Gott, dem wesen­ haften Sein und den Geschöpfen als mitgeteiltem Sein vor allem die Transzendenz Gottes zutage, so zeigt sich in der Welterhaltung, M twirkung und Vorsehung die Immanenz Gottes in der Welt. Die Welterhaltung ist die fortwährende Mitteilung des bei der Schöpfung verliehenen Seins, ist fort­ gesetzte Schöpfung. Weil Gott den Dingen in Schöpfung und Erhaltung das Sein, also dasjenige, was den Dingen am innerlichsten ist, mitteilt, deshalb ist er auch in allen Dingen auf die innerlichste Weise mitwirkend tätig, bewegt er die Kräfte und Vermögen der Dinge zu den Täügkeiten hin und voraus, ohne daß jedoch die Eigentätigkeit der Geschöpfe

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okkasionalistisch verflüchtigt und die (Selbstbestimmung der ver­ nünftigen Geschöpfe deterministisch gelähmt würde. Die göttliche Vorsehung endlich ist der ewige im göttlichen Denken vorhandene P la n über die H inordnung der W eltdinge zu ihren: Ziel. Die zeitliche Verwirklichung dieses ewigen P lan es vollzieht sich durch die göttliche W eltregierung. Die Lehre von der göttlichen Vorsehung gibt auch die Lösung für das Problem des Übels, sowohl des physischen wie auch des moralischen, in der Welt. D ie physischen Übel will G ott nicht direkt, nicht um ihrer selbst willen, sondern n u r indirekt als M ittel zu einem höheren Zweck, insofern das physische Übel des einen D inges zur Vervollkommnung des anderen D inges oder auch des ganzen Universums beiträgt. W ürden alle physischen Übel aus der W elt entfernt, so würde au s der W elt auch manches sittlich G ute, z. B . die B etätigung der Geduld, barmherziger Nächstenliebe usw. beseitigt. D as sitt­ lich Böse kann G ott weder direkt noch indirekt wollen, aber er läßt es zu, weil er in seiner Allmacht, W eisheit und G üte au s dem Bösen G utes erwachsen lassen kann. Eine thomisttsche Eigenlehre ist die Theorie von der M ög­ lichkeit einer ewigen Weltschöpfung. W ährend Thom as die Weltschöpfung als eine apodiktisch beweisbare W ahrheit be­ trachtet, nim m t er bezüglich des „W ann" der Schöpfung einen kritischen S tandpunkt ein. Vom Vernunftstandpunkt kann weder Ewigkeit der W elt, noch der zeitliche W eltanfang demonstrativ bewiesen werden, die Zeitlichkeit der W elt­ schöpfung ist O ffenbarungs- und Glaubenslehre. W ährend die Mutikallimüns, B onaventura und die M ehrzahl der Scholastiker eine ewige Weltschöpfung für einen inneren Widerspruch und deshalb als unmöglich ansehen, ist T hom as bei der ihm eigenen Zurückhaltung in Aufstellung apodik­ tischer B ehauptungen und auch unter dem Einfluß des Moses M aimonides der Anschauung, daß die für den zeitlichen W elt-

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ansang vorgebrachten Gründe nicht evident und absolut zwingend sind, und deshalb die Möglichkeit einer ewigen Weltschöpfung offen bleibt. VI. Ethik und Staatsphilosophie. 1. Ethik. Die Ethik des hl. Thomas, namentlich wie sie in der S e ­ kunda seiner theologischen Sum m e uns als seine eindrucks­ vollste systematische Leistung entgegentritt, ist schon von seinen Zeitgenossen bewundert worden, sie ist ohne Zweifel die methodisch und inhaltlich wertvollste Ethik des Mittelalters. Thomas hat keine reinphilosophische, sondem eine christliche Ethik schreiben wollen, wobei er freilich auf die philosophische ethische Prinzipienlehre großes Gewicht legte. Die ganze Moral ist von Thomas aufgefaßt als motus rationalis creaturae ad Deum, als Bewegung der vemünftigen Kreatur zu Gott hin. Die Prima Secundae zeichnet diese Bewegung im allgemeinen, die Secunda Secundae schildert diese Bewegung im besonderen in der Verwirklichung des christlichen Lebensideals. An der Spitze der allgemeinen Moral steht als Ziel der Bewegung die Seligkeit. Diese Seligkeit, welche das letzte Endziel des Menschen darstellt, ist wesentlich und primär die unmittelbare Anschauung Gottes im Jenseits, eine über alles natürliche Können und Verstehen hinausragende Steigerung und Erhebung des geistigen und sittlichen Lebens zur Vereinigung mit dem absoluten gött­ lichen Geiste, jedoch ohne pantheistisches Aufgehen und Auf­ hören der menschlichen Persönlichkeit. Die M ittel nun, die zu diesem Endziel führen, sind die Handlungen des Menschen, die von Thomas zunächst als sittliche Handlungen genau untersucht werden. I n erster Linie wird in feinsinniger psychologischerAnalyse derAnteil des Willens an der sittlichen

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Handlung aufgezeigt und hierbei die Willensfreiheit als sub­ jektive Grundvoraussetzung des sittlichen Handelns nach­ drücklich betont. Nach ihrer objektiven inhaltlichen S eite sind die sittlichen Handlungen als gut oder auch als schlecht zu bezeichnen, je nachdem sie das von ihnen geforderte Seins­ maß, den ihnen zustehenden Vollkommenheitsgrad haben oder nicht. Die letzten Grundlagen und Wurzeln dieser objektiven Forderungen und Wertmaßstäbe liegen in Gott als dem Ur­ bild und der Ursache alles geschaffene^ Guten. Thomas ver­ bindet sonach die metaphysische und die psychologische Auf­ fassung des sittlichen Lebens, er stellt seine Ethik auf meta­ physischen Grund. Die psychologische Betrachtungsweise kommt auch in seiner eingehenden Darstellung und Würdi­ gung des Geinütslebens in seiner Bedeutung für das sitt­ liche Handeln zur Geltung. Die sittlichen Handlungen setzen auch Prinzipien voraus, innere und äußere. Die inneren Prinzipien sind die Tugend­ habitus. Das äußere über dem Menschen stehende Prinzip ist Gott, der durch sein Gesetz uns Norm, In h a lt und Sank­ tion des sittlichen Handelns gibt, und durch seine bewegende und erhebende Gnade diesem Handeln die innere Proportion und Hinordnung zum letzten Jenseitsziel verleiht. F ü r die Darstellung des dirigierenden und verpflichtenden Ein­ flusses göttlicher Gesetzgebung benützt Thomas die augustinische Lehre von der lex aeterna, worunter der den Charakter des Gesetzes aufweisende göttliche Weltregierungsplan zu verstehen ist. Der Abdruck dieses ewigen Gesetzes im Menschengeist ist das natürliche Sittengesetz. Dieses natür­ liche Sittengesetz promulgiert sich im Menschen alsbald beim Erwachen der Vemunft, indem er die obersten Prinzipien und Grundsätze des sittlichen Handelns mit derselben Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, wie die obersten Denk- und Seins­ prinzipien erkennt, und in sich auch die natürliche Wilsens-

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Neigung zur Verwirklichung dieser obersten unveränderlichen sittlichen Prinzipien verspürt. Dieser Habitus der Vemunft, mit dem sie diese obersten sittlichen Grundsätze leichter kennt, wird von Thomas mit dem Namen Synteresis bezeichnet, einem auch der Vorthomistischen Spekulation schon geläufigen psychologisch-ethischen Begriff. Die Synteresis entfaltet sich zum Gewissen, welches die sittlichen Prinzipien auf die ein­ zelnen Handlungen anwendet. Diese allgemeine philosophische Morallehre bildet die Unterlage für das himmelanragende Gebäude des christlichen Tugendlebens, das Thomas mit künstlerischer Gestaltungs­ kraft in der Secunda Secundae aufgeführt, und um das Heiligtum der Caritas, der übernatürlichen Gottes- und Nächstenliebe gruppiert hat. Es ist ohne Zweifel die Ethik des hl. Thomas, der Widerschein der harmonisch gestimmten ausgeglichenen und ausgleichenden Art seines Innenlebens. 2. S ta a ts p h ilo s o p h ie . Die Gesellschafts- und Staatslehre des hl. Thomas ist ge­ schichtlich besonders dadurch bedeutsam, daß sie die Ideen der aristotelischen Politik in die bis dahin ausschließlich augustinisch orientierte Sozial- und Staatsphilosophie der Scholastik einfügte und auch hier eine SynthesevonAugustinus und Aristoteles geschaffen hat. Die Gesellschafts- und Staatslehre des Aquinaten ist aus der sittlichen Ordnung ab­ geleitet, ruht auf ethischen und metaphysischen Grundlagen, ist von der Überzeugung ewig geltender, unverrückbarer, zu­ letzt in Gott verankerter Normen und Werte getragen. Der S ta a t ist eine Forderung der sittlichen Ordnung. Die menschliche N atur ist sozial veranlagt und drängt nach ihrer ganzen Beschaffenheit zur Gesellschaftsbildung in Familie, Gemeinde und S taat. Die staatliche Gewalt ist ein kon­ stitutives Element des aus der sozialen Beschaffenheit des

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Die Philosophie der Scholastik.

Menschen herausgewachsenen S taates und daher, wie dieser, eine Forderung und Hervorbringung der natürlich-sittlichen Ordnung, ist in der objektiven sittlichen Norm, die in dem Verhältnis der vemünftigen N atur des Menschen zu sich selbst, zum Mitmenschen und zu Gott gegeben ist, begründet. Die geschichtliche Entstehung der einzelnen S taaten und die rechtliche Begründung des S taates zieht Thomas nicht in den Kreis seiner Erörterungen. Er geht deswegen auch nicht auf die Vertragstheorie ein, der in der späteren Scholastik Franz v. Vittoria, Bellarmin und Suarez ihr Augenmerk zu­ gewendet haben. Thomas verbreitet sich auch über die verschiedenen Arten der Staatsgew alt und findet die beste Staatsform in der Monarchie, in der gerechten und gesetzmäßig geordneten Herrschaft eines Einzelnen, an dessen intellektuelle und ethische Eignung er hohe Anforderungen stellt. Die schlech­ teste Regierungsform ist die Tyrannis, die ungerechte Will­ kürherrschaft eines einzelnen. Doch ist die Tötung eines Tyrannen nicht gestattet. Aus der Besümmung des Ursprunges von S ta a t und Staatsgew alt ergibt sich auch der sittliche Charakter der Auf­ gaben und Zwecke des Staates. D as Ziel des Einzelmenschen wie auch der menschlichen Gesellschaft ist die jenseitige ewige Bestimmung. Dem S taate kommt die Aufgabe zu, die Untertanen durch eine gute Lebensführung zu diesem höchsten Ziele indirekt hinzuführen. Dabei anerkennt Thomas im Rahmen dieses höchsten Zweckes die näheren und eigentlichen Zwecke des S taates in ihrer selbständigen Bedeutung. Dem S taate obliegt die Pflege der Gerechtigkeit in Gesetzgebung und Rechtsprechung, die Begründung und Förderung des materiellen Wohlstandes durch Ackerbau und Handel, er hat auch die Kulturzwecke der Unterrichtspflege, der bürger­ lichen Tugend und der öffentlichen Sittlichkeit. Über all

Die Philosophie des hl. Thomas v. Aquin.

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dies finden sich bei Thomas recht bemerkenswerte Dar­ legungen, in denen prinzipielle Vertiefung und beob­ achtender Wirklichkeitssinn miteinander verbunden sind. Zu den kulturellen Aufgaben gehört auch die Förderung und der Schutz des religiösen Lebens. Thomas steht auf dem Standpunkt des Glaubensstaates, der der S taat seiner Zeit und seiner Überzeugung war, und dem natür­ lich der Gedanke der Toleranz und der Religions- und Gewissensfreiheit fremd war. I n der grundsätzlichen Beurteilung des Verhältnisses zwischen Kirche und S ta a t weist er dem S taat ein selbständiges und eigengesetzliches Gebiet, die zeitlichen Angelegenheiten, und der Kirche einen selbständigen und eigentümlichen Bereich, die geistlichen Angelegen­ heiten, zu und leitet beide Gewalten von Gott ab. Eine Unterordnung des S taates unter die Kirche besteht nur insoweit, als die zeitlichen Dinge sich auf das Heil der Seelen beziehen, also eine Unterordnung im Sinne der Zweckordnung. Bei Thomas finden sich auch grundsätzliche Erörterungen über das Verhältnis der S taaten und Völker untereinander, er kennt ein Völkerrecht (jus gentium) im Sinne von obersten von selbst einleuchtenden Grundsätzen, welche unserer Ver­ nunft als für das Zusammenleben der Völker und Staaten notwendig erscheinen und bei allen Völkern beobachtet zu werden pflegen. Diese Grundsätze, z. B. Verträge, sind zu halten, die Gesandten sind als unverletzlich zu betrachten, im Kriege müssen Frauen, Kinder, Unschuldige geschont werden, bilden das naturrechtliche Fundament des in Vereinbarungen und Verträgen sich darstellenden Völkerrechts. Die bei Thomas sich vorfindenden Elemente des Völkerrechtes sind später durch Franz v. Vittoria und besonders Suarez weiter­ gebildet worden.

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Die Philosophie der Scholastik.

VII. Die älteste Thomistenschule. Der Kampf um die Lehre

des hl. Thomas. Thomas v. Aquin hat nicht bloß auf theologischem Gebiete, sondern vor allem auch als Philosoph auf seine Mitwelt einen mächtigen Einfluß ausgeübt, er hat begeisterte Schüler, aber auch entschiedene Gegner gefunden. Es hat gerade die Artistenfakultät der Pariser Universität, nicht die theologische Fakultät, der er angehört hatte, nach seinem Tode an das Generalkapitel des Dominikanerordens in Lyon 1274 ein ergreifendes Beileidsschreiben gerichtet und dadurch der Be­ deutung des allzufrüh Heimgegangenen gerade für die Philo­ sophie Ausdruck verliehen. Die zum weitaus größten Teil noch ungedruckten Werke seiner unmittelbaren und mittel­ baren Schüler sind zum guten Teile philosophischen, beson­ ders metaphysischen und psychologischen Inhalts. Aus dem Dominikanerorden zählen zum Schülerkreis des Aquinaten Bernhard v.Clermont,Tolomeo v.Lucca, Bernhard v.Trilia, Ägidiusv.Lessines, Thomas Jorze, Thomas v. Sutton, Johannesv. Sterngassen usw. Aus dem Augustinerorden saßen Ägidius von Rom, Augustinus Triumphus, Jakob Capocci v. Viterbo zuseinenFüßen. Einerder treuesten Thomasschüler war das Mitglied der Pariser Artistenfakultät P etrus v.Alvernia. Die Schüler und Anhänger des Aquinaten, für welche Arnold v. Villanova (f 1311) die Bezeichnung Thomatistae (später wurde der Name Thomistae üblich) geprägt hat, hatten reichlich Gelegenheit, die Lehre ihres gefeierten Meisters, des Doctor communis, wie Thomas frühzeitig ge­ nannt wurde, gegen heftige Angriffe zu verteidigen. I n diesem S treit um die Lehre des hl. Thomas standen Fragen, die auf die Lehre von Materie und Form (Einheit der substantialen Form), auf Psychologie und Erkenntnispsycho­ logie (cognitio in rationibus aeternis) sich bezogen, im Vordergrund. Drei Jahre nach dem Tode des hl. Thomas,

Die Philosophie des hl. Thomas v. Aquin.

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im Jahre 1277 finden wir Lehren des hl. Thomas unter Sätzen, die von Bischof Stephan Tempier von Paris und Erzbischof Robert Kilwardby v. Canterbury, einem Ordens­ genossen unseres Scholasttkers, kirchlich verurteilt worden sind. Thomas fand Widerspruch seitens der konservativen augustinischen Richtung im eigenen Orden, seine Lehre wurde aber noch viel schärfer bekämpft von der am Augusttnismus festhaltenden Franziskanerschule. Um das Jah r 1278 schrieb der Franziskaner Wilhelm de la Mare ein Correctorium fratris Thomae, eine zusammenfassende Kritik von 118 meist philosophischen Lehrpunkten des Aquinaten. Die Schüler und Ordensgenossen des Angegriffenen schrieben da­ gegen eine Reihe von für das Verständnis der thomisüschen Eigenlehren recht aufschlußreichen Correctoria corruptorii. Eine jüngere und zweite Generation von Thomasschülern, dar­ unter in der vordersten Linie der spätere Dominikanergeneral Herväus Natalis (f 1323), nahm Thomas in Schutz gegen die durchgreifende Kritik, die der scharfsinnige Duns Scotus am thomisüschen System geübt hatte, und suchte die Eigenart der thomisüschen Lehre auch gegenüber Heinrich v. Gent und selbstAgidius v. Rom und Gottfried v. Fontaines zu vertreten. D a n te A lig h ie ri (f 1321) steht jedenfalls als Theologe in weitem Umfange unter dem Einfluß der thomisüschen Theologie, hingegen kann er, wie neueste Forschungen dar­ getan haben, in seinen philosophischen Anschauungen nicht als reiner und strenger Thomist angesprochen werden, da wir bei ihm auch die Einwirkung des Augusünismus und eine neuplatonisierende Strömung wahrnehmen. Speziell diese neu­ platonische Denkrichtung zeigt sich in Dantes Kosmologie, Jntelligenzenlehre und Lichttheorie. Neuestens vertritt M guel Asm y Palacios die These, daß Dantes Divina Commedia unter arabisch-islamitischer Inspiration, speziell unter dem Einfluß des Mystikers Abenarabi aus Murcia steht.

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Die Philosophie der Scholastik. 4. K a p ite l.

Die scholastische Philosophie des 14. und 15. Jahrhunderts. Johannes Duns Skotus und Wilhelm von Ockham. Die Scholasttk hatte in Thomas von Aquin und seinen Zeit­ genossen ihren Höhepunkt erreicht. Das Eigentümliche dieser entwickelten und vollendeten Scholastik ist das Gleichgewicht zwischen inhaltlicher Vertiefung, sachlicher, an Quellen­ studien orientierter Behandlung und Förderung der philo­ sophischen und theologischen Probleme einerseits, und zwischen scharfsinniger logischer Gestaltung der Gedankenführung anderseits. Gar bald wurde diese Harmonie des inhaltlichen und formalen Elementes gestört, der S in n für zusammen­ hängende Quellenstudien schwand immer mehr, man ent­ nahm fast nur mehr aus Zitatensammlungen oder sonst aus zweiter Hand philosophische und theologische Tertstellen und machte dieselben zum Gegenstand einer dialektischen Mikrologie. Das formalisüsche in spitzfindigem Kleinkram sich verlierende Verfahren, das auch in früheren Perioden der Scholastik sich gezeigt hatte, nahm wieder mehr und mehr überhand, für weitschauende sachliche Gesichtspunkte, für eigentliche großangelegte Spekulation, wie sie von Anselm, den Viktorinern, Bonaventura und Thomas v. Aquin ge­ pflegt worden war, war immer mehr das Verständnis und die Neigung abhanden gekommen. Es brach die Epoche der Spätscholastik des 14. und 15. Jahrhunderts heran, die in mehr als einer Hinsicht auch eine Verfallszeit der Scholastik bezeichnet werden darf. Aber es ist ebenso unrichtig, in diesen Jahrhunderten nur eine Zeit der philosophischen Deka­ denz zu sehen, wie es auch eine Übertreibung sein dürfte,

D ie scholastische Philosophie des 14. u. 15. Jahrhunderts, m wenn man hier schon deutlich das Anbrechen der modernen Philosophie wahmehmen wollte. Eine allseitige und sichere Beurteilung dieser Zeiten des scholasüschenDenkens wird erst möglich sein, wenn auf Grund handschriftlicher Forschung die schon bekannten und neue Persönlichkeiten in ihrem philo­ sophischen Denken klar erkannt und eine genaue Linien­ führung der philosophischen Richtungen vorgenommen sein wird. Es fehlt, wie sich dies immer mehr bei fortschreitender Quellenuntersuchung zeigen wird, in.diesen Jahrhunderten nicht an scharfsinnigen und vorwärtsdringenden philo­ sophischen Köpfen und an interessanten Strömungen und Richtungen. Die Zeit großer Synthesen, die Periode der philosophischen und theologischen Sum m en ist vorüber, aber in philosophischen Einzelfragen der Logik und Sprachlogik, der Erkenntnislehre und Psychologie wurde in dieser Zeit scharfsinnig und mehrfach auch selbständig gearbeitet. An bemerkenswerten wissenschaftlichen Richtungen und Beziehungen ist uns aus dieser Zeit der in Paris herrschende S i n n fü r N a tu rw isse n sc h a fte n , der in gewisser Hinsicht das kopernikanische Weltsystem und die physikalischen Theorien Galileis und anderer nicht bloß geahnt, sondem auch schon erkannt hat, oben in der allgemeinen Charakteristik der Scholastik begegnet. EinemerkwürdigeErscheinungdesausgehendenMittelalters ist das Ringen zwischen Scholastik und H u m a n ism u s. Die Humanisten (so Lionardo Bruni, Lorenzo Valla u. a.) haben scharfe Kritik an der Latinität der scholasüschen Werke, be­ sonders auch der von den Scholastikern benutzten Aristoteles­ übersetzungen geübt. Es entstanden neue Aristotelesübertragungen (z. B. von Lionardo Bruni, Gregor v. Trapezunt, Bessarion), an denen wiederum die Scholasttker die philo­ sophische Zuverlässigkeit vermißten. I n einzelnen Gelehrten­ gestalten (Coluccio Salutati, Giovanni Dominici, Ambrogio

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Die Philosophie der Scholastik.

Traversari usw.) waren scholastische Bildung und huma­ nistischer Formensinn harmonischer verbunden. Gegen Aus­ gang des M ttelalters entstanden Schriften, in denen ein in­ haltlicher Zusammenklang zwischen antiker Weltweisheit und christlichem Denken angestrebt war. Wir besitzen solche noch ungedruckte Traktate von Raphael von Pornaxio, Jakob von Lilienstein u. a. I m 16. Jahrhundert schrieb in gleicher Ab­ sicht Agostino Steuco (f 1549) das Werk De philosophia perenni. I m Zeitalter des Humanismus trat auch eine innigere Fühlung zwischen dem griechischen bften und Italien ein. Hierdurch und auch durch die Unionsbestrebungen und Unionskonzilien lebten die schon früher angeknüpften Be­ ziehungen zwischen b y z a n tin isc h e r W issenschaft und Scholastik neu auf. Byzanz hatte schon früher im 11. Ja h r­ hundert in Michael Psellos und Johannes Jtalu s angesehene Logiker. Die byzantinische, Mystik ist in Symeon, dem neuen Theologen (f ca. 1092) Gregorios Palam as und Nikolaos Kabasilas vertreten. Ein Einwirken der abendländischen Scholastik auf die byzantinische Philosophie und Theologie wurde dadurch in die Wege geleitet, daß im 14. und 15. Ja h r­ hundert viele Werke des hl. Thomas v. Aquin (Summa theo1ogica, Summa contra Gentiles, De ente et essentia, einzelne Aristoteleskommentare) durch Demetrios Kydones, Georgios Scholarios u. a. ins Griechische übertragen wurden. I m 15. Jahrhundert tobte in Byzanz der S treit zwischen dem Platoniker Georgios Gemistos Plethon und dem Aristoteliker Theodoros Gaza darüber, ob dem Plato oder Aristoteles in der Philosophie der Vorrang gebühre. I n diesem Streite nahm Kardinal Bessarion, der Thomas und Albertus Magnus hochschätzte, eine vermittelnde Stellung ein. Eine in die Zeit der Spätscholastik hineinreichende S trö ­ mung ist auch die deutsche M ystik des Predigerordens,

W e scholastische Philosophie des 14. u. 15. Jahrhunderts.

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deren Hauptvertreter Meister Eckhart (f 1327), Johannes Tauler (f 1361) und Heinrich S en se (j 1366) gewesen sind. E s ist diese Ström ung, wie schon früher bemerkt, scholasti­ schem Gestein entsprungen. Der in der Schule des großen Albertus, namentlich bei Ulrich v. Straßburg bevorzugte N euplatonism us tritt namentlich bei Meister Eckhart zutage. Eckharts Gotteslehre weist einen pantheisierenden Einschlag auf, insofem der Wesensunterschied zwischen dem gött­ lichen und dem kreatürlichen S e in verwischt erscheint, die Schöpfung als ein ew ig notw endiges inneres Hervorgehen des Partikulären aus G ott als dem allgemeinen sich darstellt, G ott und der menschliche Seelengrund namentlich im über­ natürlichen mystischen Leben als Wesenseins gedacht sind. D ie Spätscholasük weist endlich — es ist dies eine B e ­ ziehung mehr dogmengeschichtlicher Art — auch auf die R e­ formation hin, indem Luthers Theologie in den dogmatischen Anschauungen Ockhams u. a. angebahnt ist. A us der Zeit der Spätscholasük treten uns auch noch markante Denkergestalten entgegen, Persönlichkeiten» an deren seelischer Physiognom ie wir m itunter moderne Z üge gewahren. An der Grenzmark zwischen der eigentlichen Hochscholastik und der beginnenden Spätscholasük steht J o h a n n e s D u n s S k o t u s , der Doctor subtilis und Begründer der jüngeren Franziskanerschule ( | 1308), dessen Lehren wir schon in dem ungedruckten Sentenzenkom mentar seines Lehrers Wilhelm de Ware angekündigt finden. D u n s Skotus ist ein scharfer kritischer Kopf, der nicht in skeptischer Absicht, sondern mit den: Ernste des strengste Maßstäbe an die wissenschaftliche B e ­ weisführung anlegenden Forschers die B ew eis- und G e­ dankengänge der bisherigen Scholasük, namentlich des thomisüschen Lehrgebäudes, einer gründlichen Prüfung unterzog. D ie B edeutung der skotisüschen Denkarbeit liegt mehraufdernegativ-kritischen, alsaufderposiüv-konstruküven G r a b m a n n , Geschichte der Philosophie.

III.

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Die Philosophie der Scholastik.

Seite. Als Professor in Oxford schrieb Skotus einen großen Sentenzenkommentar (Opus Oxoniense), Erklärungen zu Aristoteles, ein Werk De rerurn principio usw., in P aris entstanden ein kleinerer Sentenzenkommentar (Reportatum Parisiense) und seine Quodlibeta. I n seiner prinzipiellen Anschauung über Philosophie und Theologie wertet Skotus das philosophische Denken nicht so hoch als Thomas, er lockert auch das Band zwischen Philo­ sophie und Theologie, und gibt letzterer Disziplin eine mehr praktische Zweckrichtung. Der Bereich der V ernunft findet in Fragen der Gotteslehre dadurch eine Einengung, daß eine Reihe göttlicher Eigenschaften der Vernunfterkenntnis ent­ zogen und dem Glaubensgebiet überwiesen werden. Auch die Unsterblichkeit der Seele wird in einem Teile seiner Schriften lediglich als Glaubenswahrheit aufgefaßt. Übrigens steht Skotus allweg auf dem Boden der von ihm hochgewerteten Metaphysik und in vollem Einklang m it dem kirchlichen Dogma. W enn er auch Philosophie und Theologie etw as voneinander trennt, so ist er weit entfernt, die Lehre von der doppelten W ahrheit anzunehmen. D as Charakteristische an der Erkenntnislehre und M eta­ physik des D uns Skotus ist sein „Form alism us", d. h. die Lehre, daß in den Dingen allgemeine (generische und spezi­ fische und individuelle) Realitäten, Form alitäten oder Wesensgrade sich finden, die voneinander durch die schwer faßbare distinctio formalis a parte rei verschieden sind. Die letzte realitas, die zur realitas der spezifischen Wesenheit als eine positive Bestimmtheit und Vollkommenheit hinzukommt, ist die individuelle realitas (haecceitas). D uns Skotus verlegt nicht, wie Thomas, das Jndividuationsprinzip in die M aterie. I n der Psychologie erklärt Skotus nicht wie Thomas die Verbindung von Leib und Seele im Sinne der Einheit der substantialen Form , sondern nimmt neben imb vor der Geist-

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seele, die als Wesenssorm den Leib belebt, eine forma corporeitatis an, durch die der Leib als Körper konstituiert wird. I n der Behandlung des Seelenlebens und der Seelenkräfte unterstreicht Skotus die führende Stellung und Aktivität des Willens. Indessen besagt der von Skotus vertretene W illens­ prim at nicht, daß der Wille die Grundkraft im Seelenleben sei und das Licht der Vernunft nicht voraussetze, sondern will nur aus theologischen Erwägungen heraus betonen, daß der Wille die höhere, die edlere Potenz vorstelle. Skotus verlegt die Glückseligkeit auch prim är und formell in den Willen, nicht, wie Thomas, in den Intellekt. Wenn Skotus noch mehr als Thomas die Willensfreiheit hervorhebt, so will er doch keinen irrationalen Indeterm inism us, kein grundloses, rem willkürliches Wollen vertreten. Diese starke Betonung des Willens kommt auch in der skotistischen Auffassung des Ver­ hältnisses des göttlichen Willens zur sittlichen Ordnung und zur N aturordnung zum Ausdruck. Der göttliche Wille ist hier nur durch die logischen Gesetze gebunden, er kann nur das logisch Widerspruchslose wollen. Außerdem ist der Wille Gottes durch die beiden ersten Gebote des Dekalogs, welche das Naturgesetz im eigentlichen Sinne und indispensabel sind, gebunden, die anderen Gebote des Dekalogs gründen im göttlichen Willen und sind deswegen, absolut gesprochen, für G ott dispensabel. Z ur Willenslehre des D uns Skotus sei noch bemerkt, daß die vielfach gezogene Parallele zwischen seinem W illensprim at und der Kantischen Lehre von der praktischen Vernunft in den Texten des Doctor subtilis keine Grundlage hat. An D uns Skohus schloß sich die Skotistenschule an, die neben der Thomistenschule in den folgenden Jahrhunderten die einflußreichste scholastische Rich­ tung geblieben ist. I m Kampfe der beiden Schulen ist der Lehrgegensatz zwischen Thomas und Skotus mehrfach ver­ schärft worden.

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T u n s Skotus w ar in der Universalienfrage Realist, er lehrte eine reale Existenz des Allgemeinen im Individuellen, er ge­ hörte sonach zur „via antiqua“ . Die „via nova“ wurde durch die W iedererneuerung des N om inalism us im 14. Ja h rh u n ­ dert beschritten. D er eigentliche Schöpfer des N om inalism us der Spätscholasük ist der englische Franziskaner Wilhelm v. Ockham, kein Schüler des Skotus, der nach einem an wissenschaftlichen und auch kirchenpolitischen Kämpfen reichen Leben 1349 zu München gestorben ist. Einen A nlauf zur Wiederbelebung des N om inalism us nehm en wir schon vor­ her wahr bei D u r a n d u s v o n S t - P o u r y a i n (f 1332), der, obschon Dominikaner, an Thom as scharfe Kritik übte, und bei dem Franziskanertheologen P e t r u s A u r e o li ( | 1322). W ilh e lm v. O ckham , ein selbständiger, empiristisch ge­ richteter Denker von großer wissenschaftlicher In itia tiv e , der „venerabilis inceptor“ , hat seine konzeptualistisch-terministische Erkenntnistheorie auf seiner Lehre von der In tu itio n und Abstraktion aufgebaut. Voraussetzung ist für ihn die schon bei D urandus angebahnte Leugnung der scholastischen species sensibilis und species intelligibilis. Durch In tu itio n erkennt die Phantasie die Existenz eines Einzeldinges. Auch der Intellekt faßt direkt durch In tu itio n das Einzelding auf und urteilt über dessen Existenz. D as Objekt der sinnlichen und geisügen Erkenntnis ist sonach das gleiche: das Einzelne, Konkrete, Individuelle. Die zweite Tätigkeit des Verstandes ist die intellektuelle Abstraktion. I n derselben fingiert sich der Verstand einen subjektiven conceptus, und setzt ihn als Zeichen für das Einzelding. Dieser subjektive conceptus ist durch tue Signifikation durch die Eigenschaft, Zeichen für eine Mehrheit von D ingen zu sein, ein Universale, ein Allgemein­ begriff, dem außerhalb der S eele in den Einzeldingen keine reale Existenz zukommt. F ü r diesen subjektiven conceptus substituiert (supponiert) der Intellekt einen N am en, einen

D ie scholastische Philosophie des 14. it. 15. Jahrhunderts.

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terminus (daher die Bezeichnung Terminismus, Terministae für diese Form des Nominalismus). Dieser Terminus gilt als konventionelles Zeichen für eine Klasse von Einzel­ dingen. Unmittelbarer Gegenstand der Wissenschaft als der evidenten Erkenntnis des notwendig Wahren sind nicht die Dinge, sondern die conceptus und termini. Diese subjektiv gerichtete Erkenntnislehre konnte naturgemäß nicht ohne Wirkung auf d'e Metaphysik Ockhams bleiben. Die Begriffe Substanz, Ursache, auch das Kausalprinzip bekamen eine rein subjektive Bedeutung. Ockham hat deshalb die Gegenstände der bisherigen Metaphysik im weiten Umfange dem Glauben zugewiesen. Den Gottesbeweisen, an denen er Kritik übt, spricht er keine stringente Kraft, sondern höchstens nur Wahr­ scheinlichkeit zu. Auch die Sätze der metaphysischen Psycho­ logie werden dem Vernunftbereich entzogen. Ockhams Psychologie ist entschieden voluntaristisch gestimmt. Der Wille ist auch bei den Denkvorgängen wesentlich beteiligt und bildet überhaupt das Wesen der Seele. Ockham kennt keinen realen Unterschied zwischen Wesenheit und Kräften der Seele. Auf Gott übertragen führt dieser Voluntarismus in der Ethik zu der Konsequenz, daß die absolute, zur Willkür gesteigerte Macht des göttlichen Willens als der letzte Grund des Unterschiedes zwischen Gut und Böse erscheint, und so in moral-positivistischem Sinne ein innerer, in der Natur be­ gründeter, unabänderlicher Unterschied zwischen Gut und Bös verneint wird. Der Nominalismus Ockhams fand im 14. und 15. Jah r­ hundert größte Verbreitung, namentlich auch auf den deut­ schen Universitäten. Unter diesen Occamistae oder Terrninistae seien genannt der als Naturforscher und Psychologe bedeutende J o h a n n e s B u r id a n u s (f nach 1350), der Dominikaner R o b e rt H olkot (f 1349), der Augustiner G re g o r v. R im in i (f 1358), der Zisterzienser J o h a n n e s

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v. M ire c o u rt (j nach 1345), A lb e rt v. S ach sen (f 1390), M a rs iliu s v. J n g h e n (j 1396), H einrich v. L a n g e n ste in (t 1397), der als Naturforscher und Nationalökonom be­ deutende N ik o la u s v. O re s m e (f 1382) und P i e r r e d'A illy (j 1425). Am Ausgang des Mittelalters ist der Tübinger Theologe G a b r ie l B ie l (f 1495), „der letzte Scholastiker", ein Verfechter der nominalistischen Theorie. Ein Zeitgenosse Ockhams ist N ik o la u s v. A u tr e c o u rt (f nach 1350), der in einer an David Hume gemahnenden Weise am Substanzbegriff und Kausalitätsgesetz Kritik übte, damit auch die traditionellen Beweise für das Dasein Gottes als wertlos hinstellte, der selbst die Existenz der Außenwelt für problematisch hielt und in seinem Phänomenalismus mit der aristotelisch-scholastischen Gedankenwelt brach. T er thomistische Standpunkt der philosophisch-theologi­ schen Spekulation fand im 15. Jahrhundert in den Domini­ kanern J o h a n n e s C a p r e o lu s (f 1444), dem „Princeps Thomistarum“ , in P e t r u s N ig e r (f nach 1481), dem Ver­ fasser eines Clypeus Thomistarum und in D o m in ik u s v. F la n d e r n 1500) entschiedene Verfechter. Gerade die an Thomas von Aquin sich orientierende Richtung der Scholastik erlebte im 16. Jahrhundert einen neuen Aufschwung, der teils von Spanien (Franz v. Bittoria), teils von Italien (Kardinal Cajetan) ausging. Wenn auch diese Restauration der Scholastik hauptsächlich theo­ logisches Gepräge trug, so ist doch auch die philosophische Seite der scholastischen Gedankenwelt in den Aristoteles­ werken eines Sylvester M aurus, der Complutenses und Conimbrisenses, sodann in zusammenfassenden Cursus Philosophie! (z. B. des Dominikaners Johannes a S . Thoma) zur Geltung gekommen. I n eklektischer Weise hat der auch in Fragen des Naturrechts und Völkerrechts heimische große Jesuitentheologe F r a n z S u a r e z ( | 1617) die scholastische

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Philosophie weitergebildet. D ie A ufklä run g des 18. J a h r­ hunderts hat auch in katholischen Kreisen die Scholasük in den H in te rg ru n d gedrängt. U m die M itte des 19. Jah rh u n d e rts suchten katholische Philosophenkreise wieder Anschluß an die scholastische T ra d itio n . Diese Bew egung füh rte zur E n t­ stehung der Neuscholastik, deren V e rtre te r teils in erster L in ie an eine W iedergabe der thomistischen D o ktrin denken, teils aber auch u n te r W ahrnehm ung der modernen Z üge an der Scholastik und der scholastischen Z üge an der modernen P h ilo ­ sophie eine zeitgemäße W e ite rb ild u n g der scholastischen P h ilo ­ sophie anstreben.

Personenregister. Abälard 34, 64 s., 67. Abenarabi 109. Abraham beit Chijja 25. Abraham tön David 25. Abubacer 22. Adelard v. Bath 65. Ägidius v. Lessines 108. Ägidius v. Rom 31, 32, 61, 108, 109. A lanus de In su lts 39, 59, 66. Albert der Große 29, 31, 32, 33, 35, 40, 42, 43, 45, 47 s., 58, 61, 72—75, 112, 113. Albertistae 75. Albert v. Orlamünde 31. Albert v. Sachsen 41, 43, 48, 118. Alchwine (Alkuin) 58. Alexander v. Aphrodisias Alexander v. Haies 61,69. Alsarabi 20, 51. Alfred v.Sarashel(Anglikus) 51, 71. Algazel 21. Alhazen 21. Al-Kindi 20. Amalrich v. Vennes 53, 59. Anselm von Canterburh 30, 40, 44, 56, 64 ff., 97. Anselm der Peripatetiker 60. Apulejus 52. Aristoteles 19, 20, 22 f., 25s., 30, 31, 37, 45, 46, 49—52, 53—55, 71, 77, 81, 82, 87, 88, 91, 92, 93, 95, 96, 97, 99, 105, 112.

Arnold v. Villanova 41, 108. Asin t) P alacios 23, 109. A thenagoras 6. Augustinus 9—17, 22, 37, 44, 56—58, 68, 77, 82, 85, 90, 91, 97, 99, 104, 105. Augustinus Trium phus 108. Avempace 22. Avencebrol 24, 51, 52, 68. Avicenna 20, 51, 52, 71, 87, 97. Averroes 22 f., 41, 51, 71, 72, 86.

Cajetan 118. Cartesius 10, 14. Cicero 8, 12, 97. Clemens v.Alexandrien 7. Coluccio S alu tati 111. Costa ben Luca 18.

Daniel M orlei 71. Dante Alighieri 109. David v. D inant 53, 59. Demetrios Khdones 112. Dietrich v. Freiberg 32, 47, 74. (Pseudo-) Dionysius Areopagita 8,44,52,99. Bartholom äus Anglilus Dominikus von Flandern 118. 33, 70. Bartholom äus v. B-Ügg- j |* V r o tu S 31, 32, 93, j 31. 109, 113—116. ! Bartholom äus v. Messina D urandus v. Auvergne 50, 51. 51. Basilius d. Gr. 7. Baeumker 24, 26, 27, 71. D urandus v. S t-P ourQdiit 116. Bellarm in 105. Bernhard v. C hartres 39, 65. Eckhart 65, 112. Bernhard v.C lairvaux64. i Euklid 52 gBernhard W n b n r h hv.Clermontl08. (nprm n nM nft ; Eustachius 69. Bernhard Silvester 65. : E ustratius 51. Bernhard v. T rilia 32, 108. Bertold v. M osburg 75. ' F6 telon 14. I Franz v. M ahronis 48. Bessarion 111, 112. ! Franz v. V ittoria 105,107, Biel, Gabriel 118. Boethius 8, 49, 52, 59, i 118. 77, 81. Bonaventura 15, 34, 35, i G alenus 52. 61, 69, 87, 88. 102, 110, j Galilei 48, 110. ' G arnier v. Rocbefort 59. Brentano, F r. 77. ! Gaufried v. P o itiers 67. B runi, L. 111. Burgundio v. P isa 53. : Gauthier, L. 23.

Personenregister. Georgios Gemistos Ple-

Johannes b. Dazien 30. Johannes Hispanus 49. thon 117. G eorgios Scholarios 117. Johannes b. Janduno 72. Johannes J ta lu s 112. Gerbert v. Aurillac 59. Gerhard b. Abbatisbilla Johannes b. Kastl 45. Johannes b. Kreuz 44,45. 70. Gerhard v. Cremona 24, Johannes b. La Nochelle 69. Johannes b. Mirecourt Geher, B. 65. Gilbert de la Porröe 49, 118. Johan nes Philoponus 65. Giovanni Dominici i n . 51, 77. Gottfried b. Fontaines Johannes b. Salisbu ry 32, 71, 109. 39, 65 f. Johannes Saracenus 52. Gregor b. Nazianz 7. Johan nes b. Stcrngassen Gregor b. Nhssa 7, 8. G regorios P a la m a s 112. 45, 108. Gregor b. R im ini 117. Johan nes a S . Thoma 118. Gregor b. TrapeZunt 111. Guido d'Orchelles 66. Johannes b. Trebiso 67. Gundissalinus, D om ini­ J o h a u n itiu s 18. kus 24, 30, 49, 67 f. Joses ben Saddik 25. Isaak Israeli 24, 51. Heinrich Bäte b. Mecheln Justin der Philosoph 6. 31. Heinrich b. Gent 31, 32, Kant 115. Krebs, E. 72. 70, 93, 109. Heinrich b. Herford 33. Heinrich b. Langenstein I Lanfranc 60. 118. Lautere Brüder 19. Heinrich Seuse 44, 113. Leibniz 14. Henrikus Aristippus Leontius b. Byzanz 7. b. C atania 50. Lewi ben Gerson 26. Herbäus N a ta lis 109. Luther 113. H onorius b. AugustoduM acrobius 52. num 59. Horten, M. 23. Malebranche 14. Hugo Ripelin b. Stras;- M andonnet 72. burg 74. Manegold b. Lautenbach Hugo b. St-Cher 70. 41, 60. Hugo b. St. Viktor