Geschäftsmodelle erarbeiten: Modell zur digitalen Transformation etablierter Unternehmen [1. Aufl.] 9783658304546, 9783658304553

In diesem Buch vermittelt der Autor ein Vorgehensmodell zur digitalen Transformation der Wertschöpfung und zur Geschäfts

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German Pages XI, 238 [246] Year 2020

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Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XI
Geschäftsmodell (Herbert Jodlbauer)....Pages 1-58
Geschäftsmodellinnovation (Herbert Jodlbauer)....Pages 59-81
Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation (Herbert Jodlbauer)....Pages 83-215
Implementierung (Herbert Jodlbauer)....Pages 217-218
Methodenverzeichnis (Herbert Jodlbauer)....Pages 219-223
Back Matter ....Pages 225-238
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Geschäftsmodelle erarbeiten: Modell zur digitalen Transformation etablierter Unternehmen [1. Aufl.]
 9783658304546, 9783658304553

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Herbert Jodlbauer

Geschäftsmodelle erarbeiten Modell zur digitalen Transformation etablierter Unternehmen

Geschäftsmodelle erarbeiten

Herbert Jodlbauer

Geschäftsmodelle erarbeiten Modell zur digitalen Transformation etablierter Unternehmen

Herbert Jodlbauer Campus Steyr Fachhochschule Oberösterreich Steyr, Österreich

ISBN 978-3-658-30454-6    ISBN 978-3-658-30455-3 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-30455-3 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Gabler © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Vorwort

Das vorliegende Buch adressiert zwei Hauptthemen: Einerseits die Digitalisierung zur Sicherstellung des nachhaltigen Unternehmenserfolges nutzen und andererseits die konsequente Verfolgung der Wertsteigerung für Zielkunden und für das eigene Unternehmen durch Geschäftsmodellinnovation. Laut dem wissenschaftlichen Dienst des Europäischen Parlaments zum Thema „Der digitale Wandel“ vom Juni 2019, siehe Negreiro und Madiega (2019), hinken europäische Unternehmen der digitalen Transformation hinterher. Von den 200 führenden digitalen Unternehmen weltweit sind lediglich acht europäisch. Unter den Top 10 der weltweiten Unternehmen mit der höchsten Marktkapitalisierung sind nur amerikanische und chinesische Konzerne vertreten – sechs davon, insbesondere die Top 5 sind Unternehmen, die mit Digitalisierung ihr Geld verdienen: Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet, facebook und Tencent. Die verbleibenden vier in den Top 10, namentlich JPMorgan Chase & Co, Johnson & Johnson, Wal-Mart Stores und Visa haben alle ihre Geschäftsmodelle basierend auf der Digitalisierung redesigned. In einem der führenden Strategieartikel von Harvard Business Review stellt Johnson et al (2008) fest: Technologieführerschaft, exzellente Produkte und perfekter Lieferservice werden nicht ausreichend sein, um nachhaltig unternehmerischen Erfolg sicherzustellen. Vielmehr müssen Unternehmen die Bedürfnisse der (End)Kunden verstehen lernen und die Schaffung eines Kundenmehrwerts sicherstellen. Kundenmehrwert schaffen heißt in diesen Zusammenhang, für den Kunden eine Aufgabe besser (schneller, einfacher, billiger, qualitativer, …) zu erledigen oder ein Problem besser zu lösen als andere Wertangebote dies vermögen. Es geht nicht um die großartigste Technologie, sondern um großartige Geschäftsmodelle, die die Maximierung des Kundenmehrwertes sowie des Unternehmenswertes sicherstellen. Dieses Buch präsentiert ein in der Praxis erfolgreich getestetes Vorgehensmodell zur digitalen Transformation der Wertschöpfung und zur Geschäftsmodellinnovation. Der Fokus des Vorgehensmodells liegt darauf, für etablierte Unternehmen mit Hilfe der Digitalisierung den Nutzen für Zielkunden zu erhöhen sowie den eigenen Unternehmenswert nachhaltig zu steigern. Für die einzelnen Phasen des iterativen Vorgehensmodells werden

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Vorwort

zahlreiche Methoden für effektives und effizientes Arbeiten vorgeschlagen. Das Vorgehensmodell und die vorgeschlagenen Methoden sind branchenneutral für bereits existierende Unternehmen, die ihr Unternehmen mit Hilfe der Digitalisierung stärken wollen, einsetzbar. Zielleser dieses Buches sind Zukunftsgestalter und Verantwortungsträger in Unternehmen (Eigentümer, Geschäftsführer/Vorstand, Management, Experten), die ihren Beitrag dazu leisten wollen, ihr Unternehmen im Zeitalter der Digitalisierung, Dekarbonisierung und demografischer Herausforderungen wertsteigernd zu entwickeln. Weiters sind die nachwachsenden Gestalter der Zukunft (Studenten, High Potentials) und Begleiter bzw. Enabler (Berater) von Geschäftsmodellinnovation, Strategieentwicklung sowie der digitalen Transformation der Wertschöpfung angesprochene Leser. Im ersten Teil des Buches wird dargelegt, was ein Geschäftsmodell ist, wie Digitalisierung auf einzelne Elemente des Geschäftsmodells wirkt und wie die Digitalisierung genutzt werden kann, um Mehrwert für Kunden und das eigene Unternehmen zu schaffen. Im zweiten Teil des Buches wird ein umfassendes Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinnovation unter Nutzung der Digitalisierung präsentiert. Das Vorgehensmodell startet mit dem Erkennen der Notwendigkeit der Geschäftsmodellinnovation und endet mit einer Roadmap zur Umsetzung des erarbeiteten Geschäftsmodells. Die zahlreich angeführten Beispiele, viele anonymisiert aus eigenen Beratungsprojekten, illustrieren die Konzepte und Methoden. In den „Questions to be Answered“ werden pro wichtigem Aspekt die wesentlichen Punkte zusammengefasst – diese können direkt für eigene Umsetzungsvorhaben verwendet werden. Die Methoden sind so aufbereitet, dass sie direkt für die Geschäftsmodellinnovation verwendet werden können. Im Anhang ist ein Überblick über alle Methoden gegeben. Das vorliegende Buch basiert auf den Erfahrungen aus zahlreichen Beratungsprojekten und Diskussionen. Ich möchte mich bei allen Unternehmen, die mit mir einen gemeinsamen Weg gegangen sind, bei meinen Kollegen Peter Brandstätter, Manuel Brunner, Martin Dunst und David Jodlbauer für ihr wertvolles Feedback und die intensiven Diskussionen sowie bei den zwei Assistentinnen Irene Kronsteiner-Urban und Daniela Hüttner für das Korrekturlesen und in Form bringen des Buches herzlich bedanken. Das Vorwort möchte ich mit einem Exkurs in die Mobilität schließen. Die Zukunft der Automobilindustrie hat sehr viel mit den beiden Hauptthemen dieses Buches zu tun: Digitalisierung und Geschäftsmodellinnovation. Autonomes Fahren wird nicht ohne Digitalisierung, digitale Vermessung der Welt, künstliche Intelligenz, Sensoren, schnellere Übertragungsgeschwindigkeit großer Datenmengen, koordinierte Lenkung der Verkehrsströme bis hin zur digital kontrollierten Energiebereitstellung funktionieren. Noch viel wichtiger für die Zukunft der Mobilitäts-Wertangebote und (leider) weniger verstanden sind die völlig neuen Kundenbedürfnisse und Kundenerwartungen. Meine Generation (Generation X) verbindet mit dem eigenen Auto und Führerschein Freiheit, Unabhängigkeit, Status und Image. Für die nachwachsenden Generationen wird Mobilität stark mit „bequem, schnell und einfach von A nach B zu kommen“ und Nachhaltigkeit (Stichwort Dekarbonisierung) verbunden. Bequem, schnell und einfach bedeutet dabei, ohne Vorbereitung, ohne

Vorwort

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Aufwand, On Demand, ohne Fahrerverantwortung, ohne langfristige Verpflichtungen, mit großartigem Entertainment und mit der Möglichkeit währenddessen zu arbeiten (Road Office) das Mobilitätswertangebot in Anspruch zu nehmen. Autobesitz wird von der Generation Z tendenziell als Belastung (Abstellplatz/Parkplatz in Städten finden, Wartung, Versicherungsbeitrag, …) empfunden. Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Thema des Antriebsstranges (Verbrennungsmotor versus Elektromotor, Hybridsysteme oder Wasserstoffaggregate). Nachhaltigkeit in der Mobilität kann vor allem durch die Erhöhung der durchschnittlichen Anzahl von Insassen in einem bewegten Auto und der Erhöhung des Autonutzungsgrades (Autos sollen nicht auf dem Abstellplatz stehen, sondern bewegt werden) erreicht werden. Jene Unternehmen, die die neuen Kundenbedürfnisse verstehen lernen und unter Nutzung der Digitalisierung Mobilitätsangebote schaffen, die genau auf die Kundenbedürfnisse abzielen, werden die global erfolgreichen Mobilitätsanbieter der Zukunft sein. Es geht also um Konzepte wie Betreibermodelle, Sharing-Modelle, Autonomes Fahren, Entertainment, Work in Car oder Customer-Interface. Es geht nicht isoliert um die Technologieführerschaft, sondern vielmehr um die Geschäftsmodellführerschaft. Mit dem heutigen Tag sind die global führenden Unternehmen in diesen zukünftig entscheidenden Bereichen nicht die großen Automobilbauer wie VW, Toyota, FCA + PSA oder General Motors, sondern relativ junge Unternehmen wie Alphabet (GOOGLE: digitale Vermessung der Welt, WAYMO: autonomes Fahren, Sidewalk Labs: Verkehrsmanagement), Apple (mobiles Entertainment), Uber (Customer-Interface, Betreibermodelle, Sharing, Mitfahrplattform) oder Tesla (autonomes Fahren, E-Antrieb). Die Börse hat diesen Bedeutungswandel längst antizipiert: Ende Jänner 2020 haben die vier großen Automobil-­ OEM’s VW, Toyota, FCA + PSA und General Motors eine Marktkapitalisierung von 388 Mrd. €, die vier „Neuen“ Alphabet, Apple, Uber und Tesla weisen einen etwa sechsfachen Börsenwert von 2252  Mrd.  € auf. Alleine Tesla (92  Mrd.  €) hat einen höheren Börsenwert als der Automobilriese Volkswagen (86 Mrd. €) oder Uber (57 Mrd. €) übertrifft General Motors (43 Mrd. €) oder FCA + PSA (18+17 = 35 Mrd. €). Vor über einem Jahrhundert hat sich ein ähnlicher Wandel in der Mobilität vollzogen. 1880 waren Pferdekutschen und Pferdewagen das bedeutendste Fortbewegungsmittel. Kutschenbauer wie Wilhelm Wimpff & Söhne, Dick & Kirschten, Lindner oder Plenikowski hatten dieselbe Bedeutung wie heute VW, Audi, Mercedes oder BMW. Die ersten Automobile sahen aus wie Kutschen, sie wurden auch bezeichnender Weise Kutschen ohne Pferde genannt. Kein einziger Kutschenbauer schaffte den Umstieg von Kutschenbauer zum Automobilbauer. Anfangs wurden die „Garagenbastler“ wie Carl Benz, Armand Peugeot oder Gottlieb Däumler (später Namensänderung in Daimler) von den erfolgsverwöhnten Kutschenbauern belächelt  – später haben Benz, Peugeot und Co neue Märkte geschaffen, Weltkonzerne geformt, Kutschen ins Museum verdrängt und ein Jahrhundert die Wirtschaft dominiert. Es ist anzunehmen, dass die Entwicklungen, die sich aktuell in der Mobilitätsbranche abzeichnen, in ähnlicher Form für alle Branchen, für alle Märkte und für alle Unternehmen (durchaus in unterschiedlichen Geschwindigkeiten) gelten werden. Nur wer den (neuen) Kunden versteht, den Wandel der Kundenbedürfnisse erkennt, die großen Themen

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Vorwort

der Weltgemeinschaft wie Dekarbonisierung, Demografie oder Wohlstandsgefälle ­antizipiert und unter Nutzung der Digitalisierung neue Geschäftslogiken, die wahrnehmbaren und gewollten Nutzen für den Kunden stiften, implementiert wird nachhaltig Erfolg haben – das hier vorliegende Buch versucht genau dazu einen Beitrag zu leisten. In diesem Sinn darf ich Ihnen beim Lesen, Diskutieren, Reflektieren und vor allem beim Anwenden und Umsetzen viel Freude und Erfolg wünschen.

Literatur Johnson, M. W., Christensen, C. M., & Kagermann, H. (2008). Reinventing your business model. Harvard Business Review, 86(12), 57–68. Negreiro, M., & Madiega T. (2019). Der digitale Wandel, Wissenschaftlicher Dienst des Europäischen Parlaments, PE 633.171.

Steyr, Österreich April 2020

Herbert Jodlbauer

Inhaltsverzeichnis

 eschäftsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1 G Wert für den Zielkunden schaffen��������������������������������������������������������������������������������    3 Wert für das eigene Unternehmen schaffen ����������������������������������������������������������������   23 Wertschöpfungsstruktur ����������������������������������������������������������������������������������������������   28 Zielkundenspezifisches Geschäftsmodell��������������������������������������������������������������������   41 Ein Geschäftsmodell eines Unternehmens������������������������������������������������������������������   54 Geschäftsmodellinnovation ������������������������������������������������������������������������������������������ 59 Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation�������������������������������������������������������� 83 Überblick über das Vorgehensmodell��������������������������������������������������������������������������   88 Initiierung��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  100 Vorbereitungsarbeiten zur Initiierung����������������������������������������������������������������������  101 Initiierungs-Workshop ��������������������������������������������������������������������������������������������  115 Nachbereitungsarbeiten zur Initiierung��������������������������������������������������������������������  119 Ideengenerierung����������������������������������������������������������������������������������������������������������  123 Vorbereitungsarbeiten zur Ideengenerierung ����������������������������������������������������������  124 Workshop zur Ideengenerierung������������������������������������������������������������������������������  137 Nachbereitungsarbeiten zur Ideengenerierung��������������������������������������������������������  147 Lebenszyklusanalyse����������������������������������������������������������������������������������������������������  149 Vorbereitungsarbeiten Lebenszyklusanalyse ����������������������������������������������������������  150 Workshop Lebenszyklusanalyse������������������������������������������������������������������������������  155 Nachbereitungsarbeiten zur Lebenszyklusanalyse��������������������������������������������������  160 Wettbewerbsanalyse����������������������������������������������������������������������������������������������������  161 Vorbereitungsarbeiten zur Wettbewerbsanalyse������������������������������������������������������  162 Workshop zur Wettbewerbsanalyse�������������������������������������������������������������������������  164 Nachbereitungsarbeiten zur Wettbewerbsanalyse����������������������������������������������������  190 Zusammenführung und Kompatibilitätsanalysen��������������������������������������������������������  190 Vorbereitungsarbeiten zur Zusammenführung und Kompatibilitätsanalysen����������  191 Workshop zur Zusammenführung und Kompatibilitätsanalysen����������������������������  195 Nachbereitungsarbeiten zur Zusammenführung und Kompatibilitätsanalysen ������  200

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Inhaltsverzeichnis

Roadmap����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  205 Vorbereitungsarbeiten zur Roadmap������������������������������������������������������������������������  206 Workshop zur Roadmap������������������������������������������������������������������������������������������  208 Nachbereitungsarbeiten zur Roadmap ��������������������������������������������������������������������  214 Implementierung���������������������������������������������������������������������������������������������������������� 217 Methodenverzeichnis �������������������������������������������������������������������������������������������������� 219 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

Über den Autor

Herbert Jodlbauer  geb. 1965, studierte Technische Mathematik und Maschinenbau. Nach dem Studium war er Projektleiter bei der HILTI AG in Liechtenstein, anschließend baute er im Zuge der Geschäftsführung der FAZAT Steyr GmbH die Fachhochschul-­Studiengänge in Steyr mit den Schwerpunkten Produktion, Logistik und Management auf. Zurzeit leitet er die beiden Studiengänge Produktion und Management sowie Operations Management und das fakultätsübergreifende Center of Excellence for Smart Production an der FH OÖ. Darüber hinaus betreibt Jodlbauer seit 1995 das Beratungsunternehmen TechTransfer mit den Schwerpunkten Produktionsoptimierung, Vertriebsoptimierung, Planung und Steuerung, Geschäftsmodellinnovation sowie Digitale Transformation der Wertschöpfung. Durch seine breite Erfahrung als Projektleiter, Geschäftsführer, Aufsichtsrat, Professor und Berater kennt er sowohl die Chancen als auch die Herausforderungen im Zusammenhang der Geschäftsmodellinnovation und der digitalen Transformation der Wertschöpfung. In zahlreichen Vorträgen wie auch Publikationen sind von ihm entwickelte Methoden und Verfahren einem breiten Publikum zugänglich gemacht worden. Aktuelle Bücher von ihm sind: Produktionsoptimierung (Verlag Österreich, 2016) und Digitale Transformation der Wertschöpfung (Verlag Kohlhammer, 2018).

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Geschäftsmodell

Ein Geschäftsmodell ist eine abstrakte, strukturierte sowie vereinfachte Darstellung eines Unternehmens. Ein Geschäftsmodell ist eine einfach zu verstehende Geschichte, die erklärt, wie ein Unternehmen Nutzen für Kunden schafft und dabei selber Geld verdient, siehe Magretta (2002). Es besteht aus Elementen mit deren Eigenschaften und Beziehungen. Ein erfolgreiches Geschäftsmodell versetzt das Unternehmen in die Lage, gleichzeitig Wert für den Kunden (z. B. höheren Kundennutzen) und Wert für das Unternehmen (z. B. höherer Return on Capital Employed) zu schaffen. Ein Geschäftsmodell beantwortet nachfolgende vier Hauptfragen, die bereits Peter Drucker, siehe Drucker (2018), lange bevor der Begriff Geschäftsmodell sich etablierte, gestellt hat: Wer sind unsere Kunden? Was tun wir unserem Kunden Gutes (Schaffung Mehrwert für den Kunden)? Wie verdienen wir damit Geld? Wie erbringen wir unsere Leistungen, Produkte und Dienstleistungen? Nach Emmrich et  al. (2015) beantworten erfolgsversprechende Geschäftsmodelle vor allem die beiden Fragen Was verkaufe ich wie an wen? Wie erbringe ich diese Leistungen, so dass am Ende ein über dem Branchendurchschnitt liegender Gewinn erzielt wird? In der Literatur werden unterschiedliche Ansätze präsentiert. Schallmo (2013) definiert ein Geschäftsmodell als die Grundlogik eines Unternehmens, die beschreibt, welcher Nutzen auf welche Weise für Kunden und Partner gestiftet wird. Ein Geschäftsmodell beantwortet die Frage, wie der gestiftete Kundennutzen in Form von Umsätzen an das Unternehmen zurückfließt. Der gestiftete Nutzen ermöglicht eine Differenzierung gegenüber Wettbewerbern und die Erzielung eines Wettbewerbsvorteils. Ein Geschäftsmodell beinhaltet folgende Dimensionen und Elemente nach Schallmo (2013). Kundendimension

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 H. Jodlbauer, Geschäftsmodelle erarbeiten, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30455-3_1

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Geschäftsmodell

(Kundensegmente, Kundenkanäle und Kundenbeziehungen), Nutzendimension (Leistungen die für den Kunden erbracht werden und Nutzen der dem Kunden gestiftet wird), Wertschöpfungsdimension (Ressourcen, Fähigkeiten und Prozesse), Partnerdimension (Partner, Partnerkanäle und Partnerbeziehungen) und die Finanzdimension (Umsätze und Kosten). Die Zielsetzung ist, die Geschäftsmodell-Elemente so miteinander zu kombinieren, dass sich die Geschäftsmodell-Elemente gegenseitig verstärken. Somit ist es möglich, Wachstum zu erzielen und gegenüber Mitbewerbern schwer imitierbar zu sein. Besonders bekannt und verbreitet sind Osterwalder und Pigneur (2010) sowie Gassmann et al. (2015). Ein Geschäftsmodell lässt sich folgendermaßen unter Berücksichtigung Osterwalder et al. (2005); Osterwalder und Pigneur (2010); Gassmann et al. (2015); Schallmo (2013), Bocken et al. (2014) sowie Jodlbauer und Strasser (2016), in vier Hauptelemente und neun Elemente strukturieren: • Zielkunde (Wer sind unsere Zielkunden und wie erreichen wir sie?) –– Zielkundensegmente –– Kundenbeziehungen –– Kanäle • Nutzenversprechen (Welchen Nutzen bzw. Wert versprechen wir unseren Zielkunden?) • Ertragsmechanik (Wie wird Wert für Unternehmen erzielt? Warum verdienen wir Geld?) –– Einnahmequellen –– Kostenstruktur • Wertschöpfungsstruktur (Wie stellen wir die Leistung her?) –– Schlüsselaktivitäten und -prozesse –– Schlüsselressourcen, -technologien, -fähigkeiten und -steuerungselemente –– Schlüsselpartner und Ecosystem In den meisten Literaturquellen ist die Reihenfolge: Kunden, Nutzenversprechen, Wertschöpfungsstruktur und Ertragsmechanik. Angelehnt an Johnson et al. (2008) haben wir die Reihenfolge geändert: Basierend auf den Zielkunden wird das Nutzenversprechen (Wert für Kunden schaffen) erarbeitet. Danach wird beschrieben, wie Wert für das Unternehmen (Ertragsmechanik) geschaffen wird und abschließend wird geklärt, welche Wertschöpfungsstruktur ist erforderlich, um die angestrebten Werte für die Kunden und für das Unternehmen zu schaffen. Abb.  1 (verdeutlicht die vier Hauptelemente eines Geschäftsmodells angelehnt an Gassmann et al. (2015) und Frankenberger et al. (2013). Im Mittelpunkt steht der Zielkunde (Wer ist der Zielkunde, siehe Magretta (2002)). An den tragenden Ecken stehen das Wertangebot (Nutzenversprechen) an den Kunden (Was ist das Wertangebot an die Zielkunden, siehe Teece (2010)), die Wertschöpfungsstruktur (Wie wird das Nutzenversprechen an die Zielkunden eingelöst, siehe Chesbrough und Rosenbloom (2002)) und die Ertragsmechanik (Warum stellt das Geschäftsmodell nachhaltig finanziellen Erfolg sicher, siehe Johnson et al. (2008)).

Wert für den Zielkunden schaffen

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Was wird den Kunden angeboten? Was?

Nutzenversprechen

Wer sind die Zielkunden? Wer? Ertragsmechanik Warum?

Warum verdienen wir damit Geld?

Wertschöpfungsstruktur Wie?

Wie ist das Wertangebot gestaltet? 1

Abb. 1  Die vier Säulen eines Geschäftsmodells angelehnt an Gassmann et al. (2015) und Frankenberger et al. (2013)

Nach Magretta (2002) ist ein Geschäftsmodell eine Geschichte, die erklärt, wie ein Unternehmen funktioniert. Die Geschäftsmodell-Geschichte eines erfolgreichen Geschäftsmodells beschreibt einen besseren Lösungsweg für Kundenprobleme bzw. eine bessere Erfüllung einer Aufgabe für den Kunden als existierende Alternativen, indem mehr Wert für bestimmte (bestehende oder neue) Kunden geschaffen wird. In den folgenden Abschnitten werden die Elemente eines Geschäftsmodells, die Protagonisten der Geschäftsmodell-­Geschichte, detailliert beschrieben und miteinander verwoben.

Wert für den Zielkunden schaffen Der Zielkunde ist die Basis für jedes Geschäftsmodell und fixiert, für wen das Unternehmen seine Produkte sowie Dienstleistungen konzipiert, für wen Aufgaben erledigt werden, für wen Probleme gelöst werden und für wen die Leistungen erbracht werden sollen und – genau so wichtig – für wen nicht. Für unterschiedliche Zielkundensegmente werden im Allgemeinen die anderen acht Elemente eines Geschäftsmodells unterschiedlich zu gestalten sein. Ein typisches Unternehmen wird einige wenige Zielkundensegmente aufweisen. Wenn sich zwei Kandidaten für Zielkundensegmente in keinem der weiteren acht Elemente unterscheiden, so ist eine Differenzierung der beiden Kandidaten nicht zweckmäßig, und sie sollten zu einem Zielkundensegment zusammengeführt werden. Zielkundensegmente sollen exakt definiert werden – jeder Beteiligte sollte genau verstehen, welcher (potenzieller, neuer, bestehender) Kunde zum Zielkundensegment gehört und welcher

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Geschäftsmodell

nicht dazu gehört. Außerdem ist auf überschneidungsfreie Zielkundensegmente zu achten. Kundensegmente können nach • • • • • • • • •

demografischen, geografischen, sozialpsychologischen z. B. Soziale Schicht oder Wertvorstellung, verhaltensbezogenen z.  B.  Kaufverhalten, Markentreue, Preisbewusstsein, durchsetzbare Preiskategorien, Zahlungsbereitschaft, Bonität, Social Media Nutzungsgrad, branchenbezogenen, erfolgsorientierten z. B. ABC-Analysen nach Umsatz oder Gewinnmargen, absatzbezogenen (z. B. absetzbaren Jahresmengen, Saisonalität, …), wachstumbezogenen oder erwartungsorientierten (erwarteter Kundennutzen, Kundenbedürfnisse, geforderte Leistungen, …)

Kriterien gleichartiger Personengruppen oder Organisationen, die ein Unternehmen bedienen möchte, bestimmt werden. Business to Business (B to B), Business to Consumer (B to C), Position der Kunden in der gesamten Supply Chain bzw. im Supply-Netzwerk oder zugeordnete Kundenkanäle sind weitere mögliche Kriterien zur Bildung von Zielkundensegmenten. Der zentrale Punkt bei der Festlegung der Zielkundensegmente ist die daraus sich ableitende differenzierte Behandlung in Bezug auf die Ausgestaltung der zusätzlichen acht Elemente eines Geschäftsmodells. Klassisch wird zwischen Massenmarkt (ein im Allgemeinen großer Markt ohne Differenzierung aber mit Preiskampf), Nischenmarkt (sehr spezifisch und spezialisiert, im Allgemeinen kleiner Markt), Segmentierter Markt (Marktsegmente unterscheiden sich aber hängen zusammen, z. B. LKW-Kräne und LKW) und Diversifizierter Markt (Marktsegmente unterscheiden sich und hängen nicht zusammen, z. B. Rasenmäher und Schneefräsen) unterschieden, siehe Schallmo (2013). Ein Zielkundensegment kann in der Regel einer der obigen Marktformen zugeordnet werden. Bei der Erarbeitung der weiteren acht Elemente sollten die strategischen Rahmenbedingungen und Logiken der jeweiligen Marktform berücksichtigt werden, siehe dazu die beiden Abschn. „Zielkundenspezifisches Geschäftsmodell“ und „Wettbewerbsanalyse“ (Seite 40 und 141). Pro Zielkundensegment werden das Nutzenversprechen, die Kundenbeziehungen, die Kanäle, die Wertschöpfungsstruktur sowie die Ertragsmechanik definiert. Die Klassifizierung der Kunden als besonders wichtige Kunden auf Grund von Umsatzanteil, Wachstumspotenzial oder anderen strategischen Überlegungen kann wichtig sein, um beim Erarbeiten und beim Validieren des Geschäftsmodelles sicherzustellen, dass die besonders wichtigen Kunden auf jeden Fall in geeigneter Weise abgedeckt sind.

Wert für den Zielkunden schaffen

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To Be Answered – Ziekunde

1. Für welche Zielkunden wollen wir Leistungen (Produkte oder Dienstleistungen) erbringen? Wer sind unsere wichtigsten Kunden (Umsatzanteil, Wachstumspotenzial, strategische Bedeutung, …)? 2. Wer ist kein Zielkunde von uns? (Bei Diskussion über das Geschäftsmodell dürfen Argumente, die sich auf Kundenbedürfnisse oder Umsatzpotenziale von nur Nicht-Zielkunden beziehen nicht berücksichtigt werden) 3. Wie gruppieren wir unsere Zielkunden in möglichst wenig Zielkundenseg mente, sodass 3.1. die Zielkundesegmente überschneidungsfrei sind 3.2. zielgruppenspezifische Nutzenversprechen, Kundenkanäle und Kundenbeziehungen daraus resultieren? Goodwin (2015) betont in seiner Arbeit „The Battle is for the Customer Interface“ die zentrale Bedeutung der Schnittstelle zwischen Kundenbedürfnissen, Nachfrage, Wertangebot und Wertlieferung. Kundenbeziehungen und Kanäle zum (End)Kunden sind entscheidend für den Erfolg eines Geschäftsmodells. Die Digitalisierung ermöglicht bzw. fördert völlig neue Interaktionspunkte mit den (End)Kunden. Beispiele dafür sind die Einbeziehung des Kunden in den Produkt-Entwicklungsprozess (Open Development Platform), Innovationsprozess (Open Innovation), die Erfassung von Felddaten während der Produktnutzung (Smart Connected Things) oder der Einsatz von „Massenpersonalisierung“ (userspezifische Parametrisierung), siehe Gassmann und Sutter (2016). Die Kundenbeziehungen beschreiben alle Arten von Beziehungen zwischen Kunden eines Kundensegments und dem Unternehmen. Die Kundenbeziehungen sollten derart gestaltet sein, dass die Akquisition neuer Kunden, die Pflege und damit die Haltung bestehender Kunden und die Steigerung der Umsätze bestmöglich unterstützt werden. Kundenbeziehungen können beziehungsorientiert auch relational, sehr persönlich und individuell gestaltet sein (kostenintensiv) oder transaktionsorientiert, hoch automatisiert, digitalisiert bzw. auf Selbstbedienung aufgebaut sein, siehe Morris et  al. (2005). Plattformen, Communities, Blogs und Soziale Medien sind in ihrer Bedeutung wachsende Formen von Kundenbeziehungen. Eine enge Kundenbeziehung stellt die Mitbeteiligung dar. Diese kann von (digital unterstützter) Interaktion, Crowd Sourcing bis zu technischen, organisatorischen und rechtlichen Verschränkungen reichen. In vielen Fällen liegt ein großes Optimierungspotenzial in der Verbesserung der Kundenbeziehung im After-Sales vor. Themen wie Inbetriebnahme, Einschulung, Service, optimierter Produkteinsatz, Reparatur, Abwicklung von Reklamationen, Haftungs- oder Gewährleistungsfragen, Bereitstellung von Ersatzteilen oder Verbrauchsmaterialien, Recycling oder Entsorgung von produktspezifischen Abfällen sollten regelmäßig überprüft werden, ob nicht eine Erweiterung des After-­ Sales Services in einem der obigen Bereiche gewinnbringend sein kann. Gerade die

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Geschäftsmodell

Digitalisierung und die damit einhergehende Datendurchgängigkeit eröffnet im After-Sales neue Möglichkeiten der Gestaltung der Kundenbeziehung. Die Qualität der Zusammenarbeit, die Verlässlichkeit, der Umgang im Problemfall (z. B. Kommunikation oder Nicht-Kommunikation einer drohenden Lieferverspätung), die Abwicklung von Reklamationen und die Qualität aller anderen Kundeninteraktionen beeinflussen maßgeblich die Kundenbeziehung. Bei der Gestaltung der Kundenbeziehung geht es nicht um die Bedürfnisse des eigenen Unternehmens, des Vertriebes oder des After-Sales. Der Kunde mit seinen Bedürfnissen und Erwartungen soll in der Entwicklung der Kundenbeziehungen zentral herangezogen werden. Wesentliche Themen dabei können sein: • Gewünschte Stabilität und Dauer der Kundenbeziehung • Gewünschte Form der Bindung (technisch-funktional erzwungen, vertraglich detailliert geregelt, bedarfsbezogen on demand, sporadisch oder regelmäßig, …) • Wer oder Was (Meinungsführer, Anwender, Blogs, Fachzeitschriften, …) beeinflusst unsere Zielkunden • Welche Menschen mit welchen Werten, Bedürfnissen und Vorstellungen stecken hinter den Zielkunden (dieser Aspekt sollte gerade bei B2B Beziehungen nicht unterschätzt werden) • Werden die selben Kunden bzw. deren Repräsentanten von unterschiedlichen Unternehmensbereichen (nicht abgestimmt) angesprochen • Welche Kundenbeziehung wird vom Nutzenversprechen „verlangt“ In vielen Fällen ist der direkte Kunde des Unternehmens nicht der Endkunde (kein direkter Kundenkontakt). Um langfristig erfolgreich zu sein, müssen die Anforderungen, Wünsche sowie Erwartungen der Endkunden verstanden und in der Entwicklung des Geschäftsmodells berücksichtigt werden. Der Aufbau und die Pflege direkter Beziehungen zu den Endkunden kann die langfristige Wettbewerbsfähigkeit stärken, siehe Ballon (2007) und Goodwin (2015). Mit Hilfe der Digitalisierung (Plattformen, Sensoren in Produkten, …) werden derzeitige Intermediäre z.  B.  Großhandel verschwinden und neue Marktteilnehmer z. B. Plattformbetreiber entstehen. Es geht um das Gestalten des gesamten Ecosystems bestehend aus allen Lieferanten, Partnern, Kunden, Kunden vom Kunden, Mitbewerbern, potenziellen neuen Mitbewerbern, die mit völlig anderen Ansätzen die gleichen Kundenbedürfnisse befriedigen können. Beispiel „Kein direkter Endkundenkontakt“

Ein Maschinenbauer stellt standardisierte Verpackungsmaschinen her. Der Vertrieb findet über den Großhandel statt. Um direkten Endkundenkontakt zu erhalten und zusätzlich Mehrwert für den Endkunden zu generieren, entwickelt der Maschinenbauer eine Verpackungsmaschine, die über Sensoren den Verbrauch an Verpackungsmaterial erkennt und automatisch die Bereitstellung und Beschaffung des Verpackungsmateriales anstoßen kann. Zusätzlich wird eine neue Dienstleistung für den Endkunden in Koope-

Wert für den Zielkunden schaffen

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ration mit Verpackungsmaterialieferanten und Logistikern zur automatischen Bereitstellung des Verpackungsmaterials aufgebaut. Durch die Auswertung der Sensordaten lernt der Maschinenbauer seine Endkunden besser kennen. Die Endkunden werden die Daten bereitstellen, weil sie einen zusätzlichen Nutzen „automatische und kostengünstigere Bereitstellung der C-Artikel Verpackungsmaterial“ ziehen können. ◄ Das nächste Beispiel zeigt eine firmenübergreifende Datendurchgängigkeit in einer konservativen Branche auf, die eine sehr kurze Lieferzeit ermöglicht. Beispiel „Speedmaster“

Speedmaster ist ein Komponentenfertiger für Möbel (Plattenzuschnitt, Korpus, Fronten, …). Zielkunden sind Tischler und Schreiner. Speedmaster stellt seinen Kunden ein einfaches Planungssystem zur Verfügung. (Dieses Planungssystem unterstützt den Kunden perfekt beim individuellen Design der Möbel und berechnet im Hinter­ grund automatisch Stücklisten, Arbeitspläne, CNC-Programme, Montageanleitungen, Preis, …). Wenn der Kunde bestellt, werden vollautomatisch die Fertigungsprozesse der Möbelteile gestartet und innerhalb von 48 h werden alle Möbelteile inkl. Zukaufteile wie Beschläge und Montageanleitung an den Kunden (Tischler bzw. Schreiner) geliefert, der nur noch die Montage durchzuführen hat. ◄ In Zukunft wird der Aufbau und die Pflege der Kundenbeziehungen nicht ausschließliche Aufgabe der Vertriebsmitarbeiter, Produktmanager, Produktentwickler, Servicemitarbeiter oder Marketingexperten sein. Neue Ansätze fordern, dass jeder Mitarbeiter einen möglichst direkten Kundenkontakt aufweist und endkundenorientiert handelt, siehe Henretta und Chopra-McGowan (2017). In manchen Unternehmen sieht ein Vertriebsmitarbeiter nicht die Kundenkontakte und laufenden Aktivitäten von anderen Vertriebskollegen. Dies kann zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen führen. Siehe dazu nachfolgendes Beispiel. Beispiel „Erhöhung der Kosten und Auftragszeiten durch „Nichtkommunikation““

Wir betrachten einen Sonderfahrzeugbauer bei dem kein Infoaustausch zwischen unterschiedlichen Vertriebsmitarbeitern untereinander stattfindet. Dann kann folgendes passieren: Vertriebsmitarbeiter A hat Sonderfahrzeug für Zweck/Rahmenbedingungen/ Anforderungen X kürzlich verkauft. Für das Sonderfahrzeug des Vertriebsmitarbeiters A sind bereits alle Entwicklungsarbeiten (mechanische, pneumatische, elektrische, … Planungen, Stücklisten, Lieferanten, Arbeitspläne, Prüfpläne, CNC Programme, Montageanweisungen, Vorrichtungen, …) vorhanden. Vertriebsmitarbeiter B akquiriert einen Kunden, der ebenfalls ein Sonderfahrzeug für Z ­ weck/Rahmenbedingungen/Anforderungen X benötigt. Da er die Aufträge des Kollegen A nicht kennt, erarbeitet er basierend auf seiner Erfahrung eine Lösung für seinen Kunden. Sein Konzept wird in den wenigsten Fällen viel Überschneidung mit dem Konzept des Kollegen A aufweisen

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Geschäftsmodell

und somit sowohl zeitlich als auch kostenmäßig wieder die gesamten Entwicklungsaufwendungen von der Planung bis zum Vorrichtungsbau beanspruchen. ◄ Die Digitalisierung hat einen ganz besonderen Einfluss auf die Zielkunden und Kundenbeziehungen. Sie erhöht die Marktdynamik und hat wesentlichen Einfluss auf die Markttransparenz, siehe Ansari und Mela (2003) und Hagberg et al. (2016). In den 1980er-Jahren war es gängige Praxis, mit einer Botschaft alle Kunden anzusprechen. Die Idee der Kundensegmentierung stammt aus den 1990er-Jahren und ist in vielen Firmen noch das vorherrschende Gedankenmodell. Die Digitalisierung ermöglicht heute zu geringen Kosten individualisierte, personalisierte sowie situativ angepasste Angebote inkl. Kommunikation und Lieferung. Über Soziale Medien können hoch dynamische Effekte entstehen, die von Unternehmen erkannt werden sollen und genutzt werden können. Internetdienste und -angebote wie Blogs, Bewertungspages, Vergleichs-Plattformen, Soziale Medien, … erhöhen die Transparenz für den Kunden, reduzieren die Wechselbarrieren und gefährden die Kundenloyalität. Durch Maßnahmen wie Entwicklung der Kundenbeziehung vom anonymen Massen-Onlinekunden hin zum hoch angesehenen Mitglied einer „auserwählten“ Gruppe mit besonderen exklusiven Angeboten (Membership) kann die Kundenbindung und -loyalität wieder erhöht werden (siehe Abb. 2). Durch die Digi1980-er

1990-er

Single message

Segmentation

Kundenbindung, Kundenloyalität

klassischer Kunde

2000-er

2010-er

Customization

Socially linked

Transparenz

“digitalisierter” Kunde

Membership

Abb. 2  Entwicklung der Kundenbeziehungen. (angelehnt an Aussagen von Coca Cola CIO Rob Cain)

Wert für den Zielkunden schaffen

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talisierung werden Produkte immer mehr zu Dienstleistungen und Konsumenten zu Usern sowie Mitgliedern. Diese durch die Digitalisierung bedingten Phänomene sollen bei der Gestaltung der Kundenbeziehungen, Kundekanäle und Nutzenversprechen antizipiert werden. Auch für güterproduzierende Unternehmen werden im Zuge der Digitalisierung Dienstleistungen als Teil des Wertangebotes an den Zielkunden immer wichtiger, siehe Leitão et al. (2013). Wegen der Digitalisierung, der wachsenden Bedeutung von Personalisierung bzw. Individualisierung und dynamischen Effekten getrieben von Sozialen Medien, Internet-Plattformen sowie On-Demand Angeboten ist eine starre Kundensegmentierung (fixe Zuordnung von konkreten Kundennamen zu einem fixen Kundensegment) im klassischen Sinn kritisch zu beleuchten. Kundensegmente im Sinne des Geschäftsmodells werden durch gemeinsame, für das Geschäftsmodell relevante, Eigenschaften definiert. Situativ können unterschiedliche Kunden zu unterschiedlichen Zeitpunkten diese Eigenschaften aufweisen. Damit kann ein Kundensegment dynamisch zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedlich zugeordnete Kundennamen aufweisen. Eine Weiterentwicklung des digitalisierten Kunden hin zu Membership kann die Konstanz der Zusammensetzung im Kundensegment wieder erhöhen. Beispiel „Kundenentwicklung“

Kommunen können erfolgreich ihre Bürger (Kunden) zur Nachhaltigkeit und gleichzeitig zum Sparen von Kosten erziehen (ich gehöre zum Club der nachhaltig agierenden Bürger!), indem sie öffentlich beim Müllabtransport überdimensional groß ein Smiley anzeigen. Wird eine Mülltonne entleert, die sauber nach Mülltrennung befüllt ist und entsprechend der Haushaltsgröße wenig Müll beinhaltet, wird ein grünes, lächelndes Smiley präsentiert. Wird hingegen ein Ignorieren der Mülltrennung oder mengenmäßig zu viel Müll festgestellt, wird während des Entleerungsvorgangs der Mülltonne in den Müll-LKW ein rotes enttäuschtes sowie trauriges Emoji angezeigt. ◄ Eng zusammenhängend mit der Markttransparenz und Kundenloyalität ist der Effekt, dass eine gute Kundenberatung nicht mehr zwingend zu einem Kaufabschluss führt, siehe Jodlbauer (2016).

Wegen der Transparenz der Märkte und den geringen Barrieren für Online-­Bestellungen kann es vorkommen, dass ein klassischer Anbieter (z. B. persönliche Beratung in einem Verkaufsgeschäft oder ein individuell ausgearbeitetes Angebot inkl. Plänen und technischen Details durch einen Planer) eine gute hochkompetente Beratung kostenlos ­durchführt und der Kunde dann ausgestattet mit der Information, welches Produkt genau passt, dieses über den Onlinehandel bestellt. Das online-beschaffte Produkt wird in der Regel wesentlich billiger sein, weil erstens der klassische Anbieter die Beratungs- bzw. Planungskosten

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Geschäftsmodell

einpreisen muss und zweitens der Onlinehändler höhere Mengen umsetzen wird und damit Economy of Scale Effekte besser nutzen kann. Dieses Phänomen betrifft Einzelhandel, Großhandel und Industrie im gleichen Maße. Eine Gegenstrategie könnte die Bepreisung von Beratung und Planungsleistung sein. Eine weitere sinnvolle Gegenstrategie könnte sein, nicht mehr Produkte zu verkaufen, sondern für den Kunden Probleme zu lösen und Aufgaben zu erledigen unter Ausnutzung der Kundenkontakte und Kundeninformationen (die der Online-Anbieter nicht hat). Eine „Close-Strategie“ wie das Verwenden von unterschiedlichen Artikelnummern und Artikelbezeichnungen, wie es einige Großhändler versuchen, kann das Problem kurzfristig lindern aber nicht langfristig lösen. Außerdem kann eine geeignete Gegenstrategie der Zusammenschluss mehrerer klassischer Anbieter zu einer gemeinsamen Internet-Plattform sein. Digitalisierung kombiniert mit Data Analytics im Zusammenhang mit Kundenbeziehung, Kundenkanal, Kundenbedürfnissen und Wertangebot ermöglicht einen völlig neuen Marketing- und Vertriebsansatz.

Daten aus dem Umfeld des Kunden können bei richtiger Kombination und Verdichtung genutzt werden, um genauer als der Kunde selbst zu wissen, welche Probleme der Kunde demnächst hat, welche Aufgaben sich dem Kunden als nächstes stellen werden, was er/sie dafür braucht und durch welches Wertangebot wir ihn/sie am besten unterstützen können. Die nächsten Beispiele verdeutlichen diesen Ansatz. Beispiel „Medikamentenlogistik“

Durch Screening von Internetsuchmaschinen, Plattformen und Soziale Medien kann, bevor Patienten zum Arzt gehen und anschließend von der Apotheke die verschriebenen Medikamente holen, automatisch festgestellt werden, dass in einer bestimmten Region gehäuft Suchen nach Wörtern wie Verkühlung oder Grippe oder Posts wie „Ich fühl mich krank“ abgesetzt werden. Diese Häufungen können kombiniert mit den Verschreibungspraktiken der regionalen Ärzte genutzt werden, um präzise den regionalen Bedarf an spezifischen (bezüglich der sich ankündigenden regionalen Krankheitswelle und bezüglich den präferierten Medikamenten der regional ansässigen Ärzte) Medikamenten vorherzusagen. Wenn die vorhergesagten Bedarfe die in den regionalen Apotheken vorrätigen Medikamente überschreiten, können entsprechende Bereitstellungsaufträge veranlasst werden noch bevor die Ärzte ihre Diagnosen stellen. ◄

Beispiel „Nivea Invisible for Black & White“

Von der Firma Beiersdorf wird bezüglich der Entwicklung von Nivea Invisible for Black & White folgendes berichtet: Bis zur Entwicklung von Nivea Invisible for Black and White hat die gesamte Deo-Branche versucht, die anhaltende Dauer des Schutzes gegen

Wert für den Zielkunden schaffen

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Schweißbildung und Geruchsbelästigung ständig zu erhöhen. In Werbeslogans war teilweise von mehr als 24 Stunden die Rede (wobei in einer Wohlstandswelt im Regelfall mindestens einmal pro Tag geduscht wird). Um diesem Wettbewerb zu entgehen hat Beiersdorf durch automatische KI-unterstützte Auswertung (Data Analytics) von Bildern und Videos in Sozialen Netzwerken versucht, die Kundenbedürfnisse besser zu verstehen. Das durchaus überraschende Ergebnis war: Die Kunden brauchen keine längere Schutzzeit, sondern sie wollen, dass ihre Kleider, T-Shirts usw. unter der Achsel keine weiß-grauen Rückstände mehr aufweisen. Das war der Entwicklungsanstoß für das branchenneue Produkt Nivea Invisible for Black & White, das in kürzester Zeit zu einem wesentlichen Umsatz- und Deckungsbeitragsbringer für Beiersdorf wurde. ◄

Beispiel „Condition Monitoring“

Ein Maschinenbauer, der über Sensoren Felddaten vom Maschineneinsatz zur Verfügung hat, kann damit Mehrwert für den Kunden schaffen wie z. B. Beratung zur besseren Nutzung der Maschine (energieeffizienter, kürzere Taktzeit, höhere Stabilität, weniger Ausfälle, optimale Einstellung bzw. Parametrisierung der Maschine, …), automatische bedarfsorientierte Bereitstellung von Verbrauchsmaterial sowie Ersatzteilen, Unterstützung bis Durchführung von Reinigungsarbeiten sowie Instandhaltungsaufgaben. Zusätzlich könnte sich auf Basis der Analyse der Maschinennutzung ergeben, dass eine alternative Maschine für den Einsatzzweck des Kunden besser geeignet wäre als die bereits beim Kunden existierende und damit kann kundenorientiert ein Kauf- oder Austauschangebot für den Kunden erstellt werden. ◄

Beispiel „Online-Shop“

Online-Shops sind prädestiniert dafür, dass mit Unterstützung von Data Analytics und produkt-spezifischem Know-how die Kunden geführt werden. Auf Basis des vergangenen Verhaltens eines bestimmten Kunden im Online-Shop und falls möglich kombiniert mit anderen Daten aus Sozialen Medien, Blogs und Plattformen soll der Kunde aufgabenspezifisch und situationsbezogen bei der Suche nach Information und Wertangeboten, in der Bewertung der Wertangebote, in der Entscheidungsfindung sowie in der Abwicklung der gesamten Transaktion unterstützt werden. Ziel dabei ist, dem Kunden als nächsten Schritt das vorzuschlagen bzw. als nächste Information dem Kunden das zu präsentieren, was ihr/ihm intuitiv (zumindest nach erfolgtem Vorschlag oder erfolgter Informationsbereitstellung) logisch bzw. stimmig erscheint. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf Fragen gelegt werden wie „Braucht der Kunde zusätzlich irgendeine Unterstützung oder Erweiterung zum derzeitigen Wertangebot? (Add-on)“, „Was könnte bzw. wird der Kunde noch benötigen? (Cross Selling)“ und „Was müsste am Wertangebot geändert werden, dass der Kunden noch mehr Nutzen wahrnimmt und bereit ist noch mehr zu bezahlen? (Up-Selling)“. ◄

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Geschäftsmodell To Be Answered – Kundenbeziehungen jeweils pro Zielkundensegment

1. Welche Kundenbeziehungen wünschen sich die Zielkunden und welche Kundenbeziehungen wollen wir pflegen? Sehen das auch unsere wichtigsten Kunden so? 2. Wenn unsere Zielkunden nicht die Endkunden sind: Welche Beziehungen brauchen wir zu den Endkunden? 3. Wie müssen wir unsere Kundenbeziehungen auf Grund der Digitalisierung gestalten und wie begegnen wir der wachsenden Markttransparenz? Die Kanäle sind die Wege, die ein Unternehmen nutzt, um sein Wertangebot zu vermitteln, insbesondere sind dabei die Wege der Wertkommunikation und Wertlieferung gemeint. Die Wertkommunikation (Kommunikationskanal) verfolgt das Ziel, Aufmerksamkeit auf die Produkte und Dienstleistungen zu lenken und den Kunden zu unterstützen, das Wertangebot zu finden, zu schätzen sowie positiv zu bewerten. Im Zuge der Digitalisierung werden klassische Kommunikationskanäle wie Printmedien, Radio, TV usw. vermehrt durch Internetkanäle (Social Media, Marktplätze, Blogs, …) ergänzt und teilweise verdrängt. Die Wertlieferung (Vertriebskanal, Lieferkanal bzw. Distributionskanal und Servicekanal) beschreibt die Abwicklung der Transaktion inkl. Verkauf, Bezahlung, Distribution, Inbetriebnahme und After-Sales Service. Klassische Kanäle sind direkte Kanäle (eigene Verkaufsabteilung, eigener Internetverkauf) oder indirekte Kanäle (Filialen, Partnerfilialen, Großhändler, Lieferkanal über Logistiker). Offene digitale Plattformen und Marktplätze aber auch Servicekanäle (z. B. Fernwartung) erweitern die klassischen Kundenkanäle. Bei der Ausgestaltung der Kanäle sollten die Kundenerwartungen und -anforderungen der Zielkunden im Vordergrund stehen. Eigenschaften der Kanäle wie Reichweite (regional bis global), Verfügbarkeit (zu Geschäftszeiten, auch in der Nacht, …), Geschwindigkeit (Reaktionsgeschwindigkeit, Dauer Auftragsabwicklung, …) sind zielkundenorientiert zu gestalten. Die Position des eigenen Unternehmens im Supply Chain Netzwerk bzw. im Ecosystem, B2B oder B2C, die Prüfung bzw. Sicherstellung einen ­Kanal zum Endkunden zu unterhalten, wenn er nicht direkter Kunde des eigenen Unter­ nehmens ist, sind ebenfalls zu berücksichtigen. Sind die Kundenbeziehungen eher ­transaktionsorientiert, sind hocheffiziente kostengünstige Kanäle, die eine perfekte Trans­ aktionsabwicklung aus Sicht des Kunden zu geringen Kosten ermöglichen, ­anzustreben. Sind die Kundenbeziehungen eher relational, sind besonders kundennahe, personalisierbare Kanäle, die den Aufbau von Vertrauen unterstützen, anzustreben. Kundenkanäle sind zielgruppenspezifisch zu gestalten. Nach Osterwalder (2004) sollen die Kundenkanäle alle vier Phasen des Customer Buying Cycle unterstützen. • Aufmerksamkeit beim Zielkunden wecken (Wertkommunikation): Stellen Sie sicher, dass Ihre Zielkunden das Nutzenversprechen kennen und prüfen • Stellen Sie eine hohe Kompatibilität zwischen Kundenwünschen sowie – erwartungen der Zielkunden und dem Nutzenversprechen her (Weiterentwicklung des Nutzenverspre-

Wert für den Zielkunden schaffen

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chens und der Wertkommunikation): Unterstütze die Kunden bei der Suche – reduziere die Suchkosten des Kunden – erleichtere dem Kunden den Zugang zu Produkten und Dienstleistungen sowie seine Kaufentscheidung • Optimiere den Kundenauftragsabwicklungsprozess (Wertlieferung): Erleichtere dem Kunden die Abwicklung der gesamten Transaktion • Vergiss den Kunden nach der Transaktionsabwicklung nicht (sonst vergisst er dich auch): Schaffe zusätzlichen Nutzen für den Kunden im After-Sales (Ersatzteile, Verbrauchsteile, Reparatur, Schulung, Optimierung der Kundenprozesse, Online-Support, Entsorgung, …) Durch den Kundenkanal muss der Zielkunde auf unser Wertangebot aufmerksam gemacht werden (Wertkommunikation), in seiner Bewertung des Wertangebotes sowie in der Kaufentscheidungsfindung bestens unterstützt (und zu uns geführt) werden, einfach sowie bequem bei uns den Kauf und die Bezahlung abwickeln können (Transaktionsabwicklung), schnell, sorgenfrei und vollständig das Wertangebot erhalten (Wertlieferung) und nach der Transaktion kundenorientiert unterstützt (Ersatzteile, Schulung, …) und weiter an uns gebunden werden (After-Sales Service). Die digitale Transformation ermöglicht dem Produkthersteller insbesondere durch intelligente vernetzte Produkte einen direkteren Kontakt zum Endkunden. Daten aus der Nutzung des Produktes und Daten aus der Umgebung des Produktes können durch produktintegrierte Sensoren kontinuierlich erfasst werden und einen engen direkten Kundenkontakt ohne Vertriebs- oder Servicepartner sicherstellen. Kundenbeziehungen und Kanäle können unter Nutzung der digitalen Transformation neugestaltet werden: Ferndienstleistungen (remote), Datendurchgängigkeit, Analyse aller Felddaten und Nutzung dieser zur Optimierung der Produkte, Dienstleistungen sowie die erforderlichen Prozesse. Insbesondere können Felddaten zur Steuerung der Vertriebsaktivitäten, Weiterentwicklung der Produkte und Dienstleistungen, zur Optimierung des Produkteinsatzes sowie im After-Sales-Service verwendet werden. Der durch die Digitalisierung ermöglichte direkte Kanal zwischen Produzent und Kunde wird klassische Intermediäre wie z. B. den Großhandel unter Druck bringen und dazu zwingen, Geschäftsmodelle zu innovieren. Zu beachten ist, dass in vielen Branchen weiterhin persönlicher Kontakt erforderlich ist (z. B. Installation, Inbetriebnahme oder Wartung einer komplexen Anlage oder einfach die Gewohnheit, ein vertrautes Gesicht zu sehen), erwartet wird oder umsatzfördernd wirken kann. To Be Answered – Kanäle jeweils pro Zielkundensegment

1. Welche Kanäle und mit welchen Eigenschaften erwarten unsere Zielkunden für die Wertkommunikation und welche Kanäle zur Wertkommunikation wollen wir betreiben? Sehen das auch unsere wichtigsten Kunden so? 2. Welche Kanäle und mit welchen Eigenschaften erwarten unsere Zielkunden für die Wertlieferung (Transaktionsabwicklung, Lieferung, Inbetriebnahmen, Ersatzteile,

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Geschäftsmodell

Verbrauchsmaterial, After-Sales, Garantie und Gewährleistung, …) und welche Kanäle zur Wertlieferung wollen wir betreiben? Sehen das auch unsere wichtigsten Kunden so? 3. Wenn unsere Zielkunden nicht die Endkunden sind: Welche Kanäle brauchen wir zu den Endkunden? 4 . Wie müssen wir unsere Kanäle auf Grund der Digitalisierung gestalten? Das Nutzenversprechen auch Wertangebot (engl. Value Proposition) genannt sind alle Produkte und Dienstleistungen, die für die jeweiligen Zielkunden wertbringend sowie nutzenstiftend sind. Das Nutzenversprechen stellt dar, welche Probleme des Kunden wollen wir lösen bzw. welche Aufgaben wollen wir für den Kunden erledigen oder welche Tätigkeiten des Zielkunden wollen wir unterstützen. Johnson (2008) fasst die Probleme, die für den Kunden gelöst werden, die Aufgaben, die für den Kunden wahrgenommen werden und die Tätigkeiten, die für den Kunden erbracht werden unter dem Begriff Job to be done zusammen. Mit welchem Produkt und mit welcher Dienstleistung erbringen wir welchen Kundennutzen? Es geht um die Beantwortung, welche konkreten Kundenwünsche und -bedürfnisse erfüllt werden sollen und welche Vorteile der Zielkunde aus der Geschäftsbeziehung ziehen können sollte. Das Nutzenversprechen beschreibt das Angebot des Unternehmens an den Zielkunden, um die Kundenanforderungen mit Produkten und Dienstleistungen zu erfüllen. Das Konzept Maximierung des Kundennutzens entspricht dem Dogma des Market-Based View, siehe Barney (2014): „Der Erfolg eines Unternehmens hängt von der Qualität seiner Reaktion auf das Vorgehen auf dem Markt ab.“ Der Kundennutzen ist zielkundenspezifisch zu definieren. Themen wie • • • • • • • • • • • •

Mehrwert für den Kunden, Neuheit des Angebotes, verbesserte Leistung (zum Mitbewerber, zur Vergangenheit, zum Vorprodukt, …), attraktive Preispolitik, Design, Markenimage, Verfügbarkeit, Erreichbarkeit, Regelmäßigkeit der Interaktionen, …, Zuverlässigkeit, Liefertreue, Lieferfähigkeit, …, Qualität, Fehlerrate, …, Geschwindigkeit, Reaktionszeit, Wartezeiten, …, Transparenz, Offenheit, …, Kundenservice, Reklamationsbearbeitung, Bearbeitung von Kundenanfragen, Gewährleistung, Garantie, …, • Bereitstellung von Informationen, Anwendungswissen, digitalem Zwilling, …, • Personalisierungs- bzw. Individualisierungsgrad (welche kundenangepassten Leistungen, Funktionen, Design, Verpackung, … erwartet der Kunde, was kann standardisiert angeboten werden),

Wert für den Zielkunden schaffen

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• Dienstleistungsgrad (wie viele Produkte und wie viele Dienstleistungen erwartet der Zielkunde), • Angebotsbreite und -tiefe, Komplementärangebote, Up-Selling-Angebote, Cross Selling Angebote, Add-on Angebote, …, • Zugang zum Angebot (Wie möchte der Kunde das Produkt/die Dienstleistung finden, bestellen, erhalten, …), • bessere Unterstützung des Kunden, Verbesserung des Kundenumfeldes, Kostenreduktion für den Kunden, Vereinfachung für den Kunden, höher Komfort für den Kunden, …, • vertragliche Themen (Rahmenvertrag, Lieferabrufe, Einzelbestellungen, Angebotsbindung, …) • Referenzen, Zertifikate, Normen, …, • Erledigen einer Aufgabe für den Kunden. Lösen eines Problems für den Kunden. Situation des Kunden verbessern, können wichtige Aspekte des Nutzenversprechens sein. Das Nutzenversprechen stellt dar, welche Kundenbedürfnisse befriedigt werden sollen und welcher Nutzen für den Kunden damit geschaffen werden soll. Das Nutzenversprechen sollte alle fünf Nutzendimensionen, siehe Smith und Colgate (2007), entsprechend der Kundenbedürfnisse erfassen. • Funktionaler Nutzen für den Kunden (Basisfunktion des Produktes oder der Dienstleistungen entsprechend der Kundenbedürfnisse) • Emotionaler Nutzen für den Kunden (positive Gefühle durch die Nutzung des Produktes bzw. der Dienstleistung, auch im B2B Geschäft interagieren Menschen und diese erwarten ebenfalls einen emotionalen Nutzen) • Sozialer Nutzen für den Kunden (soziale Anerkennung bei der Nutzung des Produktes bzw. der Dienstleistung) • Organisatorischer Nutzen für den Kunden (leichte sowie einfache Beschaffung, Handhabung, Usability, Verwendung, Nutzung, Wartung, Transaktionsdurchführung, Bezahlung, Transparenz, bedarfsbezogene Informationsbereitstellung, Optimierung ­ oder Übernahme von Aufgaben/Aktivitäten/Prozessen des Kunden, …) • Wirtschaftlicher Nutzen für den Kunden (Kostenreduktion, Risikominimierung, wirtschaftliche Optimierung, Zeitersparnis, …) Die proaktive Identifikation von Kundenbedürfnissen, -erwartungen, -wünschen sowie -vorteilen ist Voraussetzung für die kundenorientierte Produkt- und Dienstleistungsinnovation. Die Digitalisierung ermöglicht eine dynamische Anpassung des Produktes bzw. der Dienstleistung an aktuelle Kundenbedürfnisse und eine leistbare Personalisierung sowie Einbindung vieler Kunden und Marktteilnehmer in den Innovationsprozess. Die Identifikation des Informationsbedarfes der Zielkunden und die Bereitstellung der Informationen, am besten kontextsensitiv, können ein wesentliches Element im Nutzenversprechen sein. Wesentliche Entscheidungen bei physischen Produkten sind Hard- und Softwareanteil, Grad der Modularisierung, Vernetzung mit anderen Produkten bzw. Diensten, der

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Geschäftsmodell

anzustrebende Individualisierungsgrad und ob dieser dynamisch angepasst werden soll. Die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle wird durch den Wechsel von produktzentrierten zu nutzerzentrierten Ansätzen gekennzeichnet sein, und Wert wird durch Schaffung eines Kundennutzens und nicht durch Ressourcenverbräuche entstehen. Nach Morris et  al. (2005) sind insbesondere Fragen der Standardisierung versus Individualisierung der Produkte und Dienstleistungen, Breite versus Enge der Angebotspalette und Existenz ergänzender Angebote wichtige Punkte bei der Ausgestaltung des Nutzenversprechens. Der Kundennutzen definiert sich nicht durch technische Spezifikationen oder Pflichtenbzw. Lastenhefte. Der Kundennutzen wird alleinig durch die vom Kunden wahrgenommenen sowie erlebten Dinge, die für den Kunden eine Verbesserung oder einen Vorteil darstellen, bestimmt. Der angestrebte Kundennutzen muss also kommuniziert und geliefert sowie erlebbar, wahrnehmbar und fühlbar gemacht werden. Dabei ist die Differenzierung zum Angebot der Mitbewerber und die Überzeugung der Kunden, dass wir mehr Nutzen für den Kunden stiften als der Mitbewerber entscheidend. Die Stiftung des Kundenutzens unterliegt nach Osterwalder (2004) einem Value Life Cycle mit den fünf Phasen: Value Creation, Value Purchase, Value Use, Value Renewal und Value Transfer. In der Phase Value Creation (Innovationsphase) sollen Zielkunden bereits eingebunden sein (z. B. Mass Customization, siehe Da Silveira et al. (2001), Designed by Customer, Open Innovation, siehe Gassmann und Enkel (2006), oder Agile Manufacturing, siehe Yusuf et al. (1999)), um den Kundennutzen zu erhöhen. Durch Analyse des Käuferverhaltens und kundenspezifische Führung des Einkaufserlebnisses kann in der Value Purchase Phase für den Kunden Mehrwert geschaffen werden. Klassische Nutzenversprechen konzentrieren sich auf die Phase Value Use. Die Phase Value Renewal adressiert die Schaffung von zusätzlichem Kundennutzen bei der Erneuerung bzw. Erweiterung des Angebotes, des Produktes oder der Dienstleistung. In der Phase Value Transfer geht es um Optimierung des Kundennutzen nach Nutzung des Produktes und der Dienstleistungen durch den Kunden z. B. Ablöse, Rückkauf oder Entsorgung. Grundidee ist es, den ­Zielkunden entlang des gesamten Lebenszyklus des Produktes bzw. der Dienstleistung zu begleiten und optimal zu unterstützen. Bereits vor über 20 Jahren stellten Normann und Ramirez (1993) einen Ansatz vor, der nicht die einseitige Wertschaffung für den Kunden durch den Lieferanten fokussiert, sondern viel mehr von gemeinsamer Wertschaffung (co-produce value), indem Wissen bzw. Kompetenzen des Lieferanten mit den Kunden sowie die Form der Kundenbeziehungen immer besser abgestimmt werden. „Ziel ist nicht, dass der Kunde „Wert“ konsumiert“, sondern dass gemeinsam „Wert“ geschaffen wird. Eine zentrale Aufgabe des Lieferanten ist es dabei, ein Geschäftsmodell zu schaffen, das dem Kunden die Wertschaffung so einfach wie möglich macht. Der IKEA Werbeslogan „Wealth is realize your ideas“ bringt es auf den Punkt. IKEA ermöglicht es seinen Kunden einfach, schnell sowie kostengünstig deren Wohnträume in die Realität umzusetzen. Wertschöpfungsaktivitäten, die klassisch vom Lieferanten erledigt werden, übernimmt der IKEA-Kunde dabei mehr oder weniger gerne selbst: Planung, Transport und Montage.

Wert für den Zielkunden schaffen

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Das Nutzenversprechen ist wesentlich mehr als das, was technisch ein Produkt oder funktional ein Dienstleistungsangebot kann. Es geht um das gesamte Angebot. Dazu ein Zitat, siehe Brauckmann (2015), vom früheren Rolex-Chef Andre Heininger: „Rolex ist nicht im Uhrengeschäft. Eine Uhr, die genau geht und dabei wasserdicht ist und mit der man sogar tauchen kann, kann man schon um 90 Franken bekommen. Die restlichen 19.910 Franken zahlt man für etwas, was nicht Uhr ist: Schmuck, Mode, Lifestyle und Außenwirkung“. Ähnlich zitiert Gassmann et al. (2015) einen BMW-Manager: „Unsere Aufgabe ist es, dem Kunden etwas zu geben, was er haben möchte, von dem er aber nie wusste, dass er es suchte und von dem er sagt, dass er es schon immer wollte, wenn er es bekommt.“ Der digitale Wandel wird Personalisierung, kontextsensitive Anpassung und On Demand Produkte bzw. Services stark forcieren. Die Weiterentwicklung des Nutzenversprechens muss auf diese drei Aspekte eingehen mit dem Ziel die Effizienz, das Wohlbefinden und die Customer Experience beim Kunden zu steigern. Durch das Internet der Dinge und Dienstleistungen und die in Ihrer Anzahl rasant wachsenden intelligenten vernetzten Dinge sowie Systeme werden völlig neue Dienstleistungsangebote und Kombinationsangebote Produkt plus Dienstleistung ermöglicht. In vielen Bereichen wird nicht nur das physikalische Produkt das Marktangebot dominieren, sondern Dienste und dahinterstehende Computerprogramme. Bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle sind insbesondere die folgenden Fragen zu beantworten: • Welche Bedeutung haben physikalische Produkte in Zukunft? • Welche digitalen Anreicherungen (z. B. Sensoren zur Datensammlung, Aktoren zur automatischen Ansteuerung, Connectivity zur Internetanbindung, …) der physikalischen Produkte sind sinnvoll? • Benötigen wir neue (digitale) Dienstleistungen, die das physikalische Produkt ergänzen oder verbessern? • Benötigen wir neue (digitale) Dienstleistungen, die selber zum Hauptprodukt werden und auf einem physikalischen Produkt aufbauen? • Benötigen wir (digitale) Dienstleistungen, die völlig losgelöst von physikalischen Produkten angeboten werden? In Schallmo (2016) wird ein gutes Beispiel zu einer Geschäftsmodellinnovation basierend auf dem Internet der Dinge (Sensoren und Connectivity) gebracht. Beispiel „Hagleitner senseManagment“

Hagleitner, siehe Schallmo (2016), ist ein österreichischer Hersteller für Hygieneartikel. Die wichtigsten Kunden kommen aus dem Gesundheitswesen, der Gastronomie und der Lebensmittelindustrie, da in diesen Branchen ein sehr hoher Hygienestandard vorgeschrieben ist. Die Zielsetzung von Hagleitner senseManagement besteht darin, für Kunden einen Nutzen zu stiften, indem mittels Sensoren der Waschraum überwacht

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wird, was eine Kosten- und Zeitersparnis im Hinblick auf die Befüllung von Hygieneartikeln ermöglicht. Zusätzlich wird die Kunden- bzw. Nutzerzufriedenheit erhöht, indem notwendige Hygieneartikel immer verfügbar sind. Das System besteht aus Spendern (Seifenspender, Desinfektionsmittelspender, Papiertuchspender und Duftspender) mit integrierten Sensoren, die die Messung des aktuellen Füllzustands ermöglichen und die Daten an eine Basisstation senden. Diese Basisstation sendet die Daten an einen Hagleitner-Server, der den Kunden (z. B. Reinigungspersonal des Kunden) diese Daten mittels internetfähiger Geräte zur Verfügung stellt. Der Nutzen für Kunden besteht darin, dass eine Transparenz zu Verbrauch und Kosten vorliegt, was die Berechnung einer genauen Material- und Personalplanung ermöglicht. Der Nutzen für Hagleitner besteht darin, dass die eigene Produktionsplanung und die Lagerbestände optimiert werden können, was eine Kostensenkung ermöglicht. ◄ Der Trend wird eine Erhöhung des digitalen Dienstleistungsanteils im Produktportfolio sein. Die Erhöhung des digitalen Dienstleistungsanteiles sowie die Erhöhung des Kundennutzens wird vor allem auf dem Ausbau der digitalen Überwachung, der digitalen Steuerung, der digitalen Optimierung bis hin zur digitalen Autonomie basieren, siehe Porter und Heppelmann 2014. Nach Buschbacher (2016) kann der Kundennutzen, der besonders durch Datenverwertung und Digitalisierung geschaffen werden kann, in sieben Arten eingeteilt werden • • • • • • •

Optimierung der Prozesse beim Kunden Unterstützung des Kunden bei der Entscheidungsfindung (Kaufentscheidung) Kalkulation des Kundenrisikos Steigerung der Profitabilität des Kunden Dynamische Preisgestaltung für den Kunden Orientierung am Kunden Marktpotenzial ausschöpfen (den Kunden zu unterstützen sein/ihr Marktpotential bestmöglich auszuschöpfen)

Das nächste fiktive Beispiel zeigt auf, wie Datenverwertung branchenübergreifenden Mehrwert für alle Beteiligten schaffen kann. Beispiel „Datenverwertung Zahnbürste“

Eine smarte Zahnbürste erfasst, ob und zu welcher Zeit die Zähne geputzt werden. Zusätzlich weiß die smarte Zahnbüste (z. B. wegen der Connectivity zum Smart Phone) über die betreffende Person bezüglich Alter, Geschlecht, Gewohnheiten, Vorlieben, Bewegungsprofile, … usw. bestens Bescheid. Wenn jetzt z. B. eine 30jährige Frau (mit folgenden Eigenschaften: wohnhaft in einer großen Stadt, nutzt am Abend zum Ausgehen meistens ein Taxi, die „Schminkzeit“ nach dem Zähneputzen bis zum Verlassen der Wohnung beträgt etwa 30 Minuten) um 18:00 ihre Zähne putzt (normalerweise

Wert für den Zielkunden schaffen

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macht sie das um ca. 22:30, wenn sie ins Bett geht) kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhersagen, dass sie um 18:30 ein Taxi benötigt. Ein Taxibetreiber könnte mit dieser Information ausgestattet automatisch ein Taxi für die 30jährige Frau um 18:30 vor ihrer Wohnung bereitstellen. ◄ Ein weiteres Beispiel zeigt eine Datenverwertung auf, die kritisch bezüglich Kundenvertrauen und Kundenmehrwert zu sehen ist. Beispiel „Datenverwertung Navigationsgerät“

Am 28.04.2011 gab es folgende Pressemeldung (z. B. in der Süddeutschen): TomTom hat zur Aufbesserung seiner Bilanz an holländische Behörden jene Straßenstellen gemeldet, an denen vermehrt TomTom Navigationsnutzer die erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschritten haben. Die Behörden wussten damit, wo sie bußgeldmaximierend Radargeräte aufstellen sollen. Die Käufer der Navigationsgeräte waren nach Aufkommen dieses Sachverhaltes verärgert und Konzernchef Harold Goddijn entschuldigte sich umgehend. ◄ Kundennutzen bezieht sich nicht nur auf die angebotenen Produkte oder Dienstleistungen im engen Sinn, sondern umfasst die gesamte Umgebung des Kunden, ihre/seine zu treffenden Entscheidungen, ihre/seine Stärken, Chancen aber auch ihre/seine Gefahren und Risiken, ihre/seine Kosten und vor allem ihre/seine Interessen und Bedürfnisse. Zukünftig werden Aspekte der Nachhaltigkeit und der sozialen Verantwortung, siehe Bocken et al. (2018), in der Ausformulierung des Kundennutzen an Bedeutung gewinnen. Die beiden Dimensionen Kunde (Zielkundensegment, Kundenbeziehung, Kanal) und Nutzenversprechen legen fest, für wen welche Bedürfnisse gestillt werden sollen, welcher Wert bzw. Nutzen für wen geschaffen werden soll und wie dieser Wert kommuniziert sowie geliefert wird. Das Nutzenversprechen wird für viele Firmen einen klaren Wandel von reiner Produktorientierung hin zu einer intensiven Dienstleistungsorientierung vollziehen. Nach Neely (2008) kann zwischen 5 Stufen der Dienstleistungsorientierung in Produzierenden Unternehmen unterschieden werden. Dienstleistung durch vertikale Integration (Produkt plus Dienstleistungen werden angeboten):  Der Käufer erwirbt das Produkt vom Lieferanten und erhält vom Lieferanten zusätzlich Dienstleistungen, die klassisch durch spezialisierte Unternehmen wie Handel, Distribution, Banken oder Logistiker erbracht werden. Produktorientiertes Produkt-Dienstleistungssystem (Produkt plus produktnahe Dienstleistungen):  Der Käufer erwirbt das Produkt und erhält zusätzlich vom Lieferanten direkte produktbezogene Dienstleistungen wie z. B. kundenspezifisches Design, Übernahme der Inbetriebnahme, Produkteinschulung, Durchführung Instandhaltung, Bereitstellung Verbrauchsmaterial und Ersatzteile oder Reparaturservice.

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Geschäftsmodell

Dienstleistungsorientiertes Produkt-Dienstleistungssystem (kombiniertes Produkt mit Dienstleistungen wird angeboten):  Der Käufer erwirbt noch das physische Produkt. Dienstleistungen sind integraler Bestandteil des Angebots und schaffen Mehrwert für den Kunden. Im Produkt integrierte Analysetools oder Assistenzsysteme, die den Produktnutzer unterstützen, das Produkt effektiver oder effizienter zu nutzen, sind typische Beispiele für ein dienstleistungsorientiertes Produkt-Dienstleistungssystem. Nutzerorientiertes Produkt-Dienstleistungssystem (Dienstleistung wird mit Hilfe eines physischen Produkts für den Kunden erbracht):  Der Käufer erwirbt das physische Produkt nicht. Der Dienstleistungslieferant erbringt einen Mehrwert für den Kunden durch Bereitstellung von Dienstleistungen, die durch das physische Produkt ermöglicht werden. Distribution und Umsatzgenerierung basieren auf Erbringung einer Dienstleistung, Erledigen einer Aufgabe bzw. Lösen eines Problems für den Kunden. Typische Beispiele sind Sharing, Pooling, Leasing und nutzungsbasierte Abrechnungsmethoden wie pay-per-hour, Nutzungsgebühren oder Subskriptionsgebühren. Ergebnisorientiertes Produkt-Dienstleistungssystem (Dienstleistung wird für den Kunden erbracht und ergebnisorientiert abgerechnet):  Der Käufer erwirbt kein physisches Produkt, sondern bezieht eine Dienstleistung, die nur bezahlt wird, wenn der erwartete Kundenmehrwert (Aufgabe ist erledigt, Problem ist gelöst, Outcome entspricht dem Vereinbarten) erbracht worden ist. Typische Umsatzmodelle dafür sind pay-per-outcome Modelle. Bei der Gestaltung des Wertangebots unter Berücksichtigung der Digitalisierung und Erhöhung des Dienstleistungsgrades sollen konkret bestehende Produkte des Unternehmens darauf überprüft werden, ob sie durch (zusätzliche) digitale Dienstleistungen (basierend auf Sensoren, Aktoren, Connectivity, …) verbessert werden können, ob aufbauend auf den bestehenden Produkten (z.  B.  Verwertung der durch das Produkt gesammelten Daten) neue Dienstleistungen angeboten werden oder überhaupt das physische Produkt durch eine digitale Dienstleistung ersetzt werden soll. Ein Kriterium der Überprüfung ist neben der technischen und wirtschaftlichen Machbarkeit die Erhöhung des Nutzens für die Zielkunden. Im Allgemeinen ist ein Trend von der ersten Stufe nach Neely (2008) „Produkt plus Dienstleistung wird angeboten“ Richtung „Ergebnisorientiertes Produkt-­ Dienstleistungssystem“ in der güterproduzierenden Industrie zu erwarten und entsprechend für das eigene Unternehmen im Zuge der Geschäftsmodellinnovation zu adressieren. To Be Answered – Nutzenversprechen jeweils pro Zielkundensegment

1. Welche Kundenbedürfnisse unter Beachtung der fünf Dimensionen (funktional, emotional, sozial, organisatorisch und wirtschaftlich) und des gesamten Wertangebot-Lebenszyklus wollen wir durch welche Angebote (Produkte, Dienstleistungen) und Angebotseigenschaften befriedigen. Treffen wir damit die Kundenbedürfnisse und Kundenerwartungen unserer wichtigsten Kunden?

Wert für den Zielkunden schaffen

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2. Welche Probleme des Kunden lösen wir? Welche Aufgaben für den Kunden erledigen wir? Was sind die „Jobs to be done“? Welchen Nutzen hat der Kunden durch unser Wertangebot? 3. Berücksichtigen wir die Digitalisierung, Data Analytics, Soziale Medien, das Internet, die erwarteten Marktänderungen und die zukünftigen Kundenbedürfnisse in geeigneter Weise? 4. Worin ist der von uns versprochene Kundennutzen für den Zielkunden überzeugender bzw. wertvoller als der des Mitbewerbers. Sehen das auch unsere wichtigsten Kunden so? Das nachfolgende Beispiel fasst als Mini-Case-Study wichtige Aussagen aus dem Abschn. „Wert für den Zielkunden“ schaffen zusammen: Beispiel „Mini Case Study Kundennutzen durch Kooperation Teil I“

Kurzbeschreibung Firma A Firma A entwickelt und produziert Umreifungsbänder für Verpackungen. 90 % des Umsatzes wird über den Großhandel und 10 % des Umsatzes über direkte Anlieferungen an Großabnehmer erzielt. Die Firma ist in Bezug auf Umsatz, Qualität und Lieferservice Marktführer. Für Großabnehmer werden teilweise kundenspezifische Bänder entwickelt und angeboten. Der Umsatz bricht seit einem Jahr ein. Wenn sich der Umsatzeinbruch weiter fortsetzt, wird demnächst die führende Marktposition verloren gehen. Kurzbeschreibung Firma B Firma B ist ein etablierter Maschinenbauer im Bereich Verpackungsmaschinen. Das Unternehmen hat einen Direktvertrieb und eine gut ausgebaute Serviceorganisation. In der Sparte Umreifungsmaschinen sind sie in Bezug auf Qualität, Umsatz, Service und Verlässlichkeit Marktführer. Der Umsatz in der Sparte Umreifungsmaschinen bricht seit einigen Monaten ein. Wenn sich der Umsatzeinbruch weiter fortsetzt, wird demnächst die führende Marktposition verloren gehen. Ausgangssituation Die beiden CEOs der Firma A und B haben sich auf einer Fachmesse getroffen und folgendes festgestellt: Die Umsatzentwicklung der Umreifungsbänder und der Umreifungsmaschinen weist eine ähnliche Struktur auf. Es gibt zwei „neue“ Umreifungsmaschinenhersteller, die jeweils exklusiv eigene Umreifungsbänder anbieten. Die Umreifungsbänder werden für den Kunden automatisch wiederbeschafft. Diese zwei Firmen gewinnen sowohl bei Umreifungsmaschinen, als auch bei Umreifungsbändern schnell an Marktanteilen. Beide CEOs haben eine strategische zukünftige Zusammenarbeit als sinnvoll erkannt und streben diese an.

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Geschäftsmodell

Aufgabenstellungen 1. Benennen Sie die aktuellen Zielkundensegmente der beiden Firmen: Firma A: Kundensegmente sind Großhandel und Großabnehmer Firma B: Firmen, die mit Umreifungsbändern verpacken 2. Stellen Sie das derzeitige Nutzenversprechen dar: Firma A Großhandel: Pünktliche Lieferung von qualitativ hochwertigen Umreifungs­bändern Großabnehmer: Kundenspezifische Entwicklung von Umreifungsbändern und pünktliche Lieferung von qualitativ hochwertigen (teilweise kundenspezifischen) Umreifungsbändern Firma B: Pünktliche Lieferung und Wartung von qualitativ hochwertigen ­Umreifungsmaschinen 3. Was ist das grundlegende Problem beider Firmen? Umreifungsbänder sind aus Sicht der Endkunden, die die Umreifungsmaschinen betreiben, ein billiges Verbrauchsmaterial. Die zwei neuen Anbieter organisieren offensichtlich die Verfügbarkeit der notwendigen Umreifungsbänder. Die Planung, Disposition, Bevorratung usw. der Umreifungsbänder übernimmt der Lieferant und verursacht damit keinen zusätzlichen Aufwand beim Endkunden. Dies dürfte der Grund für das Marktwachstum der neuen Mitwerber und den Umsatzeinbruch bei den beiden Unternehmen A und B sein. 4. Was wäre eine geeignete Gegenstrategie? Firma A und B gehen eine strategische Partnerschaft ein. „Gemeinsam“ bieten sie dem Endkunden einsatzbereite (Maschine hat eine hohe Verfügbarkeit, benötigte Umreifungsbänder sind verfügbar) Umreifungsmaschinen an. 5. Beschreiben Sie die neuen Zielkundensegmente? Firma A: Firma B und auslaufend Großhandel sowie Großabnehmer Firma B: Firmen, die mit Umreifungsbändern verpacken Beide Firmen A und B werden gemeinsam versuchen, dass Endkunden nicht mehr über den Großhandel, sondern über die Kooperationsplattform der beiden Firmen A und B die Umreifungsbänder beziehen. Zusätzlich werden beide versuchen, bestehende Großabnehmer der Firma A in das neue Konzept zu integrieren. 6. Beschreiben Sie die neuen Nutzenversprechen: Firma A Kunde Firma B: Automatische pünktliche Lieferung von (teilweise kundenspezifischen) Umreifungsbändern an den Endkunden nach den bereitgestellten Verbrauchs- und Bestandsdaten der Endkunden durch die Firma B (Umreifungsmaschine misst den Verbrauch) Kunde Großhandel: Pünktliche Lieferung von qualitativ hochwertigen Umreifungsbändern

Wert für das eigene Unternehmen schaffen

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Kunde Großabnehmer: Kundenspezifische Entwicklung von Umreifungsbändern und Lieferung von qualitativ hochwertigen (teilweise kundenspezifischen) Umreifungsbändern (gemeinsam wird versucht, dass die Endkunden nicht mehr über den Großhandel, sondern über die Kooperationsplattform der beiden Firmen A und B die Umreifungsbänder beziehen) Firma B Bereitstellung von Verpackungsmaschinen mit integrierten Sensoren zur Erfassung des Verbrauches an Umreifungsbänder sowie mit hoher Verfügbarkeit und automatisch bereitgestellten Umreifungsbändern ◄

Wert für das eigene Unternehmen schaffen Ein Geschäftsmodell verfolgt primär zwei Ziele: Mehrwertschaffung für den Kunden und Mehrwertschaffung für das eigene Unternehmen. Mehrwert für das Unternehmen bedeutet: über dem Branchendurchschnitt liegende Gewinne erzielen, nachhaltig den Unternehmenswert aus Sicht der Gesellschafter oder Aktionäre steigern bis hin zur langfristigen Absicherung des Unternehmens. Es geht vorrangig um die Beantwortung von Fragen wie „Wofür (Produkt, Dienstleistung, Problemlösung, Aufgabenerfüllung, …) zahlt der Kunde wieviel?“, „Warum bezahlt der Kunde für etwas?“ und „Was müssen wir am Wertangebot ändern, dass der Kunde bereit ist mehr zu bezahlen?“ Mit der Ertragsmechanik (engl. Value Capture) sind die Umsätze und Kosten und die daraus zu erzielenden Erträge gemeint, und sie beschreibt somit die Mehrwertschaffung für das eigene Unternehmen. Die Ertragsmechanik beantwortet die Frage, wie wird (finanzieller) Wert fürs eigene Unternehmen erzielt. Das Nutzenversprechen schafft Wert für die Zielkunden. Die Ertragsmechanik schafft Wert fürs eigene Unternehmen. Durch die Digitalisierung werden sich wesentliche Aspekte der Ertragsmechanik ändern, siehe Jodlbauer (2016): Wegen höherer Dienstleistungsorientierung, Plattformen und Betreibermodellen bzw. Sharing-Modellen wird der Verkauf von physischen Produkten als Hauptumsatzträger durch Dienstleistungserlöse und ergebnisabhängige Leistungsumsätze abgelöst werden. Wegen Betreibermodellen und ähnlichen Ansätzen werden größere Einmalausgaben (z. B. Investition in eine neue Anlage) zu kontinuierlichen Zahlungsströmen. Wegen der Erhöhung des Digitalisierungsgrades werden Änderungs-, Transfer-, Wechsel-, Grenz-, Anpassungs- und Personalisierungskosten wesentlich geringer – teilweise sogar vernachlässigbar. Die Ertragsmechanik wird in zwei Teile gegliedert: Einnahmequellen und Kostenstruktur. Die Einnahmequellen beschreiben die wesentlichen Ertragsarten eines Unternehmens. Es wird die Frage beantwortet, wie und wodurch erwirtschaftet das Unternehmen Umsatz. Oder in anderen Worten: Wofür sind Kunden wirklich bereit wie viel zu zahlen? Die digitale Transformation insbesondere intelligente vernetzte Produkte ermöglichen

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Geschäftsmodell

einen Wandel der Ertragsmechanik. Mögliche Ertragsformen, siehe Jodlbauer (2018), können sein • • • • • • •

Asset-Verkauf (Übertragung der Eigentumsrechte an einem Produkt gegen Bezahlung), Leasing (exklusives Recht zur zeitweiligen Nutzung eines Assets), Lizenzgebühren (Recht auf Nutzung eines geschützten intellektuellen Eigentums), Nutzungsgebühr für Services (einmalig), Subskription für Services (für einen Zeitraum), Brokergebühr für Vermittlung, Werbung.

Traditionell ist Umsatz durch den Verkauf von physischen Produkten generiert worden. Durch die Datendurchgängigkeit und Vernetzung können höherwertige After-Sales Services (Wartung, Ersatzteile, Verbrauchsmaterial, …), Betreibermodelle, Sharing-Modelle, Mehrwertdienste oder zusätzliche Datenverwertung (z. B. Smartphone-Aufenthaltsdaten werden zur Stauberechnung an Navigationsdienstanbieter verkauft) umgesetzt werden. Dienstleistungen, Problemlösungen, Aufgaben- bzw. Wunscherfüllung für den Kunden werden vermehrt die Basis für den Umsatz darstellen. Bei der Erarbeitung der Einnahmequellen sollen insbesondere folgende Fragen berücksichtigt werden: • Was sind die Haupteinnahmequellen und wie viel Umsatzanteil habe die einzelnen Bereiche? • Wofür sind die Kunden wirklich bereit was und wie viel zu bezahlen? • Welche Preispolitik legen wir fest: feste oder dynamische/situative Preise, differenzierte (nach Region, nach Zeit, nach Kunde, nach Bonität, nach Vertriebskanal, …) Preise, Transparenz der Bepreisung, Rabattpolitik, Mindestmargen, angestrebte Margen­höhe, …? • Existieren finanzielle Risiken? Falls ja: Wie können diese beschränkt werden? • Wie bezahlt der Kunde? Wie wird die Transaktion abgewickelt? Abhängig vom angestrebten Absatzvolumen, den Zielkunden, Kostenstrukturen und den Produkten bzw. Dienstleistungen sollen angestrebte Preise, Margen und Deckungsbeiträge dargestellt werden. Zusätzlich zu den Preisen, Margen, Deckungsbeiträgen und Absatzmengen bzw. Transaktionswiederholungen sind Aussagen über Finanzierungsangebote für den Kunden, Cash to Cash Cycle und Zahlungsziele zu treffen, da diese Aspekte wesentlich die Höhe des erforderlichen Kapitals und die erforderliche Kapitalbindungsdauer beeinflussen, siehe Altendorfer und Jodlbauer (2011). Der Vergleich zu Mitbewerbern und die Kompatibilität zur Unternehmensstrategie sowie zu allen anderen Elementen des Geschäftsmodells sind dabei zu beachten. In Osterwalder (2004) werden Preisfindungsmodelle nach den drei Hauptkriterien fixe Preisbildung, differenzierte Preisfindung und Preisfindung durch den Markt unterschieden. Zu den fixen Preisfindungsmethoden gehören der Listenpreis, die Subskription (eine

Wert für das eigene Unternehmen schaffen

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Subskriptionsgebühr oder auch Flatrate für einen bestimmten Zeitraum wird bezahlt) und die Nutzungsgebühr bzw. pay-per-use (pro Nutzung wird bezahlt). Differenzierte Preisbildung basiert auf Produktmerkmalen (z. B. mehr Produktfunktionen führen zu höherem Preis), Kundenmerkmale (z. B. Region mit hohem Wohlstand führt zu höheren Preisen), Absatzvolumen (z. B. größere Bestellmenge führt zu geringeren Preisen) oder Kundennutzen (z. B. wird ein höher Kundennutzen geschaffen, führt dies zu höheren Preisen). Preisverhandlung ist wohl die älteste marktbezogene Preisbildung. Gerade durch die Digitalisierung sind weitere Preisbildungsmechanismen durch den Markt festzustellen: Yield Management oder auch Revenue Management:  Optimierung des Umsatzes von zeitlich befristeten bzw. verderblichen Produkten bzw. Dienstleistungen durch Verwertung von kurzfristigen Informationen, z. B. Preise für Hotelübernachtungen oder Flugtickets werden durch die kurzfristige Nachfrage und Auslastung bestimmt Auktionen:  Versteigerung, bei der mit dem geringsten Preis begonnen wird und das Produkt bzw. die Dienstleistung an den Meistbietenden vergeben/verkauft wird (ein Anbieter, viele Kaufinteressenten, der Kaufinteressent mit dem höchsten Kaufangebot erhält den Zuschlag) Reverse Auktionen:  Versteigerung, bei der mit dem höchsten Preis begonnen wird und das Produkt bzw. die Dienstleistung von dem verkauft wird, der den geringsten Preis angeboten hat (ein Käufer, viele Verkäufer des gleichen Produktes bzw. der gleichen Dienstleistung, der Verkäufer mit dem geringsten Preisangebot erhält den Zuschlag) Dynamic Market:  Der Preis wird gleichzeitig von vielen Marktteilnehmern und deren Interaktion bestimmt. Börsen sind typische Beispiel für Dynamic Markets Ertragsformen wie Leasing (Verleih, Vermietung), Lizenzgebühren, Transaktionsgebühren (Maklergebühren, Brokergebühren), Nutzungsgebühr, Subskriptionsgebühr (Einschreibgebühren, Mitgliedsgebühren) und natürlich Werbeeinnahmen werden an Bedeutung gewinnen. Leistungs- bzw. verbrauchsbasierte Abrechnung, Auktionen, dynamische situative Preisbildung und Revenuemanagement können mit Hilfe der Digitalisierung leichter implementiert werden. Denkbar ist, dass Basisfunktionen kostenlos, mit dem Ziel schnell viele User zu gewinnen, angeboten werden und über (aufenthaltsortsabhängige, personalisierte, situative, kontextsensitive) Werbung bzw. kostenpflichtige Premiumfunktionen (dafür keine Störungen wegen Werbung) bzw. Dienste Umsatz generiert wird. Ziel ist dabei, über die kostenlose Bereitstellung der Basisfunktionen schnell zu wachsen und viele Kunden zu gewinnen. In Zukunft werden Preise vielfach nicht mehr statisch auf Grund von erwarteten Gewinnmargen, Preisvergleichen zum Mitbewerber oder gestiftetem Kundennutzen auf längere Zeit fixiert werden, sondern hochdynamisch situativ und kundenabhängig (z. B. bei Flugreisen oder Parkplatzbewirtschaftung) an Ziele wie Maximierung des Gewinns, Maximierung des Returns on Capital Employed (ROCE) oder an

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Geschäftsmodell

verbrauchs- oder leistungsorientierte Kriterien angepasst werden. Eine auslastungsabhängige Bepreisung ermöglicht eine Glättung der Kapazitätsnachfrage und in mehrstufigen Supply Chains eine Reduktion des Bullwhip-Effektes, siehe Lee (1997). Bei hoher Nachfrage werden höhere Preise verlangt, die zu einer Reduktion der Kapazitätsnachfrage (des Absatzes) führen. Bei geringer Nachfrage werden geringere Preise verlangt, die zu einer Erhöhung der Kapazitätsnachfrage (des Absatzes) führen. Beide Maßnahmen zusammen führen zu einer Glättung des Absatzes und somit zu einer Glättung der Kapazitätsnachfrage. In vielen Branchen wir der Umsatz basierend auf dem Verkauf von Dingen abgelöst werden durch Umsatz generiert durch die Schaffung eines Mehrwertes für den Kunden. Konkret könnte der geschaffene Wert für den Kunden dynamisch bepreist werden durch • pay-per-hour (Nutzung einer Sache oder eines Dienstes) • pay-per-outcome (Produktivität einer Sache oder eines Dienstes) • pay-per-feature (Genutzte Funktionalität einer Sache oder eines Dienstes)

Beispiel „Digitalisierte Müllabfuhr“

Kommunen können ihre Bürger (Kunden) erfolgreich zur Nachhaltigkeit und gleichzeitig zum Kostensparen erziehen, indem sie eine variable Preisgestaltung für die Müllentsorgung einführen. Über Sensoren an der Mülltonne werden der Füllgrad und/oder der Grad der Mülltrennung gemessen. Abhängig vom Füllgrad (weniger Müll bedeutet geringere Kosten) und vom Grad der Mülltrennung (saubere Trennung bzw. abfallsortensauberer Müll bedeutet geringere Kosten) werden die Verrechnungspreise für das Abholen des Mülls dynamisch bestimmt und dem Kunden (Bürger) automatisch verrechnet. ◄

To Be Answered – Einnahmequellen jeweils pro Zielkundensegment

1. Wofür ist der Kunden bereit wie viel zu bezahlen? Wieviel Umsatz (Größenordnung, Anteil) wird mit welchem Wertangebot, Produkt oder Dienstleistung angepeilt? Sehen das auch unsere Zielkunden so? 2. Wie und wann (differenziert nach Kunde, Produkt, …) erfolgt die Preisfindung, Abrechnung und Bezahlung? Wollen das auch unsere wichtigsten Kunden? 3. Haben wir die Möglichkeiten der Digitalisierung ausreichend ­berücksichtigt? 4. Entsprechen die projektierten Absätze, Umsätze, Margen, Deckungsbeiträge, Gewinne, Kapitalerträge, … den Erwartungen und Vorgaben der Eigentümer/Gesellschafter? Falls nicht, was müssen wir ändern? 5. Können die Umsätze durch geeignete Maßnahmen erhöht werden (Add-­on Angebote, Up-Selling, Cross Selling, noch höheren Wert/Nutzen für den Kunden durch Kombination von Angeboten schaffen, neue Kunden, neue Wertangebote, …)?

Wert für das eigene Unternehmen schaffen

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Das nachfolgende Beispiel fasst als Mini-Case-Study wichtige Aussagen zum Thema „Einnahmequellen“ zusammen: Beispiel „Mini Case Study Unternehmenswert durch Kooperation Teil II“

Ausgangssituation Wie in Beispiel „Mini Case Study Kundennutzen durch Kooperation Teil I“ auf Seite 23. Aufgabenstellungen 1. Beschreiben Sie für beide Unternehmen die Ertragsmechanik in der Ausgangssituation (falls erforderlich treffen Sie plausible Annahmen) Firma A Einnahmequellen: Verkaufserlös durch Umreifungsbänder Kostenstruktur: Rohstoffe und Fertigung (Personal) sind die wesentlichen Aufwände, hohe Kapitalbindung ist durch Maschinen und Bestände verursacht Firma B Einnahmequelle: Verkaufserlös durch Umreifungsmaschinen Kostenstruktur: Entwicklungs- und Softwarekosten inkl. Inbetriebnahme, Beschaffungsteile, Personal, Anlagen 2. Beschreiben Sie für beide Unternehmen die neue Einnahmequelle Firma A Einnahmequelle: Erlös durch automatisches Bereitstellen der Umreifungsbänder Firma B Einnahmequelle: Erlöse durch Verkauf von Umreifungsmaschinen und durch automatische Bereitstellung von Umreifungsbändern ◄ Die Kostenstruktur schlüsselt alle wesentlichen Kosten des Unternehmens auf. Kosten werden schwerpunktmäßig durch die Unterhaltung der Kundenbeziehung, der Kanäle, der Schlüsselaktivitäten und der Schlüsselprozesse und die dafür erforderlichen und da­ mit bereitzustellenden Schlüsselfähigkeiten, Schlüsselressourcen, Schlüsseltechnologien, Schlüsselsteuerungselemente und Schlüsselpartner inkl. Partnerbeziehungen und Partnerkanäle verursacht. In einem Massenmarkt oder bei einem Billiganbieter wird eine schlanke Kostenstruktur zwingend erforderlich sein. Typische Möglichkeiten Kosten zu senken sind: Zukauf, Fremdvergabe, Mengenvorteile, Verbundvorteile (Synergievorteile), Automatisierung und Digitalisierung. Bei einem Premiumanbieter wird der Fokus vor allem auf Personalisierung, Differenzierung und Premium-Wertversprechen liegen (Kunde ist bereit entsprechend für den Mehrwert zu zahlen und damit auch höhere Kosten in Kauf zu nehmen). Bereits bei der Produkt- und Dienstleistungsentwicklung sind die dadurch verursachten (später anfallenden) Kosten einzukalkulieren und im Sinne des gesamten

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Geschäftsmodell

Life-­Cycle unter Berücksichtigung der Erfüllung der Kundenbedürfnisse zu optimieren. Kostenmonitoring und die Anwendung von Target Costing, siehe Cooper (2017), können hierbei hilfreich sein. Weitere wesentliche Aspekte der Kostenstruktur sind operative Leistungsvorgaben wie Absatzmengen bzw. Transaktionswiederholungen und Anzahl der Varianten in Bezug auf Nutzung von Economy of Scale Effekten und Umschlagshäufigkeit von Beständen, Lieferzeiten, Durchlaufzeiten bis hin zu angestrebten Auslastungen kapitalintensiver Ressourcen in Bezug auf das erforderliche Kapital und die erforderliche Kapitalbindungsdauer, siehe Jodlbauer (2016). Durch Analyse der Kundenbeziehungen, Kanäle und der Wertschöpfungsstruktur insbesondere der Prozesse und kapitalintensiven Ressourcen sind die wesentlichen Kostentreiber und Kostenblöcke zu identifizieren sowie zu quantifizieren. Im Sinne einer ABC-Klassifizierung sollte für die Prozesse, Aktivitäten, Ressourcen, Technologien und Fähigkeiten, die die höchsten Kosten verursachen, gezielt die Frage beantwortet werden, ob Kosten gesenkt werden können, ohne dabei die Fähigkeit das Nutzenversprechen einzulösen zu schwächen. Mögliche Maßnahmen zur Kosteneinsparung könnten sein: Anpassung der Schlüsselpartner und deren zugeordneter Schlüsselprozesse, Schlüsselaktivitäten, Schlüsselressourcen, Schlüsseltechnologien und Schlüsselfähigkeiten, Redesign der Kundenbeziehungen, Kanäle, Schlüsselprozesse und Schlüsselaktivitäten unter Nutzung der Digitalisierung und Automatisierung ohne dabei Kompromisse Richtung Nutzenversprechen einzugehen und Identifikation sowie Nutzung von synergetischen zielkundensegmentübergreifenden Wertschöpfungselementen. To Be Answered – Kostenstruktur jeweils pro Zielkundensegment

1. Wo (Kostenträger: Schlüsselprozess, Schlüsselaktivität, …), wodurch (Kostentreiber: Anzahl der Transaktionen, verbrauchte Rohstoffe, …) und in welcher Größenordnung werden Kosten verursacht? Welche Prozesse, Aktivitäten, Ressourcen, Technologien, Fähigkeiten und Partner verursachen die höchsten Kosten? 2. Können die Kosten (schwerpunktmäßig die höchsten Kostenblöcke), ohne den Fokus auf das Einlösen des zielkundenspezifischen Nutzenversprechens aufzugeben, reduziert werden (Schaffung und Nutzung von Synergien, Automatisierung, Nutzung der Digitalisierung, Auslagerung, Insourcing, …)?

Wertschöpfungsstruktur Die Wertschöpfungsstruktur, auch Wertschöpfungskette genannt (engl. Value Architecture), beschreibt die Prozesse und Aktivitäten, die ein Unternehmen benötigt, um das Nutzenversprechen zu erfüllen und möglichst viel Wert für das eigene Unternehmen zu schaffen. Darüber hinaus stellt die Wertschöpfungsstruktur die erforderlichen Fähigkeiten, Kompetenzen, Technologien, Ressourcen, Unternehmensregeln, Unternehmensnormen, Kennzahlen, Partner sowie das gesamte Ecosystem dar. Um die Idee des Wertschöpfungs-

Wertschöpfungsstruktur

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netzwerkes und der Value-Co-Creation zu betonen, werden auch die Begriffe Value Con­ stellation, siehe Normann und Ramirez (1993), oder Wertschöpfungsnetzwerk anstatt Wertschöpfungsstruktur verwendet. In Osterwalder (2004) wird der Begriff Value Configuration (Schlüsselaktivitäten und Schlüsselressourcen) geprägt. Der Begriff „Schlüssel“ wird im Folgenden im Sinne von strategisch bedeutend, erfolgskritisch und hoch relevant für die Erfüllung des Nutzenversprechens verwendet. Wir verwenden den Begriff Wertschöpfungsstruktur um zu betonen, dass alles, was zum Einlösen des Kundenversprechens und für die Generierung von Gewinn sowie finanziellem Return aus dem eingesetzten Kapital erforderlich ist, gemeint ist. Laut Ballon (2007) sind dabei die Assets und einzelnen Teile der Wertschöpfungsstruktur einander verstärkend zu kombinieren und am Nutzenversprechen auszurichten. Die Wertschöpfungsstruktur ist zielkundenspezifisch zu gestalten. Die Ausgestaltung der Kundenbeziehungen, Kanäle, Schlüsselaktivitäten, Schlüsselprozesse, Schlüsselressourcen, Schlüsselfähigkeiten, Schlüsseltechnologien, Schlüsselpartner inkl. der Partnerbeziehungen und Partner-Kanäle und Schlüsselsteuerungselemente hat zentral zwei Ziele zu verfolgen: • Optimale Unterstützung der Fähigkeit des Unternehmens das Nutzenversprechen an die Zielkunden einzulösen und • dies unter Berücksichtigung des zu erwartenden Mengengerüstes (Absatz, Anzahl Transaktionen, …) möglichst zu geringen Kosten und mit hohen Umsätzen zu ­bewerkstelligen. Auf Grund der Digitalisierung ist zu erwarten, dass sich in der Wertschöpfungsstruktur Bedeutungen massiv verschieben werden: Software und Daten werden im Vergleich zur Hardware immer wichtiger, Produkte werden vermehrt durch Dienstleistungen abgelöst, der Vertrieb wird immer mehr (offene) Plattformen nutzen und wir alle müssen lernen, vom Einzelspieler zum Netzwerker zu werden, siehe Jodlbauer (2018). Bekannte Zitate von führenden Persönlichkeiten aus der Wirtschaft wie „You go to bed as an Industry Company and you wake up as a Software Company“ von Jeffrey Immelt (General Elec­ trics), „Our goal is to make all products available online around the world“ von Ralf Kleber (Amazon) oder „For every plug-in connection we need a digital twin“ von Frank Stührenberger (Phoenix Contact) bestätigen diese Bedeutungsverschiebungen. Mit den Schlüsselaktivitäten und Schlüsselprozessen sind die wichtigsten Aktivitäten, Aufgaben, Tätigkeiten und Prozesse eines Unternehmens gemeint, um das Nutzenversprechen für die Zielkunden einzulösen und Umsatz zu generieren. Die Schlüsselaktivitäten und -prozesse umfassen dabei insbesondere die Lösung des Kundenproblems bzw. die Befriedigung des Kundenbedürfnisses, die Entwicklung der Produkte sowie Dienstleistungen, den Verkauf, die Abwicklung des Geschäftes, die Zahlungsabwicklung, die Beschaffung, die Herstellung und die Distribution der Produkte und die Bereitstellung der (digitalen) Dienste. Für die Ausgestaltung der Kundenbeziehungen und das Betreiben der Kundenkanäle sind ebenfalls Schlüsselaktivitäten und Schlüsselprozesse erforderlich. Die (laufende Weiter-)Entwicklung und die Bereitstellung von erfolgskritischen Fähigkeiten,

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Geschäftsmodell

Ressourcen, Technologien und Partnern kann ebenfalls eine Schlüsselaktivität bzw. ein Schlüsselprozess sein. Das Konzipieren, Erweitern, Bereitstellen und Betreiben von digitalen Diensten sowie Plattformen und die Sammlung von Daten, deren Analyse sowie Verwertung werden vermehrt zu den Schlüsselaktivitäten gehören. Die Schlüsselaktivitäten und -prozesse beziehen sich immer auf ein Zielkundensegment mit dem dazugehörigen Nutzenversprechen. Schlüsselaktivitäten und -prozesse sollen das Unternehmen befähigen den, den Zielkunden versprochenen, Kundennutzen zu stiften, gleichzeitig mit möglichst wenig Aufwand erledigt bzw. betrieben zu werden und Wettbewerbsvorteile gegenüber den Mitbewerbern zu lukrieren. Best Practice oder branchenübliche Prozesse bzw. Aktivitäten sind in der Regel keine gute Basis für Schlüsselaktivitäten und -prozesse, da sie nicht geeignet sind, Wettbewerbsvorteile zu schaffen. Für nicht Schlüsselaktivitäten und -prozesse (diese sind bei einem Geschäftsmodell nicht zu behandeln) wie z. B. Lohnverrechnung oder Lieferantensuche für nicht kritisches Standardmaterial sollen natürlich Best Practice Methoden oder branchenübliche Methoden angewandt werden. Bei erfolgskritischen, strategisch relevanten Prozessen und Aktivitäten sollten firmenspezifische Lösungen unter Berücksichtigung der Zielkundensegmente, der Kundenbedürfnisse und des Nutzenversprechens erarbeitet und implementiert werden, um möglichst viele Wettbewerbsvorteile (mehr Nutzen für den Zielkunden stiften als der Mitbewerber und/oder den hohen Kundennutzen mit weniger Aufwand als der Mitbewerber erreichen) sicherzustellen. Bei Differenzierungs- und Technologieführerschaftsstrategien wird der höhere Kundennutzen im Vergleich zum Mitbewerber im Vordergrund s­ tehen – bei Kostenführerschaftsstrategien wird der geringere Aufwand im Vergleich zum Mitbewerber im Vordergrund stehen. Planung, Koordination, Steuerung und Monitoring der Wertschöpfung und der Kundenauftragsabwicklung können wesentliche Schlüsselprozesse sein. Entscheidungen wie Make to Stock versus Make to Order, siehe Jodlbauer und Altendorfer (2010), verbrauchsgesteuerte versus bedarfsgesteuerte Disposition, siehe Jodlbauer (2008b) sowie Jodlbauer und Strasser (2019), Einsatz des bestgeeigneten Planungs- bzw. Steuerungsverfahrens, siehe Jodlbauer und Huber (2008), optimale Parametrisierung der Planungs- bzw. Steuerungsverfahren, siehe Jodlbauer und Reitner (2012a, b), optimale Losgrößenpolitik, siehe Jodlbauer (2006) sowie Weidenhiller und Jodlbauer (2009), oder kundenorientierte Kapazitätsplanung, siehe Altendorfer et al. (2014) können wesentlich zur Sicherstellung einer hohen Kundenorientierung beitragen. Die Schlüsselressourcen bezeichnen die materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter, die für den Geschäftsbetrieb notwendig sind, um das Nutzenversprechen für die Zielkunden einzulösen und alle erforderlichen Schlüsselaktivitäten und -prozesse zu betreiben. Grundsätzlich sind folgende Schlüsselressourcen auch strategische Assets genannt, siehe Kaplan et al. (2004) zu unterscheiden: • Menschliche (Kompetenzen, Qualifikation, Fähigkeiten, Motivation, …) • Intellektuelle (Wissen, Daten, Informationen, Software, Marken, Schutzrechte, Patente, …)

Wertschöpfungsstruktur

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• Physische und technologische (Maschinen, Anlagen, Gebäude, IT-Systeme, Hardware, Rohstoffe, Zukaufteile, …) • Führungsbezogene (Governance im Sinne von Unternehmensregeln zu Themen wie Verantwortung, Transparenz, Open versus Closed, Planung, Steuerung, Koordination, Managementsystem, Ablauforganisation, … aber auch Führungskultur, Kooperationsverhalten, Fehlerkultur, …) • Beziehungskapital (Qualität und Intensität der Vernetzung mit Kunden, Lieferanten, Experten, Politikern, Entscheidungsträgern, …) • Finanzielle (Liquidität, Kapital, …) Im Zuge der Digitalisierung ändert sich die Bedeutung der Assets eines Unternehmens nachhaltig. Die Menschen sind gefordert, ihre Kompetenzen im Bereich Digitalisierung zu entwickeln sowie die Möglichkeiten der Digitalisierung zu erkennen und natürlich zu nutzen. Die Personalentwicklung und Personalakquisition muss vermehrt auf Digitalisierungskompetenzen ausgerichtet werden. Physische Ressourcen werden zu Smart Connected Things, siehe Porter und Heppelmann (2014) und können damit über Sensoren die Umwelt und den eigenen Zustand erfassen, über Aktoren die Umwelt gestalten und den eigenen Funktionsumfang anpassen und über die Connectivity mit anderen Systemen sowie mit dem Menschen interagieren und kommunizieren. Physisches wird im Netzwerk orchestriert und genutzt, um die Automatisierung von Tätigkeiten sowie Prozessen voranzutreiben. Die Governance muss Themen wie Safety, Security, Aufgabenverteilung ­zwischen Menschen und den intelligenten Maschinen antizipieren. Sogenannte „Einfache Regeln“, siehe Seite 188, können als Leitplanken bei der Umsetzung des Geschäftsmodells dienen. Durch Block Chain, digitale Signaturen, Automatisierung von Finanztransaktionen aber auch Betreibermodelle oder pay-per-use werden sich die finanziellen Rahmenbedingungen insbesondere die Liquidität und die Effizienz der Werkzeuge zur Abwicklung von Finanztransaktionen nachhaltig ändern. Die größten und meist unterschätzten Bedeutungswandel bei den Assets sind in den Bereichen intellektuelle Ressourcen und im Beziehungskapital zu erwarten, siehe Libert et al. (2016). Über die Digitalisierung können intellektuelle Assets in einem Augenblick global zu vernachlässigbaren Kosten an beliebig viele User bereitgestellt werden. Über die Kommunikations- und Interaktionswerkzeuge der Digitalisierung insbesondere Soziale Medien und Plattformen können weltweit zu geringen Kosten intensive Beziehungen geknüpft und gepflegt werden. Data Analytics und die Fähigkeit, Daten zielorientiert zu verwerten steigert weiter die Bedeutung von intellektuellen Assets und Beziehungskapital. Sowohl intellektuelles Kapital als auch Beziehungskapital wird auf Grund der fortschreitenden Digitalisierung weltweit schneller und kostengünstiger nutzbar und erweiterbar werden. Auch für Produktionsunternehmen werden diese beiden Ressourcentypen im Vergleich zu den physischen Ressourcen wie Anlagen an Bedeutung gewinnen. Die hoch kapitalisierten Unternehmen an den Börsen wie Apple, Amazon oder Alphabet haben besonders die beiden Assets intellektuelles Kapital und Beziehungskapital mit Hilfe der Digitalisierung entwickelt und strategiekonform eingesetzt.

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Geschäftsmodell

Einige Autoren, siehe Morris et al. (2005), unterstreichen die Schlüsselfähigkeiten auch Schlüsselkompetenzen genannt: Also welche Fähigkeiten (die Mitarbeiter, die Partner, die Anlagen, die Maschinen, …) benötigt ein Unternehmen, um das Nutzenversprechen für die Zielkunden einzulösen. Die erforderlichen besonders wichtigen Schlüsselfähigkeiten hängen stark von strategischen Grundsatzüberlegungen ab. Bei angestrebter Kostenführerschaft werden Fähigkeiten wie kostengünstige Fertigung oder Vertrieb, standortübergreifender Kapazitätsabgleich oder kontinuierliche Senkung der Kosten wettbewerbsentscheidend sein. Bei angestrebter Innovationsführerschaft werden hohe Innovationsfähigkeiten gefordert sein. Bei einer ausgereiften Digitalisierungsstrategie werden hohe Fähigkeiten im Bereich der Digitalisierung, Data Analytics oder Internet der Dinge erforderlich sein. In einem sich ständig ändernden Marktumfeld werden Fähigkeiten der flexiblen Fertigung oder Fähigkeit zu kurzen Innovationszyklen erfolgskritisch sein. Schlüsselfähigkeiten stehen häufig mit Schlüsseltechnologien in enger Verbindung. Zur Bedeutung und Wichtigkeit der Technologie formuliert Chesbrough (2010): Eine durchschnittliche Technologie mit einem großartigen Geschäftsmodell schafft mehr Wert für alle Stakeholder als eine großartige Technologie mit einem durchschnittlichen Geschäftsmodell. Neue Technologien ermöglichen neue Geschäftsmodelle und (und das ist für die Geschäftsmodellinnovation wesentlich wichtiger) neue Technologien brauchen ein neues Geschäftsmodell, um den vollen Nutzen entfalten zu können. Es geht nicht um die beste Technologie, sondern um die beste wirtschaftliche Nutzung der Technologie, siehe Jodlbauer et al. (2016). Chesbrough und Schwartz (2007) schlagen Co-Development von Technologien und neuen Produkten und Dienstleistungen als integralen Bestandteil des Geschäftsmodells vor. Co-Development kann zu • geringeren Entwicklungskosten (jeder Partner macht das, was er wirklich kann, Fixkosten können auf eine hohe Absatzmenge verteilt werden), • kürzeren Entwicklungszeiten (bereits Vorhandenes wird verwendet und nicht selber neu erfunden, jeder Partner macht das, was er wirklich kann und damit schnell kann), • Erweiterung der Innovationsfähigkeiten (Partner bringen neue Technologien, Qualifikationen und Fähigkeiten ein), • Aufteilung des Risikos und Erweiterung der möglichen Marktzugänge führen. Bei vielen Innovationsvorhaben sind nicht die technologischen Herausforderungen die größten, sondern ethische, juristische oder gesellschaftliche, wie nächstes Beispiel aufzeigt. Beispiel „Autonomes Fahren“ oder „Rahmenbedingungen unterschätzen“

Die Einführung von Autonomem Fahren ist viel mehr als Technologie und Künstliche Intelligenz. Eine flächendeckende Umsetzung von autonom fahrenden Fahrzeugen im

Wertschöpfungsstruktur

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Straßenverkehr setzt die Klärung von Fragen der Ethik, der Zertifizierung und der Akzeptanz voraus. Ethik, siehe Hevelke und Nida-Rümelin (2015): Völlig Einstimmigkeit herrscht, dass autonom fahrende Fahrzeuge Menschen (deren Leben und Gesundheit) nicht gefährden dürfen. Wie soll ein autonom fahrendes Fahrzeug entscheiden, wenn auf Grund der technischen Rahmenbedingungen folgende Situation gegeben ist: Ein Unfall mit schweren Folgen lässt sich nicht mehr vermeiden. Es existieren drei Handlungsalternativen mit jeweils unterschiedlichen Schadensfolgen: Alter Mann wird angefahren mit der anzunehmenden Folge Tod oder schwerste Verletzung des Mannes, Kleinkind wird angefahren mit der anzunehmenden Folge Tod oder schwerste Verletzungen des Kindes oder Frontalzusammenprall mit einer festen Stahlbetonmauer mit der anzunehmender Folge Tod oder schwerste Verletzungen der Insassen des autonom fahrenden Fahrzeuges. Wir werden jetzt keine Diskussion darüber führen, welches Leben mehr oder weniger Wert ist. Klar ist allerdings, dass jemand (ein Mensch und keine Maschine) vor Programmierung des autonom fahrenden Fahrzeuges dazu eine eindeutige Entscheidung treffen muss, ansonsten kann der Programmierer die erforderlichen Algorithmen basierend auf künstlicher Intelligenz nicht implementieren. Aus heutiger Sicht ist völlig unklar, wer diese Entscheidung treffen könnte und wie diese Entscheidung zu treffen ist. Außerdem wären juristische (z. B. wäre das dann ein geplantes Tötungsdelikt – also Mord und wer wäre der anzuklagende Mörder) und marketingbezogene (z. B. wer will mit einem Auto gefahren werden, das in bestimmten Situationen „Selbstmord“ begeht) Folgen einer solchen Entscheidung unklar. Zertifizierungs- bzw. Normierungsprozess, siehe Hey (2019): Das Autofahren ist an formale Zertifizierungsprozesse (Zulassung, Typisierung, TÜV Untersuchung in Deutschland, § 57 a Überprüfung in Österreich, …) gebunden. Nur ein zertifiziertes Auto darf in Betrieb genommen werden und im Falle eines Unfalles würde ein nicht (aktuell) zertifiziertes Auto zu vermehrten Problemen (Versicherungsschutz, Klärung der Schuldfrage, …) führen. Der heutige Zertifizierungsprozess ist zeitpunktbezogen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt wird die Zertifizierung vorgenommen und insbesondere überprüft, wie sich das System unter bestimmten Einflüssen und bei bestimmten Rahmenbedingungen verhält. Wenn das System geändert bzw. ein anders Verhalten des Systems erzwungen wird, erlischt die Zertifizierung (z. B. wenn Sie andere Reifendimensionen als im Zulassungsschein angeführt verwenden wollen, müssen Sie eine erneute Typisierung/Zulassung beantragen). Ähnliches gilt für Software: Wenn ein Sourcecode dem Anwender vom Programmierer übergeben wird und der Anwender nur an einer Stelle des Quellcodes eine Kleinigkeit ändert, können Gewährleistungs- und Haftungsansprüche des Anwenders an den Programmierer erlöschen. Autonom fahrende Fahrzeuge basieren auf selbstlernenden Algorithmen, das heißt das Verhalten des Systems verändert sich über die Zeit und im Vorhinein kann nicht bestimmt werden, wie bzw. wann sich das Verhalten des Autos ändert. Heutige Zertifizierungs- und Normierungsprozesse basieren auf einer Stichtagsprüfung und auf sich nicht ändernden Verhalten in bestimmten Situationen. Erst wenn geeignete und weltweit akzeptierte

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Geschäftsmodell

Zertifizierungen für autonome Fahrzeuge vorliegen, können juristische Fragen wie Gewährleistung oder Haftung im Zusammenhang mit autonom fahrenden Fahrzeugen befriedigend gelöst werden. Akzeptanz, siehe Maurer et  al. (2015): Ein Verkehrsunfall mit Todesfolge verursacht großen Schmerz und tiefe Trauer bei den Hinterbliebenen des Verstobenen. Bei menschlichem Versagen, das zum Verkehrsunfall geführt hat, werden (Selbst)Vorwürfe laut – nach gewisser Zeit verstummen diese Vorwürfe und irgendwie kann das Geschehene akzeptiert werden. Ein Versagen eines autonom fahrenden Fahrzeuges, das zu einem Unfall mit Todesfolge führt, würde auf keinen Fall akzeptiert werden (auch wenn nachweislich weniger Unfälle durch autonom fahrende Fahrzeuge verursacht werden würden als im heutigen Straßenverkehr). ◄ Das nächste Beispiel unterstreicht die Erkenntnis aus Chesbrough (2010), dass erst ein gutes Geschäftsmodell eine gute Technologie zu Entfaltung bringt. Beispiel „Apple“

Apple, siehe Johnson et al. (2008), hat 2003 den iPod und iTunes eingeführt und damit den mobilen Unterhaltungsmarkt revolutioniert. Sowohl der Gewinn als auch der Aktienkurs ist in den darauffolgenden Monaten geradezu explodiert. Apple waren nicht die ersten, die ein hochqualitatives, gut designtes, digitales mobiles Gerät für Musik hören, Video abspielen usw. auf den Markt gebracht haben. Diamond Multimedia hat 1998 den Rio und Best Data den Cabo 64 bereits 2000 auf den Markt gebracht. Technisch waren diese Produkte nicht schlechter als der iPod. Aber der wirtschaftliche Erfolg war nur Apple beschieden. Warum? Apple hat die Kundenbedürfnisse verstanden, ein einfaches Nutzenversprechen formuliert (mobil jede Musik bequem downloaden und hören können) und dadurch ein völlig neuartiges Geschäftsmodell basierend auf iTunes (einfaches, bequemes und schnelles Downloaden von Musik) umgesetzt. Diamond Multimedia und Best Data haben die konsequente Ausrichtung an den Kundenbedürfnissen und die Neugestaltung des Geschäftsmodells verabsäumt und deshalb die neuen (durchaus reifen) Technologien nicht erfolgreich am Markt platzieren können. ◄ Digitalisierung mit ihren IT-technologischen Elementen kann als Schlüsseltechnologie gesehen werden. Nach Gassmann et al. (2015) sind neun IT-gestützte Entwicklungen feststellbar, die in der Geschäftsmodellinnovation berücksichtigt werden sollen: • Soziale Medien: Die Interaktionen der Teilnehmer eines Ecosystems über Soziale Medien führen zu transparenteren und dynamischeren Situationen. • Sharing Community, Nutzerplattformen und das Internet der Dinge verändern das Kaufverhalten und die Kundenerwartungen. • Freemium und Add-on: Kunden werden durch die zahllosen kostenlosen Angebote des Internets verwöhnt und durch einfach zu verwendende personalisierte Apps „umerzogen“.

Wertschöpfungsstruktur

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• Digital aufgewertete Produkte: Rein physische Produkte werden mit Sensoren, Aktoren und Connectivity ausgestattet, um dadurch zahlreiche Dienstleistungen mitanzubieten und Mehrwert für den Kunden zu generieren. • Digitale und reale Erlebnisse integrieren: Nutzung von Mixed Reality Systemen zur Verkaufsförderung, Produktkonfiguration, Bereitstellung von Visualisierungs- oder Assistenzsystemen. • Big Data: Nutzung der Daten insbesondere von Data Mining, um Mehrwert für den Kunden und fürs eigene Unternehmen zu schaffen. • Gamifikation: Nutzung von spielerischen Elementen in einem spielfremden Kontext kann Nutzer dazu motivieren, langweilige, unbeliebte oder besonders komplexe Aufgaben zu erledigen. • Digitale Identifizierung kann die Sicherheit erhöhen und Prozesse vereinfachen. • Digitale Plattformen und Marktplätze schaffen eigene Ecosysteme. In Ergänzung zu Gassmann zeigen Iansiti und Lakhani (2014) auf, dass die Digitalisierung exakte Replikation in kürzester Zeit und zu geringsten Kosten ermöglicht und dieser Sachverhalt gängige Branchenlogiken und Geschäftsmodelle nachhaltig ändern wird. Es empfiehlt sich, sowohl obige neun technologische Möglichkeiten und IT-Entwicklungen nach Gassmann als auch die Aussagen von Iansiti und Lakhani im Hinblick auf die eigenen Zielkundensegmente, Kundenbedürfnisse, das Nutzenversprechen und das Einlösen des Nutzenversprechens zu reflektieren. In der Studie Depiereux (2019) werden zu den bereits oben genannten Technologien ergänzend nachfolgende Technologien als besonders einflussreich auf die Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen gesehen: Künstliche Intelligenz, Robotik, Flexible Produktion, Sprachsteuerung, Virtual Reality und 3D-Druck. Neben den genannten Schlüsselressourcen und Schlüsselprozessen sind Unternehmens-­ Regeln, Unternehmens-Kennzahlen und Unternehmens-Normen, im Folgenden Schlüsselsteuerungselemente genannt, wesentlich zur Sicherstellung der Mehrwertschaffung für die Kunden und das eigene Unternehmen, siehe Johnson et al. (2008). Wegen der hohen Bedeutung für die Implementierung und das Betreiben des Geschäftsmodells werden die Schlüsselsteuerungselemente gesondert angeführt  – einige Autoren, siehe Schallmo (2013), sehen sie als integralen Bestandteil der Schlüsselressourcen oder Schlüsselprozesse (siehe auch obige Aufzählung strategische Assets Punkt „Führungsbezogene Assets“ auf Seite 31). Die Regeln und Normen unterstützen das Unternehmen im Alltagsgeschäft Entscheidungen so zu treffen und Handlungen so zu setzen, wie es durch das Geschäftsmodell intendiert ist, siehe dazu auch Chatterjee (2013) und Eisenhardt und Sull (2001). Chatterjee verwendet dazu den Begriff „Einfache Regel“, siehe auch Seite 188. Kennzahlen geben Auskunft, ob man am richtigen Weg ist, oder ob man korrigierend eingreifen muss, siehe dazu auch kritische Erfolgsfaktoren und kritische Kennzahlen auf Seite 49. Die Schlüsselsteuerungselemente sind die Leitplanken, sowohl bei der Implementierung als auch beim Betrieb des Geschäftsmodells. Schlüsselsteuerungselemente sollen das unternehmerische Entscheiden, Tun und Handeln vereinfachen und gleichzeitig die Verfolgung der gesetzten Ziele sicherstellen.

36

Geschäftsmodell

Sowohl für die Schlüsselaktivitäten, Schlüsselprozesse, Schüsselfähigkeiten als auch für die Schlüsselressourcen und Schlüsseltechnologien ist zu entscheiden, ob sie intern oder extern (durch Schlüsselpartner erbracht bzw. eingebracht) sinnvoller sind. Die Schlüsselpartner sind Lieferanten, Partner (Forschung, Technologie, Entwicklung, Kon­ struktion, Software, Fertigung, Service, Vertrieb, Marketing, …) und Dienstleister (IT, Logistik, Werbung, Finanzierung, …), die für die Durchführung des Geschäftsbetriebes, das Betreiben der Prozesse, die Durchführung der Aktivitäten und schließlich für das Einlösen des Nutzenversprechens notwendig sind. Über die Entscheidung über Auslagerung bzw. den Zukauf von Schlüsselaktivitäten, Schlüsselprozessen, Schlüsselfähigkeiten, Schlüsseltechnologien bzw. Schlüsselressourcen oder mit anderen Worten durch Beantwortung der Fragen „Was wird im Unternehmen gemacht“ und „Was wird außerhalb des Unternehmens gemacht?“ werden die erforderlichen Schlüsselpartner bestimmt. In Anlehnung an Porter und Heppelmann (2014) sind • höhere Kontrolle über Produktmerkmale, Funktionen und Produktdaten bzw. über die Dienstleistung, • leichterer (späterer) Zugang zu Felddaten bei Nutzung des Produktes bzw. der Dienstleistung, • hohe Koordinationskosten mit den Lieferanten bzw. Partnern, • Ausbau der Vorreiterrolle und Pioniervorteile, • keine Verfügbarkeit am Markt wesentliche Argumente für die Wahrnehmung der Schlüsselaktivität oder -prozesse bzw. Aufbau der Schlüsselressourcen, -technologien oder -fähigkeiten im eigenen Unternehmen. Demgegenüber sind nachfolgende Argumente für die Auslagerung von Schlüsselaktivitäten, -prozessen, -fähigkeiten, -technologien und -ressourcen an Schlüsselpartner zu nennen: • Komponenten bzw. Technologien von (zukünftigen) Massenmarktgütern bzw. „Massendienstleitungen“, • Stand der Technik und elaborierte Best Practices, • Schnelllebige Technologien, • Interne Ressource, Kompetenz und Infrastruktur nicht vorhanden, • Kostenintensive oder forschungsintensive Technologien, • Umsetzung von Open-Ansätzen, • Mengenvorteil, • Risikoaufteilung. Open-Ansätze bezeichnen Ansätze, die auf Wissensteilung und nicht auf Wissensabschottung aufbauen, siehe Chesbrough und Appleyard (2007). Ob intern oder extern mehr oder weniger Kosten anfallen bzw. ein höheres oder geringeres Risiko vorliegt, muss fallbezogen jeweils analysiert und entsprechend bei den obigen Kriterien ergänzt werden.

Wertschöpfungsstruktur

37

Beim Zukauf ist darüber hinaus zu entscheiden, ob eine maßgeschneiderte exklusive Lösung angestrebt wird, oder ob es reicht, die besten fertigen Lösungen über Lizenzen zu nutzen. IT-Ressourcen, Computerprogramme und dafür erforderliche Kompetenzen in den Bereichen Software, Data Analytics oder Internet der Dinge werden immer wichtiger. Insbesondere müssen Fragen in Bezug auf die Schlüsselpartner hinsichtlich Schlüsselfähigkeiten, Schlüsseltechnologien und Schlüsselressourcen gestellt werden: • • • • •

Welche Softwarekompetenzen kaufen wir zu? Wer ist wofür unser Softwarepartner? Welche Softwarekompetenzen sind selber aufzubauen? Sollen wir selber zum Softwareanbieter werden? Benötigen wir ein Softwaretochterunternehmen?

Für die Schlüsselpartner ist die erforderliche Art und Qualität der Partnerbeziehungen sowie Zusammenarbeitskanäle, sprich Partnerkanäle, zu definieren. Aspekte wie Grad der wirtschaftlichen Abhängigkeit, Form der vertraglichen Bindung, emotionale Bindung, Dauer bzw. Stabilität der Beziehung, erwartete Fähigkeiten des Partners, Form der Kommunikation, Art der gemeinsamen Entscheidungsfindung, Aktivitäten/Prozesse/Aufgaben/ Ziele, die der Partner verantwortet, gemeinsam genutzte Tools/Plattformen, … sollten ­dabei berücksichtigt werden. Einige Autoren, siehe Johnson et al. (2008), subsumieren die Schlüsselpartner bzw. die Partnerbeziehungen in Schlüsselressourcen oder Schlüsselprozessen, siehe auch obige Aufzählung strategische Assets Punkt „Beziehungskapital“ auf Seite 31. Wegen der hohen (zukünftig noch steigenden) Bedeutung schlagkräftiger Partnernetzwerke haben wir diesem Thema einen eigenen Abschnitt gewidmet. In vielen Fällen kann man heute nicht mehr von starren Supply Chains oder Supply Netzwerken sprechen, sondern von (dynamischen) Wertschöpfungsnetzwerken. Gesamte Wertschöpfungsnetzwerke oder auch Value Chains, siehe Jodlbauer et al. (2012), stehen untereinander im Wettbewerb. Einzelne Player sind aufgefordert, folgende Fragen zu beantworten: In welchem Wertschöpfungsnetzwerk will ich eine aktive Rolle innehaben, welche Rollen will ich ausfüllen, wer sind meine Partner, wie finde ich die richtigen Partner bzw. das richtige Wertschöpfungsnetzwerk und wie festige ich meine Rolle und Bedeutung im Wertschöpfungsnetzwerk. Im Zusammenhang mit der partnerschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich von Schlüsselaktivitäten, Schlüsselprozessen, Schlüsseltechnologien, Schlüsselfähigkeiten und Schlüsselressourcen mit Marktmitbewerbern hat sich der Begriff Coopetition als Kunstwort bestehend aus Cooperation und Competition etabliert. Cooperation referenziert die gemeinsame Nutzung von Ressourcen und Competition die Tatsache, dass Marktmitbewerber zusammenarbeiten. Das Wertnetzwerk bestehend aus allen Partnern und Kunden sowie potenziellen Mitbewerbern und potenziellen komplementären Marktteilnehmern wird Ecosystem genannt, siehe z.  B.  Chesbrough (2007). Die Identifikation möglicher Mitbewerber und möglicher Komplementäre und Partner ist eine wesentliche Aufgabe bei

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Geschäftsmodell

der Formulierung der Schlüsselpartner. Ecosysteme unterliegen Einflüssen wie Technologieentwicklungen, gesellschaftlichen Trends oder gesetzlichen Rahmenbedingungen, die zu erkennen sind und in der Gestaltung des Ecosystems, insbesondere des eigenen Geschäftsmodells, mit zu berücksichtigen sind. Die Positionierung des eigenen Unternehmens im Ecosystem und die Gestaltung der Beziehungen zu Zielkunden, Endkunden, ­Lieferanten, Partnern, Mitbewerbern, potenziellen neuen Mitbewerbern und Komplementären ist eine wichtige Aufgabenstellung in der Erarbeitung der Value Architecture insbesondere der Schlüsselpartner. Wenn die Zielkunden nicht die Endkunden sind, sollten Wege gefunden werden, die Bedürfnisse der Endkunden zu verstehen und diese Erkenntnisse entsprechend bei der Erarbeitung des Geschäftsmodells zu berücksichtigen. Komplementäre sind Unternehmen, die zum eigenen Angebot komplementäre Produkte und Dienstleistungen bereitstellen. Komplementäre könne genützt werden, um neue Kunden zu gewinnen und den eigenen Umsatz zu steigern. Das Beziehungsgeflecht, die Machtverhältnisse, die Interessenskonflikte und die Interessenssynergien sollen verstanden werden und für die Umsetzung der eigenen Strategie genutzt werden. In vielen Branchen ist das Netzwerk, die Value Chain, wichtiger als die einzelnen Unternehmen. Jodlbauer beschreibt im Vorwort des Buches Modelling Value, siehe Jodlbauer et  al. (2012), unter dem Begriff „Value Chain Management“ genau die übergeordneten Ziele eines Geschäftsmodelles in Bezug auf das Ecosystem: „Value Chain Management (ersetze durch: Geschäftsmodell bezogen auf ein Wertschöpfungsnetzwerk) seeks to understand, to design and to control the entire network of relevant business partners in order to provide superior customer value and to ensure sustainable economic development of those partners“. Das Managen von Netzwerken, das Orchestrieren der Kapazitäten sowie Fähigkeiten in einem Netzwerk und die gemeinsamen Anstrengungen, Mehrwert für die Zielkunden zu schaffen werden wichtige Eigenschaften von erfolgreichen Ecosystemem sein. Ecosysteme sind dynamische Netzwerke. Aufgabenbezogen werden Partner aktiviert oder deaktiviert. Die Komplexität der Beziehungen und Interaktionen zwischen den Netzwerkpartnern wächst exponentiell mit Anzahl der Netzwerkpartner. Mit modernen Ansätzen aus Data Analytics, Künstlicher Intelligenz und Grafentheorie können komplexe dynamische Netzwerk strukturell analysiert und systematisch optimiert werden, siehe Emmert-Streib et al. (2017) oder Dehmer et al. (2019). Die erfolgreichen digitalisierten Unternehmen haben alle mindestens ein Netzwerk geschaffen, das eine der tragenden Säulen ihres Erfolges ist: das Fahrernetzwerk von Uber, das Wohnungsbesitzernetzwerk von Airbnb, das Verkäufernetzwerk von Ebay oder das Entwicklernetzwerk von Apple. Klassische Unternehmen müssen lernen, solche Netzwerke zu schaffen und zu nutzen. Zu beachten ist, dass Netzwerke außerhalb der direkten Einflussnahme des Unternehmens im Sinne einer direkten Befehlskette liegen und damit neue Steuerungs- und Monitoringmethoden, unterstützt durch Digitalisierung, implementiert werden müssen. Diese Steuerungsmethoden orientieren sich an den beiden übergeordneten Zielen: Kundennutzen und Wert für das Netzwerk schaffen.

Wertschöpfungsstruktur

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To Be Answered – Wertschöpfungsstruktur jeweils pro Zielkundensegment

1. Was sind die erforderlichen Schlüsselaktivitäten und Schlüsselprozesse, um das Nutzenversprechen für die Zielkunden einzulösen und Wert fürs eigene Unternehmen zu schaffen? 2. Welche Schlüsselfähigkeiten, Schlüsseltechnologien und Schlüsselressourcen sind notwendig, um die erforderlichen Schlüsselaktivitäten und Schlüsselprozesse zu betreiben? 3. Welche Schlüsselsteuerungselemente benötigen wir? Welche Leitplanken und Regeln können unser unternehmerisches Entscheiden, Tun und Handeln vereinfachen und gleichzeitig sicherstellen, dass unser Entscheiden, Handeln und Tun zur Maximierung des Kundennutzens sowie des Unternehmenswertes beiträgt? 4. Welche Schlüsselaktivitäten, Schlüsselprozesse, Schlüsselfähigkeiten, Schlüsseltechnologien und Schlüsselressourcen erbringen wir selber? Warum machen wir es selber? 5. Welche Schlüsselaktivitäten, Schlüsselprozesse, Schlüsselfähigkeiten, Schlüsseltechnologien und Schlüsselressourcen erbringen welche Schlüsselpartner? Welche Beziehungen wollen wir zu den jeweiligen Partnern unterhalten? Warum machen wir es nicht selber? 6. Ist die Wertschöpfungsstruktur optimal auf das zu erwartende Mengengerüst (Absatz, Umsatz, Anzahl von Transaktionen, …) ausgelegt? Kann bei Wachstum oder Marktrückgang eine entsprechende Anpassung wirtschaftlich vorgenommen werden? 7. Haben wir ausreichendend Zugang zu den Endkunden des Ecosystems und falls nicht, wie können wir möglichst direkten Zugang zum Endkunden schaffen bzw. wie können wir dauerhaft die Position und Bedeutung innerhalb des Ecosystems stärken? 8. Was machen wir besser als der Mitbewerber? Was müssen wir tun, dass das so bleibt? Was machen wir schlechter als der Mitbewerber? Wie können wir das ändern? Sehen das auch unsere Zielkunden so? 9. Haben wir im geeigneten Maße die Digitalisierung, Data Analytics, Internet der Dinge, Soziale Medien, Internet-Plattformen, … in den Schlüsselaktivitäten, -prozesse, -fähigkeiten, technologien, -ressourcen, – steuerungselementen und – partnern berücksichtigt? Das nachfolgende Beispiel fasst als Mini-Case-Study wichtige Aussagen aus dem Abschn. „Wertschöpfungsstruktur“ und zum Thema „Kostenstruktur“ zusammen: Beispiel „Mini Case Study Wertschöpfung durch Kooperation Teil III“

Ausgangssituation Wie in Beispiel „Mini Case Study Kundennutzen durch Kooperation Teil I“ auf Seite 23.

40

Geschäftsmodell

Aufgabenstellung 1. Beschreiben Sie für beide Unternehmen die Wertschöpfungsstruktur in der Ausgangssituation (falls erforderlich treffen Sie plausible Annahmen) Firma A Schlüsselaktivitäten und -prozesse: Entwicklung, Vertrieb, Fertigung und Lieferung von (teilweise kundenspezifischen) Umreifungsbändern Schlüsselressourcen, -fähigkeiten und -technologien: Umreifungsband-Know-­ how, Produktionsanlagen, Rezepturen, Patente, Zugang zum Großhandel Schlüsselsteuerungselemente: Verfügbarkeit der nachgefragten Umreifungsbänder (Standardbänder auf Lager) im Fertigteillager, Umsetzungsrate der kundenspezifischen Anforderungen Schlüsselpartner: Rohstofflieferanten, Großhandel, Großabnehmer Firma B Schlüsselaktivitäten und -prozesse: Vertrieb, Entwicklung, Fertigung, Lieferung, Inbetriebnahme und Service von Umreifungsmaschinen Schlüsselressourcen, -fähigkeiten und -technologien: Patente, EntwicklungsKnow-­how, Kundenkontakte Schlüsselsteuerungselemente: Verfügbarkeit der Verpackungsmaschinen im Einsatz beim Kunden Schlüsselpartner: Lieferanten 2. Beschreiben Sie für beide Unternehmen die neue Wertschöpfungsstruktur Firma A Schlüsselaktivitäten und -prozesse: Entwicklung, Vertrieb, Fertigung und (automatische) Lieferung von (teilweise kundenspezifischen) Umreifungsbändern Schlüsselressourcen, -fähigkeiten und -technologien: System zur automatischen Umreifungsbandbereitstellung, Umreifungsband-Know-how, Produktionsanlagen, Rezepturen, Patente Schlüsselsteuerungselemente: Verfügbarkeit des richtigen Verpackungsbandes bei der Verpackungsmaschine beim Endkunden Schlüsselpartner: Firma B, Rohstofflieferanten Firma B Schlüsselaktivitäten und -prozesse: Prozessdatenerfassung und automatische Umreifungsbandbestellung bzw. -bereitstellung, Vertrieb, Entwicklung, Fertigung, Lieferung, Inbetriebnahme und Service von Umreifungsmaschinen Schlüsselressourcen, -fähigkeiten und -technologien: Sensoren, Patente, Ent­ wicklungs-­Know-how, Kundenkontakte Schlüsselsteuerungselemente: Verfügbarkeit der Verpackungsmaschinen und des richtigen Verpackungsbandes im Einsatz beim Kunden Schlüsselpartner: Firma A Lieferanten, SW-Partner für Prozessdaten und automatische Umreifungsbandbereitstellung, Logistikpartner

Zielkundenspezifisches Geschäftsmodell

41

3. Beschreiben Sie für beide Unternehmen die neue Kostenstruktur Firma A Rohstoffe und Fertigung (Personal) sind die wesentlichen Aufwände, hohe Kapitalbindung ist durch Maschinen verursacht Firma B Kosten für das System zur automatischen Bereitstellung der Umreifungssbänder, Entwicklungs- und Softwarekosten inkl. Inbetriebnahme, Beschaffungsteile, Personal, Anlagen ◄

Zielkundenspezifisches Geschäftsmodell Die präsentierten neun Elemente eines Geschäftsmodells (siehe Abb. 3) hängen komplex zusammen. Eine Änderung eines Elements bedingt in der Regel eine Anpassung von mehreren Elementen. Die einander ergänzende sowie stärkende Vernetzung der neun Elemente zeichnet ein gutes Geschäftsmodell aus. Der Logik „Mehrwert für den Zielkunden und für das eigene Unternehmen zu schaffen“ folgend, ergibt sich folgende Hauptbeeinflussung der Elemente 1. Bestimme am Anfang, für welche Zielkunden Nutzen gestiftet werden soll (Zielkundensegment) 2. Erarbeite das Nutzenversprechen (Nutzenversprechen) für das festgelegte Zielkundensegment 3. Dann beantworte die Frage, wie Wert für das Unternehmen geschaffen (insbesondere wie Umsätze generiert) werden sollen (Einnahmequellen)

0

0

1

Zielkunde

3

Strategische Vorgaben und Ziele der Eigentümerverteter des Unternehmens

Einnahmequellen

Nutzenversprechen

2

Kundenbedürfnisse

Schlüsselaktivitäten u -prozesse

5

K Kundenbeziehung und Kanal 4

Schlüsselpartner und Ecosystem

7

Schlüsselfähigkeiten, technologien u -ressourcen

6

8

SchlüsselsteuerungsS elemente

9

K ostenstru t Kostenstruktur

Abb. 3  Elemente eines Geschäftsmodelles und deren Zusammenwirkungen

42

Geschäftsmodell

4. Aufbauend auf das Zielkundensegment, Nutzenversprechen und Einnahmequellen werden die Schnittstellen und Beziehungsformen zum Kunden geformt. Dabei steht das Ziel, möglichst viel Wert für Zielkunden und das eigene Unternehmen zu schaffen im Fokus (Kanal, Kundenbeziehung) 5. Basierend auf dem Zielkundensegment, dem Nutzenversprechen, den Einnahmequellen und den Kunden-Kanälen sowie Kundenbeziehungen bestimme die erforderlichen Schlüsselaktivitäten und Schlüsselprozesse zum Einlösen des Nutzenversprechens und zum Generieren der Umsätze (Schlüsselaktivitäten und Schlüsselprozesse) 6. Anschließend klären Sie ab, welche Schlüsselfähigkeiten, Schlüsselressourcen und Schlüsseltechnologien für die Schlüsselprozesse, Schlüsselaktivitäten sowie Kunden-­ Kanäle und Kundenbeziehungen erforderlich sind (Schlüsselfähigkeiten, Schlüsseltechnologien und Schlüsselressourcen) 7. Basierend auf den bisher erarbeiteten Elementen ist die Frage zu klären, was wird selber gemacht und was wird extern von wem gemacht (Schlüsselpartner und Ecosystem) 8. Nach Ausgestaltung der Wertschöpfungsstruktur kann die Kostenstruktur erarbeitet werden (Kostenstruktur) 9. Abschließend sollte durch die Schlüsselsteuerungselemente ein konsistentes, in sich stimmiges, leicht zu verstehendes und schlagkräftiges (die beiden Ziele Mehr­ wertschaffung für die Zielkunden und für das eigene Unternehmen bestens unterstützendes) Geschäftsmodell sichergestellt werden (Schlüsselsteuerungselemente) Obige neun Punkte können als Empfehlung verstanden werden, in welcher Reihenfolge die Elemente eines Geschäftsmodells erarbeitet werden sollen. Die Entwicklung eines Geschäftsmodells soll ein iterativer und nicht streng sequenzieller Prozess sein. Zum Beispiel können bei der Erarbeitung des Zielkundesegments oder des Nutzenversprechens (bei der Analyse der Kundenbedürfnisse) bereits konkrete Ideen für die Ausgestaltung der Kundenbeziehungen oder der Kunden-Kanäle bzw. für den Schlüsselprozess Kundenauftragsabwicklung entstehen. Bei der Ausarbeitung der obigen neun Punkte sind die Bedürfnisse der Zielkunden (als zentraler Input für die Entwicklung des Nutzenversprechens) und die strategischen Vorgaben bzw. Ziele der Eigentümervertreter des Unternehmens zu berücksichtigen. Abbildung Abb. 3 veranschaulicht die Hauptabhängigkeiten Die Ziffern 1 bis 9 in den Kreisen verweisen auf den jeweiligen Punkt in obiger Aufzählung. Ein Geschäftsmodell und seine Elemente können für ein spezifisches Zielkundensegment kompakt in wenigen Flipcharts dargestellt werden. Eine mögliche Struktur könnte wie folgt aussehen (siehe Abb. 4): Die Ziffern 1 bis 8 verweisen auf die Punkte der obigen Aufzählung bzw. die Ziffern 0 bis 9 auf die dargestellten Schritte in der Abbildung Elemente eines Geschäftsmodells und deren Zusammenhänge. Aufzählungspunkt 9 wird im fünften Flipchart (siehe Seite 50) dargestellt. Alle vier Flipcharts beziehen sich auf die Zielkunden, die im linken oberen Plakat beschrieben werden. Beim Befüllen der Flipcharts können die jeweiligen Questions to be Answered wertvolle Dienste erweisen. Die einzelnen Flipcharts sollen bei der

Zielkundenspezifisches Geschäftsmodell

Zielkunden Beschreibung der Zielkunden

1

Kundenbeziehung

4 Kunden-Kanal

4

Ertragsmechanik Erwartungen Eigentümer

0

Einnahmequellen

3 Kostenstruktur

8

43

Nutzenversprechen

Kundenbedürfnisse

0

Jobs to be done

2

Produkte und Dienstleistungen

2

Wertschöpfungsstruktur Schlüsselaktivitäten und prozesse

5

Schlüsselressourcen, -technologien und -fähigkeiten

6 Schlüsselpartner und Ecosystem

7

Abb. 4  Elemente eines Geschäftsmodells für ein spezifisches Zielkundensegment auf vier Flipcharts (Teil 1 der Fünf Flipcharts)

Erarbeitung eines Geschäftsmodells nicht streng in der Flipchart-Reihenfolge befüllt werden, sondern die Inhalte der Flipcharts sollen unter Berücksichtigung der Empfehlung aus Abbildung „Elemente eines Geschäftsmodells und deren Zusammenwirken“ und den stattfindenden gruppendynamischen Prozessen organisch wachsen. Die Schlüsselsteuerungselemente fehlen auf diesen vier Flipcharts. Nach Durchführung erster Querchecks und Wettbewerbsanalysen wird empfohlen, die Schlüsselsteuerungselemente in einem fünften Flipchart basierend auf den sogenannten kritischen Erfolgsfaktoren zu konkretisieren. Gemeinsam geben die fünf Flipcharts einen kompakten Überblick über das Geschäftsmodell und werden als Methode „Fünf Flipcharts“ bezeichnet. Nach der ­ Ereines ersten Entwurfs der Geschäftsmodellelemente, bezogen auf ein Zielkunden­ ­ segment, sollen konkret kritische Querchecks wie

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Geschäftsmodell

• Prüfung, ob wirklich die Kundenbedürfnisse der Zielkunden durch das Nutzenversprechen abgedeckt werden; • Prüfung, ob wirklich in ausreichendem Maße Erträge erwirtschaftet werden können; • Prüfung der Kompatibilität mit der Unternehmensstrategie und den Vorgaben durch die Eigentümer bzw. Gesellschafter; • Prüfung auf Kompatibilität aller Elemente untereinander und Prüfung der P ­ lausibilität; • Sicherstellung der Schaffung eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteiles gegenüber Mitbewerbern und zukünftigen Mitbewerbern; • Sicherstellung, dass kritische Erfolgsfaktoren (siehe Seite 49) entsprechend berücksichtigt sind; • Sicherstellung der ausreichenden Berücksichtigung der Möglichkeiten der Digitalisierung durchgeführt werden. Porter (2008) mit seinen klassischen fünf Wettbewerbskräften, das Wertschaffungsmodell von Amit und Zott (2012), die Wertschaffung durch Dienstleistungsorientierung nach Lee et al. (2016) sowie die von Chesbrough (2010) aufgezeigten Potenziale können eine gute Unterstützung geben, um obige Querchecks durchzuführen. Nach Porter (2008) ist der Wettbewerb durch die Fünf Kräfte, Verhandlungsmacht der Käufer, Art und Intensität der Rivalität zwischen den Mitbewerbern, Bedrohung durch Marktneulinge, Bedrohung durch Ersatzprodukte oder Dienstleistungen und Verhandlungsmacht der Lieferanten geprägt (siehe Abb. 5). Die Analyse nach den Fünf Kräften hilft, die eigene Position im Ecosystem besser verstehen zu lernen und dadurch das Geschäftsmodell insbesondere die eigene Position im Ecosystem zu verbessern. Je stärke die Verhandlungsmacht der Käufer und der Lieferanten ist und je höher die Bedrohung durch Marktneulinge und Ersatzprodukte sowie Dienstleistungen ist, desto intensiver ist die Rivalität unter den Mitbewerbern. Die digitale Transformation der

Bedrohung durch Ersatzprodukte

Verhandlungsstärke der Lieferanten

Rivalität unter den Mitbewerbern

Bedrohung durch Markteintritt neuer Konkurrenten Abb. 5  Fünf Kräfte nach Porter

Verhandlungsstärke der Kunden

Zielkundenspezifisches Geschäftsmodell

45

Wertschöpfung und die damit einhergehenden neuen Geschäftsmodelle beeinflussen maßgeblich die fünf Kräfte. Die Digitale Transformation, siehe Porter und Heppelmann (2014) und Jodlbauer (2018) wirkt differenziert auf die Wettbewerbskräfte. Branchenabhängig werden stärkende oder abschwächende Effekte überwiegen. Durch aktives Gestalten kann als etabliertes Unternehmen versucht werden, die eigene Position weiter auszubauen bzw. als Neuankömmling den erfolgreichen Eintritt zu schaffen. Über Suchmaschinen, Benchmarks und unterschiedlichste Online Shops sowie Plattformen ist eine weltweite hohe Markttransparenz gegeben. Der (potenzielle) Kunde kann sich jederzeit umfassend über das Produkt inkl. Leistungs- und Preisvergleich informieren. In Blogs, Diskussionsforen, Social Media sowie auf facheinschlägigen Plattformen werden Nutzererfahrungen, Gebrauchsanweisungen, Tipps zum optimalen Gebrauch des Produktes, Links zur Beschaffung von Verbrauchsmaterial oder Ersatzteilen, Maßnahmen zur Behebung von Problemen und vieles mehr weltweit bereitgestellt. Der Kunde ist wegen dieser hohen Nutzungstransparenz nicht mehr auf den After-Sales Service des Anbieters angewiesen. Zusätzlich schwinden die Wechselbarrieren, wegen mangelnder persönlicher Bindung, geringen Wechselkosten und ständig wachsender Kompatibilität der Produkte, ein Produkt von einem anderen Lieferanten zu kaufen. In Summe führt dies zu einer Stärkung der Verhandlungsmacht der Kunden. Die Anbieter können im Gegenzug versuchen, ihre Verhandlungsmacht zu stärken. Durch Ersetzen von physischen Komponenten durch Software und Dienstleistungen können eine höhere Produktdifferenzierung personalisierter Produkte sowie Mehrwertdienste zur stärkeren Bindung des Kunden umgesetzt werden. Zusätzlich kann über die Sammlung und Verwertung kundenspezifischer Daten und entsprechender Serviceangebote an die Kunden eine intensivere Kundenbindung erreicht und gleichzeitig die Abhängigkeit von Vertriebs- sowie Servicepartnern reduziert werden. Die Weiterentwicklung des „digitalisierten“ Kunden Richtung Mitgliedschaft in einer elitär wahrgenommenen Community kann trotz hoher Markttransparenz die Kundenbindung und -loyalität stärken. Intelligente verbundene Dinge und die Umsetzung neuer Geschäftsmodelle bedürfen in der Regel eines hohen Initialaufwandes wie z. B. Erstinvestition, Konzeption, Programmierung, Datensicherheitskonzept, Hardwarebereitstellung und Lizenzen, der in hohe Fixkosten mündet. Die variablen Kosten für Vervielfältigung, für die globale Distribution und für die mengenmäßige Skalierung der Bereitstellung fallen im Vergleich zu physischen Produkten, deren Materialkosten variable Kosten darstellen, kaum ins Gewicht. Bereits am Markt tätige Unternehmen können auf wertvolle Daten zurückgreifen (Kunden-, Branchen-, und Anwendungsdaten). Diese Daten sind häufig für Marktneulinge nicht oder nur mit hohem (finanziellen) Aufwand zugänglich – dies führt zu einem de facto Datenmonopol der etablierten digitalisierten Unternehmen (Platzhirsche) wie Google oder Alibaba. Flexible Marktneulinge können versuchen, Kundensegmente und Kundenbedürfnisse anzusprechen, die von den (häufig trägen) etablierten Unternehmen wenig oder gar nicht bearbeitet werden. Durch neue technologische Entwicklungen und die vielfältigen

46

Geschäftsmodell

Möglichkeiten, die auf Cyber Physische Systeme (CPS) oder Internet of Things (IoT) basieren, können neue Lösungen entwickelt werden, die den Neueinstieg eines Unternehmens in einen Markt ermöglichen. Für Start-Ups und flexible innovative Unternehmen ist hier eine große Chance gegeben. Digitale Dienstleistungen können rund um die Uhr weltweit zu ortsunabhängigen Kosten angeboten werden. Diese Orts- und Zeitunabhängigkeit erleichtert die weltweite Expansion und erhöht damit den weltweiten Wettbewerb. Intelligente Dinge, Smart Connected Things, Cyber Physische Systeme und das Internet der Dinge ermöglichen häufig branchenfremde Mehrwertdienste. Durch die anfallenden Daten und deren Nutzung oder zusätzliche intelligente Funktionen können neue Kunden angesprochen oder neue Kundenbedürfnisse befriedigt werden. Ein gutes Beispiel dazu ist die Philips Glühbirne Hue (siehe unten stehendes Beispiel auf Seite 45). Diese lässt sich über das Smartphone ein- und ausschalten, dimmen und so programmieren, dass sie blinkt, wenn ein Einbrecher erkannt wird. Philips wird so über Glühbirnen zum Anbieter für Alarmanlagen mit dem großen Wettbewerbsvorteil der wesentlich geringeren Kosten und der leichteren Installation von Glühbirnen bei bestehenden Gebäuden als dies für klassische Alarmanlagen gilt. Mehrwertdienste erhöhen, wenn sie zu neuen Produkten führen, die Bedrohung durch Ersatzprodukte (mehr Rivalität zwischen den Wettberbern). Wie wir bereits oben gesehen haben, können Mehrwertdienste die Verhandlungsmacht der Käufer schwächen (weniger Rivalität zwischen den Wettbewerbern), wenn sie zur Individualisierung bestehender Produkte oder Intensivierung von Kundenbindungen genutzt werden. Neue Geschäftsmodelle die nicht auf Kauf sondern auf Verleih (Verleihmodelle) wie z. B. Betreibermodelle, Sharing-Modelle, leistungs- und ­nutzungsbasierte Abrechnung basieren, führen zu einer geringeren Marktnachfrage an Produkten, weil die Verleihmodelle typischerweise zu einer höheren Auslastung der Produkte als die Kaufmodelle führen. Eine weitere Bedrohung resultiert aus der Tatsache, dass Materielles durch Digitales ersetzen werden kann. Beispiele dazu sind CD durch iTunes oder Lexikon in Buchform durch Google. Beispiel „Neue Mitbewerber“

Leuchtmittel wie z. B. Hue von Philips, die einen Bewegungsmelder integriert haben und mit Connectivity ausgestatten sind, können durch Ergänzung einer App einfach zu einer vollwertigen Alarmanlage aufgewertet werden. In der Situation eines bestehenden Gebäudes müsste ein klassischer Alarmanlagenanbieter zu hohen Kosten Stemm-, Maurer-, Maler- und Reinigungsarbeiten durchführen, um nachträglich eine Alarmanlage zu installieren und in Betrieb zu nehmen. Ein Anbieter mit smarten Leuchtmitteln und einer entsprechenden App muss nur die App bereitstellen und beim Kunden ein paar Leuchtmittel austauschen. Vertriebskanal (z.  B. über App-Plattform), Projektdurchführung (Kunde macht es selber, in kürzester Zeit umsetzbar, keine Bauarbeiten erforderlich), Abrechnung und vieles mehr kann völlig neu und kundenorientierter im Vergleich zum klassischen Alarmanlagenanbieter gestaltet werden. ◄

Zielkundenspezifisches Geschäftsmodell

47

Bestehende Anbieter können durch noch kundenorientiertere Angebote und mehr personalisierte Produkte versuchen, die Bedrohung durch Ersatzprodukte oder Dienstleistungen zu reduzieren. Die Beeinflussung der Verhandlungsmacht der Lieferanten muss differenziert nach dem Angebot der Lieferanten gesehen werden. Lieferanten, die klassische physische Produkte anbieten, werden wegen der stattfindenden Verdrängung von Physischem durch Digitales und wegen der steigenden Bedeutung von smarten Komponenten (Software, Sensoren, Prozessoren, …) an Einfluss und damit an Verhandlungsmacht verlieren. Lieferanten von sogenannten smarten Komponenten wie Software, IT-Systemen, Sensoren, Automatisierungstechnik, Augmented oder Mixed Reality Komponenten, Datensicherheitssystemen, Big Data oder Advanced Analytics Systemen werden massiv an Bedeutung gewinnen, zu Kernpartnern werden und damit eine hohe Verhandlungsmacht besitzen (Bedeutungsgewinn smarter Komponenten). Viele der Lieferanten, die smarte Komponenten liefern, werden über ihre Systeme Felddaten direkt vom Endkunden generieren und verwerten. Diese durch die Datendurchgängigkeit mögliche Endkundenähe der Lieferanten smarter Komponenten schwächt klassische Intermediäre wie den Großhandel. Wird eine der obigen vier Kräfte geschwächt, so ist eine geringere Rivalität zwischen den Wettbewerbern zu verzeichnen. Eine Stärkung der obigen vier Kräfte führt zu einer höheren Rivalität zwischen den Wettbewerbern. Zwei weitere interessante Treiber für die Erhöhung der Rivalität sind zu erwähnen. Die Erhöhung der Fixkosten im Vergleich zu den variablen Kosten wird oft zu einem Mengen- und Preiskampf bei den Infrastrukturanbietern führen. Dieser Preiskampf erhöht die Rivalität der Wettbewerber. Zu beachten ist, dass gleichzeitig die hohen Fixkosten eine Barriere für Marktneulinge (siehe auch Seite 45) darstellen und damit die Rivalität zwischen den Wettbewerbern schwächen. In vielen Bereichen ist eine Entgrenzung von Systemen festzustellen. Unterschiedliche Branchen wachsen zusammen. Intelligente vernetzte Dinge sind Teil eines großen Gesamtsystems. Vormals nicht in Konkurrenz stehende Unternehmen werden zu Wettbewerbern, weil sie das gleiche Kundenbedürfnis ansprechen. So kämpfen z.  B.  Anbieter von Beleuchtungssystemen, Klimaanlagen, Audio-Videoausrüster und natürlich IT-Netzwerkspezialisten um die IT-Vernetzung von Gebäuden. Klassische Wettbewerbsstrategien lassen sich nach Porter (2008) in Kostenführerschaft, Differenzierung und Nischenstrategie unterteilen. In nachstehender Aufzählung wird versucht, für die beiden Kategorien Kostenführerschaft und Differenzierung beispielhaft eine mögliche Hauptausrichtung der Geschäftsmodellelemente aufzuzeigen. Kostenführerschaft • Nutzenversprechen: günstige Preise (billiger als der Mitbewerber), • Kundenbeziehungen und Kanäle: effizient durch Nutzung der Automatisierung und Digitalisierung,

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Geschäftsmodell

• Wertschöpfung: effizient durch Nutzung der Automatisierung, Digitalisierung und Kapazitätsabgleich, • Ertragsmechanik: geringe Kosten und Margen, über hohe Absatzmengen wird Gewinn erzielt. Differenzierung • Nutzenversprechen: hoch personalisierte und kundenspezifische Produkte sowie Dienstleistungen (Premiumwertversprechen), • Kundenbeziehungen und Kanäle: intensiv, persönlich, Kommunikation und Lieferung eines vom Kunden wahrgenommen Mehrwertes im Vergleich zum Mitbewerber, • Wertschöpfung: hohe Kundenorientierung, hohe Flexibilität, hohe Innovationskraft, • Ertragsmechanik: Preise mit hohen Margen. Im Zuge der Digitalisierung können die Strategien teilweise verschwimmen. Zum Beispiel kann mit Hilfe der Digitalisierung ein personalisiertes Angebot zu geringen Kosten geschaffen werden. Eine Prüfung auf Kompatibilität, Plausibilität und Widerspruchsfreiheit ist bei gleichzeitiger Verfolgung unterschiedlicher Strategien besonders wichtig. In Erweiterung zu Porter und unter Berücksichtigung der Digitalisierung unterteilt Chatterjee (2013) Geschäftsmodelle taxometrisch in vier strategische Grundtypen basierend auf Wert- versus Effizienz-basierte Geschäftsmodelle. Pro Geschäftsmodelltyp können spezifische Empfehlungen für Geschäftsmodellinnovation abgeleitet werden. Diese sind: Effizienz-basierte Geschäftsmodelle • Preiskampf und Kostenwettbewerb ist vorherrschend. • Effiziente (kostengünstige) Prozesse und Aktivitäten sind zentral (hohe Auslastung der Kapazitäten). Produkte und Dienstleistungen müssen effizienter als von der Konkurrenz hergestellt bzw. bereitgestellt werden. • Prozessinnovation und die Fähigkeit der Verlagerung des Bedarfes in Raum und Zeit ist ein Hauptbefähiger. Effizienz- und Netzwerkbasierte Geschäftsmodelle • Kampf um Marktplatzgröße (Anzahl der Transaktionen) ist zentral. • (Digitaler) Marktplatz mit effizienter sowie transparenter Transaktionsabwicklung (schnelle und stabile Prozesse) ist zentral. • Prozess-, Markt- und Sozialinnovation und vertrauenswürdige Informationen in Echtzeit sind Hauptbefähiger.

Zielkundenspezifisches Geschäftsmodell

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Wert-basierte Geschäftsmodelle • Kampf um vom Kunden wahrgenommen Wert sowie Nutzen („want“ item) ist vorherrschend. • Fähigkeiten und Kompetenzen der eigenen Ressourcen sowie Partner sind zentral. • Produkt- und Dienstleistungsinnovation sowie Fähigkeit die Kundenbedürfnisse zu kennen sind Hauptbefähiger. Wert-, Loyalitäts- und Netzwerkbasierte Geschäftsmodelle • Kampf um „Members“, die Wert sowie Nutzen wahrnehmen und weiterkommunizieren ist vorherrschend (kritische Masse an loyalen Kernkunden schnell erreichen und dauerhaft halten). • Kundenbeziehungen, Kundenkanäle, Fähigkeiten und Kompetenzen der eigenen Ressourcen sowie Partner sind zentral. • Markt- und Sozialinnovation und niedrige Kundengewinnungskosten (bestehende Kunden als „Verkäufer“ nutzen) sind Hauptbefähiger. Effizienz-basierte Geschäftsmodelle entsprechen der Kostenführerschaftsstrategie nach Porter. Betreiber effizienz-basierter Geschäftsmodelle werden vorhandene Assets und Kapazitäten optimal einsetzen und möglichst hoch auslasten. Eine zeitliche oder örtliche Verschiebung der Marktnachfrage kann einen Beitrag zur besseren Nutzung konstant vorhandener Ressourcen bzw. Kapazitäten leisten und damit zu einer Erhöhung des Returns von Assets führen. Nur geringe Kosten zur Bereitstellung der Leistung ermöglichen dem Unternehmen, im Preiskampf nicht zu stark unter Druck zu kommen. Eine Erweiterung des Nutzenversprechens Richtung ergänzende Kundenangebote kann einen Beitrag leisten, um die Effizienz weiter steigern zu können. Wert-basierte Geschäftsmodelle entsprechen der Differenzierungsstrategie nach Porter. Bei wert-basierten Geschäftsmodellen ist das Nutzenversprechen, insbesondere das am Markt wahrgenommene und dem vom Markt vertraute Nutzenversprechen, von zentraler Bedeutung. Dem Unternehmen muss gelingen, seine Produkte und Dienstleistungen „begehrenswerter“ im Zielkundensegment zu positionieren als es die Mitbewerber schaffen. Ein hohes Verständnis der von Kunden gewünschten Leistungen ist dabei eine Grundvoraussetzung. Die Sichtbarmachung jener Produkt- und Dienstleistungseigenschaften, die der Kunden wünscht bzw. erwartet und die eine Differenzierung zum Mitbewerber darstellen, sind zentrale Aufgabe in der Geschäftsmodellinnovation bei wert-basierten Ansätzen. Zufriedene loyale Kunden, die als Multiplikator eingesetzt werden können, helfen, die Akquisitionskosten zu reduzieren und erschweren es den Mitbewerbern Marktanteile zu gewinnen.

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Geschäftsmodell

Laut Treacy und Wiersema (1993) werden drei Wertausrichtungen auch Wertstrategie oder Value Discipline genannt, unterschieden: • Operational Excellence • Customer Intimacy • Product Leadership Bei der Operational Excellence ist der Fokus auf die Kostenminimierung gerichtet und mit Porters Kostenführerschaft vergleichbar. Die Leistungen für den Kunden sollen so billig wie möglich erbracht werden, damit die Produkte und Dienstleistungen mit günstigsten Preise angeboten werden können. Neben den niedrigen Kosten sind stabile sowie schnelle Prozesse und eine hohe gleichbleibende Qualität der Produkte und Dienstleistungen wichtig. Billigfluglinien wie Ryanair oder das Möbelhaus IKEA verfolgen erfolgreich diese Wertstrategie in ihrem Geschäftsmodell. Bei der Verfolgung der Wertstrategie Customer Intimacy konzentriert sich das Unternehmen auf ausgesuchte, in der Regel kleine, Marktsegmente, sogenannte Nischen. Eine hohe Kundenorientierung im Sinne Maximierung des Kundennutzen ist dabei zentrales Element. Typischerweise wird die Wertstrategie Customer Initimacy über individualisierte Produkte und Dienstleistungen umgesetzt. Customer Intimacy ist nach Porter eine Nischenstrategie mit Fokus auf Differenzierung. Sowohl IBM als auch Amazon (z. B. vertreibt Amazon „Exoten-Bücher“ (=Nische), siehe dazu auch Long Tail Geschäftsmodellbaustein nach Gassmann et al. (2015) oder Seite 112) verfolgen die Customer Intimacy Wertausrichtung. Die Product Leadership Strategie basiert auf Produkt- und Dienstleistungsinnovation. Ziel ist es, die Differenzierung über herausragende Produkte und Dienstleistungen zu gewährleisten. Die zielgerichtete Verwendung von externen und internen Ideen zur Innovation und die Beherrschung schneller Lebenszyklen (Entwicklung, Überleitung Produktion, Produktion, Kundenkanäle, Kundenbeziehungen, …) sind wichtige Punkte der Wertausrichtung Product Leadership. Product Leadership ist nach Porter der Differenzierung zuzuordnen. Apple oder BMW sind typische Unternehmen, die die Wertstrategie Product Leadership verfolgen Werttreiber nach Amit und Zott (2001) und kritische Erfolgsfaktoren, siehe Boynton und Zmud (1984), eines Geschäftsmodelles helfen erstens zu verstehen, was ist wirklich für den Erfolg des Geschäftsmodells entscheidend und dienen zweitens zur Sicherstellung einer nachhaltigen hohen Wettbewerbsfähigkeit. Werttreiber oder Value Driver von Geschäftsmodellinnovation können Neuigkeitsgrad (innovativer, moderner, … als der Mitbewerber), Lock-in Grad (Erhöhung der Switching Costs gegenüber den Kunden), Komplementärangebote (Zusatzangebote für den Kunden, die dem Kunden synergetisch Mehrwert stiften, schaffen) und Effizienzsteigerung (schnellere, kostengünstigere, … Aktivitäten sowie Prozesse sicherstellen) sein. Kritische Erfolgsfaktoren eines Geschäftsmodells beantworten die Frage: Was ist wirklich entscheidend, damit wir mit dem neuen Geschäftsmodell Erfolg (höheren Kundenwert schaffen als der Mitbewerber, über dem

Zielkundenspezifisches Geschäftsmodell

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Branchendurchschnitt liegende Gewinne und finanzielle Returns realisieren) haben werden? Wie können wir die kritischen Erfolgsfaktoren operationalisieren, messen und zur Steuerung des Unternehmens heranziehen. Gibt es eine gegenseitige Beeinflussung der kritischen Erfolgsfaktoren. Typische kritische Erfolgsfaktoren könnten sein: Kundennähe, Innovationskraft, Kompetenz der Mitarbeiter oder Kosteneffizienz in der Produktion. Werttreiber und Kritische Erfolgsfaktoren sind kompatibel zur Unternehmensstrategie abzuleiten. Die Nutzung der identifizierten kritischen Erfolgsfaktoren wird in der Regel eine Änderung des Reportingsystems nach sich ziehen. Porter (2008) und auch die Wertstrategien nach Treacy und Wiersema (1993) gehen noch von einem „Entweder-Oder-Prinzip“ aus. Ihre Modellüberlegungen verfolgen entweder Kostenführer bzw. Operational Excellence Strategie oder Differenzierung bzw. Product Leadership Strategie. Dabei kann die Strategie auf den ganzen Markt oder auf sogenannte Nischen (z. B. Customer Intimacy) bezogen werden. Wegen der Digitalisierung, neuen Technologien wie 3-D-Druck oder Konzepte der Mass Customization können diese Strategiekonzepte kombiniert und vereinigt werden. Zum Beispiel können mit Hilfe von Data Analytics und KI-Methoden personalisierte Angebote in einem globalen Massenmarkt konfiguriert und dem Kunden angeboten werden. Bei der „Vermengung“ unterschiedlicher klassischer Strategieansätze ist auf die innere Konsistenz und auf die einander stärkende Beeinflussung der einzelnen Komponenten unter Nutzung neuer (technologischer) Möglichkeiten zu achten. Die „Vermengungsstrategie“ soll die Kundenbedürfnisse adressieren und das Einlösen des Nutzenversprechens fördern. In Sebastian et al. (2017) wird das stimmige Verweben von klassischen Strategieansätzen vorgeschlagen. Besonders für etablierte Unternehmen wird für eine erfolgreiche digitale Transformation eine synergetische Kombination aus Customer Engagement Strategy und Digitized Solutions Strategy vorgeschlagen. Die Customer Engagement Strategy versucht den Kunden in vielen Bereichen (Produkt- und Dienstleistungsentwicklung, Auftragsabwicklung, ….) einzubinden, umfassende Daten über den Kunden und seine/ihre Customer Experience zu sammeln sowie zu verwerten, für den Kunden alles einfach (zu bestellen, Produkt zu nutzen, Dienstleistung in Anspruch zu nehmen, Bezahlung durchzuführen, …) zu gestalten und damit Kundenvertrauen sowie Kundenbindung zu maximieren. Die Digitized Solutions Strategy verfolgt das Ziel, wahrnehmbaren Kundenmehrwert (abgeleitet aus den Kundenbedürfnissen) durch geeignete Kombination von Produkten, Dienstleistungen, Datenverwertung, Internet der Dinge, Plattformen und Digitalisierung zu schaffen. Etablierte Firmen in reifen Märkten verfolgen häufig strukturell und in ihrem gewachsenen Selbstverständnis eine Differenzierungsstrategie – sie setzen auf Technologie-, Produkt-, Dienstleistungs- oder Qualitätsführerschaft. Der Markt drängt sie aber in einen Preiskampf, der eigentlich eine Kostenführerschaft verlangen würde. Digitalisierung, Erhöhung des Dienstleistungsgrades, Betreibermodelle und vor allem höheren Kundennutzen zu schaffen als der Billigwettbewerber kann helfen, dieses Dilemma aufzulösen. Die schwere Kopierbarkeit bzw. Nachahmung des eigenen Geschäftsmodells durch Mitbewerber kann einen wichtigen Beitrag leisten, um dauerhaft Wettbewerbsvorteile zu

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Geschäftsmodell

erzielen, siehe Magretta (2002). Hohe Wechselkosten für die Kunden, hohe Eintrittskosten für Mitbewerber, die Schaffung einer großen Community, die Geheimhaltung der wesentlichen Schlüsselfähigkeiten, -technologien oder -prozesse können die Kopierbarkeit erschweren. Wenn eine schwere Imitierbarkeit nicht gewährleistet werden kann, muss das eigene Geschäftsmodell schneller innoviert werden als die Mitbewerber das Geschäftsmodell imitieren können. Innovationskraft in Bezug auf Geschäftsmodellinnovation kann dann ein kritischer Erfolgsfaktor sein. Digitalisierung hat bereits Vieles geändert und wird noch Vieles ändern. Gerade in der Geschäftsmodellinnovation müssen wir kritisch prüfen, ob wir die Digitalisierung ausreichend berücksichtigt haben. Ein Geschäftsmodell definiert, wie Wert für Kunden und fürs eigene Unternehmen geschaffen wird. Die Digitalisierung kann beides grundlegend beeinflussen. Im Einzelnen kann die Digitalisierung für Folgendes im Zuge der Geschäftsmodellinnovation genutzt werden: Innovationen bei Produkten und Dienstleistungen über Digitalisierung (Nutzung von Sensoren, Aktoren, Connectivity, Data Analytics, Künstliche Intelligenz, Social Media, Plattformen, …) Kundenorientierte Kombination von (anbieterübergreifenden) Wertangeboten für die Kunden und Schaffung neuer zusätzlicher Wertangebote durch das Ecosystem Kombination von (unternehmensübergreifenden) Assets (Schlüsselressourcen) und Schlüsselprozessen zur Optimierung (Kostenreduktion, Verkürzung der Kundenauftragszeit, …) der Wertschöpfung Verwendung von Daten, Software, Data Analytics, Künstlicher Intelligenz, … um noch mehr Wert für den Kunden zu schaffen, Umsätze zu steigern (neue Kunden, zusätzliches Wertangebot) und die Kosten weiter zu senken Zusammengefasst ist sicherzustellen, dass wir im Vergleich zu unseren Mitbewerbern bzw. möglichen zukünftigen Mitbewerbern mehr Nutzen für den Zielkunden stiften und höhere Gewinne als unsere Mitbewerber erzielen. Die Sicherstellung der nachhaltigen Wettbewerbsvorteile kann auf einem Flipchart als fünftes Plakat der Methode Fünf Flipcharts dargestellt werden. Eine mögliche Struktur könnte wie folgt aussehen (siehe Abb. 6). Die Ziffer 9 referenziert den neunten Schritt, der in Abbildung Elemente eines Geschäftsmodelles und deren Zusammenwirkungen auf Seite 41 dargestellt ist. Schlüsselsteuerungselemente tragen wesentlich zur Sicherstellung einer nachhaltigen Wettbe­ werbsfähigkeit bei. Die Schlüsselsteuerungselemente bauen auf den Ergebnissen der Wettbewerbsanalysen und dem entsprechend verbesserten Geschäftsmodellentwurf auf. Die Werttreiber und kritischen Erfolgsfaktoren beschreiben, was wirklich erfolgskritisch ist, um mit dem Geschäftsmodell erfolgreich zu sein. Die Kennzahlen messen, wie gut die Werttreiber und die kritischen Erfolgsfaktoren sowohl in der Umsetzung als auch

Zielkundenspezifisches Geschäftsmodell

Schlüsselsteuerungselemente Werttreiber und kritische Erfolgsfaktoren?

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9

Kennzahlen

Regeln und Normen

Abb. 6  Schlüsselsteuerungselemente für ein spezifisches Zielkundensegment auf einem Flipchart (Teil 2 der Fünf Flipcharts)

im Betrieb des Geschäftsmodells berücksichtig sind. Die Regeln und Normen sollen helfen, das Geschäftsmodell einfach zu operationalisieren und im Unternehmensalltag sicherzustellen, dass im Sinne des Geschäftsmodells und der übergeordneten Ziele entschieden und gehandelt wird. To Be Answered – Wettbewerbsvorteil nachhaltig sicherstellen – Schlüsselsteuerungselemente

1. Wer sind unsere (auch neuen) Mitbewerber? Was machen die Mitbewerber besser als wir? Wenn ein Mitbewerber etwas besser macht als wir – was können wir tun, damit wir es besser machen als der Mitbewerber? 2. Was ist unsere Strategie? Welche Wertausrichtung verfolgen wir? Sind alle Elemente des Geschäftsmodells kompatibel zur Strategie und zur Wertausrichtung? 3. Was sind unsere Wertreiber und kritischen Erfolgsfaktoren? 4. Wie messen wir die kritischen Erfolgsfaktoren und wie nutzen wir die Erfolgsfaktoren zur Steuerung des Unternehmens? 5. Wie können wir einfache Regeln und Normen ableiten, die uns im Unternehmensalltag als Leitplanken dienen und sicherstellen, dass wir zielkonform im Unternehmensalltag entscheiden, handeln und tun? 6. Haben wir die Digitalisierung im ausreichenden Maße berücksichtigt? 7. Wie können wir die schwere Imitierbarkeit des Geschäftsmodells sicherstellen?

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Geschäftsmodell Beispiel „Mini Case Study Wettbewerbsanalyse Teil IV“

Ausgangssituation Wie in Beispiel „Mini Case Study Kundennutzen durch Kooperation Teil I“ auf Seite 23. Aufgabenstellungen 1. Führen Sie eine Wettbewerbsanalyse für die Ausgangssituation durch. Firma A Neuer Mitbewerber (Verpackungsmaschinenbauer) mit neuem Wertangebot (automatische Bereitstellung der Umreifungsbänder) gewinnt Marktanteile Konflikte wegen Differenzierungsstrategie bei Großabnehmer und gedrängt zur Kostenführerschaft bei Großhandel Firma B Neuer Mitbewerber mit zusätzlichem Wertangebot (automatische Bereitstellung der Umreifungsbänder) gewinnt Marktanteile Historisch und strukturell Differenzierungsstrategie und Product Leadership Strategie. Der Markt drängt Sie vermehrt in einen Preiskampf (Kostenführerschaftsstrategie, Operational Excellence) 2. Führen Sie eine Wettbewerbsanalyse für das neue Geschäftsmodell durch. Warum ist das neue Geschäftsmodell „besser“? Firma A Differenzierungsstrategie (Product Leadership und Dienstleistungs-Leadership): Endkundenspezifische Produktentwicklung (inkl. Beschriftung, QR-Codes, …) und automatische Bereitstellung der Umreifungsbänder Absatz, Umsatz und Kundenbindung sollte damit gesteigert werden, Preiskampf sollte damit reduziert werden Firma B Differenzierungsstrategie (Product Leadership und Dienstleistungs-Leadership): Einsatzbereite Verpackungsmaschine mit erforderlichen (automatisch bereitgestellten) Umreifungsbändern ist das neue Wertangebot. Absatz, Umsatz und Kundenbindung sollte damit gesteigert werden, Preiskampf sollte damit reduziert werden ◄

Ein Geschäftsmodell eines Unternehmens Nach Erarbeitung der Geschäftsmodellelemente pro Zielkundensegment sind diese zu einem Geschäftsmodell für das gesamte Unternehmen zusammenzuführen. Die Strategieorientierung, die Beachtung der Werttreiber sowie Erfolgsfaktoren, die Sicherstellung der Kompatibilität aller Elemente des Geschäftsmodells und das Heben möglichst vieler Sy­

Ein Geschäftsmodell eines Unternehmens

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nergien sowie die Bereitschaft die einzelnen Elemente anzupassen sind bei der Zusammenführung besonders wichtig. Bei der Zusammenführung sollte im Konkreten auf • Überschneidungsfreiheit der Zielkundensegmente, • Identifikation von zielkundenspezifischen Elementen (z. B. Kanäle, Schlüsselfähigkeiten, Schlüsselprozesse, …), die gleich gestaltet sind bzw. gleich gestaltet werden können, ohne dabei Kompromisse beim Nutzenversprechen einzugehen und Sicherstellung einer synergetischen kostenreduzierenden Nutzung dieser, • Identifikation von zielkundenspezifischen Elementen, die unterschiedlich gestaltet sind und nicht gleich gestaltet werden können. Prüfung der Wirtschaftlichkeit der „Doppelgleisigkeit“ und eventuelle Anpassung der Strategie, Zielkundesegmente und anderer Geschäftsmodellelemente, • Identifikation von Inkompatibilitäten (z. B. hoch personalisiertes Produkt obwohl am Markt der Preiskampf dominierend ist), Konflikten (z. B. unterschiedliche Interessenslagen von relevanten Stakeholdern), Widersprüchen (z. B. widersprechende zielkundenspezifische kritische Erfolgsfaktoren) oder gegenseitigen Behinderungen (z.  B.  Bil­ ligprodukt und Premiumprodukt unter der gleichen Marke) und Erarbeitung entsprechender Verbesserungen geachtet werden. Sollten zwei völlig unterschiedliche Konzepte bzw. Strukturen von Geschäftselementen vorliegen, die isoliert betrachtet Sinn machen, aber sich in Punkten wie Strategie, Werttreiber oder kritische Erfolgsfaktoren widersprechen oder schwer zusammenführbar sind, sollte geprüft werden, ob nicht zwei voneinander getrennte Geschäftsmodelle entwickelt und umgesetzt werden sollen, siehe Chesbrough (2010). Die Trennung kann sehr scharf durch z. B. eigene Gesellschaften oder Marken sein oder etwas weniger scharf z. B. durch differenzierte Verantwortlichkeiten, Kanäle und Prozesse. Für etablierte Unternehmen kann diese Situation häufig auftreten. Ein Geschäftsmodell, nennen wir es GM I, wird sich eher an die noch vorherrschende Geschäftslogik anlehnen und ein weiteres GM II die Möglichkeiten der Digitalisierung voll antizipieren. Durch GM I wird das Unternehmen schwerpunktmäßig versuchen, die Effizienz zu steigern und Kundenangebote zu verbessern, um möglichst lang als Cash Cow eine hohe Liquidität sicherzustellen. GM II wird grundsätzlich alles in Frage stellen, das Wertangebot, die Kanäle, die Transaktionsabwicklung, die Schlüsselprozesse und schließlich das gesamte Geschäftsmodell unter Berücksichtigung der Digitalisierung und der neuen zu erwartenden Kundenbedürfnisse disruptiv innovieren. Damit beide Geschäftsmodelle parallel bestehen können, sind getrennte Marken, Kanäle bzw. Marktauftritte  – besonderes wenn ähnliche Zielkunden angesprochen werden sollen – zweckmäßig. In der Anfangsphase wird GM I die Finanzierung des Aufbaus des GM II sicherstellen. Nach und nach werden die Erträge und Margen bei GM II wachsen und ein geordneter Niedergang von GM I eingeleitet werden.

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Geschäftsmodell To Be Answered – Zusammenführung der zielkundenspezifischen Elemente zu einem Geschäftsmodell

1. Wo und wie können Synergien zwischen unterschiedlichen Zielkundensegmenten genutzt werden? 2. Haben wir alle Inkompatibilitäten, Konflikte, Widersprüche und gegenseitigen Behinderungen zwischen den unterschiedlichen Zielkundensegmenten identifiziert sowie aufgehoben bzw. entschärft? 3. Ist es sinnvoll (oder erforderlich), getrennte Organisationseinheiten, Marken, Kanäle, … zu betreiben? Bevor wir im zweiten Teil des Buches die Geschäftsmodellinnovation thematisieren, fassen wir die bisherigen Empfehlungen bezüglich Vorgehensmodell zur Entwicklung eines Geschäftsmodells zusammen. Auf Basis der Abbildung „Elemente eines Geschäftsmodells und deren Zusammenwirkungen“ und in Anlehnung an die vier Schritte von Teece (2010) • Marktsegmentierung, • Erstellung Value Proposition für jedes Marktsegment, • Erarbeitung der erforderlichen Mechanismen, um in jedem Segment Wert für Kunden und das eigene Unternehmen zu schaffen und • Erarbeitung von Mechanismen, die eine Imitation durch Mitbewerber oder Disintermediation durch Kunden bzw. Lieferanten (Aufgaben unseres Unternehmens werden durch andere Ecosystem-Mitglieder wahrgenommen: z. B. Großhandelsaufgaben werden von herstellerseitigen Plattformen übernommen) blockieren oder zumindest erschweren. Zur Erstellung eines nachhaltigen wettbewerbsfähigen Geschäftsmodells wird folgendes iteratives Basis-Vorgehen vorgeschlagen (siehe Abb. 7). Pro Zielkundensegment sollen • erstens die Zielkunden und das auf die Zielkunden ausgerichtete Nutzenversprechen, • zweitens die Einnahmequellen sowie weitere Mehrwerte für das Unternehmen, • drittens die für das Einlösen des Nutzenversprechens und Schaffung der Mehrwerte für das Unternehmen erforderlichen Kundenkanäle, Kundenbeziehungen, Schlüsselprozesse, Schlüsselaktivitäten, • viertens die für den Betrieb der Schlüsselprozesse, Schlüsselaktivitäten, Kundenkanäle und Kundenbeziehungen notwendigen Schlüsselfähigkeiten, Schlüsseltechnologien, Schlüsselressourcen, Schlüsselpartner sowie das Ecosystem • und schließlich fünftens die Kostenstruktur sowie (nachhaltige) Wettbewerbsvorteile und kritische Erfolgsfaktoren (Schlüsselsteuerungselemente)

. . .

Abb. 7  Grundidee zum Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinnovation

Zielkundensegment n

Zielkundensegment 1

Zusammenführung

Kompatibilität herstellen

Synergien heben

Konflikte entschärfen

Geschäftsmodell eines Unternehmens

Fehlendes identifizieren

Roadmap zur Implementierung des Geschäftsmodells

Ein Geschäftsmodell eines Unternehmens 57

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Geschäftsmodell

festgelegt werden. Nach getrennter Bearbeitung jedes Zielkundensegmentes werden diese in ein gesamtes Geschäftsmodell zusammengeführt. Bei der Zusammenführung sollen zielkundenübergreifende Synergien genutzt werden, eventuelle Konflikte zwischen den Zielkundensegmenten identifiziert sowie entschärft werden, die Kompatibilität untereinander sowie zur Unternehmensstrategie sichergestellt werden, die kritischen Erfolgs­ faktoren sollen beachtet werden und es muss sichergestellt werden, dass die einzelnen ­Nutzenversprechen nicht abgeschwächt werden. Nach Fixierung des Geschäftsmodells sind jene Schlüsselfähigkeiten, Schlüsseltechnologien, Schlüsselprozesse, Schlüsselaktivitäten, Kundenkanäle, Kundenbeziehungen, Schlüsselressourcen und Schlüsselpartner zu identifizieren, die für das Geschäftsmodell erforderlich sind aber noch nicht bestehen bzw. deren Qualität oder Leistungsniveau noch nicht ausreichend ist. Gleichzeitig sind nicht mehr notwendige Aktivitäten, Prozesse, Ressourcen, Partner und Fähigkeiten abzubauen bzw. den neuen Anforderungen entsprechend zu entwickeln. Zum Abschluss der Geschäftsmodellentwicklung wird eine Roadmap zur Überbrückung des festgestellten Gaps erstellt. In der Regel wird kein rein sukzessives Vorgehen möglich bzw. sinnvoll sein – vielmehr ist ein iteratives, verschachteltes sowie ständig mit den Zielkunden abgestimmtes Vorgehen sinnvoll. Dieses Vorgehensmodell beschreibt in groben Schritten den Prozess Start der Geschäftsmodellinnovation bis zur fertigen Roadmap zur Implementierung des neuen Geschäftsmodells und unterstützt die Ausrichtung des Geschäftsmodells an den beiden übergeordneten Zielen: Maximierung des Kundennutzens sowie des Unternehmenswertes. Im Kapitel Vorgehensmodell werden wir aufbauend auf diesen Grundideen ein detailliertes Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinnovation für etablierte Unternehmen erarbeiten. To Be Answered – Erstellung der Roadmap zur Implementierung des Geschäftsmodells

1. Welche Kanäle, Schlüsselaktivitäten, -prozesse-, -fähigkeiten, -technologien, -ressourcen, -steuerungselemente und -partner fehlen uns, und wie können wir diese entwickeln, aufbauen, beschaffen bzw. bereitstellen?

Geschäftsmodellinnovation

Das Wort Innovation kommt vom lateinischen Verb innovare (erneuern). Im betriebswirtschaftlichen Kontext heißt Innovation, etwas erstmalig zu tun bzw. neu zu machen und gleichzeitig mit dem Erstmaligen bzw. Neuen auch einen betriebswirtschaftlichen Nutzen zu generieren, siehe Hauschildt et al. (2016). Eine isolierte Erfindung oder Entdeckung ohne einen betriebswirtschaftlichen Nutzen ist keine Innovation. Das Innovieren eines Geschäftsmodells bedingt somit zwei Dinge: erstens mindestens ein Aspekt oder Element des Geschäftsmodells wird erneuert (und damit neu für das Unternehmen) und zweitens: es lässt sich eindeutig ein betriebswirtschaftlicher Nutzen ableiten. Der Nutzen des Geschäftsmodells manifestiert sich durch die Schaffung eines höheren Kundennutzens und durch die Verbesserung (mehr Umsatz, geringere Kosten) der Ertragsmechanik. Geschäftsmodellinnovation heißt somit: Erneuere das Geschäftsmodell mit dem Ziel, den Nutzen für die Zielkunden und den Wert (im Sinne einer verbesserten Ertragsmechanik) für das Unternehmen zu erhöhen. Geschäftsmodellinnovation bedingt, dass zumindest das Nutzenversprechen oder die Ertragsmechanik erneuert wird (am besten alle zwei Elemente), ansonsten wäre kein betriebswirtschaftlicher Nutzen ableitbar. Im Zuge der Geschäftsmodellinnovation sollen von etablierten Unternehmen nachfolgende sechs Fragen beantwortet werden, siehe Amit und Zott (2012): • Welche (neuen) Kundenbedürfnisse für welche (neuen) Zielkunden adressiert das neue Geschäftsmodell? • Welche neuen Aktivitäten bzw. Prozesse sind dafür erforderlich? • Wie müssen bestehende oder neue Aktivitäten bzw. Prozesse verbunden werden? • Wer (eigenes Unternehmen, Partner, Lieferant, Kunde, …) ist für welche Aktivität bzw. welchen Prozess verantwortlich und wie erfolgt die Steuerung untereinander?

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 H. Jodlbauer, Geschäftsmodelle erarbeiten, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30455-3_2

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Geschäftsmodellinnovation

• Wie wird Wert für alle Stakeholder (insbesondere für das eigene Unternehmen) geschaffen und schließlich • Welche (neuen) Ertragsmechaniken sind erforderlich, um das Geschäftsmodell optimal zu unterstützen? Innovation heißt, etwas Neues erstellen und dieses wirtschaftlich nutzen. Demnach bedeutet Geschäftsmodellinnovation, mindestens in einem Geschäftsmodellelement eine neue Idee zum bestehenden Geschäftsmodell zu generieren, diese umzusetzen und damit zusätzlichen Umsatz zu generieren und/oder Kosten zu senken. Bestehende Unternehmen zeichnen sich durch ihre Unternehmenskultur, ihre (oft impliziten) Unternehmensregeln, ihre Mitarbeiter, ihre Ressourcen, ihr Umfeld und ihre (vergangenen) Leistungen sowie Erfolge aus. Die Weiterentwicklung des Geschäftsmodells wird im Allgemeinen diese dem Unternehmen wichtigen Dinge tangieren, in Frage stellen und auch ändern. Ein Geschäftsmodell erarbeiten heißt, Bisheriges zu analysieren, Bisheriges kritisch zu hinterfragen und Zukünftiges so zu gestalten, dass Mehrwert für die Zielkunden sowie für das eigene Unternehmen geschaffen wird. Geschäftsmodellinnovation trägt zur Absicherung des langfristigen Unternehmenserfolges bei. Kritische Reflexion, Bereitschaft zur Änderung und aktiver Gestaltungswille sind grundsätzliche Voraussetzungen der Geschäftsmodellinnovation. Die Geschäftsmodellinnovation kann sich in Ergänzung zu den Fragen von Amit und Zott auf eine Kombination nachfolgender Innovationsbereiche nach Stummer et al. (2008) beziehen: Produkt-Dienstleistungsinnovation: Erneuerung und Verbesserung von Produkten oder Dienstleistungen (Nutzenversprechen: neue Produkte, Dienstleistungen oder Stiftung von zusätzlichen Kundennutzen) (Umsatzsteigerung und teilweise Kostensenkung). Prozessinnovation: Weiterentwicklung und Verbesserung von Prozessen (Wertschöpfungsstruktur: effizientere, schnellere oder billigere Leistungserstellung; Kunde: verbesserter Kundenkanal oder schnellere bzw. transparentere Transaktionsabwicklung bzw. Bezahlabwicklung; Partner: verbesserter Partnerkanal) (Kostensenkung und Umsatzsteigerung). Markt-Innovation: Identifikation neuer und Entwicklung bestehender Märkte (Kunde: neues Zielkundensegment, neuer Kundenkanal oder neue Kundenbeziehung; Nutzenversprechen: neue Produkte, Dienstleistungen oder Stiftung von zusätzlichem Kundennutzen) (Umsatzsteigerung). Sozial-Innovation: Veränderungen im Personal-, Organisations- oder Rechtsbereich (Kunde: Kundenbeziehung; Partner: Partnerbeziehungen; Ressourcen: Mitarbeiter) (Kostensenkung und Umsatzsteigerung). Die Digitalisierung wird in vielen Geschäftsmodellinnovationsvorhaben Enabler und Treiber der Mehrwertschaffung für Kunden und Unternehmen sein. Integrierende Digitalisierung im Sinne von die Digitalisierung nützen, um Menschen, Dinge sowie Systeme zu verbinden, Kundenbedürfnisse mit Nutzenversprechen zu verknüpfen, Partner des

Geschäftsmodellinnovation

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­ cosystems zusammenzuführen oder übergreifende Prozesse zu synchronisieren, kann E helfen Geschäftsmodelle innovativ, nachhaltig und mehrwertschaffend zu entwickeln. Unter Nutzung der Digitalisierung bieten sich mehrere disruptive Innovationen des Geschäftsmodells an. Einige dieser Basisideen, jeweils illustriert an bekannten Beispielen, sind, siehe Jodlbauer 2016: • Ersetzen von Materiellem durch digitale Dienstleistungen: Google verdrängte Brockhaus oder iTunes verdrängte CD. • Transformation vom Digitalen ins Materielle möglichst spät oder Erhöhung des digitalen Anteils im Kundenauftragsabwicklungsprozess: elektronisches Flugzeugticket oder Cubify für 3-D Ausdrucke. • Betreibermodelle: KAESER verkauft Druckluft (und nicht Druckluftkompressor) oder Philips verkauft hellen Raum (und nicht Leuchtmittel) am Flughafen Schiphol. • Datenverwertung: Daten zu Aufenthaltsort sowie Geschwindigkeit von Smartphones werden zur Stauberechnung genutzt oder Felddaten von der Anlagennutzung werden zur Prozessoptimierung genutzt. • Personalisierung: Zahnersatz durch Keramik-3-D-Druck oder personalisierter Schuh von Nike oder Converse. • On Demand Wertangebote: Netflix oder form.bar (siehe Beispiel form.bar auf Seite 58). • Plattformen: 365 FarmNet als führendes Agrarsystem oder eBay, das einen neuen Markt von bis jetzt nicht befriedigten Kundenbedürfnissen geschaffen hat (verkaufe einfach, was du nicht mehr brauchst und kaufe einfach sowie günstig Gebrauchtes). • Branchenfremde verdrängen Platzhirschen: Philips-Leuchtmittel Hue als Alarmanlage (siehe Beispiel Hue als Alarmanlage auf Seite 45) oder Internettelefonanbieter (WhatsApp, Skype, …) bieten viele Vorteile gegenüber klassischen Telekommunikationsanbietern. Das nächste Beispiel zeigt wie durch Einsatz der Digitalisierung und Vernetzen von Unternehmen im klassischen güterproduzierenden Gewerbe personalisierte Produkte mit kürzester Lieferzeit angeboten werden können. Beispiel „form.bar“

form.bar ist eine Plattform betrieben von der Firma Okinlab. Diese Plattform verbindet Käufer von Regalen mit der Wertschöpfungskette für maßgeschneiderte Regale. Der an einem maßgeschneiderten Regal Interessierte kann mit Hilfe eines einfach zu bedienenden Systems sein/ihr eigenes Regal designen und konfigurieren (inkl. Materialauswahl, Farbauswahl, Größe, Freiformkanten, …). Im Hintergrund sucht das System aus einem Partnerpool den am besten geeigneten Tischler (Distanz zum Kunden, freie Kapazitäten des Tischlers, technologische Möglichkeiten des Tischlers) für diesen potenziellen Kundenauftrag aus und erstellt für diesen Kundenauftrag vollautomatisch umsetzungsbereite Stücklisten, Arbeitspapiere, CNC-Programme, Fertigungsaufträge,

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Geschäftsmodellinnovation

Transportaufträge und darauf aufbauend eine Preiskalkulation sowie einen zusagbaren Liefertermin. Das vom Kunden fertig entwickelte Produkt wird 3-dimensional animiert von allen Blickwinkeln präsentiert und der Kunde erhält de facto zeitparallel ein Kaufangebot inkl. Zustellservice, fixem Liefertermin und Preis. Wenn der Kunde das Angebot annimmt und den Kauf abschließt, werden automatisch die bereits erstellten Fertigungs- und Transportaufträge an die jeweiligen Partnerfirmen (Tischler und Logistiker) übergeben. In wenigen Tagen erhält der Kunde das personalisierte maßgeschneiderte Regal. ◄ Das Zusammenwirken der Partner des Ecosystems und die Verbindung zu den (End-) Kunden sollte stets bei der (Weiter-)Entwicklung von Geschäftsmodellen beachtet werden. Zusätzlich kann Geschäftsmodellinnovation nicht nach fixierten einengenden Plänen stattfinden – vor allem zu Beginn wird kreatives, reflektierendes, ständig prüfendes und korrigierendes Arbeiten notwendig sein. Unabhängig vom konkreten Vorgehensmodell und den angewandten Methoden zur Geschäftsmodellinnovation sollte bei der Erarbeitung eines Geschäftsmodells Folgendes beachtet werden: • Einbeziehung der Zielkunden mit Fokus Stiftung von Nutzen für den Kunden und Gestaltung der Kundenkanäle und Kundenbeziehungen, • Einbeziehung von Schlüsselpartnern mit dem Fokus Stiftung von Nutzen für den Partner und Stärkung des eigenen Ecosystems, • Differenzierung gegenüber den Wettbewerbern, Schaffung eines Wettbewerbsvorteiles sowie Sicherstellung einer schweren Imitierbarkeit, • Ausgestaltung, Kombination und Abstimmung der Elemente, sodass eine gegenseitige Verstärkung stattfindet und möglichst viel Wert für das Unternehmen geschaffen wird, • Identifikation versteckter Annahmen und Verifizierung dieser (siehe dazu den folgenden Abschnitt zum Thema Minimum Viable Product), • Iteratives, reflektierendes und lernendes Vorgehen, • Kreativität zu Beginn sowie Kognition zu Ende. Das Geschäftsmodell insbesondere das Nutzenversprechen kann nur zielkundenorientiert formuliert werden, wenn der Zielkunde, seine Erwartungen sowie Bedürfnisse und seine Rahmenbedingungen sowie Restriktionen verstanden werden. Am besten wird dies durch die direkte Einbindung ausgewählter Zielkunden in die Erarbeitung des Nutzenversprechens gelingen. Wirtz (2013) schlägt einen Geschäftsmodellinnovationsprozess vor, der sich durch ein iteratives sowie inkrementelles Vorgehen, das eine ständige Validierung des Geschäftsmodells am Markt durch Einbindung der Zielkunden beinhaltet, auszeichnet. Getroffene Aussagen basieren auf Annahmen. Bei der Ausarbeitung der Elemente eines Geschäftsmodells werden viele Annahmen getroffen. Annahmen sind Vermutungen, häufig implizite (nicht bewusste), die sich bestätigen oder auch widerlegen lassen. Falsche Annahmen sind Annahmen, die sich widerlegen lassen. Eine falsche Annahme (­ Vermutung)

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kann zu Aussagen mit problematischen Wirkungen führen. Zur Illustration führen wir ein Beispiel zu einem konkreten Nutzenversprechen eines Großhändlers an: Beispiel „Unnötiges Nutzenversprechen wegen falscher Annahme“

Das Nutzenversprechen eines Großhändlers beinhaltet die Aussage: Wir liefern bei Bestellung bis 12 Uhr noch am selben Tag. Das Einlösen dieses Nutzenversprechens verursacht erhebliche Anstrengungen und Kosten. Dieses Nutzenversprechen klingt anfangs sehr gut. Bei detaillierter Analyse ist Folgendes festzustellen: Die überwiegende Anzahl an Kunden des Großhändlers sind kleine Gewerbebetriebe bei denen der Chef tagsüber auf Baustellen ist (also keine Zeit zum Bestellen hat) und abends gerne für den nächsten Tag die erforderlichen Materialen bestellen würde. Der Zielkunde würde sich also eine Bestellmöglichkeit bis 20 Uhr mit Anlieferung am nächsten Tag am Morgen mit Lieferadresse gleich Baustellenadresse (Anlieferung von 7 bis - 9 Uhr) oder Anlieferung beim Gewerbebetrieb von 6 bis 7 Uhr wünschen. Das Nutzenversprechen bei Bestellung bis 12 Uhr noch Lieferung am gleichen Tag bringt diesen Gewerbetreibenden (= Zielkunden) keinen Vorteil. ◄ Bei der Erarbeitung eines Geschäftsmodells sollten wir immer wieder die Frage stellen, welche (impliziten) Annahmen bzw. Vermutungen hinter welchen Aussagen und Überlegungen stehen. Für jede getroffene Annahme ist eine Verifizierung vorzunehmen. Zentral bei der Verifizierung von Aussagen eines Geschäftsmodells wird eine möglichst marktnahe und kundennahe Vorgehensweise (kundennahe Überprüfung) sein. Aussagen, die auf falschen Annahmen basieren, sind entsprechend zu ändern oder überhaupt durch neue zu ersetzen. Lean Startup, siehe Ries (2011) oder Blank (2013) und Minimum Viable Product, siehe Moogk (2012), verfolgen bezogen auf Unternehmensgründung genau diesen Ansatz, falsche Annahmen frühzeitig zu identifizieren und die daraus resultierenden Geschäftsmodellaussagen zu ändern. Grundidee ist es, die riskanteste (implizit) getroffene Annahme zu identifizieren, schnell sowie billig ein „Minimum Viable Product“ (Expertenbefragung, Mockup, Prototyp, Produkt, Dienstleistung, Markttest, …) zu erstellen und die Annahme zu verifizieren bzw. zu falsifizieren und auf Basis des Gelernten das Produkt, die Dienstleitung, den Prozess oder das Geschäftsmodell zu überarbeiten und zur nächsten riskantesten Annahme überzugehen. Die zentralen Punkte, die sich sofort auf die Erarbeitung eines Geschäftsmodells für etablierte Unternehmen als kontinuierliche kundennahe Überprüfung übertragen lassen, sind: • Feedback vom Zielkunden (z.  B. über Produkteigenschaften, Verkaufsabwicklung, Preis, Vertriebskanal, Verfügbarkeitsanforderungen, …) einholen (und immer wieder einholen) anstatt Vermutungen anzustellen. • Experimente (einfach am Markt ausprobieren) durchführen anstatt detaillierte langfristige Businesspläne (Zukunftsvorhersagen vom Schreibtisch weg) zu erstellen.

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• In vielen iterativen Schritten das Geschäftsmodell erarbeiten, die Aussagen des Geschäftsmodells und die dahinterliegenden Annahmen bei jedem Schritt prüfen und falls erforderlich ändern, verwerfen, neu erarbeiten oder neu beginnen, anstatt nach strikten sequenziellen Phasen und Meilensteinen ein „Entwicklungsprojekt“ abzuarbeiten. Obige Punkte können durch die beiden Prinzipien „failing fast, early and cheap“ und „continually learning“ zusammengefasst werden. Die Idee ist, das Geschäftsmodell sobald als möglich über Feedback vom Markt und von den anvisierten Zielkunden zu korrigieren und entsprechend anzupassen. In der Praxis empfiehlt es sich, nach jeder Ausformulierung einer Version des Geschäftsmodells bewusst folgende Fragen zu Identifikation der „Gefährlichsten Annahmen“ zu stellen: • Welche (impliziten) Annahmen, wenn sie nicht zutreffen würden, würden am meisten der Logik des Geschäftsmodells widersprechen und am meisten den angestrebten Erfolg (Schaffung Mehrwert für Zielkunden sowie für das eigene Unternehmen) gefährden (=gefährlichste Annahmen)? Shafer et al. (2005) sehen im Zusammenhang mit der Entwicklung eines Geschäftsmodells falsche Annahmen, die zur Geschäftslogik führen als das größte Problem bzw. als größte Gefahr. Eine der Strategieentwicklungsempfehlungen von Mankins und Steele (2005) besagt, diskutiere die Annahmen und nicht irgendwelche Forecasts. Stelle also sicher, dass die (implizit getroffenen) Annahmen im Zuge einer Geschäftsmodellinnovation tatsächlich den Markt, die Bedürfnisse der Zielkunden, das Ecosystem und das eigene Unternehmen insbesondere die Ausgangssituation reflektieren. Beispiel „Mini Case Study Gefährlichste Annahme Teil V“

Ausgangssituation Wie in Beispiel „Mini Case Study Kundennutzen durch Kooperation Teil I“ auf Seite 23. Aufgabenstellung 1. Was ist die „gefährlichste“ Annahme? Der geäußerte Wille zur strategischen Zusammenarbeit beider Firmen und die wesentlichen Neuerungen beider Geschäftsmodelle basieren auf der Vermutung (= Annahme), dass Firmen die Umreifungsbandverpackungsmaschinen nutzen in Zukunft eine möglichst automatische Bereitstellung der benötigten Umreifungsbänder erwarten bzw. fordern. Der Hintergrund dieser Vermutung (Marktforderung) dürfte sein: Umreifungsbänder sind C-Verbrauchsteile für den Verpacker und der Verpacker möchte möglichst keinen Aufwand für die Beschaffung und Bereitstellung der Umreifungsbänder haben.

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2. Wie kann die „gefährlichste“ Annahme überprüft werden? Expertengespräche mit ausgewählten eigenen Kunden, die Umreifungsbandverpackungsmaschinen betreiben und mit ausgewählten Kunden der beiden neuen erfolgreichen Mitbewerber. ◄ Ähnlich wie durch den Ansatz Minimum Viable Product kann die Geschäftsmodellinnovation durch den Design Thinking Prozess profitieren. Design Thinking, siehe Brown (2008) oder Grots und Pratschke (2009), ist ein weit verbreitete Agilitäts- und Kreativitätsmethode. Der Design Thinking Prozess zielt darauf ab, möglichst unterschiedliche Erfahrungen, Meinungen und Perspektiven hinsichtlich einer Problemstellung zusammenzubringen. Dabei wird angenommen, dass Innovation in der Schnittmenge von Mensch/ Kunde/Nutzer, Technologie/Umwelt/Rahmenbedingungen und Wirtschaft entsteht. Erfolgreiche Innovation benötigt gleichzeitig Attraktivität aus Sicht des Zielkunden, Machbarkeit aus Sicht der Technik und Rahmenbedingungen sowie einen (wirtschaftlichen, finanziellen, sozialen, …) positiven Return an die Beteiligten. An die Teilnehmer eines Design Thinking Prozesses werden hohe Anforderungen gestellt.: hohes Expertenwissen in mindestens einem relevanten Fachgebiet, hohes Interesse am gesamten Thema sowie Offenheit und Neugier, hohe Kooperationsbereitschaft und die Fähigkeit, die Welt aus unterschiedlichen Blickwinkeln wahrnehmen zu können und zu wollen. Das Team muss natürlich alle geforderten Fachgebiete abdecken und eine gemeinsame Sprache finden. Ein typischer Design Thinking Prozess besteht aus sechs Phasen. • Understand: Sicherstellung, dass jedes Teammitglied das Problemfeld, die Zielsetzung und die Aufgabenstellung versteht. • Observe: Erfassung und verstehen lernen der Bedürfnisse der Zielgruppe/Nutzer/Kunden durch Beobachtung, Befragung, Interagieren. Zusätzlich sollen vergleichbare Problemsituationen und deren bekannte Lösungsansätze analysiert werden. • Point-of-View: Zusammentragung aller gewonnenen Erkenntnisse sowie Erfahrungen aller Teammitglieder. Durch Bilder und User Stories, siehe Seite 63, soll das gemeinsame Gesamtbild als explizites Wissen dargestellt und kommuniziert werden. Eventuelle Widersprüche sollen dabei thematisiert werden. • Ideate: Möglichst viele Ideen zur Lösung der Problemstellung bzw. Aufgabenstellung werden durch Kreativitätstechniken wie z. B. Brainstorming generiert. Die Ideen werden strukturiert und ähnliche werden zusammengefasst. Anschließend erfolgt eine Bewertung in Bezug auf Attraktivität für den Kunden/Nutzer, Umsetzbarkeit und (wirtschaftlichen) Nutzen. • Prototyp: Ausgewählte Ideen werden schnell durch Prototypen (Textuelle Beschreibungen, Rollenspiele, User Story, physisches Modell, Visualisierungen, Simulation, …) „ausprobiert“. Ziel dabei ist, in mehreren Iterationen die Idee besser zu verstehen, zu verbessern (bezüglich Attraktivität, Umsetzbarkeit und Nutzen) sowie zu verfeinern. • Test: Wenn ein Prototyp als reif angesehen wird, wird dieser in einem offenen Dialog der Zielgruppe/Kunden/Nutzern präsentiert. Das Feedback der Zielgruppe kann zu

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e­ iner Verbesserung des Ansatzes, alternativen Ideen oder natürlich auch zum Verwerfen des Prototyps führen. Wenn ein Prototyp im Feedback mit der Zielgruppe sehr gut abschneidet und die Umsetzbarkeit sowie der (wirtschaftliche) Nutzen gegeben sind, ist die Lösung gefunden und der Prozess abgeschlossen. Zentrale Ideen des Design Thinking Prozesses, umgelegt auf Geschäftsmodellinnovation, sind die Kundenanforderungen zu verstehen und zu verfolgen, iterativ Prototypen zu bauen und die Ergebnisse der Entwicklung am Markt mit den Zielkunden zu testen bis ein Geschäftsmodell vorliegt, das von den Zielkunden hoch attraktiv wahrgenommen wird und bei dem gleichzeitig die Umsetzbarkeit sowie Wirtschaftlichkeit gegeben sind. Die „Ideate Phase“ der Design Thinking Methode kann durch die Brainstorming-­ Methode Scamper, siehe Eberle (1996), oder durch die sehr ähnlich aufgebaute Osborn-­ Checkliste, siehe Schawel und Billing (2014) unterstützt werden. Nach Formulierung der Problemstellung und Zielsetzung werden die Punkte der nachfolgenden Checkliste durchgearbeitet. Die Scamper-Checkliste beinhaltet die Punkte • Substitute: Welche Teile des Bestehenden (des Produktes, der Idee, des Geschäftsmodells, …) können oder sollen ersetzt werden? • Combine: Lassen sich Teile oder das Ganze mit anderen Dingen oder Systemen kombinieren. Passen andere Komponenten, Bausteine, Funktionen, Dienstleistungen, … dazu? • Adapt: Kann etwas von anderen Lösungen oder Ansätzen übernommen und entsprechend angepasst verwendet werden? Gibt es neue (externe) Anforderungen, die eine Anpassung erfordern? – Falls ja: Welche? • Magnify: Wie kann der Wert (Kundennutzen) weiter gesteigert werden? Wie können bestehende Vorteile noch mehr betont werden? Wie können Eigenschaften, Attribute, … noch weiter verbessert werden? • Put: Für welchen anderen Zweck lässt sich die Idee noch einsetzen? Gibt es weitere Anwendungsbereiche? Können wir die bisher gewonnenen Erkenntnisse auf Neues übertragen? • Eliminate: Was ist unnötig? Was könnte man entfernen? Was braucht der Kunde nicht? Was bringt keinen Mehrwert? Welchen Anteilen wird zu hohe Bedeutung zugemessen? • Reverse: Kann man es umgekehrt machen? Könnte man die Anordnung, Reihenfolge ändern? Stelle die Idee auf den Kopf. Gibt es eine entgegengesetzte Nutzung? Für die konkrete Anwendung sollen die sieben Punkt der Checkliste an die vorliegende Aufgabenstellung und Zielsetzung z. B. Geschäftsmodellentwicklung angepasst werden. Abhängig von der Situation können einzelne Punkte der Checkliste weniger relevant sein. Nach Bearbeitung aller sieben Punkte führen die Teilnehmer eine abschließende Analyse mit dem Ziel durch, die Ideen zu strukturieren und jene Teile bzw. Ideen zu identifizieren, die weiterverfolgt werden sollen. Die Agilitätsmethode SCRUM kann ebenfalls für die Geschäftsmodellinnovation sinnvoll eingesetzt werden. Die SCRUM Methode bewährt sich vor allem für

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­ ntwicklungsprojekte im komplizierten oder komplexen Umfeld. Gerade in der AnfangsE phase der Geschäftsmodellinnovation kann SCRUM zur Identifizierung rentabler Märkte, Technologien und Ideen zur Geschäftsmodellinnovation beitragen. In Maximini (2013) und Schwaber und Sutherland (2016) sind praxisnahe Einführungen in SCRUM gegeben. SCRUM ist ein Rahmenwerk, innerhalb dessen Menschen komplexe adaptive Aufgabenstellungen angehen können und durch das sie in die Lage versetzt werden, produktiv und kreativ Ergebnisse mit höchstmöglichem Wert auszuliefern. Die drei Säulen von SCRUM sind: Transparenz, Überprüfung und Anpassung. Die wichtigsten Rollen in einem SCRUM Projekt sind Product Owner verantwortlich für die Maximierung des Ergebnisses (=Produktinkrement), das aus der Arbeit des Entwicklungsteams entsteht. Verantwortet das Product-Backlog. Entwicklungsteam Das Entwicklungsteam besteht aus Profis, die am Ende eines jeden Sprints (Iteration) ein fertiges Done (Produktinkrement) übergeben. Entwicklungsteams sind selbstorganisierend und interdisziplinär zusammengesetzt. Scrum Master Der Scrum Master fördert und unterstützt alle Beteiligten (Product Owner, Entwicklungsteam, Unternehmen) dabei, die SCRUM Theorien, Praktiken, Regeln und Werte richtig zu verstehen und anzuwenden. Das SCRUM Vorgehen ist ein iteratives Vorgehen. Im Zentrum steht der sogenannte Sprint, ein Zeitraum von maximal einem Monat, innerhalb dessen ein fertiges „Done“, ein nutzbares und potenziell auslieferbares bzw. umsetzbares Produktinkrement hergestellt wird. Übertragen auf die Geschäftsmodellinnovation könnte ein „Done“ bzw. ein Produktinkrement ein ausformuliertes, evaluiertes, validiertes, durch Zielkunden getestetes oder prototypisch umgesetztes Element eines Geschäftsmodelles sein. Ganz konkret könnte ein Produktinkrement nachstehende Fragen beantworten: Welche Kundenbeziehungen und welche Schlüsselprozesse sind erforderlich, um das Nutzenversprechen einzulösen? Nach Abschluss eines Sprints startet unmittelbar der nächste. Das Product-Backlog ist das zentrale Dokument zur Beschreibung, was genau das Produkt bzw. Ergebnis enthalten soll. Es dient als Anforderungsquelle für alle Änderungen und Entwicklungsarbeiten bezogen auf alle Sprints. Das Product-Backlog ist eine geordnete Liste und wird ausschließlich durch

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den Product Owner gewartet. Ein Sprint umfasst das Sprint Planning, die Daily Scrums, die eigentliche Entwicklungsarbeit, das Sprint Review und die Sprint Retrospektive. Im Zuge der Sprint Planung werden durch das gesamte Team die drei Fragen: „Was ist in dem Produktinkrement des kommenden Sprints enthalten?“, „Wie wird die für die Lieferung des Produktinkrements erforderliche Arbeit erledigt?“ und „Was ist der übergeordnete Zweck des Sprints (=Sprintziel)?“. Das Sprintziel wird insbesondere durch Einträge im Product-Backlog dokumentiert. Im Daily Scrum (maximal 15-minütiges tägliches Meeting) überprüft das Entwicklungsteam seinen Fortschritt in Richtung des Sprint-Zieles und den Trend der Abarbeitung der Sprint-Backlog-Einträge (Sprint-Backlog ist jener Teil des Product-Backlogs, der dem Sprint zugeordnet ist). Im Sprint Review wird das Product Increment überprüft, eine gemeinsame Sicht zu „Done“ hergestellt, falls notwendig das Product-Backlog angepasst und zur Vorbereitung für den nächsten Sprint ergänzt. Im Zuge der Sprint Retrospektive wird überprüft, ob in Bezug auf SCRUM, Kommunikation, Zusammenarbeit oder Kultur etwas verbessert werden kann, um im nächsten Sprint effektiver sowie effizienter zu arbeiten. User Stories, siehe Cohn (2004), sind eine Methode, die gern im Zusammenhang mit SCRUM vom Product Owner verwendet wird, um die Anforderungen aus Nutzersicht zu beschreiben. Storytelling, siehe Katenkamp (2011), aus dem Gebiet des Wissensmanagements ist ein allgemeineres Konzept als User Stories. Storytelling angewandt auf die Inanspruchnahme des Wertangebotes durch den Kunden führt zu User Stories. In der Geschäftsmodellinnovation eignen sich User Stories für die Darstellung der Kundenbedürfnisse und zur Illustration des Nutzenversprechens. User Stories bestehen aus wenigen, leicht verständlichen Sätzen in einer Alltagssprache des Kunden. Sie sind möglichst kurz, aus Zielkundensicht jedoch spezifisch und klar. Es geht um die Darstellung der Kundensituation, des zu lösenden Problems oder der Aufgabe des Kunden, den vom Zielkunden erwarteten und wahrnehmbaren Nutzen sowie um das Aufzeigen der Notwendigkeit einer Veränderung. Es geht um die Beschreibung, wie der Kunde bzw. der Nutzer das Produkt bzw. die Dienstleistung findet, erwirbt, nutzt, verwendet, entsorgt, oder beendet. User Stories zielen auf Emotionen, Kundenwahrnehmungen, Erfahrungen und Customer Experience ab. Konkrete Lösungsansätze, technische Spezifikationen von Produkten oder funktionale Beschreibung von Dienstleistungen stehen nicht im Fokus der User Stories. Diese Konkretisierungen wie z. B. Spezifikationen oder Pflichtenheft sollten von den User Stories und den darin beschriebenen Kundenbedürfnissen und Kundenanforderungen ableitbar sein. User Stories sind ein mächtiges Werkzeug für die Geschäftsmodellinnovation, um Kundenbedürfnisse transparent zu machen und die Befriedigung dieser Kundenbedürfnisse konsequent durch das Nutzenversprechen abzubilden. Beispiel „User Story Großhändler“

Großhändler mit kleinem Gewerbebetrieb (Elektroinstallateur, Chef ist selber auf Baustellen) als Kunde

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Nach dem Abendessen gehe ich (Chef des Elektroinstallationsbetriebes) ins Büro, um die morgigen Baustellen einzuplanen. Auf Grund der anstehenden Baustellenarbeiten (von mir gerade definiert und freigegeben) wird automatisch eine Materialbedarfsliste erstellt. Im Lager vorhandenes Material wird automatisch in Kommissionierlisten pro Baustelle ausgegeben und fehlendes Material wird automatisch mit direkter Lieferung an die jeweilige Baustelle und Lieferung bis spätestens morgen Früh um 7 Uhr bestellt. ◄

Beispiel „User Story zerstörungsfreie Prüfung“

HILTI Ferroscan – zerstörungsfreie Identifikation und Bemaßung von Armierungseisen (Bewehrungsstahl) in Beton Ich (der Techniker mit Prüfauftrag) nehme die leichte (geringes Gewicht) Ferroscan Tasche aus dem Auto, hänge sie über die Schulter und klettere das Baugerüst hoch. Oben angekommen, öffne ich die Tasche, entnehme den Ferroscan und schalte ihn ein. In zwei Sekunden ist er online, kalibriert und einsatzbereit. Ich halte den Ferroscan in die zu untersuchende Stelle und fahre die gesamte Untersuchungsstelle ab. Falls ich das Untersuchungsgebiet zu schnell, unnötig zu langsam, zu wenig überlappend oder unnötig zu viel überlappend abfahre, gibt mir der Ferroscan sofort die entsprechenden Hinweise. Nach Scannen der gesamten Untersuchungsgebiete erhalte ich am Display sofort die 3D Information bezüglich Lage und Dimension der Armierung und im Detail werden diese Informationen automatisch in allen gängigen CAD-Formaten wie STEP oder IGES auf meinen Rechner im Büro übertragen. Nach durchgeführter Messung packe ich das Gerät einfach ein und gehe wieder zum Auto zurück. Wenn ich im Büro ankomme, ist bereits der automatisch erstellte Einsatzbericht inkl. aller detaillierten 3D Informationen zur weiteren Bearbeitung verfügbar. ◄ Wir erwähnen noch eine Agilitätsmethode, die vor allem für die Aufgabenverteilung und Aufgabenbearbeitung während der iterativen Erarbeitung des Geschäftsmodells eingesetzt werden kann: KANBAN, siehe Kniberg und Skarin (2010) oder Anderson (2011). In SCRUM wird KANBAN häufig verwendet, um die zu erledigenden Aufgaben während eines Sprints effizient zu managen. In der Geschäftsmodellinnovation kann KANBAN verwendet werden, um die Aufgaben zwischen den Workshops effizient zu managen. Die KANBAN Methode basiert auf Karten und einem Board. Pro identifizierter Aufgabe wird eine Karte erstellt. Auf der Karte wird die Aufgabe, das verfolgte (Teil)Ziel und der Verantwortliche festgehalten. Das Board bzw. die Stecktafel besteht aus vier Spalten: Die erste Spalte führt die übergeordneten Ziele an, die noch nicht erreicht sind aber bis zum nächsten Workshop erreicht werden sollen. Die letzten drei Spalten repräsentieren den jeweiligen Status (Offen, in Bearbeitung, Erledigt) der zugeordneten Aufgaben. „In Bearbeitung“ wird auch WIP (Work in Progress) genannt. So wie das aus der Produktionsplanung und -steuerung bekannte KANBAN, siehe Jodlbauer (2016), verfolgt auch die

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­ gilitätsmethode KANBAN den Ansatz, den WIP gering zu halten. KANBAN erhöht die A Transparenz und den Überblick. Das Management der Aufgabenerledigung für den Geschäftsmodellinnovationsprozess mit KANBAN zwischen zwei Workshops könnte nun folgendermaßen aussehen: Identifikation, Beschreibung und Auflistung aller noch nicht erreichten Ziele bzw. nicht abgedeckter Anforderungen: Festgestellte offene Punkte, noch unbeantwortete Fragen aus den „Questions to be Answered“, Überprüfung der gefährlichsten Annahme, … führen zu diesen offenen Zielen bzw. Anforderungen. Identifikation, Beschreibung, Verantwortungszuordnung und Zielzuordnung aller erforderlichen Aufgaben, um bis zum nächsten Workshop die offenen Ziele zu erreichen bzw. offene Anforderungen zu erfüllen: Für ein Ziel bzw. Anforderung können mehrere Aufgaben festgelegt werden. Wenn sinnvoll können Aufgaben priorisiert bzw. in ihrer ­Abarbeitungsreihenfolge fixiert werden. Die verfügbaren Kapazitäten der Verantwortlichen sind bei der Aufgabenzuteilung zu beachten. Abarbeitung der Aufgaben und entsprechendes „Umstecken“ der Karten von „offen“, zu „in Bearbeitung“ und schließlich zu „erledigt“: Eine Grundidee von KANBAN ist, dass möglichst wenig Aufgaben den Status „in Bearbeitung“ aufweisen, damit die einzelnen Aufgaben effizient, schnell und zielgerichtet erledigt werden können. Pro Person sollte demnach maximal eine Aufgabe im WIP sein. Bei dem in Abb. 1 dargestellten Beispiel werden zwei übergeordnete Ziele verfolgt, nämlich: Sicherstellung, dass das Nutzenversprechen die Kundenbedürfnisse der Zielkunden deckt und dass sich Schlüsselprozesse konsequent an der Einlösung des Nutzenversprechens orientieren. Für das erste Ziel wurden fünf relevante Zielkunden ausgewählt, bei denen das Ziele Nutzenversprechen aus den Kundenbedürfnissen abgeleitet

Schlüsselprozese aus Nutzenversprechen abgeleitet

offen Abklärung bei Kunde C

in Arbeit Abklärung bei Kunde E

Abklärung bei Kunde A

erledigt Abklärung bei Kunde B Abklärung bei Kunde E

Wertkommunikation

Bezahlabwicklung

Wertlieferung

Datenmanagement

Abb. 1  Illustration Nutzung von KANBAN für die Geschäftsmodellinnovation

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Nutzenversprechen in Bezug auf die Kundenbedürfnisse zu prüfen ist. Da für alle fünf Firmen der gleiche Verantwortliche bestimmt wurde (der Verantwortliche wird in obigem Beispiel durch die Wahl der Kartenfarbe referenziert), befindet sich nur ein Auftrag, namentlich „Abklärung bei Kunde E“, in Arbeit. Die Aufgaben zur Erreichung des zweiten Zieles wurden auf drei Personen aufgeteilt. Der für die Wertkommunikation und Wertlieferung Zuständige hat noch nicht begonnen. Die beiden anderen Aufgaben „Bezahlabwicklung“ und „Datenmanagement“ befinden sich gerade in Bearbeitung und werden jeweils von zwei unterschiedlichen Personen durchgeführt. Agilitätsmethoden zeichnen sich durch ein iteratives, ständig reflektierendes sowie inkrementelles Vorgehen aus. Ziel ist erstens komplexe Zusammenhänge zu erfassen, verstehen zu lernen und nach Möglichkeit einfach zu gestalten oder zumindest einfach zu beschreiben und zweitens eine Markt-, Kunden-, Anwender- oder Nutzerorientierung stringent sicherzustellen. Die Transparenz und die intensive Interaktion der beteiligten Personen ist dabei von zentraler Bedeutung. Agilitäts- und Kreativitätsmethoden sind vor allem zu Beginn der Geschäftsmodellinnovation von hoher Bedeutung. Gegen Abschluss des Geschäftsmodellinnovationsprozesses werden klassische Methoden des Projekt- und Prozessmanagements wichtiger. Zu Beginn (Start) der Erarbeitung eines Geschäftsmodells (siehe Abb.  2) sollte man querdenken, Bestehendes kritisch konstruktiv in Frage stellen, absehbare Entwicklungen und Trends berücksichtigen und sich auf keinen Fall von der bestehenden Branchenlogik dominieren bzw. einengen lassen. Kreativität und „Andersartigkeit“ sollte zu Beginn der Geschäftsmodellerarbeitung zugelassen und gefördert werden. Neue Technologien, das Internet der Dinge und Dienstleistungen, Data Analytics oder gesellschaftliche Entwicklungen ermöglichen völlig neue Geschäftsmodelle, die als Option aufgezeigt und validiert werden sollen. Umso reifer das Geschäftsmodell wird, desto weniger sind Kreativitätsmethoden zweckmäßig. Gegen Ende der Erarbeitung eines Geschäftsmodells sind analytische sowie klar strukturierte Methoden zielführend. Kognition, stringentes Argumentieren und Berücksichtigung der vorherrschenden Geschäftslogik und der bestehenden Geschäftsbeziehungen sowie Verpflichtungen gegenüber Stakeholdern sollen mit der Reife des Geschäftsmodells verstärkt einbezogen werden. Viele Autoren verweisen auf die ­Erfahrung, dass bei der Erarbeitung und Implementierung eines Geschäftsmodells trial-­and-­errorlearning zu empfehlen ist, um Risiken zu minimieren, siehe Sosna et al. (2010). Methoden aus dem Bereich Agilitätsmanagement unterstützen genau diesen trial-and-­error Gedanken. Kreativität Vorherrschende Geschäftslogik „beiseitesstellen“ Querdenken

Kognition Bestehendes berücksichtigen Systematisches Vorgehen

Start Abb. 2  Geschäftsmodell erarbeiten

Ende

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Angelehnt an Snowden (2003) sowie Snowden und Boone (2007) und ihren Cynefin Ansatz und das Komplexitätsmodell von Stacey (1996) und (2003), siehe auch Zimmerman (2001), kann zwischen unterschiedlichen Komplexitätsgraden unterschieden werden: Einfach Vertraute Situation, klares Ziel, bekannte und vielfach getestete Lösungswege (Best Practices) sind vorhanden Beobachten – kategorisieren – reagieren Klassisches Projekt- und Prozessmanagement, Benchmarking, Wasserfallmethode Technisch kompliziert Nicht alltägliche Situation, Ziel bzw. Anforderungen bekannt und committed, Lösungsweg unbekannt, risikohaft oder noch nicht erprobt, Technologie ist unklar oder das Wissen für die Auswahl und den Einsatz der Technologie ist nicht vorhanden Beobachten – analysieren – reagieren Experten beiziehen, KANBAN Sozial kompliziert Nicht alltägliche Situation, unterschiedliche Sichtweisen, Interessen oder Ziele liegen vor, Anforderungen sind nicht klar, nicht bekannt oder nicht identifiziert, Lösungswege liegen für bestimmte Zielsetzung vor, Technologie ist klar und verfügbar Beobachten – analysieren – reagieren Zielkonvergenz z. B. durch Verhandlungen herstellen, SCRUM Komplex undurchsichtige Situation, unbekannte und nicht committede Ziele, unklare Anforderungen, unbekannte Lösungswege, unbekannte Technologie Probieren – beobachten – reagieren Verstehen lernen, Design Thinking Chaotisch Nicht vorhersehbar, nicht bekannt, unbekannte und sich widersprechende Anforderungen Handeln – beobachten – reagieren Krisenmanagement

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Effektivität gefährdet NO Agreement

Die beiden Achsen der Abb.  3 stellen die beiden Komplexitätsdimensionen dar. Die horizontale Achse verweist auf das Vorhandensein bekannter, erprobter und bewährter ­Lösungswege oder Technologien, siehe Pröhl und Zarnekow (2019). Ganz rechts auf der horizontalen Achse werden Situationen positioniert, für die kein Lösungsweg bekannt ist

chaotisch

Sozial kompliziert

komplex

Einfach technisch kompliziert +

+

Effektivität gefährdet NO Agreement

Bewährter, sicherer, bekannter, ... Lösungsweg AutomatisierungsEffizienz gefährdet potential NO Certainty -

-

? ?

+ Standardisierung

Abb. 3 Cynefin-Stacey-Matrix

+

Bewährter, sicherer, bekannter, ... Lösungsweg Effizienz gefährdet NO Certainty

-

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bzw. im schlimmsten Fall gar nicht existiert. Links auf der Achse ist eine hoch effiziente Bearbeitung möglich. Rechts ist die Effizienz bedroht, und es besteht eine hohe (technische, den Lösungsweg bettreffende) Unsicherheit. Die vertikale Achse beschreibt die Klarheit bezüglich des angestrebten Zieles und der gestellten Anforderungen. Unten auf der vertikalen Achse sind Situationen situiert, bei denen allen Involvierten das Ziel bekannt ist und alle verfolgen das gleiche Ziel und sehen die gleichen Anforderungen. Oben auf der vertikalen Achse sind die Zielzustände und Anforderungen unbekannt oder strittig. Außerdem liegen oben auf der Achse Interessenskonflikte vor. Unten auf der vertikalen Achse ist hohe Effektivität gewährleistet – oben auf der Achse ist die Effektivität gefährdet. Die „einfachen“ Situationen liegen links unten in der Grafik (hohe Effizienz und Effektivität, bekanntes Ziel und bekannter Weg zum Ziel). Einfache Situationen, die sich oft wiederholen, weisen ein hohes Automatisierungspotenzial auf. Rechts unten liegen die „technisch komplizierten“ Fälle (Effizienz gefährdet, bekanntes Ziel, schwieriger/unbekannter Weg zum Ziel). Links oben liegen die „sozial komplizierten“ Situationen (gemeinsames Ziel ist nicht vorhanden/unbekannt, Lösungswege würde es geben, Effizienz ist gegeben, Effektivität ist gefährdet). Durch Analyse mit dem Ziel der Standardisierung, Vereinfachung und Herbeiführung einheitlicher Sichten kann es gelingen, aus komplizierten Situationen einfache zu machen. „Komplexe“ Situationen liegen im mittleren bis rechten und mittleren bis hohen Bereich (unklare nicht einheitliche Ziele, schwierige oder unbekannte Lösungswege, Effizienz und Effektivität ist gefährdet) vor. Bei „komplexen“ Situationen können die Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge erst im Nachhinein festgestellt werden. „Komplexe“ Situationen könne durch verstehen lernen in „komplizierte“ oder sogar „einfache“ Situationen umgewandelt werden. Methoden aus dem Agilitätsmanagement wie Design Thinking, SCRUM oder KANABN helfen, um aus „komplexen“ und „komplizierten“ Situationen „einfachere“ Situationen zu gestalten, indem das Verstehen der Zusammenhänge gefördert wird, Klarheit und Commitment über die Zielsetzung angestrebt wird und in vielen kleinen Schritte eine Standardisierung herbeigeführt wird. Ganz rechts oben liegt Chaos vor (völlig unbekannte Zielzustände bzw. massive Interessenskonflikte, unklare/verwirrende IST-Situation, unbekannte Lösungswege oder keine Lösung möglich, Effektivität und Effizienz ist im höchsten Maße gefährdet bzw. nicht möglich). Chaotische Zustände sind grundsätzlich nicht beherrschbar. Bei der Geschäftsmodellinnovation, besonders bei der disruptiven, werden zu Beginn die Zielzustände und zukünftigen Strukturen unklar sein. Zukünftige Marktkräfte, Beziehungsgeflecht aller Teilnehmer des Ecosystems, zukünftige relevante (technologische, soziale, wirtschaftliche, politische, …) Entwicklungen, zukünftige Kundenbedürfnisse, Auswirkungen der Digitalisierung und vieles mehr müssen strukturiert und verstanden werden. Ziel der Geschäftsmodellinnovation im Sinne welcher Wert für die Zielkunden und für das eigene Unternehmen geschaffen wird und die dazugehörigen Lösungswege insbesondere die Wertschöpfungsstruktur sind zu Beginn unbekannt und müssen im Laufe des Geschäftsmodellinnovationsprozesses schrittweise konsistent erarbeitet werden. Im ­Allgemeinen befindet sich damit die Geschäftsmodellinnovation in den ersten Phasen in einem komplexen Umfeld. Spätestens vor Implementierung des Geschäftsmodells, sollte

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durch die Erhöhung des Verständnisses, die Erkennung der Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge, durch iteratives Testen der gefährlichsten Annahmen und durch Herbeiführung einer Zielkonvergenz aller Stakeholder die Reduktion aller Risiken bzw. Unklarheiten gelingen um vom komplexen Umfeld Richtung einfaches Umfeld zu gelangen. Gegen Ende des Geschäftsinnovationsprozesses werden vermehrt bewährte Methoden aus dem klassischen Projekt- und Prozessmanagement Verwendung finden. Zusammengefasst können Agilitätsmethoden bei der Geschäftsmodellinnovation helfen, folgende Ziele zu erreichen: • • • •

Erhöhung der Zielkundenorientierung, Minimierung der Risiken, Erhöhung der Akzeptanz zum Thema Geschäftsmodellinnovation, Erhöhung der Klarheit.

Im nächsten Kapitel werden diese Überlegungen bei der Erarbeitung des Vorgehensmodells zur Geschäftsmodellinnovation für etablierte Unternehmen Eingang finden. Zuvor werden wir noch auf ein paar Managementaspekte bezüglich Innovation, Agilität und Veränderungsprozesse eingehen. Das Entwickeln eines Geschäftsmodells beinhaltet Innovation und erfordert Agilität sowie die Bereitschaft zur Veränderung. VUCA, siehe Bennett und Lemoine (2014), ist ein Akronym und beschreibt eine Welt, die durch die vier Punkte • • • •

Hohe Volatility: hohe Unbeständigkeit Hohe Uncertainty: hohe Unsicherheit Hohe Complexity: hohe Komplexität Hohe Ambiguity: hohe Mehrdeutigkeit

charakterisiert ist. Die Geschäftsmodellinnovation spielt sich genau in einer VUCA Umgebung ab. Kundenanforderungen, Angebote der Mitbewerber, technologische Möglichkeiten und vieles mehr sind schnellen sowie drastischen Änderungen (Volatility) un­ terworfen. Richtige Vorhersagen was in Zukunft in Bezug auf relevante Themen der Geschäftsmodellinnovation sein oder nicht sein wird können nicht getroffen werden (Uncertainty). Relevante Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge, z. B. Einfluss der Digitalisierung bzw. der Generation Z, siehe Scholz (2014), auf zukünftige Kundenbedürfnisse, werden nicht vollständig erkannt (Complexity) und Vieles wird von unterschiedlichen Stakeholdern im Zuge der Geschäftsmodellinnovation anders gesehen werden (Ambiguity). Gläser (2019) versucht auf die VUCA-Welt pragmatisch eine VUCA-Leadership Antwort zu geben: Vision: Gemeinsames Bild der Zukunft sicherstellen, Reduktion der Mehrdeutigkeit Understanding: Zusammenhänge verstehen lernen, Reduktion der Komplexität

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Unsere Umwelt

Leadership Antwort

Volatility

Uncertainty

Immer schnellere und drastischere Änderungen Complexity Probleme und deren Auswirkungen sowie Ursachen werden schwerer zu verstehen

Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit nehmen rapide ab

Vision Male ein Bild der wünschenswerten Zukunft Leitplanke zur Sicherstellung der Effektivität

Understanding Zusammenhänge verstehen lernen und verstehbar machen Reduktion Komplexität

Ambiguity

Clarity

Adaptivity

Fokus auf das, was zählt und worum es wirklich geht

Beweglich bleiben ständig hinterfragen und anpassen

Effizienz erhöhen

Agil sein und bleiben

Mehrdeutigkeit nimmt zu

Abb. 4  VUCA  – Leadership Antwort (in Anlehnung an Bennett und Lemoine (2014) und Gläser (2019))

Clarity: Klarheit schaffen, Reduktion der Unsicherheiten Adaptivity: Passe dich ständig an, antizipiere die Änderungen Der Leadership Ansatz VUCA (siehe Abb. 4) versucht, die richtigen Antworten auf eine VUCA Welt zu geben. Durch die Erarbeitung einer gemeinsamen Vision, d. h. eines gemeinsamen Bildes der gewünschten Zukunft, werden die Leitplanken für das zukünftige Tun aufgestellt und eine Zielkonvergenz herbeigeführt. Bezogen auf das Komplexitätsmodell geht es um die Reduktion der sozialen Kompliziertheit und Sicherstellung der Effektivität. Das Verstehen lernen im Sinne von Zusammenhänge erkennen und deren Ursachen-­ Wirkungs-­Zusammenhänge transparent zu machen hilft, Komplexes Richtung Einfaches zu transferieren. Die Erhöhung der Klarheit kann vor allem durch Priorisierung auf das, was wirklich zählt, erreicht werden und reduziert die technische Kompliziertheit. Schließlich ist Adaptivity der Aufruf ständig agil zu bleiben, die Dinge zu hinterfragen und sich entsprechend weiter zu entwickeln. Der VUCA Ansatz geht konform mit der Empfehlung von Mankins und Steele (2005) nicht basierend auf den Forecast strategische Entwicklungsarbeit zu leisten, sondern die gefährlichste Annahme zu identifizieren und kundennahe zu verifizieren. Der VUCA Ansatz hat sehr viel mit Resilienz und Antifragilität, siehe Taleb (2012), zu tun. Dabei werden, basierend auf bekannten Naturmustern wie „nur Muskeln, die ständig gereizt werden, sind starke und ausdauernde Muskeln“ oder „nur Pflanzen, die ständig unterschiedlichen Rahmenbedingungen ausgesetzt sind, sind robust gegenüber Änderungen“, Unsicherheiten, Änderungen und Anstrengungen als Chan­ce zur Weiterentwicklung, Verbesserung und Bereicherung gesehen. Für die Geschäftsmodellinnovation lassen sich zusammenfassend aus den VUCA Ansätzen folgende Empfehlungen ableiten:

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• Machen wir uns ein gemeinsames Bild der von uns gewünschten Welt (Ecosystem). • Identifizieren wir für das Geschäftsmodell die relevantesten Themen und versuchen wir, jedes relevante Thema insbesondere alle zugeordneten Ursachen-Wirkungszusammenhänge verstehen zu lernen. • Priorisieren wir die Themen und Aufgaben. Konzentrieren wir uns ausschließlich auf das Wichtigste und Relevanteste. Richten wir das Geschäftsmodells an den Zielkunden aus. • Haben wir den Mut ständig Bestehendes zu hinterfragen, geänderte Rahmenbedingungen zu erkennen und unser Tun entsprechend anzupassen. Geschäftsmodellinnovation heißt vor allem auch, sich einem Veränderungsprozess zu stellen. Kurt Lewins Ansatz „unfreezing-moving-freezing“, siehe Burnes (2004), und Kotter (1995) mit seinem acht Schritte umfassenden Phasenmodell gibt zur Gestaltung von Veränderungen pragmatische Hinweise, die auch für die Geschäftsmodellinnovation ­sinnvoll anwendbar sind. Lewins Ansatz geht auf 1947 zurück und basiert auf Forschungsarbeiten zum Thema Lösen von (sozialen) Konflikten (in der Sprache des Komplexi­ tätsmodells: Reduktion der sozialen Kompliziertheit) und der Feststellung, dass Verän­ derungsprozesse in der Gruppe wegen der Gruppendynamik effizienter ablaufen. Die drei empfohlenen Schritte sind: Unfreezing  Durch „Auftauen“ wird die Veränderung vorbereitet. Absichten, Begründungen und Pläne werden offen und direkt kommuniziert und alle von der Veränderung Betroffen werden in die Diskussionen, Überlegungen, Analysen und Entwicklungsarbeiten einbezogen. Betroffene werden zu Gestaltern. Feindliche Haltung wird zu freundlicher Haltung. Moving  Das neue System und die neuen Gruppenregeln werden eingeführt. Monitoring, die Verantwortung der Vorgesetzten und Schulungen sind wesentliche Erfolgsfaktoren bei der Einführung. Freezing  Das neue System und die neuen Gruppenregeln werden zum Gewohnten und Alltäglichen gemacht. Durch ständiges Praktizieren des Neuen begleitet von Monitoring und entsprechendes Eingreifen der Vorgesetzten bei Nichteinhaltung soll diese Verfestigung erreicht werden. Die „alten“ einfachen Regeln (Normen, Regeln und Gewohnheiten, die für das alltägliche Entscheiden, Tun und Handeln vorgeben, wie was zu machen ist) nach Chatterjee (2013) bzw. Eisenhardt und Sull (2001) müssen in der „Unfreezing“ Phase hinterfragt und aufgebrochen werden, in der „Moving“ Phase überarbeitet werden und in der „Freezing“ Phase als „erneuerte“ einfache Regeln wieder eingeführt, eingefordert und gelebt werden.

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In Erweiterung des Ansatzes von Lewin konkretisiert Kotter (1995) sowie Kotter (2012) den Veränderungsprozess in acht Stufen. Kotter verfolgt dabei vor allem die zwei Ziele, die Widerstände gegen die Veränderungen zu reduzieren und das Zurückfallen in das alte System bzw. in alte Muster zu verhindern. Die Kommunikation zwischen den Betroffenen, offener Informationsaustausch, das Gefühl der Notwendigkeit sowie der Dringlichkeit und die Verantwortung der Führungskräfte spielen in den acht Stufen eine zentrale Rolle. Die acht Stufen des Veränderungsprozesses nach Kotter sind: Notwendigkeit und Dringlichkeit aufzeigen  Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung von Veränderungen ist, dass die Mehrheit der Betroffenen hinter den angestrebten Veränderungen steht und diese aktiv unterstützt. Führungskräfte, Mitarbeiter und alle anderen Betroffenen müssen von der Notwendigkeit und Dringlichkeit der Veränderung überzeugt werden. Gefahren und Risiken bei Nicht-Veränderung sowie die Chancen und Potenziale der Veränderung sind aufzuzeigen. Starke Führungskoalitionen aufbauen  Bauen Sie eine starke Führungskoalition auf. Dieses Team an Führungskräften, Verantwortungsträgern und Zukunftsgestaltern sollte alle durch die Veränderung betroffenen Bereiche abdecken, über ausreichend Machtbefugnisse, Glaubwürdigkeit, Führungskompetenzen und Fachkenntnisse verfügen und vor allem das gleiche gemeinsame Ziel bezogen auf den Veränderungsprozess verfolgen. Vision entwickeln  Einwickeln Sie ein gemeinsames Bild der gewünschten und erreichbaren Zukunft nach erfolgter Veränderung. Die Vision dient als Entscheidungshilfe bzw. Leitplanke bei der Konkretisierung der Veränderung, stellt konvergentes (auf das gleiche Ziel ausgerichtetes) Handeln aller Akteure sicher und ermöglicht somit ein zügiges Arbeiten. Vision kommunizieren  Die erarbeitete Vision ist der gesamten Organisation, allen Führungskräften, Mitarbeiten und weiteren Betroffenen zu kommunizieren. Die Illustration der Vision z. B. durch User-Stories und die Nutzung unterschiedlicher Kommunikationskanäle ist zu empfehlen. Die Führungskräfte müssen sofort beginnen, ihr Verhalten und Tun nach der neuen Vision auszurichten, damit das Vertrauen, die Glaubwürdigkeit, die Unterstützungsbereitschaft und die Motivation aller Betroffenen in Bezug auf die Veränderung gefördert werden. Hindernisse aus dem Weg räumen  Gibt es Strukturen, Gewohnheiten, Kulturelemente oder Systeme, wie zum Beispiel IT-Systeme, Arbeitsabläufe, Monitoringsysteme, Führungsinstrumente, … die den Wandel gefährden können? Identifizieren Sie diese Hindernisse und räumen Sie sie aus dem Weg. Kurzfristige Ziele festlegen und Erfolge schnell sichtbar machen  Unterteilen Sie den gesamten Veränderungsprozess in mehrere Veränderungsprojekte. Führen Sie die Teilprojekte schnell erfolgreich durch und würdigen Sie die erreichten Ergebnisse. Dies führt zur

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Aufrechterhaltung der Motivation, der Glaubwürdigkeit und des Bewusstseins der Notwendigkeit sowie Dringlichkeit aller Betroffenen. Die Sprints von SCRUM entsprechen der Ausrichtung dieser Stufe. Erfolge konsolidieren und weitere Veränderungen anstoßen  Nutzen Sie die erreichten Erfolge, um noch mehr Mitstreiter auf Linie zu bringen und weitere Veränderungen anzustoßen. Analysieren Sie die letzten Teilprojekte und nutzen Sie die Analyseergebnisse zur Verbesserung der nächsten Teilprojekte. Die Sprint Reviews und Sprint Retrospektive von SCRUM erfüllen eine ähnliche Aufgabe. Veränderungen in der Unternehmenskultur verankern  Verankern Sie die erreichten Ziele, neuen Verhaltensweisen und Spielregeln sowie Werte fest in Ihrer Unternehmenskultur. Kommunizieren Sie kontinuierlich, wie die neuen Ansätze positiv auf das Unternehmen wirken. Schulen Sie alle Mitarbeiter insbesondere neue auf die neuen Ansätze ein. Ähnlich wie die bekannten Agilitätsmethoden ist der Veränderungsansatz von Kotter durch inkrementelle Schritte ausgezeichnet. Die beiden Agilitätsmethoden SCRUM und Design Thinking sind kompatibel zum acht Stufen Modell von Kotter und können zur Durchführung bzw. zur Unterstützung eines Veränderungsprozesses gut eingesetzt werden. In Rothwell et al. (2009) werden weitere Modelle und Werkzeuge für die Weiterentwicklung von Unternehmen und Change Management präsentiert, die für die Geschäftsmodellinnovation sinnvoll eingesetzt werden können. Zum Abschluss präsentieren wir die acht Lieblingsregeln des vor kurzem verstorbenen Organisationspsychologen Peter Kruse, siehe Kruse (2019), zur Sicherstellung völligen Stillstandes – also Dinge, die Sie auf jeden Fall vermeiden müssen, wenn Sie ein agiles Unternehmen führen wollen oder einen Veränderungsprozess in Gang setzen wollen. Den Veränderungsprozess „steuern“  Halte dich raus (jeder/e soll/kann machen was er/ sie will) oder behalte alles im Griff (nur Chef weiß, wie es richtig geht). Wenn möglich solltest du sogar zwischen diesen beiden Extremen hin und her schwanken. Behalte erst alles im Griff und gib dann deinem Team plötzlich und ohne Vorwarnung die totale ­Entscheidungsfreiheit. (Wenn du oft zwischen diesen Extremen pendelst, dann versteht dein Team am Ende nur noch Bahnhof). Führe Diskussionen über die Veränderungen konsequent auf informeller Ebene  Je mehr Gerüchte du streust, desto weniger wird sich ändern. Am besten gehst du jeden Morgen durch eine andere Abteilung und murmelst vor dich hin: „Ich glaube, wir müssen diese Abteilung schließen“. Danach sofort die Abteilung verlassen und die Gerüchteküche brodeln lassen. Am nächsten Tag ist dann eine andere Abteilung dran.

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Geschäftsmodellinnovation

Möglichst viele Veränderungen gleichzeitig beginnen  Sorge also für ständige Überforderung und verbreite große operative Hektik. Veränderungen sollten immer in Tages- oder Wochenmaßnahmen wiederzufinden sein; aber niemals in einer Monats- oder sogar Jahresmaßnahme, denn dann kann sich ja wirklich etwas ändern. Lege Wert auf umfassenden internen Wettbewerb  Jeder deiner Mitarbeiter sollte wissen, dass bei dir nur der Einsatzbereiteste „überleben“ wird. Dieser interne Wettbewerb führt dann zu sogenannten „Krabbenkörben“. Die Metapher der Krabbenkörbe beschreibt in etwa das Verhalten: „Wenn ich es nicht haben kann, dann sollst du es auch nicht haben“. An sich könnten die Krabben in einem Korb nämlich ohne Probleme entkommen. Die Krabben versuchen sich bei ihrem Fluchtversuch an den anderen Krabben hochzuziehen. So werden die oberen Krabben von den unteren immer wieder zurückgezogen und letztendlich entkommt keine. Finde heraus, wer „schuld“ ist und analysiere jedes Problem bis ins kleinste Detail. Bestehende Regeln sollten nie zur Debatte stehen  Sinn und Unsinn von bestehenden Regeln sollte nie diskutiert werden. Die Regeln wurden ja aus gutem Grund eingeführt – auch wenn diesen Grund heute keiner mehr kennt und er auch möglicherweise gar nicht mehr existiert. Beschlüsse sollten immer schnellstmöglich getroffen werden  Sorge für schnelles „Commitment“ und lasse möglichst viel ohne ausführliche Diskussion schnell abnicken. Denn dann können sich die Leute auch keine Gedanken über die Folgen machen und nehmen spätestens, wenn sie das Meeting verlassen haben schon die ersten Beschlüsse wieder zurück. Führe also auf formeller Ebene schnell Entscheidungen herbei und lasse diese dann später – auf informeller Ebene – ausführlich diskutieren, oder wie es Peter Kruse sagt: „Quäle dich nicht vor der Entscheidung, dann quälst du dich nämlich ausreichend nach der Entscheidung“. Beschließe schneller als dein Team umsetzen kann  Die Veränderungsgeschwindigkeit auf der Beschlussebene sollte stets größer sein als die auf der Umsetzungsebene. Sorge also für maximale Beschlussdynamik bei minimaler Umsetzungsdynamik. Dann werden deine Mitarbeiter auch lernen, dass Veränderungen kommen und gehen und sie werden wahrscheinlich die sogenannte BAW-Technik perfektionieren. BAW steht für Bend And Wait: Wenn Veränderungen kommen, dann biege dich beiseite, warte bis sie vorbeigehen und komme erst dann wieder hoch.

Geschäftsmodellinnovation

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To Be Answered – Zum Wie der Geschäftsmodellinnovationsprozesse

1. Haben wir die Notwendigkeit und die Dringlichkeit der anstehenden Geschäftsmodellinnovation deutlich genug aufgezeigt? 2. Haben wir ausreichend viele und genügend mächtige Mitstreiter, die alle das gleiche Ziel verfolgen? 3. Ist uns klar, dass erfolgreiche Geschäftsmodellinnovation eine iterative, inkrementelle, reflektierende, ständig am Zielkunden zu testende Vorgehensweise benötigt? 4. Ist uns klar, dass erfolgreiche Geschäftsmodellinnovation voraussetzt, die Marktkräfte verstehen zu lernen, die Komplexität durch Regeln und Ursachen-­Wirkungs-­ Zusammenhänge zu reduzieren und durch Vereinfachungen die Kompliziertheit zu reduzieren?

Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Geschäftsmodellinnovation ist viel mehr als das mechanische Abarbeiten eines Vorgehensmodells. Geschäftsmodellinnovation setzt voraus, dass alles Bestehende kritisch hinterfragt wird und mögliche Zukunftsszenarien des Unternehmens erkannt werden. Geschäftsmodellinnovation heißt im Heute das einzuleiten, was Voraussetzung für den Erfolg des Unternehmens von Morgen ist. Geschäftsmodellinnovation rüttelt an den etablierten Grundfesten eines Unternehmens und kreiert in wesentlichen Aspekten ein „neues“ Unternehmen. Im Vorwort haben wir bereits die Mobilität und die sich abzeichnenden Umwälzungen in der Mobilitätswirtschaft insbesondere der Autoindustrie auf Grund der Digitalisierung sowie der zukünftig zu erwartenden Kundenbedürfnisse thematisiert. Im Folgenden werden wir drei Anekdoten erzählen. Alle drei Anekdoten betreffen die Mobilität und zeigen wesentliche Aspekte der Geschäftsmodellinnovation auf. Es geht nicht um den historischen Gehalt der Anekdoten – vielmehr geht es um die dahinterliegenden wesentlichen Voraussetzungen erfolgreicher Geschäftsmodellinnovationen. Erste Anekdote: Pferdefuhrwerker Zum besseren Verständnis der ersten Anekdote benötigen wir ein paar Fakten zur Stadt Steyr: Die Statutarstadt Steyr ist eine wesentliche österreichische Stadt. Einwohnermäßig ist Steyr heute die zwölftgrößte Stadt Österreichs. Mit bedeutenden Unternehmen wie MAN, BMW oder SKF zählt Steyr zu den wichtigsten Industriestandorten Österreichs. Leopold Werndl legte 1830 mit seinem Werk zur Erzeugung von Gewehren und Bajonetten den Grundstein für den heutigen Industriestandort. 1884 war Steyr die erste europäische Stadt auf dem Kontinent mit einer elektrischen Straßenbeleuchtung. Nun zur ersten Anekdote: Kaiser Franz Josef I lies die Kaiserin-Elisabeth-Bahn (heutige Westbahnstrecke) bauen (siehe Abb.  1). Steyr war zu dieser Zeit eine bedeutende

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 H. Jodlbauer, Geschäftsmodelle erarbeiten, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30455-3_3

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Abb. 1  Kaiserin-Elisabeth-Bahnstrecke. (abgeändert übernommen von https://de.wikipedia.org/ wiki/Kaiserin_Elisabeth-Bahn#/media/Datei:Kaiserin_Elisabeth-Bahn.png)

s­ owie aufstrebende österreichische Stadt. Die erste Trassenbahnplanung verlief von Wien über Steyr nach Linz. Die Steyrer Pferdefuhrwerker pilgerten zum Kaiser nach Wien mit der Bitte die Kaiserin-Elisabeth-Bahn nicht über Steyr zu bauen. Sie fürchteten um ihr erträgliches Transportgeschäft mit Kohle und Eisenwaren. Warum auch immer entschied der Kaiser, die Westbahnstrecke nicht über Steyr zu führen. Die neue und auch umgesetzte Bahntrasse (und bis heute existierende Westbahnstrecke) führt von Wien geradezu nach Steyr. Ein paar Kilometer vor Steyr biegt die Bahntrasse im rechten Winkel nach Norden ab um an Steyr vorbei nach Linz zu führen. Ein paar Jahre später verdrängte der LKW die Pferderfuhrwerker aus jeder Stadt insbesondere auch aus Steyr. Steyr als bedeutende österreichische Stadt liegt bis heute nicht an einer hochrangigen Verkehrsinfrastruktur. Bei der Analyse vieler wirtschaftlicher Vorkommnisse sind schnell „moderne Steyrer Pferdefuhrwerker“ identifizierbar. Taxiunternehmer prozessieren weltweit gegen Uber und gewinnen viele Gerichtsprozesse. Sie alle verabsäumen dabei zu verstehen, dass sich die Kundenbedürfnisse ändern werden (bzw. sich schon geändert haben) und dass die Geschäftslogik von Uber den tradierten Ansätzen gegenüber überlegen ist. Ob im Konkreten Uber langfristig erfolgreich ist, ist nicht klar (und auch egal für die Geschäftsmodellinnovation eines Taxiunternehmens). Aber die Logik von Uber wird gegenüber der klassischen (teilweise geschützten) Branchen-Logik langfristig gewinnen. Uber schafft über die Apps Mehrwert für die Kunden in Bezug auf Transaktionsabwicklung, Information, Taxibestellung oder Bezahlung. In Zukunft wird kein zentraler kostenintensiver Taxileitstand (ersetzbar über ein intelligentes Planungs- und Steuerungstool und die dazugehörigen Apps), kein Taxometer (ersetzbar über eine App) oder kein fixkostenverursachendes Taxi-Auto (ersetzbar durch nicht ausgelastete Autos) notwendig bzw. wirtschaftlich sinnvoll sein. Noch radikaler gedacht könnte der/die Taxi-FahrerIn in ein paar Dekaden durch ein autonom fahrendes Taxi-Fahrzeug ersetzt werden.

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Seien Sie kein moderner Steyrer Pferdefuhrwerker. Verhindern Sie nicht Ihre Chancen durch Verteidigung des Bewährten, sondern gestalten Sie aktiv die Zukunft Ihres Unternehmens. Zweite Anekdote: Pferdemist Ein besorgter New Yorker rechnete gegen Ende des auslaufenden 19. Jahrhunderts aus, dass in 50 Jahren (also ca. 1940) der Pferdemist die Fenstersimse der ersten Stockwerke erreichen werde. Die Zeitung „The Times“ sagt zu dieser Zeit ebenfalls voraus, dass bis 1950 die Straßen der Londoner Innenstadt mit einer drei Meter hohen Mistschicht bedeckt sein werden. Ausgangspunkt dieser und ähnlicher Vorhersagen war erstens die prekäre Lage der damaligen Mega-Städte in Bezug auf Pferdemist (siehe Abb. 2, die nicht weggeräumten Pferdemist in der Stadt New York gegen Ende des 19. Jahrhunderts zeigen) wie New York, London oder Paris und zweitens das lineare Hochrechnen des innerstädtischen Transportaufkommens mit Pferden (Warentransport mit Pferdefuhrwerken oder Personentransfer mit Kutschen und Pferdeomnibussen). Auf Grund der befürchteten „Pferdemistplagen“ wurden einige Weltkonferenzen mit herausragenden Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik abgehalten. Ziel der Konferenzen war es, Konzepte zum Abtransport und zur Verwertung des Pferdemists zu erarbeiten. Bei keiner dieser Konferenzen (eine der letzten Konferenzen fand 1898 in New York statt) wurden akzeptierte Lösungskonzepte gefunden – einige Konferenzen wurden sogar ergebnislos abgebrochen. Zur gleichen Zeit als die Konferenzen abgehalten wurden, haben bereits Benz oder Peugeot an ihren Autos getüftelt, die wenig später nachhaltig die Stadtbilder geändert haben und die Pferde innerhalb weniger Jahre aus den Innenstädten vertrieben haben. Das Pferdemistproblem hat sich durch das Aufkommen des Automobils de facto von selbst gelöst. 1940 hatte die Welt ein riesiges Pro­ blem – aber definitiv kein Pferdemistproblem wie fünfzig Jahre vorher durch die Weltelite vorhergesagt.

Abb. 2  Pferdemist in New York im auslaufenden 19. Jahrhundert. (übernommen von https://www. petpooskiddoo.com/blog/dirt-carters-to-crossing-sweepers-to-white-wings-the-original-pooperscoopers/)

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Bei der Analyse von prognostizierten (wachsenden) Problemen stellt man immer wieder das oben beschriebene „Pferdemist-Angsthasen-Verhalten“ fest: Das wachsende Problem, genauer formuliert die vermehrt auftretenden Symptome des Problems, werden einfach aus der Vergangenheit extrapoliert. Geänderte Rahmenbedingungen, aufkommende Technogien und vor allem die Ursachen des Problems werden nicht ausreichend thematisiert geschweige denn verstanden. Lösungsansätze konzentrieren sich auf die Symptombehandlung anstatt auf die Ursachenbekämpfung. Der heute stark in der Kritik stehende Dieselmotor hat vor ca. 100 Jahren die Umweltprobleme verursacht durch die Dampfmaschinen (Wirkungsgrad ca. 3 %) und durch die Kohleverbrennung massiv reduziert. Die Verbrennungsmotoren haben auch das Pferdemist-Problem obsolet gemacht. Heute stehen Dieselmotoren (und auch Benzinmotoren) wegen deren Emissionen (CO2, NOx, Feinstaub, …) stark unter Druck. Die Lösung wird nicht die (durch Software) herbeigeführte Reduktion der Schadstoffemissionen sein (Symptombehandlung), sondern das Substituieren der Energiebereitstellung durch andere Medien bzw. Verfahren z. B. Wasserstoff oder Batterien (Ursachenbekämpfung). Etablierte Automobil-Konzerne haben viel zu lang damit abgewartet, in ausreichendem Umfang über neue Energiesysteme für die Mobilität der Zukunft nachzudenken. Seien Sie kein moderner Pferdemist-Angsthase. Verbauen Sie nicht Ihre Zukunft durch oberflächliche Symptombehandlungen, sondern lernen Sie die echten Ursachen der Pro­ bleme zu verstehen und erarbeiten Sie darauf aufbauend nachhaltige Lösungskonzepte. Dritte Anekdote: Ford’s Marktforschung 1908 platzierte die Ford Motor Company das legendäre Modell T auf dem Markt. 1913 hat Henry Ford seine Fließbandfertigung für den Ford Modell T in Betrieb genommen (siehe Abb. 3). Bevor er mit der Planung des Fließbandes begonnen hatte, hatte er den damaligen renommiertesten Marktforschern nachfolgende Frage gestellt: Wie viele Autos können pro Jahr verkauft werden? Nach intensiven Recherchen und Überlegungen kam folgende Antwort: Maximal können 1000 Autos pro Jahr verkauft werden. Die durchaus bemerkenswerte Begründung dieser maximalen Absatzzahl erstaunt heute: Mehr als 1000 neue Autos pro Jahr sind nicht möglich, weil es nicht gelingen wird, mehr als 1000 Kutscher zu Chauffeuren pro Jahr auszubilden. All die Marktforscher haben nicht verstanden, welche Emotionen und Kundenbedürfnisse das Automobil wecken wird – die Autobesitzer wollten keinen Chauffeur, sie wollten das Automobil selbst als Fahrer spüren, lenken und steuern. Henry Ford hat den Absatzzahlen in weiser Voraussicht keinen Glauben geschenkt und sein Fließband auf wesentlich höhere Stückzahlen ausgelegt. Bis zum Jahr 1927 hatte Ford bereits 15 Millionen Fahrzeuge hergestellt sowie verkauft. Bei disruptiven Innovationen macht es keinen Sinn, die Vergangenheit in die Zukunft fortzudenken. Dazu wird Henry Ford nachfolgendes Zitat in den Mund gelegt: „Hätte ich die Menschen gefragt, was sie wollen, hätten sie schnellerer Pferde geantwortet“. Vielmehr muss die Innovation aus Sicht der Kunden, der Customer Experience, den (neuen) Kundenbedürfnissen, der Gesellschaft und des Ecosystems verstanden werden, um darauf aufbauend ein

Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

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Abb. 3  Förderbandfertigung Ford Modell T. (entnommen aus https://www.ift.at/aktuelles/details/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=12&cHash=35f535acb43a89c76e67a97a589fbf76)

möglichst valides Bild der Zukunft zu entwickeln. Autonomes Fahren wird die Mobilität der Zukunft vor allem aus Sicht der Customer Experience ändern. So wie die ersten Automobile wie Kutschen ohne Pferde ausgesehen haben, sehen die ersten autonom fahrenden PKWs wie heutige Autos aus, obwohl ein autonom fahrendes Auto kein Lenkrad, kein Armaturenbrett, keinen Rückspiegel usw. benötigen würde und der eigentliche Kundennutzen das „Erholen“, „Wohnen“, „Arbeiten“, … während der autonomen Fahrt wäre. Denken Sie nicht wie moderne „Ford-Marktforscher“. Hemmen Sie nicht disruptive Innovationen durch Fortschreiben von (Alt)Bekanntem, sondern haben Sie den Mut, neue Emotionen zu wecken sowie neue Kundenbedürfnisse zu adressieren. Versuchen Sie diese drei Anekdoten insbesondere deren Aussagen bei der Geschäftsmodellinnovation zu berücksichtigen. Also • Seien Sie kein moderner Steyrer Pferdefuhrwerker. Verhindern Sie nicht Ihre Chancen durch Verteidigung des Bewährten, sondern gestalten Sie aktiv die Zukunft Ihres ­Unternehmens.

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

• Seien Sie kein moderner Pferdemist-Angsthase. Verbauen Sie nicht Ihre Zukunft durch oberflächliche Symptombehandlungen, sondern lernen Sie die echten Ursachen der Probleme zu verstehen und erarbeiten Sie darauf aufbauend nachhaltige Lösungskonzepte. • Hemmen Sie nicht disruptive Innovationen durch Fortschreiben von (Alt)Bekanntem, sondern haben Sie den Mut, neue Emotionen zu wecken sowie neue Kundenbedürfnisse zu adressieren.

Überblick über das Vorgehensmodell Das Vorgehensmodell zur Entwicklung eines neuen Geschäftsmodells für etablierte Unternehmen basiert auf den oben dargestellten Erkenntnissen zu den Themen Geschäftsmodell, Geschäftsmodellinnovation, Schaffung von Wettbewerbsvorteilen, Agilität und Veränderungsprojekten. Es besteht aus sechs nicht rein sequenziellen Schritten. Abhängig vom Verlauf und den gewonnenen Erkenntnissen werden die Schritte bzw. Teilschritte iterativ durchgeführt und falls erforderlich wiederholt. Jeder Schritt besteht aus Vorbereitungsarbeiten, Workshops und Nachbereitungsarbeiten. In den Vorbereitungsarbeiten werden detaillierte Analysen vorgenommen und es erfolgt die konkrete detaillierte Ausarbeitung der Themen. Zusätzlich werden organisatorische Dinge vorbereitet bzw. klargestellt, identifizierte Hindernisse aus dem Weg geräumt, Verantwortungen geklärt, Ressourcen bereitgestellt und bereits vorliegende (Zwischen-)Ergebnisse sowie das geplante weitere Vorgehen kommuniziert. In den Workshops werden die vorliegenden Analyseergebnisse durch die gesamte Gruppe diskutiert und interpretiert. Erarbeite Konzepte, vermutete Wirkzusammenhänge und vorgeschlagene Lösungsansätze werden im Workshop kritisch hinterfragt, evaluiert, weiterentwickelt und verfeinert. Die Workshops dienen auch dazu, dass die gesamte Gruppe auf dem gleichen Informationsstand ist bzw. auf diesen kommt und weiterhin ein hohes Commitment möglichst vieler Mitarbeiter zur Geschäftsmodellinnovation vorliegt. In den Nachbereitungsarbeiten werden alle (Zwischen-)Ergebnisse dokumentiert und durch Experten kritisch z. B. durch Identifikation der gefährlichsten Annahme und Überprüfung dieser oder Durchführung einer zielkundennahen Validierung geprüft. Wesentlicher Punkt in jeder Nachbereitung ist die Kommunikation der erzielten Ergebnisse, der Zwischenstände und des weiteren Vorgehens. Insbesondere ist die oberste Leitung kontinuierlich über den Geschäftsmodellinnovationsprozess zu informieren. Zusätzlich werden Rahmenbedingungen und Arbeitsweisen analysiert mit dem Ziel (mögliche) Behinderungen und Ineffizienzen zu identifizieren und in Folge aus dem Weg zu räumen. Pro Schritt werden die Elemente des Geschäftsmodells bzw. Aspekte von Elementen hinterfragt, angepasst, weiterentwickelt, falls erforderlich verworfen oder verfeinert. Einzelne Schritte greifen teilweise ineinander. Wenn notwendig werden bereits durchgeführte Schritte oder Teilschritte wiederholt. Das Vorgehensmodell startet mit der Erkenntnis der Notwendigkeit eines neuen Geschäftsmodells und endet mit einer fertigen beschlussreifen Roadmap zur Implementierung des neuen Geschäftsmodells. Die

Überblick über das Vorgehensmodell

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e­ igentliche Umsetzung des Geschäftsmodells ist nicht mehr Gegenstand des präsentierten Vorgehensmodells. Zusammenfassend sind die sechs Schritte: Schritt 0 „Initiierung“:  Sicherstellung, dass alle sich über die Notwendigkeit und Dringlichkeit im Klaren sind. Gemeinsam getragene Vision erarbeiten. Hindernisse identifizieren und aus dem Weg räumen. Klare Beschreibung der Zielkunden erarbeiten. Schritt 1 „Ideengenerierung“:  Durch Querdenken und Beiseiteschieben der vorherrschenden Geschäftslogik Neues zulassen und ermöglichen. Nutzenversprechen pro Zielkundensegment detailliert zielkundenorientiert erarbeiten. Schritt 2 „Lebenszyklusanalyse“:  Zielkundenorientierte Verfeinerung des Geschäftsmodells (alle neun Elemente) jeweils bezogen auf ein Zielkundensegment durch Analyse des Lebenszyklus des Wertangebots aus Sicht der Zielkunden. Schritt (3) „Wettbewerbsanalyse“:  Validierung und Optimierung des Geschäftsmodells in Richtung Sicherstellung nachhaltiger hoher Wettbewerbsvorteile jeweils bezogen auf ein Zielkundensegment. Schritt (4) „Zusammenführung“:  Zusammenführung der zielkundenbezogenen Elemente zu einem Geschäftsmodell bei gleichzeitiger Sicherstellung der Kompatibilität, Sy­ nergien und Zielkundenorientierung sowie weitere Erhöhung der nachhaltigen Wettbewerbsvorteile. Schritt (5) „Roadmap“:  Erstellung einer Roadmap zur Implementierung des neuen Geschäftsmodells. Die Abb. 4 zeigt das Zusammenwirken der sechs Schritt (0) bis (5) auf. Im Zentrum des Vorgehensmodells steht das Geschäftsmodell mit den vier Hauptelementen und den neun Elementen. Schritt für Schritt wird die Reife (vollständiger, kundenorientierter, durch Zielkunden intensiver getestet, strategiekonformer, wertschaffender, ertragsorientierter, valider, in sich stimmiger, konsistenter, abgestimmter, realistischer, umsetzbarer und auch bekannter) des Geschäftsmodells erhöht. Im Schritt (0) „Initiierung“ erfolgt der Start der Entwicklung des neuen Geschäftsmodellinnovationsprozesses. Eine offene Konfrontation aller Beteiligten mit der Ausgangssituation insbesondere den Gefahren, Bedrohungen und Risiken des aktuellen Geschäftsmodells und der absehbaren Entwicklungen und die Erarbeitung eines gemeinsam gewollten Bildes der Zukunft sind Grundvoraussetzung für späteres gemeinsames effizientes Arbeiten während des Geschäftsmodellinnovationsprozesses. Um eine konsequente Ausrichtung an die Zielkunden sicherzustellen, sind die Schritte (1) „Ideengenerierung“, (2) „Lebenszyklusanalyse“ und (3) „Wettbewerbsanalyse“ gesondert pro Zielkundensegment durchzuführen. Im Schritt (1) „Ideengenerierung“ wird basierend auf erwarteten Entwicklungen (Trends, neue

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Bausteine Ausgangssituation Initiierung durch Bewusstseinsschaffung

1

0 Zielkunden

Roadmap

Ideengenerierung durch Kreativitätsmethoden

5

Wertschöpfungsstruktur

Fehlendes identifizieren und schaffen Zusammenführung durch Synergien schaffen und Kompatibilitätsprüfungen

Nutzenversprechen Ertragsmechanik

4

3

zielkundenspez. Elemente

Markt

2

Zielkunden

Zielkundenorientierung durch Lebenszyklusanalyse sicherstellen

Wettbewerberbsvorteile durch Wettbewerbsanalysen sicherstellen

Abb. 4  Vorgehensmodell zur Entwicklung eines neuen Geschäftsmodells

Technologien, rechtliche Rahmenbedingungen, …) und vorhandenen Marktkenntnissen (Bedürfnisse und Erwartungen der Zielkunden) durch Kreativitätstechniken, die spezifisch für die Geschäftsmodellinnovation entwickelt worden sind, die Grobstruktur des Geschäftsmodells konzipiert und das „Nutzenversprechen“ detailliert beschrieben. Die 55 Geschäftsmodell-Bausteine nach Gassmann et  al. (2015) können dabei wertvolle Ideen liefern. Im Schritt (2) „Lebenszyklusanalyse“ wird unter Einbindung von ausgewählten Zielkunden eine Lebenszyklusanalyse durchgeführt, um eine erste kundenorientierte Rohfassung des bereits neun Elemente umfassenden Geschäftsmodells jeweils bezogen auf ein Zielkundensegment zu erhalten. Im Schritt (3) „Wettbewerbsanalyse“ wird das Geschäftsmodell jeweils bezogen auf ein Zielkundensegment unter Berücksichtigung von Markt-, Umfeld- und Unternehmensbedingungen systematisch evaluiert, verbessert und verfeinert. Hauptziel in Schritt (3) ist die Sicherstellung des kompetitiven Vorteils gegenüber den Marktbegleitern. Im Schritt (4) „Zusammenführung“ werden die zielkundenspezifischen Elemente zu einem vollständigen Geschäftsmodell für das Unternehmen zusammengeführt. Die Identifikation von Widersprüchen, gegenseitigen Behinderungen und Inkompatibilitäten und deren jeweilige Entschärfung sowie die Schaffung von möglichst vielen Synergien jeweils unter Aufrechterhaltung der Fähigkeit, das Nutzenversprechen für die Zielkunden einlösen zu können ist die zentrale Aufgabe in Schritt (4). Im letzten Schritt (5) „Roadmap“ werden alle vorhandenen Schlüsselaktivitäten, -prozesse, -ressourcen, -steuerungselemente, -fähigkeiten, -technologien und -partner (inkl. Kanäle und Beziehungen) mit den für das neue Geschäftsmodell notwendigen Schlüsselentitäten verglichen und daraus eine Roadmap zur Bereitstellung der neuen noch fehlenden Wert-

Überblick über das Vorgehensmodell

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schöpfungsstrukturen und Abbau (Restverwertung) eventuell nicht mehr erforderlicher Wertschöpfungsstrukturen erarbeitet. Das Modell beschreibt ein Inkrementelles:  Nach jedem Schritt liegt ein dokumentiertes Geschäftsmodell bzw. Elemente eines Geschäftsmodells vor, das Schritt für Schritt reifer und konkreter wird. Iteratives:  Nach jedem Schritt wird eine zielkundennahe Überprüfung des Geschäftsmodells durchgeführt und falls erforderlich zu vorhergehenden Schritten bzw. Teilschritten zurückgegangen, um eine entsprechende zielkundenorientierte Verbesserung des Geschäftsmodells herbeizuführen. Wiederholendes:  Auf lange Sicht gesehen sind die Schritte ständig zu wiederholen, da ein auch noch so erfolgreiches Geschäftsmodell wegen der Weiterentwicklung der „Welt“ ein Ablaufdatum aufweist und damit ständig zu innovieren ist, um eine hohe Wettbewerbsfähigkeit dauerhaft sicherzustellen (nach Schritt (5) kommt im Uhrzeigersinn wieder Schritt (0)). Vorgehen. Tab. 1 stellt zusammenfassend das Vorgehensmodell vor. Pro Schritt werden der Fokus (Hauptbezugspunkt), Wer (wer sollte die Bearbeitung machen) und das zu erzielende Hauptergebnis dargestellt.

Tab. 1  Sechs Schritte des Vorgehensmodells (V … Vorbereitungsphase, W … Workshop, N … Nachbereitungsphase) Schritt Initiierung (0)

Fokus Unternehmen

Wer Unternehmen

Hauptergebnis Hohes Commitment und Zielkundensegmente Klar ausformuliertes Ideengenerierung (1) Zielkundensegmente V + W: Nutzenversprechen, Unternehmen N: Unternehmen Grobstruktur aller neun und Zielkunden Elemente Lebenszyklusanalyse Zielkundensegmente Unternehmen Klare Aussagen zu allen (2) und Zielkunden Elementen des Geschäftsmodells Validiertes und verbessertes WettbewerbsZielkundensegmente Unternehmen analyse (3) und ausgewählte Geschäftsmodell Partner Zusammenführung Unternehmen und Unternehmen Zusammengeführtes und (4) Fachbereiche optimiertes Geschäftsmodell, Implementierungsfelder Roadmap (5) Implementierungsfelder Unternehmen Umsetzungsbereites und und Unternehmen und ausgewählte beschlussfähiges Partner Geschäftsmodell mit Umsetzungs-Roadmap

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Schritt (0) „Initiierung“, Schritt (4) „Zusammenführung“ und Schritt (5) „Roadmap“ beziehen sich auf das gesamte Unternehmen. Die Phasen Ideengenerierung (1), Lebenszyklusanalyse (2) und Wettbewerbsanalyse (3) werden spezifisch pro Zielkundensegment getrennt durchgeführt. Die Zusammenführung, insbesondere die Identifikation von Widersprüchen, Inkompatibilitäten und Synergien der einzelnen zielkundenspezifischen Geschäftsmodelle wird durch sogenannte Fachbereiche unterstützt. Ein Fachbereich ist dabei eine Organisationseinheit (oder auch mehrere Organisationseinheiten), die für ein Geschäftsmodellelement bzw. Teile eines Geschäftsmodellelements verantwortlich ist. Beispielsweise könnte der Vertrieb und das Marketing für das Element Kunde oder Supply Chain Management und Produktion für den Schlüsselprozess Kundenauftragsabwicklung verantwortlich sein. Für die Erstellung der Roadmap wird das Unternehmen in sogenannte Implementierungsfelder unterteilt. Ein Implementierungsfeld ist der Verantwortungsbereich für die Schaffung einer fehlenden Schlüsselentität. Beispielsweise könnte die Personalentwicklung ein Implementierungsfeld für die Bereitstellung erforderlicher und noch fehlender Schlüsselfähigkeiten von Mitarbeitern, die IT-Abteilung für die Anpassung der IT zur Unterstützung des neuen Schlüsselprozesses Kundenauftragsabwicklung oder der Strategische Einkauf zur Akquisition und Einbindung neuer Schlüsselpartner sein. In der Spalte „Wer“ werden die Proponenten der Vor- und Nachbereitungsarbeiten sowie die Teilnehmer der Workshops referenziert. Neben gestaltenden sowie leitenden Mitarbeitern des Unternehmens werden ausgewählte Kunden, insbesondere in der Ideenfindungsphase und Lebenszyklusanalyse, und ausgewählte Partner, insbesondere in der Wettbewerbsanalyse und Erstellung der Roadmap, in den Geschäftsinnovationsprozess einbezogen. In der Vor- und Nachbereitung zu den einzelnen Schritten werden weitere Personengruppen, zum Beispiel Zielkunden, für die Validierung der gefährlichsten Annahme oder IoT-Experten für die Erhöhung des Verständnisses über technologisch absehbare Entwicklungen aufgabenbezogen hinzugezogen. Neben den Hauptergebnissen pro Schritt werden weitere Outputs pro Schritt generiert. Im ersten Schritt können zum Beispiel Ideen zu Kundenbeziehungen adressiert werden oder im dritten Schritt bereits Aussagen zur Roadmap. In den Schritten (1), (2) und (3) werden für jedes Zielkundensegment separat die Elemente des Geschäftsmodells erarbeitet. In Schritt (4) werden die zielkundenspezifischen Elemente zu einem Geschäftsmodell für das gesamte Unternehmen zusammengeführt, Synergien pro sogenanntem Fachbereich gehoben und die erforderlichen Implementierungsfelder für die anschließende Erarbeitung der Roadmap identifiziert. Nach Abschluss des Schrittes Roadmap liegt ein validiertes, abgestimmtes sowie umsetzungsbereites Geschäftsmodell zur Beschlussfassung im obersten Leitungsgremium des Unternehmens vor. Die oben vorgeschlagenen fünf Schritte von Initiierung (0) bis Zusammenführung (4) detaillieren die ersten drei Schritte des Vorgehensmodells nach Remane et al. (2017) namentlich „Initiation“, „Ideation“ und „Integration“. Der sechste Schritt „Roadmap“ (5) stellt die Planung des vierten Schrittes „Implementation“ nach Remane et al. (2017) dar. Die eigentliche Umsetzung des Geschäftsmodells ist nicht Teil des hier präsentierten Vorgehensmodells.

Überblick über das Vorgehensmodell

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Nach jedem Schritt ist der Stand des Geschäftsmodells vollständig zu dokumentieren und an die Beteiligten zu kommunizieren. Nach Dokumentation des Geschäftsmodells ist das Geschäftsmodell durch Feedback von Zielkunden und durch Abklärung der gefährlichsten Annahmen zu prüfen. Je nach Prüfungsergebnis ist beim nächsten Schritt fortzufahren oder zu einem vorhergehenden Schritt (oder Teilschritt) zurückzugehen. Bevor wir konkret jeden Schritt darstellen, wollen wir Methoden und Aufgaben, die für jeden der sechs Schritte in der Vorbereitung, im Workshop oder in der Nachbereitung empfohlen sind, aufzeigen: Vorbereitung Aktualisierung der Kraftfeldanalyse (ab Schritt (1) Ideengenerierung) Kommunikation unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Kraftfeldanalyse Sichtung des Themenspeichers und Abarbeitung der Themen bzw. Zuweisung der Themen (ab Schritt (1) Ideengenerierung) (falls nicht im vorhergehenden Workshop erfolgt) Quercheck Task-Kanban (ab Schritt (1) Ideengenerierung) Vorbereitung und Organisation des Workshops Workshop Impulsvortrag zu Zukunftsthemen, Digitalisierung, innovativen Geschäftsmodellen, Methoden, Herausforderungen und Chancen, … zum Einstieg, zum Wachrütteln und zur Erhöhung Methodenwissen bzw. Kompetenzen zum Thema Geschäftsmodellinnovation Quercheck Task-Kanban (ab Schritt (1) Ideengenerierung) Dokumentation der Zwischen-Ergebnisse mit „Fünf Flipcharts“ Aufnahme offener Probleme bzw. Ziele sowie identifizierter Aufgaben im Task-Kanban Sammlung von Einträgen in die Resonanztafel Abspeicherung relevanter aber aktuell nicht behandelter Themen im Themenspeicher Nachbereitung Dokumentation Abarbeitung der Resonanztafel (falls nicht im Workshop erfolgt) Identifikation der gefährlichsten Annahme und Überprüfung dieser Möglichst kundennahe Überprüfung der Zwischenergebnisse Kommunikation unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Kraftfeldanalyse Diese praktischen Werkzeuge unterstützen effektives sowie effizientes Arbeiten in der Vorbereitung, während des Workshops und in der Nachbereitung. Insbesondere helfen die „Fünf Flipcharts“ zur Dokumentation des Geschäftsmodells, die Task-Kanbans zur effizienten Aufgabenerledigung zwischen den Workshops, die Resonanztafel zum kritischen Reflektieren und die Themenspeicher zu Sicherstellung effizienter Diskussionen.

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Die Kraftfeldanalyse, auch Stakeholderanalyse oder Umfeldanalyse, wird in Abschn. „Vorbereitungsarbeiten zur Initiierung“ (siehe Seite 96) vorgestellt. Der Themenspeicher ist eine strukturierte Auflistung von Themen, Ideen, Gedanken, … die wichtig erscheinen aber zum Zeitpunkt ihrer Erwähnung nicht im Fokus der Diskussion bzw. des Workshops stehen. Der Facilitator (Moderator des Workshops) hat die Aufgabe, Wortmeldungen von Workshop-Teilnehmern, die keinen Betrag leisten um das gerade zu bearbeitende Thema zu behandeln, als solche zu erkennen und die Diskussion wieder auf das eigentliche Thema zu lenken. Wenn die Wortmeldung für ein anderes relevantes Thema einen wichtigen Aspekt bzw. Beitrag darstellt, wird dies im Themenspeicher eingetragen. Mit diesem Vorgehen sollte eine stringente nicht abschweifende Diskussion in den Workshops und die Bewahrung wichtiger (Quer- oder Zusatz-)Gedanken sichergestellt werden. Gegen Ende des Workshops oder in den Nach- und Vorbereitungsphasen sollten die Themenspeicher gesichtet und abgearbeitet werden. In der Abarbeitung des Themenspeichers geht es um die Zuordnung des Themas zu einem Geschäftsmodellelement oder zu einem Schritt des Geschäftsmodellinnovationsprozesses und Sicherstellung der entsprechenden Berücksichtigung bei der Ausarbeitung des Geschäftsmodellelementes bzw. Durchführung der nächsten Schritte. Die Sicherstellung könnte z. B. durch die Aufnahme des Themas in einen Workshop, durch die Behandlung in der Vor- oder Nachbearbeitung oder durch die Aufnahme in die Task-Kanban Tafel erfolgen. Nach erfolgter Sicherstellung der weiteren Berücksichtigung ist der Themeneintrag als erledigt anzusehen. Wenn bei der Sichtung des Themenspeichers festgestellt wird, dass ein Eintrag keine Relevanz für die Geschäftsmodellinnovation aufweist, wird dieser Eintrag ebenfalls als erledigt angesehen. Bei Nicht-Relevanz für die Geschäftsmodellinnovation kann die Zuweisung außerhalb des Geschäftsmodellinnovationsprozesses erfolgen. Die Umsetzung eines Themenspeichers wird durch eine Tabelle mit vier Spalten unterstützt (siehe Abb. 5). Während des Workshops werden anlassbezogen Einträge (wichtiges, aber gerade nicht zur Diskussion passendes, Thema in der Spalte „Wichtiges Thema“ und der Name der Person, die das Thema eingebracht hat, in der Spalte „Wer“) durch den Facilitator in den Themenspeicher aufgenommen. Am Ende des Workshops oder in der Nach- bzw. Vorbereitung sollen die Zuweisungen erarbeitet werden. Die Zuweisung be-

Themenspeicher Wichtiges Thema

Abb. 5 Themenspeicher

Wer

Zuweisung

Erledigt

Überblick über das Vorgehensmodell

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schreibt, wie das Thema weiterverfolgt werden sollte (z. B. Aufnahme in das Task-­Kanban, Behandlung in einem späteren Workshop, …). Die Kommunikation über die erfolgte Zuweisung und weitere Behandlung des Themas fördert die weitere aktive Nutzung des Themenspeichers. Falls ein Thema abschließend behandelt worden ist, wird das in der Spalte „Erledigt“ vermerkt. Das Task-Kanban, angelehnt an Kniberg (2009), ist eine Stecktafel mit vier Spalten (siehe auch „KANBAN“). In der ersten Spalte wird für jedes noch ungelöste Problem eine Problem-Zielkarte gesteckt. Die Problem-Zielkarte beschreibt die Ausgangssituation, die Problemstellung und das Ziel, das erreicht werden soll. Pro Zeile darf nur eine Pro­ blem-Zielkarte gesetzt werden. Jeder Problem-Zielkarte werden mindestens eine und falls sinnvoll bzw. erforderlich mehrere Task-Karten zugeordnet. Wenn alle einer Problem-Zielkarte zugeordneten Task-Karten abgearbeitet sind, muss sichergestellt sein, dass das Problem gelöst und das Ziel erreicht ist. Eine Task-Karte beinhaltet die Beschreibung der Aufgaben, den für die Durchführung Verantwortlichen und eine Referenz zur Pro­ blem-Zielkarte (Beitrag zur Zielerreichung). Zu Beginn werden alle Task-Karten in die Spalte „offen“ jeweils in der richtigen Zielkarten-Zeile gesteckt. Bei Start der Bearbeitung wandert die Task-Karte von der Spalte „offen“ zur Spalte „in Arbeit“. Um fokussiertes Arbeiten sicherzustellen, sollte pro Verantwortlichem zu einem Zeitpunkt nur eine Task-­ Karte in Bearbeitung sein. Nach erfolgreicher Erledigung der Aufgabe wird die Task-­ Karte in die Spalte „erledigt“ gesetzt. Nach Quercheck und Kommunikation, dass alle einer Problem-Zielkarte zugeordneten Aufgaben erledigt sind, damit das Problem gelöst ist und die Ziele erreicht sind, können die Problem-Zielkarte und die dazugehörigen Task-­ Karten aus der Task-Kanban Stecktafel entfernt werden. Dieser Quercheck sollte auf jeden Fall bei jedem Workshop zu Beginn stattfinden. Das Identifizieren von Problemen und noch nicht erreichten Zielen sowie die darauf aufbauende Zuordnung von Aufgaben soll kontinuierlich während der Workshops und eventuell in der Nachbereitungsphase stattfinden. Im gezeigten Beispiel (siehe Abb. 6) sind zwei Probleme „PuZ 1“ und „PuZ n“ explizit dargestellt. Problem „PuZ 1“ wird durch die Erledigung der beiden Aufgaben „T1 zu PuZ 1“ und „T2 zu PuZ1“ gelöst. Für die Problemstellung „PuZ n“ werden drei Aufgaben zur Lösung zugeordnet, nämlich „T1 zu PuZ n“, „T2 zu PuZ n“ und „T3 zu PuZ n“. In Summe sind drei unterschiedliche Verantwortliche für die fünf unterschiedlichen Aufgaben zuständig: „NN A“ für „T1 zu PuZ 1“ und für „T1 zu PuZ n“, „NN B“ für „T2 zu PuZ 1“ und „NN C“ für „T2 zu PuZ n“ und für „T3 zu PuZ n“. In der linken Tafel ist der Zustand nach Definition der Probleme und Zuordnung der Aufgaben dargestellt. In der rechten Tafel sind beide Aufgaben für die Problemstellung „PuZ 1“ in Arbeit und für die Aufgabenstellung PuZ n ist eine Aufgabe bereits abgeschlossen („T1 zu PuZ n“), eine in Bearbeitung („T2 zu PuZ n“) und eine noch nicht begonnen („T3 zu PuZ n“). Die „Fünf Flipcharts“ beziehen sich auf die empfohlene Dokumentationsstruktur laut den beiden Abbildungen „Elemente eines Geschäftsmodells für ein spezifisches Zielkundensegment auf vier Flipcharts“ und „Schlüsselsteuerungselemente für ein spezifisches

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Problem-Zielkarten mit zugeordneten Task-Karten (Aufgaben wurden noch nicht gestartet)

Problem-Zielkarten mit noch offenen, in Arbeit befindlichen und bereits erledigten Aufgaben

Abb. 6 Task-Kanban Resonanztafel Spannung

Lösungsvorschlag

Wer

Erledigt

Abb. 7 Resonanztafel

Zielkundensegment auf einem Flipchart“ aus dem Abschn. „Zielkundenspezifisches Geschäftsmodell“. Die Resonanztafel ist ein Werkzeug, das Raum gibt, wahrgenommene Spannungen zu äußern und einer Lösung zuzuführen. Die Resonanztafel baut auf den Ideen des Governance Meetings in einer Holakratie auf, siehe Robertson (2015). Spannungen können Bedenken, Widersprüche, Unstimmiges, Ineffizienzen, Arbeitsbehinderungen, Störfaktoren, nicht Verstandenes, mit etwas nicht einverstanden sein, etwas anders sehen, sich nicht verstanden fühlen, … sein. Die Resonanztafel ermuntert alle Teilnehmer, Einträge ­inklusive Lösungsvorschläge zum Abbau der Spannungen einzubringen. Die Resonanztafel kann sich dabei auf Inhaltliches, Ablaufbezogenes, Organisatorisches oder Persönliches in Bezug auf die Geschäftsmodellinnovation beziehen. Jeder kann zu jeder Zeit einen Eintrag in die Resonanztafel machen. Die Resonanztafel (siehe Abb. 7) besteht aus vier Spalten: Spannung, Lösungsvorschlag, Einbringer und Geklärt. In der Spalte „Spannung“ wird die Spannung durch den Einbringer dargestellt, so wie er sie erlebt. In der Spalte Lösung wird der Lösungsansatz beschrieben, der durch den Einbringer der Spannung mit-

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zuliefern ist. Ein „Raunzen“ ohne selbst nachzudenken, wie die Situation verbessert werden kann, soll damit verhindert werden. Sollte dem Einbringer kein Lösungsvorschlag einfallen, muss er/sie zumindest einen Wunschzustand bzw. das anzustrebende Ziel formulieren. In der Spalte „Wer“ werden der Einbringer der Spannung und des Lösungsvorschlages referenziert. Einmal pro Workshop, z. B. gegen Ende des Workshops, soll in der Gruppe die Resonanztafel (falls nicht erledigte Einträge vorhanden sind) abgearbeitet werden. Der Facilitator moderiert das Abarbeiten der Resonanztafel unter Beachtung folgender Punkte: • Jede Zeile der Resonanztafel wird nach dem gleichen Muster abgearbeitet. • Vorschlag einbringen: Der Einbringer der Spannung beschreibt die Spannung und bringt einen Lösungsvorschlag ein. • Klärungsfragen: Jeder kann Verständnisfragen zur geschilderten Spannung und eingebrachten Lösung stellen. Der Einbringer der Spannung beantwortet jede gestellte Klärungsfrage. • Reaktionsrunde: Jeder kann eine Rückmeldung (keine Diskussion, keine „Du“-Botschaft) zum eingebrachten Vorschlag einbringen. • Verbesserung/Ergänzung: Der Einbringer kann seinen Vorschlag modifizieren oder erweitern (keine Diskussion). • Einwandrunde: Gibt es einen Grund, dass die Umsetzung dieses Vorschlages uns Schaden zufügen oder unsere Entwicklung hemmen könnte. In diesem Schritt werden Einwände nur gesammelt. Gibt es keine Einwände, ist der Vorschlag angenommen und umzusetzen (in der Spalte „erledigt“ wird ein Häkchen gesetzt und falls sinnvoll in der Task-Kanban Tafel entsprechende Problem-Zielkarten mit dazugehörigen Task-Karten gesteckt). • Integration: Abarbeitung jedes Einwandes mit dem Ziel, eine Modifikation des Vorschlages zu finden, der den Einwand entkräftet und die Spannung des Vorschlagenden löst. Nachdem alle Einwände abgearbeitet worden sind, wird der überarbeitete Vorschlag nochmals der Einwandrunde zugeführt. Die Überlegungen zur gefährlichsten Annahme und zur möglichst kundennahen Überprüfung der Zwischenergebnisse sind bereits im Kap. „Geschäftsmodellinnovation“ beschrieben. Die Impulsvorträge zu Beginn jedes Workshops sollen den Einstieg in das Erarbeiten des Geschäftsmodells erleichtern und einen gleich hohen Wissenstand aller Workshop-­ Teilnehmer über die relevanten Themen sicherstellen. Gerade in der Anfangsphase der Geschäftsmodellinnovation ist das Querdenken und über den eigenen Tellerrand blicken wichtig sowie notwendig, um innovative Ansätze zu finden. Die Impulsvorträge können dazu einen Beitrag leisten. Besonders die Änderungen der Kundenbedürfnisse, Herausforderungen, Chancen und Möglichkeiten auf Grund der Digitalisierung sollen beachtet werden. Die Digitalisierung ermöglicht neue Angebote sowie Konzepte, verbilligt die Durchführung von Aufgaben sowie Durchführung von Prozessen und triggert neue

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Kundenbedürfnisse sowie Kundenerwartungen. Chefs bedeutender Unternehmen haben diese Änderungen auf den Punkt gebracht. Jeffrey Immelt von GE: „You go to bed as an Industry Company and you wake up as a Software Company“. Ralf Kleber von Amazon: „Our goal is to make all products available online around the world“. Frank Stührenberg von Phoenix Contact: „Für jede Steckverbindung benötigen wir einen digitalen Zwilling“. Gerade in der Startphase der Geschäftsmodellinnovation ist die Bedeutung der Digitalisierung für das eigene Unternehmen (Änderungen des Marktes, der Kundenerwartungen, Services, Prozesse, …) zu verstehen und entsprechend zu berücksichtigen. Zu thematisierende Punkte sind dabei insbesondere: Datendurchgängigkeit auf allen Ebenen (vertikal, horizontal, Life Cycle, …), Nutzung von intelligenten verbunden Dingen (Sensoren, Aktoren, Connectivity, maschinelle Intelligenz, …), (internetbasierte) Dienstleistungen, Datenverwertung (Daten zu Umsatz machen oder Daten zur Kostensenkung nutzen) und (intelligente) Assistenzsysteme in allen Bereichen. Die Digitalisierung richtig eingesetzt kann, siehe Jodlbauer (2018), folgende Vorteile schaffen: • Variabilität, Individualisierung und Personalisierung zu geringen Kosten (Funktionsumfang, Leistungsniveau, Abrechnungsmodell, Userprofil, taskbezogen, ortsbezogen, …). • Felddaten für Diagnose, Überwachung, Verbrauch, Abrechnung, Wartung, Ersatzteilversorgung, Verbrauchsmaterialversorgung, Weiterentwicklung, Produktentwicklung, Vertriebssteuerung, Marktsegmentierung, Kundenverhalten, Kundenzufriedenheit, Kun­ denwünsche … • Fernzugriff für Diagnose, Steuerung, Customizing, Fehlerbehebung, Upgrades, Updates, … • Dokumentation, Modellierung, Simulation, Testen, Evaluierung und Optimierung von Produkten, Services, Prozessen und Produkt- bzw. Servicenutzung. • Digitale Unterstützung sowie Umsetzung von Prozessen und Dienstleistungen (Verkauf, Instandhaltung, Bereitstellung Verbrauchsteile oder Ersatzteile, Reklamationsabwicklung, Abwicklung der Gewährleistung, …). • Steuerung und Automatisierung von Aufgaben, Prozessen und Dienstleistungen. • Einsparung physischer Produkte, Komponenten sowie Modelle (z.  B. iTunes hat CD verdrängt) und spätere Materialisierung (Flug-Plattformen, elektronisches Ticket und elektronische Boardingcard haben bei Flugreisen alles bis auf Transfer der Passagiere und des Gepäcks digitalisiert). • Kontinuierliche Weiterentwicklung (laufende Updates, kontinuierliche Fehlerbehebung statt Rückholaktionen). In Jodlbauer et al. (2019) ist für die Instandhaltung aufgezeigt, wie mit Hilfe der Digitalisierung, Prescriptive Analytics und Mixed Reality eine erhebliche Produktivitätssteigerung erreicht werden kann. Digitalisierung kann Sie befähigen, klassische Gegensätze zu durchbrechen, siehe Bonchek und Cornfield (2016). Die digitale Transformation kann gleichzeitig ermöglichen billig, schnell sowie mit hoher Qualität zu liefern, die Bedeutung

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eines Großunternehmens sowie die Agilität eines Kleinunternehmens aufzuweisen, komplexe System bzw. Prozesse zu betreiben aber dem Kunden alles einfach erscheinen zu lassen und schließlich für die Kunden global sowie kundenspezifisch präsent zu sein. Kunden werden in Zukunft verstärkt keine Kompromisse eingehen wollen – sie werden möglichst alles on demand haben wollen, was sie in der Situation glauben, haben zu müssen. Geschäftsmodellinnovatoren werden sich deshalb nicht am Mitbewerber orientieren, sondern an den abzusehenden Marktentwicklungen und zu erwartenden Kundenwünschen, -bedarfen sowie -erwartungen und noch besser an der Maximierung des Kundenmehrwertes. Die Digitalisierung ermöglicht die Smart Factory. Nach Kusiak (2018) wird in der Smart Factory der „digitale Raum“ sehr transparent und auf die Interaktion mit anderen Marktteilnehmern ausgelegt sein. Die physikalische Ebene (Maschinen, Werkzeuge, Bauteile, …) kann bezüglich Zugang, Missbrauch und Know-how Verlust geschützt werden. Betreiber-, Sharing- und Servicemodelle nach Vorbild Uber oder Airbnb können in der virtuellen Ebene der Smart Factory ohne Risiken angewandt werden. Grundvoraussetzung dafür ist eine vertikale Separierbarkeit der digitalen Ebene von der physikalischen Ebene. Die Digitalisierung schafft eine neue Form der Transparenz. Kunden kennen weltweite Vergleichsangebote, Kundenbewertungen und Erfahrungsberichte zur Nutzung der Produkte bzw. Dienstleistungen. Kunden bewerten öffentlich sichtbar die Lieferanten bzw. deren Produkte, Dienstleistungen und Prozesse. Der Vergleich und die Bewertung von unterschiedlichen Lieferanten ist für den Kunden einfach und ohne großen Aufwand durchführbar. Dies lässt die Macht der Kunden steigen und die Kundenloyalität sinken. Unternehmen müssen lernen, kundennahe Daten zu akquirieren, diese zu analysieren und damit den Kunden (seine Wünsche, Bedarfe, Erwartungen, Probleme, …) besser verstehen zu lernen mit dem Ziel Kundenmehrwert zu schaffen. Thomas und Tobe (2012) diskutieren diesen Sachverhalt in ihrem Buch „Anticipate: Knowing What Customers Need Before They Do“ ausführlich. Die Digitalisierung ändert maßgeblich die Bedeutung der Zeit und des Ortes bzw. deren Einschränkungen. Digitalisierte Dienstleistungen und Komponenten können zu geringen Kosten in kurzer Zeit weltweit personalisiert angeboten, verteilt und serviciert werden. Den ganzen Tag (24 Stunden) kann durch Arbeitsverschieben in andere Weltregionen zu Normalarbeitszeiten am gleichen Werk gearbeitet werden. Distribution, Skalierung, Customizing und Fehlerbehebungen können schnell global sowie zu geringen Kosten durchgeführt werden. Kunden, Lieferanten, Partner und Kollegen erwarten, dass man ­immer unabhängig vom Aufenthaltsort erreichbar ist und sofort reagiert. Besonders für den Handel aber auch für Produzenten gilt zu beachten, dass der Ort der Beratung (Beratung zur Produktauswahl, Auslegung des Produktes, vorab Planungsleistungen, …) seltener der Ort des Kaufabschlusses sein wird. Also: Das Unternehmen, welches die Beratung anbietet, nicht das Unternehmen sein muss, bei dem gekauft wird. Der Zielkunde ist noch mehr ins Zentrum eines Unternehmens zu rücken. Kundenzentriertheit, Integration der Zielkunden in die gesamte Wertschöpfung, Personalisierung statt

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vorgedachter Varianten, On Demand statt Just In Time und kontextsensitive statt statische Angebote sind die Gebote des digitalen Wandels. In den nächsten Abschnitten werden die sechs Schritte, jeweils unterteilt in Vorbereitungsarbeiten, Workshop und Nachbereitungsarbeiten aufgeteilt, detailliert dargestellt. Neben dem Vorgehensmodell werden auch konkrete Methoden zur Geschäftsmodellinnovation für die einzelnen Schritte bereitgestellt.

Initiierung Im Schritt (0) „Initiierung“ (siehe Abb. 8) erfolgt der Start des Geschäftsmodellentwicklungsprozesses. Die beste Voraussetzung zum Start des Geschäftsmodellinnovationsprozesses ist, wenn alle Entscheidungsträger die Notwendigkeit der Änderung des aktuellen Geschäftsmodells klar sehen und dieser Änderung höchste Priorität beigemessen wird. Nach Zollenkop (2009) sollte der Geschäftsmodellinnovationsprozess angestoßen werden, wenn Diskontinuitäten in den Umfeldentwicklungen (neue Technologie, neue Kundenbedürfnisse, neue Mitbewerber, neue gesetzliche Rahmenbedingungen, Änderung relevanter Werte, …) festzustellen sind oder sich abzeichnen. Idealerweise wird die Geschäftsmodellinnovation von der obersten Leitung getriggert und gesteuert. Drei Dinge sind in der Initiierung essenziell: Erstens nach Frankenberger et al. (2013) sollte bei der Initiierung sichergestellt werden, dass das aktuelle Geschäftsmodell, das Ecosystem und die wesentlichen absehbaren Entwicklungen von allen Beteiligten verstanden werden. Zweitens die Sicherstellung, dass ausreichend einflussreiche Mitstreiter mit einer gemeinsam getragenen Vision den Geschäftsmodellinnovationsprozess konstruktiv gestalten wollen und drittens die Bereitstellung eines fundierten Erstentwurfs von Zielkundensegmenten. Trapp et al. (2018) ergänzt zwei weitere Aspekte: Offen-

Ausgangssituation Initiierung durch Bewusstseinsschaffung

0 Zielkunden

Abb. 8  Schritt (0) Initiierung

Initiierung

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heit für Neues und Vertrauen des oberen Managements ins eigene Tun und Handeln bezüglich der Geschäftsmodellinnovation.

Vorbereitungsarbeiten zur Initiierung Der Geschäftsmodellinnovationsprozess wird in der Regel durch das Erkennen absehbarer geänderter Rahmenbedingungen (neue Kundenbedürfnisse, neue Gesetze, gesellschaftliche Trends, …), sinkende Umsätze, Gewinne, Liquidität oder Kapitalrenditen, wegfallende Kunden, Eintritt neuer starker Mitbewerber, neue Wertangebote der Mitbewerber oder neue Technologien sowie neue Produkte oder Dienstleistungen angestoßen. Angelehnt an Johnson et al. (2008) existieren vier Hauptgründe, warum ein Geschäftsmodell zu innovieren ist: • Es gibt eine große Gruppe an (potenziellen) Kunden, die derzeit existierende Wertangebote (von uns oder vom Mitbewerber) zu teuer, zu umständlich oder einfach nicht passend finden. • Es gibt Aufgabenstellungen und Probleme von Kunden, die noch nicht kundenorientiert durch ein Wertangebot (von uns oder vom Mitbewerber) adressiert werden. • Es gibt eine (neue oder auch etablierte) Technologie, die noch nicht durch ein geeignetes Geschäftsmodell zur vollen wirtschaftlichen Entfaltung kommt, oder eine Technologie mit einem erfolgreichen Geschäftsmodell kann auf einen neuen Markt oder eine neue Branche übertragen werden. • Eintritt eines (neuen) Mitbewerbers mit einem (neuen) Wertangebot, das aus Sicht des Kunden besser, billiger, geeigneter, bequemer, schneller, einfacher, … erscheint. Der zweite Punkt in obiger Aufzählung kann gut mit der Blue Ocean Strategy von Kim und Mauborgne (2014) kombiniert werden: Kreiere oder identifiziere (neue) Kundenbedürfnisse, die noch nicht durch geeignete Wertangebote (eigene oder von Mitbewerbern) abgedeckt sind. Giesen et al. (2007) ergänzen den obigen dritten Punkt durch (neue) Produkte oder Dienstleistungen, die noch nicht durch ein geeignetes Geschäftsmodell zur vollen wirtschaftlichen Entfaltung kommen. Der Geschäftsmodellinnovationsprozess sollte bevor Umsatz- oder Gewinneinbrüche zu beklagen sind, gestartet werden. Ziel muss sein, bevor finanzielle Kennzahlen sich verschlechtern, zu erkennen, dass sich Kundenbedürfnisse ändern werden, neue Kundenbedürfnisse entstehen werden oder unbefriedigte Kundenbedürfnisse vorliegen und darauf aufbauend das bestehende Geschäftsmodell zu innovieren. Viele etablierte Unternehmen haben in der Vergangenheit die Kundenbedürfnisse genau getroffen und sind deshalb erfolgsverwöhnt. Diese Unternehmen laufen Gefahr, Änderungen des Marktes sowie der Kundenbedürfnisse zu spät zu erkennen und damit die Notwendigkeit sowie Dringlichkeit der Weiterentwicklung bzw. Umstellung des Geschäftsmodells zu übersehen.

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Die Digitalisierung kann Branchen- und Marktstrukturen nachhaltig ändern. Die Kunst bei der Initiierung der Geschäftsmodellinnovation ist, bevor Umsätze oder Gewinne zurückgehen die Notwendigkeit der Geschäftsmodellinnovation zu erkennen. Durch Beobachtung und Verstehen Lernen sich abzeichnender Entwicklungen kann dies, wie nächstes Beispiel zeigt, gelingen. Beispiel „Neue Marktstruktur“ oder „Trends fürs Unternehmen richtig umsetzen“

Die Digitalisierung von Gebäuden und Smart Homes hat wegen Systemen wie kontrollierter Wohnraumlüftung oder voll automatisierter Klimaanlagen eine große Auswirkung auf die geforderten Eigenschaften von Fenstern: Das Öffnen, Schließen oder Kippen von Fenstern in modernen Gebäuden (Smart Homes) ist keine technische Notwendigkeit, um ein gutes Raumklima sowie einen gut gelüfteten Raum sicherzustellen. Fixe Fenster bzw. Verglasungen benötigen keine Beschläge zum Öffnen oder Kippen. Firmen, die Fensterbeschläge fertigen, sind daher massiv davon bedroht, hohe Umsatzverluste im Bereich Fenster für Neubau hinnehmen zu müssen. Eine Beschlägeerzeuger wird Smart Homes nicht aufhalten können. Durch Analyse der neuen Anforderungen könnte Folgendes festgestellt werden: Fixe Fenster bzw. Verglasungen benötigen ebenfalls (Befestigungs-)Beschläge. Die leichte sowie schnelle Montierbarkeit der fixen Fenster ist eine wichtige Anforderung. Der Ausgleich von nicht eingehaltenen Bautoleranzen durch die Befestigungsbeschläge kann einen Wettbewerbsvorteil zu den herkömmlichen Befestigungssystemen darstellen. Smart Homes benötigen kontrollierte Belüftungen  – diese könnten über smarte Befestigungsbeschläge unterstützt werden. All diese Aspekte zusammengeführt können Grundlage für anspruchsvolle, den Kundenanforderungen entsprechende sowie zukunftsfähige Befestigungsbeschläge sein. Durch das dazugehörige Geschäftsmodell sind neue Geschäftspartner (Smart Home, Smart Connected Things) einzubinden und die Verwertung der gewonnen Daten (Außentemperatur, Windgeschwindigkeit, Luftfeuchtigkeit, …) darzustellen. ◄ Das nächste Beispiel zeigt auf, dass in von der Digitalisierung geprägten Branchen, wie z. B. der Telekommunikation, ständig Umwälzungen zu erwarten sind und vor allem in diesen Branchen ständig das bestehende Geschäftsmodell zu hinterfragen und zu innovieren ist. Beispiel „Umwälzungen“ oder „Neue Mitbewerber“

Laut der deutschen Bundesnetzagentur wurden 2012 60 Mrd. SMS in Deutschland verschickt – sechs Jahre später (2018) nur noch 9 Mrd. Offensichtlich haben Anwendungen wie WhatsApp den SMS Markt massiv zurückgedrängt. Als Telekommunikationsunternehmen könnte man sich nachfolgender potenzieller Bedrohung stellen: Heutige Umsatzerlöse eines Telekommunikationsunternehmens basieren wesentlich auf den Verbindungsentgelten sowie übertragenen Datenvolumen der

Initiierung

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Smartphones und anderer mobile Devices. Falls flächendeckend kostenlose Access­ points geschaffen werden (und diese gibt’s de facto heute bereits in Ballungsräumen flächendeckend), könnten die Smartphone-User alle ihre Apps inkl. Telefonieren (z. B. über WhatsApp Call oder Skype) nutzen, ohne direkt etwas an einen Telekommunikationsbetreiber zu zahlen – ohne geeignete Gegenstrategien wären hohe Umsatzverluste die Folge. ◄ Um die Notwendigkeit und Dringlichkeit einer Geschäftsmodellinnovation fundiert festzustellen, ist eine (kontinuierliche) Analyse zur Feststellung des IST-Zustandes und der qualifizierten Auseinandersetzung möglicher anzustrebender Zustände in der Zukunft erforderlich. Wenn keine eigenen qualifizierten Personen zur Durchführung der Analysen vorhanden sind, empfiehlt es sich, externe Experten beizuziehen. Am Ende jedes Aufzählungspunktes wird vorgeschlagen, wer den entsprechenden Analysepunkt durchführen soll: (interne oder externe) Experten oder die oberste Leitung des Unternehmens. Eine umfassende Analyse sollte folgende Themen umfassen: • Zeitliche Darstellung und Interpretation von für den Geschäftserfolg relevanten KPIs wie EBIT, ROCE, Umsatz, Umsatzmargen, Kundenzufriedenheit, kundenbezogene Leistungsfähigkeit (Lieferzeit, Liefertreue, Reklamationsrate, …), Erfolgsrate bei gestellten Angeboten, Fluktuationsrate der Mitarbeiter, … (Experten). • Darstellung und Interpretation der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung in den für das Unternehmen relevanten Bereichen insbesondere zeitliche Entwicklung und Interpretation von Frühindikatoren, siehe Fritsche und Stephan (2002) (Experten). • Darstellung und Interpretation von für das Unternehmen relevanten Entwicklungen, siehe Demil und Lecocq (2010), in den Bereichen Digitalisierung, Internet der Dinge und Dienstleistungen, Data Mining, Künstliche Intelligenz, Block Chain, Soziale Medien, Technologie, Generative Fertigung, Rohstoffzugänge, neue Werkstoffe, Konsumverhalten, Gesellschaft, Kultur, soziökonomische Trends (demografische Entwicklung, Einkommensverteilung, Ausgabenverteilung, …), Migration, Mobilitätsverhalten, Wertewandel, Ecosystem, Politik, Zinspolitik, Wechselkurse, Gesetze, Normen, Standards, Richtlinien, Nachhaltigkeit, Umwelt, Energie, Kreislaufwirtschaft, Arbeitsmarkt, Bildungs- und Qualifikationsniveau, …. Insbesondere sollte auf die Themen wie weitere Integration von Kunden und Usern in die Wertschöpfungsstruktur, siehe Fleisch et al. (2015), Erhöhung der Dienstleistungsorientierung, siehe Emmrich et  al. (2015), ­Erhöhung des Personalisierungsgrades des Wertangebotes, siehe Moon et al. (2008), und umfassende Datennutzung, siehe Hoffmeister (2017), eingegangen werden. Bekannte Methoden für die externe Analyse sind: PEST (political, economic, social, technological) und PESTLE (political, economic, social, technological, legal, environmental), siehe Ho (2014). Eine weitere sinnvolle Methode zu obigen Analysen können sogenannte Reifegradmodelle sein. (Experten). • Darstellung und Interpretation der aktuellen und zukünftigen Kundenbedürfnisse, Kundenerwartungen, Probleme und Aufgabenstellungen der Kunden, die wir lösen bzw.

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erledigen, gewünschte Produkte, gewünschte Dienstleistungen, gewünschte Beziehung, gewünschte Transaktionsabwicklung, gewünschte Abrechnungsmethode, Ziele der Kunden, was ist dem Kunden wirklich wichtig, … User Stories können diese Analyse unterstützen. (Experten) • Diskussion und Interpretation des Ecosystems: Mitbewerber (Stärken und Schwächen der Mitbewerber, Entwicklung der Marktanteile, …), Bedrohung durch Marktneulinge, Bedrohung durch Ersatzprodukte, Qualität, Stabilität und Leistungsfähigkeit von Partnern und Lieferanten, Verhandlungsmacht der Partner, Lieferanten und Kunden, Bedürfnisse, Erwartungen, Ziele und Einflussmechanismen von Lieferanten, Partnern, Konkurrenten und Gesellschaftern bzw. Eigentümern, Transparenz des Marktes, … Porters Fünf Kräfte und Benchmarking können diese Analysen unterstützen. (Experten). • Durchführung einer SWOT Analyse, siehe Chermack und Kasshanna (2007). Darstellung der Strengths (Stärken) und Weaknesses (Schwächen) des eigenen Unternehmens im Vergleich zu den Mitbewerbern sowie der Opportunities (Chancen bzw. Möglichkeiten) und Threats (Risiken bzw. Bedrohungen), die sich jeweils aus externen Trends oder Entwicklungen ergeben können. Ziel dabei ist, die eigenen Stärken auszubauen, die eigenen Schwächen abzubauen, die externen Chancen zu nutzen und die externen Bedrohungen zu vermeiden. Besonders griffig wird die Methode, wenn man übergreifende Fragen beantwortet: Welche eigene Stärke können wir nutzen, um von welcher externen Chance zu profitieren? Welche externe Chance können wir nutzen, um welche eigene Schwäche abzubauen? (Experten und oberste Leitung). • Darstellung des ersten Entwurfs eines gewünschten Zukunftsbildes (Erstentwurf zur Vision für die Geschäftsmodellinnovation) des Unternehmens und seiner Positionierung im Ecosystem inkl. Aufzeigen der Dringlichkeit und Notwendigkeit der Geschäftsmodellinnovation (Experten und oberste Leitung). In diesem Buch wird eine adaptierte PESTLE Methode vorgestellt. Die PESTLE Methode startet mit einem Brainstorming von allen möglichen (aktuellen und vor allem zukünftigen) Einflussfaktoren auf die Geschäftsmodellinnovation, auf das Zielkundensegment, auf die Kundenbedürfnisse, auf die Lieferanten, auf die Mitbewerber und auf das Unternehmen, siehe Johnson et  al. (2011) oder Ho (2014). Wie bei der klassischen PESTLE Methode werden Einflussfaktoren aus den Bereichen Politik (z. B. BREXIT, Stabilität, …), Wirtschaft (Wachstum, Inflation, …), Soziales und Kultur (z. B. ­Bildungsniveau, Demografie, …), Technologie (z. B. Digitalisierung, Energieträger, …), Gesetze und Normen (z.  B.  Arbeitszeitgesetze, Betriebsanlagengenehmigungen, …) sowie Umwelt und Nachhaltigkeit (z. B. Umweltgesetze, Rohstoffzugänge, Dekarbonisierung, …) thematisiert. Nach Dullien et al. (2019) werden vor allem die Digitalisierung, Dekarbonisierung und die Demografie entscheidend die Zukunft der Wirtschaft beeinflussen. Nach vollständiger Auflistung aller Faktoren werden diese einzeln in Bezug auf Bedeutung der Wirkung auf die Zukunft des Unternehmens bzw. des Geschäftsmodells und auf die Wahrscheinlichkeit des Eintretens bewertet. Eine Bewertungsskala von −5 bis +5 wird für die Bedeu-

Initiierung

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Abb. 9 PESTLE-Grafik

5 positive Wirkung

Nutzung sicherstellen

0

negative Wirkung

Unwichtige Faktoren

Vermeiden oder verhindern -5 0 5 10 hohe Eintrittsgeringe Eintrittswahrscheinlichkeit wahrscheinlichkeit

tung der Wirkung vorgeschlagen (−5: sehr schlechte Wirkung auf die Zukunft des Unternehmens, 0: keine Wirkung, +5: sehr gute Wirkung auf die Zukunft des Unternehmens). Für die Eintrittswahrscheinlichkeit wird eine Skala von 0 bis 10 vorgeschlagen (0: passiert nicht, 10: wird sicher eintreten). In einer zweidimensionalen Grafik können nun alle Faktoren im Überblick dargestellt werden. Die einzelnen Faktoren werden in der PESTLE-Grafik (siehe Abb. 9) in drei Bereiche gegliedert. Der Bereich „Nutzung sicherstellen“ stellt wesentliche Faktoren dar, die eine hohe positive Wirkung und eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit aufweisen. Das Geschäftsmodell ist so zu gestalten, dass diese Faktoren genutzt werden, um nachhaltig Erfolg für das Unternehmen sicherzustellen. Der zweite Bereich „Vermeiden und verhindern“ fasst alle wesentlichen Faktoren zusammen, die eine hohe negative Wirkung und eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit aufweisen. Das Geschäftsmodell ist so zu gestalten, dass diese Faktoren nicht relevant sind oder nicht negativ zum Tragen kommen und somit keine negative Wirkung auf die Zukunft des Unternehmens haben können. Der dritte Bereich „Unwichtige Faktoren“ zeichnet sich durch geringe Eintrittswahrscheinlichkeiten und geringe Wirkung aus. Diese Faktoren sollen nicht im Fokus der Geschäftsmodellinnovation stehen. Die zunehmende Bedeutung sowohl der Nachhaltigkeit als auch der Sozialen Verantwortung in der Geschäftsmodellinnovation wird durch Publikationen unterstrichen. Joyce und Paquin (2016) erweitern das Canvas Modell, siehe Osterwalder und Pigneur (2010), um weitere zwei Ebenen. Zur wirtschaftlichen Ebene ergänzen sie eine Nachhaltigkeits- und Sozialebene. Das Nutzenversprechen wird um ein Nachhaltigkeits- sowie Sozialversprechen ergänzt. Themen wie Produktlebenszyklus, Endkundensicht, Umwelteinflüsse, Umweltvorteile, soziale Auswirkungen oder soziale Vorteile werden

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

in den beiden zusätzlichen Ebenen des Geschäftsmodells behandelt. Ähnlich wie Joyce und Paquin (2016) ergänzt Bocken et al. (2018) die Value Proposition um eine „People“ und „Planet“ Perspektive. Zur Einschätzung der Bedeutung der Digitalisierung für das eigene Unternehmen, zur eigenen Positionsbestimmung bezüglich Industrie 4.0 bzw. zum Erkennen der Digitalisierungspotenziale für das eigene Unternehmen können sogenannte Reifegradmodelle, siehe Jodlbauer und Schagerl (2016) oder Brunner und Jodlbauer (2020) sinnvoll sein. Reifegradmodelle unterstützen die Erfassung des IST-Reifegrades eines Unternehmens in Bezug auf das Thema Digitalisierung und die Entwicklung des anzustrebenden Soll-­ Zustandes sowie die dafür erforderlichen Maßnahmen. Die Analyse des Ecosystems, insbesondere der Mitbewerber und die Position des eigenen Unternehmens zu den besten Mitbewerbern kann durch Benchmarking, siehe Mertins et al. (2013), unterstützt werden. Durch systematischen Vergleich mit den Besten einer vergleichbaren Gruppe von Unternehmen sollen bewährte Best Practices herausgefunden werden und durch Übernahme der Best Practices eine Verbesserung des eigenen Unternehmens im Sinne „die richtigen Dinge zu tun“ (Effektivitätserhöhung) und „Dinge richtig zu tun“ (Effizienzsteigerung) herbeigeführt werden. Üblicherweise unterliegt ein Unternehmens-­Benchmarking den vier Phasen: Vorbereitung:  Fixierung der Zielsetzungen (was soll verbessert und damit verglichen werden), Auswahl der Unternehmen, die sich am Benchmark beteiligen sollen und wollen Quantitative Analyse:  Ableitung von relevanten Kennzahlen aus den Zielsetzungen, Erhebung der Kennzahlen, Bewertung der erhobenen Kennzahlen, Positionierung einzelner Benchmark-Partner und Identifikation der „Besten“ Qualitative Analyse:  Analyse der Situation, Prozesse, Strategie … der „Besten“ und Ableitung der „Best Practice“ Verbesserungen umsetzen:  Übertragung und Anpassung der „Best Practice“ auf das eigene Unternehmen und Implementierung der daraus abgeleiteten Maßnahmen. Benchmarking kann dabei helfen, sich an den Besten anzunähern. Bahnbrechende Disruptionen und völlig neue Geschäftsmodellansätze werden in der Regel über Benchmarking nicht gefunden werden. Wenn branchenfremde Unternehmen, die im Bereich der Digitalisierung führend sind und eine gewisse Ähnlichkeit in der Marktlogik aufweisen, als Benchmark-Partner gewählt werden können, könnte Benchmarking Ideenlieferant für den digitalen Wandel des eigenen Unternehmens sein. Der zentrale Punkt der Analyse ist die SWOT Analyse, die zum eigentlichen Ergebnis, dem Erstentwurf des gewünschten Zukunftsbildes des Unternehmens führt. In der SWOT Analyse, siehe Homburg (2016), werden basierend auf den vorher gewonnen Erkenntnissen die Stärken und Schwächen des eigenen Unternehmens, die sich abzeichnenden Chan-

Initiierung

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Abb. 10  SWOT Tabelle

Extern

Intern Strengths . . .

Weaknesses . . .

Opportunities . . .

Welche Stärke hilft uns, welche Chance zu nutzen?

Welche Chance nutzen hilft uns, welche Schwäche abzubauen?

Threats . . .

Welche Stärke hilft uns, welche Bedrohung abzuwenden?

Bedrohungen abbauen, um eigene Schwächen zu lindern?

cen und Gefahren des Ecosystems und die als sinnvoll erachteten Maßnahmen zur kombinierten (siehe Abb. 10) Festigung der Stärken, Eindämmung der Schwächen, Nutzung der Chancen sowie Vermeidung der Gefahren erarbeitet. Bei der Erarbeitung der SWOT Analyse wird empfohlen, die vier Hauptgründe nach Johnson et al. (2008), siehe erste Aufzählung in diesem Abschnitt auf Seite 89, auf das eigene Unternehmen zu reflektieren und entsprechende Chancen und Gefahren abzuleiten. Eine SWOT Analyse wird in drei Schritten durchgeführt: Interne Stärken-Schwächen-Analyse (Strengths und Weaknesses der SWOT Tabelle ausfüllen):  Was können wir gut? Welche Fähigkeiten und Kompetenzen zeichnen uns aus? Welche Zukunftstechnologie beherrschen wir? Was können wir weniger gut? Was fehlt uns? Was waren unsere letzten Misserfolge und warum? (Antworten jeweils im Vergleich zum Mitbewerber)

Externe Chancen-Risiken-Analyse (Opportunities und Threats der SWOT Tabelle ausfüllen):  Was sind die wesentlichen Trends? Wie ändern sich die Kundenbedürfnisse? Was machen die Mitbewerber? Gibt es Marktneulinge? Gibt es substituierende Wertangebote? Gibt es neue Technologien? (Die externen Faktoren werden in Chancen und Bedrohungen bzw. Risiken unterteilt) Ableitung von Maßnahmen bzw. Ideen durch paarweise Kombination der Faktoren Strengths, Weaknesses, Opportunities und Threats (die vier inneren Felder der SWOT Tabelle ausfüllen): 

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• • • •

Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Stärken ausbauen und Chancen nutzen Schwächen mindern und neue Chancen ergreifen Stärken einsetzen, um Risiken zu vermeiden Verteidigungsmaßnahmen erarbeiten damit Schwächen und Gefahren nicht gleichzeitig eintreten

Unter Beachtung der zu nutzenden Chancen wird das anzustrebende Zukunftsbild des Unternehmens erarbeitet. Dieses Zukunftsbild dient als Vision zur Lenkung des Geschäftsmodellinnovationsprozesses. Eine gute Vision, siehe Collins und Porras (1996), beschreibt das „Warum“ Ihres Unternehmens und Geschäftsmodells, ist zukunftsgerichtet und stiftet Mehrwert für Kunden, das eigene Unternehmen sowie für weitere Stakeholder. Die Vision beantwortet Fragen wie: Warum gibt es uns? Weshalb tun wir das, was wir tun? Wo wollen wir mit unserem Unternehmen hin? Wo ist unsere Position im Ecosystem? Was ist der Sinn all unseres Tuns? Die Vision sollte insbesondere die Unternehmenswerte, übergeordnete Ziele und Wertangebote glaubwürdige darlegen. Die Ergebnisse der SWOT Analyse sollen insbesondere genutzt werden, um die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Geschäftsmodellinnovation bildlich und nachvollziehbar aufzuzeigen. Nach Durchführung der Analysen, Interpretation dieser durch die oberste Leitung und Bestätigung der Notwendigkeit und Dringlichkeit sind gute Rahmenbedingungen für den Geschäftsinnovationsprozess zu schaffen. Dies umfasst folgende Themen: • Kommunikation der Analyseergebnisse an ausgewählte (einflussreiche, verantwortungsvolle oder querdenkende Persönlichkeiten) und Sicherstellung, dass ausreichend viele mächtige Mitstreiter (aus allen relevanten Unternehmensbereichen) im Boot sind. Eventuelle Ergänzungen zu den Interpretationen der Analyseergebnisse und Verbesserungen zum Entwurf der Vision sollen dabei vorgenommen werden. • Erstellung eines qualifizierten Vorschlages für die Zielkundensegmente und falls sinnvoll Eingrenzung der Geschäftsmodellinnovation auf einen bestimmten Bezugsrahmen. • Auswahl, ins Boot holen und Qualifizierung des Projektleiters, der jeweiligen Zielkundensegmentverantwortlichen (Teamleader) und Facilitatoren. • Beauftragung der Geschäftsmodellinnovation durch die oberste Leitung, formale Ernennung des Projektleiters und der Teamleader pro Zielkundensegment und Sicherstellung der kontinuierlichen vollen Unterstützung durch die oberste Leitung. Zuteilung von Teammitgliedern, Facilitatoren und notwendiger Ressourcen zu den zielkundensegmentspezifischen Teams. • Vorbereitung und Organisation des Initiierungsworkshops durch den Projektleiter mit Unterstützung aller Teamleader und Facilitatoren. Auswahl der Teilnehmer und Einladung dieser zum Initiierungs-Workshop durch die oberste Leitung. Es sind alle relevanten Stakeholder innerhalb des Unternehmens (Führungskräfte, Mitarbeiter, Eigentümervertreter, …) zu identifizieren, die auf Grund ihrer Funktion, ihrer Aufgaben, ihrer Verantwortungsbereiche oder ihrer Expertise einen wichtigen Beitrag zur Geschäftsmodellinnovation leisten können und sollen. Die identifizierten Personen wer-

Ablehnung Opposition

Abb. 11 Kraftfeldanalyse, Umfeldanalyse bzw. Stakeholderanalyse

109 volle Unterstütztung hohes Commitment

Initiierung

Gut (WILLING WORKERS)

Mitstreiter, die wir brauchen (SPONSORS)

Diskursiv: Kontinuierlich informieren und operativ einbinden

Partizipativ: Verantwortungsvoll und gestalterisch einbinden. Einsetzen um aus mächtigen Gegnern Unterstützer zu formen.

Nicht schön, aber unkritisch (SLEEPERS)

Gefahr in Verzug (BLOCKERS)

Repressiv: Kontinuierlich, besonders über Erfolgsstories, informieren. Unterstützung erreichen oder nicht einbinden.

Restriktiv: Bedrohungen aufzeigen. Erfolgstories berichten. Unterstützung erreichen oder Einfluss reduzieren.

geringe Macht geringer Einfluss

hohe Macht hoher Einfluss

den unterschiedlichen Einfluss auf das Geschäftsmodellinnovationsvorhaben ausüben können (wenig Macht oder viel Macht besitzen) und eine unterschiedliche Identifikation mit dem Vorhaben aufweisen (niedrige oder hohe Übereinstimmung mit der Vision, Notwendigkeit und Dringlichkeit der Geschäftsmodellinnovation) und damit dem Vorhaben unterstützend oder ablehnend gegenüberstehen, siehe Freeman (2010). Abb. 11 zeigt die möglichen vier Quadranten der sogenannten Stakeholderanalyse oder auch Kraftfeldbzw. Umfeldanalyse genannt. Mächtige Unterstützer (Sponsors) sind die wichtigsten Mitstreiter für die Geschäftsmodellinnovation. Mit Ihnen sollten die Analyseergebnisse diskutiert und interpretiert, die Vision weiter geschärft und im weiteren Vorgehen sollten diese Mitstreiter partizipativ in den Geschäftsmodellinnovationsprozess eingebunden werden. Es ist anzustreben, dass jeder für die Geschäftsmodellinnovation relevante Unternehmensbereich durch mächtige Unterstützer vertreten ist. Sogenannte Influencer, siehe Grenny et al. (2013), sind für Änderungsprozesse im Unternehmen insbesondere Geschäftsmodellinnovation wesentliche Persönlichkeiten. Stellen Sie sicher, dass die Influencer die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Geschäftsmodellinnovation sehen und dass die Influencer Sponsoren und nicht Blockers sind. Mächtige Gegner (Ablehner, Blockers) stellen eine kritische Bedrohung für den Geschäftsmodellinnovationsprozess dar. Durch die nachvollziehbare Darstellung der Bedrohungsszenarien (Notwendigkeit und Dringlichkeit) sowie der sich eröffnenden Chance (Reduktion der Risiken, Abwehr der Bedrohungen) und durch viele persönliche Gespräche muss versucht werden, aus mächtigen Gegnern Unterstützer zu formen. Besonders können mächtige Unterstützer und anerkannte Experten als Botschafter eingesetzt werden. Es lohnt sich pro Blocker einen Sponsor zu definieren, der auf der Beziehungsebene

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und auf der Sachebene versucht, aus dem Blocker einen Sponsor zu formen. Bei diesen Interaktionen sollen die sachlichen Argumente für die ablehnende Haltung erfasst und dokumentiert werden – diese Argumente gegen die angepeilte Geschäftsmodellinnovation werden in der Nachbereitung eine wichtige Grundlage für die Prüfung der Ergebnisse aus dem Initiierungsworkshop liefern und sollen konstruktiv im Innovationsprozess berücksichtigt werden. Gelingt es nicht, die Ablehnung der mächtigen Gegner zu reduzieren und eine gewisse Unterstützungsbereitschaft bzw. Commitment sicherzustellen, sollte der (kontraproduktive) Einfluss auf den Geschäftsmodellinnovationsprozess reduziert werden und restriktiv informiert werden. Eine Möglichkeit zur Reduktion des kontraproduktiven Einflusses könnte die Zuweisung spezifischer Aufgaben an die Blocker im Sinne eines Advocatus Diaboli sein. Erfolgsstories, Bedrohungen und Chancen sollen bei der Kommunikation an die Blocker im Vordergrund stehen. Wenn die Gegner (Blocker) zu mächtig sind, kann das gesamte Vorhaben zum Scheitern verurteilt sein. Gegner mit geringer Macht (Sleepers) erfordern keine besondere Aufmerksamkeit. Eine kontinuierliche positive Information zur Geschäftsmodellinnovation ist empfehlenswert. Nicht mächtige Gegner sollten nicht in den Geschäftsmodellinnovationsprozess einbezogen werden. Erst nach einer etwaigen Reduktion der Ablehnung und gleichzeitigen Erreichung einer Unterstützungsbereitschaft können diese operativ in den Geschäftsmodellinnovationsprozess eingebunden werden. Nicht mächtige Unterstützer sogenannte Willing Workers sollen umfassend über den Geschäftsmodellinnovationsprozess informiert werden und für operative Aufgaben eingesetzt werden. Für die Ausarbeitung des ersten Entwurfs der Zielkundensengmente und des Bezugsrahmens soll aus der Gruppe mächtige Unterstützer ein kleines Team zusammengesetzt werden, das einen mit der obersten Leitung abgestimmten Vorschlag zu den Zielkundensegmenten und Bezugsrahmen erarbeitet. Ein Geschäftsmodell bezieht sich grundsätzlich auf das ganze Unternehmen. In der Weiterentwicklung des Geschäftsmodells kann es sinnvoll sein, sich nur auf einen bestimmten Bereich, den sogenannten Bezugsrahmen, zu konzentrieren. Zum Beispiel kann es zweckmäßig sein, für eine bestimmte Produktgruppe oder für ein bestimmtes Kundenbedürfnis die IoT-basierte Weiterentwicklung des Geschäftsmodells zu forcieren. Zu Illustration führen wir ein Beispiel eines Maschinenbauers an: Beispiel „Bezugsrahmen des Geschäftsmodells“

Ein Maschinenbauunternehmen identifiziert Trends in Richtung pay-per-use und Betreibermodelle. Bevor für alle Bereiche, Produktgruppen und Kunden des Unternehmens das Geschäftsmodell Richtung Betreibermodell umgestellt wird, wird für den abgrenzbaren Bereich einer Produktgruppe kundenorientiert ein Betreibermodell konzipiert und im Zuge der Implementierung marktbezogene Erfahrungen gesammelt werden. Nach Evaluierung der Erfahrungen und Lernen am Markt kann in einem Folgeprojekt auf weitere Produktgruppen bzw. auf das gesamte Unternehmen die Idee „Betreibermodell“ zur Geschäftsmodellinnovation ausgerollt werden. ◄

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Einschränkungen im Sinne eines einschränkenden Bezugsrahmens bergen in sich die Gefahr, dass für die Zukunft Wichtiges vernachlässigt wird, aber können gleichzeitig stringenteres sowie umsetzungsorientierteres Vorgehen unterstützen. Die Zielkundensegmente werden sich an der bestehenden Kundenstruktur und potenziellen neuen Kunden des ausgewählten Bereiches (in der Regel des gesamten Unternehmens) orientieren. Wichtigstes Kriterium zur Bildung von Zielkundensegmenten ist die Eigenschaft, dass alle Kunden, die dem Zielkundensegment zuzuordnen sind, sich durch idente Kundenbedürfnisse auszeichnen und somit für sie ein einheitliches Nutzenversprechen zu erarbeiten ist. Aufgrund des gleichen Nutzenversprechens sind auch alle weiteren Elemente des Geschäftsmodells für alle Kunden des Zielkundensegments ident. Jedes Kundensegment sucht seinen eigenen Weg zum Erfolg. Sollten sich zwei projektierte Zielkundensegmente in den anderen acht Elementen des Geschäftsmodells nicht unterscheiden, ist eine Zusammenlegung zu prüfen. Ist innerhalb eines projektierten Zielkundensegments eine wesentliche Differenzierung bezüglich eines Geschäftsmodellelementes erforderlich, ist eine weitere Segmentierung des Zielkundensegments oder eine völlig andere Segmentierung (siehe nachstehendes Beispiel „Zielkundensegment“) zu prüfen. Die Zielkundensegmente sollen jeweils disjunkte Kunden­ gruppen beschreiben. Absehbare Trends, neu identifizierte Kundenbedürfnisse oder -erwartungen, technologische Entwicklung oder soziale, kulturelle, sozioökonomische sowie rechtliche Aspekte können neue sinnvolle Zielkundensegmente hervorrufen. Zur Sicherstellung einer zielgerichteten Diskussion in den folgenden Workshops und Arbeitsbesprechungen ist es wichtig, auch Nicht-Zielkunden zu definieren. Anforderungen von Nicht-Zielkunden sollen keine Rolle bei der Erarbeitung des Geschäftsmodells spielen. Ein Argument „es wäre gut für einen Nicht-Zielkunden“ sollte nicht weiterverfolgt werden, sondern die Arbeit wieder auf die Zielkunden gelenkt werden. Es ist also ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln, welche Kunden Zielkunden (nach ihnen wird alles ­ausgerichtet) sind und welche keine Zielkunden (sind für die Geschäftsmodellinnovation bedeutungslos) sind. Bei der Erarbeitung des Entwurfs der Zielkundensegmente sollten die jeweiligen Fragen von „To be Answered – Zielkunde“ berücksichtigt werden. Beispiel „Zielkundensegment“

Ein Unternehmen macht Aufbauten für LKWs. Klassisch wurden die Kunden auf Grund des Produkttyps Kipper, Tankfahrzeuge, Anhänger mit Kran usw. aufgeteilt. Über die Zeit haben sich in einigen Bereichen standardisierte Serienprodukte entwickelt und gleichzeitig wurden kundenindividuelle Sonderlösungen angeboten. Im Bereich Tankfahrzeuge und Anhänger mit Kran gibt es Standardlösungen und hoch kundenspezifische Lösungen. Für die Kipper gibt es nur Standardserienprodukte. Die Gestaltung der Kundenbeziehungen, des Kundenauftragsabwicklungsprozesses und weiterer Schlüsselprozesse hat die völlig unterschiedlichen Kundenanforderungen in einem standardisierten Serienproduktmarkt (Preiskampf, kurze Lieferzeit gefordert, …)

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und gleichzeitig einem kundenindividuellen Einzelmarkt (Engineer to Order, hohe Flexibilität gefordert, …) nicht oder nur einseitig berücksichtigt. Eine Überarbeitung der Kundensegmente in Richtung Bündelung gleicher Kundenbedürfnisse in Bezug auf Preis, Lieferzeit, Standardisierung, Individualisierung, Lieferzeit, Flexibilität …. kann in so einer Situation sinnvoll und ein wesentlicher Schritt zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit sein. Die schlagkräftigere Kundensegmentierung könnte sein: Kunden die Standardaufbauten (über alle Produkttypen), Kunden die Sonderaufbauten Tankfahrzeuge und Kunden die Sonderaufbauten Anhänger mit Kran wünschen. ◄ Zusätzlich zu den etablierten Zielkunden soll bewusst überlegt werden, ob nicht völlig neue Zielkunden zu entwickeln sind. Absehbare zukünftige Entwicklungen, die Nutzung erkannter Chancen, neue Kundenbedürfnisse, neue Produkte oder Dienstleistungen und eigene (vorhandene) Kompetenzen, Fähigkeiten oder Ressourcen können eine Basis für die Identifikation neuer Zielkunden darstellen. Zusätzliche Zielkunden können auch mit Hilfe der Datenverwertung entstehen indem z.  B. bestehenden Lieferanten endkundennahe Daten verkauft werden und damit Schlüssellieferanten auch Schlüsselkunden werden. Beispiel „Lieferant wird zum Zielkunden“

Batterie-Lieferanten zu Automobilbauern haben zwei wesentliche Zielkundensegmente: Erstausstatter-Markt (Lieferabrufe, Planung gut möglich, geringe Margen, …) und After Sales Markt (kein direkter Kontakt zu Endkunden, hoch saisonal, schwierig zu planen, hohe Margen wären möglich). Automobilbauer besitzen die Felddaten (Startzyklen, Temperaturbelastung, …) der im Betrieb befindlichen Autos, die für eine verlässliche Prognose, wann eine Batterie auszutauschen ist, notwendig sind. Aufbauend auf diesen Kenntnissen kann für den Automobilbauer das neue Zielkundensegment „Batterielieferant“ mit dem Nutzenversprechen „Bereitstellung von aktuellen Forecast-Daten, wann wie viele Batterien von einem spezifischen Typ ausgetauscht werden müssen“ eine sinnvolle Ergänzung zum Geschäftsmodell sein und zusätzliche Umsätze generieren. Der Batterie-Lieferanten kann mit den Daten der Automobilbauer für das Zielkundensegment After Sales Markt treffsichere Forecasts erstellen. Die guten Forecasts ermöglichen mit geringen Beständen hohe Umsätze und Margen. ◄ Für jedes Zielkundensegment ist ein Teamleader und die dazugehörigen Teammitglieder zu bestellen. Die Teammitglieder sollen aus den unterschiedlichsten Unternehmensbereichen und Hierarchien kommen. Wesentliche Eigenschaften der Teammitglieder sind eine kritische, reflektierende sowie konstruktive Arbeitsweise und eine konsequente Zielkundenorientierung. In Summe sollte das Team bezogen auf das Kundensegment folgende Expertisen aufweisen: hohe Marktkenntnisse, Verstehen der Kundenwünsche, -bedürf-

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nisse und -anforderungen, gute Kenntnisse der Branche, der Produkte, der Dienstleistungen, der Kundenauftragsabwicklung, der Leistungserstellung, der Umsatzgenerierung, der Kostenstruktur, der Mitbewerber, zukünftigen Entwicklungen und der absehbaren Trends. Teammitglieder sollen in der Lage sein, über den Tellerrand zu blicken, querzudenken, branchenfremdes Know-how einzubringen und den Willen zur aktiven Gestaltung der Zukunft vorweisen. Konkrete Aufgaben der Teamleader sind: Organisation und Koordination aller Vor- und Nachbereitungsaktivitäten sowie der Workshops. Der Teamleader ist für den Outcome bezogen auf das Zielkundensegment verantwortlich. Ein Facilitator sollte den Teamleader bei der Durchführung der Workshops und beim gesamten Geschäftsmodellinnovationsprozess unterstützen. Der Facilitator sollte das Visualisieren der Gedanken und Ideen durch Bilder, Geschichten oder plakative Beispiele unterstützen und die (Zwischen-)Ergebnisse nachvollziehbar dokumentieren sowie für die zielgruppenspezifische (Teammitglieder, mächtige Gegner, …) Kommunikation aufbereiten. Der Facilitator ist für ein effizientes, zielgerichtetes und reibungsfreies Arbeiten verantwortlich. Der zu bestellende Projektleiter sollte unbedingt ein Mitglied des „Senior-Managements“ sein, eine breite Akzeptanz vorweisen und gut vernetzt sein. Seine Aufgabe ist es, den Geschäftsinnovationsprozess zu treiben und einen zielorientierten, reflektierenden und effizienten Ablauf sicherzustellen. Der Projektleiter kümmert sich vor allem auch um eine zielgruppenspezifische, den Prozess fördernde, Kommunikation und Informationspolitik. Der Projektleiter ist für den Outcome des gesamten Geschäftsmodellinnovationsprozesses hauptverantwortlich. Das Wort Projektleiter betont, dass ein geplanter Anfang und ein geplantes Ende für den Geschäftsmodellinnovationsprozess vorgesehen sind. Sollten sich Rahmenbedingungen sehr schnell ändern, kann und muss ein erneuter Geschäftsmodellinnovationsprozess (= neues Projekt) gestartet werden. Für alle Einzubeziehenden (Projektleiter, Teamleader, Facilitatoren, Teammitglieder, …) sollen die drei einfachen Grundregeln der Mitarbeitermotivation, siehe Knoblauch (2004), beachtet werden. Können:  Sicherstellung, dass der Mitarbeiter die Fähigkeiten (Fachkompetenz, Methodenkompetenz, Erfahrung, Vertrautheit mit den Werkzeugen, …) besitzt, die von der Aufgabe verlangt werden. Wollen:  Sicherstellung, dass der Mitarbeiter die Aufgabe gerne wahrnehmen will (Inspiration, Commitment, Sicherheit, Motivation, …). Dürfen:  Sicherstellung, dass der Mitarbeiter die Aufgaben wahrnehmen darf und kann (Freiräume schaffen, Budget und Zeit bereitstellen, Fehlerkultur, Lernkultur, Führungskultur, …). Die Teamleader, die Facilitatoren und der Projektleiter sind vor Start des Projektes auf das Vorgehensmodell und die zu verwendenden Methoden einzuschulen. Alle tragenden Persönlichkeiten des Geschäftsmodellinnovationsprozesses müssen einflussreiche

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Unterstützer im Sinne der Stakeholderanalyse sein. Facilitatoren können auch extern bereitgestellt werden. Teammitglieder sollen Unterstützer sein. Externe z. B. Repräsentanten von Zielkunden oder Schlüsselpartnern sollen bei den entsprechenden Aufgabenstellungen geeignet eingebunden werden. Eine regelmäßige und enge Abstimmung des Projektleiters und der Teamleader mit der obersten Leitung des Unternehmens ist unentbehrlich und sollte nach den unternehmensüblichen Praktiken erfolgen. Ein klarer Auftrag und volle Unterstützung seitens der obersten Leitung des Unternehmens ist Grundvoraussetzung zum Gelingen der Weiterentwicklung des Geschäftsmodells. Zu einem klaren Auftrag zur Geschäftsmodellinnovation gehören insbesondere nachfolgende Punkte: • Prägnante Darstellung und klare Kommunikation der Hauptergebnisse der Analysen, der Vision, des Bezugsrahmens, der Dringlichkeit sowie Notwendigkeit der Geschäftsmodellinnovation und der Zielkundensegmente • Ernennung und Verlautbarung aller Verantwortlichen (Projektleiter, Teamleader, Facilitatoren, Teammitglieder) inkl. ihren Aufgaben und Befugnisse. • Bereitstellung der erforderlichen Ressourcen (Arbeitszeit, Budget für Externe, …) und Darstellung der Rahmenbedingungen insbesondere der angestrebten Zeitachse. • und schließlich Einladung zum Initiierungs-Workshop durch die oberste Leitung. Vorgeschlagene Teilnehmer des Initiierungs-Workshops sind: die vollständige oberste Leitung des Unternehmens, Projektleiter, alle Teamleader, alle Facilitatoren, alle Teammitglieder und eventuell weitere die Geschäftsmodellinnovation unterstützende Führungskräfte und Experten. To Be Answered – Vorbereitungsarbeiten der Initiierung

1. Haben wir eine fundierte Analyse durchgeführt und die Ergebnisse in Bezug auf die Geschäftsmodellinnovation interpretiert und verstanden? 2. Bestätigen die Analyseergebnisse die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Geschäftsmodellinnovation (ansonsten ist zu prüfen, ob der Geschäftsmodellinnovations-­ prozess überhaupt zu starten ist)? Haben wir eine nachvollziehbare Vision? Haben wir die Analyseergebnisse und deren Interpretationen, die Vision und die Zielkundensegmente in einem ausgewählten Kreis bereits reflektiert, verdichtet und verfeinert? Haben wir eine klar verständliche Antwort auf die Frage „Warum brauchen wir jetzt die Geschäftsmodellinnovation?“? 3. Haben wir mächtige Unterstützer? Haben wir alles unternommen, um aus mächtigen Gegnern mächtige Befürworter oder in Bezug auf die Geschäftsmodellinnovation nicht einflussreiche Gegner zu formen? 4. Siehe „To Be Answered – Zum Wie des Geschäftsmodellinnovationsprozesses“ 5. Siehe „To Be Answered – Zielkunden“ 6. Haben wir ausreichend an neue Zielkunden (neue Kundenbedürfnisse, neue Nutzenversprechen, neue Produkte und Dienstleistungen) gedacht?

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7. Haben wir klare Rahmenbedingungen für die Geschäftsmodellinnovation geschaffen und kommuniziert? Haben wir den formalen Auftrag zur Geschäftsmodellinnovation erteilt? Haben wir die Aufgaben, Verantwortungen und Befugnisse klar definiert und kommuniziert? Haben wir die erforderlichen Ressourcen bereitgestellt? Sind die Schlüsselpersonen (Projektleiter, Teamleader, Facilitatoren, …) gut vorbereitet und geschult?

Initiierungs-Workshop Der Initiierungs-Workshop ist die erste große Veranstaltung zum Geschäftsmodellinnovationsprozess (Tab. 2). Hauptziel dabei ist die Sicherstellung, dass alle Beteiligten voll hinter dem Geschäftsmodellinnovationsprozess stehen, die Notwendigkeit sowie Dringlichkeit der Geschäftsmodellinnovation sehen und die gleiche Vision teilen. Mankins und Steele (2005) fassen diese drei Punkte mit dem Slogan „die gleiche Sprache sprechen“ zusammen. Die Teilnehmer sollen nach dem Workshop mit einer hohen Begeisterung an der Weiterentwicklung des eigenen Geschäftsmodells arbeiten wollen. Folgender Ablauf wird vorgeschlagen: • Begrüßung, inhaltliche Einleitung, Mitteilung zum Beschluss der obersten Leitung den Geschäftsmodellinnovationsprozess in Gang zu setzen, Darstellung der Notwendigkeit und Dringlichkeit der Geschäftsmodellinnovation und die Vorstellung der wichtigsten Rollen (Projektleiter, Teamleader, Facilitatoren) durch einen Vertreter der obersten Leitung. • Detaillierte Darstellung der Analyseergebnisse und deren Interpretationen durch Experten. • Detaillierte und begründete Darstellung der Vision und Zielkundensegmente durch Mitglied der obersten Leitung oder Projektleiter. Tab. 2 Initiierungs-Workshop Workshop zur Initiierung Inhalt Präsentation der Ergebnisse der Voranalysen inkl. SWOT, Dringlichkeit und Notwendigkeit der Geschäftsmodellinnovation, Vision, Zielkundensegmente (Plenum) Workshop zur Reflexion und Verdichtung der Analyseergebnisse (je Zielkundensegment) Präsentation und Zusammenführung der zielkundenspezifischen Ergebnisse (Plenum)

Outcomes Sicherstellung einer gleichen Sichtweise zur Ausgangssituation und zu den Zielen der Geschäftsmodellinnovation („gleiche Sprache sprechen“) Reflektierte, verdichtete und weiterentwickelte Aussagen zu Kundenbedürfnissen, Zukunftsbild und Zielkundensegment Klare gemeinsame Sicht auf abgestimmte Zielkundesegmente inkl. der jeweiligen zentralen Kundenbedürfnisse sowie anzustrebenden Zukunftsbilder

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• Diskussion und Reflexion der Analyseergebnisse sowie Diskussion, Reflexion, Anpassung und Weiterentwicklung der Vision, des Bezugsrahmens und der Zielkundensegmente in Arbeitsgruppen moderiert durch die Facilitatoren. • Verdichtung der Ergebnisse der Gruppenarbeiten im Plenum moderiert durch einen Facilitator. • Darstellung des weiteren Vorgehens, eines allgemeinen Überblicks über die Elemente eines Geschäftsmodells, des Überblicks über den gesamten Geschäftsmodellinnovationsprozess, der zielkundenspezifischen Teams (Teammitglieder, Teamleader, Facilitator) durch den Projektleiter • Erarbeitung und Festlegung konkreter To Do’s durch einen Facilitator. • Workshopschließung durch einen Vertreter der obersten Leitung. Bei der Begrüßung sollten bereits die wichtigsten Analyseergebnisse und deren Interpretationen, die Vision, die Zielkundensegmente und vor allem die Notwendigkeit sowie Dringlichkeit der anstehenden Geschäftsmodellinnovation aufgezeigt werden. Die oberste Leitung sollte dabei überzeugend und nachvollziehbar ein gemeinsam gewolltes Zukunftsbild des Unternehmens und seiner Position im Ecosystem zeichnen. Die Vorstellung des Projektleiters, der Teamleader und Facilitatoren soll ihnen den Einstieg erleichtern und ihre Akzeptanz fördern. Am besten präsentieren die Experten, die die Analysen durchgeführt haben, die Analyseergebnisse. Eine Projektion auf das Unternehmen und Interpretation Richtung Bedeutung für die Geschäftsmodellinnovation ist dabei von zentraler Bedeutung. Nach der Präsentation sollen die Workshopteilnehmer Verständnisfragen zu den getroffenen Aussagen der Experten stellen. Die Experten versuchen, basierend auf den Analyseergebnissen, klärende Antworten zu geben. Die eigentliche Diskussion und Verdichtung sollte erst nach Präsentation der Vision und der Zielkundensegmente stattfinden. In einigen begleiteten Geschäftsmodellinnovationsprozessen hat sich einleitend bzw. ergänzend zur Präsentation der Analyseergebnisse ein Zukunftsvortrag zu relevanten Themen, Entwicklungen und Trends bewährt. Mögliche Themen zum Zukunftsvortrag könnten sein: Digitale Transformation der Wirtschaft, Beispiele disruptiver Geschäftsmodelle, absehbare Trends und Entwicklungen, neue Technologien, relevante Änderungen in der Gesellschaft oder zukünftige Kundenerwartungen. Bezugnehmend auf die Analyseergebnisse sollten als nächstes detailliert und nachvollziehbar die Vision, der Bezugsrahmen und die Zielkundensegmente durch den Projektleiter oder ein Mitglied der obersten Leitung präsentiert werden. Die Diskussion und Reflexion der Analyseergebnisse, der Vision, des Bezugsrahmens und Zielkundensegments sollten in zielkundenspezifischen Arbeitsgruppen entsprechend der bereits definierten Teams pro Zielkundensegment stattfinden. Folgende Fragen könnten die Gruppenarbeit je Zielkundensegment leiten:

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• Welche zukünftigen Entwicklungen (Änderung Kundenbedürfnisse, neue Technologien, Wettbewerbsdruck, gesetzliche Rahmenbedingungen, …) werden einen wesentlichen Einfluss auf unser Zielkundensegment haben? • Welche Chancen sehen wir für unsere Zukunft im Zielkundensegment? Welche Chance wollen wir nutzen und wie können wir sie nutzen? • Welche Gefahren und Risiken sehen wir für die Zukunft im Zielkundensegment? Wie können wir die Gefahren vermeiden und die Risiken reduzieren? • Wie sieht unser gewünschtes Bild der Zukunft (z. B. in fünf Jahren) aus? Wie sieht unser Zielkunde aus? Was sind die relevanten wettbewerbsentscheidenden Kundenbedürfnisse? Wie sieht unser Wertangebot an die Zielkunden aus? Welche Position im Ecosystem wollen wir einnehmen? Warum sind wir besser als der Mitbewerber? • Deckt sich unser zielkundenspezifisches Zukunftsbild mit der im Plenum präsentierten Vision. Bei Nicht-Deckung: Wie können wir eine Kompatibilität zwischen dem zielkundenspezifischen gewünschten Zukunftsbild und der Vision herstellen (auch die Vision darf hinterfragt und weiterentwickelt werden)? Nach Diskussion obiger Fragen und Dokumentieren der Ergebnisse sollte jedes Teammitglied für sich alleine folgende Fragen beantworten bzw. Aufgaben erledigen: • Nenne die drei umsatzhöchsten Kunden aus dem Zielkundensegment. • Nenne die drei am stärksten im Umsatz wachsenden (eventuell auch neue) Kunden aus dem Zielkundensegment. • Nenne die drei Kunden, die die höchste Affinität (Erfahrung, Kompetenz, Vorreiterrolle, …) zu den relevanten zukünftigen Entwicklungen aufweisen. • Zähle Kundeneigenschaften auf, die für das Kundensegment charakterisierend und definierend sind (wenn ein Kunde all diese Eigenschaften hat, ist er zwingend Teil des Zielkundensegments). • Zähle Kundeneigenschaften auf, die für das Kundensegment ausschließend sind (wenn ein Kunde diese Eigenschaft aufweist, ist er nicht zum Zielkundensegment gehörig). Nach schriftlicher Einzelbeantwortung werden in der Gruppe alle Antworten zusammengetragen, diskutiert und auf Übereinstimmung bzw. Widersprüchliches geprüft. Für die ersten drei Fragen sollte nur überprüft werden, ob die gesamte Gruppe die genannten Kunden als Zielkunden des Zielkundensegments sieht. Tatsächliche Umsatzhöhe, Wachstumspotenzial oder Affinität zu den relevanten Zukunftsthemen ist nicht entscheidend – wichtig ist nur, dass es sich grundsätzlich um für die Zukunft wichtige Kunden handelt und sie auf jeden Fall als Zielkunden für das entsprechende Zielkundensegment gesehen werden. Basierend auf allen genannten Eigenschaften sollte die Gruppe gemeinsam festlegen, welche Kundeneigenschaften für das Zielkundensegment definierend und welche ausschließend sind. Nach dieser Festlegung prüfen Sie in der Gruppe, ob alle vorher fixierten Zielkunden des Zielkundensegments alle definierenden Eigenschaften erfüllen und ob

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kein Zielkunde eine ausschließende Eigenschaft aufweist. Wenn es einen Zielkunden gibt, der die definierenden Eigenschaften nicht erfüllt oder es einen Zielkunden gibt, der eine ausschließende Eigenschaft besitzt, sind die Eigenschaften anzupassen oder die dem Zielkundensegment zugeordneten Kunden anzupassen. Zusammengefasst sind in der Gruppe folgende Fragen im Konsens und kompatibel zueinander zu beantworten: • Wer sind die wichtigsten (weil umsatzstark, weil im Umsatz stark wachsend, weil eine hohe Affinität zu den wesentlichen zukünftigen Entwicklungen) Zielkunden im Zielkundensegment? • Was sind charakterisierende bzw. definierende Eigenschaften aller Kunden im Zielkundensegment? • Weisen die oben genannten Zielkunden diese charakterisierenden bzw. definierenden Eigenschaften auf? Widerspricht kein Zielkunde mit seinen Eigenschaften den obigen charakterisierenden bzw. definierenden Eigenschaften? (Diese beiden Fragen müssen einstimmig mit JA zu beantworten sein). • Was sind die vom Kundensegment ausschließenden Eigenschaften? • Weist irgendein oben genannter Zielkunde irgendeine ausschließende Eigenschaft auf? (Diese Frage muss einstimmig mit NEIN beantwortet werden). Als Resultat dieses Diskussions- und Abstimmungsprozesses in der Arbeitsgruppe sollte eine klare und umfassende Definition des Zielkundensegmentes vorliegen sowie exemplarisch für die Zukunft relevante Zielkunden zugeordnet sein. Aus diesen Zielkunden werden wir später Repräsentanten zur Validierung des Geschäftsmodells auswählen. Nach Abschluss der parallel laufenden zielkundenspezifischen Gruppenarbeiten werden die Ergebnisse der Gruppenarbeiten im Plenum präsentiert und diskutiert. Widersprüchliches sollte identifiziert und aufgelöst werden. Ziel dabei ist, ein gemeinsam geschärftes Bild der Vision, das zu allen zielkundenspezifischen Visionen kompatibel ist, zu entwickeln und ein gemeinsames Verständnis über alle Zielkundensegmente (inkl. der wesentlichen Kundenbedürfnisse und zielgruppenspezifischen Zukunftsbilder) zu erhalten. Aus gesamter Unternehmenssicht ist zu überprüfen, ob die Zielkundensegmente überschneidungsfrei sind und vollständig die Gesamtheit der Zielkunden beschreiben. Eine Darstellung des weiteren Vorgehens, der Eckpunkte eines Geschäftsmodells sowie des vorgesehenen Geschäftsmodellinnovationsprozesses durch den Projektleiter runden den inhaltlichen Teil des Initiierungs-Workshops ab. Zum Schluss müssen nur noch konkret die nächsten Aufgaben (Wer macht was bis zum nächsten Workshop?) festgelegt werden. Durch Sichtung der Themenspeicher sowie Zuweisung der Themen, Abarbeitung der Resonanztafel und Beachtung der Task-Kanban werden Aufgaben bis zum nächsten Workshop sichtbar. Zusätzlich sollten folgende Aufgaben bis zum nächsten Workshop erledigt werden:

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• Kommunikation der Vision, der Notwendigkeit sowie der Dringlichkeit der Geschäftsmodellinnovation, der Chancen (die wir nutzen wollen) und der Gefahren bzw. Bedrohungen, die wir abwehren müssen (beachten Sie dazu die Machtfeldanalyse bzw. Stakeholderanalyse); • Dokumentation und Zuordnung aller Zwischenergebnisse bzw. alles Verwertbaren zu den jeweiligen Geschäftsmodellelementen jeweils bezogen auf das spezifische Zielkundensegment (unter Berücksichtigung des Kap.  „Geschäftsmodell“ und der Methode „Fünf Flipcharts“); • Überprüfung der Zielkundensegmente auf Klarheit, Vollständigkeit und Überschneidungsfreiheit (nutzen Sie dazu die empfohlenen Methoden im Abschn. „Nachbereitungsarbeiten zur Initiierung“); • Auflistung, Gruppierung und Bewertung aller kritischen Gegenstimmen (z. B. von Gegnern im Vorfeld zum Workshop geäußert oder während des Workshops artikuliert) (siehe dazu die empfohlenen Methoden im Abschn. „Nachbereitungsarbeiten zur Initiierung“); • Geschäftsmodell-Bausteine auf das Unternehmen beziehen (siehe dazu die empfohlenen Methoden im Abschn. „Vorbereitungsarbeiten zur Ideengenerierung“ auf Seite 109).

To Be Answered – Initiierungs-Workshop

1 . Wie sieht unsere gemeinsame Vision der Geschäftsmodellinnovation aus? 2. Welche Chancen für die Zukunft sehen wir? Welche davon wollen wir wie nutzen? 3. Welche Bedrohungen, Gefahren und Risiken sehen wir? Wie können wir die Bedrohungen, Gefahren und Risiken abwehren oder zumindest schwächen? 4. Wer sind unsere Zielkunden und wie sind unsere Zielkundensegmente definiert? 5. Haben wir die Aufgaben bis zum nächsten Workshop klar definiert und sinnvoll sowie machbar verteilt?

Nachbereitungsarbeiten zur Initiierung Die Nachbereitungsarbeiten dienen vor allem der nochmaligen möglichst zielkundennahen Überprüfung der (Zwischen-)Ergebnisse und der Dokumentation sowie Kommunikation. Die im Workshop festgelegten Aufgaben (Task-Kanban) sind zu erledigen. Sollte im Workshop die Zuweisung der Themen im Themenspeicher nicht (vollständig) durchgeführt worden sein, dann ist der Themenspeicher vom Projektleiter zu sichten und die Themen sind unter eventueller Beiziehung weitere Kollegen vollständig zuzuweisen. Die getroffenen Zuweisungen müssen spätestens beim nächsten Workshop kommuniziert werden. Für die Überprüfung der Zielkundensegmente geben wir ein paar methodische Hinweise. Eine qualitative Methode dazu ist nach Ausformulierung aller Zielkundensegmente

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

ausgewählten (internen, externen, Zielkunden, Schlüsselpartnern) Experten und Marktkennern, die nicht im Workshop involviert waren, die ausformulierten Zielkundensegmente vorzulegen und nachfolgende Fragen zur qualitativen Evaluierung der Zielkundensegmenten durchzugehen: • Haben Sie zu den vorgelegten Zielkundensegmenten Verständnisfragen? Die Verständnisfragen sollten im Gespräch beantwortet werden und zur klareren bzw. verständlicheren Formulierung der Zielkundensegmente herangezogen werden. • Nennen Sie zu jedem Zielkundensegment drei Kunden, die dazu gehören (werden) und drei Kunden die nicht dazu gehören? Wenn die Antworten nicht Ihrer Zuteilung entsprechen, versuchen Sie den Grund der unterschiedlichen Zuordnung zu verstehen und setzen Sie das in einer verbesserten Definition der Zielkundensegmente um. • Welche Kundenbedürfnisse sehen Sie in den jeweiligen Zielkundensegmenten? Welche Wertangebote (Produkte, Dienstleistungen) mit welchen Eigenschaften, Ausprägungen, Funktionen, … erwarten sich die Kunden des Zielkundensegments? Dies dient zur Vorbereitung der nächsten Frage und ist ein wertvoller Input für die Entwicklung des Nutzenversprechens im nächsten Workshop. • Sind aus Ihrer Sicht die Kundenbedürfnisse und die erwarteten Wertangebote innerhalb eines Zielkundensegments homogen oder heterogen? Wenn eine hohe Heterogenität vorliegt, ist die grundsätzliche Struktur der Zielkundensegmente in Frage zu stellen. • Welche relative Bedeutung der Zielkundensegmente sehen Sie bezüglich Umsatz, Kosten und Gewinnbeitrag (pro Zielkundensegment % vom Umsatz, % von Gesamtkosten bzw. % vom Gewinn) jetzt und in fünf Jahren. Haben alle Zielkundensegmente ein ausreichendes Potenzial? • Sehen Sie weitere (neue) Zielkundensegmente mit hohem Zukunftspotenzial, die zur Ausrichtung des Unternehmens passen? Eine quantitative Überprüfung sollte die qualitative ergänzen. Im Zuge der quantitativen Evaluierung der Zielkundensegmente werden die 20 % der umsatzstärksten Kunden herangezogen. In der Regel sollten diese Kunde gemeinsam einen relevanten Umsatzanteil (ca. 60 %–90 %) aufweisen. Jeder dieser Kunden wird einem Zielkundensegment zugeordnet. Wenn bei der Zuordnung Schwierigkeiten (nicht klar in welches Zielkundensegment der Kunde zuzuordnen ist) auftauchen, werden diese dokumentiert. Alle Zuordnungsschwierigkeiten werden analysiert und daraus Schlüsse zur Verbesserung der Zielkundenstruktur bzw. der ausformulierten Definitionen gezogen. Kann ein Kunde nicht zu einem Zielkundensegment zugeordnet werden, hätten wir für einen umsatzstarken Kunden kein Zielkundensegment und dieser Kunde würde in der Folge keine Berücksichtigung in der Geschäftsmodellinnovation finden. Wenn sich zwei oder mehrere Zielkundensegmente für einen Kunden anbieten, ist zu überprüfen, ob die Formulierungen der Zielkundensegmente zu verbessern sind, die grundsätzliche Struktur der Zielkundensegmente zu ändern ist oder ob ein Kunde tatsächlich situativ unterschiedlichen Zielkundensegmenten zuzuordnen ist. In einer differenzierten Welt werden vermehrt Kundensegmente

Initiierung

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im strikten Sinn (nämlich ein Kunde – als juristische Person verstanden – muss genau einem Zielkundensegment zugeordnet sein) nicht mehr zweckmäßig sein. Ein Zielkundensegment kann zu einem „Zielkundensituationssegment“ mutieren: Zielkunden kombiniert mit Zielsituationen ergeben das Zielsegment für das das Nutzenversprechen erarbeitet wird und worauf aufbauend die Kanäle, die Beziehungen, die Wertschöpfungsstruktur sowie die Ertragsmechanik ausgelegt werden. Wenn in diesem Sinn das Zielsegment verstanden wird, sprechen wir der Einfachheit halber vom Zielkundensegment. Gemeint sind dabei die Zielkunden in einer spezifischen Zielsituation, die genau und definierend bei der Beschreibung des Zielkundensegments darzustellen ist. Aus Sicht der Wertkommunikation kann in solchen Fällen (ein Kunde kann bewusst mehreren Zielkundensegmenten zugeordnet sein) ein unterschiedliches Marktauftreten bis hin zu einer Mehrmarkenpolitik sinnvoll sein. Beispiel „Zielkundensituationssegment“

Ein Hersteller von Laserschneidmaschinen hat zwei Zielkundensegmente: Zielkundensegment I, vereint alle Kunden, die schnell zu geringen Kosten eine Standard-­Universal-­ Laserschneidmaschine mit standardisierten Anbaumodulen (Plattenzuführung, Werkstückentnahme, …) erwerben und in Betrieb nehmen wollen. Zielkundensegment II vereint alle Kunden, die eine prozess- und bauteiloptimierte Gesamtlaserschneideanlage kundenspezifisch entwickelt bzw. geplant haben wollen. Die quantitative Evaluierung der Zielkundensegmente wird mit hoher Sicherheit einige Kunden (als juristische Person gesehen) identifizieren, die in beide Zielkundensegmente fallen. Wenn konsequent nicht nur der Kunde als juristische Person, sondern auch die Situation gesehen wird, kann obige Zielkundensegmentierung sehr sinnvoll sein: Segment I benötig ein völlig anderes Nutzenversprechen, Kundenbeziehung, Produktentwicklungsprozess, … als das Zielkundensegment II.  Zur Erleichterung der Wertkommunikation könnte für Zielkundensegment I die Marke „Laserkatalog“ und für Zielkundensegment II die Marke „Individuallaser“ entwickelt werden. ◄ Bei der quantitativen Evaluierung der Zielkundensegmente sollen auch andere Kriterien als der Umsatzanteil herangezogen werden. Zur Erhöhung des Fokus auf EBIT-­ Steigerung könnte Gewinnmarge oder Deckungsbeitrag pro Kunde geeigneter sein als Umsatz. Zur Sicherstellung der Zukunftsorientierung könnte bei der Selektion der 20 % der wichtigsten Kunden die Affinität des Kunden zu zukünftigen Entwicklungen oder die erwarteten Umsätze in 5 Jahren besser geeignet sein als der aktuelle Umsatz. In vielen Projekten hat sich ein Mischansatz zur Fixierung der Kunden für die quantitative Evaluierung der Zielkundensegmente bewährt: 15 % der umsatzstärksten aktuellen Kunde, 5 % der höchsten relativen Umsatzmarge (das könnten und werden auch in vielen Fällen sehr umsatzschwache Kunden sein, Umsatzwachstum würde sich dort überproportional EBIT-erhöhend auswirken) und zusätzlich die (zukünftigen) Kunden mit dem höchsten Wachstumspotenzial. Neue noch nicht existierende Zielkunden können schwierig in die

122

Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

quantitative Evaluierung miteinbezogen werden – die Überprüfung der neuen (vielleicht sogar noch unbekannten) Zielkunden sollte deshalb vor allem über die qualitative Evaluierung und über direkte Gespräche mit potenziellen neuen Zielkunden sowie ausgewiesene Marktkennern erfolgen. In der Vorbereitung zur Initiierung sind Gegenstimmen, Gegenargumente, Nachteile, Befürchtungen, Ängste, Risiken, Gefahren, … usw. zur anliegenden Geschäftsmodellinnovation geäußert worden. Besonders wichtige Quellen dazu sind die Aussagen der einflussreichen Gegner (siehe Kraftfeldanalyse) und Kommentare auf der Resonanztafel. Zu allen bekannten „negativen“ Stimmen empfiehlt sich folgende Reflexionsanalyse: Listung bekannter „negativer“ Stimmen gegen die Geschäftsmodellinnovation und Gruppierung in die drei Gruppen: sachlich relevant, emotional relevant, sachlich nicht nachvollziehbar oder nicht relevant (siehe dazu auch die Einträge in der Resonanztafel und die geäußerten Bedenken der Gegner sowie Bedenkenträger der Geschäftsmodellinnovation) Bearbeitung der sachlich relevanten Stimmen Argumente, Aussagen, Rahmenbedingungen, … genau verstehen lernen Prüfung ob etwas (gesehenes gewünschtes Zukunftsbild, Zielkundensegmente, Geschäftsmodellelement, …) auf Grund der sachlich relevanten Stimme anzupassen oder zu ändern ist Erarbeitung von nachvollziehbaren Gegenargumenten, um die „negative“ Stimme in eine „positive“ Stimme zu transferieren Inhaltlicher und persönlicher Austausch mit dem Einbringer der sachlich relevanten Stimme Bearbeitung der emotional relevanten Stimmen (Persönliche) Situation des Einbringers der Stimme genau verstehen lernen Prüfung ob etwas (Organisation, Kommunikation, Kultur, …) auf Grund der emotional relevanten Stimme anzupassen oder zu ändern ist Erarbeitung von Maßnahmen zur Umpolung der negativen Emotion in eine positive Emotion Persönlicher Austausch mit dem Einbringer der emotional relevanten Stimme Bearbeitung der sachlich nicht nachvollziehbaren oder nicht relevanten Stimmen Aussagen und (persönliche) Situation des Einbringers genau verstehen lernen und Überprüfung der getroffenen Zuteilung Bei korrigierter Neuzuordnung: Bearbeitung nach „sachlich relevant“ oder „emotional relevant“ durchführen

Ideengenerierung

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Bei Bestätigung der Zuordnung: Prüfung ob in der Kommunikation die geäußerten Aspekte berücksichtigt werden sollen Die Reflexionsanalyse sollte vor allem auch verwendet werden, um die Vision, gesehene Chancen und festgestellte Bedrohungen zu reflektieren und gegebenenfalls beim nächsten Workshop nochmals zu „kneten“. Bei der Zuteilung ist die Relevanz besonders wichtig. Eine „negative“ Stimme eines einflussreichen bzw. mächtigen Gegners ist immer als relevant einzustufen. Sollten die geäußerten Aussagen eines mächtigen Gegners inhaltlich nicht nachvollziehbar oder falsch sein, so sollte diese Stimme als emotional relevant eingestuft werden. Die Durchführung der Reflexionsanalyse sollte vom Projektleiter koordiniert werden. Die Bearbeitung der Reflexionsanalyse kann entweder vom Vorgesetzten, von einem Themenverantwortlichen oder einem kleinen Team durchgeführt werden. Bei der Kommunikation und Abstimmung mit den Einbringern sind auf jeden Fall die aufbau- und ablauforganisatorischen Gegebenheiten des Unternehmens zu berücksichtigen. Der persönliche Austausch sollte bei sachlich relevanten Stimmen von einem ausgewiesenen und akzeptierten Experten und bei emotionalen Stimmen von einer persönlich geschätzten integren Person durchgeführt werden. To Be Answered – Nachbereitung zur Initiierung

1. Haben wir die Vision, die zu nutzenden Chancen und alle Gefahren, Bedrohungen und Risiken marktnahe überprüft? 2. Haben wir die Zielkundensegmente zielkundennahe überprüft? 3. Haben wir ausreichend die Zukunft antizipiert und neue Zielkunden entsprechend in den Zielkundensegmenten berücksichtigt? 4. Haben wir über Kommunikation, Einzelgespräche und Einbindung aus Gegnern/ Blockers Befürworter/Sponsors gemacht? 5. Haben wir ausreichende Kenntnisse über die (vom Zielkunden gesehenen) Kundenbedürfnisse?

Ideengenerierung Hauptziel der Ideengenerierung ist es, ohne an die vorherrschende Geschäftslogik zu denken, zukunftsträchtige Ideen zur Absicherung des nachhaltigen Geschäftserfolges zu identifizieren und konzeptionell stimmig zu einem ersten Geschäftsmodellentwurf zusam­ menzufassen. Die Ideengenerierung (siehe Abb.  12) sollte sich an folgender Reihung orientieren, siehe Johnson et al. (2008): Wert für den Kunden schaffen, Wert für das Unternehmen schaffen und dann erst die für die Wertschaffung erforderliche Wertschöpfungsstruktur im Detail gestalten. Nach Frankenberger et al. (2013) sind vor allem drei mögliche Hindernisse in der Phase Ideenfindung zu meistern: existierende Widerstände das aktuelle Geschäftsmodell in

124

Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Bausteine Ideengenerierung durch Kreativitätsmethoden

1

Zielkunden Wertschöpfungsstruktur

Nutzenversprechen Ertragsmechanik

Abb. 12  Schritt (1) Ideengenerierung

Frage zu stellen bzw. zu ändern (diese Widerstände sollten durch die Initiierungsphase gebrochen sein), nicht in der Logik von Geschäftsmodellen zu denken und keine geeignete Umgebung und Methoden zur Entfaltung der Kreativität. Die empfohlenen Schulungen der Schlüsselpersonen des Geschäftsmodellinnovationsprozesses und das vorliegende Vorgehensmodell mit den dazugehörigen Methoden soll sicherstellen, dass in der Logik von Geschäftsmodellen gearbeitet wird und geeignete Kreativitätsmethoden zum Einsatz kommen.

Vorbereitungsarbeiten zur Ideengenerierung Nach Gassmann et al. (2015) lassen sich konkrete Geschäftsmodelle auf ein paar wenige Bausteine (Grundmuster) zurückführen. In Summe hat Gassmann et al. (2015) 55 Bausteine identifiziert. Geschäftsmodell-Bausteine sollen drei Eigenschaften aufweisen: Der Baustein unterstützt bei der Lösung eines relevanten Problems, siehe Abdelkafi et  al. (2013), der Baustein bezieht sich nur auf ein wesentliches Thema (damit sind mehrere Bausteine miteinander zu verweben, um umfassend ein Unternehmen abbilden zu können), siehe Weill und Vitale (2001), und der Baustein ist allgemein (nicht firmenspezifisch, nicht branchenspezifisch) formuliert, siehe Amshoff et  al. (2015). In einem aktuelleren Review haben Remane et al. (2017) in Summe 356 Geschäftsmodell-Bausteine identifiziert und nach entsprechender Filterung auf 182 reduzieren können. Durch geeignete Kombination von etwa zwei bis fünf Bausteinen kann ein konkretes Geschäftsmodell geformt werden. Die Bausteine können als Ideengeber für die Geschäftsmodellinnovation herangezogen werden. In der Tab.  3 wird ein Überblick über die 55 Geschäftsmodell-­ Bausteine nach Gassmann et al. (2015) gegeben. Bei Interesse an weiteren 127 zusätzlichen

Schwierige Neukundenakquisition, (neue) Marktpotenziale werden nicht ausgeschöpft, hoher Wettbewerbsdruck Geringe Umsätze wegen nicht marktdynamischer Preise, fehlende Referenzpreise, schwer abschätzbarer Absatz Keine Kundendaten, ungenutzte überschüssige Ressourcen, hohe Kosten, unbekannte Marke, schwierige Neukundenakquisition Schlechte Liquidität, geringe Investitionskraft, hohe Kapitalkosten Geringer Umsatz, enges Nutzenangebot, Marktpotenziale werden nicht ausgeschöpft, ungenutzte Ressourcen bzw. Kanäle, geringe Kundenbindung Schwierige Finanzierung, hohe Investitionskosten Hohe Entwicklungskosten, wenig Kundendaten, wenig Informationen über die Kundenbedürfnisse, geringe eigene Innovationskraft

Potenziale Geringe Preise, geringe Margen, geringe Personalisierung der Produkte bzw. Dienstleistungen, schwache Kundenorientierung, divergierende Kundenanforderungen Schwache Kunden- oder Auftragsakquisition, hohe Vertriebskosten, geringes Umsatzwachstum

Crowdfunding Crowd Sourcing

Cross Selling

Cash Machine

Barter

Auction

(Fortsetzung)

x x Finanzierung durch private Kleinanleger x x Lösung einer Aufgabe/Problem wird durch eine anonyme Masse erledigt

x Produkt bzw. Dienstleistung wird an den Höchstbietenden verkauft x x Tauschgeschäfte ohne Geldflüsse z. B. Windeln werden der Geburtenstation gegen Adressen der Jungeltern bereitgestellt (entgeltloses Kompensationsgeschäft) x x Negativer Cash to Cash Cycle (Einnahmen früher, Ausgaben später) x x x Erweiterung des Angebotes um komplementäre Produkte/Dienstleistungen

x

x x Dritte (Affiliate) werden für Zuführung neuer Kunden genutzt und erfolgsorientiert (z. B. Kunde hat gekauft) entlohnt x x x Eigenes Angebot ist diametral zur Konkurrenz (zur vorherrschenden Branchenlogik)

Affiliation

Aikido

A B C D Beschreibung x x Günstiges Basisangebot kann durch teure Extras erweitert werden

Name Add-on

Tab. 3  55 Bausteine eines Geschäftsmodells nach Gassmann et al. (2015) ergänzt um Probleme bzw. Potenziale, die durch die Bausteine adressiert werden können

Ideengenerierung 125

Schwache Kundenbindung, hohe Umsatzvolatilität, geringer Marktanteil, Kunde hat schwache Kostenkontrolle, geringe Absätze Hohe Investitionskosten, keine hohe Auslastung kostenintensiver Assets, wenig neue Kunden, schwaches (Nachhaltigkeits-)Image

Potenziale Geringe Kundentreue, geringe Umsätze, keine Kundendaten, ineffiziente Werbung Geringe Effizienz, geringe Personalisierung bzw. Individualisierung der Produkte bzw. Dienstleistungen, unzureichende Erreichbarkeit, kein Endkundenzugang, keine Kundendaten, lange Kundenauftragsabwicklungs-­ zeiten Kein direkter (End-)Kundenzugang, hohe Vertriebskosten, geringe Umsätze, schwache Beratungsleistung für den Kunden, wenig Informationen über den Kunden Hohe Kosten für Wertkommunikation, Wertlieferung und Wertschöpfungsstruktur, schlechte Verfügbarkeit für den Kunden, geringe Transparenz für den Kunden, lange Kundenauftragsabwicklungszeit, wenig Informationen über den Kunden Geringe Umsätze, schwache Differenzierung, schwaches Image, schwache Wertkommunikation, geringes Kundeninvolvement

Tab. 3 (Fortsetzung)

x x x Die mit dem Angebot verbundenen Eindrücke/ Erlebnisse des Kunden stehen im Mittelpunkt (Emotionalisierung von Produkten sowie Dienstleistungen) x x Pauschalpreis für unbegrenzte Menge/Leistung

Experience Selling

Fractionalized Ownership

x x x x Geteilter Erwerb eines Objektes innerhalb einer Gemeinschaft von Eigentümern

x x x Traditionelle Produkte/Dienstleistungen werden über Online-Kanäle angeboten

E-Commerce

Flatrate

x x x Verkauf direkt durch den Erzeuger (ohne Handel)

A B C D Beschreibung x x Belohnung der Kundentreue durch Bonusprogramme oder Mitgliedschaft in honorigen Membership-Gruppen x x Bestehende Produkte/Dienstleistungen/ Auftragsabwicklungsprozess als digitale Variante anbieten

Direct Selling

Name Customer Loyality Digitalization

126 Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Geringe Know-how Verwertung, geringe Verwertung der Eigentumsrechte, Ineffizienzen in der Wertschöpfungsstruktur (die als Spezialist reduziert werden können)

Ineffiziente Wertschöpfung, langsame Reaktion auf Marktänderungen, geringe Endkundenkenntnisse, hohe Abhängigkeit von Partner

Geringe Attraktivität des Produktes, geringe Preise, geringer Absatz, hohe Qualität wird vom Kunden nicht wahrgenommen

Hohe Ausfallkosten (beim Kunden), schlechte Kundenbindung, geringe Preise Geringer Umsatz, geringe EBIT-Beiträge,

Potenziale Franchisegeber: langsame Expansion, hoher Aufwand Marktanteile zu gewinnen, hohe Vertriebskosten Franchisenehmer: keine erfolgsversprechende Geschäftsidee verfügbar, hohe Entwicklungskosten, keine bekannte bzw. starke Marke Geringe Marktanteile, wenig Kunden bzw. Mitglieder, schlechte Kundentreue, schwaches Kundenerlebnis Geringe Kundenorientierung, lange Lieferzeiten, hohe Bestände x x

From Push to Pull

x Basisangebot gratis, Premiumversion kostenpflichtig

(Fortsetzung)

Flexible Prozesse zur Sicherstellung, dass der Kunde im Mittelpunkt ist (Make to Order, Engineer to Order, Open Innovation, …) Guaranteed x x x Verfügbarkeitsgarantie auf ein Produkt oder eine Availability Dienstleistung. Der Kunde zahlt für die Verfügbarkeit Hidden Revenue x x x x Wesentlicher Umsatzträger ist die „Werbefläche“ am „verkauften“ Produkt/Dienstleistung Ingredient x x Markenbildung für ein Produkt (Merkmal des Branding Endproduktes, z. B. Teflon, Gore-Tex oder intel inside), das nur als Teil eines Endproduktes erworben werden kann Integrator x x Alle wesentlichen Wertschöpfungsaktivitäten werden in Eigenregie durchgeführt und dadurch höhere Margen erzielt bzw. höhere Unabhängigkeit von Lieferanten erreicht Layer Player x x Spezialisierung auf wenige Aktivitäten einer Wertschöpfungsstruktur und Verteilung der Wertangebote auf möglichst viele Branchen und Marktsegmente

x

A B C D Beschreibung x x x Entgeltliche kommerzielle Nutzung bzw. Bereitstellung von Geschäftsidee, Marke, Produkt und Corporate Identity

Freemium

Name Franchising

Ideengenerierung 127

Name Leverage Customer Data

Open Business Model Open Source

Geringe Effizienz, keine relevanten Marktanteile in wachsenden Märkten, ungenutzte Chancen

Geringe Kundenorientierung, hohe Entwicklungskosten, hohe Herstellerabhängigkeit, geringes Umsatzwachstum, hohe (Entwicklungs-)Risiken

x

x x

x

Mass Customization

Preisbewusste Kunden werden nicht angesprochen, wenig No Frills neue Kunden, geringer Marktanteil, hohe Kosten

x

Make more of it

Ungenutztes Know-how, ungenutzte Ressourcen, geringer Umsatz, wenig neue Kunden Zu geringe Individualisierung, zu hohe Kosten individualisierter Produkte, geringe Kundenbindung, geringes Umsatzwachstum

x

Long Tail

x x Hohe Wechselkosten (technisch, vertraglich, erfolgte hohe Investition, …) zu anderen Anbietern sicherstellen x x Hauptumsatz basiert auf vielen Exotenprodukten mit jeweils geringen Mengen und Margen, z. B. Amazon x x Eigene interne Fähigkeiten/Ressourcen werden für externe Dienstleistungen bereitgestellt x x Individuelle Anpassung (durch Modularisierung, Digitalisierung, kundennahe Individualisierung, …) eines Produktes/Dienstleistung zu Massenfertigungskosten x x Produkt/Dienstleistung enthält nur das Allernotwendigste (häufig hochstandardisierte Angebote)- Kosteneinsparung wird geteilt x x Die Zusammenarbeit (z. B. in Forschung und Entwicklung, Offene Plattformen, …) mit Partner ist Hauptträger der Wertschöpfung x x Entwicklung eines Produktes durch eine öffentliche Community. Zusätzlicher Umsatz bzw. Hauptumsatz wird durch komplementäre Dienstleistungen (Beratung, Support, Bereitstellung Verbrauchsmaterial, …) zum open entwickelten Produkt gemacht

A B C D Beschreibung x x Sammeln und gewinnbringende Verwertung von Kundendaten (Daten-Verkauf an Dritte, gezielte personalisierte bzw. situative Werbung, datenbasierte Dienstleistungen, …) x x x Entwicklung von geistigem Eigentum und dessen lizenzierte Weitergabe (Verkauf von Nutzungsrechten)

Sehr viele ungenutzte Kleinstaufträge

Geringe Marktanteile, geringer Absatz, hohes Marktrisiko License (hohe Investition in Produktion und Vertrieb ohne sichere Umsätze), Ungenutztes Know-how, Marken, Ideen, … Geringe Kundenbindung Lock-in

Potenziale Nicht verwertete Daten, geringe Umsätze

Tab. 3 (Fortsetzung)

128 Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Rent instead of buy Revenue Sharing

Hohe Investitionskosten für den Kunden, geringes Absatzpotenzial, wenig neue Kunden Hohe Kundenakquisitionskosten, hohe Risiken, hohe Wertschöpfungskosten, geringer Marktanteil, fehlende strategische Partner Hohe Entwicklungskosten, hohe Produktkosten, preisbewusste Kunden werden nicht angesprochen Reverse Engineering

Performance Based Contracting Razor and Blade

Geringe Preistransparenz, geringe Kundenorientierung, nicht verwertetes Know-how (Prozesswissen), hohe Investitionskosten für den Kunden Schwacher Umsatz, geringe Preise, schwache Kundenbindung

x Umsatzbeteiligung von Partner zur Entlohnung von wertschöpfenden Tätigkeiten

x

(Fortsetzung)

x x x Analyse eines Produktes, einer Dienstleistung oder eines Geschäftsmodells eines Mitbewerbers und (kostengünstigerer) Nachbau des Produktes, der Dienstleistung oder Geschäftsmodells (Fast Follower)

x

Preis für eine Leistung (in der Regel eingeschränkt auf gewisse Produkte, Zeit, Neukunden, …) wird vom Kunden festgelegt (wegen sozialer Normen wird das selten ausgenutzt) Vermittler zwischen Privatpersonen mit dem Ziel sichere und effiziente Abwicklung von Transaktionen zwischen Privatpersonen bereitzustellen, z. B. Uber oder Airbnb Der Preis eines Produktes ermittelt sich aus der erbrachten Leistung für den Kunden (Extremvariante: Betreibermodell) Günstiges/kostenloses Basisangebot und teures notwendiges Komplementärprodukt/Verbrauchsmaterial (sollte mit Lock-in kombiniert werden) Produkt wird vom Kunden gemietet und nicht gekauft

Abrechnung erfolgt auf Basis der effektiven Nutzung des Produktes oder der Dienstleistung

x

x x x

x x x

x x x

x x

Pay what you want

Peer to Peer

x x

A B C D Beschreibung x x Konzentration auf Kernkompetenzen sowie Auslagerung aller anderen Aktivitäten und deren Koordination

Pay per use

Name Orchestrator

Wenig neue Kunden, nicht verwertete Ressourcen, Fähigkeiten und Eigentum privater Kunden

Potenziale Hohe Kosten, ineffiziente Bereiche außerhalb der Kernkompetenzen, geringe Innovationskraft, zu enges Wertangebot an die Kunden Geringe Preistransparenz, geringe Flexibilität, schwache Kundenorientierung, geringes Absatzpotenzial, hohe Investitionskosten für den Kunden Wenig neue Kunden

Ideengenerierung 129

Trash to Cash

Target to Poor

Subscription, auch: Abonnement Supermarket

x x x Wiederverwendung von gebrauchten Gütern

x x x Hohe Produktvielfalt bei gleichzeitig niedrigen Preisen wird angeboten x x x x Das Angebot richtet sich an die unteren Einkommen

x x x Anstatt eigenen Laden zu betreiben wird der Verkaufsraum innerhalb eines anderen Ladens eingerichtet (kann auch übertragen werden: z. B. Webshop im Webshop, Vertriebskanal im Vertriebskanal, …) x x x Das Angebot (Produkte, Dienstleistungen) ist eine Gesamtlösung für das Kundenproblem (Rundumwohlfühlpaket, Single Point of Contact) x x In regelmäßigen vertraglich definierten Abständen erfolgt Leistung und Bezahlung

Shop-in-Shop

Solution Provider

x x x Teil der Wertschöpfung wird auf den Kunden übertragen

Robin Hood

Schlechtes (soziales) Image, Luxuskunden haben schlechtes Gewissen, geringes Absatzwachstum, kein Umsatzwachstum in neuen (wachsenden) Märkten Hohe Wertschöpfungskosten, ineffiziente Wertschöpfung, zu hohe Preise, lange Kundenauftragsabwicklungszeit, geringe Kundenorientierung (Kunde designt selber sein eigenes gewünschtes Produkt) „Mieter“: Hohe Vertriebskosten, geringe Wahrnehmung durch den Kunden „Mieter“ und „Vermieter“: wenig neue Kunden, enges Wertangebot „Vermieter“: ungenutzte (Vertriebs)Ressourcen enges Wertangebot, Kunde wird nicht „entlastet“, Kundenproblem wird nicht gelöst, schwache Kundenorientierung, schwache Kundenbeziehung Schwache Kundenbindung, stark schwankende Umsätze, hoher Kostendruck, Kunden haben regelmäßigen Beschaffungsaufwand Geringe Absatzmengen, geringe Produktvielfalt, enges Wertangebot, hoher Kostendruck, wenig neue Kunden Kein Wertangebot für einkommensschwache/ preisbewusste Kunden, geringe Absatzmengen, geringes Wachstum, schlechtes (soziales) Image Schlechtes (Nachhaltigkeits-)Image, hohe Rohstoff- oder Ressourcenkosten, ungenutzter wertvoller Abfall

A B C D Beschreibung x x Einfache und preiswerte Produkte von Schwellenländern auf Industrieländer übertragen („reverse“ bezieht sich auf die Umkehr „Industrieland → Schwellenland“) x x x Gleiche Produkte/Dienstleistungen werden „Reichen“ teuer und „Armen“ billiger angeboten

Self-Service

Name Reverse Innovation

Potenziale Hoher Kostendruck, preisbewusste Kunden werden schlecht angesprochen

Tab. 3 (Fortsetzung)

130 Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Potenziale Aufwendig zu suchender Partner (Lieferant, Kunde, Problemlöser, Dienstleister, …) für unsere Kunden, geringe Kundenorientierung Wenig neue Kunden in der obersten Einkommensschicht, keine Wertangebot für die „Reichen“, geringe Umsatzmarge, geringes Wachstum in aufstrebenden Weltregionen z. B. BRIC (Brasilien, Russland, Indien und China) Infrastrukturanbieter: Ungenutzte Ressourcen, geringe Produktinnovationskraft, geringe Kundenorientierung „Designer“: hohe Investitionskosten, wenig Ressourcen, hohe Risiken Hersteller: hohe Vertriebskosten, geringe Absatzmengen, ungenutzte Ressourcen bzw. Kapazitäten, widersprüchliche Kundensegmente (Lösung: Zweimarkenstrategie z. B. billig und teuer) Vertreiber: fehlendes Know-how, nicht wettbewerbsfähige Herstellkosten x x

White Label

Hersteller erlaubt anderen Unternehmen (Vertreiber), die hergestellten Produkte unter ihren eigenen Markennamen zu verkaufen.

x x x Kunde selber erfindet und verkauft und wird dabei in seinem „unternehmerischen“ Tun durch z. B. Bereitstellung von Produktionskapazitäten oder Verkaufsplattform unterstützt

User Designed

A B C D Beschreibung x x x Eine Plattform bringt zwei Gruppen zusammen. Die Stärkung einer Gruppe korreliert mit der Stärkung einer anderen Gruppe Ultimate Luxury x x x x Das Angebot richtet sich an die obersten Einkommen (höchste Qualität, exklusive Privilegien, …)

Name Two-Sided Market

Ideengenerierung 131

132

Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Geschäftsmodell-Bausteinen sei auf Remane et al. (2017) verwiesen. Zusätzlich können die Geschäftsmodell-Bausteine auch verwendet werden, um das Ecosystem (Kunden, Lieferanten, Partner, Mitbewerber, …) und das Zusammenwirken der einzelnen Player besser zu verstehen, siehe Tuff und Wunker (2010). Die erste Spalte in nachfolgender Tabelle referenziert die Potenziale, die durch den Geschäftsmodellbaustein adressiert werden ­können. Zum Beispiel kann der Geschäftsmodell-Baustein Add-on helfen bei geringen Preisen bzw. geringen Margen die Ertragsmechanik zu verbessern. Die vier Spalten A, B, C und D beziehen sich auf A: Zielkundensegment, B: Nutzenversprechen, C: Wertschöpfungsstruktur und D: Ertragsmechanik. Ein „x“ in der jeweiligen Spalte bedeutet, dass der jeweilige Baustein wesentlich mit dem entsprechenden Hauptelement des Geschäftsmodells verbunden ist. In der Spalte Beschreibung wird der entsprechende Geschäftsmodell-­ Baustein kurz definiert bzw. erklärt. Zwei Bausteine können sich widersprechen oder sich sinnvoll ergänzen bzw. stärken. Bausteinen sollen so kombiniert werden, dass sie einander stärken und in Kombination mehr Kundennutzen stiften sowie mehr Wert für das Unternehmen schaffen als jeweils isoliert betrachtet. Zum besseren Verständnis der Geschäftsmodellbausteine und deren Zusammenwirken führen wir vier Beispiele erfolgreicher Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen an. Beispiel „IKEA“

Das Geschäftsmodell IKEA baut auf den Bausteinen Self-Service (Kunde plant selbst, holt die Ware aus dem Lager und montiert selbst die Möbelstücke), Experience Selling („IKEA-Emotion“ wie Selbstzusammengebautes ist mehr wert oder schwedischer Lebensstil), Cross Selling (Möbel und Accessoires, Freizeitprodukte, Geschirr, Pflanzen, Lebensmittel, …. können in einem Geschäft gekauft werden) und Mass Customization (kostengünstige Großserienfertigung von Modulen und persönliche Konfiguration sowie Montage des Möbelstücks durch den Kunden). Self-Service führt zu massiver Kostenreduktion im Vertrieb (Kunde plant bzw. konfiguriert seine Möbel selbst und holt die Ware auch selbst aus dem Lager), im Lager (nicht zusammengebaute Möbel benötigen weniger Platz) und in der Produktion (Montage entfällt). Experience Selling bei IKEA hat es geschafft, eine hohe Wertschätzung eigenhändig zusammengebauter Gegenstände sicherzustellen und schwedischen Lebensstil positiv und verkaufsfördernd zu positionieren. Durch Cross Selling hat der Kunde den Mehrwert, nicht nur Möbel, sondern die gesamte Breite an Wohnaccessoires an einer Stelle erwerben zu können. IKEA erhöht damit den Umsatz. Die Mass Customization erlaubt IKEA in Großserien zu geringen Fertigungskosten die Komponenten der modular aufgebauten Möbelstücke zu fertigen und zu verteilen. Der Kunde kann die Komponenten nach seinen Wünschen und Vorstellungen individuell kombinieren. Alle vier Bausteine sind so verwoben, dass sie sich positiv ergänzen, aufeinander aufbauen und einander stärken. ◄

Ideengenerierung

133

Beispiel „Würth“

Das Geschäftsmodell von Würth baut auf E-Commerce mit seiner B2B-Plattform kombiniert mit den intelligenten iBin Behältern, die über eine eigene Internetadresse verfügen, über Sensoren den Inhalt des Behälters kennen und bei Unterschreitung eines Mindestbestandes automatisch eine Nachbestellung auslösen, auf. Der Kundenprozess wird vom Push zu Pull und durch den Lieferanten automatisch erledigt (From Push to Pull). Als Solution Provider versorgt Würth seine Kunden nicht nur mit Schrauben, sondern mit allem was man für Befestigungssaufgaben benötigt inkl. Werkzeugen, Know-how und automatischer Bereitstellung der Verbrauchsmaterialien. ◄

Beispiel „Gillette“

Das Geschäftsmodell von Gillette baut auf den beiden Säulen Razor and Blade und Lock-in auf. Razor and Blade bedeutet, dass das Basisprodukt Rasierer (Klingenhalter) zu einem geringen und gleichzeitig das Verbrauchsprodukt Klinge zu einem hohen Preis an den Kunden verkauft wird. Durch die Lock-in Strategie stellt Gillette sicher, dass nur die teuren Wegwerfklingen von Gillette verwendet werden können. Die Klingen werden relativ kostengünstig als Massenware produziert und können mit hohen Margen abgesetzt werden. Der Klingenverkauf subventioniert den Rasierer, der teilweise unter Herstellkosten angeboten wird. ◄

Beispiel „Blacksocks“

Das Geschäftsmodell von Blacksocks basiert auf E-Commerce (die Blacksocks Produkte Socken, Hemden und Unterwäsche werden nur online angeboten und vertrieben), Cash Machine (Lieferanten werden erst bezahlt, wenn der Kunde schon bezahlt hat) und Subscription (Socken, Unterhosen, Hemden und T-Shirts werden in regelmäßigen Abständen an die Kunden verschickt). Kundenmehrwert wird dadurch geschaffen, dass der Kunde keinen Beschaffungsaufwand für das einfache aber schnell verschleißende Produkt Socken usw. hat. ◄ In Gassmann et al. (2015) werden Kreativitätsmethoden vorgestellt, die dabei helfen, aufbauend auf Geschäftsmodellbausteinen ein Grundkonzept des Geschäftsmodells zu entwerfen. Grundidee dabei ist, jeweils auf Basis bekannter und erprobter Muster neue erfolgsversprechende Geschäftsmodelle aufzubauen. Dazu werden drei Basisstrategien (auch in Kombination) verwendet: Wiederholen: Erfolgreicher bereits selber verwendeter Baustein wird für ein neues Angebot, ein neues Nutzenversprechen bzw. ein neues Kundensegment angewandt

134

Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Kopieren: Erfolgreicher Baustein von anderen Unternehmen (fremde Branche, Mitbewerber, Startups, …) wird auf das eigene Unternehmen übertragen Rekombination: Mindestens zwei erfolgreiche Bausteine werden zu einem neuen Geschäftsmodell verwoben. Die Identifikation und Kombination von Geschäftsmodellbausteinen kann durch die zwei Kreativitätsmethoden Ähnlichkeitsprinzip und Konfrontationsprinzip nach Gassmann et  al. (2015) unterstützt werden. Das Ähnlichkeitsprinzip besteht aus den vier Schritten: • Identifikation ähnlicher Branchen, • Auswahl von etwa sechs bis acht Grundmustern, die in ähnlichen Branchen erfolgreich angewandt werden, • Übertragung, Detaillierung, Adaptierung, Kombination und Ausscheidung ausgewählter Grundmuster auf das eigene Unternehmen (dabei können auch mehrere Varianten oder Kombinationen geformt werden), • Falls keine zufriedenstellende Idee für die Geschäftsmodellinnovation gefunden worden ist, wird ein erneuter Start mit der Identifikation ähnlicher Branchen (mit breiteren oder anderen Ähnlichkeitsmerkmalen) vorgeschlagen. Das Konfrontationsprinzip ist durch drei Schritte charakterisiert: • Schnelle intuitive oder „zufällige“ Auswahl von sechs bis acht Grundmustern, die sich jeweils von der (bestehenden) eigenen Branchenlogik grundlegend unterscheiden. • Jedem ausgewählten Grundmuster wird ein erfolgreiches Unternehmen, dessen Geschäftsmodell wesentlich auf das jeweilige Grundmuster aufbaut, zugeordnet. Anschließend wird für jede Firma die Frage beantwortet: „Wie würde diese Firma entsprechend ihrer Erfolgslogik unser Unternehmen umgestalten?“. • Falls keine zufriedenstellende Idee für die Geschäftsmodellinnovation gefunden worden ist, wird ein erneuter Start mit Auswahl neuer Muster vorgeschlagen. Zur Illustration der beiden Prinzipien ein paar Beispiele. Beispiel „IKEA auf Beleuchtungsfirma übertragen“

IKEA mit den vier Geschäftsmodellbausteinen Self-Service, Experience Selling, Cross Selling und Mass Customization übertragen auf ein Beleuchtungsunternehmen, dass für Privatkunden Beleuchtungssysteme anbietet, könnte unter Berücksichtigung der Digitalisierung wie folgt aussehen: IKEA würde die Beleuchtungssysteme modularisieren. Die Anzahl der Module ist überschaubar aber sehr vielfältig kombinierbar. Einzelne Module sind über Apps parametrisierbar. Durch die vielen Kombinationsmöglichkeiten der Module und durch die

Ideengenerierung

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Möglichkeit gewisse Module über Apps parametrisieren zu können, entstehen aus Kundensicht „personalisierte“ Beleuchtungssysteme. Durch einen Produktkonfigurator wird das Erstellen der personalisierten Beleuchtungssysteme (Kombinieren von Modulen und Setzen von Parametern) unterstützt. Der Produktkonfigurator und die App regen die Kreativität der Kunden an und erzeugen ein positives Gefühl (ich gestalte mir meinen individuell beleuchteten Raum – da fühle ich mich sicher richtig wohl). Der Konfigurator wird online bereitgestellt und durch das Scannen des eigenen Raumes mit dem Smartphone können unterschiedliche Beleuchtungssysteme und deren Wirkung auf die Raumsituation simuliert und visualisiert werden. Das individuell konfigurierte Beleuchtungssystem wird online bestellt und spätestens nach drei Tagen erhält der Kunde das Beleuchtungssystem. Ein Montage- und Inbetriebnahmeassistent (App am Handy) unterstützt den Kunden beim Zusammenbau des Beleuchtungssystems und bei der anschließenden Inbetriebnahme. Nach Inbetriebnahme können Einstellungen, Lichtintensität und Lichtfarbe durch die App nach Wunsch angepasst werden. Falls technisch bzw. sicherheitstechnisch ein Elektriker erforderlich ist, werden Elektriker, die verfügbar sind, durch das System vorgeschlagen und bei Wunsch über das System angefordert. Als Cross Selling Angebote werden Komponenten und Apps angeboten, die zusätzlich Kundennutzen stiften: Integrierte Bewegungssensoren mit Alarmfunktion, Integrierte Bewegungssensoren mit automatischer Beleuchtungssteuerung, Inte­ grierte Leistungssensoren mit automatischer Bereitstellung vom Beleuchtungsmittel, das demnächst kaputt wird. ◄

Beispiel „Razor and Blade auf A und B übertragen“

Gillette mit den beiden Geschäftsmodellbausteinen Razor and Blade sowie Lock-in übertragen auf Unternehmen A und B aus der Mini Case Study (siehe Beispiel Mini Case Study Kundennutzen durch Kooperation Teil I auf Seite 23) könnte wie folgt aussehen: Die beiden Firmen A und B treten am Markt als eine Marke auf. Die Verpackungsmaschinen (Razor) werden zu Herstellkosten an die Kunden verkauft. Die Umreifungsbänder (Blade) werden mit hohen Margen bedarfsorientiert automatisch dem Kunden direkt an der Verpackungsmaschine bereitgestellt. Der Kunde hat geringe Investitionskosten und keinen organisatorischen Aufwand bezüglich Disposition und Beschaffung der Umreifungsbänder. Die hohen Einnahmen aus dem Verkauf der Umreifungsbänder werden zwischen beiden Firmen aufgeteilt, sodass beide Partner dauerhaft hohe Gewinne erzielen. ◄

Beispiel „Blacksocks auf Unternehmen B übertragen“

Blacksocks mit den drei Geschäftsmodellbausteinen E-Commerce, Cash Machine und Subscription übertragen auf Unternehmen B (Maschinenbauunternehmen aus dem Beispiel Mini Case Study Kundennutzen durch Kooperation Teil I, siehe Seite 23) könnte wie folgt aussehen:

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Die Verpackungsmaschine und die Verpackungsbänder (über Lieferanten z. B. Firma A bezogen) werden online angeboten und vertrieben. Dem Kunden, der eine Verpackungsmaschine erworben hat, wird ein langfristiger Vertrag zur bedarfsgerechten automatischen Versorgung mit Verpackungsbändern angeboten. Die Lieferanten der Verpackungsbänder werden erst bezahlt, wenn der Kunde das Verpackungsband verbraucht und bezahlt hat. ◄ Die konkreten Vorbereitungsarbeiten für den Workshop zur Ideenfindung beziehen sich auf das jeweils zugeordnete Zielkundensegment und sind als separate Einzelarbeit für jeden Teilnehmer des Workshops konzipiert. Die Ergebnisse sollten pro Teilnehmer entsprechend schriftlich dokumentiert werden. Die ersten Aufgaben beziehen sich auf die Geschäftsmodellbausteine und die letzten Aufgaben auf die Entwicklung eines zielkundenorientierten Nutzenversprechens. Folgende Aufgaben sind vorgesehen: • Selbststudium aller 55 Geschäftsmodellbausteine. • Identifikation eines Bausteins der relevant für das derzeitige Geschäftsmodell des Unternehmens ist (dieser Baustein ist eine tragende Säule des derzeitigen Geschäftsmodells) und eine detaillierte Beschreibung inkl. Vor- und Nachteilen sowie Chancen und Gefahren dieses Bausteins aus Sicht des eigenen Unternehmens bezogen auf das jeweilige Zielkundensegment. • Auswahl eines Bausteins, der im aktuellen Geschäftsmodell und in der vorherrschenden Geschäftslogik nicht enthalten ist und Darstellung, wie dieser Baustein bei einem zukünftigen Geschäftsmodell bezogen auf das jeweilige Zielkundensegment sinnvoll eingesetzt bzw. adaptiert eingesetzt werden könnte. • Analyse von Mitbewerbern oder Unternehmen (auch branchenfremde) mit ähnlichen Rahmenbedingungen, die erfolgreich einen Geschäftsmodell-Baustein verwenden, den wir nicht verwenden. Beschreibung dieses Bausteins und Darstellung wie dieser bei einem zukünftigen Geschäftsmodell bezogen auf das jeweilige Zielkundensegment sinnvoll eingesetzt werden könnte. • Auswahl eines relevanten Zielkunden (bezogen auf das Zielkundensegment) und eines geeigneten Gesprächspartners (idealerweise ein Repräsentant des Zielkunden oder zu mindestens einer kundennahen Person wie Vertreter, Servicemitarbeiter, …) (nach Möglichkeit sollte jeder Teilnehmer einen anderen Zielkunden auswählen). • Durchführung und Dokumentation eines Fachgespräches mit den ausgewählten Zielkunden/Gesprächspartnern unter Beachtung folgender Themen: –– Kompatibilität der Eigensicht des Zielkunden zur Definition des Zielkundensegments inkl. allen beschreibenden Eigenschaften des Zielkundensegments –– Kundenbedürfnisse, Kundenerwartungen, zu lösende Kundenprobleme und zu übernehmende Kundenaufgaben, ohne dabei die konkreten angebotenen Produkte und Dienstleistungen zu thematisieren –– Kundengewünschtes Wertangebot inkl. Produkte, Dienstleistungen, Kundenbeziehung, Kanal, Preisbildung, Auftragsabwicklung, Bezahlabwicklung, ….

Ideengenerierung

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To Be Answered – Vorbereitung zur Ideengenerierung

1. Hat sich jeder Workshop-Teilnehmer mit den Geschäftsmodellbausteinen ausreichend beschäftigt? 2. Hat jeder Workshop-Teilnehmer ausreichend Wissen über die Bedürfnisse und Anforderungen der Zielkunden?

Workshop zur Ideengenerierung Im ersten Teil des Workshops werden die Zielkundensegmente nochmals überprüft und ausgehend von den Kundenbedürfnissen zielgruppenspezifische Nutzenversprechen ­formuliert (siehe Tab. 4). Im zweiten Teil des Workshops werden auf Basis der erkannten zukünftigen Herausforderungen und gesehenen Chancen ausgewählte Geschäftsmodellbausteine zu einem ersten Entwurf eines Geschäftsmodells kombiniert. Für den ersten Teil wird folgendes Vorgehen vorgeschlagen: • Sammlung eventueller Bedenken oder Problem der derzeitigen Struktur und Ausformulierung der Zielkundensegmente im Plenum unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Nachbereitungen, der Rückmeldungen von Gegnern und der Rückmeldungen von Zielkunden. • Strukturierung, Diskussion, Bewertung und Auflösung der Bedenken und gesehenen Probleme (unter Zuhilfenahme von Task-Kanban, Themenspeicher oder Resonanztafel) im Plenum. • Sammlung und Strukturierung von Kundenbedürfnissen, Kundenerwartungen, zu lösenden Kundenproblemen und zu erledigenden Kundenaufgaben („Jobs to be done“) in jeweils zielkundenspezifischen Arbeitsgruppen. • Ableitung von konkretem Wertangebot für die Zielkunden aus den Kundenbedürfnissen, Kundenerwartungen, zu lösenden Kundenproblemen und zu erledigenden Kundenaufgaben („Jobs to be done“) in jeweils zielkundenspezifischen Arbeitsgruppen. Tab. 4  Workshop Ideengenerierung Workshop Ideengenerierung Inhalt Überprüfung der Zielkundensegmente (Plenum)

Erarbeitung des Nutzenversprechens (je Zielkundensegment) Auswahl und Kombination von Geschäftsmodell-­ Bausteinen mit Hilfe der Konstruktionsmethode (je Zielkundensegment)

Outcomes Geprüfte sowie verbesserte Definitionen der Zielkundensegmente Erster Entwurf des Nutzenversprechens pro Zielkundensegment Erster Entwurf von Geschäftsmodellen je Zielkundensegment

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

• Formulierung eines zielkundenspezifischen Nutzenversprechens unter Beachtung des Abschn. „Wert für den Zielkunden schaffen“ (siehe Seite 9) jeweils in zielkundenspezifischen Arbeitsgruppen. • Präsentation und Reflexion der Nutzenversprechen im Plenum. Die Sammlung der Kundenbedürfnisse erfolgt auf Basis der Fachgespräche, die jeder Teilnehmer in der Vorbereitung zum Workshop geführt hat. Divergierende Aussagen zu den Kundenbedürfnissen und Kundenproblemen sollen unbedingt erfasst und verstanden werden. Divergierende Kundenbedürfnisse innerhalb eines Zielkundensegments würden differenzierte Nutzenversprechen, differenzierte Kundenbeziehungen, differenzierte Kanäle, differenzierte Kundenauftragsabwicklungsprozesse usw. nach sich ziehen. Wenn relevante divergierende Kundenbedürfnisse vorliegen, sollte die Struktur der Zielkundensegmente kritisch überprüft und entsprechend angepasst werden oder das betroffene Zielkundesegment in Teilzielkundensegmente unterteilt werden. Jedes Teilzielkundensegment weist homogene Kundenbedürfnisse auf und damit kann ein eindeutiges Nutzenversprechen zugeordnet werden. Im Folgenden benennen wir Teilzielkundensegmente ebenfalls Zielkundensegmente. Die Methode der User Story, siehe Pichler (2013), eignet sich besonders gut, um die Kundenbedürfnisse schnell verständlich darzustellen. Die Methode Kunden-­Empathie-­ Karte, siehe Ferreira et al. (2015), kann helfen, systematisch die Kundenbedürfnisse zu erfassen. Die Kunden-Empathie-Karte hat eine Ähnlichkeit mit der Methode der Personas, bekannt aus der Softwareentwicklung, siehe Pruitt und Grudin (2003). Pro Zielkundensegment werden ein paar repräsentative Kunden ausgewählt und pro ausgewähltem Kunden wird die sogenannte Empathie-Karte ausgefüllt. Diese beinhaltet die Beantwortung nachfolgender Fragen: • Was sieht bzw. hört der Kunde (Vergleichsangebote, Probleme, Lösungsansätze, Rahmenbedingungen, …) bezüglich unseres Wertangebots? • Was bzw. Wer beeinflusst den Kunden? • Was denkt, spürt oder fühlt der Kunde? • Was sagt der Kunde über unser Wertangebot? • Was sind die schlechten Erlebnisse (Ängste, Frustrationen, Hindernisse, …) des Kunden im Zusammenhang mit unserem Wertangebot bzw. den Kundenbedürfnissen, die durch unser Wertangebot gedeckt werden sollten? • Was sind die guten Erlebnisse (Erfolge, Vorteile, Hoffnungen, …) des Kunden im Zusammenhang mit unserem Wertangebot bzw. den Kundenbedürfnissen, die durch unser Wertangebot gedeckt werden sollten? Nach Beantwortung der einzelnen Karten werden pro Zielkundensegment die unterschiedlichen Karten zu den wesentlichen Kundenbedürfnissen zusammengeführt, die als Basis für die Erarbeitung des Nutzenversprechens verwendet werden können.

Ideengenerierung

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Nach Erreichung eines in der Arbeitsgruppe einheitlichen Bildes der Kundenbedürfnisse, Kundenanforderungen, der für den Kunden zu lösenden Probleme sowie der für den Kunden zu übernehmenden Aufgaben soll das Nutzenversprechen ausgearbeitet werden. Das Nutzenversprechen beantwortet die Frage, was wollen wir den Zielkunden Gutes tun. Im Konkreten sollte für das Zielkundensegment das gesamte Wertangebot bestehend aus den angebotenen Produkten und Dienstleistungen inkl. allen weiteren Vorteilen, Nutzen sowie Mehrwerten (z.  B.  Informationszugang, effiziente Auftragsabwicklung, hohes Image, …) für die Zielkunden dargestellt werden. Das Nutzenversprechen soll sich ausschließlich an den Zielkunden und deren Bedürfnissen orientieren. Wertangebote, die nicht auf die Zielkunden hin abzielen, verursachen nur Kosten und bringen keine Umsätze. „Nur“ für die Zielkunden ist Nutzen zu stiften. Das nächste Beispiel zeigt, dass es gerade für etablierte sowie erfolgsverwöhnte Unternehmen nicht einfach ist, den Wandel von Kundenbedürfnissen wahrzunehmen und das Nutzenversprechen entsprechend anzupassen. Beispiel „Autonomes Fahren – Kundenbedürfnisse“

Audi und Alphabet (Waymo) haben jeweils ein Imagevideo zum Thema autonomes Fahren ins Internet gestellt. Im Video von Audi ist ein umgebauter autonom fahrender Audi RS7 mit ganz normalem Aussehen inkl. Lenkrad und Fußpedalen zu sehen. Dieser autonom fahrende RS7 fährt auf einer Rennstrecke mit einem gleich motorisierten RS7 gesteuert von einem erfahrenen Rennfahrer um die Wette. Alphabet zeigt in seinem Video eine gemütliche Wohnzimmersituation. Vier Menschen unterhalten sich vergnügt. In den ersten Sekunden des Videos gibt es keinen Hinweis auf ein ­selbstfahrendes Auto. Erst nach einer Weile bemerkt der Zuseher, dass sich das „Wohnzimmer“ auf einer Straße bewegt und es sich um ein selbstfahrendes Auto (allerdings ohne Lenkrad und Fußpedale) handelt. Welche Botschaft adressiert eher die Bedürfnisse der Kunden in Bezug auf Mobilität der Zukunft und autonomes Fahren: „Autonom gesteuertes Auto schlägt Rennfahrer“ oder „Autonom gesteuertes Auto transportiert mich sorgenfrei und gemütlich“? ◄ Für den zweiten Teil des Workshops zur Ideengenerierung schlagen wir eine kreative Konstruktionsmethode vor. Die Konstruktionsmethode basiert auf den Ergebnissen der SWOT Analyse, dem Nutzenversprechen und den bereits im Abschn. „Vorbereitungsarbeiten zur Ideengenerierung“ (siehe Seite 109) vorgestellten Geschäftsmodellbausteinen. Die Konstruktionsmethode (siehe Abb. 13) besteht aus folgenden drei Schritten: • Auswahl relevanter Zukunftsthemen (ca. 3 bis 6) aus den Ergebnissen der SWOT-­ Analyse (erkannte Probleme, identifizierte Gefahren, Bedrohungen oder Risiken oder gesehene Chancen oder Möglichkeiten) unter Beachtung der Kundenbedürfnisse. • Für jedes ausgewählte Zukunftsthema werden Geschäftsmodellbausteine gesucht, die das Zukunftsthema adressieren (einen Beitrag leisten, um das Problem zu lösen, die

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Extern

SWOT

Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation Intern Strengths . . .

Weaknesses . . .

Opportunities . . .

Welche Stärke hilft uns, welche Chance zu nutzen?

Welche Chance nutzen hilft uns, welche Schwäche abzubauen?

Threats . . .

Welche Stärke hilft uns, welche Bedrohung abzuwenden?

Bedrohungen abbauen, um eigene Schwächen zu lindern?

Kundenbedürfnisse

Kundenbedürfnisse Nutzenversprechen

Potentiale Bausteine

Entwurf Geschäftsmodell

(branchenfremde) Unternehmen mit vergleichbaren Potentialen Abb. 13 Konstruktionsmethode

Gefahr zu reduzieren oder die Chance zu nutzen) und möglichst passend zu den Kundenbedürfnissen sowie Nutzenversprechen sind. • Auswahl, Kombination, Anpassung, Erweiterung der gefundenen Geschäftsmodell-­ Bausteine zu einem kompatiblen Geschäftsmodellentwurf unter Berücksichtigung des Einlösens des Nutzenversprechens und nachhaltiger Sicherstellung hoher Erträge. Durch Reflexion der Ergebnisse der SWOT Analyse werden die relevantesten Pro­bleme, Gefahren, Bedrohungen, Risiken, Herausforderungen, Möglichkeiten und Chancen aufgelistet. Pro Zielkundensegment werden die ca. 3–6 relevantesten Probleme und Chancen weiterverfolgt. Für jeden aufgelisteten Eintrag wird ein Potenzial formuliert. Die Potenziale werden dabei durch einen verbesserungswürdigen Zustand (z. B. geringe Margen, hoher Kundenakquisitionsaufwand, …) beschrieben. In der nachfolgenden Tabelle „Potenziale und deren zuordenbare Geschäftsmodellbausteine“ werden in der ersten Spalte Potenziale dargestellt und in der zweiten Spalte Geschäftsmodellbausteine, die dabei unterstützen, dieses Potenzial zu nutzen. In der Regel wird man mehrere mögliche Bausteine zugeordnet finden. Durch Analyse (branchenfremder) erfolgreicher Unternehmen, die vergleichbare Potenziale aufweisen, können zusätzlich erfolgsversprechende Bausteinkombinationen identifiziert werden. Bausteine, die in der Vorbereitung zum Workshop zur Ideenfindung ausgewählt wurden, sollen ebenfalls berücksichtigt werden. Nach Betrachtung all dieser Kriterien werden Sie in der Regel viele Bausteine (ca. 5 bis 20) zu Auswahl haben. Für die Reduktion der in Frage kommenden Bausteine empfiehlt sich • Bausteine (Idee des Bausteins) auf das eigene Unternehmen, auf das Zielkundensegment und auf das Nutzenversprechen projektieren bzw. anpassen (z. B. Razor and Blade: Bei einem Maschinenbauer für Verpackungsmaschinen könnte Verpackungsmaschine = Razor und Verpackungsmaterial = Blade sein). Bausteine, die nicht in geeigneter Weise

Ideengenerierung









141

auf das Unternehmen, Zielkundensegment oder Nutzenversprechen heruntergebrochen werden können, sind zu streichen. Streichung von Bausteinen, die wegen des Zielkundensegments, der Kundenbedürfnisse oder des Nutzenversprechens nicht geeignet sind (z.  B.  Streichung von No Frills für Luxuskunden mit Premiumleistungsversprechen). Streichung von Bausteinen, die in naher Zukunft (technisch, wirtschaftlich, rechtlich, organisatorisch, …) nicht umsetzbar sind (z. B. Streichung Leverage Customer Data, weil keine vertragliche Möglichkeit gesehen wird, Kundendaten verwerten zu dürfen). Reduktion ähnlicher Bausteine (zielen auf gleiche Potenziale ab oder adressieren ähnlichen Kundennutzen) zu einem Baustein durch Beantwortung der Frage: Was passt zur Zielkundengruppe und deren Bedürfnissen am besten? (z. B. Pay per Use, Performance Based Contracting, Rent instead of Buy und Subscription wird auf Performance Based Contracting reduziert, weil die Zielkunden eine umfassende Erledigung der Aufgabe erwarten). Auswahl von wenigen Bausteinen (aus den verbliebenen Bausteinen), die einander stärken, zu einer konsistenten Bausteinkombination (z. B. Razor and Blade + Lock-in) zusammengefasst werden und in der Kombination geeignet sind, das Nutzenversprechen einzulösen sowie nachhaltig hohe Erträge zu erwirtschaften. Bausteine, die mehrmals referenziert worden sind (z.  B.  Baustein trägt zur Hebung mehrerer relevanter Potenziale bei), sollten bevorzugt betrachtet werden. Bausteine, die für eine konsistente Kombination erforderlich sind, aber nicht (mehr) in der Auswahlliste stehen sollen ergänzt werden (z. B. Razor and Blade benötig eine Maßnahme wie Lock-in oder Customer Loyality, um die hohen intendierten Margen wirklich über die „Blade“ zu realisieren). Es kann sinnvoll sein, dass mehrere Bausteinkombinationen alternativ erarbeitet und im Weiteren gesondert betrachtet werden.

Auf den ersten Blick kann ein Baustein absolut unpassend (weil noch keine Erfahrung damit, weil ein Workshop-Teilnehmer Negatives zur Idee des Bausteins einbringt, weil der Baustein branchenfremd ist, …) erscheinen. Die Erfahrung von vielen Geschäftsmodellinnovationsprojekten zeigt, dass gerade Bausteine, die zu Beginn eher skeptisch gesehen werden, ein großes Potenzial zur Geschäftsmodellinnovation aufweisen. Also verwerfen Sie nicht leichtsinnig einen Baustein, sondern versuchen Sie für jeden Bausteinkandidaten die Ideen des Bausteins auf Ihr Unternehmen zu übertragen und dann erst entscheiden Sie über Streichung oder Verwendung des Bausteins. Nach Selektion von wenigen passend erscheinenden Bausteinen (ca. 2–5) und Zusammenfassung dieser zu einer Bausteinkombination werden sie zu einem ersten Entwurf eines Geschäftsmodells bezogen auf das jeweilige Zielkundensegment verwoben. Dazu werden alle 9 Elemente eines Geschäftsmodells unter Zuhilfenahme der Fünf Flipcharts stichwortartig formuliert. Wenn bei der stichwortartigen Ausformulierung der neun Geschäftsmodell-­Elemente Inkonsistenzen auftreten, können gewisse Ideen bzw. Bausteinen entfernt, abgeändert oder ergänzt werden bis ein schlüssiger in sich stimmiger Geschäftsmodellentwurf vorliegt. Wenn zwei oder auch drei alternative Bausteinkombinationen

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

vorliegen, sollte für jede Kombination gesondert ein Geschäftsmodell entworfen werden und im Nachhinein durch Vergleich der Modelle und Abwiegen der Vor- und Nachteile sowie Chancen und Gefahren bzw. Risiken eine Priorisierung der alternativen Geschäftsmodelle vorgenommen werden. Wenn eine eindeutige Reihung der alternativen Geschäftsmodelle gegeben ist, werden die weniger geeigneten Geschäftsmodelle fix ausgeschieden und nur noch die sehr gut bewerteten Geschäftsmodelle weiterverfolgt. Gerade in dieser Phase werden mehrere Iterationen und Anpassungen erforderlich sein, bis alle Workshop-Teilnehmer einen (oder auch mehre) in sich stimmigen Entwurf (stimmige Entwürfe) eines nachhaltig erfolgreichen Geschäftsmodells sehen. In dieser Phase liegt der Schwerpunkt auf der Ideenfindung und auf konstruktivem Querdenken zur bestehenden Branchenlogik. Die Bausteine dienen als Ideengeber und sollen nach Belieben angepasst, abgeändert und kombiniert werden. Wichtig ist, dass die Teilnehmer intuitiv sehen, dass das entworfene Geschäftsmodell in der Lage ist, erstens das Nutzenversprechen einzulösen und zweitens nachhaltig hohe Erträge zu erzielen. Zur Förderung bzw. Absicherung des Kreativitätspotenzials sind die detaillierte Ausformulierung, die methodisch rigorose Bewertung, die Feinabstimmung, die abgesicherte Machbarkeit, … des Geschäftsmodells nicht Thema in der Ideenfindungsphase und sollten insbesondere im Workshop zur Ideenfindung nicht im Fokus stehen. Zur Illustration der Konstruktionsmethoden wird ein Beispiel angeführt. Beispiel „Illustration der Konstruktionsmethode“

Wir betrachten einen Maschinenbauer für Verpackungsmaschinen. Die zentralen Ergebnisse der SWOT Analyse sind: Zurückgehende Umsätze und sinkende Margen (Verdrängungswettbewerb, Preiskampf) und neu aufkommende Mitbewerber, die ein Kombinationsangebot Verpackungsmaschine und automatische Bereitstellung des Verpackungsverbrauchsmaterials aufweisen. Wichtige Erkenntnisse aus den Kundenbedürfnissen: Kunden wollen möglichst wenig mit der Beschaffung des Verpackungsverbrauchsmaterials zu tun haben und wünschen sich einen funktionierenden, reibungslosen, billigen und hoch effizienten Verpackungsprozess möglichst ohne Vorleistung (Investitionen). Identifizierte Potenziale und deren zugeordnete Geschäftsmodellbausteine (siehe nachfolgende Tabelle): Geringes Umsatzwachstum, geringe Umsätze: Affiliation, Cross Selling, Customer Loyality, Direct Selling, Experience Selling, Hidden Revenue, Leverage Customer Data, Make more of it, Mass Customization, Open Source, Razor and Blade, Target to Poor Geringe Margen, geringe EBIT-Beiträge: Add-on, Hidden Revenue, Ultimate Luxury Geringe Preise: Add-on, Guaranteed Availability, Ingredient Branding, Razor and Blade Kunden haben regelmäßigen Beschaffungsaufwand: Subscription

Ideengenerierung

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Hohe Investitionskosten für den Kunden: Pay per use, Performance Based Contracting, Rent instead of buy Streichung, weil keine sinnvolle Projektion auf den Maschinenbauer möglich oder Streichung, weil nicht passend zu den Zielkunden: Add-on, Affiliation, Hidden Revenue, Ultimate Luxury, Ingredient Branding, Experience Selling, Target to the Poor Reduktion ähnlicher Bausteine: Cross Selling (Verpackungsmaterial anbieten), Pay per Use (Verbrauch Verpackungsmaterial bepreisen), Leverage Customer Daten (Prozess- bzw.- Maschinendaten zur Beschaffung Verbrauchsmaterial nutzen), Subscription (Kunde erhält automatisch Verpackungsverbrauchsmaterial), Performance Based Contracting (Verpacken inkl. Bereitstellung der Maschine und des Verpackungsverbrauchsmaterials wird für den Kunden organsiert) werden reduziert auf Performance Based Contracting Mehrfach genannte Bausteine sind: Add-on, Hidden Revenue, Razor and Blade Besonders passende Bausteine wegen Kundenbedürfnissen: Subscription für Verpackungsverbrauchsmaterial, Pay per use und Performance Based Contracting Branchenfremdes Vorbild: Schweißroboterhersteller (Razor), der auch Schweißverbrauchsmaterial (Blade) über ein Betreibermodell mit durchgehender Digitalisierung bereitstellt. Gut kombinierbare Bausteine könnten damit Razor and Blade, Performance Based Contracting und Digitalization sein. Guaranteed Availability oder Customer Loyality würde die Schlagkraft des Geschäftsmodells noch erhöhen und einen Ersatz für Lock-in zum Razor-Blade darstellen: Die Verpackungsmaschine wird beim Kunden aufgestellt (bleibt im Eigentum des Lieferanten). Die Einsatzfähigkeit der Verpackungsmaschine insbesondere die Verfügbarkeit des Verpackungsverbrauchsmaterials ist in der Verantwortung des Lieferanten. Sensoren an den Verpackungsmaschinen, entsprechende Connectivity, Analysewerkzeuge, remote Maintenance Ansätze, Tools zur automatischen Beschaffung des Verpackungsverbrauchsmaterials, … ermöglichen die hohe Verfügbarkeit der Maschine und des Verbrauchsmaterials. Pro Monat wird nach erbrachter Verpackungsleistung mit dem Kunden automatisch abgerechnet. ◄ Tab. 5 listet unterschiedlichste Potenziale und dazugehörige Geschäftsmodellbausteine für die Konstruktionsmethode auf. Ergänzend oder auch alternativ zur Konstruktionsmethode können die Methoden Scamper oder die beiden Prinzipien Ähnlichkeits- bzw. Konfrontationsprinzip zur Findung von Geschäftsmodellideen genutzt werden, siehe dazu „Design Thinking“ auf Seite 60 bzw. „Geschäftsmodell-Bausteine“ auf Seite 118. Zum Abschluss des Workshops wird empfohlen, im Plenum pro Zielkundensegment die kombinierten Geschäftsmodellbausteine und die wesentlichen Eckpfeiler jedes zielkundenspezifischen Geschäftsmodells zu präsentieren. Workshop-Teilnehmer, die nicht dem jeweiligen Zielkundensegment zugeordnet sind, sollen Verständnisfragen stellen.

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Tab. 5  Potenziale und deren zuordenbare Geschäftsmodellbausteine Potenziale Ungenutzter wertvoller Abfall Hohe Abhängigkeit von Partner Schwer abschätzbarer Absatz Geringes Absatzwachstum (schwache bzw. schwierige Kunden- oder Auftragsakquisition), geringe Absätze, geringes Absatzpotenzial, geringe Absatzmengen, langsame Expansion

Geschäftsmodellbausteine Trash to Cash Integrator Auction Affiliation, Barter, Flatrate, Franchising, Ingredient Branding, License, Make more of it, No Frills, Pay per use, Pay what you want, Rent instead of buy, Robin Hood, Supermarket, Target to Poor, White Label Geringe Attraktivität des Produktes Ingredient Branding Hohe Ausfallkosten (beim Kunden) Guaranteed Availability Schwache Beratungsleistung für den Kunden Direct Selling Kunden haben regelmäßigen Beschaffungsaufwand Subscription Hohe Bestände From Push to Pull Geringe Effizienz, Ineffiziente Wertschöpfung Digitalization, Integrator, Layer Player, Open Business Model, Orchestrator, Self-Service Ungenutzte Chancen Open Business Model Nicht verwertete Daten Leverage Customer Data Schwache Differenzierung Experience Selling Hohe Entwicklungskosten, hohe Entwicklungs-­ Crowd Sourcing; Franchising, Open risiken Source, Reverse Engineering, User Designed Unzureichende Erreichbarkeit bzw. Verfügbarkeit Digitalization, E-Commerce Keine erfolgsversprechende Geschäftsidee verfügbar Franchising Hohe Herstellerabhängigkeit Open Source Schwaches Image Experience Selling schwaches Nachhaltigkeitsimage, schwaches Fractionalized Ownership, Robin Hood, Sozialimage Target to Poor, Trash to Cash Hohe Investitionskosten, Schwierige Finanzierung, Cash Machine, Crowdfunding, geringe Investitionskraft, Schlechte Liquidität, Hohe Fractionalized Ownership, User Kapitalkosten Designed Hohe Investitionskosten für den Kunden Pay per use, Performance Based Contracting, Rent instead of buy Geringe Innovationskraft Orchestrator, User Designed Sehr viele ungenutzte Kleinstaufträge Long Tail Ungenutzte Kanäle Cross Selling Fehlendes Know-how White Label Barter, E-Commerce, No Frills, Hohe Kosten, hohe Wertschöpfungskosten, hohe Orchestrator, Revenue Sharing, Reverse Produktkosten, hoher Kostendruck, hohe Herstellkosten, hohe Kosten für Wertkommunikation, Engineering, Reverse Innovation, Self-Service, Subscription, Supermarket, Wertlieferung und Wertschöpfungsstruktur White Label (Fortsetzung)

Ideengenerierung

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Tab. 5 (Fortsetzung) Potenziale Hohe Kosten individualisierter Produkte Kunde hat schwache Kostenkontrolle Wenig (neue) Kunden bzw. Mitglieder

(Luxus-)Kunden haben schlechtes Gewissen Divergierende Kundenanforderungen, widersprüchliche Kundensegmente (Lösung: Zweimarkenstrategie z. B. billig und teuer) Lange Kundenauftragsabwicklungszeiten, lange Lieferzeiten Wenig Informationen über die Kundenbedürfnisse, kein (direkter) (End-)Kundenzugang, geringe (End-)Kundenkenntnisse, keine bzw. wenig Kundendaten, keine bzw. wenig Kundeninformationen Geringe Kundenbindung, geringe Kundentreue

Geringes Kundeninvolvement, schwaches Kundenerlebnis Schwache bzw. geringe Kundenorientierung, Kundenproblem wird nicht gelöst, geringe Flexibilität, langsame Reaktion auf Marktänderungen Geringe Margen, geringe EBIT-Beiträge Unbekannte bzw. schwache Marke Geringer Marktanteil, hoher Aufwand Marktanteile zu gewinnen, schwierige Neukundenakquisition, wenig Neukunden (Neue) Marktpotenziale werden nicht ausgeschöpft, kein Umsatzwachstum bzw. keine relevanten Marktanteile in neuen (wachsenden) Märkten, geringes Wachstum in aufstrebenden Weltregionen z. B. BRIC (Brasilien, Russland, Indien und China) Enges Nutzenangebot, enges Wertangebot an die Kunden, geringe Produktvielfalt Aufwendig zu suchender Partner (Lieferant, Kunde, Problemlöser, Dienstleister, …) für unserer Kunden

Geschäftsmodellbausteine Mass Customization Flatrate Freemium, No Frills, Pay what you want, Peer to Peer, Rent instead of buy, Shop-in-Shop, Supermarket Robin Hood Add-on, White Label

Digitalization, E-Commerce, From Push to Pull, Self-Service Barter, Crowd Sourcing, Customer Loyality, Digitalization, Direct Selling, E-Commerce, Integrator

Cross Selling, Customer Loyality, Flatrate, Freemium, Guaranteed Availability, Lock-in, Mass Customization, Razor and Blade, Solution Provider, Subscription Experience Selling, Freemium Add-on, From Push to Pull, Integrator, Open Source, Pay per use, Performance Based Contracting, Self-Service, Solution Provider, Two-Sided market, User Designed Add-on, Hidden Revenue, Ultimate Luxury Barter, Franchising Akido, Barter, Flatrate, Fractionalized Ownership, Franchising, Freemium, License, No Frills, Revenue Sharing Akido, Cross Selling, Open Business Model, Robin Hood, Ulitmate Luxury

Cross Selling, Orchestrator, Shop-in-­ Shop, Solution Provider, Supermarket Two-Sided market (Fortsetzung)

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Tab. 5 (Fortsetzung) Potenziale Geringe Personalisierung bzw. Individualisierung der Produkte bzw. Dienstleistungen Geringe Preise Preisbewusste bzw. einkommensschwache Kunden werden nicht angesprochen Geringe Preistransparenz Fehlende Referenzpreise Keine Wertangebot für die Reichen bzw. obersten Einkommensschichten ungenutzte überschüssige Ressourcen, Kapazitäten, Anlagen oder Assets

Geschäftsmodellbausteine Add-on, Digitalization, Mass Customization Add-on, Guaranteed Availability, Ingredient Branding, Razor and Blade No Frills, Reverse Engineering, Reverse Innovation, Target to Poor Pay per use, Performance Based Contracting Auction Ulitmate Luxury

Barter, Cross Selling, Fractionalized Ownership, Make more of it, Shop-in-­ Shop, User Designed, White Label Hohe Risiken, hohes Marktrisiko (hohe Investition in License, Revenue Sharing, User Produktion und Vertrieb ohne sichere Umsätze) Designed Hohe Rohstoff- oder Ressourcenkosten Trash to Cash Geringes Umsatzwachstum, geringe Umsätze Affiliation, Cross Selling, Customer Loyality, Direct Selling, Experience Selling, Hidden Revenue, Leverage Customer Data, Make more of it, Mass Customization, Open Source, Razor and Blade, Target to Poor Geringe Umsätze wegen nicht marktdynamischer Auction Preise Hohe Umsatzvolatilität, stark schwankende Umsätze Flatrate, Subscription Hohe Vertriebskosten, Hohe Affiliation, Direct Selling, Franchising, Kundenakquisitionskosten Revenue Sharing, Shop-in-Shop, White Label Layer Player, License, Make more of it, Geringe Know-how Verwertung, geringe Performance Based Contracting Verwertung der Eigentumsrechte, schlechte Verwertung der Marke, schlechte Verwertung von Ideen Keine bzw. geringe Verwertung der Ressourcen, der Peer to peer Fähigkeiten und des Eigentums (privater) Kunden Ineffiziente Werbung Customer Loyality Schwache Wertkommunikation, geringe Experience Selling, Ingredient Branding, Wahrnehmung durch den Kunden, hohe Qualität Shop-in-Shop wird vom Kunden nicht wahrgenommen Hoher Wettbewerbsdruck Aikido

Ideengenerierung

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Alle sollten die einzelnen zielgruppenspezifischen Ideen reflektieren, zielkundensegment­ übergreifende Synergiepotenziale identifizieren und die Frage beantworten, ob gewisse Ideen bzw. Geschäftsmodellbausteine von anderen Zielkundensegmenten nicht besser zum eigenen zielkundensegmentspezifischen Geschäftsmodell passen würden als aktuell konzipiert. To Be Answered – Workshop zur Ideengenerierung

1. Ist sichergestellt, dass die Kundenbedürfnisse unterschiedlicher Kunden eines Zielkundensegments ausreichend homogen sind? 2. Haben wir ein, von allen Workshop-Teilnehmern gleich verstandenes, Nutzenversprechen ausgearbeitet, das genau auf die Bedürfnisse der Zielkunden ausgerichtet ist? 3. Haben wir einen vollständigen (alle neun Elemente umfassenden) ersten Entwurf eines Geschäftsmodells für jedes Zielkundensegment gesondert stichwortartig entworfen? 4. Haben wir uns von den Kundenbedürfnissen, dem Einlösen des Nutzenversprechens und der Sicherstellung nachhaltig hohe Erträge zu erwirtschaften in der Konzipierung des Geschäftsmodells leiten lassen? 5. Haben Sie die Konzepte, Methoden, Hinweise, Beispiele und Questions to be Answered aus dem Kap. „Geschäftsmodell“ in der Erarbeitung der neun Elemente ausreichend berücksichtigt? 6. Haben wir die einzelnen Bausteine, Ideen, Maßnahmen und Elemente konsistent, in sich stimmig und einander stärkend verwoben? 7. Haben Sie alle Nachbereitungsarbeiten und Vorbereitungsarbeiten fixiert bzw. verteilt? 8. Falls mehrere Entwürfe des Geschäftsmodells für ein Zielkundensegment ausgearbeitet worden sind, sind diese auch weiterzuverfolgen und über das Feedback der Zielkunden zu priorisieren.

Nachbereitungsarbeiten zur Ideengenerierung Neben den normalen Nachbereitungsarbeiten, Dokumentation, Kommunikation, Abarbeitung Task-Kanban oder Themenliste wird empfohlen, mit ausgesuchten Zielkunden das vorliegende Geschäftsmodell pro Zielkundensegment parallel zu reflektieren. Diese Reflexionen sollen jeweils bei einem Zielkunden stattfinden. Wenn möglich sollen mehrere Vertreter des gleichen Zielkunden gleichzeitig am Reflexionsworkshop teilnehmen. Die Motivation des Zielkunden, sich aktiv an der Reflexion zu beteiligen, könnte die Möglichkeit der Mitgestaltung des zukünftigen Wertangebotes (inkl. Produkte, Dienstleistungen, Kanal, Bepreisung, …) seines Lieferanten sein. Im B2B Bereich kann die Teilnahme an der Reflexion als eine Maßnahme zur Lieferantenentwicklung gesehen werden. Im

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Reflexions-­Workshop sollte interaktiv Punkt für Punkt durchgearbeitet werden. Sinnvollerweise kann der Reflexionsworkshop zeitlich sowie organisatorisch mit der Lebenszy­ klusanalyse Teil Kundenanforderungen kombiniert werden. Die Reihenfolge der Elemente sollte sich am Basis-Vorgehen (siehe im Abschn. „Ein Geschäftsmodell eines Unternehmens“ auf Seite 54) orientieren: Zielkundensegment, Nutzenversprechen, Einnahmequellen, Kunden-Kanal und Kundenbeziehungen, Wertschöpfungsstruktur, Kostenstruktur und abschließend die Schlüsselsteuerungselemente. Pro Punkt • wird der aktuelle Stand des neuen Geschäftsmodells präsentiert (falls es alternative Varianten gibt, sollen alle Alternativen dem Zielkunden präsentiert werden und dem Kunden begründete Präferenzen abverlangt werden), • werden falls vorhanden Verständnisfragen geklärt und • wird Feedback vom Zielkunden eingeholt. Die Präsentation sollte jeweils möglichst knapp und klar erfolgen. Nachdem ein Element präsentiert worden ist, sollte zum Punkt die Frage gestellt werden, ob es dazu Verständnisfragen gibt. Verständnisfragen sind ein Hinweis auf noch nicht klar formulierte bzw. präsentierte Aussagen. Versuchen Sie möglichst knapp und kurz die Verständnisfragen zu beantworten. Wenn es sich um ein wichtiges Thema handelt und Sie das Gefühl haben, der Zielkunde versteht ihre Aussagen nicht so, wie Sie es meinen, dann ersuchen Sie den Zielkunden die Aussage mit eigenen Worten wiederzugeben. Erst wenn der Zielkunde und Sie das gleiche Verständnis vom präsentierten Punkt haben, sollte zum Schritt „Feedback einholen“ gegangen werden. Schaffen Sie ein Klima, in dem der Zielkunden gewillt ist, ohne Maske wirklich das zu äußern, was ihm bzw. ihr wichtig ist und was nicht. Die Punkte sollen in nachfolgender Reihenfolge abgearbeitet werden: • Zielkundensegment (sieht der Zielkunden sich in der vorliegenden Definition des Zielkundensegments); • Kundenbedürfnisse; • Nutzenversprechen; • Einnahmequellen, insbesondere Bepreisung, Preisbildung, Abrechnungsprozess und Bezahlart, • Kundenbeziehung und Kanal insbesondere Wertkommunikation sowie Wertlieferung; • Schlüsselprozesse und -aktivitäten mit Fokus auf kundenbezogene Prozesse bzw. Aktivitäten (z. B. Auftragsabwicklung, Abrechnung bzw. Bezahlung, …); • Schlüsselressourcen, -fähigkeiten und -technologien mit Fokus Kundeninteraktion (z. B. Internetplattform, Kompetenzen der Servicemitarbeiter oder Reklamationsbearbeiter, …); • Schlüsselpartner und Ecosystem mit Fokus Zielkundeninteresse (z. B. zielkundengeforderte Qualifikation oder Zertifikate von Lieferanten, Image der Schlüsselpartner, …); • Kostenstruktur (kann beim Zielkunden entfallen oder sehr kurz gehalten werden);

Lebenszyklusanalyse

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• Schlüsselsteuerungselemente und Wettbewerbsanalyse mit Fokus: Was macht der Mitbewerber besser und warum bzw. wie macht er es besser? Wenn mit mehreren Zielkunden eines Zielkundensegments ein Reflexionsworkshop durchgeführt worden ist, sollen die Ergebnisse zusammengeführt werden. Konvergente Erkenntnisse können gleich in das Geschäftsmodell eingearbeitet werden – diese Änderungen werden begründet im nächsten Workshop dargestellt. Divergente oder kontrovers gesehene Erkenntnisse sollten im nächsten Workshop thematisiert und einer Lösung zugeführt werden. Falls alternative Entwürfe vorliegen, sollen unbedingt mehrere Zielkunden involviert werden und nach Präsentation und Einholen von Feedback zu den jeweiligen Alternativen eine vergleichende Bewertung (Vor- und Nachteile, Chancen und Gefahren) der Alternativen vorgenommen werden. Wenn ihre direkten Kunden nicht die Endkunden sind, und der fehlende direkte Endkundenkontakt zukünftig problematisch sein könnte, sollten Sie unbedingt versuchen, die Reflexion mit Endkunden vorzunehmen und das Geschäftsmodell so zu gestalten, dass mehr direkter Endkundenkontakt gegeben ist. To Be Answered – Nachbereitungsarbeiten zur Ideengenerierung

1. Haben Sie die Entwürfe des Geschäftsmodells mit Zielkunden reflektiert und dadurch verbessert? 2. Bei alternativen Entwürfen: Haben Sie eine solide Entscheidungsgrundlage von den Zielkunden eingeholt, welche Alternative aus Sicht der Kunden zu bevorzugen ist?

Lebenszyklusanalyse Die Lebenszyklusanalyse (siehe Abb. 14) verfolgt das Ziel, eine konsequente Ausrichtung des Geschäftsmodells an den Bedürfnissen der Zielkunden sicherzustellen. Allmendinger und Lombreglia (2005) haben festgestellt, dass die Analyse des Produktlebenszyklus ein erhebliches Potenzial hat, um den Kundennutzen weiter zu steigern. Nach Möglichkeit sollen in dieser Phase Zielkunden, Marktexperten und Kenner der Nutzung des Wertangebotes (Verwendung des Produktes, Entsorgung des Produktes, Beanspruchung der Dienstleistung, …) zusätzlich zu den Mitarbeitern des eigenen Unternehmens beigezogen werden. Vor allem im Workshop empfiehlt sich die Beiziehung von Zielkunden bzw. zielkundennahen Personen. Grundidee der Lebenszyklusanalyse ist es, aus Sicht des Zielkunden den gesamten Produkt- bzw. Dienstleistungslebenszyklus beginnend bei „Wie möchte der Kunde unser Angebot finden“ bis „Wie sollte die Abrechnung erfolgen“ oder „Wie möchte der Kunde das Produkt nach dem Gebrauch entsorgen“ zu analysieren. In jeder Phase des Lebenszyklus

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Zielkunden Wertschöpfungsstruktur

Nutzenversprechen Ertragsmechanik

2

Zielkunden

Zielkundenorientierung durch Lebenszyklusanalyse sicherstellen

Abb. 14  Schritt (2) Lebenszyklusanalyse

werden die zwei Ziele Maximierung des Kundennutzen und Steigerung des Umsatzes verfolgt. Die Lebenszyklusanalyse ist in zwei Teile untergliedert: Teil Kundenanforderung und Teil Geschäftsmodelldesign. Die Lebenszyklusanalyse Teil Kun­denanforderung findet in der Vorbereitungsphase bei ausgesuchten Zielkunden statt und kann zeitlich sowie organisatorisch mit dem Reflexionsworkshop aus der Nachbereitungsphase der Ideengenerierung kombiniert werden. Hauptergebnis dieser Analyse ist ein tiefes Verständnis der Kundenanforderungen entlang des Lebenszyklus des Wertangebotes aus Sicht der Zielkunden. Die Lebenszyklusanalyse Teil Geschäftsmodelldesign findet im Rahmen des Workshops statt und dient einer konsequenten Detaillierung des Geschäftsmodells, um eine möglichst konsequente Zielkundenorientierung sicherzustellen und gleichzeitig die Erlöse zu maximieren.

Vorbereitungsarbeiten Lebenszyklusanalyse Durch die sogenannte Lebenszyklusanalyse soll konsequent folgende Frage beantwortet werden: Wie kann der Kunde oder auch neue Kunden beim Finden, Auswählen, Kaufen, Erhalten, Bezahlen, Inbetriebnehmen, Nutzen, Verwenden, Einsatz optimieren, Ersatzteile erhalten, Verbrauchsmaterial besorgen, Reparieren, Reklamieren, Gewährleistung in Anspruch nehmen, Wiederverkaufen, Entsorgen usw. noch besser unterstützt werden. Die Lebenszyklusanalyse erweitert die fünf Phasen der Kundennutzenstiftung (Value Life Cycle) und die vier Phasen des Customer Buying Cycle nach Osterwalder (2004) und ist in Grobzügen in Jodlbauer (2018) präsentiert. Die Lebenszyklusmethode baut auf einem generischen branchenübergreifenden Lebenszyklus des Wertangebotes aus Sicht des Kunden auf. Für die Anwendung muss der generische Lebenszyklus an das eigene Unternehmen angepasst werden. Gewisse Phasen werden für gewisse Unternehmen entscheidend oder wenig relevant sein (z. B. Verfügbarkeit des Verbrauchsmaterial – Toner und Papier für einen Ko-

Lebenszyklusanalyse

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pierer ist für einen Kopierkunden zentral; Verfügbarkeit des Verbrauchsmaterials  – z. B. Waschmittel – für einen Kunden eines Diskonters für Bekleidung wird kaum relevant sein). Abhängig von den Zielkunden und den Nutzenversprechen kann eine Phase sehr komplex oder sehr einfach strukturiert sein (z. B. für einen Sondermaschinenbauer ist die Transaktionsabwicklung ein hoch komplexer Prozess mit vielen Meilensteinen wie Angebotslegung, Vertragsunterzeichnung, Konstruktionsfreigabe bis hin zur Inbetriebnahme, Abnahme und Serienanlauf; für eine SB-Tankstelle ist die Transaktionsabwicklung ein kompakter kurzer Prozess an der Tanksäule mit Bezahlfunktion). Die relevanten Phasen werden an die Zielkunden, deren Sprache, Denkmuster und Kultur, angepasst. Wir starten mit dem generischen branchenübergreifenden (nicht an eine spezifische Zielkundengruppe angepassten) Lebenszyklus durch Aufzählung der sogenannten Lebenszyklusphasen: • Wie möchte der Kunde erfahren, dass er/sie unser Wertangebot benötigt (Bedarfsweckung und Bereitstellen von Kaufargumenten)? Wie können wir unsere Sichtbarkeit erhöhen? • Wie möchte der Kunde unser Produkt, unsere Dienstleistung und unsere Touchpoints (Händler, Shops, Plattformen, Telefon, E-Mail, Beratung, Reklamation, …) finden? Wie können wir diese Suche für den Kunden erleichtern? • Benötigt der Kunde eine Finanzierungsunterstützung – falls ja in welcher Form? • Wie möchte der Kunde die Transaktionsabwicklung (Angebot, Ausschreibung, Lastenheft, Pflichtenheft, Preisfindung, Kauf, Vertrag, Bezahlung, Lieferschein, Daten, Informationen, Dokumentation …) durchführen? Wie können wir den Kunden die Transaktionsabwicklung erleichtern? • Wie möchte der Kunde das Produkt erhalten? Wie sollte die Anlieferung erfolgen? Wie erfolgt der Transport des Produktes? Wie will der Kunde die Dienstleistung konsumieren bzw. in Anspruch nehmen? • Welche Unterstützung erwartet sich der Kunde bei der Montage/Inbetriebnahme des Produktes, bei der Aktivierung einer Dienstleistung oder bei der Installation einer Software? • Möchte der Kunde eine Anpassung, Personalisierung oder Individualisierung des Produktes oder der Dienstleistung – falls ja in welcher Form? • Möchte der Kunde eine Anpassung des Umfeldes des Produkt- oder Dienstleistungseinsatzes – falls ja in welcher Form? • Was wünscht sich der Kunden bezüglich Einschulung, Training, Erfahrungsaustausch, …? • Wie und wann verwendet/nutzt der Kunde das Produkt bzw. die Dienstleistung (Produkteinsatz, Dienstleistungsnutzung)? • Möchte der Kunde das Produkt bzw. die Dienstleistung optimierter nutzen bzw. verwenden (Reduktion Energieverbrauch, effizientere Nutzung, „richtige“ Nutzung, Reduktion Abfall oder Emissionen, Sicherstellung einer rechtskonformen Nutzung, Kostensenkung beim Kunden, Leistungssteigerung beim Kunden, Erhöhung des Sozialprestiges, …)?

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

• Wünscht sich der Kunde zusätzlich zum Wertangebot (Produkt und Dienstleistung) weitere Unterstützung, Erleichterungen, Informationen, Beratung, Dokumentation, Zusatzprodukte, Zusatzdienstleistungen, Zusatzleistung, …? • Was erwartet sich der Kunde bezüglich Reklamationsbearbeitung, Gewährleistung, Garantie, …? • Benötigt der Kunde Unterstützung bei Wartung, Instandhaltung, Reparatur, Releasewechsel, Reinigung, Support, … – falls ja in welcher Form? • Benötigt der Kunde Ersatzeile – falls ja, wie möchte er/sie die Ersatzteile finden, beschaffen, austauschen, entsorgen, …? • Benötigt der Kunde Verbrauchsmaterial – falls ja, wie soll Beschaffung, Bereitstellung, Recycling, Wiederverwendung, Entsorgung, … des Verbrauchsmaterials aus Sicht des Kunden organisiert sein? • Entstehen bei der Verwendung des Produktes oder der Dienstleistung Abfall oder Emissionen – falls ja, wie sollte die Entsorgung, Recycling, Wiederverwendung, Dokumentation, … aus Sicht des Kunden organisiert werden? Kann der Abfall reduziert werden? Wünscht sich der Kunde eine Reduktion des Abfalls? • Erwartet sich der Kunden (laufende) Verbesserungen, Upgrades, Updates und Weiterentwicklung des Produktes bzw. der Dienstleistung – falls ja, wie und wann sollten die Verbesserungen, Upgrades, Updates und Weiterentwicklungen sein? • Was wünscht sich der Kunde bezüglich Austausch, Ablöse, Zurückkauf, Recycling, Wiederverwendung und Entsorgung des Produktes bzw. bezüglich (kundenbezogener) Daten nach Beendigung der Inanspruchnahme einer Dienstleistung? • Was wünscht sich der Kunde bezüglich Beendigung einer Geschäftsbeziehung, eines Vertrages, einer Dienstleistung, einer Mitgliedschaft, eines Abonnements, …? • Was wünscht der Kunde bezüglich Folgeprodukt bzw. Folge-Dienstleistung zu finden bzw. angeboten zu bekommen? Die zielgruppenspezifische Umformulierung der Phasen erleichtert die Analyse beim und mit dem Zielkunden. Wichtig dabei ist, die Denkmuster und Sprache der Zielkunden zu verwenden. Vorsicht ist beim vorschnellen Ausscheiden von Phasen wegen keiner gesehenen Relevanz geboten. Die Erfahrung vieler Beratungsprojekte zeigt, dass jede Phase in jeder Branche bei entsprechender Interpretation, breitem Verständnis und Umformulierung Sinn machen kann. Gerade Phasen, die im ersten Eindruck nicht wesentlich für das Wertangebot erscheinen, können bei detaillierter Betrachtung und Anpassung ein hilfreicher Input für die Schaffung eines zusätzlichen Mehrwertes für (neue) Kunden sein. Wenn zusätzliche Phasen oder für den Zielkunden wichtige Interaktionspunkte vorhanden sind, sollen diese unbedingt in den zielkundenspezifischen Lebenszyklus aufgenommen werden. Auf Basis der zielkundenspezifisch formulierten Lebenszyklusphasen sollte die Lebenszyklusanalyse möglichst nahe am Zielkunden durchgeführt werden. Nachfolgend werden für die Analyse hilfreiche Fragen, die pro Lebenszyklusphase angewandt werden, aufgelistet:

Lebenszyklusanalyse

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(1) Was wünscht sich, erwartet, möchte, braucht, … der Zielkunde in der Phase? Was macht dem Kunden Freude und Spaß? (Kundenanforderung) (2) Was funktioniert in dieser Phase (noch) nicht so gut? Was könnte bzw. sollte verbessert werden? Was macht Probleme? Was löst Frust, Unangenehmes oder Negatives beim Kunden aus? Was macht ein Mitbewerber oder auch Branchenfremder in dieser Phase besser? (Kundenanforderung) (3) (3a) Welches Wertangebot (Job to be done, Informationen, Produkte, Dienstleistungen, Beratung, …) wünscht sich der Kunde in der Phase? (Kundenanforderung) (3b) Was wollen wir den Zielkunden in der Phase anbieten, wie wollen wir die Kunden in der Phase unterstützen und was wollen wir tun, dass die Zielkunden sich rundum wohl fühlen (Job to be done, Informationen, Produkte, Dienstleistungen, Beratung, …)? (Nutzenversprechen, Kanal und Kundenbeziehung) (4) (4a) Wie, für was und wann möchte der Kunde bezahlen? Bevorzugt der Kunde leistungsorientierte, nutzungsorientierte oder dynamische Preisgestaltung? Wie viel ist der Kunde für was bereit zu zahlen? Ist der Kunde bereit für eine Leistung eine Gegenleistung zu erbringen (z. B. Beratung gegen Felddaten)? (Kundenanforderung) (4b) Wie können wir in dieser Phase Umsatz generieren oder sicherstellen, dass durch diese Phase in einer anderen Phase Umsätze generiert werden? (Ertragsmechanik) (5) (5a) Welche Wünsche hat der Kunde bezüglich Prozesse, Aktivitäten, Ressourcen, Kompetenzen, Fähigkeiten, Partner und Ecosystem an uns? (Kundenanforderung) (5b) Was benötigen wir für diese Phase, damit das Nutzenversprechen eingelöst werden kann und die Ertragsziele erreicht werden können (Wertschöpfungsstruktur, Kanal und Kundenbeziehung)? (6) (6a) Welche (internen, externen, noch nicht verfügbaren) Daten können hilfreich sein, um (zusätzlichen) Wert für den Kunden zu generieren oder höhere Effizienz für den Kunden zu erreichen? Welche Daten bzw. Informationen wünscht sich der Kunde (zusätzlich)? (Kundenanforderung) (6b) Welche (internen, externen, noch nicht verfügbaren) Daten können hilfreich sein, um zusätzlichen Umsatz zu erwirtschaften oder Kosten der Leistungserbringung zu reduzieren? (Nutzenversprechen, Wertschöpfungsstruktur und Ertragsmechanik) (7) (7a) Welche Daten sind bereits verfügbar (oder leicht zur Verfügung zu stellen) und ermöglichen neue Produkte bzw. Dienstleistungen für (neue) Kunden (auch außerhalb der Branche)? (Nutzenversprechen, Zielkundensegmente) (7b) Welche Daten sind bereits verfügbar (oder leicht zur Verfügung zu stellen) und ermöglichen neue zusätzliche Umsätze für (auch neu zu gewinnende) Kunden (auch außerhalb der Branche) (Zielkundensegmente, Nutzenversprechen, Ertragsmechanik, Wertschöpfungsstruktur)? (8) (8a) Kann mit Hilfe von smarten Komponenten, smarten Produkten, smarten Dienstleistungen, smarten Prozessen oder Internet-Plattformen zusätzlicher Wert für Kunden geschafft werden oder die Effizienz für den Kunden erhöht werden? Wünscht sich der

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Kunde zusätzliche Unterstützung bzw. Erleichterung durch smarte Komponenten oder Internet-Plattformen? (Kundenanforderung) (8b) Kann mit Hilfe von smarten Komponenten, smarten Produkten, smarten Dienstleistungen, smarten Prozessen oder Internet-Plattformen der Umsatz erhöht werden oder die Kosten der Leistungserbringung reduziert werden (Wertschöpfungsstruktur, Nutzenversprechen, Ertragsmechanik)? Obige acht Punkte können als Konkretisierung und Umsetzung der Customer Journey, siehe Van Der Pijl et  al. (2016), entlang des Lebenszyklus gesehen werden. Neben der Identifikation der Kundenwünsche und Konzipierung des Wertangebotes (Produkte und Dienstleistungen) stehen die Beantwortung der beiden Fragen „Was macht dem Kunden Freude (und was müssen wir tun, dass diese Freude dem Kunden zu Teil wird)?“ und „Was bereitete dem Kunden Schmerzen (uns was müssen wir tun, dass diese Schmerzen verhindert oder zumindest gelindert werden)?“ im Fokus der Customer Journey. Manche der obigen acht Fragen sind in Teilfragen (a) und (b) unterteilt. Teilfragen (a) sollen schwerpunktmäßig in der direkten Zielkundeninteraktion adressiert werden und beziehen sich auf das Verstehen lernen des Kunden, seiner Bedürfnisse, Anliegen, Erwartungen und Anforderungen. Fragen (a) beziehen sich auf die Lebenszyklusanalyse Teil Kundenanforderung. Teilfragen (b) dienen zur internen Weiterentwicklung sowie Konkretisierung des Geschäftsmodells, sollen schwerpunktmäßig im Workshop behandelt werden und beziehen sich auf die Lebenszyklusanalyse Teil Geschäftsmodelldesign. In Klammer sind jeweils die Geschäftsmodell-Elemente angegeben, die schwerpunkt­ mäßig durch die Beantwortung der jeweiligen Frage verfeinert werden können. Pro Lebenszyklusphase sollen die Kundenbedürfnisse und -erwartungen verstanden und das Nutzenversprechen entsprechend angepasst bzw. erweitert werden. Die Methode der User Story, siehe Cohn (2004) oder Pichler (2013), ist ein gutes Hilfsmittel, um kundenorientiert die Kundenbedürfnisse zu beschreiben bzw. das Nutzenversprechen zu illustrieren. In jeder Phase soll mit dem Zielkunden beschrieben werden, wie diese Phase optimal aussehen könnte, was er/sie zusätzlich brauchen würde, wo Probleme bzw. Verbesserungspotenziale gesehen werden, wie etwas verbessert werden könnte und was das konkrete Wertangebot (Produkte, Dienstleistungen, Informationen, Daten, digitaler Zwilling, Beratung, Netzwerkzugänge, Dokumentation, Transparenz, Image, Reputation, …) an die Kunden in jeder Lebenszyklusphase ist. Für Automatisierung und Digitalisierung soll pro Phase hinterfragt werden, ob sie zur Effizienzsteigerung oder Kostenreduktion eingesetzt werden können. In Jodlbauer et al. (2018) werden abhängig von der Variantenanzahl und Ausbringungsmenge Kriterien definiert, wann welcher Automatisierungsgrad wirtschaftlich sinnvoll ist. Up-selling (höherwertigeres Produkt bzw. Dienstleistung wird dem Kunden angeboten und verkauft), Cross Selling (weitere passende oder ergänzende Produkte bzw. Dienstleistungen werden dem Kunden angeboten und verkauft) und Digitalisierung (insbesondere Plattformen und Datenverwertung) sollen pro Phase hinterfragt werden, ob sie zur Umsatzsteigerung eingesetzt werden können, siehe Netessine et al. (2006) oder Aagaard et al. (2019). Entlang des gesamten Produktlebenszyklus entstehen Daten, und Daten sind

Lebenszyklusanalyse

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die Basis für die Steuerung der Wertschöpfung. Daten können genutzt werden, um zusätzlichen Mehrwert für bestehende Kunden zu schaffen oder für neue Kunden Angebote zu schaffen. Bei der Entwicklung eines Geschäftsmodells insbesondere bei den Dimensionen Kunde und Nutzenversprechen macht es Sinn, entlang des Produktlebenszyklus aus Sicht des Kunden für jede Phase des Lebenszyklus zu prüfen, welche Daten sind vorhanden bzw. welche Daten sind noch nicht vorhanden und würden aber große Vorteile (Umsatzsteigerung, zusätzliches Wertangebot) bringen. Datendurchgängigkeit, Interoperabilität, einheitliche Sprache (Ontologie) entlang des gesamten Produktlebenszyklus wie z.  B. (Abwärts-)Kompatibilität der Sub-Systeme oder durchgehende Kommunikationswerkzeuge fördern die Flexibilität, Effizienz, Geschwindigkeit und Kundenorientierung der Wertschöpfungsstruktur und können zur Kostenreduktion beitragen. Die Frage „Was benötigen wir für diese Phase, damit das Nutzenversprechen eingelöst werden kann und die Ertragsziele erreicht werden können“ ist Basis für die Ableitung der Anforderungen an die Wertschöpfungsstruktur insbesondere Entwicklung, Konstruktion, Beschaffung, Produktion, Montage, IT, Digitalisierung, Personal und Partner. Für die Vorbereitungsarbeiten wird konkret vorgeschlagen, dass erstens ein kleines Team zielkundenspezifisch die Lebenszyklusphasen formuliert und zweitens auf Basis dieser jeder Workshop-Teilnehmer, der Mitarbeiter des Unternehmens ist, jeweils mit einem ausgewählten Zielkunden eine Lebenszyklusanalyse Teil Kundenanforderungen durchführt. In der Vorbereitungsphase soll beim Zielkunden der Fokus auf die Fragen (1), (2), (3a), (4a), (5a), (6a), (7a) und (8a) bei der Lebenszyklusanalyse gelegt werden. Die Teilfragen (a) fördern den Fokus auf die Erfassung der Kundenforderungen. Die einzelnen Ergebnisse der Lebenszyklusanalysen mit den ausgewählten Zielkunden werden im Workshop zu einer Schärfung und Verbesserung des Geschäftsmodells bezogen auf die jeweiligen Zielkundensegmente herangezogen. To Be Answered – Vorbereitungsarbeiten Lebenszyklusanalyse

1. Haben Sie pro Zielkundensegment eine angepasste zielkundenspezifische Formulierung der Lebenszyklusphasen erarbeitet? 2. Hat jeder firmeneigene Workshop-Teilnehmer bei einem Zielkunden die Lebenszyklusanalyse Teil Kundenanforderung mit Fokus Erfassung der Kundenbedürfnisse durchgeführt und die Ergebnisse pro Phase dokumentiert?

Workshop Lebenszyklusanalyse Der Einstieg in diesen Workshop sollte die Präsentation der kumulierten Ergebnisse der Reflexionsergebnisse pro Zielkundensegment sein (siehe Tab. 6). Resultierende Verbesserungen, Änderungen oder Erweiterungen des Geschäftsmodells sollen dargestellt, diskutiert, bewertet und einer Entscheidung zugeführt (Aufnahme ins Geschäftsmodell und in welcher Form) werden. Ziel ist es, gemeinsam in der Diskussion mit Hilfe der Fünf Flipcharts die vorliegenden Entwürfe des Geschäftsmodells auf Basis der Reflexionswork-

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Tab. 6  Workshop Lebenszyklusanalyse Workshop Lebenszyklusanalyse Inhalt Verdichtung der Ergebnisse der Reflexionsanalyse pro Zielkundensegment Lebenszyklusanalyse Teil Geschäftsmodelldesign pro Zielkundensegment Präsentation der zielkundenspezifischen Geschäftsmodelle im Plenum

Outcomes Aktualisierte Entwürfe der Geschäftsmodelle, eventuell ausgeschiedene Geschäftsmodellentwürfe Verbesserte Geschäftsmodelle, eventuell ausgeschiedene Geschäftsmodellalternativen Durch Plenum reflektierte Geschäftsmodelle, eventuell ausgeschiedene Geschäftsmodellalternativen

shops kundenorientierter weiterzuentwickeln. Erkenntnisse aus der Lebenszyklusanalyse Teil Kundenanforderungen sollten hier noch nicht verarbeitet werden. Der pro Zielkundensegment überarbeite Entwurf des Geschäftsmodells ist Ausgangspunkt der Lebenszyklusanalyse Teil Geschäftsmodelldesign. Wenn für ein Zielkundensegment mehrere alternative Entwürfe des Geschäftsmodells vorliegen und auf Grund der Reflexionsanalyse eine Alternative begründet ungeeignet erscheint, soll diese Alternative ausgeschieden werden und im Folgenden nicht mehr betrachtet werden. Nach Aktualisierung der Entwürfe des Geschäftsmodells werden die Ergebnisse der einzeln durchgeführten Lebenszyklusanalysen Teil Kundenanforderungen pro Zielkundensegment zusammengetragen, mit dem vorliegenden Entwurf des Geschäftsmodells kombiniert und zu einer Weiterentwicklung des Geschäftsmodells verwendet. Dazu wird ein phasenorientiertes Vorgehen vorgeschlagen. Pro Lebenszyklusphase sollten • Präsentation und Diskussion der Ergebnisse aus den einzelnen Lebenszyklusanalysen zu den Kundenanforderungen, • Verdichtung zu gemeinsam gesehenen Kundenanforderungen bezogen auf die Lebenszyklusphase, • Erweiterung bzw. Konkretisierung des Nutzenversprechens sowie Einnahmequellen bezogen auf die Lebenszyklusphase durch schrittweise Bearbeitung der Fragen (3b) und (4b), • Erweiterung, Änderung und Konkretisierung aller neuen Elemente (falls erforderlich sind auch Zielkundensegment, Nutzenversprechen und Einnahmequellen anzupassen) des Geschäftsmodells bezogen auf das Zielkundensegment auf Basis der Lebenszyklusphase durch schrittweise Bearbeitung der Fragen (5b), (6b), (7b) und (8b) unter Beachtung des Entwurfes des Geschäftsmodells (der kombinierten Geschäftsmodellbausteine) (falls notwendig bzw. als sinnvoll erachtet, wird der Entwurf beliebig abgeändert) durchgeführt werden. Die Teilfragen (a) adressieren die Kundenwünsche – Teilfragen (b) führen zum Geschäftsmodell. Nicht jeder Kundenwunsch muss sich im Nutzenversprechen wiederfinden. Bei der Erarbeitung des Geschäftsmodells muss kritisch diskutiert und entschieden werden, welche Kundenwünsche werden in das Nutzenversprechen aufge-

Lebenszyklusanalyse

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nommen und welche nicht. Kundenwünsche, die für das gesamte Zielkundensegment wichtig sind oder bei Erfüllung einen dauerhaften Wettbewerbsvorteil sicherstellen, sollten unbedingt in das Nutzenversprechen aufgenommen werden. Kundenwünsche, die nur sporadisch auftreten (nur von wenigen Zielkunden geäußert werden), kaum umsatzwirksam sein werden, hohe Kosten verursachen und keinen wesentlichen Wettbewerbsvorteil bringen, sollen im Nutzenversprechen nicht berücksichtigt und damit in der Erarbeitung des Geschäftsmodells nicht beachtet werden. Die Konzentration auf das wirklich Entscheidende ist besser als alles ein bisschen abzudecken. Bei Aspekten des Nutzenversprechens, denen kein relevanter Kundenwunsch oder relevante Kundenanforderung gegenübersteht, sollte kritisch überprüft werden, ob sie nicht gestrichen oder zumindest angepasst werden sollen. Das Einlösen des Nutzenversprechens verursacht Kosten und damit sollte immer sichergestellt sein, dass das Nutzenversprechen zielkundeorientiert, umsatz- sowie wettbewerbsvorteilbringend ist. Bei der Beantwortung der Frage (7b) könnte, falls ein ausreichendes Potenzial gesehen wird, ein neues zusätzliches Zielkundensegment entstehen. Ergänzend zur obigen Lebenszyklusanalyse kann eine technologieorientierte Prozessanalyse vorgenommen werden. Für alle bereits identifizierten Aktivitäten und Prozesse sollen angelehnt an Ematinger (2017) nachfolgende Fragen beantwortet werden: • Welche Prozesse/Aktivitäten können Sie mit Hilfe der Digitalisierung spürbar beschleunigen (echtzeitfähig machen)? Was davon bemerken und honorieren die Zielkunden? Können Sie damit zusätzliche Zielkunden erreichen? Könnten Sie damit zusätzlich Umsätze generieren? Können Sie dadurch Kosten einsparen? Wie sieht das Kosten-­ Nutzenverhältnis aus? • Welche Prozesse/Aktivitäten können Sie in vorausschauende, selbstkontrollierende, selbstkorrigierende, selbststeuernde, automatisierte oder intelligente Prozesse/Aktivitäten umwandeln (siehe Strasser et al. (2019))? Was haben die Zielkunden davon? Können Sie damit zusätzliche Zielkunden erreichen? Könnten Sie damit zusätzlich Umsätze generieren? Können Sie dadurch Kosten einsparen? Wie sieht das Kosten-Nutzen­ verhältnis aus? • Für welche Prozesse/Aktivitäten sind (digitale) Assistenzsysteme oder mobile digitale Geräte zur Unterstützung der handelnden Menschen (Kunde, Mitarbeiter, Lieferant, …) sinnvoll? Welche Unterstützung (z. B. Information, Entscheidungsvorschläge, technischer Hinweis, Hilfstätigkeit, Materialbereitstellung, …) soll das Assistenzsystem übernehmen? Was haben die Zielkunden davon? Können Sie damit zusätzliche Zielkunden erreichen? Könnten Sie damit zusätzlich Umsätze generieren? Können Sie dadurch Kosten einsparen? Wie sieht das Kosten-Nutzenverhältnis aus? • Können Prozesse/Aktivitäten durch neue Technologien (z. B. 3-D-Drucker, kollaborative Roboter, selbstfahrende Werkstückträger, Datenhandschuh, Data Analytics, Simulation, intelligenter Behälter oder Internet-Plattformen) verbessert oder ersetzt werden? Was davon bemerken und honorieren die Zielkunden? Können Sie damit zusätzliche Zielkunden erreichen? Könnten Sie damit zusätzlich Umsätze generieren? Können Sie dadurch Kosten einsparen? Wie sieht das Kosten-Nutzenverhältnis aus?

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Bei der Weiterentwicklung des Geschäftsmodells soll besonders auf die Konsistenz des Geschäftsmodells Wert gelegt werden. Eine hohe Konsistenz ist erreicht, falls das Geschäftsmodell folgende Eigenschaften erfüllt: Interne Konsistenz : Es gibt keine zwei Teile des Geschäftsmodells, die sich widersprechen oder gegenseitig hemmen Wesentliche Aspekte des Geschäftsmodells fördern andere Bereiche des Geschäftsmodells oder umgekehrt: Beim Weglassen eines wesentlichen Aspektes des Geschäftsmodells verschlechtert sich das Geschäftsmodell in anderen Bereichen, siehe Casadesus-­ Masanell und Ricart (2010) Strategische Konsistenz : Es gibt keine Teile des Geschäftsmodells, die zur Vision, Strategie oder zu den übergeordneten Zielsetzungen im Widerspruch stehen Jeder Aspekt der Vision, der Strategie und der übergeordneten Ziele der Geschäftsmodellinnovation wird durch mindestens ein Elelment (idealerweise durch das synergetische Zusammenspiel mehrerer (Teil-)Elemente) des Geschäftsmodells abgedeckt, siehe Miller (1996) Die nächsten beiden Beispiele zeigen, dass gut gemeinte Wertversprechen (Eigenschaften von Produkten), die sich nicht an den Zielkunden orientieren, nicht nur zu Kostenerhöhungen, sondern auch zu Absatzverlusten und damit insbesondere zu Umsatzverlusten führen können. Also bei der Erarbeitung der Kundenbedürfnisse und des Nutzenversprechens geht es ausschließlich um die Wünsche, Erwartungen und Bedürfnisse der Zielkunden und nicht um die Meinungen der Entwickler, Designer, Marketingbeauftragten und weiterer Experten. Beispiel „Nutzenversprechen höher als Kundenanforderung“

Ein junger Entwicklungsingenieur erstellt ein Modell zur Charakterisierung der Vibrationsbelastung des Menschen bei Nutzung von Bohrhämmern. Mit Hilfe dieses Modells wurde ein Absorber entwickelt, der nachweislich zur Reduktion der Vibrationsbelastung beim Menschen, der mit dem Bohrhammer arbeitet, führt. Besonders Frequenzen, die stark gesundheitsgefährdend sind (z. B. White Finger Syndrom), können mit dem neuen Ansatz herausgefiltert werden. Völlig euphorisch wurden Prototypen für einen Markttest gebaut: Das ernüchternde Ergebnis der Markttests war, dass nach kurzer Zeit der Bohrhammernutzung die Arbeiter den Bohrhammer zur Seite legten mit dem Hinweis „Der Bohrhammer funktioniert nicht, weil sie keine Vibrationsbelastung spüren“. Dieses Verhalten der Arbeiter änderte sich auch nicht durch wiederholtes Vorzeigen und Nachweis der Abbauleistung. Offensichtlich ist ein Arbeiter nur beim massiven „Durchschütteln“ überzeugt, dass Beton abgebaut wird. ◄

Lebenszyklusanalyse

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Beispiel „Spaltmass“

Einige Automobilbauer nehmen sehr hohe Kosten (z. B. eigene Richtarbeitsgänge oder manuelles Richten) in Kauf, um die sogenannten Spaltmaße gleichmäßig klein zu halten. Der „normale“ Endkunde (technische Autofreaks und Experten wie Autospengler, Lackierer oder Sachverständige sind ausgenommen) nimmt die hohen, von den OEMs verlangten, Spaltmaßtoleranzen nicht wahr. Automobilbauer, die die Spaltmaßtoleranzen weniger streng sehen, haben einen Kostenvorteil und keinen Absatznachteil (geringerer Preis wegen geringeren Kosten möglich) im Vergleich zu den OEMs mit hohen Anforderungen an die Spaltmaße. ◄ Für die Verfeinerung, Konkretisierung und Weiterentwicklung des Geschäftsmodells wird vorgeschlagen, als Ausgangspunkt den Entwurf des Geschäftsmodells resultierend aus der Ideengenerierung zu verwenden. Pro Lebenszyklusphase werden ausgehend von den Kundenbedürfnissen alle Geschäftsmodellelemente durch punktweise Beantwortung der Fragen (1), (2), (3b), (4b), (5b), (6b), (7b) und (8b) pro Lebenszyklusphase angepasst bzw. erweitert. Wenn es zweckmäßig erscheint, können im Zuge der Lebenszyklusanalyse gewählte Geschäftsmodellbausteine ausgetauscht, ersetzt oder gestrichen werden. Die Fünf Flipcharts unterstützen den Diskussionsprozess und die erforderliche Dokumentation der (Zwischen-)Ergebnisse. Bei der Weiterentwicklung des Geschäftsmodells sollten unbedingt die Ausführungen im Kap. „Geschäftsmodell“ insbesondere die Fragen von „To Be Answered“ pro Geschäftsmodellelement berücksichtigt werden. Falls noch mehrere Entwürfe für ein Zielkundensegment vorliegen, muss für jeden noch im Rennen befindlichen Entwurf die Lebenszyklusanalyse Teil Geschäftsmodelldesign durchgeführt werden. Wenn sich im Zuge der Lebenszyklusanalyse eine Konvergenz zweier Modelle abzeichnet oder eine Alternative begründet ungeeignet erscheint, sollte die Anzahl der noch zu verfolgenden alternativen Geschäftsmodelle reduziert werden. Zum Abschluss des Workshops wird empfohlen, dass im Plenum die Ergebnisse der zielkundenspezifischen Teilworkshops präsentiert werden. Fokus dabei ist der aktuelle Stand der zielkundenspezifischen Geschäftsmodelle. Verständnisfragen können wertvollen Input geben, dass gewisse Formulierungen, Zusammenhänge oder Überlegungen zum Geschäftsmodell noch nicht in sich stimmig sind bzw. noch Unklarheiten beinhalten und damit das Geschäftsmodell noch zu verbessern ist. Bei noch mehreren alternativen Geschäftsmodellen für ein Zielkundensegment kann der Vergleich der einzelnen zielkundenspezifischen Geschäftsmodelle (Kompatibilität zwischen den zielkundenspezifischen Geschäftsmodellen, zielkundenübergreifende Synergien, …) zu einem begründeten Ausscheiden einer Variante führen. To Be Answered – Workshop Lebenszyklusanalyse

1. Haben wir für jedes Zielkundensegment zumindest ein vollständiges (alle neuen Elemente umfassendes) Geschäftsmodell detailliert ausgearbeitet?

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

2. Haben wir bei Vorliegen alternativer Geschäftsmodelle begründet Alternativen ausgeschieden? 3. Haben wir bei der Ausarbeitung der Geschäftsmodelle ausreichend die Erkenntnisse aus den Lebenszyklusanalysen und die Inhalte des Kap. „Geschäftsmodelle“ zu den einzelnen Geschäftsmodellelementen berücksichtigt? 4. Haben wir ein Geschäftsmodell mit hoher Konsistenz erarbeitet?

Nachbereitungsarbeiten zur Lebenszyklusanalyse Je nach Einschätzung der Notwendigkeit können weitere Reflexionsworkshops (siehe Abschn. „Nachbereitungsarbeiten zur Ideengenerierung“ auf Seite 130) mit ausgesuchten Zielkunden zur weiteren kundenorientierten Validierung und Verbesserung des Geschäftsmodells durchgeführt werden. Bei Verdacht eines zu komplexen bzw. zu aufwendigen Nutzenversprechens ist ein Plausibilitätscheck zum Nutzenversprechen zu empfehlen. Im ersten Schritt dieses Plausibilitätschecks werden alle von Zielkunden geäußerte Kundenanforderungen gesammelt. Wertvoller Input zu dieser Liste der Kundenanforderungen kommt von den Ergebnissen der Lebenszyklusanalyse Teil Kundenanforderung. Die aufgelisteten Kundenanforderungen werden in zwei Gruppen gesplittet. Die erste Gruppe umfasst ausschließlich die relevanten Kundenanforderungen. Eine Kundenanforderung ist relevant falls • die überwiegende Mehrheit der Zielkunden diese Anforderungen als wichtige Anforderungen sehen, • die Erfüllung dieser Anforderung nachhaltig Wettbewerbsvorteile bringt, oder • die Erfüllung dieser Anforderung hohe Umsätze (aktuell oder in Zukunft) generiert. Die zweite Gruppe der Kundenanforderungen beinhaltet alle nicht relevanten Anforderungen. Nicht relevante Kundenanforderungen sollen kritisch hinterfragt werden, ob deren Mehrwert für das Unternehmen (Umsatzpotenzial, Wachstumspotenzial, …) ausreichend für die Berücksichtigung im Nutzenversprechen gesehen wird. Erfahrungsgemäß sollten mehr nicht relevante Kundenanforderungen als relevante kategorisiert werden. Durch den Plausibilitätscheck werden zwei Dinge konkret geprüft: Erstens muss es für jede relevante Kundenanforderung zumindest eine Umsetzung im Nutzenversprechen oder in der Ausgestaltung des Geschäftsmodells (Kundenbeziehung, Kundenauftragsabwicklung, Produkteigenschaften, …) geben. Und zweitens, für jeden Aspekt des Nutzenversprechens und für jedes kostenintensive Merkmal des Geschäftsmodells muss es zumindest eine „verursachende“ Kundenanforderung geben. Sehr kostenintensive Merkmale (siehe dazu

Wettbewerbsanalyse

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Geschäftsmodellelement Ertragsmechanik-Kostenstruktur) des Geschäftsmodells sollen für die Einlösung relevanter Kundenanforderungen oder gleichzeitig für mehrere nicht relevante Kundenanforderungen einen Beitrag leisten. Der zweite Teil des Plausibilitätschecks greift Ideen von Target Costing, siehe Cooper (2017), auf. Ein Merkmal eines Geschäftsmodells (z. B. eine Ressource, eine Aktivität, ein Prozess, …) darf nur so viel Kosten verursachen, wie das Merkmal zur Nutzenstiftung (davon indizierter direkter oder indirekter Umsatz) für den Kunden und zur Wertsteigerung fürs Unternehmen (Umsatzerlöse und Kosteneinsparung) beiträgt. In Huang et al. (2012) wird aufgezeigt, dass zwischen Geschäftsmodellinnovationskraft, Anwendungsintensität von Target Costing und finanzieller Performance eines Unternehmens eine positive Korrelation besteht. To Be Answered – Nachbereitungsarbeiten Lebenszyklusanalyse

1. Haben wir falls notwendig Reflexionsworkshops und Plausibilitätschecks durch­geführt? 2. Haben wir die Geschäftsmodelle dokumentiert und in geeigneter Form kommuniziert? 3. Gibt es kritische Stimmen zum Geschäftsmodellinnovationsprozess oder zu den aktuellen zielkundenspezifischen Geschäftsmodellen? Falls ja: Berücksichtigen wir diese kritischen Stimmen in geeigneter Form bei der Weiterentwicklung der Geschäftsmodelle, bei der Kommunikation und beim weiteren Vorgehen zum Geschäftsmodellinnovationsprozess?

Wettbewerbsanalyse Im Zuge der Wettbewerbsanalyse (siehe Abb. 15) wird das Geschäftsmodell bezüglich der Fähigkeit der Schaffung eines nachhaltig hohen Wettbewerbsvorteiles geprüft. Vergleich zum Mitbewerber, strategische Ausgewogenheit, die Positionierung im Ecosystem, stringente Zielkundenorientierung und nachhaltige Erwirtschaftung hoher Erlöse sind dabei wesentliche Punkte. Ein Benchmark der Mitbewerber und ein reines Kopieren der Mitbewerber würde keine Wettbewerbsvorteile bringen, siehe Kim und Mauborgne (2014). Die Kunst ist, sich nicht an den Mitbewerbern sondern an den Zielkunden zu orientieren, siehe Bonchek und Cornfield (2016). Die Wettbewerbsanalyse werden wir deshalb nicht durch Analyse der Mitbewerber, sondern durch Analyse von potenziellen oder verlorenen Kunden, die genau in das Zielkundensegment passen würden aber keine Kunden (mehr) sind, steuern. Die Grundüberlegung sich nicht am Mitbewerber zu orientieren sondern an den (End)Zielkunden ist vor allem im Hinblick auf den digitalen Wandel von großer Bedeutung, da die Endkunden (Privatpersonen) schneller den digitalen Wandel antizipieren als der Großteil der (europäischen) Unternehmen, siehe Negreiro und Madiega (2019).

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Zielkunden Wertschöpfungsstruktur

Nutzenversprechen Ertragsmechanik

3

Wettbewerberbsvorteile durch Wettbewerbsanalysen sicherstellen

Markt Abb. 15  Schritt (3) Wettbewerbsanalyse

Vorbereitungsarbeiten zur Wettbewerbsanalyse Die Vorbereitungsarbeiten zur zielkundenorientierten Wettbewerbsanalyse starten mit einer detaillierten Recherche zum Thema verlorene bzw. noch nicht akquirierte Kunden. Dazu wird vorgeschlagen, die relevantesten (mit höchstem Umsatzpotenzial, mit höchsten langfristigen Entwicklungschancen, …) potenziellen Kunden zu identifizieren, die erstens keine Kunden sind (unabhängig vom Grund) und zweitens perfekt in das betrachtete Zielkundensegment passen. Das Kriterium, dass die potenziellen Kunden genau den Anforderungen der angepeilten Zielkunden entsprechen, ist entscheidend – nur so kann sichergestellt werden, dass das Geschäftsmodell zielkundenorientiert weiterverfeinert wird. Jeder Workshop-Teilnehmer besucht einen dieser relevanten „Noch-Nicht-Kunden“ und führt mit ihm/ihr eine Wettbewerbsanalyse durch. Bei potenziellen Firmenkunden sollten jene Personen involviert werden, die informell und formell (mit-)entscheiden bei welchen Lieferanten das Wertangebot bezogen wird. Die Motivation des potenziellen Zielkunden, bei der Analyse mitzuwirken könnte die Chance sein, ein verbessertes Wertangebot zu nutzen oder eine bewusste Überprüfung der bestehenden Lieferanten. Wenn auf Grund der Beziehungen oder des Ecosystems derartige Gespräche bzw. Workshops mit „Noch-Nicht-­ Kunden“ nicht möglich sind, können auch Externe beauftragt werden, diese Analyse neutral durchzuführen. Das Gespräch bzw. der Workshop sollten in einer lockeren entspannten Atmosphäre stattfinden. Nachfolgende Punkte bzw. Fragen dienen als Gesprächsleitfaden bei der Analyse.

Wettbewerbsanalyse

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• Erfassung der Kundenanforderungen analog zur Lebenszyklusanalyse Teil Kundenanforderung. • Verstehen lernen, warum der potenzielle Kunde bei Mitbewerbern das Wertangebot bezieht. • Beantwortung der Frage „Bei welchem Mitbewerber werden welche Leistungen in welchem Umsatzvolumen bezogen?“. • Kritischer Vergleich pro Lebenszyklusphase des Wertangebotes der Lieferanten des „Noch-Nicht-Kunden“ (Mitbewerber) mit dem Wertangebot laut dem neuen konzipierten Geschäftsmodell (siehe dazu Lebenszyklusanalyse Teil Geschäftsmodelldesign). Die Erfassung der Kundenanforderungen erfolgt völlig ident zur Lebenszyklusanalyse. Bei der Erfassung der Kundenanforderungen sollte in Erfahrung gebracht werden, warum es uns noch nicht gelungen ist, den potenziellen Kunden als Kunden zu gewinnen. Direkte einfache Fragen wie „Warum kaufen Sie nicht bei uns?“, „Was gefällt Ihnen am Angebot des Mitbewerbers besser?“ oder „Was müssten wir ändern, damit Sie bei uns kaufen würden?“ können dabei hilfreich sein. Die Klärung der Umsatzanteile der einzelnen Mitbewerber ist naturgemäß ein sensibles Thema und wird in vielen Fällen nicht detailliert quantifizierbar sein. Eine exakte Quantifizierung ist auch nicht notwendig, um das Geschäftsmodell zielkundenorientiert zu validieren und zu verbessern. Die Größenordnungen sind hilfreich, um die Bedeutung des potenziellen Kunden und der Mitbewerber besser einschätzen zu können. Bei einer sehr guten Gesprächsbasis und hohem Vertrauen kann die Frage direkt gestellt werden – ansonsten empfiehlt es sich, in mehreren vorsichtigen Teilfragen durch Kombination und Interpretation ein Bild über die wichtigsten Lieferanten (Mitbewerber) und deren Wertangebot aus Sicht des potenziellen Kunden zu erhalten. Der letzte Punkt ist für die Validierung und Verbesserung des Geschäftsmodells der wichtigste. Pro Lebenszyklusphase wird dem „Noch-Nicht-Kunden“ das konzipierte Wertangebot (Nutzenversprechen und deren Umsetzung) präsentiert und dem potenziellen Kunden ein Feedback mit Fokus Vergleich zu den bestehenden Lieferanten abverlangt. Bei noch alternativen Geschäftsmodellentwürfen sollte jede Alternative abgefragt werden. Fragen pro Lebenszyklusphase wie • Würden Sie sich eine Ergänzung oder ganz etwas anderes erwarten bzw. wünschen? Falls ja: Was sollten wir ändern? • Bietet Ihr derzeitiger Lieferant etwas an, was in unserem Wertangebot nicht enthalten ist? Falls ja: Was bietet Ihr Lieferant an, das in unserem Wertangebot fehlt? können Sie dabei unterstützen. Nach der Durcharbeitung aller Lebenszyklusphasen sollte abschließend die Frage „Würden Sie die nächste Bestellung/den nächsten Einkauf bei uns tätigen? Falls nein: Warum nicht? Was müssten wir ändern, damit wir Sie als Kunden gewinnen können?“ gestellt werden. Zusätzlich sollte bei alternativen Geschäftsmodellen der „Noch-Nicht-­Kunde“ gefragt werden, welchen Alternativen er/sie warum den Vorzug geben würde.

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Für die konkrete Vorbereitungsarbeit zur Wettbewerbsanalyse sollten möglichst viele zielkundenorientierte Wettbewerbsanalysen bei relevanten „Noch-Nicht-Kunden“, die exakt zum jeweiligen Zielkundensegment passen, durchgeführt und entsprechenden dokumentiert werden. Falls im Zuge der zielkundenorientierten Wettbewerbsanalysen nur sehr lückenhafte quantitative Aussagen zu den Mitbewerbern eingeholt werden können, sollte durch zu­ sätzliche Analysen wie Sichtung von Marktberichten, Interpretation von zugänglichen Markt-Statistiken, Auswertung von verlorenen Aufträgen, … ein quantitativer Überblick über die Mitbewerber erarbeitet werden.

Workshop zur Wettbewerbsanalyse Im ersten Teil des Workshops Wettbewerbsanalyen werden die Ergebnisse der zielkundenorientierten Wettbewerbsanalysen von „Noch-Nicht-Kunden“ zusammengetragen, zu Verbesserungspotenzialen verdichtet und zur Verbesserung des Geschäftsmodells genutzt (siehe Tab. 7). Folgendes Vorgehen wird dabei vorgeschlagen: • Reflexion und Überarbeitung der Kundenbedürfnisse der Zielkunden auf Grund des Feedbacks der „Noch-Nicht-Kunden“, • Reflexion und Überarbeitung des Nutzenversprechens auf Grund des Feedbacks der „Noch-Nicht-Kunden“ und der Wertangebote der Mitbewerber, • Qualitative und quantitative Darstellung der Mitbewerber. Unter Beachtung der einzelnen Lebenszyklusphasen Beantwortung der Fragen: • Was machen wir besser als die Mitbewerber? Was müssen wir tun um sicherzustellen, dass wir das auch langfristig besser machen werden? Tab. 7  Workshop Wettbewerbsanalyse Workshop Wettbewerbsanalyse Inhalt Outcomes Wettbewerbsanalyse pro Validierte und verbesserte Geschäftsmodelle auf Grund von Zielkundensegment Kundenanforderungen von „Noch-Nicht-Kunden“, eventuell ausgeschiedene Geschäftsmodellentwürfe Konsistenzprüfung pro Validiert und verbessert das Geschäftsmodell in Richtung einer Zielkundensegment klaren und ausgewogenen strategischen Ausrichtung und einer hohen internen Konsistenz, eventuell ausgeschiedene Geschäftsmodellalternativen Präsentation im Plenum Durch Plenum reflektierte Geschäftsmodelle, eventuell ausgeschiedene Geschäftsmodellalternativen

Wettbewerbsanalyse

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• Was macht ein Mitbewerber besser als wir? Was können und wollen wir tun, damit wir das besser machen als der Mitbewerber? • Was wäre zusätzlich sinnvoll bzw. nötig, um besser als der Mitbewerber zu sein? Wie können wir einen höheren Kundennutzen generieren als der Mitbewerber? Wie können wir das Leistungsangebot mit weniger Kosten als der Mitbewerber bereitstellen? • Was sind die Risiken, Gefahren oder Bedrohungen des Geschäftsmodells und was kann zur Reduktion des Risikos, Vermeidung der Gefahr und Abwendung der Bedrohung gemacht werden? • Wird oder kann es neue Mitbewerber (Neueinsteiger, branchenfremde Quereinsteiger, etablierte Anbieter aus einer anderen Region, …) geben? Welche Bedrohungen werden von den neuen Mitbewerbern ausgehen? Was können wir dagegen machen? • Wird oder kann es substituierende Produkte oder Dienstleitungen geben? Können die von uns adressierten Kundenbedürfnisse durch völlig neue Ansätze befriedigt werden? Welche Bedrohungen werden von den Ersatz-Produkten bzw. -Dienstleistungen ausgehen? Was können wir dagegen tun? Durch das Feedback von den relevanten „Noch-Nicht-Kunden“ können die Kundenanforderungen und das Nutzenversprechen noch weiter zielkundenorientiert geschärft werden. Der qualitative und quantitative Überblick über die Mitbewerber soll klar aufzeigen, welche Mitbewerber wie viel Umsatz in welchen Bereichen des Zielkundensegments mit welchen Produkten bzw. Dienstleistungen machen und wo aus Zielkundensicht die Stärken und Schwächen der einzelnen Mitbewerber liegen. Auf Grundlage der angepassten Lebenszyklusphasen aus der Lebenszyklusanalyse wird Phase um Phase das Wertangebot der besten Mitbewerber mit dem durch das neue Geschäftsmodell konzipierten Wertangebot verglichen, bewertet und optimiert. Nach Durcharbeitung aller Lebenszy­ klusphasen soll das gesamte Geschäftsmodell in Bezug auf Risiken, Gefahren und Bedrohungen vor allem durch den Markteintritt neuer Mitbewerber und durch Ersatz-Produkte bzw. Ersatz-­Dienstleistungen, siehe dazu die Wettbewerbskräfte nach Porter (2008), analysiert werden und geeignete Gegenmaßnahmen erarbeitet werden. Nachfolgendes Beispiel zeigt, dass Branchen, die in den letzten Dekaden sehr viel Geld verdient haben, massiv durch die Digitalisierung bedroht sein können. Beispiel „Zahnersatz“

Keramik 3D-Drucker ermöglichen, dass in einer Sitzung der Zahnarzt eine Vorbehandlung der schadhaften Zahnstelle vornimmt, eine digitale dreidimensionale Vermessung macht, das geeignete Zahninlay bzw. den Zahnersatz mit einem beim Zahnarzt stehenden Keramikdrucker fertigt und den Zahnersatz beim Patienten anschließend einsetzt. Dies kann alles im Zuge eines Patienten-Termins stattfinden. Diese Methode bringt für den Patienten (maßgeschneiderte Lösung in nur einer Sitzung) und den Zahnarzt (Erhöhung der Wertschöpfungstiefe mit der Chance die Mar-

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

gen zu erhöhen) Vorteile. Für die etablierte Zahntechnikerbranche stellen medizinische 3D-Keramikdrucker eine massive Bedrohung dar, dass ihre Märkte und damit Umsätze wegbrechen ◄ Für manche Verbesserungen wird man während des Workshops sofort das Geschäftsmodell unter Nutzung der Fünf Flipcharts entsprechend weiterentwickeln und umformulieren können. Für andere Verbesserungspotenziale oder identifizierte Maßnahmen zur Verbesserung kann es sinnvoll sein, nachfolgende Tabelle „Wettbewerbsnachteile und Verbesserungen“ zu verwenden und über Task-Kanban deren Umsetzung zu steuern. Im zweiten Teil des Wettbewerbsanalyse-Workshops wird das Geschäftsmodell bezüglich strategischer und interner Konsistenz mit Hilfe der Konsistenzanalyse geprüft und verbessert. Die Dokumentation der Ergebnisse erfolgt wieder über die Fünf Flipcharts oder mit der Tabelle „Wettbewerbsnachteile und Verbesserungen“ (siehe Abb. 16) kombiniert mit den Fünf Flipcharts. Verschiedene Ansätze, Autorengruppen und Konzepte kategorisieren Geschäftsmodelle nach strategischen Ausrichtungen. Die bekanntesten sind die Wettbewerbsstrategien nach Porter (2008) mit Kostenführerschaft und Differenzie­ rung jeweils bezogen auf den Gesamtmarkt oder auf Teilmärkte (Nischenstrategie), die Geschäftsmodell-­Taxonomie nach Chatterjee (2013) mit Effizienz-basierten Geschäftsmodellne, Effizienz- und netzwerkbasierten Geschäftsmodellen, Wertbasierten Geschäftsmodellen, Wert-Loyalitäts- und Netzwerkbasierten Geschäftsmodellen und den drei Wertstrategien Operational Excellence, Customer Intimacy und Product Leadership nach Treacy und Wiersema (1993). In der nächsten Aufzählung kombinieren wir diese Ansätze und zählen auf der jeweils untersten Ebene wichtige Eigenschaften für die jeweilige strategische Ausrichtung auf.

Wettbewerbsanalyse Wettbewerbsnachteile, Risiken, Gefahren, Themen, …

(Gegen-)Maßnahmen, Verbesserungen, ...

Abb. 16  Wettbewerbsnachteile und Verbesserungen

Wettbewerbsanalyse

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• Kostenführerschaft und Operational Excellence –– Effizienz-basierte Geschäftsmodelle • Billiger als der Mitbewerber • geringere Kosten bei der Leistungserstellung als der Mitbewerber • effiziente Prozesse und Prozessinnovation sind wichtig • Automatisierung und Digitalisierung zur Kostensenkung nutzen • hohe Auslastung kapitalintensiver Ressourcen ist anzustreben • über hohe Absätze wird ausreichend Gewinn erzielt –– Effizienz- und Netzwerkbasierte Geschäftsmodelle • Punkte von effizienzbasierten Geschäftsmodellen und zusätzlich • Kampf um Marktplatzgröße ist von zentraler Bedeutung • Sicherstellung einer hohen Transparenz bei der Transaktionsabwicklung • Markt- und Sozialinnovation ist wichtig • Digitalisierung zur Markt- und Sozialinnovation nutzen • Differenzierung und Product Leadership –– Wert-basierte Geschäftsmodelle • einzigartige Marke, Image, vom Kunde wahrgenommener Wert bzw. Nutzen • kundenspezifisches, hoch qualitatives und flexibles Wertangebot • intensive Kundenbeziehung • Produkt- und Dienstleistungsinnovation ist wichtig • Automatisierung und Digitalisierung zur Innovation des Wertangebotes nutzen • Hohe Fähigkeiten und Kompetenzen sind bereitzustellen • Über hohe Margen wird ausreichend Gewinn erzielt –– Wert-Loyalitäts- und netzwerkbasierte Geschäftsmodelle • Punkte von Wert-basierten Geschäftsmodellen und zusätzlich • Kampf um loyale Members, die Kundennutzen wahrnehmen und weiterkommunizieren ist von zentraler Bedeutung • Markt- und Sozialinnovation ist wichtig • Digitalisierung zur Markt- und Sozialinnovation nutzen Diese Strategien können entweder auf den gesamten Markt oder auf Teilmärkte (Nischenstrategien, Customer Intimacy entspricht einer Nischenstrategie kombiniert mit Differenzierung) angewandt werden. Die Konsistenzanalyse in Bezug auf strategische und interne Konsistenz basiert auf obiger Aufzählung „strategische Ausrichtung“ sowie auf den Kernpunkten des vorliegenden Geschäftsmodells und erfolgt in folgenden acht Schritten • Fixierung und Formulierung der strategischen Ausrichtung (Schrittt 1). • Ableitung von erforderlichen (geforderten) wesentlichen Eigenschaften, genannt Kerneigenschaften (siehe dritte Ebene in obiger Aufzählung), des Geschäftsmodells zur Sicherstellung der strategischen Ausrichtung (Schritt 2). • Identifikation und Auflistung aller Kernaspekte (z.  B. verwendete Geschäftsmodell­ bausteine, zentrale Logiken bzw. Geschäftsideen des Geschäftsmodells, …) des ­Geschäftsmodells und jedes Geschäftsmodellelements (z.  B. intensiver persönlicher

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Kundenkontakt bei Kundenbeziehung, hoch standardisierte und sehr billige Produkte bei Wertangebot oder fixe Listenpreise bei Ertragsmechanik). Zu jedem Geschäftsmodellelement ist zumindest ein Kernaspekt zu formulieren (Schritt 3). Prüfung, ob sich zwei Kernaspekte widersprechen oder sich gegenseitig hemmen. Falls Ja: Entsprechende Anpassung des Geschäftsmodells ist vorzunehmen (interne Konsistenz) (Schritt 4). Prüfung, ob sich Kernaspekte gegenseitig stärken oder aufeinander aufbauen. Falls Nein: Prüfung, ob durch Anpassungen gegenseitige synergetische Verstärkungen erzielt werden können und somit die Schlagkraft des Geschäftsmodells erhöht werden kann. (interne Konsistenz) (Schritt 5). Prüfung, ob jeder Kernaspekt des Geschäftsmodells konsistent zur strategischen Ausrichtung ist. Falls nicht: Entsprechende Anpassung des Geschäftsmodells oder Korrektur der strategischen Ausrichtung (strategische Konsistenz) (Schritt 6). Prüfung, ob jede erforderliche Kerneigenschaft der strategischen Ausrichtung durch zumindest einen Kernaspekt im Geschäftsmodell adressiert wird. Falls nicht: Entsprechende Ergänzung bzw. Anpassung des Geschäftsmodells oder Korrektur der strategischen Ausrichtung (strategische Konsistenz) (Schritt 7). Ableitung von kritischen Erfolgsfaktoren und Kennzahlen (Schritt 8).

Die Ziffern in Abb. 17 referenzieren jeweils den Schritt der Konsistenzanalyse (siehe obige Aufzählung). Im ersten Schritt der Konsistenzprüfung wird die strategische Ausrichtung des Geschäftsmodells entsprechend festgelegt. Obige Aufzählung „strategische Ausrichtung“ gibt dazu auf den beiden obersten Ebenen Hinweise. Konkrete Themen dabei Abb. 17 Konsistenzanalyse

Geschäftsmodell

Strategische Ausrichtung 1 4 5 Kern2 eigenschaften

6

7

Konsistenz - prüfung

8 Kritische Erfolgsfaktoren

kritische Kennzahlen

3 Kernaspekte

Wettbewerbsanalyse

169

sind Kostenführerschaft versus Differenzierung, Nutzungsstrategie der Digitalisierung, beziehungsorientierte oder transaktionsorientierte Ausgestaltung des Geschäftsmodells, personalisiertes versus standardisiertes Wertangebot, Produkt-Dienstleistung-Leadership auf Grund von Qualität, Verfügbarkeit, …. Die strategische Ausrichtung muss stimmig und ausgewogen sein. Durch Digitalisierung und geschicktes Kombinieren können auch strategische Positionen, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen, sinnvoll miteinander verwoben sein, siehe Morris et al. (2005). Nach Festlegung einer stimmigen strategischen Ausrichtung werden in einem zweiten Schritt die Kerneigenschaften bestimmt. Kerneigenschaften beantworten die Frage „Was ist auf jeden Fall“ erforderlich bzw. bereitzustellen, damit die strategische Ausrichtung zu einem nachhaltigen Unternehmenserfolg führen kann. In der dritten Ebene der Aufzählung „strategische Ausrichtung“ sind für die klassischen strategischen Ausrichtungen exemplarische Denkanstöße zu den Kerneigenschaften gegeben. Im dritten Schritt wird das Geschäftsmodell pro Kundensegment im Ganzen und anschließend für jedes Element nach Kernaspekten durchsucht. Kernaspekte eines Geschäftsmodells stellen zentrale Ideen bzw. Inhalte dar, charakterisieren wie das Un­ ternehmen arbeiten will und haben einen wesentlichen Anteil an der Erhöhung der ­Wettbewerbsfähigkeit. Verwendete Geschäftsmodellbausteine stellen immer einen Kernaspekt dar. Pro Geschäftsmodellelement sollte mindestens ein Kernaspekt identifiziert werden. Kernaspekte eines Geschäftsmodells sollen nachhaltig hohe Wettbewerbsfähigkeit sicherstellen – damit sollen Themen wie Kopierbarkeit bzw. Nachahmbarkeit des Geschäftsmodells und Innovationskraft bzw. Innovationsgeschwindigkeit (je nach strategischer Ausrichtung: Produkt-, Dienstleistungs-, Sozial- oder Geschäftsmodellinnovation) durch Kernaspekte strategiekonform abgedeckt sein. Die Konsistenzprüfung findet in mehrere Richtungen statt. Im Schritt vier und fünf wird die interne Konsistenz des Geschäftsmodells (sind die Teile des Geschäftsmodells untereinander widerspruchsfrei und ergänzen sie sich synergetisch) geprüft. Im Schritt sechs wird geprüft, ob zu jedem identifizierten Kernaspekt eine Konsistenz zur festgelegten strategischen Ausrichtung vorliegt (z. B. No Frills würde nicht zu wertbasierter Product Leadership Ausrichtung passen). Bei festgestellten Inkonsistenzen von Kernaspekten zur strategischen Ausrichtung muss entweder das Geschäftsmodell umformuliert werden oder die strategische Ausrichtung korrigiert werden. Im siebten Schritt erfolgt die Prüfung, ob zu jeder Kerneigenschaft der strategischen Ausrichtung ein Kernaspekt des Geschäftsmodells vorliegt, der die geforderte Kerneigenschaft umfassend abdeckt. Falls Kerneigenschaften noch nicht ausreichend im Geschäftsmodell eingearbeitet sind, ist das Geschäftsmodell entsprechend zu erweitern oder die strategische Ausrichtung anzupassen. Nach den Konsistenzprüfungen (Schritt vier bis sieben) werden auf Basis der eventuell aktualisierten Kerneigenschaften und Kernaspekte kritische Erfolgsfaktoren im achten und letzten Schritt der Konsistenzprüfung definiert bzw. abgeleitet. Erfolgsfaktoren beantworten die Frage „Was ist am wichtigsten, damit wir mit dem neuen Geschäftsmodell nachhaltig Erfolg (Schaffung eines hohen Kundennutzens, über dem Branchendurch-

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

schnitt liegende Erlöse) haben werden?“. Kritische Erfolgsfaktoren können als Verdichtung und Konkretisierung der Kerneigenschaften sowie Kernaspekte angesehen werden. Für jeden kritischen Erfolgsfaktor sollte eine Operationalisierung in Form einer kritischen Kennzahl erfolgen. Diese kritischen Kennzahlen sollen für die Steuerung der Umsetzungsplanung und Umsetzung genutzt werden. Die Erfahrung zeigt, dass bereits wenige kritische Erfolgsfaktoren (ca. 3–6) ausreichend sind, um eine effiziente und effektive Umsetzung des Geschäftsmodells zu unterstützen. Die Einfachen Regeln nach Chatterjee (2013) oder Eisenhardt und Sull (2001) sollen helfen, die kritischen Erfolgsfaktoren zu beachten und die Zielwerte der kritischen Kennzahlen zu erreichen. In den nächsten drei Beispielen zeigen wir für IKEA exemplarisch Kerneigenschaften der Strategie, Kernaspekte des Geschäftsmodells und die davon abgeleiteten Erfolgsfaktoren auf. IKEA ist ein gutes Beispiel für die konsistente Kombination von Operational Excellence Strategie mit einer Differenzierungsstrategie. Beispiel „Kerneigenschaften der Strategie IKEA“

IKEA verfolgt eine Operational Excellence Strategie kombiniert mit einer Wertstrategie Richtung Differenzierung des Wertangebotes ausgedrückt durch den Slogan „­Wealth is realize your ideas“. Daraus ergeben sich nachfolgende relevante Kerneigenschaften: Geringere Kosten bei der Leistungserstellung als der Mitbewerber durch modulare Produktstruktur und Postponement bzw. Mass Customization (Kunden kombiniert sein personalisiertes Wertangebot aus im IKEA-Lager verfügbaren Standardmodulen) Effiziente Prozesse und Prozessinnovation sind wichtig Einzigartige Marke und Image (nicht Möbel, sondern Lebensstil wird verkauft) Kundenspezifisches und flexibles Wertangebot ◄

Beispiel „Kernaspekte des Geschäftsmodells IKEA“

Das Geschäftsmodell IKEA baut auf den vier Bausteinen Self-Service, Experience Selling, Cross Selling und Mass Customization auf. Daraus ergeben sich nachfolgende Kernaspekte: Der Kunde plant selbst seine Einrichtung, holt sich seine „Möbelbausteine“ aus dem Lager, transportiert die Möbel selbst nach Hause und baut sie dann auch selbst zusammen (jeder Schritt muss für den Kunden einfach bzw. bequem sein, falls gewünscht wird der Kunde bei jedem Schritt unterstützt) Der Kunde erlebt die Planung, die Kaufentscheidung sowie den Zusammenbau als Selbstverwirklichung seiner/ihrer Wohnträume Viele Zusatzangebote (Wohn-Accessoires) zur Erfüllung der Wohnträume werden für die Kunden bereitgestellt

Wettbewerbsanalyse

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Kostengünstige Großserienproduktion der standardisierten Module (die der Kunde sehr unterschiedlich zu seinem personalisierten Wohntraum kombinieren kann) ◄

Beispiel „Kritische Erfolgsfaktoren von IKEA“

Kritische Erfolgsfaktoren von IKEA sind: Produktdesign: Sicherstellung von ansprechendem Design, modular aufgebauten Produkten, vielfältiger Kombinierbarkeit der Module, Komponenten und Cross Selling Angeboten, leicht transportierbaren Möbel (Flachverpackung) und einfacher Montage der Möbel Produktion: Kostengünstige Lagerfertigung (Lager sind die IKEA-Einrichtungs­ häuser) in Großserien der standardisierten Komponenten bzw. Module im Produk­ tions-Lieferanten-Netzwerk IKEA-Einrichtungshaus: Sicherstellung eines positiven Einkauferlebnisses (Wohlbefinden des Kunden, perfekte Unterstützung der Erfüllung der individuellen Wohnträume), einfacher Kaufentscheidung und bequemer Entnahme aus dem Lagerregal ◄ Optional können für gewisse Themen noch weitere Methoden im Workshop oder auch in der Vor- bzw. Nachbereitung angewandt werden. Pro präsentiertem Werkzeug werden wir Kriterien angeben, die den Einsatz der Methode empfehlen. Gassmann et al. (2015) schlagen zur Bewertung von verschiedenen Geschäftsmodell-­ Varianten die sogenannte Need-Approach-Benefit-Competition (NABC) Methode vor. In einem Workshop wird iterativ das vorliegende Geschäftsmodell oder zentrale Ideen eines Geschäftsmodells bewertet und verbessert. Die Bewertung erfolgt dabei nach den Kriterien • Need (Kundenperspektive): Was ist das zentrale Kundenbedürfnis? Wo liegen unsere Chancen? Wer sind unsere Kunden? • Approach (Innenperspektive): Wie sieht der Lösungsansatz bzw. das Leistungsversprechen aus? Wie liefern wir es? • Benefits (Wertperspektive): Was ist der Nutzen für den Kunden und für uns (Jeweils qualitativ als auch quantitativ)? • Competition (Außenperspektive): Was ist der Wettbewerb? Wer ist die Konkurrenz? Was gibt es für Alternativen? Nach Identifikation von Schwächen und Herausforderungen der Geschäftsmodellentwürfe sollen durch neue Ideen Anpassungen bzw. Ergänzungen zur Verbesserung vor­ genommen werden. Nach ein paar Zyklen sollten konkretere und bessere Geschäfts­ modellentwürfe vorliegen. Die NABC Methode kann auch zur Identifikation und an­schließendem Ausscheiden weniger geeigneter Geschäftsmodell-Varianten bei Vorliegen alternativer Varianten herangezogen werden.

172

Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Eisenhardt und Sull (2001) unterscheiden in ihrem Strategiemodell zwischen drei unterschiedlichen Märkten: sich langsam ändernde gutstrukturierte Märkte (Statischer Markt), sich ändernde gutstrukturierte Märkte (Dynamischer Markt) und sich schnell ändernde mehrdeutige Märkte (Komplexer Markt). Laut der Methode Marktdynamik sollen für die drei idealtypischen Märkte nachfolgende Empfehlungen berücksichtigt werden: • Statischer Markt: Für einen gut strukturieren sich kaum ändernden Markt (= statischer Markt) empfiehlt sich, eine attraktive Marktposition z. B. unter Anwendung der Fünf Wettbewerbskräfte von Porter zu identifizieren und dauerhaft zu besetzen. Neue geänderte Rahmenbedingungen (Änderung der Fünf Kräfte nach Porter) werden eine Neupositionierung und damit eine Anpassung des Geschäftsmodells verlangen. • Dynamischer Markt: Bei sich ändernden aber gutstrukturierten Märkten (= dynamischer Markt) sollte der Fokus auf unverwechselbare Ressourcen und Kompetenzen und deren marktorientierte Nutzung gelegt werden. Geänderte Rahmenbedingen verlangen in diesem Fall anzupassende oder flexible Ressourcen und Kompetenzen. • Komplexer Markt: Bei sich schnell ändernden mehrdeutigen Märkten (= komplexer Markt) ist die Hauptidee, Chancen zu erkennen und mit Hilfe einfacher Regeln für die Umsetzung zu selektieren. Die einfachen Regeln beziehen sich dabei auf die Prozesse und deren optimale Steuerung. Versuche nicht, die Unsicherheiten des Marktes zu reduzieren bzw. zu vermeiden, sondern nutze die Unsicherheiten des Marktes, um Chancen zu erkennen und daraus Wert für Kunden und das eigene Unternehmen zu schaffen. Die Umsetzung der Idee die Unsicherheiten des Marktes zu nutzen wird von Taleb (2012) in seinem Buch Antifragilität in vielen wirtschaftlichen Anwendungsgebieten detailliert beschrieben. Flexible modular aufgebaute Prozesse ermöglichen es, die Unsicherheiten des Marktes zu nutzen. Die Methode Marktdynamik startet mit einer Einordnung des Zielmarktes in statischen, dynamischen oder komplexen Markt. Anschließend soll überprüft werden, ob in einem statischen Markt die Ecosystem Positionierung entsprechend den Fünf Kräften nach Porter vorgenommen worden ist, in einem dynamischen Markt der Fokus auf qualitativ hochwertige sowie flexible Schlüsselressourcen, Schlüsseltechnologien, Schlüsselfähigkeiten und Schlüsselkompetenzen gelegt ist und in einem komplexen Markt hoch qualitative modular aufgebaute flexible Schlüsselprozesse und Schlüsselaktivitäten vor­liegen. Für wert-basierte Geschäftsmodelle, bei denen noch Potenzial zur Schärfung des Nutzenversprechens vermutet wird, empfiehlt sich die Visible-Invisible Methode nach Chatterjee (2013). Ausgangspunkt der Visible-Invisible Methode ist die möglichst vollständige und detaillierte Aufzählung des Outputs für unsere Kunden (siehe Abb. 18). Der Output entspricht dem operationalisierten Nutzenversprechen. Produkteigenschaften, Dienstleistungsfunktionen, Verfügbarkeit, Image, Personalisierungsgrad, Reaktionsgeschwindigkeit, … wären

Wettbewerbsanalyse

173

typische Beispiele für Output. Nach der Auflistung wird der Output einem der vier Qua­ dranten (siehe Abbildung Visible-Invisible Methode) zugeordnet. Die vier Quadranten sind „relevant und sichtbar“, „relevant und unsichtbar“, „nicht relevant und sichtbar“ und „nicht relevant und unsichtbar“. Relevant meint dabei, ob es für den Zielkunden relevant ist (sollte über die Ergebnisse der Lebenszyklusanalyse gut beantwortet werden können). Sichtbar meint, ob der Zielkunde diesen Output wahrnehmen kann und auch wahrnimmt. Pro Quadrant schlägt die Methode konkrete Verbesserungen vor. Relevant/sichtbar:  Dieser Output unserer Fähigkeiten und unseres Tuns ist unser USP, der uns dabei hilft, uns gegenüber dem Mitbewerber abzugrenzen. Wir sollten sicherstellen, dass dieser Output weiterhin erzeugt wird und von den Zielkunden leicht sowie deutlich wahrgenommen wird. Relevant/unsichtbar:  Dieser Output ist für den Kunden relevant, aber wir schaffen es (noch) nicht, dem Kunden diesen Output, Wert oder Nutzen ausreichend zu kommunizieren. Alle Anstrengungen müssen unternommen werden, diesen Output für den Zielkunden leicht wahrnehmbar zu machen. Besonders die Wertkommunikation ist zu verbessern. Nicht relevant/sichtbar:  Dieser Output ist für den Zielkunden gut sichtbar aber nicht wichtig. Dies kann zu einer gewissen Überforderung des Kunden bei der Kaufentscheidung oder zu einer Verkomplizierung der Nutzung des Wertangebotes führen. Sichtbarer aber für den Zielkunden nicht relevanter Output sollte deshalb für den Kunden unsichtbar gemacht werden. Nicht relevant/unsichtbar:  Dieser Output ist für den Zielkunden nicht relevant und unsichtbar. Aus Sicht des Nutzenversprechens, der Kundenbeziehung, des Kanals und des Marketings besteht für diesen Output kein Handlungsbedarf. Wenn eine Kosteneinsparung durch Streichung dieses Outputs (Rekonstruktion, Reengineering, …) möglich ist, sollte diese zur Verbesserung der Ertragsmechanik vorgenommen werden.

Abb. 18 Visible-­ Invisible Methode

Der Output der eigenen Fähigkeiten ist

für Kunden relevant

für Kunden nicht relevant

sichtbar

unsichtbar

Abgrenzung von der Konkurrenz (besser sein)

Output sichtbar machen

verstecken

Überarbeitung zur Kostenreduktion

174

Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Basierend auf dem obigen Beispiel Spaltmaß (siehe Seite 139) wenden wir die Visible-­ Invisible Methode auf zwei Automobilbauer an. Automobilbauer A bietet Mittelklasseautos zu günstigen Preisen und Automobilbauer B ist ein Nischenanbieter für Technikfreaks. Beispiel „Spaltmaß Mittelklasseauto OEM A“

Das Spaltmaß ist für den Durchschnittsautofahrer eines Mittelklasseautos völlig irrelevant und wird nicht wahrgenommen. Sollten vom OEM A (noch) Aufwendungen (z.  B. zusätzliche Richtstation) unternommen werden, eine ehrgeizige (vom Kunden nicht nachgefragte und nicht wahrgenommene) Toleranz beim Spaltmaß zu erreichen, sollten diese Aufwendungen wegen unnötiger Kosten sofort gestoppt werden. ◄

Beispiel „Spaltmaß für Nische Technikerfreak OEM B“

Das Spaltmaß wird durch die Technikfreaks wahrgenommen und ein sehr kleines sowie gleichmäßiges Spaltmaß ist für die Technikfreaks wichtig. Sollte OEM B noch nicht sehr ehrgeizige Spaltmaß-Toleranzen stabil erreichen, müsste das sofort in Angriff genommen werden. Erreicht OEM B sehr ehrgeizige Spaltmaß-Toleranzen soll dies in der Wertkommunikation zur Differenzierung verwendet werden. ◄ Die nächste Methode Wiederholfaktor versus Standardisierung kann hilfreich sein, wenn noch keine klare Positionierung bezüglich Standardisierung versus Personalisierung bzw. Einzel- versus Serienlösungen im Konsens vorliegt (siehe Abb.  19). Besonders in Branchen wie Maschinenbau, Anlagenbau, Werkzeugbau, Hochbau, Tiefbau oder Projektgeschäft kann mit dieser Methode das Geschäftsmodell und die strategische Positionierung geschärft werden. Indiz für eine sinnvolle Verwendung der Methode ist folgendes häufig auftretendes Phänomen: In der Anfangsphase des Produktlebenszyklus (Angebotslegung, Preiskalkulation, Pflichtenheft, …) wird von den Verkäufern oder den Projektieren von einem Standardangebot (geringer Anteil kundenspezifischer Konstruktion, nur geringe Anpassungen sind erforderlich, geringe Herstellkosten, kurze Durchlaufzeiten, …) ausgegangen. Mit fortschreitender Bearbeitung des Kundenauftrages (detaillierte Kon­ struktion, Beschaffung Sonderteile, Montage, Inbetriebnahme, …) stellt sich die Notwendigkeit, viele und umfangreiche kundenspezifische Änderungen bzw. Anpassungen vorzunehmen, die zu höheren Kosten und längeren Durchlaufzeiten führen. Wenn das Angebot als Standard gelegt wurde und bis zum Abschluss des Kundenauftrages nur Standard notwendig war, ist alles in Ordnung. Ebenfalls alles in Ordnung ist, wenn am Anfang alle kundenspezifischen Anforderungen, Sonderwünsche und notwendige Anpassungen gesehen wurden und entsprechend im Angebot berücksichtigt worden sind. Der problematische Bereich ist jener, in dem in der Anfangsphase ein Standardangebot oder dem Standard nahe gelegenes Angebot gesehen wird und sich später herausstellt, dass um die vertraglich festgehaltenen Kundenanforderungen zu erfüllen zahlreiche nicht geplante und nicht kalkulierte Zusatzleistungen erbracht werden müssen. Diese Zusatz-

175

Standard

Individuell Lebenszyklus

niedrige Kosten, kurze Lieferzeiten, …

!!! hohe Preise, lange Lieferzeiten, …

Lebenszyklus





Individuell

Standard

Wettbewerbsanalyse

Abb. 19  Standard versus Individuell

leistungen führen zu erhöhten Kosten, längeren Kundenauftragsdurchlaufzeiten und damit zur Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit. Beispiel „Sauggreifer“

Ein Sonderanlagenbauer stellt Fertigungsanlagen auf Basis des zu fertigenden Bauteiles (definiert durch 3D-CAD und einer ergänzenden Bauteilbeschreibung) her. In der Projektierungsphase wurde zur Handhabung des Bauteils ein Sauggreifer konzipiert, der unabhängig von der Bauteilvariante verwendet werden kann. In der Kosten- und Zeitplanung der neuen Fertigungsanlage und in den vertraglich festgelegten Leistungsdaten der Anlage wurde implizit angenommen, dass ein universell einsetzbarer Sauggreifer zur Durchführung der Handhabung ausreichend ist. Nach Montage der Handhabungsmodule bei den ersten Versuchen mit echten Bauteilen wurden Probleme bei der Handhabung bei gewissen Produktvarianten festgestellt. Detailanalysen ergaben, dass wegen zu hohen Gewichten gepaart mit zu wenig glatten Bauteiloberflächen bei manchen Varianten ein Sauggreifer nicht verwendet werden kann. Wegen der hohen Bauteilvariantenvielfalt mussten drei unterschiedliche Greifer nachträglich entwickelt und gebaut werden. Diese drei Greifer waren komplexer, bauten auf einer anderen Greifertechnologie auf und benötigten eine andere Infrastrukturversorgung sowie Schnittstelle. Die projektierten Kosten wurden überschritten und die projektierte Projektzeit und die vertraglich zugesagten Leistungsdaten der Anlage konnten nicht mehr eingehalten werden (vertraglich nicht vorgesehener Rüstaufwand: bei Wechsel der Bauteilvariante ist der Greifer zu wechseln) ◄ Für die Erhöhung des Verständnisses dieses Phänomens wird eine stringente Unterscheidung zwischen den Begriffen Standard und Serie bzw. Individuell und Einzel vorgeschlagen. Einzel und Serie wird auf den Wiederholungsfaktor bezogen. Standard und Individuell bezieht sich auf den Neuigkeitsgrad. Standard bedeutet, dass aus technischer und organisatorischer Sicht alle erforderlichen Grundlagen zur Abarbeitung des Auftrages bereits vorhanden sind (alles ist bekannt, nichts ist neu). Typischerweise beinhalten diese Grundlagen in der Güterproduktion eine

176

Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

gültige Konstruktion, gültige Stückliste, qualifizierte Lieferanten, aktuelle Arbeitspläne, NC-Programme, Werkzeuge, Vorrichtungen, aktuelle Montagepläne, aktuelle Prüfpläne oder Zertifikate. Standard-Kundenaufträge haben den Vorteil, dass die Kosten der Aktivitäten zur Bereitstellung der Auftragsgrundlagen auf viele Kundenaufträge aufgeteilt werden können und keine Zeit (als Teil der Kundenauftragsabwicklungszeit) für die Erstellung bzw. Bereitstellung der Grundlagen einzuplanen ist. Individuell bedeutet, dass für den vorliegenden Kundenauftrag keine aktuellen verwendbaren Grundlagen wie Kon­ struktion, Stücklisten, Lieferanten, NC-Programme, Prüfpläne, Arbeitsanweisungen, Montageanleitungen, … vorliegen (nichts bekannt, alles ist neu) und damit sind die notwendigen Grundlagen auftragsbezogen bereitzustellen. Dies führt zu höheren Kosten, längeren Kundenauftragsdurchlaufzeiten und erhöhten Risiken. Einzel bedeutet, dass der vorliegende Kundenauftrag und die dahinterliegenden konkreten Leistungen einmalig erbracht werden (keine Wiederholung findet statt). Serie bedeutet, dass die für den Auftrag erforderlichen konkreten Leistungen immer wieder nachgefragt werden (Wiederholungen finden statt). Typische konkrete Leistungen mit Wiederholungspotenzial können sein: Beschaffung, Bereitstellung, Fertigung, Montage oder Auslieferung eines spezifischen Teils, Erstellung eines Lastenheftes, Angebots oder Pflichtenheftes einer spezifischen Anlage, Inbetriebnahme einer spezifischen Komponente oder Anlage. Serienaufträge besitzen das Potenzial, unter Nutzung der Wiederholungseigenschaft die Kosten pro erbrachter Leistungseinheit z. B. durch Mengenrabatte, Automatisierungslösungen, Losfertigung oder Erfahrungskurve zu senken. Für Serienaufträge lohnt es sich, umfangreiche, detaillierte und optimierte Unterlagen bereitzustellen mit dem Ziel die Wiederholungen möglichst effizient zu bewerkstelligen. Die Unterteilung Standard versus Individuell bzw. Einzel versus Serie kann sich auf das gesamte Produkt bzw. Dienstleistungen beziehen oder jeweils auf einzelne Module oder Komponenten des Produktes bzw. der Dienstleistung. Folgende Verbesserungspotenziale können durch diese Analyse sichtbar gemacht werden: • Der Kundenabwicklungsprozess ist bei Standard grundsätzlich anders als bei Individuell zu gestalten: Bei Individuell sind Aufgaben wie Entwicklung, Konstruktion, Stückliste erstellen, Lieferant anlegen, Prüfpläne erstellen usw. Teil eines Kundenauftrages, bei Standard nicht. • Kosteneinsparungspotenziale auf Grund von Mengeneffekten sind (nur) bei Serie (bezogen auf Produkt, Prozess, Tätigkeit, …) möglich: Zur Realisierung der Kostenreduktion müssen geeignete Vorkehrungen (z. B. Standardisierung oder Automatisierung von sich wiederholenden Aufgaben, Rabatte verhandeln, …) getroffen werden und die Einsparungseffekte können umso höher sein, je höher der Wiederholungsfaktor ist. • Modulkonzepte anstreben: Konzipierung von Modulen, die gleichzeitig Standard und Serie entsprechen und die durch viele Kombinationsmöglichkeiten zu kundenindividuellen Fertigprodukten zusammengefügt werden, die als Einzel und Individuell gestaltet sind bzw. vom Kunden wahrgenommen werden. Die Fertigung der Module kann da-

Wettbewerbsanalyse

177

durch zu geringen Kosten bei gleichzeitiger Sicherstellung einer hohen Kundenorientierung erfolgen. • Optimierung der Vertriebsaktivitäten: Bereitstellung aller aktuell gültigen Kundenlösungen für jeden Vertriebsmitarbeiter. Der Vertriebsmitarbeiter sollte aus Sicht des Kunden für den Kunden eine individuell zugeschnittene Lösung anbieten und gleichzeitig auf eine bestehende aktuelle (mit gültigen Zeichnungen, Stücklisten, …) Kundenlösung zurückgreifen, die im Idealfall nicht zu adaptieren ist. Ziel dabei ist Reduktion der kundenindividuellen Entwicklung und Erhöhung von Wiederholungen bei gleichzeitiger Maximierung der Kundenorientierung. • Optimierung der strategischen Positionierung: Entweder man konzentriert sich auf einen Quadranten z.  B.  Serie/Standard (Kostendruck, Preiskampf, …) oder man hat quadranten-­spezifische Organisationseinheiten oder Prozesse, z. B. Organisation bzw. Prozesse A sind für Einzel/Individuell (Differenzierung, Kundenorientierung, …) und Organisation bzw. Prozesse B sind für Serie/Standard (Kostendruck, Preiskampf) zuständig. Sowohl der Markt, die Strategie als auch die Wertschöpfungsstruktur unterscheiden sich grundsätzlich in den vier möglichen Quadranten.

Beispiel „Vertriebssilos“

Ein Sonderfahrzeughersteller mit eigenen Vertriebsstrukturen stellt Gewinneinbrüche fest. Der Umsatz stagnierte und bei vielen Projekten wurden die projektierten Kosten und vorgesehenen Durchlaufzeiten überschritten. Obige Methode Wiederholungsfaktor versus Standardisierung brachte zwei wesentliche Dinge zu Tage: Erstens wurde bei fast allen Projekten mit Kosten- und Zeitüberschreitung bei der Angebotslegung mindestens ein Thema bezüglich Machbarkeit bzw. Neuheit unterschätzt und zweitens jeder Vertriebsmitarbeiter „erfand“ pro Kundenauftrag sein eigenes Sonderfahrzeug. Detailanalysen ergaben, dass kein Vertriebsmitarbeiter die von anderen Vertriebsmitarbeitern (aktuell) verkauften Sonderfahrzeuge sehen kann und das unterschiedliche Kunden fast deckungsgleiche Kundenwünsche haben, die durch das gleiche Sonderfahrzeug abgedeckt werden könnten. Die Ertragssituation des Sonderfahrzeugbauers wurde nachhaltig durch folgende Maßnahmen verbessert: Jeder Vertriebsmitarbeit hat vollen Zugang zu allen von anderen Vertriebsmitarbeitern verkauften Sonderfahrzeugen. Nach Erfassung der Kundenanforderungen sucht der Verkäufer von allen gebauten Sonderfahrzeugen jenes aus, das die Kundenwünsche ohne Adaptierungen erfüllen kann und für welches aktuelle Unterlagen (aktuelle Stücklisten, qualifizierte Lieferanten, …) vorliegen. Falls kein geeignetes Fahrzeug gefunden wird, wird jenes gebaute Sonderfahrzeug als Referenzfahrzeug verwendet, das die geringsten Anpassungskosten aufweist. Die Anpassungskosten setzen sich aus den Kosten für die Aktualisierung der Unterlagen und den Kosten für die Anpassung des Referenzfahrzeuges (damit die Kundenanforderungen erfüllt werden) zusammen.

178

Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

In der Anfangsphase haben viele Vertriebsmitarbeiter zahlreiche Gründe vorgebracht, warum das nicht funktionieren kann. Faktum war, dass in vielen Fällen ein gerade verkauftes Sonderfahrzeug von einem anderen Vertriebsmitarbeiter an einen anderen Kunden als „kundenindividuelle Sonderlösung“ verkauft werden konnte. ◄ Zum Abschluss thematisieren wir drei Methoden, die helfen können, die Ertragsmechanik kritisch zu beleuchten: EVA-Baum, siehe Jodlbauer (2007) oder Altendorfer und Jodlbauer (2011b), Theory of Constraints, siehe Goldratt (1990), und Constrained Portfolio. Der EVA-Baum (siehe Abb. 20) basiert auf der Unternehmenskennzahl Economic Value Added (EVA), siehe Stern et al. (1995). Der EVA ist dabei durch das Periodenergebnis vor Zinsen und nach Steuern (Net Operating Profit after Taxes, NOPAT), abzüglich der Kapitalkosten eingesetzt für die Erwirtschaftung des Periodenergebnisses definiert. Die Kapitalkosten berechnen sich aus dem Produkt betriebsnotwendiges Vermögen mal der durchschnittlich erwarteten Kapitalrendite (Weighted Average Cost of Capital, WACC). Der EVA-Baum stellt die wesentlichen Einflüsse, auch Treiber genannt, auf den EVA

EVA

+

-

Periodenergebnis

Kapitalkosten

+

-

Umsatz

-

+

Betrieblicher Aufwand

+

Einkaufsvolumen

+ Ausbringungsmenge

+

Ausschuss Nacharbeit

+

Lohnkosten Normalkap.

+

+

Flexibilität Liefertreue

+ Cashto-Cash-Cycle

+

+ Abschreibung Anlagen

Lieferzeit Q-Mängel Reklamationen

-

Restbuchwert Anlagen

€ €

-

Anlagen Auslastung



+ Lagerbestand

Durchlaufzeit

+ Beschaffungslagerbestand + Umlauflagerbestand + Fertigteillagerbestand



+ Kosten für Zusatzkapazität

+ Lieferfähigkeit

Abb. 20  Beispielhafter EVA Baum angelehnt an Jodlbauer (2016)

Wettbewerbsanalyse

179

durch Korrelationen dar und hilft, synergetisch als auch konfliktär wirkende Treiberpaare zu identifizieren. Die relevanten Kennzahlen bzw. Treiber sind jeweils durch Rechtecke dargestellt. Eine Verbindungslinie steht für den direkten finanztechnischen Zusammenhang. Das Zeichen „+“ bei einer Linie besagt, dass eine positive Korrelation vorliegt (A korreliert positiv mit B: A wird größer bzw. kleiner genau dann, wenn B größer bzw. kleiner wird). Eine negative Korrelation (A korreliert negativ mit B: A wird größer bzw. kleiner genau dann, wenn B kleiner bzw. größer wird) wird durch das Zeichen „–“ charakterisiert. Beispiel für eine positive Korrelation ist Periodenergebnis (Gewinn) und EVA, für eine negative Korrelation betrieblicher Aufwand und Periodenergebnis (Gewinn). Bei vier Treibern ist am rechten oberen Eck ein €-Zeichen angebracht. Dieses €-Zeichen bedeutet, dass der zugehörige Treiber in Geldeinheiten bewertet eine sehr hohe Bedeutung aufweist. Im beispielhaft dargestellten EVA-Baum wären damit die größten Kostenblöcke die Lohnkosten für Normalkapazität sowie die Anlagenkosten (verursacht durch geringe Anlagen-Auslastung) und die größten Umsatzbringer Flexibilität sowie Liefertreue. Ob in der Baumstruktur als finanzielle Spitzenkennzahl der EVA verwendet wird oder eine andere Spitzenkennzahl bestehend aus einer Gewinngröße und einer Kapitalgröße ist für unsere Belange nicht von Bedeutung  – statt EVA könnte zum Beispiel auch der Return of Capital Employed (ROCE), siehe Andersson et al. (2006), verwendet werden. Die Quantifizierung der Kostentreiber und deren Wirkung auf die Spitzenkennzahl EVA ist in der Regel vorhanden und durch Systeme (Kostenrechnung und Controlling) gut unterstützt. Die Quantifizierung der Umsatztreiber und deren Wirkung auf die EVA ist in der Regel schwierig, nur (grob) abschätzbar und kaum durch Systeme unterstützt. Wer kann schon sagen, wie viel der Umsatz steigt, wenn die Liefertreue um einen Prozentpunkt erhöht wird oder die Lieferzeit um eine Woche verkürzt wird. Ein Treiberpaar ist durch einen existierenden systembedingten Zusammenhang definiert. Ein Beispiel für ein Treiberpaar wäre z. B. Umlaufbestand und Maschinenauslastung (Zusammenhang wird durch Little Law, siehe Jodlbauer (2005a) oder Jodlbauer und Stöcher (2006) beschrieben) oder Lieferzeit und Produktionsdurchlaufzeit bei MTO-­ Umgebungen (Produktionsdurchlaufzeit ist integraler Bestandteil der Lieferzeit bei einem MTO-System, siehe Altendorfer und Jodlbauer (2011a)). In weiteren Arbeiten wie z. B. Jodlbauer (2008a) oder Jodlbauer (2005b) werden Zusammenhänge wesentlicher ope­ rativer Kennzahlen wie Durchlaufzeit, Liefertreue, Umlaufbestand, Fertigteilbestand, Auslastung oder Verspätung aufgezeigt. Ein synergetisches Treiberpaar liegt vor, wenn der systematische Zusammenhang der beiden Treiber derart gestaltet ist, dass die finanztechnische Wirkung auf den EVA gleichgerichtet (also beide wirken erhöhend oder beide wirken reduzierend auf den EVA) ist. Beispiel für ein synergetisches Treiberpaar ist Lieferzeit und Produktionsdurchlaufzeit in einem MTO-System. Eine kürzere Produktionsdurchlaufzeit führt zu geringeren Beständen und kürzeren Cash-to-Cash-Zyklen, beides führt zu geringeren Kapitalbindungskosten und schließlich zu einer höheren EVA. Gleichzeitig führt eine kürzere Produktionsdurchlaufzeit zu kürzeren Lieferzeit in einem MTO-­System, dies führt zu einer Erhöhung des Umsatzes, damit zu einer Erhöhung des Gewinnes und schließlich

180

Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

zu einer Erhöhung der EVA. Ein konfliktäres Treiberpaar liegt vor, wenn der systematische Zusammenhang beider Treiber derart gestaltet ist, dass sie gegensätzlich auf die EVA wirken (ein Treiber wirkt auf die EVA erhöhend und der andere reduzierend). Ausgewählte Konflikte sind in obiger Grafik durch das Blitzsymbol dargestellt. Ein Beispiel für ein konfliktäres Treiberpaar ist Umlaufbestand und Maschinenauslastung. Eine hohe Auslastung ermöglicht, mit weniger Maschinen den Kundenbedarf zu fertigen, was erstens zu geringeren Restbuchwerten, geringeren Kapitalbindungskosten und schließlich zu höherer EVA führt und zweitens zu geringeren Abschreibungen, geringeren betrieblichen Aufwendungen, höheren Gewinnen und schließlich zu höherer EVA führt. Gleichzeitig führt eine höhere Auslastung zu höheren Umlaufbeständen, höheren Lagerbestandskosten, höheren ­Kapitalbindungskosten und schließlich zu einer geringeren EVA.  Für die Analyse und ­Optimierung der Ertragsmechanik wird nun folgendes Vorgehen vorgeschlagen: • Identifikation Ihrer wichtigsten Kennzahlen sowie Treiber auf die Wertschaffung (EVA, ROCE oder einer anderen geeigneten finanziellen Kennzahl, die sich aus einer Gewinngröße und einer Kapitalbindungsgröße zusammensetzt). • Anordnung in einem EVA-Baum (oder ROCE-Baum) inkl. Darstellung (positive oder negative Korrelation) der direkten finanziellen Zusammenhänge. • Identifikation der größten Kostenblöcke (Kostentreiber) und größten Umsatzbringer (Umsatztreiber). • Identifikation von synergetisch wirkenden Treibern und Nutzung dieser (eine Verbesserung eines Treibers wirkt zweifach verbessernd auf die EVA bzw. ROCE) unter besonderer Berücksichtigung der größten Kosten- und Umsatztreiber. • Identifikation von konfliktär wirkenden Treibern, Analyse des Konflikts, Abschwächung des Konfliktes und anschließende Positionierung unter besonderer Berücksichtigung der größten Kosten- und Umsatztreiber. Bei der Analyse des Konflikts wird man häufig feststellen, dass Schwankungen (Unwägbarkeit, Instabilität, Unsicherheit, …) den Konflikt fördern oder anders formuliert eine Reduktion der relevanten Schwankungen zu einer Entschärfung des Konflikts führt. Obiger adressierter Konflikt zwischen Umlaufbestand und Maschinenauslastung kann durch Reduktion von Schwankungen in der Produktion (alle Fertigungsaufträge haben gleiche Auftragsbearbeitungszeit, keine oder sehr kurze Rüstzeiten, keine unvorhergesehenen Maschinenstillstände, kein Ausschuss, keine Nacharbeit, …) entschärft werden. Nach Reduktion aller relevanten Schwankungen wird eine Positionierung (Festlegung eines Zielwertes eines Treibers) vorgenommen. Im obigen Konflikt-Beispiel Umlaufbestand und Maschinenauslastung wird nach Reduktion aller relevanten Schwankungen ein Zielwert (abgeleitet aus Unternehmenszielen) für die Auslastung vorgegeben und der Umlaufbestand soweit gesenkt, dass die Zielauslastung gerade noch erreicht wird. Absatzschwankungen verstärken Konflikte, die im EVA-Baum adressiert werden. Besonders betroffen sind Konflikte wie hohe Flexibilität, hohe Liefertreue oder kurze Lieferzeit versus hohe Auslastung oder geringe Fertigteilbestände. Abhängig von der Branche,

Wettbewerbsanalyse

181

von Marktgegebenheiten und den finanziellen Rahmenbedingungen können Absatzschwankungen durch unterschiedliche Maßnahmen (oder durch eine Kombination ausgewählter Maßnahmen) gemanagt werden: Vorproduktion auf Lager:  Führt zu hohen Beständen (hohe Bestandskosten, hohes Obsoletrisiko, …) und zu geringeren Schwankungen in den Fertigungsaufträgen (geringe Fertigungskosten, hohe Produktivität, …) Dynamische Lieferzeiten:  Ermöglichen beinahe konstante Fertigungsprogramme (geringe Fertigungskosten, hohe Produktivität, geringe Bestände, …) und erfordern die Kundenbereitschaft, lange Lieferzeiten (ansonsten Umsatzverluste) bei hoher Gesamtnachfrage zu akzeptieren Dynamische Kapazitätsanpassung:  Ermöglicht Make to Order (MTO) mit kurzen Lieferzeiten und führt zu hohen Fertigungskosten (Mehrleistungskosten, Flexibilisierungskosten, …) Strategische Lagerposition (Kundenentkopplungspunkte):  Kundenauftragsanonyme Vorfertigung (geringe Fertigungskosten), „Halbfabrikate“ auf Lager (geringe Bestände möglich, falls wenig Varianten an Halbfabrikaten erforderlich sind), kundenauftragsspezifische Finalisierung (kurze Lieferzeit, hohe Variantenvielfalt ist möglich, …) Mit Hilfe des EVA-Baumes können die finanziellen Auswirkungen und Zusammenhänge dieser Maßnahmen transparent gemacht werden, in Bezug auf die Maximierung der Wertschaffung (EVA) priorisiert werden und über Entschärfung dahinterliegender Konflikte die Ertragsmechanik verbessert werden. Zur weiteren Illustration bringen wir ein Beispiel für einen Konflikt, der im obigen exemplarischen EVA-Baum nicht dargestellt ist (aber jederzeit dargestellt werden könnte und wenn für ein Unternehmen relevant auch dargestellt werden sollte). Viele Praktiker sind versucht, am Schreibtisch optimale Losgrößen (in der Produktion, im Einkauf, …) festzulegen. Sie versuchen über IT-Tools und teilweise sehr komplexe Berechnungsvorschriften optimale Losgrößen zu bestimmen. Dabei werden die Schritte Identifikation der wichtigsten Kennzahlen, Anordnung am EVA-Baum und besonders Identifikation von konfliktären Treibern, Analyse des Konflikts und Abschwächung des Konflikts vernachlässigt. Durch die Festlegung von Losgrößen werden viele Kennzahlen beeinflusst, z. B. Bestand, Lieferfähigkeit, Liefertreue, Bestell- oder Rüstkosten, Transportkosten, …. Bevor eine Losgröße festgelegt wird, sind die relevanten Einflussgrößen (Kennzahlen, Treiber, …) und deren Zusammenhänge für das eigene Unternehmen zu verstehen, die relevanten Schwankungen zu identifizieren und zu eliminieren oder zumindest zu reduzieren und dann erst ist eine Soll-Losgröße festzulegen. Konkret könnte sich z. B. herausstellen, dass die Rüstzeiten sehr lange dauern und deshalb die Rüstzeiten zu reduzieren sind, bevor eine Produktionslosgröße optimal festgelegt werden kann.

182

Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

In Jodlbauer (2016) sind weitere relevante Konflikte dargestellt und Maßnahmen zur Abschwächung der Konflikte aufgezeigt. Einige Geschäftsmodellbausteine adressieren direkt Aspekte des EVA-Baumes wie z. B. Cash Machine (Reduktion des Cash-to-Cash-­ Cycle) oder Crowdfunding (Reduktion des Fremdkapitals). Die nächste Methode Theory of Constraints ist bei Vorliegen limitierender Faktoren zum (Umsatz- oder Gewinn-)Wachstum zu empfehlen. Die Theory of Constraints (TOC) wurde vom Physiker Goldratt, siehe Goldratt (1990), entwickelt. Grundidee dieser engpassorientierten Unternehmensphilosophie ist die Tatsache, dass eine Kette nur so stark ist, wie ihr schwächstes Glied. Die Kette kann nur verbessert werden, indem man das schwächste Glied verbessert. Ein guter Überblick zum Thema TOC ist in Schragenheim und Dettmer (2000) gegeben. Der TOC-Ansatz basiert auf der Annahme, dass die machbare Leistung des Unternehmens von einer bzw. von nur wenigen Größen limitiert wird. Diese limitierenden Größen werden Constraints genannt. Die wichtigste Kennzahl in der engpassorientierten Unternehmensphilosophie ist der so genannte Throughput. Der Throughput ist als zahlungswirksamer Umsatz, abzüglich den echten variablen zahlungswirksamen Kosten, definiert. Für praktische Zwecke im Zuge der Geschäftsmodellinnovation reicht die Praktikerregel Throughput entspricht der Differenz Umsatz minus Materialeinsatz. Der Begriff Throughput ähnelt damit dem Fachbegriff Rohertrag oder auch dem Deckungsbeitrag erster Stufe. Ein Constraint ist definiert als etwas, was das Unternehmen daran hindert, mehr Throughput zu generieren. Beispiele für einen Constraint sind: Markt in Absatz:  Es werden weniger Mengen abgesetzt als am Markt bereitgestellt werden könnten Markt in Budget:  Es wird weniger Umsatz erwirtschaftet als das Wertschöpfungsnetzwerk leisten könnte Ressourcen wie Anlagen, Mitarbeiter, Werkzeuge, Konstruktion, …:  Die Ressource kann die vom Markt geforderte Leistung nicht oder nur teilweise erbringen. Wenn eine interne Ressource der Constraint ist, spricht man von einer Capacity Constrained Resource (CCR) Prozesse:  Ein Prozess behindert das Unternehmen mehr Throughput zu erwirtschaften Kompetenzen, Fertigkeiten bzw. Wissen:  Dem Unternehmen fehlt das Wissen, wie etwas zu tun ist, um mehr Throughput zu erwirtschaften Material:  Es kann nicht (in ausreichendem Umfang oder in ausreichender Qualität) das vom Markt geforderte Material, Rohstoff, Zukaufteile, … zur Verfügung gestellt werden Lieferant:  Der Lieferant entspricht nicht den Marktfanforderungen (Liefertreue, Lieferzeiten, Informationsbereitstellung, …)

Wettbewerbsanalyse

183

Partner:  Dem Unternehmen fehlen die Partner oder die richtigen Partner, um mehr Throughput zu generieren Budgetplan oder Liquidität:  Wegen im Budget nicht vorgesehener Mittel oder wegen schlechter Liquidität kann eine Aktivität nicht durchgeführt bzw. eine Marktchance nicht genutzt werden Offizielle oder auch informelle Unternehmenspolitik:  Aussagen wie „bei uns haben wir das schon immer so gemacht“ oder „das gibt es bei uns nicht“ sind Hinweise, dass die Unternehmenspolitik den Handlungsrahmen im negativen Sinn einschränkt Constraints beziehen sich häufig auf die Wertschöpfungsstruktur, Kanäle, Kundenbeziehungen oder auf das Wertangebot. Hauptziel der TOC Philosophie ist die Erhöhung des Throughputs. Durch das iterative Durchlaufen der so genannten Five Focusing Steps wird kontinuierlich versucht, den Constraint zu entdecken und dessen limitierende Wirkung aufzuheben, siehe Jodlbauer (2016). Die fünf Schritte sind: • • • • •

Identify Exploit Subordinate Elevate Go back to Step 1, but be aware of inertia

Im ersten Schritt (Identify) sollte der Constraint identifiziert werden, indem die Frage beantwortet wird, was ist der limitierende Faktor, um mehr Throughput zu erwirtschaften. Wenn der Constraint leicht und schnell beseitigt werden kann, wird das sofort gemacht und der nächste Constraint identifiziert. Falls die Beseitigung des limitierenden Faktors nicht einfach möglich ist, wird der zweite Schritt Exploit durchgeführt. Im zweiten Schritt (Exploit) wird versucht, den Constraint ohne Investitionen oder aufwendige Maßnahmen derart zu nutzen, dass so viel Leistung wie möglich durch den Con­ straint erbracht werden kann. Wenn z.  B. eine Maschine den Constraint darstellt, dann könnte vor der Maschine eine Qualitätskontrolle eingeführt werden, damit die Maschine keine Kapazität für Schlechtteile vergeudet. Oder es wird sichergestellt, dass auch in Pausen (versetzte Pausen für die Mitarbeiter) diese Maschine läuft bzw. gerüstet wird. Eine andere einfache Maßnahme ist z. B. die Sicherstellung, dass die Engpassmaschine in einer personalfreien Schicht (Nachtschicht) nicht leerläuft oder alternative vorhandene Maschinen (auch wenn sie höhere kalkulatorische Einzelkosten verursachen) verwendet werden. Der dritte Schritt (Subordinate) ist besonders wichtig und am schwierigsten umzusetzen. Alles andere, das zur Leistungserstellung notwendig ist, sollte dem Constraint untergeordnet werden. In letzter Konsequenz sollten alle, die nicht direkt im Constraint Bereich arbeiten, versuchen, möglichst viel beizutragen, um den Constraint zu entlasten oder das Leistungsvermögen (Erhöhung des Throughputs) des Constraints zu erhöhen.

184

Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Die Schwierigkeit der Umsetzung liegt darin, dass Abteilungsegoismen in einem Unternehmen existieren und Bereichskennzahlen in der Regel durch die Entlastung des Con­ straints negativ beeinflusst werden. Ein mögliches Beispiel für so eine Entlastung könnte sein, dass die Beschaffungsabteilung ein höherwertigeres Material (und damit höheren Einstandspreis akzeptiert) beschafft, welches aber eine schnellere Bearbeitung am Con­ straint ermöglicht (und damit trägt die Beschaffung dazu bei den Throughput zu erhöhen). Außerdem kann überprüft werden, ob gewisse Aufgaben der Engpassmaschine nicht von anderen Maschinen (auch mit mehr Aufwand oder längeren Vorgabezeiten) wahrgenommen werden können. Die Unterordnung des Vertriebes könnte z. B. erfolgen, indem der Vertrieb durch die Kennzahl Throughput pro Engpasseinheit bewertet und gesteuert wird. Diese vertriebsseitige Subordinate-Maßnahme illustrieren wir an einem Beispiel. Beispiel „Subordinate“

Wir betrachten ein Unternehmen mit vier alternativen Produkten A, B, C und D und vier unterschiedlichen Constraints Markt in Absatz, Markt in Umsatz, Engpassmaschine M1 und Engpassrohstoff R1.

Produkt A B C D

Preis 100 100 80 125

Constraint Absatz Umsatz M1 Throughput Vorgabezeit M1 Verbrauch R1 Throughput pro Engpasseinheit 50 10 0,8 50,00 0,50 5,00 50 8 1 50,00 0,50 6,25 50 10 1 50,00 0,625 5,00 62,5 12,5 1,25 62,50 0,50 5,00

R1 62,50 50,00 50,00 50,00

Abhängig vom unterstellten Constraint ist vertriebsseitig ein anderes Produkt zu priorisieren. Falls der Markt in Absatz der Engpass ist, verdient das Unternehmen mit dem Produkt D am meisten: 62,50 € Throughput pro Stück (mit allen anderen Produkten würde er nur 50,00 € pro verkauftem Stück erhalten). Wenn der Markt in Budget der Engpass ist, dann erwirtschaften wir bei beschränktem Umsatz mit dem Produkt C am meisten: 0,63 € Throughput pro Umsatzeuro (mit allen anderen Produkten würden wir nur 0,50 € pro Umsatzeuro erwirtschaften). Wäre die Maschine M1 der Engpass, dann bringt Produkt B pro genutzter Zeit der Maschine M1 am meisten: 6,25 € Throughput pro Maschinenstunde (mit allen anderen Produkten würde wir nur 5,00 € pro Maschinenstunde verdienen). Wenn der Rohstoff R1 knapp ist, dann erwirtschaften wir mit Produkt A pro Rohstoffeinheit den höchsten Throughput: 62,5 € Throughput pro Einheit Rohstoff R1 (mit allen anderen Produkten würden wir nur 50,00 € pro eingesetzter Rohstoffeinheit erwirtschaften). Die Zahlen in diesem Beispiel wurden so gewählt, dass für jeden Engpass die anderen drei Produkte genau um 20 % weniger Gesamt-­ Throughput liefern als das jeweils engpassspezifische beste Produkt. ◄

Wettbewerbsanalyse

185

Falls der Constraint behoben ist, geht man zu Schritt eins, ansonsten zum vierten Schritt. Im vierten Schritt (Elevate) wird durch Investitionen oder durch die Schaffung von Alternativen unter Beachtung des gesamten Ecosystems die Leistungsfähigkeit des Con­ straints erhöht. Wenn eine Anlage der Constraint ist, kann z. B. durch die Anschaffung einer zusätzlichen Anlage, aber auch durch Fremdvergabe an Partner, die Kapazität erhöht werden. Im Falle, dass der Constraint der Markt ist, könnte eine Werbekampagne, eine neue aufzubauende Vertriebsgemeinschaft oder die Einführung eines neuen Produktes den Constraint Markt aufheben. Nach der Beseitigung des Constraints geht man zum ersten Schritt. Wichtig ist dabei, dass Regeln, die man aufgestellt hat, um einen Constraint zu entlasten oder alles dem Constraint unterzuordnen, kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls zu ändern sind, wenn ein neuer Constraint im System gegeben ist. Dabei ist zu beachten, dass sich der Constraint ohne eigene Aktivitäten ändern kann. Zum Beispiel kann eine Änderung der nachgefragten Mengen der Produkttypen eine andere Maschine zum Constraint machen. Die Five Focusing Steps können genutzt werden, um den limitierenden Faktor des entworfenen Geschäftsmodells zu identifizieren und anschließend über die Schritte Exploit, Subordinate und Elevate entsprechende Anpassungen an das Geschäftsmodell vorzunehmen, um die Ertragsmechanik zu verbessern. Eine Methode, das sogenannte Constrained Portfolio, werden wir abschließend vorstellen. Mit Hilfe der Methode Constrained Portfolio kann das Zusammenwirken unterschiedlicher Produktgruppen bzw. Geschäftsbereiche mit den limitierten Ressourcen des Unternehmens analysiert werden. Konkret geht es um die Beantwortung der Frage: ­Welche Bereiche stellen die Liquidität zum Wachstum bzw. zur Geschäftsmodellinnovation bereit? In welche Bereiche soll investiert werden? Welche Bereiche sollen zurückgebaut werden? Die Methode basiert auf zwei bekannten Ansätzen: Der bereits oben vorgestellten Theory of Constraints (insbesondere dem Throughput Accounting, siehe Corbett (1998)) und der Boston Portfolio, siehe Devinney und Stewart (1988). Die klassische Boston Portfolio Matrix betrachtet die beiden Marktachsen Marktanteil und Marktwachstum. Den vier Matrix-Quadranten werden Question Marks:  Geringer Marktanteil, geringes Marktwachstum, befinden sich in der Lebenszyklusphase Einführung, hoher Investitionsbedarf, geringe Umsätze, negativer Cashflow, negativer oder geringer Deckungsbeitrag Stars:  Hoher Marktanteil, hohes Marktwachstum, befinden sich in der Lebenszyklusphase Wachstum oder Reife, hoher Investitionsbedarf, hohe Umsätze, neutraler Cashflow, positive Deckungsbeiträge Cash Cows:  Hoher Marktanteil, geringes Marktwachstum, befinden sich in der Lebenszyklusphase Sättigung, geringer Investitionsbedarf, hoher Umsatz, positiver Cashflow, positive Deckungsbeiträge

Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation Jahreskapazitätsnachfrage am Engpass Gering Hoch

Jahreskapazitätsnachfrage am Engpass Gering Hoch

186

A N

B

C

Neg. Gering DB/Engpasskapazität

Hoch

Engpassvergeudung

Wachstum benötigt A Investition

N

B Wachstum nur bei Prozess-C verbesserung

Wachstum leicht möglich

Neg. Gering DB/Engpasskapazität

Hoch

Abb. 21  Constrained Portfolio

Poor Dogs:  Geringer Marktanteil, geringes Marktwachstum, befinden sich in der Lebenszyklusphase Rückgang, Deinvestitionsbedarf, geringer Umsatz, negativer Cashflow, geringe oder negative Deckungsbeiträge zugeordnet. Zentrale Idee des Boston Portfolio ist es, ein Gleichgewicht zwischen Cashflow-­Bringern (Cash Cows) und Cashflow-Verbrauchern (Question Marks) herzustellen. Das Constrained Portfolio ergänzt die klassische Boston Matrix um eine Engpasssicht. In der Constrained Portfolio Matrix werden die beiden Achsen Jahreskapazitätsnachfrage am Engpass und Deckungsbeitrag pro Engpasskapazität verwendet. Der zu betrachtende Engpass beschränkt das Unternehmen im Wachstum. Der Marktanteil und das Marktwachstum werden indirekt durch die Jahreskapazitätsnachfrage am Engpass berücksichtigt. Der Deckungsbeitrag pro Engpasskapazität gibt ebenfalls indirekt Auskunft über den Marktanteil, das Marktwachstum und die Lebenszyklusphase. Durch die Verwendung des Engpasses, also jener Ressource, die das Wachstum des Unternehmens beschränkt, wird die Marktsicht um eine Ressourcensicht erweitert mit dem Ziel die richtigen Investitions- und Deinvestitionsentscheidungen zu treffen. In Abb. 21 sehen wir eine Constrained Portfolio Matrix mit den beiden Achsen DB/ Engpasskapazität (z.  B.  Deckungsbeitrag pro Stunde Nutzung einer Engpassanlage für eine bestimmte Produktgruppe oder Deckungsbeitrag pro Umsatzeuro für den Engpass Markt in Umsatz) und Jahreskapazitätsnachfrage am Engpass (z. B. Jahresnachfrage in Stunden am Engpass verursacht durch den Absatz einer bestimmten Produktgruppe oder Jahresumsatz einer bestimmten Produktgruppe). Multipliziert man für eine bestimmte Produktgruppe den DB/Engpasskapazität mit der Jahreskapazitätsnachfrage am Engpass, erhält man den erwirtschafteten Jahresdeckungsbeitrag der Produktgruppe. Die in obiger linker Grafik fett gezeichneten konvexen monoton fallenden Kurven entsprechen den

Wettbewerbsanalyse

187

Iso-Deckungsbeitragskurven. Alle Punkte einer Iso-Deckungsbeitragskurve entsprechen dem gleichen (konstanten) Jahresdeckungsbeitrag als Produkt Deckungsbeitrag pro Engpasseinheit mit Jahreskapazitätsnachfrage am Engpass. Die Matrix (linkes Bild) wird in vier Jahresdeckungsbeitrags-Bereiche unterteilt: A: A-Produktgruppen bezüglich Jahresdeckungsbeitrag (z. B. die 20 % aller Produktgruppen, die in Summe 80 % des Jahresdeckungsbeitrages ermöglichen), hoher Deckungsbeitrag pro Engpasseinheit, hohe Kapazitätsnachfrage am Engpass B: B-Produktgruppen bezüglich Jahresdeckungsbeitrag, mittlerer bis hoher Deckungsbeitrag pro Engpasseinheit, mittlere bis hohe Kapazitätsnachfrage am Engpass C: C-Produktgruppen bezüglich Jahresdeckungsbeitrag, geringer bis mittlerer Deckungsbeitrag pro Engpasseinheit, geringe bis mittlere Kapazitätsnachfrage am Engpass N: Produktgruppen mit negativem Deckungsbeitrag pro Engpasskapazität und damit negativem Jahresdeckungsbeitrag In der rechts dargestellten Constrained Portfolio Matrix werden ebenfalls vier Bereiche unterschieden. Mit den Produktgruppen aus den beiden rechten Quadranten wird pro Engpassstunde ein hoher Deckungsbeitrag erwirtschaftet und Produktgruppen aus den beiden oberen Quadranten weisen eine sehr hohe Nachfrage am Engpass auf. Wachstum nur bei Prozessoptimierung:  Negativer oder geringer Deckungsbeitrag pro Engpasskapazität und geringe Jahreskapazitätsnachfrage am Engpass. Durch Prozessverbesserungen und Marketingmaßnahmen könnte der Deckungsbeitrag pro Engpasskapazität und die Jahreskapazitätsnachfrage am Engpass erhöht werden. Wenn keine Erhöhung des Deckungsbeitrages pro Engpasskapazität möglich ist, sollte Wachstum kritisch hinterfragt werden. Wachstum leicht möglich:  Hoher Deckungsbeitrag pro Engpasseinheit und geringe Kapazitätsnachfrage am Engpass. Absatzwachstum erhöht überproportional den Jahresdeckungsbeitrag. Absatzwachstum ist ohne Investition in den Engpass möglich, wenn aus dem Quadranten „Engpassvergeudung“ Produktgruppen ausgeschieden werden. Wachstumsstrategie ist zu empfehlen. Engpassvergeudung:  Negativer oder geringer Deckungsbeitrag pro Engpasseinheit und hohe Kapazitätsnachfrage am Engpass. Die beschränkte Engpassressource wird in großem Umfang zur Reduktion des Jahresdeckungsbeitrages (bei negativem Deckungsbeitrag pro Engpasskapazität) oder nur zu geringem Wachstum des Jahresdeckungsbeitrages verwendet. Wenn keine Verbesserung des Deckungsbeitrages pro Engpasseinheit möglich ist, sollte die Entnahme der Produktgruppe geprüft werden. Eine Preiserhöhung kann eine sinnvolle Maßnahme sein: Wenn der höhere Preis am Markt akzeptiert

188

Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

wird, wandert die Produktgruppe in den Quadranten „Wachstum benötigt Investition“ (hoher Jahresdeckungsbeitrag wird erwirtschaftet), andernfalls in den Quadranten „Wachstum nur bei Prozessverbesserung“ bzw. Produktgruppe verschwindet zur Gänze vom Markt (beschränkte Engpasskapazität wird für deckungsbeitragsstärkere Produktgruppen frei). Wachstum benötigt Investitionen:  Hoher Deckungsbeitrag pro Engpasskapazität und hohe Jahreskapazitätsnachfrage am Engpass. Wachstum bringt hohe Jahresdeckungsbeitragszuwächse. Wachstum wird nur durch Investitionen in den Engpass möglich sein. Analog zur klassischen Boston Matrix kann idealtypisch der Lebenszyklus und damit Question Marks, Stars, Cash Cows und Poor Dogs in die Constrained Portfolio Matrix eingebaut werden (siehe Abb. 22). Typischerweise fragen Questions Marks geringe Kapazität am Engpass nach und die Deckungsbeiträge pro Engpasskapazität sind negativ bzw. gering. Stars ermöglichen bereits hohe Deckungsbeiträge pro Engpasskapazität bei wachsender sowie bereits hoher Kapazitätsnachfrage am Engpass. Cash Cows weisen hohe Deckungsbeiträge und eine hohe Kapazitätsnachfrage am Engpass auf. Poor Dogs sind mit geringen und sinkenden Deckungsbeiträgen und Kapazitätsnachfrage konfrontiert. Um die beschränkte Engpassressource bestens einzusetzen bzw. die richtigen Wachstums- bzw. Investitionsentscheidungen zu treffen, sollten folgende Strategien kombiniert zum Einsatz kommen:

Cash Cows

A

N Poor Dogs

B Stars

C

? marks Question Neg. Gering DB/Engpasskapazität

Hoch

Jahreskapazitätsnachfrage am Engpass Gering Hoch

Jahreskapazitätsnachfrage am Engpass Gering Hoch

Normalstrategie (Wachstumsstrategie bezüglich Jahresdeckungsbeitrag):  Verschiebung der Position der Produktgruppe normal (rechtwinkelig) zur Iso-Deckungsbeitragskurve (in Richtung höchster Jahresdeckungsbeitragszuwachs)

Tangentialstrategie I Holdstrategie Tangentialstrategie II Exitstrategie Normalstrategie I

Normalstrategie II

Neg. Gering DB/Engpasskapazität

Abb. 22  Constrained Portfolio mit idealtypischem Lebenszyklus

Hoch

Wettbewerbsanalyse

189

Für Questionmarks mit hohem Prozessoptimierungs- und Marktpotenzial (siehe Pfeil Normalstrategie I im rechten Portfolio in obiger Grafik): Erhöhe den Deckungsbeitrag pro Engpasskapazität durch Prozessoptimierung und erhöhe anschließend den Absatz durch Marketingmaßnahmen. Stelle hohe Liefertreue, Qualität und Kundenorientierung sicher. Für Stars (siehe Pfeil Normalstrategie II im rechten Portfolio in Abbildung Abb. 22): Erhöhe den Absatz durch Marketingmaßnahmen und Sicherstellung hoher Liefertreue, hoher Qualität sowie hoher Kundenorientierung. Falls noch möglich, versuche den Deckungsbeitrag pro Engpasseinheit durch Prozessverbesserung zu erhöhen. Holdstrategie (Halte die Position im Portfolio) für Cash Cows (siehe Punkt Holdstrategie im rechten Portfolio in obiger Grafik):  Halte möglichst lange die erreichte Position, indem hohe Liefertreue, Qualität und Kundenorientierung sichergestellt werden. Tangentialstrategie (Halte den hohen Jahresdeckungsbeitrag und reduziere gleichzeitig die Kapazitätsnachfrage):  Verschiebung der Position der Produktgruppe tangential zur Iso-Deckungsbeitragskurve (gleichbleibender Jahresdeckungsbeitrag) und nach rechts unten (in Richtung geringere Jahreskapazitätsnachfrage am Engpass). Für Cash Cows mit bereits rückgängigen Marktchancen (siehe Pfeil Tangentialstrategie I im rechten Portfolio in obiger Grafik): Erhöhe den Preis (erhöht den Deckungsbeitrag pro Engpasskapazität und reduziert die Jahreskapazitätsnachfrage am Engpass bei gleichbleibendem Jahresdeckungsbeitrag) und stelle hohe Liefertreue, Qualität und Kundenorientierung sicher. Für Poor Dogs mit noch hohen Jahresdeckungsbeiträgen (siehe Pfeil Tangentialstrategie II im rechten Portfolio in obiger Grafik): Erhöhe den Preis und stelle hohe Liefertreue, Qualität und Kundenorientierung sicher. Exitstrategie (Nimm die Produktgruppe aus dem Angebot) für Questions Mark mit geringem Potenzial oder für Poor Dogs mit negativem bzw. geringem Jahresdeckungsbeitrag (siehe Pfeil Exitstrategie):  Bei Unklarheit könnte vor dem Ausscheiden der Produktgruppe aus dem Angebot der Preis erhöht werden. Bei Nicht-Akzeptanz des höheren Preises durch die Kunden scheidet der Markt die Produktgruppe aus, andernfalls verbleibt die Produktgruppe im Portfolio mit einem höheren Jahresdeckungsbeitrag. Die beiden Strategien Tangential und Exit schaffen zusätzlich verfügbare Engpasskapazitäten (bei geringen Jahresdeckungsbeitragseinbußen), die durch Produktgruppen mit hohen Deckungsbeiträgen pro Engpasskapazität genutzt werden können, um hohe Jahresdeckungsbeitragszuwächse (Normalstrategie) zu erreichen. Zum Abschluss des Workshops wird im Plenum vorgeschlagen, dass für jedes Zielkundensegment die Ergebnisse der Wettbewerbsanalyse, der Konsistenzprüfungen und eventuell weiterer durchgeführter Validierungen und schließlich der aktuelle bereits verbesserte Entwurf des zielkundenspezifischen Geschäftsmodells präsentiert werden. Wenn noch mehrere Varianten des Geschäftsmodells für ein Zielkundensegment vorliegen, soll

190

Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

im Plenum überprüft werden, ob Varianten ausgeschieden werden können. Ausscheidungsgründe wären • Ergebnisse der Wettbewerbsanalyse, Konsistenzprüfung und eventuell weiterer durchgeführter Validierungen ergeben eine eindeutige Bevorzugung (eindeutige Bevorzugung einer Variante führt zum Ausscheiden aller anderen Varianten) bzw. Abweisung einer Variante. • Der Vergleich mit den anderen zielkundenspezifischen Geschäftsmodellen in Bezug auf Synergiepotenziale und Ähnlichkeit der Wertschöpfungsstruktur ergibt eine eindeutige Bevorzugung bzw. Abweisung einer Variante.

Nachbereitungsarbeiten zur Wettbewerbsanalyse Neben den allgemeinen Dokumentations- und Kommunikationsaufgaben kann es sinnvoll sein, zusätzlich zum Workshop noch weitere detaillierte Analysen zu den im Workshop adressierten Themen Wettbewerbsanalyse, Konsistenzprüfung, Visible-Invisible Prüfung, EVA-Baum, Wiederholfaktor versus Standardisierung, TOC oder Constrained Portfolio durchzuführen. Für die nächste Phase wird es wichtig sein, dass jeder Workshopteilnehmer alle zielkundenspezifischen Geschäftsmodelle gut kennt. Durch die einfache Methode Verständnisfrage stellen kann dies sichergestellt werden. Jeder Workshopteilnehmer erstellt schriftlich zu jedem zielkundenspezifischen Geschäftsmodell (an dem er nicht direkt mitgearbeitet hat) eine Verständnisfrage in der Nachbereitungsphase zur Wettbewerbsanalyse. Im Workshop Zusammenführung werden alle Verständnisfragen vorgetragen und durch die jeweilige zielkundenspezifische Gruppe beantwortet. Während Gruppendiskussionen und Gruppenarbeiten kann das mündliche Stellen von Fragen sinnvoll sein. Die Beantwortung der Verständnisfragen erhöht die Chance, dass vom Gleichen gesprochen wird und das Gleiche verstanden wird. Zusätzlich können durch das Stellen von Verständnisfragen kontraproduktive Emotionen bzw. zu hohes Tempo im Diskussionsverlauf konstruktiv eingedämmt bzw. reduziert werden.

Zusammenführung und Kompatibilitätsanalysen Bis jetzt ist der Fokus bei der Erarbeitung der Geschäftsmodelle das jeweilige Zielkundensegment gewesen. In der Phase Zusammenführung des Geschäftsmodellinnovationsprozesses werden alle bereits erarbeiteten zielkundenspezifischen Geschäftsmodellteile (zielkundenspezifischen Elemente) zu einem gesamten Geschäftsmodell für das gesamte Unternehmen verwoben (siehe Abb. 23). Ziel dabei muss sein, möglichst viele Synergien zwischen den Zielkundensegmenten zu erreichen, volle Kompatibilität zwischen den unterschiedlichen Zielkundesegmenten zu erreichen und insgesamt ein ausgewogenes in sich konsistentes Geschäftsmodell für das gesamte Unternehmen zu erhalten. Bei der Zusammenführung ist zu beachten, dass weiterhin die Zielkundenorientierung erhalten bleibt und die Ertragsmechanik nachhaltig wirtschaftliche Erfolge sicherstellt.

Zusammenführung und Kompatibilitätsanalysen

Zielkunden Wertschöpfungsstruktur

Zusammenführung durch Synergien schaffen und Kompatibilitätsprüfungen

191

Nutzenversprechen Ertragsmechanik

4

zielkundenspez. Elemente Abb. 23  Schritt (4) Zusammenführung und Kompatibilitätsprüfung

Ziel ist nicht, die bereits vorhandenen zielkundenspezifischen Geschäftsmodelle nebeneinander „hinzustellen“. Es geht vielmehr ums Verweben, Heben von Synergiepotenzialen, zielkundenübergreifendes Verstärken und darum, ein abgestimmtes Ganzes zu schaffen. Kuhn (2005) unterscheidet zwischen Kosten- und Umsatzsynergien. Bei der Zusammenführung der zielkundenspezifischen Geschäftsmodelle sollen die Kosten für die Leistungserbringung reduziert und gleichzeitig zusätzliche Umsatzpotenziale gehoben werden. Die Konsistenz des Geschäftsmodells ist zentral. Nach Miller (1996) sollen die wichtigsten Aspekte der Vision gleichzeitig durch mehrere Elemente des Geschäftsmodells verfolgt werden und nach Casadesus-Masanell und Ricart (2010) soll jedes Geschäftsmodellelement (bzw. relevante Aspekte davon) andere stärken oder umgekehrt bei Wegfall eines Elements bzw. Aspektes müssen andere Bereiche des Geschäftsmodells darunter leiden.

 orbereitungsarbeiten zur Zusammenführung V und Kompatibilitätsanalysen In der Vorbereitung zur Zusammenführung sollen die vorliegenden zielkundenspezifischen Geschäftsmodelle bezüglich folgenden Kriterien bzw. Eigenschaften von einer kleinen Gruppe z. B. alle zielkundenspezifischen Teamleader, vergleichend durch die Synergieanalyse analysiert werden: • Identifikation von sich einander positiv beeinflussenden zielkundenspezifischen Aspekten in Bezug auf Nutzenversprechen, Kunde, Marke, Image, Wertkommunikation, Marktauftritt, Umsatzpotenziale, Cross Selling, …

192

Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

• Identifikation widersprüchlicher oder sich gegenseitig hemmender zielgruppenspezifischer Aspekte in Bezug auf Nutzenversprechen, Kunden, Marke, Image, Wertkommunikation, Marktauftritt, Umsatzpotenziale, Cross Selling, … • Identifikation gleicher (oder sehr ähnlicher) zielkundenspezifischer Schlüsselaktivitäten, Schlüsselprozesse, Schlüsselfähigkeiten, Schlüsselressourcen, Schlüsselpartner, Kundenbeziehungen, Kundenkanäle, Kundenauftragsabwicklung, …. • Identifikation unterschiedlicher zielkundenspezifischer (besonders kostenintensiver) Schlüsselaktivitäten, Schlüsselprozesse, Schlüsselfähigkeiten, Schlüsselressourcen, Schlüsselpartner, Kundenbeziehungen, Kundenkanäle, Kundenauftragsabwicklung, …. Erarbeitung von Ideen und Vorschlägen zur Sicherstellung, dass sich einander positiv beeinflussende Aspekte zur Steigerung des Umsatzes genutzt werden zum Abbau der Widersprüche bzw. der sich gegenseitig hemmenden Aspekte mit dem Ziel Umsatzeinbußen zu vermeiden für zusätzliche Umsatzpotenziale zur Sicherstellung, dass gleiche bzw. sehr ähnliche Elemente der Leistungserbringung kostenminimierend und kompetenzfördernd (synergetisch) genutzt bzw. ­ bereitgestellt werden. zur Änderung (Zusammenführung) von unterschiedlichen Elementen der Leitungserbringung mit dem Ziel der Synergieschaffung (Kostensenkung) und gleichzeitiger Sicherstellung der hohen Zielkundenausrichtung für alle betroffenen Zielkundensegmente. Falls kein Angleichen von unterschiedlichen Elementen der Leistungserbringung möglich erscheint, ist das nachvollziehbar zu begründen. für zusätzliche Kosteneinsparungspotenziale Im Workshop werden die Ergebnisse der Synergieanalyse im Plenum vorgestellt und in zielkundenübergreifenden Fachbereichen verfeinert. In der Vorbereitungsphase müssen die Fachbereiche, deren Teamleader und Facilitatoren definiert werden. Die Aufgaben der Teamleader und der Facilitatoren sind analog zu den Teamleadern und Facilitatoren der Zielkundensegmente. Ein Fachbereich deckt zielkundenübergreifend Geschäftsmodellelemente bzw. Teile von Geschäftsmodellelementen ab. Aufgabe eines Fachbereichs-Teams ist, eine detaillierte Synergieanalyse über alle Zielkundensegmente bezogen auf ihren Fachbereich durchzuführen. In jedem Fachbereich soll zumindest jeweils ein Vertreter jedes Zielkundensegments sein. Abhängig von der Größe des Unternehmens, von den vorliegenden zielkundenspezifischen Geschäftsmodellen und den ersten Ergebnissen der Synergieanalyse sind zweckmäßige Fachbereiche festzulegen. Typische Fachbereich könnten sein: Vertrieb, Marketing und Produktmanagement für das Geschäftsmodellelement Kunde, Entwicklung & Forschung und Marketing für die Produktentwicklung oder Supply Chain Management und Produktion für den Bereich Beschaffung-Produktion und Distribution. Die Teammitglieder der einzelnen Fachbereiche sind zu definieren, zu informieren und zum

Zusammenführung und Kompatibilitätsanalysen

193

nächsten Workshop einzuladen. Jeder neu hinzugekommene Workshopteilnehmer sollte als Vorbereitung je eine Verständnisfrage zu jedem zielkundenspezifischen Geschäftsmodell schriftlich formulieren, siehe dazu Methode Verständnisfrage stellen. Die Teamleader sollen von der obersten Leitung ernannt werden. Teamleader und Facilitatoren sind entsprechend zu schulen. Eine weitere wichtige Vorbereitungsarbeit ist das formale Zusammenführen aller zielkundenspezifischen Geschäftsmodelle zu einem Geschäftsmodell. Dazu werden die Fünf Flipcharts genutzt. Ergebnisse der Synergieanalyse (Ideen und Vorschläge zur Hebung von Synergien), die friktionsfrei gesehen werden, sollen sofort in der Zusammenführung eingearbeitet werden und als Änderung zum jeweiligen zielkundenspezifischen Modell gekennzeichnet werden. Ergebnisse (Ideen und Vorschläge zur Hebung von Synergien) der Synergieanalyse, die nicht friktionsfrei gesehen werden, sollen den jeweiligen Geschäftsmodellelementen durch Verweis zugeordnet werden, wobei die betroffenen zielkundenspezifischen Bereiche (noch) nicht umformuliert werden. Beispiel „Zusammenführung“

Für ein Unternehmen liegen zwei zielkundenspezifische Geschäftsmodelle vor: Zielkunden Beschreibung der Zielkunden Speditionen und Frächter, die einen Standardanhänger mit firmenindividueller Aufmachung (Farbe, Logo, Aufschriften, ...) wollen

Kundenbeziehung Persönlich bezüglich Aufmachung. Transaktionsorientiert bezüglich standardisierter Anhänger

Kunden-Kanal Aufmachung über Werbeagenturen und Direktvertrieb; Anhänger über Plattform und Katalog

Ertragsmechanik Erwartungen Eigentümer Wachsender EBIT, Hoher ROCE

Einnahmequellen Verkauf Anhänger, kundenspezifische Aufmachung und Designdienstleistung, Service, Ersatzteile

Nutzenversprechen

Kundenbedürfnisse Billig, kundenindividuelle Aufmachung, langlebiger Anhänger mit austauschbarer Aufmachung, kurze Lieferzeit, Unterstützung beim Design der Aufmachung, schneller Service

Jobs to be done Kundenindividuelles Design bzw. Aufmachung bereitstellen; Effiziente Bereitstellung des Anhängers, schneller Austausch Aufmachung

Produkte und Dienstleistungen Anhänger, Design Aufmachung, Aufmachung, Service,

Wertschöpfungsstruktur Schlüsselaktivitäten und prozesse

Schlüsselsteuerungselemente Werttreiber und kritische Erfolgsfaktoren?

Design Aufmachung, Herstellung Aufmachung und Anhänger

kundenindividuelle Aufmachung, kurze verlässliche Lieferzeiten, Entkoppelung Anhänger von der Aufmachung

Schlüsselressourcen, -technologien und -fähigkeiten Produktionsressourcen, Designkompetenzen

Kostenstruktur Hauptkosten: Herstellkosten Anhänger in einer “Werkstattumgebung”, ServiceNiederlassungen

Schlüsselpartner und Ecosystem Designer, Planenlieferant, Achsenlieferant und Stahlieferant

Kennzahlen Anzahl designter Aufmachungen/Anzahl verkaufter Anhänger Anzahl verkaufter Aufmachungen pro Anhänger

194 Zielkunden Beschreibung der Zielkunden Unternehmen mit spezfischen Transportaufgaben für spezifische Stücktransportgüter wie z. B. Windradflügel, Kleinyachten oder Leimbinderträger

Kundenbeziehung Persönlich

Kunden-Kanal Direktvertrieb, Plattform, LKWAnbieter

Ertragsmechanik Erwartungen Eigentümer Wachsender EBIT, Hoher ROCE Einnahmequellen Verkauf kundenspezifischer Anhänger, Service, Ersatzteile Kostenstruktur

Hauptkosten: Herstellkosten, Entwicklungsabteilung, Service-Niederlassungen

Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation Nutzenversprechen

Kundenbedürfnisse Ein auf das Sondertransportgut abgestimmter Anhänger, Gewährleistung der Sicherheit, schnelles Laden und Entladen, regionaler und schneller Service

Jobs to be done Entwicklung und Bereitstellung eines kundenspezfischen Anhängers, schneller Service

Produkte und Dienstleistungen Kundenspezifischer Anhänger, Service

Wertschöpfungsstruktur Schlüsselaktivitäten und prozesse

Schlüsselsteuerungselemente Werttreiber und kritische Erfolgsfaktoren?

Aufragsakquisition, Entwicklung Anhänger, Fertigung Anhänger

Konstruktion, die individuelle Kundenwünsche erfüllt und möglichst viele Gleichteile, Standard-Komponenten bzw. Standard-Module verwendet,

Schlüsselressourcen, -technologien und -fähigkeiten Außendienst, Fertigungsressourcen, Konstruktionsabteilung

Schlüsselpartner und Ecosystem Achsenlieferant, Stahllieferant

Kennzahlen kundenspezifischer Herstellkosten/Gesamtherstellkosten Anzahl Angebote/Anzahl Aufträge

Die Synergieanalyse ergibt folgendes Bild: Zielgruppenübergreifende umsatzfördernde Aspekte werden nicht gesehen. Eventuell könnte der Standardanhänger für Speditionen und Frächter eine kontraproduktive (Image) Wirkung auf den kundenspezifischen ­Sondertransportanhänger haben. Kundenkanäle haben bis auf die Plattform und die Service-Niederlassungen keine relevante Überschneidung (Synergien sind schwierig darzustellen). Die Service-­ Niederlassungen verursachen hohe Kosten, können synergetisch genutzt werden und durch Ersatzteile können gute Margen erzielt werden. Produktion ist (noch immer) werkstattorientiert und fokussiert den Sonderanhänger. Modularisierung und Erhöhung der Gleichteile beim kundenspezifischen Sonderanhänger und anschließende Reorganisation der Produktion (Werkstatt zur kostengünstigeren Linien-Serienfertigung Umwandlung) steht an. Alternativ könnte eine Trennung der Wertschöpfungsstruktur für Sonderanhänger (Werkstattfertigung, Engineer to Order) und Standardanhänger (Serienfertigung, Assembly to Order) überprüft werden. Verkauf, Design, Herstellung und Auswechseln der Aufmachung haben nur geringe Überschneidungen zu Verkauf, Entwicklung, Herstellung und Service von Anhängern (geringe Synergieeffekte). ◄

Zusammenführung und Kompatibilitätsanalysen

195

Liegen noch alternative Entwürfe von zielkundenspezifischen Geschäftsmodellen vor, sollen nach Möglichkeit alle Alternativen auf Grund der Synergiepotenziale gerankt werden und nur noch mit der jeweils erstgereihten zielkundenspezifischen Alternative weitergearbeitet werden. Ansonsten sind mehrere Alternativen von zusammengeführten Geschäftsmodellen zu erarbeiten und weiterzuverfolgen.

Workshop zur Zusammenführung und Kompatibilitätsanalysen Im ersten Teil des Workshops Zusammenführung und Kompatibilitätsanalysen werden zum Einstieg die vorbereiteten Verständnisfragen der Workshop-Teilnehmer im Plenum gestellt und durch das jeweilige Zielkundensegment-Team beantwortet. Nach Klärung aller Verständnisfragen werden die Ergebnisse der bereits durchgeführten Synergieanalyse im Plenum präsentiert und das formal zusammengeführte Geschäftsmodell inkl. den bereits vorgenommen Anpassungen und den noch zu diskutierenden Anpassungen detailliert dargestellt (siehe Tab. 8). Die Verfeinerung der Synergieanalyse erfolgt spezifisch in den einzelnen Fachbereichen. Abhängig vom Fachbereich werden gewisse Punkte der Synergieanalyse (siehe Seite 168) aus dem Abschn. „Vorbereitungsarbeiten zur Zusammenführung und Kompatibilitätsanalyse“ von zentraler Bedeutung sein und andere werden weniger hilfreich sein. So wird sich z. B. der Fachbereich Produktion auf Kostensynergien konzentrieren oder der Fachbereich Vertrieb wird Umsatzsynergien und Kostensynergien im Vertrieb thematisieren. Wenn auch auf den ersten Blick gewisse Fragen nicht sehr hilfreich erscheinen, können durch konkretes Hinterfragen weitere Verbesserungen identifiziert werden, z. B. kann der Fachbereich Produktion beim Synergieanalysepunkt „zusätzliche Umsatzpotentiale“ feststellen, dass eine teure Produktionsressource nicht voll ausgelastet ist und durch Lohnfertigungsangebote zusätzliche Umsätze generiert werden können. Die Ergebnisse der Fachebereiche werden im Plenum präsentiert, diskutiert, aus Sicht der Zielkundensegmente bewertet und schließlich als konkrete Idee beschlossen bzw. verworfen und entsprechend in das zusammengeführte Geschäftsmodell eingearbeitet. Die zielkundenspezi-

Tab. 8  Workshop Zusammenführung und Kompatibilitätsanalysen Workshop Zusammenführung und Kompatibilitätsanalysen Inhalt Outcomes Synergieanalyse pro Fachbereich Zusammengeführtes bezüglich Synergien optimiertes Geschäftsmodell Eventuell ausgeschiedene zielkundenspezifische Geschäftsmodellentwürfe Kompatibilitätsanalyse im Validiertes und optimiertes Geschäftsmodell Plenum Umsetzungsvorbereitung im Implementierungsfelder Plenum

196

Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

fische Bewertung (pro Zielkundensegment extra durchzuführen) wird durch nachfolgende Fragen unterstützt: • Ist das Nutzenversprechen im zusammengeführten Geschäftsmodell weiterhin zielkundenorientiert? • Ist das effiziente Einlösen des Nutzenversprechens im zusammengeführten Geschäftsmodell weiterhin sichergestellt? • Entstehen aus Sicht des Zielkundensegmentes zusätzliche Kosten durch das zusammengeführte Geschäftsmodell? • Ist bezogen auf das Zielkundensegment mit Umsatzeinbußen durch das zusammengeführte Geschäftsmodell zu rechnen? Wenn für ein Zielkundensegment eine der ersten zwei Fragen mit „Nein“ oder eine der letzten zwei Fragen mit „Ja“ zu beantworten ist, ist kritisch zu hinterfragen, ob das gewollt ist oder ob entsprechende Änderungen des Geschäftsmodells vorzunehmen sind. Sollten noch mehrere Alternativen von zielgruppenspezifischen Geschäftsmodellvarianten vorhanden sein, sind erstens die Synergieanalysen pro zusammengeführter Geschäftsmodellvariante durchzuführen und zweitens sollte in diesem Schritt die finale Auswahl, welche zielkundenspezifischen Geschäftsmodellentwürfe zu einem Geschäftsmodell verwoben werden sollen, basierend auf dem Kriterium Synergiepotenziale getroffen werden. Im Zuge der Kompatibilitätsanalyse soll die Kompatibilität der Elemente untereinander, zwischen den Zielkundensegmenten und zur strategischen Ausrichtung des Unternehmens verifiziert werden. Die in der Phase Wettbewerbsanalyse vorgestellten Methoden wie Konsistenzanalyse, Visible-Invisible Methode, Wiederholfaktor versus Standardisierung, EVA-Baum oder Five Focusing Steps können einen Beitrag zur Kompatibilitätsanalyse leisten. Eine weitere Methode, namentlich die Produkt-Prozessmatrix, wird anschließend zu diesem Abschnitt bereitgestellt. Für die konkrete Entscheidung ob, in welcher Form und mit welcher Methode Kompatibilität zu analysieren und zu schärfen ist, wird nachfolgende Entscheidungshilfe vorgeschlagen: • Vermuten wir eine geringe Konsistenz, dann wird die Konsistenzanalyse, die Fünf Kräfte nach Porter (bei geringer strategischer Konsistenz) oder die Visible-Invisible Methode (bei geringer Konsistenz des wertbasierten Leistungsangebotes zu den anderen Elementen des Geschäftsmodells) vorgeschlagen. • Vermuten Sie Ineffizienzen auf Grund unterschiedlicher Anforderungen an die Leistungserstellung, dann wird Produkt-Prozessmatrix oder Wiederholfaktor versus Standardisierung empfohlen. • Vermuten Sie widersprüchliche bzw. sich gegenseitige hemmende Faktoren, die sich negativ auf die Ertragsmechanik auswirken, dann wird EVA-Baum empfohlen. • Vermuten Sie ein noch nicht ausgeschöpftes Potenzial zur Steigerung ihrer Erträge, dann wird Five Focusing Steps oder Constrained Portfolio empfohlen.

Zusammenführung und Kompatibilitätsanalysen hohe Flexibilität geringe Menge komplex ProjektEinzelfertigung geschäft

geringe Flexibilität große Menge Stückkosten zu hoch

Werkstattfertigung Serienproduktion Aufteilung der Arbeit kontinuierlich standardisiert

zu geringe Flexibilität

Massenproduktion Prozessindustrie

Produkt- und Produktionssystem

Abb. 24 Produkt-­ Prozessmatrix

197

Marktanforderungen

Die Produkt-Prozessmatrix ist ein Werkzeug zur Zusammenführung marktbezogener und leistungserstellungsbezogener Kriterien (siehe Abb. 24). Auf der horizontalen Achse werden die Marktanforderungen aufgetragen. Links ist eine vom Markt geforderte hohe Flexibilität und geringe Ausbringungsmenge dargestellt. Wohingegen auf der rechten Seite vom Markt geringe Flexibilität gefordert wird und eine hohe Ausbringungsmenge anzutreffen ist. Die vertikale Achse beschreibt die Sicht der Leistungserstellung (z. B. Produktion). Oben sind komplexe diskrete Leistungserstellungsprozesse dargestellt. Unten stehen Leistungserstellungsprozesse, die durch Arbeitsteilung, Kontinuität und häufiges Wiederholen gekennzeichnet sind. In Slack et al. (2010) oder Jodlbauer (2016) ist eine ausführliche Diskussion der Produkt-Prozessmatrix gegeben. In der Diagonale der Produkt-Prozessmatrix liegen exemplarisch für die Produktion beginnend links oben das Projektgeschäft, die Werkstattfertigung, die Serienfertigung, die Massenfertigung und die Prozessindustrie. Beim Durchlaufen der Diagonale ändern sich die Fertigungsprozesse von hoch flexibel und Losgröße eins auf hoch spezialisiert sowie kontinuierliche Fertigung. Die Marktanforderungen gehen von kunden-individuellen hoch flexiblen Produkten bis hin zu standardisierter Massenware. Die wesentliche Aussage der Produkt-Prozessmatrix ist, dass ein effizientes und effektives Produktionssystem an der Diagonale der Produkt-Prozessmatrix positioniert sein soll. Liegt ein Produktionssystem rechts oberhalb der Diagonale, so ist eine zu hohe (nicht vom Markt geforderte) Produktionsflexibilität mit zu hohen Kosten gegeben  – den am Markt bestehenden Preiskampf wird man nicht bestehen können. Dahingegen bedeutet eine Position links unterhalb der Diagonale, dass das Produktionssystem zu wenig flexibel ist und dadurch Marktchancen sowie Umsätze nicht realisiert werden können. In gewachsenen Strukturen oder in etablierten Unternehmen sind häufig unterschiedliche Marktanforderungen (in Bezug auf Jahresmenge, Abrufmenge, kundenspezifische Anforderungen, Lieferzeiten, marktgeforderte Flexibilität, …) für unterschiedliche Produktgruppen oder Zielkundensegmente festzustellen, die aber in der Leistungserstellung nicht gesondert

198

Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

(keine spezifischen Prozesse, keine spezifischen Ressourcen, keine spezifischen Verantwortungsbereiche, …) behandelt werden und damit für bestimme Produktgruppen zu einer Positionierung außerhalb der Diagonale in der Produkt-Prozessmatrix führen. Für diese außerhalb der Diagonale befindlichen Produktgruppen liegen dann auch Wettbewerbsnachteile vor (entweder zu hohe nicht notwendige Kosten, oder zu geringe aber vom Kunden geforderte Marktorientierung). Mit Hilfe der Methode Produkt-Prozessmatrix sollen Produktgruppen, die außerhalb der Diagonale positioniert sind, identifiziert werden. Produktgruppen außerhalb der Diagonale sollen in die Diagonale hineingeführt werden. Folgende Überlegungen pro Produktgruppe außerhalb der Diagonale sind zur Verbesserung hilfreich: • Ist die Produktgruppe für zumindest ein Zielkundensegment wesentlicher Bestandteil des Nutzenversprechens? Falls Nein: Ausscheiden der Produktgruppe oder Überarbeitung Zielkundensegment und dessen Nutzenversprechens. • Falls Produktgruppe rechts oberhalb der Diagonale liegt: Welche Prozesse, Ressourcen, Aktivitäten, …. in der Leistungserstellung sind für die Produktgruppe zu flexibel (Kunden verlangt diese Flexibilität nicht und will auch folglich dafür nicht zahlen)? Durch welche Maßnahmen können wir die Kosten in der Leistungserstellung bezogen auf die Produktgruppe reduzieren? • Fall Produktgruppe links unterhalb der Diagonale liegt: Welche Kundenanforderungen erfüllen wir nicht in ausreichendem Maße? Was müssen wir produktgruppenspezifisch ändern, damit wir alle relevanten Kundenanforderungen erfüllen und damit Umsatzeinbußen verhindern? In der Regel bedeutet die Hinführung zur Diagonale, dass produktgruppenspezifische Prozesse, Ressourcen, Aktivitäten, Organisationsbereiche oder Verantwortungsbereiche zu schaffen sind. Erforderliche Umstellungskosten bzw. Investitionskosten sind den absehbaren Kosteneinsparungen in der Leistungserstellung (bei rechts oberhalb der Diagonale liegenden Produktgruppen) oder den zu erwartenden Umsatzsteigerungen (bei links unterhalb der Diagonale liegenden Produktgruppen) gegenzurechnen. Methoden der Digitalisierung und der Wandel von materialisierten Produkten zu Dienstleistungen ermöglichen teilweise eine hohe Kundenorientierung oder Personalisierung zu geringen Kosten. Bezogen auf die Produkt-Prozessmatrix wird der empfohlene Korridor entlang der Diagonale durch die Digitalisierung verbreitert. Bei sehr stark unterschiedlichen Marktanforderungen soll die Trennung in unterschiedliche Organisationseinheiten bis hin zu getrennten Marken, siehe Mehrmarkenpolitik, überprüft werden. Zum Abschluss des Workshops sollen noch Vorbereitungen für die letzte Phase des Geschäftsmodellinnovationsprozesses Erstellung der Roadmap getroffen werden. Nach der Zusammenführung, Validierung und Optimierung des Geschäftsmodells sollen im Plenum die Eckpfeiler der Roadmap entworfen werden. Dazu werden die Geschäftsmodell-­ Elemente Wertschöpfungsstruktur mit Schlüsselaktivitäten und -prozessen, Schlüsselressourcen, -technologien und -fähigkeiten, Schlüsselsteuerungselementen und Schlüssel-

Zusammenführung und Kompatibilitätsanalysen

199

Gaps und Implementierungsfelder Gaps

Implementierungsfelder

Abb. 25  Gaps und Implementierungsfeder

partner sowie Kundenbeziehungen und Kanäle grob mit der IST-Situation verglichen. Relevante Gaps zwischen anvisiertem Geschäftsmodell (definiert durch Wertschöpfungsstruktur und Kanäle sowie Kundenbeziehungen) und Vorhandenem werden stichwortartig in der Tabelle Gaps und Implementierungsfelder notiert (siehe Abb. 25). Nach Sammlung aller Gaps werden die identifizierten Gaps nach Hauptzuständigkeiten (Implementierungsfeldern) zur Füllung der Lücke gruppiert. Gaps beantworten die Frage, was wir zum Aufbau des neuen Geschäftsmodells benötigen und was gleichzeitig noch nicht vorhanden bzw. verfügbar ist (neue Kompetenzen, neue Ressourcen, neue Prozesse, neue Partner, neue Kundenkanäle, …). Implementierungsfelder sind Verantwortungsbereiche, die für den Aufbau, für die Bereitstellung oder für die Entwicklung von fehlenden Kompetenzen, Fähigkeiten, Technologien, Ressourcen, Prozessen, Aktivitäten oder Partnern zuständig sein werden. Typische Gaps mit dazugehörigen Implementierungsfeldern (jeweils in Klammer) könnten z.  B. sein: Fehlende Mitarbeiter mit hoher Kompetenz in Data Analytics (Human Ressource Abteilung), fehlender Partner für eine bestimmte Technologie (Strategischer Einkauf), fehlende produktgruppenspezifische Kundenauftragsabwicklung (Supply Chain Management), nicht passende Wertkommunikation (Marketing), keine digitale Bezahlabwicklung (IT-­Abteilung) oder keine intelligenten Transportbehälter (Supply Chain Management mit Einbindung IT-Abteilung). To Be Answered – Workshop Zusammenführung und Kompatibilitätsprüfung

1. Haben wir pro Zielkundensegment (bei Vorliegen mehrerer Alternativen) die beste Version des Geschäftsmodells ausgesucht? 2. Haben wir bei der Zusammenführung alle möglichen Synergien gehoben und alle vorhandenen Konflikte beseitigt?

200

Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

3. Haben wir ein Geschäftsmodell mit hoher interner und strategischer Konsistenz erarbeitet? 4. Haben wir die fehlenden Ressourcen, Aktivitäten, Prozesse, Technologien, Fähigkeiten, Partner, Kanäle, … zum Aufbau des neuen Geschäftsmodells identifiziert und die erforderlichen Implementierungsfelder zur Schaffung des Fehlenden definiert?

 achbereitungsarbeiten zur Zusammenführung N und Kompatibilitätsanalysen Das vorliegende Geschäftsmodell soll der obersten Leitung formal präsentiert werden. Ziel dabei ist, einen Grundsatzbeschluss über die inhaltliche Ausgestaltung des zukünftigen Geschäftsmodells herbeizuführen. Falls seitens der obersten Leitung Änderungswünsche am vorliegenden Geschäftsmodell gegeben sind, sollen diese möglichst konkret von der obersten Leitung formuliert und nachvollziehbar begründet werden, damit eine schnelle Anpassung bzw. Verbesserung des Geschäftsmodells möglich ist. Vorgaben seitens der obersten Leitung bezüglich der Umsetzung (Roadmap, Implementierungsfelder, Verantwortliche, Ablöse bzw. Deaktivierung des bestehenden Geschäftsmodells, …) sollen ebenfalls erfasst und im Weiteren entsprechend berücksichtigt werden. Wenn noch Unsicherheiten über Wirkzusammenhänge der einzelnen Aspekte des Geschäftsmodells vorliegen, kann die formale Methode MICMAC, basierend auf den Arbeiten von Duperrin und Godet (1973) zur Sichtbarmachung der wesentlichen Zusammenhänge in einem Geschäftsmodell verwendet werden. In einem ersten Schritt werden alle wesentlichen Aspekte und Eigenschaften des Geschäftsmodells (die Kernaspekte, Kerneigenschaften und Erfolgsfaktoren aus der Konsistenzanalyse sind dafür ein wertvoller Input, siehe Seite 146) zusammengetragen. Typische Aspekte könnten sein: niedrige Preise, persönlicher Kundenkontakt, Lieferung innerhalb von 12 Stunden oder hohe Absatzmengen. Im Folgenden werden die wesentlichen Aspekte, Eigenschaften und Erfolgsfaktoren Variablen genannt. Im zweiten Schritt wir die sogenannte Einfluss-Matrix erstellt (siehe Abb. 26). Die Anzahl der Zeilen und die Anzahl der Spalten der Einfluss-Matrix

Einfluss-Matrix V1

V2

V3

V4

V5

Einfluss

V1 V2 V3 V4 V5

0 1 0 0 2

0 0 1 0 0

2 0 0 0 0

1 0 1 0 0

1 1 1 1 0

Abhängigkeit Bedeutung

3 2

1 5

2 3

2 3

4 1

Abb. 26 Einfluss-Matrix

4 2 3 1 2

Bedeutung 1 3 2 5 3

Zusammenführung und Kompatibilitätsanalysen

201

entsprechen jeweils der Anzahl der Variablen. Die Variablen werden durchnummeriert. Die erste Zeile und die erste Spalte referenzieren die erste Variable, die zweite Zeile und die zweite Spalte referenzieren die zweite Variable usw.. In jeder Matrix-Zelle wird nun der Einfluss der Zeilen-Variable auf die Spaltenvariable notiert. „0“ bedeutet es gibt keinen Einfluss, „1“ die Zeilenvariable beeinflusst die Spaltenvariable und „2“ bedeutet, dass die Zeilenvariable sehr stark die Spaltenvariable (eine kleine Änderung der Zeilenvariable führt bereits zu großen Änderungen in der Spaltenvariable) beeinflusst. In der Diagonale wird fix „0“ eingetragen. Für praktische Zwecke reicht es in der Regel, die Bewertung mit 0, 1 und 2 zu kodieren. Die Form des Zusammenhanges z. B. positiv korreliert, negativ korreliert, linear oder nichtlinear spielt dabei keine Rolle. Eine spezifische Zeilensumme gibt an, welchen Einfluss die jeweilige Zeilenvariable auf das gesamte System hat. Je größer die Zeilensumme desto höher der Einfluss der Zeilenvariable. Eine spezifische Spaltensumme gibt an, welche Abhängigkeit die jeweilige Spaltenvariable hat. Je größer die Spaltensumme desto höher die Abhängigkeit der Spaltenvariable von anderen Variablen. Die Bedeutung, Mißler-Behr (1993) verwendet dafür den Begriff Rang, gibt jeweils die Reihung (1 entspricht der höchsten Bedeutung, 2 der zweithöchsten Bedeutung, usw.) der Variablen bezüglich Einfluss bzw. Abhängigkeit an. Im obigen einfachen Beispiel ist eine Einfluss-Matrix mit fünf Variablen V1, V2, V3, V4 und V5 angegeben. Die Interpretation der ersten Matrixzeile „V1“ ergibt: Variable V1 hat auf Variable V2 keinen Einfluss, auf Variable V3 einen stark wirkenden Einfluss und auf V4 bzw. V5 einen Einfluss. Variable V1 hat den größten Einfluss (Zeilensumme = 4, Bedeutung/Einfluss = 1) auf das gesamte System, gefolgt von V3 (Zeilensumme = 3, Bedeutung/Einfluss = 2). Variable V2 und V5 haben einen geringen Einfluss (Zeilensumme 2, Bedeutung/Einfluss = 3) auf das gesamte System und Variable V4 (Zeilensumme 1, Bedeutung/Einfluss = 5) hat den geringsten. Interpretation der ersten Spalte „V1“ ergibt: Die Variable V2 hängt von der Variable V1 ab. Variablen V3 und V4 hängen von der Variable V1 nicht ab und die Variable 5 hängt sehr stark von der Variable V1 ab. Die Variable V5 hat die höchste Abhängigkeit vom System (Spaltensumme =4, Bedeutung/Abhängigkeit = 1). Die geringste Abhängigkeit (Spaltensumme = 1, Bedeutung/Abhängigkeit = 5) ist für die Variable V2 gegeben. Zur Erhöhung des Verständnisses für das Geschäftsmodell ist es sinnvoll, die Variablen und deren Zusammenhänge als Ursachen-Wirkungsdiagramm dazustellen, siehe Casadesus-Masanell und Ricart (2010). Obige Einfluss-Matrix ergibt dabei das in Abb. 27 dargestellte Ursachen-Wirkungsbild. Ein Pfeil gibt den Wirkzusammenhang an. Dabei beeinflusst die Variable am Pfeilschaft die Variable an der Pfeilspitze. Ein dünner Pfeil repräsentiert einen Einfluss und ein dicker Pfeil einen starken Einfluss. Die Einfluss-Matrix gibt nur den direkten Zusammenhang jeweils zwischen zwei Variablen an. Die indirekte Beeinflussung der Variablen untereinander kann durch Potenzieren der Einfluss-Matrix unter Verwendung der Matrixmultiplikation, siehe Althaler et al. (2004), dargestellt werden. Die quadrierte Einfluss-Matrix (siehe Abb. 28) stellt den indirekten Einfluss der Variablen mit einer Zwischenvariable dar. Zur Illustration: In Abb. 27 gibt es keine direkte Verbindung von V3 auf V1. Aber es gibt

202

Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation V1

V2 V3

V4

V5

Abb. 27  Ursachen-­Wirkungsdiagramm

Einfluss-Matrix2 V1

V2

V3

V4

V5

Einfluss

V1 V2 V3 V4 V5

2 2 3 2 0

2 0 0 0 0

0 2 0 0 4

2 1 0 0 2

3 1 2 0 2

Abhängigkeit Bedeutung

9 1

2 5

6 3

5 4

8 2

Bedeutung 9 1 6 3 5 4 2 5 8 2

Abb. 28  Quadrat der Einfluss-Matrix

eine indirekte (aus zwei direkten Verbindungen bestehende) Verbindung über V2 von V3 nach V1 (V3→V2→V1). Der Eintrag „3“ in der Zeile V3 und Spalte V1 des Quadrats der Einfluss-Matrix symbolisiert die indirekte Verbindung von V3 auf V1 über einen Zwischenschritt. Der Eintrag „3“ setzt sich dabei aus der Verbindung über V2 (V3→V2→V1) und der starken Verbindung über V5 (V3→V5→V1) zusammen. Die „0“ in der Zeile V3 und Spalte V2 bedeutet, dass kein indirekter Weg bestehend aus zwei direkten Teilverbindungen von V3 nach V2 existiert (obwohl es eine direkte Verbindung von V3 nach V2 gibt). Allgemein stellt die i-te Potenz der Einfluss-Matrix den Einfluss der Zeilenvariable über (i–1) Zwischenvariablen auf die Spaltenvariable dar. Bei jeder Potenz kann eine Bedeutungsreihenfolge des Einflusses und der Abhängigkeit bestimmt werden. Unter gewissen Voraussetzungen bleibt ab einer gewissen Potenz die Bedeutungsreihenfolge der Variablen sowohl bezüglich Einfluss als auch bezüglich Abhängigkeit erhalten, siehe Arcade et al. (1999). In Abb. 29 ändert sich ab der zehnten Potenz der Einfluss-Matrix die Bedeutung (der Rang) des Einflusses sowie der Abhängigkeit nicht mehr. Unter Berücksichtigung aller indirekten Effekte zwischen den Variablen hat V1 gefolgt von V5 den größten Einfluss auf das System. V5, gefolgt von V1 haben die höchste Abhängigkeit vom System. Nach Stabilisierung der Bedeutungen (der Ränge) werden alle Variablen entsprechend ihrer Abhängigkeit und ihres Einflusses basierend auf der entspre-

Zusammenführung und Kompatibilitätsanalysen

203

Einfluss-Matrix10 V1

V2

V1 V2 V3 V4 V5 Abhängigkeit Bedeutung

V3

V4

V5

3744 2656 2576 1120 3072

1120 864 880 416 896

3072 2016 2176 896 2240

2656 1872 1968 864 2016

4112 2976 2984 1328 3296

13168 2

4176 5

10400 3

9376 4

14696 1

Einfluss Bedeutung 1 14704 10384 4 10584 3 4624 5 11520 2

Abb. 29  Zehnte Potenz der Einfluss-Matrix

Einfluss Variablen mit höchster Bedeutung

Einflussvariablen

V3

V2

V1

V5

Variablen mit geringster Bedeutung V4

Ergebnisvariablen Abhängigkeit

Abb. 30 Abhängigkeits-Einfluss-Diagramm

chend potenzierten Einfluss-Matrix zweidimensional im Abhängigkeits-Einfluss-Diagramm visualisiert (siehe Abb. 30). Unterhalb der Diagonale ist die Abhängigkeit größer als der Einfluss (diese Variablen sind überwiegend als Outcome bzw. Ergebnis des Systems zu sehen). Oberhalb der Diagonale ist der Einfluss größer als die Abhängigkeit (diese Variablen sind überwiegend als Inputgeber und Einflussvariablen unabhängig von der Gestaltbarkeit durch das Unternehmen zu sehen). Dabei ergeben sich angelehnt an Chander et al. (2013) oder Elmsalmi und Hachicha (2013) vier logische Quadranten: Geringe Abhängigkeit und hoher Einfluss (Einflussvariable):  Diese Variablen haben einen sehr großen Einfluss auf das Geschäftsmodell und sind selbst relativ stabil (kaum beeinflusst von anderen Variablen). Viele Einflussvariablen, die durch das Unternehmen

204

Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

gestaltet werden können, weisen auf ein durch das Unternehmen eigenständig steuerbares bzw. kontrollierbares Geschäftsmodell hin. Einflussvariablen, die vom Unternehmen kaum gestaltet bzw. kontrolliert werden können (externe Variablen), weisen auf eine hohe externe Abhängigkeit des Geschäftsmodells und damit auf ein hohes Risiko hin. In diesem Fall sollte überlegt werden, ob die Abhängigkeit von diesen externen Variablen reduziert werden kann oder ob Ansätze zur Einflussnahme auf die externen Faktoren aktiviert werden können. Die direkte als auch die indirekte Wirkung der Einflussvariablen auf die kritischen Erfolgsfaktoren und kritischen Kennzahlen soll gut verstanden und entsprechend gemanagt werden. Hohe Abhängigkeit und hoher Einfluss (Variablen mit höchster Bedeutung):  Die Variablen mit höchster Bedeutung benötigen die höchste Management-Aufmerksamkeit. Wegen der starken Zusammenhänge kann eine positive synergetische Nutzung den Erfolg garantieren und eine hemmende Interaktion alles zerstören. Zentral ist das Verstehen lernen der in der Regel komplexen Zusammenhänge und die Sicherstellung des einander positiv beeinflussenden Verwebens. Variablen mit hoher Bedeutung, die kaum durch das Unternehmen kontrollierbar sind, stellen ein hohes Risiko dar. Wenn viele nicht kontrollierbare Variablen mit hoher Bedeutung vorliegen, muss das Geschäftsmodell grundsätzlich überarbeitet werden. Geringe Abhängigkeit und geringer Einfluss (Variablen mit geringster Bedeutung):  Benötigen keine besondere Aufmerksamkeit bezüglich des Vernetzens. Diese Variablen können isoliert betrachtet gemanagt werden. Hohe Abhängigkeit und geringer Einfluss (Ergebnisvariablen):  Die Ergebnisvaria­ blen haben wenig Einfluss auf das gesamte System und werden maßgeblich durch andere Variablen kontrolliert. Für jede Ergebnisvariable sollten die dazugehörigen Einfluss­ variablen und deren Zusammenwirkung verstanden werden. Ergebnisvariablen sollten ­kontinuierlich erhoben werden und zur Steuerung der Implementierung bzw. Korrektur bzw. zur Anpassung des Geschäftsmodells verwendet werden. Einflussvariablen, die Variablen mit höchster Bedeutung und die Ergebnisvariablen werden in der Regel eine hohe Überschneidung mit den kritischen Erfolgsfaktoren aufweisen. Ergebnisvariablen werden häufig eine Überdeckung mit den kritischen Kennzahlen haben. Für das oben behandelte Beispiel ist V2 eine Einflussvariable und V1, V3 sowie V5 Variablen mit höchster Bedeutung. Eine reine Ergebnisvariable existiert nicht, wobei V4 und V5 (da unterhalb der Diagonale liegend) überwiegend als Outcome zu sehen sind.

Roadmap

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Roadmap Im letzten Schritt der Geschäftsmodellinnovation wird die Roadmap zur Implementierung des neuen Geschäftsmodells erarbeitet. Die Roadmap (siehe Abb. 31) ist weder ein detaillierter Projektplan noch ein Businessplan. Die Roadmap, angelehnt an Specht und Behrens (2005), ist der Fahrplan zur Implementierung des neuen Geschäftsmodells und stellt die essenziellen Zusammenhänge zwischen den aufzubauenden bzw. zu ändernden ­Geschäftsmodellelementen und den dafür erforderlichen Maßnahmen dar. Die Road­ map  muss auch auf die geplante Zukunft des bestehenden Geschäftsmodells eingehen (z. B. kontinuierliche oder schrittweise Transformation des alten in das neue Geschäftsmodell oder paralleles Betreiben beider Geschäftsmodelle für eine gewisse Zeit). Die Roadmap beschreibt den Wechsel bzw. Übergang vom aktuellen Geschäftsmodell in das neue Geschäftsmodell und fixiert die erforderlichen Maßnahmen zum Aufbau notwendiger aber noch nicht existierender (Fehlendes identifizieren und schaffen) sowie den Abbau vorhandener aber nicht mehr benötigter Schlüsselelemente wie Kompetenzen, Ressourcen, Prozesse, Partner oder Kanäle. Neben den strukturellen, organisatorischen und inhaltlichen Aufgaben bzw. Maßnahmen, die in der Roadmap dazustellen sind, sind zwei Dinge für eine erfolgreiche Umsetzung eines noch so guten Geschäftsmodells unabdingbar, siehe Neilson et al. (2008): • Klare Kommunikation wer ist für was zuständig, wer hat was zu entscheiden, wer hat was zu tun und wer hat was für was zu liefern. • Sicherstellung eines schnellen bedarfsorientierten Informationsflusses zwischen allen Verantwortungsträgern.

Roadmap Fehlendes identifizieren und schaffen

Abb. 31  Schritt (5) Roadmap erstellen

206

Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Vorbereitungsarbeiten zur Roadmap In den Vorbereitungsarbeiten sollen zuerst die Implementierungsfelder konkretisiert und fixiert werden sowie Grundsatzentscheidungen bezüglich Art der Transformation des ­bestehenden Geschäftsmodells in das neue getroffen werden. Die Vorbereitungsarbeiten sollen im Team bestehend aus allen zielkundenspezifischen Teamleadern und Repräsentanten der obersten Leitung erledigt werden. Ausgangspunkt ist das bestehende Geschäftsmodell und das neue Geschäftsmodell jeweils beschrieben durch die Methode der Fünf Flipcharts. Im Team wird Geschäftselement nach Geschäftselement der beiden Geschäftsmodelle (das bestehende und das neue Geschäftsmodell) verglichen und Antworten auf folgende Fragen (Roadmap Fragenblock I) erarbeitet: • Wird für den Aufbau bzw. den Betrieb des neuen Geschäftsmodellelements etwas (z. B. Kompetenzen, Fähigkeiten, Technologien, Ressourcen, Aktivitäten, Prozesse, Lieferanten, Partner, Kundenkanal, Steuerungselement, …) benötigt, das noch nicht verfügbar ist bzw. noch nicht in ausreichender Qualität oder Quantität verfügbar ist? Falls die aktuelle Stellung im Ecosystem nicht der neuen Stellung entspricht, was benötigen wir (und ist noch nicht vorhanden), um die neue Stellung zu erreichen? Falls etwas benötigt wird und noch nicht vorhanden ist: Was genau wird benötigt? Warum wird es benötigt? Bis wann wird es benötigt? Wer sollte für die Bereitstellung bzw. Entwicklung des Fehlenden verantwortlich sein? Bei Bedarf ist die Liste Gaps und Implementierungsfelder oder auch das neue Geschäftsmodell (noch nicht identifizierte Schlüsselelemente) zu ergänzen. • Wie ist die Änderung bzw. der Wechsel zwischen den bestehenden und den neuen Geschäftsmodellelementen zu charakterisieren: eher völlig disruptiv (neue Logik, neue Struktur, völlig neue Kunden oder völlig neues Nutzenversprechen, Vorhandenes kann kaum fürs Neue genutzt bzw. angepasst werden, …) oder eher nur zeitgemäße Weiterentwicklung und Verbesserung (Grundlogik bzw. Grundstruktur bleibt erhalten, Nutzenversprechen und Zielkunden ändern sich kaum, neue Möglichkeiten werden genützt, Vorhandenes kann adaptiert und weiterverwendet werden, …)? • Gibt es zwischen dem bestehenden und dem neuen Geschäftsmodell in Bezug auf die Optimierung des Nutzenversprechens und der Ertragsmechanik hemmende (sich widersprechende, unterschiedliche Ziele verfolgende, konfliktäre, …), Zusammenhänge? Falls ja: Welche und wie können die hemmenden Zusammenhänge gelindert werden? • Ist zurzeit etwas vorhanden, das für das neue Geschäftsmodell (alle neun Elemente sind gemeint) nach Deaktivierung des alten Geschäftsmodellelements nicht mehr erforderlich ist? Falls Ja: Was genau ist nicht mehr nötig? Warum ist es nicht mehr nötig? Ab wann ist es nicht mehr nötig? Kann das nicht mehr Erforderliche als Basis für die Entwicklung bzw. Bereitstellung von noch nicht Verfügbarem aber für das neue Geschäftsmodell Notwendigem genutzt werden? Falls ja: Wie kann diese Transformation organisiert werden? Falls

Roadmap

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Nein: Wer sollte für den Abbau bzw. die Restverwertung des nicht mehr Erforderlichen verantwortlich sein? Der Wechsel vom bestehenden Geschäftsmodell in das neue kann auf unterschiedliche Arten erfolgen. Die Umsetzung des neuen Geschäftsmodells kann kontinuierlich (in sehr vielen, zeitlich getrennten, kleinen Schritten werden einzelne Subelemente bzw. Aspekte des Geschäftsmodells transferiert) oder diskret (in wenigen, sehr großen Schritten wird das gesamte Geschäftsmodell oder wesentliche, mehrere Elemente umfassende, Teile des Geschäftsmodells zu einem Zeitpunkt aktiviert). Zusätzlich kann für das gesamte Geschäftsmodell oder für (Sub)Elemente des Geschäftsmodells ein zeitlich paralleler Betrieb des alten und des neuen Systems (Parallel-Strategie) oder eine Aktivierung des Neuen bei gleichzeitiger Deaktivierung des Alten zu einem Zeitpunkt (Ablöse-Strategie) sinnvoll sein. Geringer Innovationsgrad und geringfügige Änderungen des Geschäftsmodells (Verbesserungen, zeitgemäße Weiterentwicklung bzw. Anpassungen des alten Geschäftsmodelles) können vorteilhaft durch eine kontinuierliche Umsetzung kombiniert mit der Ablöse-Strategie implementiert werden. Disruptive Innovationen verlangen in der Regel eine diskrete Umsetzung und für eine gewisse Zeit eine Parallel-Strategie. Ein Hauptgrund für die Parallel-Strategie kann die fehlende Größe (Umsatz, Marktanteil, Anzahl Kunden, …) des neuen disruptiven Geschäftsmodells sein. Das alte Geschäftsmodell muss als Cash Cow, siehe Udo-Imeh et al. (2012), genutzt werden, um die notwendigen liquiden Mittel für die Transformation des Questions Marks „neues disruptives Geschäftsmodell“ in Richtung Star bereitzustellen. Bei einer Parallel-Strategie kann es sinnvoll und notwendig sein, eine klare Trennung in Bezug auf Marke, Kanäle, Marktauftritt, Organisationseinheiten, Ressourcen oder Geschäftsprozesse zwischen den alten und den neuen Geschäftsmodellen vorzunehmen. Bei der Erstellung der Roadmap muss auch auf diese Trennung (was ist getrennt zu behandeln, warum ist es getrennt zu behandeln und wie ist es getrennt zu behandeln) eingegangen werden. Wenn zwischen beiden Geschäftsmodellen hemmende Zusammenhänge bzw. Aspekte festzustellen sind, muss entweder die Umsetzung mit der Ablöse-Strategie erfolgen oder bei einer Parallel-Strategie eine Trennung der Aspekte derart erfolgen, dass keine hemmende Wirkung mehr gegeben ist (z. B. Zweimarkenstrategie bei völlig unterschiedlichem Marktauftritt). Die Parallel- und Ablösestrategie kann sich auf das gesamte Geschäftsmodell, auf einzelne Zielkundensegmente, auf einzelne Geschäftsmodellelemente oder auf Aspekte von Geschäftsmodellelementen beziehen. Zusammengefasst führt dies zu nachfolgenden Fragen (Roadmap Fragenblock II): • Ist eine kontinuierliche oder diskrete Umsetzung geeigneter? In wie vielen und in welchen Schritten (Umfang, Zeitschiene, …) wollen wir das neue Geschäftsmodell in Bezug auf welche Einheiten (gesamtes Geschäftsmodell, Element, Zielkundensegment, Aspekt, …) umsetzen? • Ist für einen Schritt eine Ablöse-Strategie oder eine Parallel-Strategie zu bevorzugen?

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation Roadmap Was und Wie

Warum

Wer

Wann

Abb. 32  Tabelle Roadmap

• Gibt es hemmende Zusammenhänge zwischen dem alten und dem neuen Geschäftsmodell? Falls ja: Welche Trennungs-Maßnahmen sind bei einer Parallel-Strategie zu setzen? Sind begleitende Maßnahmen bei einer Ablöse-Strategie erforderlich? Auf Basis der bereits vorhandenen Liste Gaps und Implementierungsfelder und den Antworten auf beide Fragenblöcke soll die Tabelle Roadmap (siehe Abb. 32) (erster Entwurf) erstellt werden und für die weitere Detaillierung der Roadmap verwendet werden. In der Spalte „Was und Wie“ wird das Aufzubauende, das Abzubauende und das Wie des Aufbaus bzw. Abbaus (z. B. Parallel- versus Ablösestrategie) beschrieben – im Folgenden sprechen wir von Implementierungsmaßnahmen. Die Beantwortung der Frage „Warum“ soll das Verständnis schärfen sowie sicherstellen, dass kompatible Ziele gegeben sind und von unterschiedlichen Personengruppen die gleichen Ziele verfolgt werden. In der Spalte „Wer“ ist das verantwortliche Implementierungsfeld referenziert. Die Spalte „Wann“ gibt den Zeitpunkt an bis wann das „Was“ abgeschlossen sein soll. Eine weitere wichtige Vorbereitungsarbeit zum Workshop Roadmap ist die formelle Ernennung der Implementierungsfelder inkl. Kommunikation. Analog zu den zielkundenspezifischen Teams und den Fachbereichen sind für die Implementierungsfelder Teamleader, Facilitatoren und die Teammitglieder zu nominieren und gegebenenfalls zu schulen.

Workshop zur Roadmap In der Vorbereitungsphase zur Roadmap wurde kundensegment- und implementierungsfeldübergreifend ein erster Entwurf der Roadmap erstellt. Im Workshop soll der Entwurf aus Sicht der einzelnen Implementierungsfelder geprüft und verdichtet werden (siehe Tab. 9). Als Einstieg wird im Plenum das aktuelle Geschäftsmodell, der Entwurf der Road-

Roadmap

209

Tab. 9  Workshop Roadmap

Meilensteine

Workshop Zusammenführung und Kompatibilitätsanalysen Inhalt Outcomes Finalisierung der Beschlussfähige Roadmap Roadmap Erarbeitung einfacher Einfache Regeln für die Implementierung und den Betrieb des neuen Regeln Geschäftsmodells

Einstellung Faxbestellung

Altes GM

IT

Aufgaben

Digitale Kundenauftragsabwicklung möglich

Neues GM

100% Verfügbarkeit der digitalen Auftragsabwicklung sicherstellen

Aufbau IT für digitale Auftragsabwicklung

PE + Vertrieb

Schulung digitale Auftragsabwicklung

Vertrieb

Sicherstellung, dass kein Zielkunde bei Abschaltung Fax verloren geht Q1 2020

Q2

Q3

Q4

Q1 2021

Q2

Q3

Q4

Q1 2022

Q2

Q3

Abb. 33 Roadmap

map und Vorgaben bzw. Restriktionen der obersten Leitung zum Thema Roadmap (falls vorhanden) präsentiert. Anschließend werden getrennte Gruppenarbeiten je Implementierungsfeld durchgeführt. In diesen Parallel-Workshops sollen aus Sicht des Implementierungsfeldes die Fragen aus dem Roadmap Fragenblock I und II aus der Vorbereitungsphase zur Roadmap (siehe Seiten 183 und 184) durchgegangen werden und dadurch für das jeweilige Implementierungsfeld die Tabelle Roadmap verfeinert werden. Nach Aktualisierung der Tabelle Roadmap und Sicherstellung, dass keine Implementierungsmaßnahme für das Implementierungsfeld übersehen worden ist, sollten aus Sicht des Implementierungsfeldes die Abhängigkeiten der Maßnahmen analysiert werden, Detaillierungen (Maßnahmen in Aufgaben zerlegen, Verantwortliche für die Aufgaben) vorgenommen, die einzelnen Maßnahmen bzw. Aufgaben zeitlich aufeinander abgestimmt werden und auf besondere Probleme, Herausforderungen oder Abstimmungsbedarfe (z.  B. mit anderen Implementierungsfeldern) hingewiesen werden. Zu beachten ist, dass die Roadmap nicht nur die Schaffung von Neuem, sondern auch den Abbau bzw. Deaktivierung von nicht mehr Benötigtem zum Thema hat. Im Plenum sollten die Ergebnisse aller Implementierungsfelder zusammengetragen und falls erforderlich angepasst werden. Die Abb. 33 kann zur Visualisierung der resultierenden Roadmap verwendet werden. Abb. 33 zeigt beispielhaft einen Auszug einer Roadmap. Die Grafik besteht aus dem oberen Teil, den sogenannten Meilensteinen, und dem unteren Teil, den sogenannten Im-

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

plementierungsaufgaben. Die Meilensteine beschreiben die Aktivierung des neuen ­Geschäftsmodells bzw. dessen (Sub)Elemente, die Deaktivierung des alten Geschäftsmodells und die Transformation des alten in das neue Geschäftsmodell. Die Spalte „Warum“ in Tabelle Roadmap und die Antworten zum Roadmap Fragenblock II liefern schwerpunktmäßig den Input zu den Meilensteinen. In der praktischen Umsetzung kann es sinnvoll sein, sowohl das alte als auch das neue Geschäftsmodell (GM) zur Erhöhung des Überblicks in relevante Geschäftsmodellelemente zu unterteilen. Im unteren Teil werden pro Implementierungsfeld (im Beispiel sind nur IT, Personalentwicklung (PE) und Vertrieb angeführt) die erforderlichen Maßnahmen bzw. Aufgaben zur Erreichung der Meilensteine angeführt. Die Spalten „Was“ und „Wie“ der Tabelle Roadmap sind für die erforderlichen Maßnahmen bzw. Aufgaben wesentliche Informationsquelle. Die punktierten senkrechten Linien von den Meilensteinen, von den Startpunkten einer Aufgabe und von den Endpunkten einer Aufgabe zum unten liegenden Zeitstrahl zeigen die zeitliche Anordnung aller Aufgaben und Meilensteine an. Im obigen Beispiel sollte in Q1 2020 mit dem Aufbau der IT Infrastruktur für die digitale Kundenauftragsabwicklung gestartet werden und bis Q4 2020 abgeschlossen sein. Zusätzlich können durch Pfeile Abhängigkeiten im Sinne von was ist Voraussetzung wofür eingebaut werden (Pfeilstart symbolisiert die Voraussetzung und das Pfeilende, die darauf aufbauende Aufgabe oder den dadurch erreichbaren Meilenstein). In obigem Beispiel ist der Abschluss der Aufgabe „100 % Verfügbarkeit der digitalen Auftragsabwicklung sicherstellen“ Voraussetzung, dass die Vertriebsmitarbeiter sicherstellen können, dass kein Zielkunde verloren geht, wenn die Faxbestellung deaktiviert wird und somit Meilenstein „Einstellung Faxbestellung“ erreicht werden kann. Die Kunst ist unter Beachtung der Ressourcen und der inhaltlichen Zusammenhänge eine Roadmap zu entwerfen, die die Implementierung des neuen Geschäftsmodells darstellt. Zur Erhöhung der Transparenz kann es sinnvoll sein, unterschiedliche Layer der Roadmap einzuführen. Für das gesamte Unternehmen werden zum Überblick alle Hauptmeilensteine, Hauptmaßnahmen und Hauptimplementierungsfelder jeweils ohne Details im obersten Layer dargestellt. Pro Hauptmeilenstein wir ein eigener darunterliegender Layer erstellt. In diesem detaillierten Layer werden die Meilensteine, erforderlichen Maßnahmen und Implementierungsfelder die zur Erreichung des übergeordneten Hauptmeilensteines erforderlich sind, dargestellt. Falls zweckmäßig kann diese Verfeinerung beliebig oft stattfinden. In Abb. 34 wird der Meilenstein M1 des übergeordneten Layers (in der Abbildung ist der übergeordnete Layer der unten liegende Layer) durch den detaillierten Layer konkretisiert. Nach Erstellung der Roadmap wird vorgeschlagen, für die Umsetzung und den Betrieb des neuen Geschäftsmodells die essenziellen Werttreiber zu identifizieren und einfache Regeln zur Sicherstellung, dass das richtige Ziel (Effektivität) angepeilt und der richtige Weg (Effizienz) dazu eingeschlagen wird aufzustellen, siehe Chatterjee (2013). Im Sinne der Cynefin-Stacey-Matrix, siehe Snowden und Boone (2007), geht es um die Überführung komplexer sowie komplizierter Sachverhalte in einfache. Die einfachen Regeln nach

Roadmap

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Abb. 34  Layerstruktur einer Roadmap

Eisenhardt und Sull (2001) können in der Implementierungsphase eines neuen Geschäftsmodelles wertvolle Dienste erweisen. Diese Regeln können allen Beteiligten im Geschäfts­ alltag als Leitplanke dienen was, ob überhaupt, wann und vor allem wie etwas zu tun ist.  Vor allem bei sich ständig ändernden Rahmenbedingungen (komplexer Markt) ­können einfache konsistente Regeln die Wertschaffung für Kunden und fürs eigene Unternehmen zielgerichtet unterstützen. Einfache Regeln sollen dabei auf eine relevante Aufgabe (z.  B.  Schlüsselaktivität), eine relevante Situation oder relevante Prozesse ­ (z. B. Schlüsselprozesse) abzielen und kompakte sowie verständliche Aussagen beinhalten, um eine klare Entscheidung zu treffen und letztendlich einen Beitrag zu der durch das

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Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation

Geschäftsmodell intendierten Wertsteigerung für Kunden und das eigene Unternehmen zu leisten. So wie laut Mankins und Steel (2005) eine Strategie einfach und konkret sein soll, soll auch ein Geschäftsmodell einfach und konkret sein. Die einfachen Regeln sollen genau diese Einfachheit und Konkretheit des Geschäftsmodells fördern. Einfache Regeln lassen sich kategorisieren. In der nächsten Aufzählung werden die wichtigsten Typen, deren Zweck und jeweils ein Beispiel angeführt. How-to rules Wie machen wir es, damit wir einzigartig, am besten, am schnellsten, … sind? Beispiel Kundendienst: Jede Kundenanfrage wird mit der ersten Antwort vollständig für den Kunden beantwortet. Boundary rules Definieren, welche Chance ergriffen werden muss oder welche nicht ergriffen werden darf. Beispiel Unternehmensakquisition: Ein Unternehmen mit mehr als 75 Mitarbeitern oder mit einer Ingenieursquote von unter 75 % darf nicht akquiriert werden. Priority rules Unterstützen dabei, unter mehreren Möglichkeiten die „richtige Möglichkeit“ auszu­wählen. Beispiel Zuordnung Produkt zu Fertigungsstandort: Fertigungsstandort mit höchster Marge unter Berücksichtigung der Herstell- sowie Distributionskosten erhält den Zu­schlag. Timing rules Unterstützen dabei, Prozesse, Aktivitäten, Chancen, … zu synchronisieren bzw. zeitlich abzustimmen. Beispiel Produktentwicklung: Das Entwicklungsteam muss wissen bis wann spätestens neue geplante Produkte an ausgewählte Zielkunden geliefert werden müssen, damit Marktchancen optimal genutzt werden können. Exit rule Unterstützt dabei zu entscheiden, wann etwas zu Ende geht bzw. zu stoppen ist.

Roadmap

213

Beispiel Projekte: Falls der „Lead“ aus einem Projekt auf Grund von neu zugewiesenen Aufgaben im Unternehmen ausscheidet, wird das Projekt gestoppt. Pragmatisch wird folgendes Vorgehen zur Erarbeitung der einfachen Regeln vorgeschlagen: • Wichtigste Prozesse, Tätigkeiten, Entscheidungssituationen und Geschäftssituationen (Schlüsselaktivitäten, Schlüsselprozesse, …), die für den Erfolg (nachhaltige Sicherstellung einer optimierten Ertragsmechanik und Maximierung des Kundennutzens) des neuen Geschäftsmodells erforderlich sind, identifizieren. • Für jeden identifizierten wichtigen Prozess, Tätigkeit und Situation Werttreiber bzw. kritische Erfolgsfaktoren verstehen lernen und darauf aufbauend • Einfache (leicht einsetzbare) Regeln zur Sicherstellung der Erreichung intendierter Ziele, die durch den jeweiligen Prozess, Tätigkeit oder Entscheidungsfindung in eventuell spezifischen Situationen anzustreben sind, zu erarbeiten. • Fixierung von wenigen Kennzahlen, die den Erfolg im Sinne Nutzensteigerung für die Zielkunden und Wertsteigerung für das eigene Unternehmen messen (kritische Kenn­zahlen). Es sollten nur wenige einfache Regeln und kritische Kennzahlen erarbeitet werden. Die Regeln und Kennzahlen sollen die handelnden Personen unterstützen, das Richtige effizient zu tun und das Richtige zu entscheiden. Die Kennzahlen zeigen auf, ob man am richtigen Weg ist und weisen bei Abweichungen darauf hin, dass korrigierend einzugreifen ist. Ziel ist dabei immer, nachhaltig gleichzeitig den (End-)Kundennutzen zu erhöhen und die Ertragssituation des Unternehmens zu steigern. Beispiel „Einfache Regeln“

Wir versuchen für Ryanair mögliche einfache Regeln aufzustellen. Ryanair, 1985 als irische Regionalfluggesellschaft gegründet ist eine Billigfluglinie mit 117  Millionen Passagieren im Jahr 2016 und damit die größte Fluglinie Europas. Ryanair verfolgt eine klare Operational Excellence Strategie (aggressive Preisgestaltung, schlanke Kostenstruktur) kombiniert mit No Frills für das Basis-Angebot (sehr billiges Ticket) und vielen möglichen Add-ons (Bordservice, Verpflegung, Reiseversicherung, Priority Boarding, Extragepäck, Übergepäck, …). Zusammengefasst kann das Geschäftsmodell für Ryanair mit den folgenden vier Flipcharts dargestellt werden:

214 Zielkunden Beschreibung der Zielkunden Touristen, die günstig reisen wollen

Kundenbeziehung

Vorgehensmodell zur Geschäftsmodellinovation Nutzenversprechen

Kundenbedürfnisse Billige Flugreisen in Anspruch nehmen. Individuelle Zusatzleistungen in Anspruch nehmen können

Transaktionsorientiert

Jobs to be done Kunden-Kanal Internet-Plattform

Billige Flugreisen leicht zugänglich anbieten Individuelle Zusatzleistungen anbieten

Produkte und Dienstleistungen Billiges Basis-Ticket, Zusatzleistungen (Add-on)

Ertragsmechanik Erwartungen Eigentümer

Wertschöpfungsstruktur Schlüsselaktivitäten und -prozesse

Schnelles Wachstum (Umsatz, Marktanteile)

Effizienter Flugzeugeinsatz mit kurzen Standzeiten am Flughafen und keinen Leerflügen Kostenloser Online-Check-In und gebührenpflichtiger Check-In am Schalter

Einnahmequellen Basis-Ticket, Add-on Umsätze, Umsatzbeteiligung an Flughäfen, Öffentliche Förderungen

Schlüsselressourcen, -technologien und -fähigkeiten Einheitliche Flotte mit geringen Betriebskosten und geringem Treibstoffverbrauch

Kostenstruktur Geringe Kosten wegen einheitlicher Flotte, geringe Betriebskosten, geringe Flughafengebühr, niedrige Provisionen an Reiseagenturen,

Schlüsselpartner und Ecosystem Zusammenarbeit mit unterausgelasteten Regionalflughäfen, die teilweise einen Prozentsatz des Flughafenumsatzes (Shops, Restaurants, …) an Ryanair abführen und sehr geringe Flughafengebühren einheben

Sinnvolle einfache Regeln für Ryanair könnten sein: Maximaler Basis-Ticket-Preis ist xxx € Maximaler Preis für Zusatzleistung A ist aaa € Für eine neue Destination müssen folgende Punkte erfüllt sein: erreichbare Marktdurchdringung höher als xx %, Jahresumsatz höher als yyy € und jährliche Flughafengebühr abzüglich allfälliger Förderungen und Flughafenumsatzbeteiligungen kleiner als zzz € Auslastung eines Fliegers muss höher als yy % sein ◄

Nachbereitungsarbeiten zur Roadmap Das vorliegende Geschäftsmodell und die dazugehörige Roadmap sollten nochmals geprüft, validiert und reflektiert werden. Wenn kein Verbesserungsbedarf und Änderungsbedarf festgestellt wird, sollte eine entsprechende Beschlussfassung in der obersten Leitung des Unternehmens zur Implementierung des Geschäftsmodells eingeleitet werden. Nach

Roadmap

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Beschlussfassung ist das gesamte Unternehmen über das neue Geschäftsmodell, über die Zukunft des alten Geschäftsmodells und über die Roadmap zu informieren und die Detaillierung der Roadmap in konkrete (Teil-)Projekte zu organisieren (siehe Implementierung). Die einfachen Regeln und kritischen Kennzahlen sollen in der Kommunikation, Implementierung und im Betrieb des neuen Geschäftsmodells als Leitplanken zur Steuerung genutzt werden.

Implementierung

Die Implementierung des neuen Geschäftsmodells ist nicht im Fokus dieses Buches und wird deshalb nur kurz behandelt. Durch den Prozess der Geschäftsmodellinnovation (unterstützt durch das oben beschriebene Vorgehensmodell und die zahlreichen Methoden) soll die Komplexität und Kompliziertheit so stark reduziert worden sein, dass ein klares Geschäftsmodell inkl. Roadmap vorliegt und von allen Beteiligten verstanden sowie gleichgesehen wird. Damit können bewährte Methoden des (Multi-) Projektmananagements, siehe Pinto (2013) sowie Chapman und Ward (1996), zur Implementierung des Geschäftsmodells angewandt werden. Entsprechend der Roadmap werden in der Regel viele Implementierungsprojekte definiert. Basierend auf etablierten Projektmanagement­ ansätzen besteht nach Leitão et al. (2013) die Implementierung des neuen Geschäftsmodells aus den vier Phasen Planung, Kommunikation, Umsetzung und Monitoring. Nach Neilson et  al. (2008) sind vor allem fünf Punkte für die erfolgreiche Umsetzung wesentlich: • Jeder weiß, wer für welche Entscheidungen und Aufgaben verantwortlich ist (Schaffung einer hohen Klarheit über Zuständigkeiten, Befugnisse und Verantwortungen) (Planung und Kommunikation). • Sicherstellung, dass Entscheidungen so nahe wie möglich am operativen Geschehen getroffen werden (Deckungsgleichheit zwischen Verantwortungsbereich, Aufgabengebiet und Entscheidungsbefugnissen) (Umsetzung). • Erfahrungen und Informationen über die Wettbewerbssituation insbesondere erfolgreiche Ansätze bzw. Praktiken aber auch misslungene werden der obersten Leitung kommuniziert. Auf Basis dieser Informationen können einfache Regeln, Normen und Best Practices weiterentwickelt und verbessert werden (Kommunikation, Umsetzung und Monitoring).

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 H. Jodlbauer, Geschäftsmodelle erarbeiten, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30455-3_4

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Implementierung

• Schneller bereichsübergreifender und horizontaler Informationsfluss über die gesamte Organisation zur Sicherstellung der Wertschöpfungsorientierung (Schaffung von Mehrwert für Kunden und das eigene Unternehmen) und Vermeidung von isolierten Bereichssilos (Kommunikation und Monitoring). • Sicherstellung, dass alle Mitarbeiter (insbesondere die operative Ebene) verstehen, wie sie mit ihrem tagtäglichen Tun und Handeln zur Steigerung des Kundennutzens und zur Erhöhung des Unternehmenswertes (z.  B. durch einfache Regeln) beitragen können (Umsetzung). Erfahrungen aus zahlreichen Geschäftsmodellinnovationsprozessen zeigen, dass häufig sowohl die Kosten als auch die erforderliche Zeit für die Implementierung schwerpunktmäßig nicht materieller Aspekte des Geschäftsmodells wie z.  B.  Markenentwicklung, Kompetenzaufbau oder Kulturänderung unterschätzt werden. In der Planung, Kommunikation sowie Umsetzung der einzelnen Implementierungs-Projekte sollten zur Sicherstellung der Einhaltung der Projektpläne realistische Aufwendungen (Zeit, Kosten, Ressourcen, …) für die Entwicklung von nicht materiellen Aspekten angesetzt werden. Abgeleitet von den Strategieumsetzungsempfehlungen nach Mankins und Steele (2005) lassen sich fünf Empfehlungen für die Implementierung eines Geschäftsmodells ableiten: • Stelle sicher, dass alle Beteiligten die „gleiche Sprache“ sprechen, d. h. die Vision, das Geschäftsmodell, die Geschäftslogik, die einzelnen Bausteine und Elemente sowie deren Zusammenwirken, die einfachen Regeln, die kritischen Erfolgsfaktoren und die kritischen Kennzahlen werden von allen gleichgesehen und verstanden. • Konkretisiere und fixiere Ressourcenerweiterungen und -reduktionen in der Anfangsphase der Umsetzung, damit Finanzierungsplanung und Outcomeplanung möglichst realistisch sind. • Bei Ressourcen- und Budgetknappheit erstelle eine Priorisierung basierend auf den einfachen Regeln, kritischen Erfolgsfaktoren und kritischen Kennzahlen. • Messe und bewerte kontinuierlich den Erfolg (Beitrag zur Schaffung Mehrwert für den Kunden und Beitrag zur Erhöhung des Unternehmenswertes) durch die kritischen Kennzahlen und nimm entsprechende Anpassungen bzw. Korrekturen bei zu geringer Mehrwertschaffung vor. • Befähige (Erhöhung der Qualifikation, Übertragung des Verantwortungsbereiches sowie Aufgabenbereiches, Erteilung von Entscheidungsbefugnissen, Bereitstellung von Werkzeugen, Bereitstellung von Budget und Zeit, …) die richtigen Leute zur Umsetzung des Geschäftsmodells. Falls sich Rahmenbedingungen wesentlich ändern oder sich durch das Monitoring eine klare Verfehlung der intendierten Mehrwertschaffung für die Zielkunden bzw. für das eigene Unternehmen abzeichnet, ist kritisch zu prüfen, ob das erstellte neue Geschäftsmodell bzw. die Roadmap noch zur Erreichung der Ziele geeignet sind. Bei festgestellten Mängeln im Geschäftsmodell oder in der Roadmap ist der Geschäftsmodellinnovationsprozess oder zu mindesten Teile davon erneut anzustoßen.

Methodenverzeichnis

In Tab. 1 werden die wichtigsten Methoden und Modelle, die in diesem Buch behandelt werden, aufgelistet. Zu jeder Methode bzw. zu jedem Modell wird eine Kurzbeschreibung und eine Referenz (Verweis auf die Seite dieses Buches, wo eine detaillierte Beschreibung vorzufinden ist) gegeben.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 H. Jodlbauer, Geschäftsmodelle erarbeiten, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30455-3_5

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Methodenverzeichnis

Tab. 1 Methodenverzeichnis Methode Ähnlichkeitsprinzip

Benchmarking

Constrained Portfolio

Cynefin-Stacey-Matrix Design Thinking

Einfache Regel

EVA-Baum Fünf Kräfte nach Porter Fünf Flipcharts Gaps und Implementierungsfelder

Gefährlichste Annahme KANBAN Komplexitätsmodell

Konfrontationsprinzip

Konsistenzanalyse Konstruktionsprinzip Kraftfeldmethode Kunden-Empathie-Karte Lebenszyklusanalyse

Kurzbeschreibung Kreativitätsmethode zur Identifikation und Übertragung von Geschäftsmodellbausteinen auf das eigene Geschäftsmodell basierend auf Ähnlichkeit Eine Methode zum Vergleichen mit den „Besten“, zum Lernen von den „Besten“ sowie Übernahme von Best Practices Eine Methode zur strategischen Positionierung von Produktgruppen sowie zur fundierten Entscheidungsfindung bezüglich Wachstum und Investition bzw. Desinvestition Siehe Methode Komplexitätsmodell Eine Agilitätsmethode, die unter Beachtung der drei Sichten Kunde, Technologie und Wirtschaft basierend auf einem hohen Problemverständnis versucht, iterativ Prototypen zu erstellen, diese am Markt zu testen und zu verbessern Mit Hilfe der einfachen Regel wird das operative Tun und Handeln entsprechend der intendierten Ziele des Geschäftsmodells geleitet Mit Hilfe der EVA-Baum Analyse kann die Ertragsmechanik optimiert werden Wettbewerbsanalyse nach Porter und strategische Ableitungen zur Positionierung im Ecosystem Kompakte Methode zur Dokumentation des Geschäftsmodells Methode zur Identifikation der fehlenden Ressourcen, Prozesse, Kompetenzen, Technologien, Partner, … zum Aufbau des neuen Geschäftsmodells und der dafür notwendigen Implementierungsfelder Siehe Minimum Viable Product Siehe Task-KANBAN Das Komplexitätsmodell beschreibt einfache, komplizierte, komplexe sowie chaotische Zustände und gibt Empfehlungen, wie man sich in welcher Situation verhalten soll Kreativitätsmethode zur Identifikation und Übertragung von Geschäftsmodellbausteinen auf das eigene Geschäftsmodell basierend auf Konfrontation Methode zur Analyse und Verbesserung der strategischen sowie internen Konsistenz des Geschäftsmodells Methode zur Identifikation geeigneter Geschäftsmodell-­ Bausteine und deren in sich stimmige Kombination Siehe Stakeholderanalyse Strukturierte Methode zur Erfassung der Kundenbedürfnisse Analyse des Wertangebotes aus Kundensicht entlang des gesamten Lebenszyklus mit dem Ziel Kundennutzen und Umsätze zu steigern

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156 43 42, 50 175

59 64, 84 66

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(Fortsetzung)

Methodenverzeichnis

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Tab. 1 (Fortsetzung) Methode Marktdynamik

Kurzbeschreibung Die Methode Marktdynamik gibt entsprechend der vorliegenden Marktdynamik (statisch, dynamisch oder komplex) Empfehlungen zur Gestaltung des Geschäftsmodells ab MICMAC Formale Methode zur Analyse und Bewertung der Zusammenhänge einzelner Aspekte (Erfolgsfaktoren, Kerneigenschaften) des Geschäftsmodells Minimum Viable Product Identifiziere die riskanteste/gefährlichste Annahme, verifiziere/falsifiziere diese möglichst kundennahe und falls die Annahme falsch ist, korrigiere das Geschäftsmodell entsprechend Need-Approach-Benefit-­ Die NABC Methode hilft Schwächen von Geschäftsmodell-­ Competition (NABC) Entwürfen zu identifizieren und die Schwächen zu beseitigen. Zusätzlich kann die Methode zur Reihung von unterschiedlichen Geschäftsmodell-Entwürfen bezüglich Eignung sowie zum Ausscheiden weniger geeigneter Geschäftsmodell-Varianten herangezogen werden PESTLE Methode zur Identifikation der für das Unternehmen wichtigsten (positivsten als auch negativsten) Entwicklungen in den Bereichen Politik, Volkswirtschaft, Gesellschaft, Technologie, Recht und Umwelt Plausibilitätscheck zum Der Plausibilitätscheck unterstützt dabei, die relevanten Nutzenversprechen Kundenanforderungen zu erkennen und stellt sicher, dass die relevanten Kundenanforderungen im Nutzenversprechen abgebildet sind Qualitative Evaluierung Strukturierte qualitative Methode zur Prüfung, Schärfung und der Zielkundensegmente Verbesserung der Definitionen der Zielkundensegmente Quantitative Evaluierung Strukturierte quantitative Methode zur Prüfung, Schärfung der Zielkundensegmente und Verbesserung der Definitionen der Zielkundensegmente Reflexionsanalyse Strukturierte Methode unter Berücksichtigung von sachlichen als auch emotionalen Kriterien zur Bearbeitung, Auflösung und Nutzung von Einwänden sowie Bedenken Reflexionsworkshop Workshop um zielkundennahe einen vorliegenden Geschäftsmodellentwurf zu validieren und zu verbessern Resonanztafel Instrument zum Erfassen und Auflösen von Spannungen, Unbehagen, Konflikten und Schwachstellen Roadmap Fragenblock I Fragen zur Erstellung und Detaillierung der Roadmap zur und II Transformation des alten Geschäftsmodells in das neue Geschäftsmodell Scamper Strukturierte Brainstorming Methode, die mit Hilfe einer Checkliste sicherstellt, dass alle wichtigen Aspekte eines Innovationsvorhaben in der Ideenfindungsphase thematisiert werden

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(Fortsetzung)

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Methodenverzeichnis

Tab. 1 (Fortsetzung) Methode SCRUM

Kurzbeschreibung Die SCRUM Methode ist eine Agilitätsmethode für komplexe bzw. komplizierte Entwicklungsvorhaben. Iterativ werden sogenannte Inkremente geschaffen, die am Markt/beim Kunden einsetzbar oder zumindest testbar sind Stakeholderanalyse Die Stakeholderanalyse hilft bei der Identifikation der mächtigen Unterstützer, mächtigen Gegner, nicht mächtigen Unterstützer sowie nicht mächtigen Gegner und schlägt jeweils differenzierte Kommunikations- und Einbindungsformen vor SWOT Methode zum Erkennen der eigenen Stärken bzw. Schwächen und der externen Chancen bzw. Gefahren sowie die Entwicklung von anzustrebenden Zukunftsbildern durch paarweise Kombination Synergieanalyse Analyse im Zuge der Zusammenführung der zielgruppenspezifischen Elemente zu einem Geschäftsmodell des Unternehmens, um möglichst hohe Synergien bezogen auf Umsatzerhöhung und Kostenreduktion sicherzustellen Task-Kanban Task-KANBAN ist eine strukturierte sowie transparenzfördernde Methode, um für jedes noch ungelöste Problem (bzw. für jedes noch nicht erreichte Ziel) die zur Lösung erforderlichen Aufgaben abzuleiten und diese dann effizient zu erledigen (siehe auch KANBAN) Technologieorientierte Eine ergänzende Methode zur Lebenszyklusanalyse zur Prozessanalyse Abklärung der Nutzungsstiftung neuer Technologien Themenspeicher Einfache Methode, um eine effiziente zielorientierte Diskussion zu ermöglichen und gleichzeitig sicherzustellen, dass wichtige aber im Diskussionsverlauf gerade nicht relevante Themen weiterverfolgt werden Theory of Constraints Theory of Constraints hilft limitierende Faktoren für Umsatz- oder Gewinnwachstum zu identifizieren und diese sogenannten Constraints zu beseitigen Umfeldanalyse Siehe Stakeholderanalyse User Story Darstellung des Kundenproblems bzw. des Kundenumfeldes (z. B. Kauf, Verwendung und Entsorgung des Produktes) in einer einfachen Sprache aus Sicht des Kunden Verständnisfragen stellen Durch das Stellen und Beantworten von Verständnisfragen wird das gemeinsame Verständnis erhöht und die Gefahr von (emotionalen, unreflektierten, unbegründeten, ...) Kontern reduziert Visible-Invisible Methode Die Visible-Invisible Methode hilft, das Nutzenversprechen und das Wertangebot schwerpunktmäßig bei Vorliegen wert-basierter Strategien (Differenzierung, Produkt- oder Dienstleistungsleadership) zu schärfen

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(Fortsetzung)

Methodenverzeichnis

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Tab. 1 (Fortsetzung) Methode VUCA

Wettbewerbsnachteile und Verbesserung Wettbewerbsstrategien

Wiederholfaktor versus Standardisierung

Zielkundenorientierte Wettbewerbsanalyse

Kurzbeschreibung VUCA ist ein Modell, das eine unbeständige, unsichere, komplexe und mehrdeutige Welt beschreibt und Empfehlungen gibt, wie man in einer VUCA Welt agieren sollte Eine Wettbewerbsanalyse-Tabelle zur Gegenüberstellung von Nachteilen, Gefahren, Problemen, … und dazu passenden Gegenmaßnahmen bzw. Verbesserungen Mit Hilfe der drei Ansätze Wettbewerbsstrategien nach Porter (Differenzierung, Kostenführerschaft und Nischenstrategie), Wert- versus Effizienz-basierte Geschäftsmodelle nach Chatterjee und Wertausrichtung nach Treacy und Wiersema (Operational Excellence, Customer Intimacy und Product Leadership) wird die strategische Konsistenz der Geschäftsmodell-Elemente analysiert und durch Anpassungen des Geschäftsmodelles entsprechend verbessert Diese Methode hilft, das Geschäftsmodell bezüglich der Positionierungsfragen wie Einzelfertigung versus Serienfertigung oder Individuallösung versus Standardlösung konsistenter zu gestalten Analyse der Wettbewerbsfähigkeit und Verbesserung dieser durch Auswertung von Rückmeldungen von verlorenen, nicht gewonnen und potenziellen neuen Kunden, die genau dem Zielkundensegment entsprechen

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Stichwortverzeichnis

A Abfall 144 Abhängigkeits-Einfluss-Diagramm 203 Abhängigkeit von Partner 144 Ablöse-Strategie 207 Abonnement 130 Absatz 144 Adaptivity 76 Add-on 11, 125 Affiliation 125 After Sales Service 13 Ähnlichkeitsprinzip 134, 143 Akido 125 Akzeptanz 34 Ambiguity 76 Annahme, gefährlichste 64, 70, 75, 88, 93, 97 Anpassung, kontextsensitive 17 Asset, strategisches 30 Attraktivität des Produktes 144 Auction 125 Auktion 25 reverse 25 Ausfallkosten 144 Autonomes Fahren 32 B Barter 125 Basis-Vorgehen 56 Baustein 124 Bedrohung durch Ersatzprodukte 44, 46 Marktneulinge 44 Benchmarking 106

Beratungsleistung 144 Beschaffungsaufwand 144 Bestand 144 beziehungsorientiert 5 Bezugsrahmen 110 Blacksocks 133 Blockers 109 Boston Portfolio Matrix 185 C Capacity Constrained Resource (CCR) 182 Cash Cows 185 Machine 125, 133, 182 Cashflow 185 Cash to Cash Cycle 24 CCR (Capacity Contrained Resource) 182 chaotisch 73 Clarity 76 Condition Monitoring 11 Constrained Portfolio 185, 196 Constraint 182 continually learning 64 Cross Selling 11, 125, 132, 154, 170 Crowdfunding 125, 182 Crowd Sourcing 125 Customer Buying Cycle 12 Experience 17 Intimacy 50 Loyality 126, 143 Customer Engagement Strategy 51 Cynefin 72

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 H. Jodlbauer, Geschäftsmodelle erarbeiten, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30455-3

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234 D Data Analytics 11 Datendurchgängigkeit 7 Datenverwertung 18, 19, 154 Design Thinking 65 Dienstleistungsorientierung 19 Differenzierung 48, 144, 170 Digitalisierung 5, 6, 12, 15, 23, 29, 31, 48, 52, 60, 97, 154, 157, 169 integrierende 60 Digitalization 126, 143 Digitized Solutions Strategy 51 Direct Selling 126 Disruption 106 Dynamic Market 25 E EBIT 145 E-Commerce 126, 133 Economic Value Added (EVA) 178 Economy of Scale 28 Ecosystem 2, 6, 37 einfach 73 Einfluss-Matrix 200 Einnahmequelle 2, 23, 26, 27 Entwicklungskosten 144 Erfolgsfaktor, kritischer 35, 50, 52, 168, 169, 171, 204, 213 Ertragsmechanik 2, 23 Ethik 33 EVA (Economic Value Added) 178 EVA-Baum 196 Evaluierung qualitative der Zielkundensegmente 120 quantitative der Zielkundensegmente 120 Exitstrategie 189 Experience Selling 126, 132, 170 Exploit 183 F Fachbereich 92 Facilitator 113 failing cheap 64 early 64 fast 64 Five Focusing Steps 183, 196

Stichwortverzeichnis Fixkosten 45, 47 Flatrate 126 Ford’s Marktforschung 86 form.bar 61 Fractional Ownership 126 Franchising 127 Freemium 127 From Push to Pull 127, 133 Fünf Flipcharts 43, 52, 93, 95, 141, 155, 159, 166, 193, 206 Fünf Kräfte nach Porter 44, 104, 172, 196 G Gaps und Implementierungsfelder 199, 208 Geschäftsmodell 1, 2 Effizienz-basiertes 48, 49 Effizienz- und netzwerkbasiertes 48 Wert-basiertes 49 Wert-, Loyalitäts- und Netzwerk-­ basiertes 49 Wert- versus Effizienz-basiertes 48 Geschäftsmodell-Baustein 124 Geschäftsmodellinnovation 59 Gillette 133 Guaranteed Availability 127, 143 H Hagleitner senseManagement 17 Herstellerabhängigkeit 144 Hidden Revenue 127 Holdstrategie 189

I Ideengenerierung 89 Identify 183 IKEA 132, 170 Image 144 Implementierungsfeld 92 Impulsvortrag 93, 97 Individualisierung 146 Ingredient Branding 127 Initiierung 89, 100, 115 Innovation 59 reverse 130 Innovationskraft 144 Integrator 127

Stichwortverzeichnis Investitionskosten 144 Iso-Deckungsbeitragskurve 186 J Job to be done 14, 153 K Kanal 2, 12, 13 direkter 12 KANBAN 69 Kapitalbindungsdauer 24, 28 Kennzahl 168 kritische 35, 170, 204, 213 Kernaspekt 167, 170 Kerneigenschaft 167, 170 Kommunikationskanal 12 komplex 73 Komplexität 76 Komplexitätsmodell 72 Konfrontationsprinzip 134, 143 Konsistenz 158 interne 158 strategische 158 Konsistenzanalyse 166, 167, 196 Konstruktionsmethode 139, 143 Kostenführerschaft 47 Kostenstruktur 2, 27, 28 Kraftfeldanalyse 93, 109 Kunde 2, 3 Kundenbedürfnis 15, 41 Kundenbeziehung 2, 5, 12 Kundenbindung 8, 145 Kunden-Empathie-Karte 138 Kundenentwicklung 9 Kundeninvolvement 145 Kunden-Kanal 13 Kundenkontakt, kein direkter 6 Kundenloyalität 8 Kundennutzen 21 durch Kooperation 21 Kundensegment 3 L Layer Player 127 Lean Startup 63 Leasing 24

235 Lebenszyklusanalyse 89, 90, 150, 152 Teil Geschäftsmodelldesign 150, 154, 163 Teil Kundenanforderung 150, 154, 163 Lebenszyklusphase 151 Leverage Customer Data 128 License 128 Lieferant wird zum Zielkunden 112 Lock-in 128, 133, 143 Long Tail 128 M Make more of it 128 Markt diversifizierter 4 dynamischer 172 komplexer 172 segmentierter 4 statischer 172 Marktanteil 145 Marktdynamik 172 Marktneulinge 45 Mass Customization 128, 132, 170 Massenmarkt 4 Medikamentenlogistik 10 Mehrmarkenpolitik 121, 198 Mehrwert 14 Membership 8 Methode, visible-invisible 172, 196 MICMAC 200 Minimum Viable Product 63 Mitbewerber, neuer 46, 102 Müllabfuhr, digitalisierte 26 N NABC (Need-Approach-Benefit-­ Competition) 171 Nachahmung 51 Nachbereitungsarbeiten 88 Nachhaltigkeit 9, 26, 103–105 Need-Approach-Benefit-Competition (NABC) 171 Nichtkommunikation 7 Nischenmarkt 4 Nivea Invisible for Black & White 10 No Frills 128 NOPAT (Net Operating Profit after Taxes) 178 Normalstrategie 188

236 Normierung 33 Nutzenversprechen 2, 14, 20, 90 unnötiges 63 O On Demand 17 Online-Shop 11 Open Business Model 128 Source 128 Operational Excellence 50, 170 Orchestrator 129 P Parallel-Strategie 207 Partnerbeziehung 37 Partnerkanal 37 Pay per Use 129 what you want 129 Peer to Peer 129 Performance Based Contracting 129, 143 Personalisierung 17 PESTLE 103, 104 Pferdefuhrwerker 83 Pferdemist 85 Plattform 154 Plausibilitätscheck zum Nutzenversprechen 160 Poor Dogs 186 Preis 146 Preistransparenz 146 Product Leadership 50 Produkt-Prozessmatrix 196, 197 Projektleiter 113 Prozessanalyse, technologieorientierte 157 Q Question to be Answered 42 Marks 185 R Rahmenbedingungen unterschätzen 32 Razor and Blade 129, 133, 143

Stichwortverzeichnis Referenzpreis 146 Reflexionsanalyse 122 Reflexionsworkshop 147, 160 Regel, einfache 35, 53, 78, 170, 210, 213 Reifegradmodell 106 relational 5 Rent instead of buy 129 Resonanztafel 93, 96, 118 Revenue Management 25 Sharing 129 Reverse Engineering 129 Rivalität zwischen den Mitbewerbern 44 Roadmap 58, 89, 90, 205 Fragenblock I 206 Fragenblock II 207, 209 LFragenblock I 209 Robin Hood 130 ROCE 179

S Sauggreifer 175 Scamper 66, 143 Schlüsselaktivität 29 Schlüsselfähigkeit 2, 32 Schlüsselpartner 2, 36 Schlüsselprozess 29 Schlüsselressource 2, 30 Schlüsselsteuerungselement 2, 35, 53 Schlüsseltechnologie 2, 32 SCRUM 66 Self-Service 130, 132, 170 Shop in Shop 130 Sleepers 110 Smart Connected Things 31 Smart Home 102 Solution Provider 130, 133 sozial kompliziert 73 Spaltmaß 174 Speedmaster 7 Sponsor 109 Stakeholderanalyse 109 Star 185 Stillstand, völliger 79 Storytelling 68 Subordinate 183

Stichwortverzeichnis Subscription 130, 133 Supermarkt 130 SWOT 106 Synergieanalyse 191 T Tabelle Roadmap 208, 209 Tangentialstrategie 189 Target to Poor 130 Task-Kanban 93, 95, 118, 166 Teamleader 112, 113 technisch kompliziert 73 Themenspeicher 93, 94, 118 Theory of Constraints 182 Throughput 182 TOC 182 Transaktionsabwicklung 13 transaktionsorientiert 5 Transformation digitale 13, 23, 45, 98, 116 diskrete 207 kontinuierliche 207 Trash to Cash 130 Two-Sided Market 131 U Überprüfung, kundennahe 63, 93, 97 Ultimate Luxury 131 Umfeldanalyse 109 Umsatzwachstum 146 Umwälzung 102 Uncertainty 76 Understanding 76 Unternehmen, etabliertes 101 Unternehmenswert durch Kooperation 27, 54 Up-Selling 11, 154 Ursachen-Wirkungsbild 201 User Designed 131 Story 68, 104, 138, 154 V Value Architecture 28 Capture 23 Configuration 29

237 Constellation 29 Driver 50 Life Cycle 16 Proposition 14 Value Discipline 50 Verhandlungsmacht der Käufer 44 der Lieferanten 44 der Verkäufer 44 Verleihmodell 46 Verständnisfrage stellen 190, 193 Vertriebskanal 12 Verwertung 146 Vision 76, 108 Volatility 76 Vorbereitungsarbeit 88 Vorgabe, strategische 41 VUCA 75

W WACC (Weighted Average Cost of Capital) 178 Wachstum 145 Wechselbarriere 45 Werbung 146 Wertangebot 14 Wertausrichtung 50 Wertkommunikation 12, 13 Wertlieferung 12, 13 Wertreiber 52 Wertschöpfung durch Kooperation 39 Wertschöpfungskette 28 Wertschöpfungsnetzwerk 29 Wertschöpfungsstruktur 28, 29, 39 Wertstrategie 50 Werttreiber 50 Wettbewerbsanalyse 54, 89, 90 zielkundenorientierte 162 Wettbewerbsdruck 146 Wettbewerbsnachteil und Verbesserung 166 Wettbewerbsstrategie 47 Wettbewerbsvorteil 53 White Label 131 Wiederholfaktor versus Standardisierung 174, 196 Willing Workers 110 Workshop 88 Würth 133

238 Y Yieldmanagement 25 Z Zahlungsziel 24 Zertifizierung 33

Stichwortverzeichnis Zielkunde 2, 3, 5 Zielkundensegment 2, 3, 111 Zielkundensituationssegment 121 Zukunftsbild 104 Zusammenführung 56, 89, 90