Gesammelte Studien zur Hebräischen Bibel 3161484258, 9783161484254, 9783161577802

Dieser Band umfaßt grundlegende Aufsätze des Jerusalemer Bibelwissenschaftlers Isac Leo Seeligmann, eines der herausrage

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German Pages 545 [549] Year 2004

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Titel
Vorwort
Inhalt
Voraussetzungen der Midraschexegese (in: G. W. Anderson u.a. (Hg.), Congress Volume, Copenhagen 1953 (VT.S 1), Leiden 1953, 150–181)
Anfänge der Midraschexegese in der Chronik (Tarbiz 49 (1980) 14–32)
Zur Geschichte und zum Charakter der Prophetie in Israel (Eretz-Israel 3 (1954) 125–132)
Ätiologische Elemente in der biblischen Geschichtsschreibung (Zion 26 (1961) 141–169)
Hebräische Erzählung und biblische Geschichtsschreibung (Theologische Zeitschrift 18 (1962) 305–325)
Menschliches Heldentum und göttliche Hilfe. Die doppelte Kausalität im alttestamentlichen Geschichtsdenken (Theologische Zeitschrift 19 (1963) 385–411)
Kulttradition und Geschichtsschreibung in der Hebräischen Bibel (in: בכנס התשיעי לעיון בהיסטוריה, חנוכה תשכ״ר רת וחברה בתולרות ישראל ובתולרות העמים, קובץ הרצאות שהושמעו, Jerusalem 1965, 41–61)
Von historischer Wirklichkeit zu historiosophischer Konzeption in der Hebräischen Bibel (Peraqim 2 (1971) 273–313)
Erkenntnis Gottes und historisches Bewußtsein im Alten Israel (in: H. Donner (Hg.), Beiträge zur alttestamentlichen Theologie, FS W. Zimmerli, Göttingen 1977, 414–445)
Die Auffassung von der Prophetie in der deuteronomistischen und chronistischen Geschichtsschreibung (mit einem Exkurs über das Buch Jeremia) (in: J. A. Emerton u.a. (Hg.), Congress Volume, Göttingen 1977 (VT.S 29), Leiden 1978, 254–284)
Zur Terminologie für das Gerichtsverfahren im Wortschatz des biblischen Hebräisch (in: B. Hartmann (Hg.), Hebräische Wortforschung, FS W. Baumgartner (VT.S 16), Leiden 1967, 251–278)
Darlehen, Bürgschaft und Zins in Recht und Gedankenwelt der Hebräischen Bibel (in: Y. Avishur & J. Blau (Hg.), Studies in Bible and the Ancient Near East (hebr.), FS S. E. Loewenstamm, Jerusalem 1978, 183–205)
A Psalm from Pre-Regal Times (Vetus Testamentum 14 (1964) 75–92)
Psalm 47 (Tarbiz 50 (1981) 25–36)
Jerusalem im Denken des hellenistischen Judentums (in: Judah and Jerusalem. The Twelfth Archaeological Convention (hebr.), Jerusalem 1957, 192–208)
Δεῖξαι αὐτῷ φῶς (Tarbiz 27 (1958) 127–141)
Untersuchungen zur Textgeschichte der Hebräischen Bibel (Tarbiz 25 (1956) 118–139)
Indications of Editorial Alteration and Adaptation in the Massoretic Text and the Septuagint (Vetus Testamentum 11 (1961) 201–221)
RUDOLF SMEND: Begegnung mit Isac Leo Seeligmann
Bibliographie Isac Leo Seeligmann
Stellenregister
Autorenregister
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Gesammelte Studien zur Hebräischen Bibel
 3161484258, 9783161484254, 9783161577802

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Forschungen zum Alten Testament Herausgegeben von Bernd Janowski (Tübingen) • Mark S. Smith (New York) Hermann Spieckermann (Göttingen)

41

Isac Leo Seeligmann 10. Januar 1907 bis 14. Mai 1982

Isac Leo Seeligmann

Gesammelte Studien zur Hebräischen Bibel mit einem Beitrag von Rudolf Smend

herausgegeben von Erhard Blum

Mohr Siebeck

ISAC LEO SEELIGMANN (1907-1982): 1936 bis zu seiner Deportation 1943 Lektor am

Niederländischen Israelitischen Seminar; seit 1946 Bibliothekar an der Universität Amsterdam; 1948 Promotion; 1950-1977 Professor für Biblische Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem.

ISBN 3-16-148425-8 ISSN 0940-4155 (Forschungen zum Alten Testament) Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

978-3-16-157780-2 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019 © 2004 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Guide Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Vorwort

Isac Leo Seeligmann hat seine wissenschaftlichen Arbeiten in vier Sprachen publiziert, auf Niederländisch, Englisch, Deutsch und Hebräisch. Diese Mehrsprachigkeit des Oeuvres ist bei Seeligmann nicht nur lebensgeschichtlich zu verstehen, sondern zugleich ein Ausdruck seines Vermögens, verschiedene Traditionen und Denkwelten in großer Selbstverständlichkeit miteinander zu verbinden. Zu diesen Welten gehören die religiöse Tradition des Judentums, in der er aufwuchs und in der er lebte, ebenso wie die klassische Literatur der griechisch-römischen Antike, die Früchte traditioneller jüdischer Bibelauslegung ebenso wie die Fragestellungen und die Methodik der historisch-philologischen Bibelkritik, die seine wissenschaftliche Arbeit bestimmten. Seeligmann, der wie kaum ein Anderer mit der Geschichte der - jedenfalls in ihren Anfangen protestantischen - Fachdisziplin vertraut war und der auch nach der Schoah ein lebhaftes Interesse am Austausch mit christlichen Fachkollegen hatte, war sich der damit verbundenen Spannungen zweifellos bewusst. Die Unbestechlichkeit seiner historischen Forschung und die unbedingte Ausrichtung am Sachgegenstand hatten freilich genau besehen ihr Widerlager in der Souveränität seines in sich ruhenden jüdischen Selbstverständnisses. Einen ungewöhnlich lebendigen und intensiven Einblick in das Denken und die wissenschaftliche Arbeit des großen Gelehrten gewährt der Beitrag »Begegnung mit Isac Leo Seeligmann«, den R. Smend für diesen Band geschrieben hat. Nicht zuletzt auf persönliche Erinnerung und eine umfangreiche private Korrespondenz gestützt zeichnet Smend hier ein eindrückliches Porträt der Persönlichkeit Seeligmanns, seiner Lebensgeschichte und seines wissenschaftlichen Schaffens, ja darüber hinaus des geistigen Kontextes, in dem er arbeitete. Auch für die Vorstellung und werkgeschichtliche Einordnung der hier versammelten Aufsätze kann auf diesen biographischen Beitrag verwiesen werden. Die »Gesammelten Studien« enthalten neben sechs deutsch und zwei englisch geschriebenen Beiträgen zehn ursprünglich hebräische Aufsätze in deutscher Übersetzung. Damit sind erstmals alle größeren hebräischen Arbeiten I. L. Seeligmanns der Fachwelt und einem interessierten Publikum in einer europäischen Sprache zugänglich.

VI

Vorwort

Eröffnet wird das Buch durch Seeligmanns wohl bekanntesten Aufsatz »Voraussetzungen der Midraschexegese« - seit langem ein Klassiker der Exegese - zusammen mit einem ergänzenden jüngeren Beitrag zu »Anfäng e ^ ) der Midraschexegese in der Chronik«. Auf eine umfassende Studie zur Geschichte und Eigenart der israelitischen Prophetie folgen sodann sieben Untersuchungen zu einem Hauptthema Seeligmanns, der Geschichtsschreibung in der Hebräischen Bibel. Diese behandeln grundlegende Fragen der Entwicklung des »Geschichtsdenkens« in Israel, der Literar- und Gattungsgeschichte dieser Überlieferung sowie ihrer geschichtstheologischen Konzeptionen. Hieran schließen sich je zwei Arbeiten zum Bereich Gerichtsverfahren und Recht in der Hebräischen Bibel und zu Psalmtexten an, darunter ein englischer Beitrag zum Rahmen von Dtn 33. Die traditionsgeschichtliche Untersuchung zur Bedeutung Jerusalems im hellenistischen Judentum fuhrt verstärkt auf Aspekte der Auslegungs- und Wirkungsgeschichte, wie sie zumal in Seeligmanns textgeschichtlichen Arbeiten eine zentrale Rolle spielen. Von letzteren sind in diesem Band ein Beitrag zu Jes 53,11 (Aet^ai auxro cpcoq) sowie zwei grundsätzlich angelegte Untersuchungen zur Textkritik zu finden. (Für dieses wichtige Forschungsgebiet Seeligmanns ist darüber hinaus nachdrücklich auf den von R. Hanhart und H. Spieckermann herausgegebenen Band [FAT 40] hinzuweisen.) Freilich bleiben textgeschichtliche Problemstellungen bei Seeligmann nicht auf solche Spezialuntersuchungen beschränkt. Vielmehr besteht ein Kennzeichen all seiner exegetischen Arbeiten gerade in der meisterhaften Verbindung aller zur Verfügung stehenden historischen Fragehorizonte. Textkritische Einzelbeobachtungen und literargeschichtliche Analyse greifen nahtlos ineinander, konzeptionelle Einsichten zur Sozial- oder Theologiegeschichte erschließen die Diachronie eines schwierigen Verses etc. Die ursprünglich deutsch und englisch geschriebenen Aufsätze sind im Grundsatz unverändert aufgenommen. Druckfehler und kleine Versehen wurden stillschweigend verbessert. Gelegentliche Textstörungen oder abweichende Formulierungen, die das Verständnis beeinträchtigen könnten, sind in eckigen Klammern korrigiert. Den Übersetzungen konnten die korrigierten Textfassungen des hebräischen Sammelbandes, der von A. Hurvitz, S. Japhet und E. Tov herausgegeben wurde (Nr. 91 der Bibliographie), zugrunde gelegt werden, einschließlich der (entsprechend notierten) Anmerkungen der Herausgeber; ihnen ist dafür an dieser Stelle herzlich zu danken. Für Bibelzitate wurde die revidierte Lutherübersetzung herangezogen, häufig galt es jedoch die Übersetzung mit Seeligmanns Ausführungen abzustimmen, nicht selten erschien es sinnvoll, auf eine Übersetzung ganz zu verzichten. Die Übertragung außerbiblischer Qumrantexte folgt in der Regel E. Lohse, Die Texte

Vll

Vorwort

aus Qumran, 3 1981; Talmud- und Mischnabelege sind nach L. Goldschmidt, Der babylonische Talmud, 1933-34, wiedergegeben. Die Literaturangaben in den übersetzten Beiträgen wurden vereinheitlicht und ggf. komplettiert; in den anderen Veröffentlichungen wurden ebenfalls Angaben ergänzt (in eckigen Klammern), jedoch nicht durchgehend. Die Abkürzungen folgen im Allgemeinen der Theologischen Realenzyklopädie, Schreibungen und Abkürzungen der rabbinischen Literatur dagegen G. Stemberger, Einleitung in Talmud und Midrasch, 8 1992. An der Erstellung dieses Bandes haben viele ihren Anteil. Möglich wurde er durch die freundliche Erlaubnis von Frau M. Seeligmann, in Deutschland gleichsam ein Gegenstück zu dem in Jerusalem edierten hebräischen Sammelband zu publizieren. Frau Seeligmann hat darüber hinaus die langwierige Vorbereitung des Buches nicht nur überaus geduldig, sondern auch in vieler Hinsicht mit tätiger Hilfe begleitet. Ihr gilt mein aufrichtiger Dank. Für vielfaltige Unterstützung mit Rat und Tat habe ich des Weiteren einer Reihe von Kollegen zu danken, insbesondere A. Rofe in Jerusalem, Z. und D. Talshir in Beer Sheva und R. Smend in Göttingen. Übersetzungen der hebräischen Artikel wurden von W. von Abel (4), U. Grab, R. Leicht (2), M. Lieber b"? und A. Moenikes (2) erstellt; an der Durchsicht und Überarbeitung von Übersetzungen wirkten mit: D. Mach (Jerusalem), R. Leicht und K. Vesterling. Der Adolf-Freudenberg-Fonds in Bad Vilbel und die Prälat-Maas-Stiftung in Heidelberg haben die Übersetzungen durch einen finanziellen Beitrag maßgeblich gefördert. Von den Mitarbeiterinnen in Augsburg und Tübingen, die zum Teil über längere Zeit engagiert an der Vorbereitung der Druckvorlage mitgearbeitet haben, nenne ich stellvertretend A. Günther, A. Käser, S. Rümpel und K. Vesterling. Die Register wurden von Frau Rümpel erstellt, Frau Vesterling hat zuletzt die Hauptlast der Redaktionsarbeit getragen. Allen sei herzlich gedankt. Den Herausgebern B. Janowski, M. S. Smith und H. Spieckermann sowie dem Verlag Mohr Siebeck danke ich für die kurzfristige Aufnahme des Bandes in die Reihe »Forschungen zum Alten Testament (FAT)«. H. Spieckermann war es darüber hinaus, der eine gemeinsame Publikation des Aufsatzbandes und der neuaufgelegten Monographie I. L. Seeligmanns über die Septuaginta des Jesajabuches in FAT anregte. Nicht zuletzt dieser Initiative und der nachdrücklichen verlegerischen Betreuung durch den Lektor H. Ziebritzki ist die Veröffentlichung noch in diesem Sommer zu verdanken.

Tübingen, im Mai 2004

Erhard Blum

Inhalt Vorwort

v

Voraussetzungen der Midraschexegese

1

in: G. W. Anderson u.a. (Hg.), Congress Volume, Copenhagen 1953 (VT.S 1), Leiden 1953, 150-181.

Anfänge der Midraschexegese in der Chronik

31

Tarbiz 49 (1980) 14-32.

Zur Geschichte und zum Charakter der Prophetie in Israel

55

Eretz-Israel 3 (1954) 125-132.

Ätiologische Elemente in der biblischen Geschichtsschreibung

77

Zion 26(1961) 141-169.

Hebräische Erzählung und biblische Geschichtsschreibung

119

Theologische Zeitschrift 18 (1962) 305-325.

Menschliches Heldentum und göttliche Hilfe. Die doppelte Kausalität im alttestamentlichen Geschichtsdenken

137

Theologische Zeitschrift 19 (1963) 385-411.

Kulttradition und Geschichtsschreibung in der Hebräischen Bibel in: lBötiinss nixs-in p i p .o^asn nnbinai n n b m a mann m T'Dün naun . n m o c n a tpü1? ,»,,Bnn oaaa, Jerusalem 1965,41-61. Von historischer Wirklichkeit zu historiosophischer Konzeption in der Hebräischen Bibel

161

185

Peraqim 2 (1971) 273-313.

Erkenntnis Gottes und historisches Bewußtsein im Alten Israel

233

in: H. Donner (Hg.), Beiträge zur alttestamentlichen Theologie, FS W. Zimmerli, Göttingen 1977, 414-445.

Die Auffassung von der Prophetie in der deuteronomistischen und chronistischen Geschichtsschreibung (mit einem Exkurs über das Buch Jeremia) in: J. A. Emerton u.a. (Hg.), Congress Volume, Göttingen 1977 (VT.S 29), Leiden 1978, 254-284.

265

Inhalt

X

Zur Terminologie für das Gerichtsverfahren im Wortschatz des biblischen Hebräisch

293

in: B. Hartmann (Hg.), Hebräische Wortforschung, FS W. Baumgartner (VT.S 16), Leiden 1967, 251-278.

Darlehen, Bürgschaft und Zins in Recht und Gedankenwelt der Hebräischen Bibel

319

in: Y. Avishur & J. Blau (Hg.), Studies in Bible and the Ancient Near East (hebr.), FS S. E. Loewenstamm, Jerusalem 1978, 183-205.

A Psalm from Pre-Regal Times

349

Vetus Testamentum 14 (1964) 75-92.

Psalm 47

365

Tarbiz 50 (1981) 25-36.

Jerusalem im Denken des hellenistischen Judentums

381

in: Judah and Jerusalem. The Twelfth Archaeological Convention (hebr.), Jerusalem 1957, 192-208.

Aei^ou auTÖ cpcoq

401

Tarbiz 27 (1958) 127-141.

Untersuchungen zur Textgeschichte der Hebräischen Bibel

421

Tarbiz 25 (1956) 118-139.

Indications of Editorial Alteration and Adaptation in the Massoretic Text and the Septuagint

449

Vetus Testamentum 11 (1961) 201-221.

RUDOLF SMEND

Begegnung mit Isac Leo Seeligmann

469

Bibliographie Isac Leo Seeligmann

493

Stellenregister

501

Autorenregister

529

Voraussetzungen der Midraschexegese Dem heutigen Philologen, der einen Text interpretieren will, gilt meistens das Objekt seines Bemühens als das Produkt einer Welt, die sich von seiner eigenen unterscheidet. Er bestimmt den historischen Hintergrund, die Gefühlsatmosphäre, die semantischen und ästhetischen Ausdrucksmittel des betreffenden Textes und versucht dann, dessen Sinn zu verstehen, eben [da]durch, sich in die Gefühlswelt des Textes - das heisst manchmal eine ihm gar fremde und weit entfernte Welt - einzuleben. Wenn sich die moderne, historische Exegese Rechenschaft gibt von dem Wesen ihrer Tätigkeit, so stellt sich heraus, dass sie mit bestimmten Mitteln eine Distanz schafft zwischen sich und ihrem Objekt; gewissermassen in der vorgefassten Absicht, diese Distanz mit den gleichen Mitteln zu überwinden. Wie anders die alte Exegese! Jedem, der einmal einen mittelalterlichen christlichen Bibelkommentar oder eine exegetische arabische Legende gelesen hat, ist gewärtig, wie dieselben mit einer Selbstverständlichkeit, die uns naiv anmutet, die Welt der Bibel mit ihrer eigenen identifizieren. Immerhin, der Umstand, dass für diese Exegese der Bibeltext ein gegebenes, fertiges Ganzes darstellt, schafft eine Entfernung zwischen Interpretation und Objekt. Bei den alten Midraschim dagegen - als deren Erbin alle mittelalterliche Exegese, in gewisser Hinsicht, zu betrachten ist - hat man das Empfinden, dass sie dem biblischen Text noch mit einer schöpferischen Freiheit gegenüberstehen. Manchmal scheint es, als ob sie nicht so sehr einen festen, fixierten Text interpretieren, wie einen noch flüssigen, nicht abgeschlossenen fortsetzen und mit ihren Gedanken umspielen. Zweck der nachfolgenden Ausführungen ist es, diese Eindrücke zu erhärten durch eine nähere Betrachtung von einigen Aspekten aus der Vorgeschichte des Midrasch, oder richtiger: durch eine Anzahl vorläufiger Bemerkungen zu dem Übergang des biblischen Denkens in das des Midrasch. Wir wollen das Verhältnis darlegen zwischen den Ursprüngen der Midraschexegese und der biblischen Literatur | und dadurch einen Beitrag liefern zum besseren Verständnis von beiden. Es wird sich - um das vorwegzunehmen - ergeben, dass sich die älteste Midraschexegese organisch aus der Eigenart der biblischen Literatur entwickelt hat. Diese Formulierung enthält einen Hinweis auf zwei Erscheinungen, eine literargeschichtliche und eine mehr psychologische. Es ist nicht leicht, den Abschluss festzustellen von dem komplizierten und langwierigen Prozess des Werdens biblischer Literatur; in manchen Fällen lassen sich die

2

Voraussetzungen der Midraschexegese

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Anfänge der Exegese geradezu bezeichnen als Ausläufer des Wachstums von biblischen Texten. Zudem aber lebt und webt das biblische Denken weiter in dem des Midrasch: viele psychologische Züge, ja wichtige Elemente des ganzen Denkstils, sind der Bibel und dem Midrasch gemeinsam. Im Obigen deutete ich hin auf den vorläufigen und skizzenhaften Charakter der diesmaligen Erörterungen. Derselbe ist auch bedingt durch den Umfang des Materials, dessen Durchmusterung für unsere Problemstellung erforderlich ist. Ausser dem Midrasch (namentlich in seinen ältesten Schichten) kommen als Vorstadien in Betracht: die Schriften des Neuen Testaments (manchmal ist auch die sonstige urchristliche Literatur heranzuziehen); die apokryphen und pseudepigraphischen Bücher der beiden Testamente, zu denen sich jetzt die Texte gesellen, deren Bekanntschaft wir erst den Dead Sea Scrolls verdanken. Die alten Versionen, voran die Septuaginta, bewahren nicht wenige Spuren von Interpretation und Interpretationseigenart. Doch lassen sich dieselben noch weiter zurückverfolgen. Einmal ist der Ertrag an Exegese zu werten, der in etwaigen Glossen zum alttestamentlichen Text erhalten ist.1 Über diesen hinaus sind diejenigen Stellen im Alten Testament zu berücksichtigen, wo ältere Stellen zitiert sind, oder auf solche angespielt wird. Manche derartige Zitate und Anspielungen enthalten eine Abwandlung oder Umdeutung - in gewissem Sinne also eine Exegese - der ursprünglichen Stelle. Nicht wenigen Stellen im Alten Testament ist eine ältere Form vorangegangen, als deren Umformung, Interpretation (in Sonderfällen durch Missverständnis?) der uns vorliegende Text anzusehen ist. Hier werden wir mit der Tatsache konfrontiert, dass die Anfänge des Interpretierens hinaufreichen bis in das Werden der biblischen Texte selber. | Es lassen sich, wenn ich richtig sehe, verschiedene Elemente und Kategorien nachweisen, die konstitutiv sind für den ältesten Midrasch und seinen Denkstil, das heisst für den Übergang von literarischem Wachsen in beginnende Interpretation. Wir erwähnen zuerst die ausserordentliche Geschmeidigkeit von Erzählung und literarischem Motiv in der Bibel, dazu das Spielelement des semitischen bzw. hebräischen Geistes, sodann eine ausgeprägte Neigung, sich Gedanken und Vorstellungen, die einer fremden Umgebung oder anderen Zeit entstammen, durch Umgestaltung der eigenen Atmosphäre bzw. Epoche anzupassen,2 und schliesslich das Aufkommen eines Kanonbewusstseins: der wandelbare Strom der Überlieferung gerinnt und wird zum heiligen Wort; speziell der Begriff Thorah wird 1

H. W. HERTZBERG, Die Nachgeschichte alttestamentlicher Texte innerhalb des Alten Testaments, in: [P. VOLZ (Hg.),] Werden und Wesen des AT (BZAW 66), [Berlin] 1936, 110-121. 2 J. FICHTNER, Zum Problem Glaube und Geschichte in der israelitisch-jüdischen Weisheitsliteratur, ThLZ 76 (1951) 148 spricht von »der Kraft der >Einbewältigung So nach den grundlegenden Ausführungen von H. GUNKEL, Schöpfung und Chaos, Göttingen 1894, 29-90 gegen HERTLEIN, ZAW 38 (1920). Beachtenswert ist, dass I?J~I in lob xxvi 12 noch die ursprüngliche, von der Septuaginta mannigfach bezeugte Bedeutung: vernichten, hat; OTI U3~l ist eben abgeschwächte Nachwirkung der früheren mythischen Vorstellung. 5 7

5 8

J. KAUFMANN, I.e. ( A n m . 8 ) .

r Q S n n n stellt wohl eine kontaminierte Form dar von ¡"Dann zerschlagen (wie im Ugaritischen auch Hos. vi 5) und einem späteren n s n o n ; derartige Kontaminationen (Zach, x 2 1Ü03 aus 1D3 und 1CJ usw.) sind bekanntlich zahlreich im masoretischen Text, einstweilen: R. GORDIS, The biblical text in the making, Philadelphia 1937, 41-43. 5 9 Jes. xxx 7; Ps. lxxxvii 4 genau so wie der Pharao Ez. xxix 3 (vgl. xxxii 2) der Drache genannt wird, der inmitten seines Nils lagert.

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Voraussetzungen der

Midraschexegese

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Diese für den israelitischen Denkstil bezeichnende historisierende Adaptation der Motive bekommt nun da ihren Platz in der Geschichte der Exegese, wo sie verbunden wird mit der Ausdeutung eines alten Textworts, so z.B. wenn wir bei ben Sira lesen: (1 26-27 [37-38]) "ws: nxp •'wa •at&a - n n ^ a j ,i:n n t ^ s i t u e ; •otr dj; u r « rverbi&n'i. Zwei Völker sind mir in der Seele verhasst, das dritte ist kein Volk; die Bewohner von Edom und Philistäa und das unwürdige Volk, | das in Schechem wohnt. Deutlich wird hier Deut, xxxii 21 aufgenommen und ausgedeutet. Wenn die Schrift dort sagt, dass Gott Israels Eifersucht und Zorn erwecken will durch ein Nicht-Volk, das nicht-würdig ist "i:, ay nb), so weiss ben Sira, wie offenbar auch seine Zeitgenossen, dass damit die verhassten Eindringlinge dunkler Herkunft, die Samaritaner von Schechem gemeint sind.60 Wir haben hier einen richtigen aktualisierenden Midrasch vor uns, was noch eindrücklicher wird durch den merkwürdigen Umstand, dass die gleiche Auffassung, die von ben Sira implicite vorausgesetzt wird, sich als explizierte Auslegung erhalten hat in einer Version eines späten Midraschwerkes ad Deut, xxxii 21: durch ein Nicht-Volk, hiermit sind die Kuthäer (Samaritaner) gemeint.61 Aufmerksamkeit verdient die Tatsache, dass der gleiche Deuteronomium-Vers an einer berühmten Stelle im Römerbrief (x 19) von Paulus in einer anders gerichteten Adaptation verwendet wird: die Nicht-Völker, d.h. die Heiden, - so hat es Moses gesagt - werden einst Israel seinen Platz bei Gott strittig machen! Beiden Deutungen gemeinsam ist der Zug, dass die Exegese bedingt ist von den Erfahrungen des Auslegers in der Geschichte. Anderswo habe ich ausgeführt, wie sehr das historische Erlebnis bestimmend ist für die alt-jüdische Exegese; das gleiche gilt auch für die altchristliche. Die jüdische Exegese wurzelt im Midrasch und das Ziel des Midrasch ist, den Bibeltext zu aktualisieren, d.h. zu zeigen, dass das alte Bibelwort sich bezieht auf geschichtliche Ereignisse in der Zeit des Erklärers. Der griechische Übersetzer von Jes. ix 11 nriKO DTUP'tbi DTpD D1K findet in den Aramäern und Philistern von Jesajahs Zeit die Syrer und Hellenen seiner eigenen [wieder].62 Dieses Bestreben zu aktualisieren erhält eine besondere Ausprägung in Zeiten von Krisis und Religionsverfolgung, wenn das Ende aller Dinge bevorzustehen scheint. Der Augenblick, da Antiochus Epiphanes sich am heiligen Tempel in Jerusalem ver-

60 < l s

S. SCHLESINGER, MGWJ 83 (1939) 277. D. HOFFMANN (Hg.), Midrasch Tannaim zum Deuteronomium, Berlin 1909, 196. Freilich bezweifelt der Herausgeber die Echtheit des Passus an unserer Stelle. 6 2 In einem Sabbathlied von Jehudah ha-Levi ist der gleiche Text transponiert auf die Christen und Araber in der Zeit der Reconquista 3"IB, DT1? ClpQ D i l N n »® DVB nriNO, [in: Diwan des Abu-l-Hasan Jehuda ha-Levi IV,] ed. H. BRODY, Berlin 1930, 3; ein schönes Beispiel dafür, wie die Aktualisierung durch die Jahrhunderte geht! 6 1

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Voraussetzungen der Midraschexegese

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griff und die jüdische Religion mit seinen Massnahmen bedrohte, wurde die Geburtsstunde der jüdischen Apokalyptik. Man glaubte zu erleben, was die Propheten vorhergesagt hatten; der Feind wurde von der Volksphantasie ausgestattet mit allen Zügen des grossen Bedrückers, den Jesajah in klassischer Weise gezeichnet hatte. Eine Reihe von Danielstellen (ix 27; xi 10, 27, 30, 36, 40), an denen die markantesten Ausdrücke aus Jesajah mit Anspielungen auf Numeri- und Habakuk-Texte verwoben sind, liest sich wie ein aktualisierender Kommentar zu Jesajahs Prophetie über Assur (sie bildet wohl das schönste Beispiel von Bibelerklärung innerhalb der Bibel). Zudem weisen auch die Jesajah-Septuaginta und die Bücher der Makkabäer Spuren davon auf, wie sehr die Erlebnisse der Zeit die Auslegung des Jesajahtextes bestimmt und gefärbt haben. Einen klassischen Ausdruck findet das Wesen dieser apokalyptisch-aktualisierenden Exegese in dem Pescher Habakuk (DSH), wo die Rede ist von denjenigen, »welche den Bund Gottes dadurch brechen, dass sie nicht glauben, wenn sie all das, was über das letzte Geschlecht kommen wird, hören aus dem Mund des gerechten Priesters, dem Gott (Weisheit ins Herz) gelegt hat, so dass er alle Worte auszulegen weiss von Gottes Dienern, den Propheten, durch die Gott all [das], was über sein Volk und Land kommen würde, angekündigt hat«. Wir stossen hier auf die apokalyptische Stimmung derer, die glauben, das letzte Geschlecht zu bilden; diese Stimmung verbindet sich mit einer Würdigung der Prophetie (die uns im nächsten Paragraphen noch beschäftigen wird) und auch mit einer Auffassung vom Wesen der Exegese. Dieselbe ist um so bezeichnender, weil das Wort 1272, das gebraucht wird, um die technisch-exegetische Tätigkeit des gerechten Priesters anzudeuten, bekanntlich Mal über Mal wiederkehrt, um jedes Stückchen Einzelexegese einzuleiten; die Bestandteile des Bibeltextes werden zitiert und dann durch ein 1127S: »dies bezieht sich auf« angewandt auf die Ereignisse und Figuren aus der Gegenwart des Erklärers.63

6 3 Für diesen Absatz vgl. I. L. SEELIGMANN, The Septuagint Version of Isaiah, Leiden 1948, 82ff. Der Pescher Habakuk wurde kurz nach Abschluss dieser Arbeit bekannt; es scheint derartige Pescharim zu mehreren Prophetenbüchern gegeben zu haben (einstweilen vgl. C. J. MlLIK, RB 59 (1952) 412ff). Dass der Pescher Habakuk, wohl im ersten nachchristlichen Jh. entstanden, meine früheren Darlegungen bestätigte, wurde hervorgehoben von ELSSFELDT, ThLZ [74] (1949) 478, vgl. auch BiOr 6 (1949) 5. Für die Bezeichnung des Pescher Habakuk als Midrasch scheint mir nach wie vor mehr die Art seiner Aktualisierung als seine Technik bestimmend; etwas anders (an sich sicher beachtenswert) BROWNLEE, BA 14 (1951) 76. Für "ICD in der Bedeutung der aus DHS zitierten Stelle vgl. noch Numeri Rabba xix minn n x »TBE? r r n p n IT 1 3 1 1123 J71V , 0 1 ntrnb.

[171/172/173]

Voraussetzungen der

Midraschexegese

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Sicher bewirken das [Sekten-JMilieu64 und das apokalyptische | Bewusstsein, am Ende der Zeiten zu leben, eine Steigerung des Bestrebens, das Prophetenwort auf die eigene Zeit zu übertragen, und damit des Motivs der Adaptation. Doch ist dieses Motiv auch sonst im israelitischen historisch-gerichteten Denken von besonderer Bedeutung geworden für die älteste jüdische und christliche Exegese; es lässt sich über dieselbe hinaus lange zurückverfolgen im Alten Testament selbst; ich möchte das an zwei Beispielreihen zeigen. In der Entwicklung des Verhältnisses von Individuum und Gemeinschaft in Israel begegnen sich zwei verschiedene und fast gegensätzliche Tendenzen. Wir sehen, wie sich das Individuum aus den Bindungen der Stammesgemeinschaft löst; umgekehrt ist das historische Bewusstsein so stark, dass ursprünglich individuelle Äusserungen übertragen werden auf die Erlebnisse der Gemeinschaft. Die Dank- und Klagelieder des Einzelnen erfahren dadurch in der volkstümlichen Exegese schon früh eine Umbiegung. Psalm xxx lässt sich kaum anders erklären als das Danklied eines Einzelnen, der von einer schweren Krankheit genesen ist. Die Überschrift, die ihn als Lied bei der Einweihung des Tempels bezeichnet, weist wohl darauf hin, dass die Generation, die nach dem Babylonischen Exil den Tempel von neuem aufbaute und einweihte, den Inhalt des Psalms auf die Leiden des Volkes Israel bezog.65 In der ergreifenden Klage von Jeremiah (xx 17-18): Warum bin ich nicht im Mutterleib gestorben, warum aus der Mutter Schoss hervorgekommen, Mühsal und Kummer zu sehen (d.h. zu erleben)? - ist mit: Mühsal und Kummer sicher das eigene persönliche Schicksal des Propheten gemeint. Das vierte Esra-Buch aber legt den Vers seinem Seher in den Mund (v 35) in der ausdrücklich erweiterten Form: »Wäre mir doch meine Mutter zum Grab geworden, damit ich Jakobs Mühsal nicht hätte sehen müssen und nicht den Kummer des Geschlecht Israels?« Überaus zahlreich sind die Beispiele dieser Erscheinung im Midrasch zu den Psalmen; ich zitiere nur das zu Ps. xiii 6: Ich aber vertraue auf Deine Treue, mein Herz jubelt, weil Du mir geholfen, ich singe dem Herrn, weil Er mir wohlgetan. Der Midrasch liest und deutet diese Äusserung eines Individuums als das Zeugnis der Gemeinschaft von Israel während der Bedrückung in den vier Weltreichen: Ich vertraue auf Deine Treue in Babel, mein Herz jubelt, weil Du mir geholfen während der Herrschaft der Meder, ich singe dem Herrn in der Zeit der Griechen (hellenistische Könige), weil Er mir wohlgetan | angesichts der Gewalt der

64 j j g r Ausdruck bei M. A. BEEK, Inleiding tot de Joodsche Apocalyptiek, Haarlem 1950, Kap. IV. 65 H. LUDIN JANSEN, Die spätjüdische Psalmendichtungf, ihr Entstehungskreis und ihr >Sitz im Lebern], Oslo 1937, 99.

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Römer:66 Die Leiden von Exil und Bedrückung, zu denen sich später der Anspruch der Christen gesellt, sie hätten den wahren Glauben, und das jüdische Volk sei von Gott verworfen, vertiefen die israelitische Überzeugung, das auserwählte Volk zu sein, bis zu der dreisten Behauptung, die Welt wäre nur um Israels willen erschaffen worden. Eine Präfiguration dieses Ausspruchs treffen wir an einer Stelle im vierten Esra-Buch, wo ein Zitat aus Deuterojesajah eine merkwürdige Umdeutung erfährt. In einer begeisterten Verherrlichung Gottes lesen wir bei Deuterojesajah (xl 15): Sieh, alle Völker sind wie der Tropfen am Eimer und gelten Ihm wie das Stäubchen an der Waage; sieh, die Inseln wiegen Ihm wie ein Sandkorn. Einziges Ziel dieser Verse ist es, die souveräne Allmacht Gottes so eindrucksvoll wie möglich darzustellen. Der Seher im vierten Esra-Buch dagegen spricht (vi 55-56): Du hast gesagt, dass Du unseretwillen diese Welt geschaffen habest, die übrigen Völker, die von Adam abstammen, hast Du für nichts erklärt: sie seien dem Speichel gleich, mit dem Tropfen am Eimer hast Du ihren Überschwang verglichen. Das deuterojesajanische Motiv von der Majestät Gottes hat sich hier verwandelt in das von der Nichtswürdigkeit der heidnischen Völker. Nahegelegt wurde diese weitgehende Verschiebung der Exegese durch eine schon in der Septuaginta bezeugte Textvariante, die anstatt pTD >wie ein Sandkorn< p~0 [las], und so die Völker dem Speichel gleichstellte. Es verdient Beachtung, dass sich die gleiche Auslegung wie im vierten Esra-Buch - offenbar ohne dass eine Abweichung vom masoretischen Text vorausgesetzt wäre - auch im späten Midrasch Numeri Rabba findet, sogar in zwei Formen.67 Eine gleichartig adaptative Auswirkung auf die Textdeutung hat auch das Verlangen nach dem Messias. Für die ganze nachexilische Zeit - vielleicht schon früher - lässt sich das Streben verfolgen, in Texten, die im ursprünglichen Zusammenhang von dem König reden, den Messias [wiederzufinden. So heisst es Ps. lxxii 8 vom König in einer dem babylonischen Hofstil entlehnten Formulierung, Er herrsche von Meer zu Meer, vom grossen Strom bis zu den Enden der Erde; die Aussage wird Zach, ix 10 wortwörtlich auf den Messias übertragen. In Ps. ii 8-9 wird der israelitische oder judäische König | dadurch gefeiert, dass der Hofdichter Gott zu ihm sprechen lässt: Verlange von Mir, so geb' Ich dir Völker zum Erbe, die Enden der Welt zum Besitz. Du wirst sie mit eiserner Keule zerschmettern, wie Töpfergeschirr zertrümmern. Das vielleicht berühmteste Dokument der Messiaserwartung der hasmonäischen Zeit, der siebzehnte der Psalmen Salomohs, klagt über die Könige, die Davids Thron 6 6

I. L. SEELIGMANN, Phasen uit de geschiedenis van het Joodsch historisch bewustzijn (MEOL 7), Leiden 1947, 66-69. 67 NumR. i 4 ; i v 2. Die Midraschim lehnen sich an Jes. xl 17 (nicht: xl 15) an, der Gegensatz ist beide Male b i n t r ^riK.

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entweihen, über den heidnischen Feind, über das Volk in Sünde, und fährt dann fort: Schau Herr, und lass ihnen ihren König erstehen, den Sohn Davids ... und gürte ihn mit Kraft, dass er unrechtmässige Herrscher fälle, dass er Jerusalem reinige von den Heiden, ... die Sünder aus dem Erbe austreibe und ihren Übermut zertrümmere wie Töpfergeschirr, mit eiserner Keule zerschmettere all' ihren Bestand. Die späteren hasmonäischen Könige, Usurpatoren auf Davids Thron,68 [er] freuten sich keiner besonderen Beliebtheit bei den Frommen ihres Volkes: die Ausrottung der Heiden kann nicht ihre Aufgabe sein. So rüstet die polemische, im Grunde antikönigliche Literatur der Zeit den Messias, den idealen Sohn Davids, aus mit den Zügen, die im biblischen Psalm dem innerweltlichen König eigen waren: die Spannung zwischen Ideal und Wirklichkeit - deren schöpferische Bedeutung z.B. Mowinckel erkannt hat - macht hier ihren Einfluss geltend in der adaptativen Exegese. Etwas anderer Art scheint auf den ersten Blick unser nächstes Beispiel. Der Dichter des Ps. viii staunt darüber, wie von Gott der Sterbliche und das Menschenkind69 mit Macht über die Schöpfung bekleidet wurden, und alles, die Tiere des Feldes, die Vögel des Himmels und die Fische des Meeres, seinen Füssen unterstellt ist: Diese Aussage wird im Neuen Testament auf den Christus bezogen, mit solcher Selbstverständlichkeit, dass diese Deutung im Hebräerbrief zwar ausgeführt (ii 6-9), im Epheserbrief (i 22) und im ersten Korintherbrief (xv 27) aber ohne weiteres vorausgesetzt ist. Mit Rücksicht auf die messianischen Assoziationen, die seit Daniel in der apokalyptischen Literatur mit dem Begriff Menschensohn verbunden wurden, lag es auf der Hand, den Menschensohn, dessen Füssen alles unterstellt war, mit dem Christus zu identifizieren.70 | Doch sei im Lichte der soeben gegebenen Beispiele, wo die Attribute des Königs auf den Messias übertragen worden sind, die Frage gestattet, ob vielleicht der Gedanke von Ps. viii, bevor er auf den Messias gedeutet wurde, auf den König angewandt worden war und ob uns eine Spur dieser hypothetischen Zwischenstufe in der Auslegungsgeschichte erhalten wäre in Dan. ii 37-39, wo Daniel zu Nebukadnezzar spricht: Du, o König, König der Könige - dem der Gott des Himmels das Königtum, die Macht und die Kraft und die Ehre gegeben hat und dem Er in der ganzen bewohnten Welt die Menschen, die Tiere des

68 v APTOWITZER, [Parteipolitik der Hasmonäerzeit im rabbinischen und pseudoepigraphischen Schrifttum], Wien 1927; I. L. SEELIGMANN, Historisch bewustzijn [Anm. 66], 62, Anm. 18. 6 9

Es fällt schwer, erwähnen zu müssen, dass heute (wieder) mit Nachdruck die Meinung vertreten wird, an Stellen wie Ps. viii sei DTK p a royal title, BiOr 8 (1951) 188 u. 192. 7 0 Zum ganzen Problem cf. A. Vis, An inquiry into the rise of Christianity out of Judaism, Amsterdam 1936.

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Feldes und die Vögel des Himmels in die Hand gegeben, und den Er über sie alle zum Herrscher gemacht hat - du bist das Haupt von Gold! Durch die zentrale, allbeherrschende Stellung, die der Christus im neutestamentlichen Denken inne hat, werden alle möglichen Figuren und Ereignisse der alttestamentlichen Welt auf ihn und sein Leben bezogen. Hier geht die adaptative Auslegung über in die typologische, die in mancher Hinsicht auch für die rabbinische Aggadah bezeichnend ist, doch kann sie uns hier nicht weiter beschäftigen. 71 Nur sei zum Abschluss dieses Paragraphen - einigermassen auch als Überleitung zum folgenden - auf eine nicht so leicht durchsichtige, aber äusserst merkwürdige Stelle im Römerbrief (x 6-8) aufmerksam gemacht, die in einer kühnen Adaptation eine Deuteronomiumstelle (xxx 12-13), in der von der Thorah die Rede ist, auf den Christus anwendet. Wer will hinauf gen Himmel fahren, Christum herabzuholen, wer wird hinab in die Tiefe fahren, Christum von den Toten heraufzuholen. Die Transposition, durch die jüdische Aussagen über die Thorah auf den Christus übertragen werden, begegnet auch sonst im paulinischen Denken.72 Unsere Ausführungen in den beiden letzten Paragraphen dürften dazu beitragen, den Unterschied klarzustellen, zwischen den Anfängen der jüdischen und christlichen Exegese und der interpretatorischen Tätigkeit der ersten hellenistischen Philologen. Zwar trug zur Ent-|stehung derselben eine Wertschätzung Homers als Inbegriff aller Schönheit und Weisheit bei, die sich vielleicht der Wertschätzung der Bibel vergleichen liesse, doch ist das gelehrte Interesse an schwierigen und dialektischen Wörtern (Glossographie) und Lauterscheinungen (Prosodie)73 sehr verschieden von der nachhaltigen Wirkung des Spielelements und vor allem von dem erlebnismässigen Charakter der ältesten Midraschexegese.

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Vielleicht noch bezeichnender als Rom. v 14 ist 1 Kor. x 11; vgl. L. GOPPELT, Typos, Gütersloh 1939; vor allem aber die lichtvollen Ausführungen R. BULTMANNs ThLZ 75 (1950) 206ff. Wohl kennt die Aggadah das exegetische Prinzip ni3K ntMQ D^a1? ]i",D (arii-iEiov nicht xünoq), doch ist das mehr eine Neigung, an späteren Stellen in der Bibel eine Wiederholung zu finden von dem, was den Erzvätern widerfuhr, eine Neigung, die gelegentlich (Genesis Rabba xl 5 ad Gen. xii 16) begünstigt wird durch Dubletten. 72 w . SCHMAUCH, In Christus, Leipzig 1935, hält sogar das ev XP 1 0 «? Air eine Ablösung eines jüdisch-hellenistischen sv v6|icp; vgl. meine Bemerkungen ad LXX Jes. xxxiii 6, Septuagint Version [Anm. 63], 107. 73 F. SUSEMIHL, Geschichte der griechischen Literatur in der Alexandrinerzeit II, Leipzig 1892, 663-665, Nachtrag zu I 327-329.

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IV In den bisherigen Ausfuhrungen war die Rede von Gestaltungen und Umbildungen, die eine Auslegung zwar anbahnen, aber noch nicht als Auslegung im eigentlichen Sinne gelten können. Das Spielelement färbt die Motivabwandlung, das Zitat wird durch Adaptation transponiert, doch betreffen all' diese Erscheinungen eine sich noch im Fluss befindliche, nicht »geronnene«, zum Abschluss gekommene Literatur. Richtige Exegese tritt erst da auf, wo sich den bisher genannten Elementen noch ein andersartiges hinzugesellt: das Erklären-Wollen einer abgeschlossenen Schrift, der überdies eine besondere Bedeutung beigelegt wird, weil sie als Wort Gottes aufgefasst wird. Hier kann nicht daran gedacht werden, den Stadien der Kanonisierung der Heiligen Schrift nachzugehen; wie dieselbe sich vollzogen hat, ist keineswegs so sicher, wie man wünschen möchte und wohl mancher zu meinen scheint.74 Doch interessiert uns hier nicht der äussere Prozess der Kanonisierung, sondern der Wandel im Bewusstsein, der dem alten Wort eine neue Bedeutung und Autorität beilegt. Dieser psychologischen Umwertung wurde von zwei Seiten her Vorschub geleistet: Einerseits kam das Gefühl auf, dass das Zeitalter der Prophetie vorüber sei. Im jüdischen Volksbewusstsein scheint das Ende der Prophetie ungefähr mit dem Abschluss der persischen Periode in Palästina zusammenzufallen: so wollen es die einstimmigen Zeugnisse von Josephus und der talmudischen Literatur; Maleachi gilt der Tradition als der letzte der Propheten, und seit der zweiten Hälfte des Buches Daniel tritt die (unter parsistischem Einfluss stehende!) Apokalyptik als pseudepigraphisches | Schrifttum auf.75 Nun hatte man in Israel von jeher all[es], was geschah, betrachtet als die Verwirklichung eines vorhergehenden Gotteswortes, und auch der klassischen ethischen Prophetie blieb immer ein Element der Zukunftsverkündigung anhaften. 76 So waren seit der griechi74 Einstweilen vgl. etwa: STRACK-BILLERBECK, Kommentar zum NT aus Talmud und Midrasch IV, München 1928, 415-434 und R. MEYER, Art. KPÜTTXCO: Kanonisch und apokryph im Judentum, ThWNT 3 (1938) 979-987. 7 5 Jos. contra Apionem I, 8,40; vgl. b. Sanh. IIb; Canticum Rabba ad viii 10; Seder c 01am Rabba xxx; neben R. MEYER, I.e. [Anm. 74], vgl. vor allem: E. URBACH, Wann hat die Prophetie aufgehört? (hebräisch), Tarb. 17 (1946) lff. 7 6 J. KAUFMANN, Geschichte der israelitischen Religion (hebräisch) IV, Tel Aviv 1942, 153ff., leitet bekanntlich den Ursprung der biblischen Historiographie aus der israelitischen Anschauung her, die die Geschichte als Verwirklichung des Gotteswortes betrachtet; vgl. heute etwa: G. ÖSTBORN, Yhwh's Words and Deeds, Uppsala 1951; und W. ZLMMERLI, Verheissung und Erfüllung, EvTh 12 (1952) 48. Die Bestimmung des »mantischen« Elements in der klassischen Prophetie bleibe einem anderen Zusammenhang vorbehalten. [Zur Geschichte und Charakter der Prophetie, in diesem Band S. 5575.]

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sehen Zeit zwei Voraussetzungen dafür gegeben, die nunmehr vorliegenden Schriften der Propheten aufzufassen [als] Gottes Ankündigung von dem, was sich in der Gegenwart begab, oder auch als Vorhersagung einer noch bevorstehenden Zukunft. Wir streiften oben diese Einstellung in bezug auf das Buch Daniel und die Entstehung der Apokalyptik, sie ist aber auch bezeichnend für die ganze neutestamentliche Denkart. Diese Wertschätzung gab Anlass, sich immer wieder in die prophetischen Schriften zu vertiefen und für jedes Detail derselben Erklärungen zu versuchen: in der Tat wird im Pescher Habakuk (DSH vii 4-5, vgl. ii 8-9) der priesterliche Lehrer der Gerechtigkeit als derjenige bezeichnet, dem Gott alle Geheimnisse in den Worten Seiner Diener, der Propheten, kundgetan hat. Noch stärkere Antriebe erhielt das Bedürfnis anderer Kreise, das Heilige Wort zu erklären, von den gesetzlichen Schriften her, Thorah im engeren Sinn. Von alters her bildeten die Gesetze [ein] Objekt der Ausdeutung und Erweiterung, namentlich durch die Priester;77 die einzelne priesterliche Entscheidung, der einzelne richterliche Ausspruch, die einzelne Belehrung der Weisen hatten schon immer als Gottes Wort gegolten.78 Eine wichtige Neuerung bedeutet es, wenn der ganze Komplex von Vorschriften samt dem historischen Rahmen, | in den er hineingestellt ist, mit dem Anspruch auftritt, Thorah zu sein. Wir können diesen Übergang noch genau erfassen durch einen Vergleich [des] alttestamentlichen Buch[es] Proverbia mit den späteren Sprüchen des ben Sira. In dem berühmten, leider nur griechisch erhaltenen Kapitel ben Sira xxiv werden die Züge der kosmischen Weisheit (Prov. viii 22 ff.) auf die an Israel offenbarte Thorah übertragen. Diese Übertragung legt den Grund zu der Anschauung von der Präexistenz und der Überzeitlichkeit der Thorah, die das gesamte rabbinische Denken während Jahrhunderten beherrschen wird. Zudem aber - und das ist für unseren Zusammenhang von besonderer Wichtigkeit - tritt die Thorah hier auf, nicht als vereinzelte Weisung, sondern als das abgeschlossene Gesetzbuch: Das alles ist das Bundesbuch Gottes, das Gesetz, das uns Mose gebot als Erbteil für die Gemeinde Jakobs (23; mit Entlehnung aus Deut, xxxiii 4!). Diese Erscheinung beschränkt sich keineswegs auf den locus classicus in Kap. xxiv; sie ist typisch für das ganze Buch. In Proverbia ist Thorah noch

7 7 Ein Vergleich der Formensprache in Hagg. ii 12 B'K SB' |n mit der in Jer. iii 1 CK n'pcr legt die Vermutung nahe, dass uns hier Beispiele bewahrt sind eines schon in der vorexilischen Zeit fest ausgeprägten Stils der priesterlichen Kasuistik. 7 8 J. BEGRICH, Die priesterliche Tora (BZAW 66), 1936, 63ff.; daneben G. ÖSTBORN, Törä in the OT, Lund 1945; das schöne Buch hätte überzeugender gewirkt bei einer anderen Formulierung des Ch. III The king as the emparter of Törä.

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die Ermahnung von Vater, Mutter oder Lehrer, 79 in ben Sira ist sie das Gesetzbuch Gottes: ein Vergleich von Spr. xxviii 7 ] , a o p m i n "iai3 VAX D ^ S I T n s m i , mit Sir. xxxv 24 'na n a i a i IQIIZ; m i n i s i a 271a1 K1? macht das besonders eindrücklich. In Sir. xiv 20 heisst es: Selig der Mann, der über Weisheit nachsinnt, dazu die Fortsetzung xv 1: Wer den Herrn fürchtet, tut das, und wer am Gesetz festhält, erlangt sie. Der Gottesfürchtige ist zu demjenigen geworden, der an dem Gesetz festhält; genau so: ii 16; xix 19,20; xxi 11; xxxviii 34. 80 Auch der Prozess, in dem das Gesetzbuch Gottes die Stellung erringt, die es auf Jahrhunderte innehaben wird, vollzieht sich am Ausgang der persischen Zeit. Mit diesem Übergang [von] dem Begriff der vereinzelten Weisung in den des ganzen Komplexes der Lehre kommt auch - so dürfen wir annehmen - die Neigung auf, sich in die Thorah zu vertiefen und ihren Sinn zu verstehen. Schon der Dichter des wohl in der hellenistischen Zeit entstandenen Thorahpsalms cxix (18) betet: Öffne mir die Augen, dass ich die Verborgenheiten Deiner Lehre schauen möge. 81 Wie stark sich diese Neigung zur Vertiefung und | Ausdeutung ausprägte, erfahren wir an unerwarteter Stelle in einer Dublette der Septuaginta zu Prov. xiii 15 aita b i w | n ] n 1CTUVECTK;ä y a ö r ) S i S m a i v ^ a p i v , TÖ 8S y v a j v a i v ö | i o v S i a v o i a q eaxiv ä y a 9 f i < ; . Hier finden wir neben einer buchstäblichen Übersetzung:

ein guter Verstand verleiht Anmut - eine andere: es ist Sache eines guten Verstandes, das Gesetz (= die Thorah) zu kennen, d.h. nur eine gute Begabung vermag das Gesetz zu verstehen. Man hat auf Grund des Kontextes der Übersetzung den Eindruck, dass die zuletzt erwähnte Wiedergabe die ältere ist.82 Sie setzt - und darauf kommt es hier an - die Entwicklung eines Thorahstudiums im jüdisch-alexandrinischen Milieu voraus. Nebenbei verdient die Tatsache Beachtung, dass der Übersetzer das Wort ]n ohne weiteres als Thorah deuten kann, offenbar setzt er eine Gleichsetzung voraus wie m i n N^N |n »wenn die Schrift von ]n redet, so meint sie

79 MAN vergleiche die überzeugenden Ausfuhrungen bei J. FLCHTNER, Die altorientalische Weisheit [in ihrer israelitisch-jüdischen Ausprägung], Giessen 1933, SSSS. 80 Die Beispiele sind dem griechischen Text entnommen, der den in Rede stehenden Gedanken auch ix 15 (vgl. 16!) zum Ausdruck bringt, wo der hebräische Text verderbt zu sein scheint. 81 Auf die Tatsache, dass hier der Midrasch als Exegese vorausgesetzt ist, machte mich Z. MOSSEL (jetzt Ramath Gan) vor Jahren aufmerksam. 82 Nur zu ihr, der zweiten Wiedergabe (und nicht zu der ersten) passt die Fortsetzung: die es gering schätzen, geraten ins Verderben; hier ist als Objekt sicher an vojxo^ gedacht. In der Tat findet sich LXX Jes. xxvi 14 als Wiedergabe von 1"J3: äÖExeiv xöv vö|iov. U.a. aus diesem Grunde scheint mir das xö Ss yvcBvai v6|iov Siavoiai; eaxiv äyadfji; ursprünglich der Stelle xiii 15 anzugehören und von dort aus in ix 10 sekundär zitiert zu werden nach der Wiedergabe von HP2 • , S7Hp n s m 'H ntO 1 n n s n nbnn.

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immer Thorah«, die es ihm gestattet, wo er das Wort ]n vorfindet, den Begriff Thorah zu substituieren.83 M.a.W. im jüdisch-hellenistischen Denken von Alexandrien konnte die Thorah - schon früh? - durch figürliche Begriffe angedeutet werden, ein Umstand, der uns vielleicht einen Einblick in die Art der dortigen Exegese gestattet. Wir haben die Schwelle erreicht, wo Motivabwandlung, Spielelement und Adaptation in richtige Auslegung übergehen. Man vertieft sich in alle Einzelheiten des Schriftwortes, vor allem auf dem Gebiet der Halachah, der gesetzlichen Bestimmungen, das uns hier nicht weiter beschäftigen soll. Doch tritt auch die freiere, dichterische Aggadah mit wirklichen Fraugen an den Text heran. Sie will z.B. die in der Thorah bzw. in der Bibel anonym auftretenden Personen identifizieren, eine Erscheinung, die während der ganzen Geschichte des Midrasch überaus häufig ist und sehr alt sein dürfte. Die Aggadah denkt sich auch die Situationen aus, die den Hinter-|grund bilden sollen zu den literarischen Erzeugnissen der Bibel. Hier sind die Psalmenüberschriften zu nennen, die manche Psalmen einer bestimmten Situation zuweisen, wie denn der ganze Prozess der Redaktion der Bibel als eine alte Schicht der Aggadah zu werten ist. In diesen Psalmenüberschriften lässt sich - so wenig übrigens wie in der Halachah und Aggadah überhaupt - nicht immer entscheiden, wo alte Tradition vorliegt und wo die historischen Daten der Bibel von der Phantasie Späterer ergänzt und ausgeschmückt worden sind).84 Den Anfang der Worterklärung bilden die Stellen in der Bibel, wo seltene Wörter durch gebräuchlichere glossiert (bzw. ersetzt!) worden sind. Doch geht auch die spätere Aggadah nicht selten von regelrechten Worterklärungen aus. Denselben kommt besonderes Gewicht zu, weil die Midraschim mitunter anknüpfen an Wortbedeutungen, die in ihrer Zeit noch im Sprachgebrauch lebendig waren (wie sich gelegentlich erhärten lässt aus den alten Versionen und den Dead Sea Scrolls), später aber verloren gegangen sind.85 Die älteste 8 3 Zu dem Vers Spr. xiii 15 ist die hier vorgetragene Deutung der LXX in palästinischen Quellen nicht bekannt. Wohl wird sie in Betrachtungen zu anderen Versen des Spruchbuches vorausgesetzt, so z.B. in Sifre Numeri xiv zum Priestersegen (vi 25; ed. H O R O V I T Z , Leipzig 1917, 44), wo es heisst: Er verleihe Dir Gnade ( | n ) durch das Studium der Lehre, wie es heisst: Die Thorah (so der Midrasch) verleiht einen Gnadenkranz (Spr. iv 9 und vgl. i 9) usw. 84 Nach der Ansicht T O R C Z Y N E R S , seit: Das literarische Problem der Bibel, ZDMG 85 (1931) 297ff. jetzt T Ü R S I N A I , The literary character of the Book of Psalms, OTS 8 (1950) 263f. (vgl. Die Sprache und das Buch (hebräisch) II, Jerusalem 1951, 3-58), gehören umgekehrt die Psalmen und Prophetien ursprünglich einer historischen Rahmenerzählung an, und man hat die Überschriften als Reste des alten, sonst verlorengegangenen Rahmens zu betrachten. 8 5 Einstweilen vgl. etwa meine Bemerkungen: The Septuagint Version of Isaiah, Leiden 1948, 51-54, die sehr der Ergänzung bedürfen. Eine verwandte Erscheinung bildet die Tatsache, dass die Midraschim oft Formen des at.lichen Textes aufbewahren, die vom

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Form der fortlaufenden Texterklärung dürfte diejenige sein, in der eine zusammenhängende Bibelstelle zergliedert, sozusagen in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt wird, und sodann jedes Textelement mit Hilfe eines aus [einem] anderen Zusammenhang stammenden Bibelverses verdeutlicht wird.86 Daneben finden sich schon frühzeitig Fälle, in denen mehrere Sätze frei paraphrasiert, gewissermassen zu einem neuen Kontext verarbeitet werden. Zwei derartige alte Beispiele seien hier - zum Abschluss erwähnt. In DSD II lff. 87 segnen die Priester alle diejenigen, die zu | Gottes Teil gehören ... und sprechen: Er segne Dich mit allem Guten, behüte Dich vor allem Bösen, Er erleuchte dein Herz mit Einsicht, die (ewiges?) Leben schenkt, Er sei dir gnädig mit Kenntnis der Ewigkeit, Er wende dir das Angesicht Seiner Gnade zu zum ewigen Frieden. Hier ist der Priestersegen in Num. vi 24-26 als Textwort benutzt und ausgedeutet.88 Im weiteren Verlauf wird das Schicksal derer, die dem Teil Belials angehören, dargestellt in einer Mischung von paraphrastischen Ausfuhrungen zu Versen aus Deut, xxviii und xxix mit einer Umkehrung des eben zitierten Priestersegens: Gott sei dir nicht gnädig, wenn du zu Ihm rufst, ... Er wende dir das Angesicht Seines Zorns zu, und Friede sei dir nicht beschieden! In formal ähnlicher Weise [er]fleht der Seher Esra (II Esra iv 132138) Gottes Gnade für die Sünder in einer erweiternden Paraphrase zu Ex. xxxiv 6: Der Barmherzige, weil Er sich derer erbarmt, die noch nicht in die Welt gekommen sind, der Gütige, weil Er gütig ist gegen die, die sich zu Seinem Gesetz bekehren, der Langmütige, weil Er den Sündern als Seinen Geschöpfen Langmut erweist, usw. usw.89 Wir sehen, wie eben Grundsätze des biblischen Glaubens die Grundlage bilden für eine erweiternde Auslegung! Aus dem Ganzen der vorstehenden Erörterungen dürfte hervorgehen, dass es nicht leicht fällt die komplizierte Erscheinung zu definieren, die MT abweichen, sei es, dass sie dieselben ausdrücklich zitieren, sei es - und das sind die wichtigeren Fälle - , dass sie sie einfach voraussetzen. Auch die Frage, inwieweit die Konstituierung des MT schon eine Exegese darstellt - vgl. das Parallelproblem in den meisterhaften Ausführungen von I. GOLDZIHER, Die Richtungen in der Koranauslegung, Leiden 1920, Kap. 1 - , muss einem anderen Zusammenhang vorbehalten bleiben. 8 6 So in der Pesach Haggadah (L. FINKELSTEIN, The oldest Midrasch, HThR 31 (1938) 29lff.) und an vielen Stellen der halachischen Midraschim, Mechilta usw. 8 7 Wohl älter als DSH (vgl. Anm. 63). 88 «> w . H. BROWNLEE, o.e. [Anm. 63], 60, bringt dieses Beispiel. Es verdient hinzugefugt zu werden, dass 'H I T T a m (Deut, xxix 20) in DSD II 16 zitiert wird ganz in Übereinstimmung mit der sonstigen religiösen Ausdrucksweise der Sekte (vgl. vor allem: S. LIEBERMAN, Light on the cave scrolls from rabbinic sources, PAAJR 20 (1951) 400), die für Fragen wie die der elohistischen Bearbeitung eines Teils der Psalmen von Interesse sein dürfte. 89 D . SLMONSEN, Ein Midrasch im IV. Buch Esra, in: Festschrift I. Lewy, Breslau 1911, 270ff.

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wir gewöhnt sind, als Midrasch zu bezeichnen. Sie beruht eben auf sehr verschiedenartigen Voraussetzungen. In der Tat wohnt ihr die Spannung eines gewissen Paradoxes inne. Auch nachdem der Midrasch zur richtigen Auslegung eines festen und fertigen Textgebildes geworden ist, bleiben ihm Elemente der Beweglichkeit, des Spiels und der Aktualisierung anhaften; einerseits will er einen abgeschlossenen Text erklären, der eben in dieser Gestalt die höchste Autorität besitzt, andererseits ist er bestrebt, denselben - wie das gerade unsere letzten Beispiele noch einmal gezeigt haben - offenzuhalten, vor Versteinerung zu behüten und mit immer neuem Leben zu erfüllen - für jede neue Situation und für jeden neuen Tag!

Anfänge der Midraschexegese in der Chronik*

Meinem Kollegen Professor Ze'ev Ben-Chaim in Freundschaft und Hochschätzung

Die Forschung zu den Chronikbüchern hat es scheinbar nur mit einem Teilbereich der späten biblischen Geschichtsschreibung, ihrer Probleme und ihrer Denkweise zu tun.1 Gleichwohl ist der Beitrag, den die Chronik zu diesem Themenkreis zu leisten vermag, von einer ganz besonderen Qualität: Hier bietet sich die Möglichkeit, die Formulierungen und die Darstellungen des Chronisten seinen Quellen gegenüberzustellen, die uns ebenfalls erhalten sind. Zwar machen die Passagen, die in den Samuel- und Königsbüchern eine Parallele haben, insgesamt den kleineren Teil der Chronik aus; doch konzentrierte sich das Interesse der Forschung schon lange auf diese Teile des Werkes. Das kann nicht verwundern; philologische Erkenntnis lebt immer vom Vergleich. In unserem Falle treten denn auch die Tendenzen des Chronisten deutlich hervor, wenn wir sehen, was er aus seinen Quellen übernimmt und wie er bewusst, aber mitunter auch unbewusst von ihnen abweicht. Solche Abweichungen bringen uns nicht nur die Intentionen unseres Autors näher, sie führen uns darüber hinaus auch auf seine Denk- und Arbeitsweise, die keine andere ist als die des

* Bereits in früheren Aufsätzen habe ich die treue Unterstützung durch Frau dankend hervorgehoben. Ihr Anteil an diesem Beitrag ist noch größer. Während unserer Arbeit hat sie immer wieder Hinweise und Gedanken eingebracht, die zum größten Teil in den Text und in die Anmerkungen eingegangen sind, ohne dass dies jeweils Erwähnung fand. 1 Von vornherein sei hier festgehalten, dass sich die folgenden Ausführungen über den Chronisten in keiner Weise auf die Bücher Esra und Nehemia beziehen. ZUNZ hat seinerzeit die Chronik sowie Esra/Nehemia einem Verfasser zugeschrieben; vgl. L. ZUNZ, Die gottesdienstlichen Vorträge der Juden historisch entwickelt, Berlin 1832 (Frankfurt/M. 2 1 8 9 2 , Nachdruck Hildesheim 1 9 6 6 ) , Kap. 2 . Diese Ansicht findet in der Forschung bis heute weitgehende Zustimmung. Gleichwohl mehren sich in jüngster Zeit die Einwände und Argumente gegen diese Annahme - m.E. zu Recht. Die inhaltlichen Tendenzen und Auffassungen wie auch die sprachlichen Merkmale deuten auf unterschiedliche Verfasser der Kompositionen; vgl. zuletzt H. G. M. WLLLIAMSON, Israel in the Book of Chronicles, Cambridge 1977. Z . TALSHIR

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Midrasch.2 Von daher tragen sie auch etwas bei zur Verortung der Chronik im Übergang von der Denkwelt der Bibel zu der des nachbiblischen Judentums.3 Wir wollen das hier zu behandelnde Phänomen zunächst am Beispiel eines typischen Midrasch veranschaulichen, der sich in I Chr 26,4f. findet - freilich in einem Kapitel, dessen Abfassung durch den Chronisten nicht über jeden Zweifel erhaben ist. In II Sam 6 lesen wir, dass die Gotteslade lange Zeit im Haus von Obed-Edom blieb; ihretwegen und, wie es scheint, wegen der Fürsorge Obed-Edoms »segnete der H E R R Obed Edom und sein ganzes Haus« (V. 11). Der Chronist übernimmt diesen Text in I Chr 13,14 (»... und alles, was ihm gehörte«). In Kap. 26 wird Obed-Edom zu einer Leviten-Sippe gerechnet, und er wird mit nicht weniger als acht Söhnen bedacht; dazu heißt es dann: »denn Gott hatte ihn gesegnet« (V. 5). Hier liegt eine Auslegung nach Art des Midrasch von »und sein ganzes Haus« in II Sam 6,11 vor. Einige Exegeten sehen in I Chr 23-27 ein sekundäres 2 1953 referierte ich über »Voraussetzungen der Midraschexegese«; der Vortrag wurde in G. W. A N D E R S O N u.a. (Hg.), Congress Volume, Copenhagen 1953 (VT.S 1), Leiden 1953, 150-181 [in diesem Band S. 1-30] publiziert. Zu meinem Bedauern kommt darin die Arbeits- und Denkweise des Chronisten nicht hinreichend zur Geltung. Bekanntlich hat bereits Z U N Z , Vorträge (Anm. 1), 37f., auf dieses Problem hingewiesen; allerdings nicht in Kap. 2, das vom »Werk« des Chronisten handelt, sondern hauptsächlich in Kap. 3 »Midrasch«: »Schon damals wurden Schriften des höhern Alterthums nach den herrschenden Ansichten gedeutet und also in gewissem Sinn geändert. ... der Chronist beruft sich auf Werke des Midrasch, d.h. Werke der Auslegung und Ueberarbeitung«. Seither ist auch die Arbeit von T H . WILLI, Die Chronik als Auslegung (FRLANT 106), Göttingen 1972 (vgl. bes. 53), erschienen. Gleichwohl möchte ich hier die notwendige Ergänzung zu meinem erwähnten Vortrag nachtragen. Vgl. auch die folgende Anmerkung. 3 Das erwähnte Buch von WILLI (Chronik, Anm. 2) ist inhaltsreich und belegt die Gelehrsamkeit seines Autors. Unbestreitbar hat er Tendenzen und Intentionen in der Geschichtsschreibung des Chronisten entdeckt, welche die frühere Forschung nicht immer hinreichend bedacht hat. Zugleich leidet aber der Ansatz von WILLI an einer Einseitigkeit: Nach seiner Darstellung hätte die Hauptintention des Chronisten darin bestanden, seine Quellen zu deuten und zu erklären; damit kommt zu kurz, dass der Chronist zugleich Geschichtsschreiber war (schärfer hat sich dazu geäußert: R. M O S I S , Untersuchungen zur Theologie des chronistischen GeschichtsWerkes, Freiburg 1973, 1213). Dieser Ansatz kommt auch darin zum Ausdruck, dass nach WILLI alle Quellen des Chronisten für diesen schon gleichsam kanonischen Rang hatten. Im Blick auf die Tora dürfte dies zwar zutreffen, die deuteronomistische Geschichtsschreibung jedoch war für den Chronisten noch nicht in gleicher Weise fixiert. Sein Grundverständnis verleitet WILLI dazu, in der Arbeit des Chronisten eine Applikation von Regeln der rabbinischen Toraauslegung zu finden. Ich furchte, dass dies eine Rückprojektion darstellt und dass diese Regeln der Denkwelt des Chronisten noch fremd waren. Auf der anderen Seite kommt das Konzept der Aktualisierung, das grundlegend für das proto-midraschartige Denken des Chronisten ist (wie wir gleich sehen werden), in der Untersuchung WILLIS nicht ausreichend zur Geltung.

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Stück, das den erzählerischen Zusammenhang der Kapitel 21-22; 28-29 stört und auch in Inhalt und Stil von der Ausdrucksweise und den Anliegen des Chronisten abweicht.4 Ihre Argumente scheinen mir überzeugend, und ich würde ebenfalls zögern, 26,4f. dem Verfasser der Chronik zuzuschreiben. Dieser Umstand mindert jedoch nicht den Wert des Beispiels; es belegt, wie man in der Zeit des Chronisten das, was man in den alten Geschichtswerken vorfand, las und auslegte. Jedenfalls lässt sich anhand einer ganzen Reihe von Belegen, die unstrittig aus der Hand des Chronisten selbst stammen, leicht zeigen, dass ihm die Auslegung nach Art des Midrasch geläufig war. Eine besondere Vorliebe - und das ist charakteristisch für seine ganze Denkweise - hat er für Namen-Midraschim. Er bringt sie - ausdrücklich oder in Anspielungen - häufig auch da, wo sie in seinen Quellen fehlten. Sein Sinn für den Zusammenhang zwischen der Bedeutung der Namen und dem Ergehen ihrer Träger führt ihn beispielsweise dazu, den Namen Achans in »Achar« ("DI?; I Chr 2,7) zu ändern (vgl. die Septuaginta zu Jos 7). Bei Salomo fugt er hinzu: »Denn Salomo (HD^E?) wird sein Name sein, und Frieden (ClSt!/) und Ruhe werde Ich Israel in seinen Tagen geben« (I Chr 22,9). Wie wir noch sehen werden, ist diese Thematik für den Chronisten von zentraler Bedeutung. Von Asa heißt es: »Aber auch in seiner Krankheit suchte er den H E R R N nicht, sondern die Ärzte« (II Chr 16,12). Interessanterweise denkt der Chronist offenbar bereits nicht weniger aramäisch als hebräisch. Usija (¡"PTY) wird konsequent »Asarja« ( M T » ) genannt, und von ihm heißt es: »Gott stand ihm bei (DTt'pKn i m ' i r i ) « , »denn ihm wurde wunderbare Hilfe zuteil (munS K,L?Dn), bis er stark geworden war« (II Chr 26,7.15).5 Dieser ausgeprägte Hang des Chronisten zu Namensdeutungen bestärkt die Vermutung, dass die gesamte Schilderung der Einsetzung von Richtern durch Joschafat in II Chr 19 nicht auf historischen Gegebenheiten, sondern auf einem Namen-Midrasch beruht (wir kommen darauf noch zurück). In II Chr 20 wird uns das Gebet Joschafats und der Judäer vor der Schlacht gegen die sie bedrängenden Moabiter und Ammoniter mitgeteilt. Nach diesem Gebet ermutigt sie einer der Leviten mit einer prophetischen Offenbarung, die ihnen den Sieg verheißt. Der Text bietet die Genealogie jenes unbekannten Leviten mit Namen Jahasiel (bKVn1). Ist die Annahme

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Vgl. M. NOTH, Überlieferungsgeschichtliche Studien. Die sammelnden und bearbeitenden Geschichtswerke im Alten Testament (SKGG.GK 18), Königsberg 1943, 112f., sowie W. RUDOLPH, Chronikbücher (HAT 1,21), Tübingen 1955, 149ff. 5 Vgl. M. FRIEDLAENDER, Die Veränderlichkeit der Namen in den Stammlisten der Bücher der Chronik, Berlin 1903, bes. 35-40. Es erübrigt sich daran zu erinnern, wie verbreitet Namensdeutungen in der rabbinischen Literatur sind; vgl. I. HEINEMANN, Wege der Aggada (hebr.), Jerusalem 1950, 1 lOff.

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zu gewagt, dass dieser Name fiktiv ist und eben dazu dient, den Leviten als einen, der »Gottesgesichte« hat, zu charakterisieren?6 Es fehlt im Werk des Chronisten auch nicht an Beispielen für geschichtliche Midraschim, besonders dann, wenn es um kultische Angelegenheiten geht. So heißt es in II Sam 8,8: »Von Tebach und Berotai, den Städten Hadad-Esers, nahm der König David sehr viel Kupfer«; der Chronist fügt hinzu: »Davon machte Salomo das eherne Meer, die Säulen und die kupfernen Geräte« (I Chr 18,8; vgl. den Zusatz in der Septuaginta zur Samuelstelle). Der Grund, weshalb der Verfasser hier seine Quelle nach Art des Midrasch ergänzt, liegt auf der Hand. Schließlich ist es eines der Hauptanliegen seines Werkes darzustellen, wie David den Bau des Tempels in Jerusalem vorbereitete und wie Salomo das Vorhaben seines Vaters ausfuhren durfte.7 Diese letzte Überlegung führt uns direkt auf eine deutliche MidraschBearbeitung durch den Chronisten, die sich auf die Rollen von David bzw. dessen Sohn Salomo beim Tempelbau bezieht. II Sam 7 beginnt mit: »Als der König in seinem Hause wohnte und der H E R R ihm Ruhe vor allen seinen Feinden ringsum verschafft hatte ...«. Der deuteronomistische Stil ist auffallig, und der Leser, der sich an Dtn 12,10f. erinnert, erwartet, dass nun die Zeit gekommen ist, den Tempel für den Gott Israels zu bauen.8 6 Dies erinnert an den Ismaeliter Obil ( V a i K ) in I Chr 27,30 (zur Problematik von I Chr 23-27 s.o.), bei dem es schwer fällt, zwischen Eigenname und Berufsbezeichnung »Kameltreiber« zu unterscheiden; vgl. L. KOEHLER/W. BAUMGARTNER, Hebräisches und aramäisches Lexikon zum Alten Testament I, 20, Leiden 3 1967. Vor Jahren bereits hat A. BÜCHLER, Zur Geschichte der Tempelmusik und der Tempelpsalmen, ZAW 19 (1899) 96-133.101 Anm. 1, die Ansicht vertreten, die Mehrzahl der für die Chronik eigentümlichen Namen (Namen von Leviten!) sei fiktiv. 7 Den Charakter der Ergänzung hat sehr schön R. WEISS, Q1C2D, Jerusalem 1978, 81, herausgearbeitet. Demgegenüber ist die Kommentierung der Stelle bei RUDOLPH, Chronikbücher (Anm. 4), 135 erstaunlich; er vermutet auf Grund der Septuaginta-Lesart, dass die Worte »davon ließ Salomo ... fertigen« ursprünglich auch in II Sam 8 gestanden hätten. Nun bringt der Übersetzer in der Tat die Ergänzung so wie sie sich in der Chronik findet, doch ist dies eine Fortführung des midraschartigen Traditionsprozesses (auch an anderen Stellen ist die uns überlieferte Septuaginta zu Samuel von der Chronik beeinflusst; vgl. z.B. die Septuaginta zu II Sam 7,16). Die Bemerkung über Salomo entspricht gewiss nicht den Anliegen des Verfassers der Samuelbücher. Der Zusatz bewirkt sogar eine gewisse Spannung innerhalb des Textes, insofern der ganze Abschnitt zeigen möchte, wie David die Beute aus allen eroberten Ländern JHWH geweiht hat. 8 Bemerkenswerterweise wird in Sifre Deuteronomium zu Dtn 12,10 II Sam 7,2 angeführt. Besonders interessant ist, wie Raschi - nachdem er in seinem Kommentar zu Dtn 12,10 geschrieben hatte: »Dies bezieht sich auf nichts anderes als die Zeit Davids« die Verse 10 und 11 durch die Konjunktion TN miteinander verbindet (entgegen der üblichen Einteilung der Abschnitte für die Toralesung!); in seiner Auslegung von V. 11 verweist auch er auf II Sam 7,1.

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Tatsächlich lesen wir im Anschluss: »da sagte der König zu dem Propheten Nathan: Siehe, ich wohne in einem Haus aus Zedern, aber die Lade Gottes wohnt in einem Zelt. Nathan sagte zu dem König: Auf, mache alles was du im Sinn hast, denn der HERR ist mit dir!« (V. 2f.). Doch noch in derselben Nacht beauftragt Gott den Propheten Nathan, David mitzuteilen, dass nicht er den Tempel bauen solle, sondern der Sohn, der ihm geboren werde. Beachtung verdient, dass in der Begründung des Tempelbauverbots für David die Frage anklingt, ob die Bindung an einen festen Wohnort für Gott angemessen ist. Jedenfalls gibt es keinen Zusammenhang zwischen dem Verbot und der Person Davids. Man darf bezweifeln, dass die Ausleger die ganze Schwierigkeit dieses Textes wahrgenommen haben: Dem Propheten wird aufgetragen, einen Rat aufzuheben, den er selbst dem König erteilt hatte, wobei er noch seine Rede mit den Worten »denn der HERR ist mit dir« bekräftigte! 9 In II Sam 7,4 gibt es eine »Lücke mitten im Vers« (npos p i o s ü^QKD), die in der Chronik fehlt; vielleicht wurde hier etwas ausgelassen? Die spätere Geschichtsschreibung ließ die Angelegenheit nicht auf sich beruhen. In seinem Briefwechsel mit Hiram, dem König von Tyrus, schreibt Salomo: »Du weißt, dass mein Vater David dem Namen des HERRN, seines Gottes, kein Haus bauen konnte der Kriege wegen, die um ihn herum waren ..., jetzt aber hat der HERR, mein Gott, mir ringsum Ruhe verschafft ...« (I Reg 5,17f.). Immer noch bewegen wir uns in deuteronomistischem Umfeld, aber der Verfasser hat nun »die Ruhe ringsum« in die Zeit Salomos versetzt. Man gewinnt den Eindruck, dass wir hier eine gegenüber II Sam 7 spätere Schicht des deuteronomistischen Werkes vor uns haben. Demnach sei David wegen der Kriege, in die er sein Leben lang verwickelt war, nicht dazu gekommen, den Tempel zu bauen. Diese Erklärung genügte dem Chronisten nicht. Zwar bietet er in I Chr 17 eine nahezu wörtliche Parallele zu der aus II Sam 7 bekannten Erzählung, doch I Chr 22,8f. zitiert ein Gotteswort an David: »Viel Blut hast du vergossen und große Kriege hast du geführt; du solltest für Meinen Namen kein Haus bauen, denn viel Blut hast du vor Mir auf die Erde vergossen (vgl. auch 28,3). Siehe, ein Sohn wird dir geboren; der wird ein Mann der Ruhe sein, denn Ich werde ihm Ruhe verschaffen von all seinen Feinden ringsum«. Unverkennbar stehen im Hintergrund dieses Textes sowohl die Nathanweissagung aus II Sam 7 (vor allem V. 12f.) als auch I Reg 5,17, jedoch 9

Vielleicht ist dabei zu berücksichtigen, dass Nathan David zum Tempelbau von sich aus, in seiner Funktion als Berater des Königs, ermuntert. Dagegen empfängt er das Bauverbot für David in einer nächtlichen Offenbarung. Die Sache erinnert von fern an Jer 28: Dort tritt Jeremia als Prophet auf, enthält sich aber im Grunde jeder Reaktion auf die Heilsprophetie des Hananja ben Asur. Er geht seines Weges (V. 11), und erst nachdem Gott sich ihm offenbart hat, erklärt er Hananjas Prophezeiung für ungültig (V. 15) und sagt ihm sein Ende voraus (V. 16). Allerdings war in dem JHWH-Wort an Jeremia vom persönlichen Ergehen Hananjas nicht die Rede gewesen.

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setzt der Chronist gegenüber seinen Quellen neue Akzente. 10 Er übernimmt den Gedanken, dass Davids Kriege diesen daran hinderten, JHWH ein Haus zu bauen, und versetzt »die Ruhe von allen Feinden ringsum« in die Zeit Salomos. Darüber hinaus aber konnte David JHWH kein Haus bauen, weil er mit Feindesblut befleckt war; dies disqualifizierte ihn fiir den Bau des Heiligtums. Man merkt, wie der Chronist mit dem ernsten Problem, weshalb dem verehrten David dies versagt war, gerungen hat, bis er vielleicht schweren Herzens - eine Lösung dafür fand.11 Dem Leser, der verfolgt, wie David mit all seiner Kraft und von ganzem Herzen den Tempelbau vorbereitet, den er selbst nicht ausführen wird, und jedem, der seine Reden und sein Dankgebet am Ende von I Chr liest, dem wird David als der eigentliche Erbauer des Tempels im Gedächtnis bleiben. Doch damit nicht genug, der Verfasser lässt sein ganzes Werk hindurch keine Gelegenheit aus zu betonen: der gesamte Tempelkult, die Priesterabteilungen und ihr Dienst, die Aufgaben der Leviten in den Toren, die Lieder, das Hallel und die Musikinstrumente der Leviten und Sänger - all dies geht zurück auf die Anordnungen des Gottesmannes David (vgl. u.a. I Chr 6,16; II Chr 7,6; 23,18; 35,15). Derartige Darstellungen des Tempelkultes wiederholen sich im Werk des Chronisten — es lag ihm offenbar sehr viel

10 Ein für die Arbeitsweise des Chronisten wichtiges Phänomen ist, dass er manchmal seine Quelle fast wörtlich wiedergibt, aber die gleiche Angelegenheit an einer anderen Stelle in einer eigenen, frei geschaffenen Darstellung völlig anders behandelt. I Chr 17 einerseits und I Chr 22,8f. sowie 28,3 andererseits sind dafür ein Beispiel. Ein vielleicht noch deutlicheres Beispiel finden wir in Bezug auf die Reichsteilung. II Chr 10 hält sich eng an I Reg 12. Dagegen formuliert der Verfasser in II Chr 13 seine eigene Sicht in einer Rede, die er König Abija auf dem Berg Zemarajim in den Mund legt. Derartige Reden dienten den Geschichtsschreibern immer schon als bevorzugtes Mittel, ihre eigenen Ansichten zum Ausdruck zu bringen. 11 In diesem Sinne: NOTH, Studien (Anm. 4), 112f.; RUDOLPH, Chronikbücher (Anm. 4), 149. S. JAPHET, The Ideology of the Book of Chronicles and its Place in Biblical Thought (hebr.), Jerusalem 1977, 399-400, gibt eine gründliche und sehr ansprechende Behandlung von II Sam7,l*ff. ; I Reg 5,17; I Chr 22,8. Jedoch sieht sie in den Worten »viel Blut hast du vergossen und große Kriege hast du gefuhrt« die Absicht des Chronisten, David mit einem Makel zu behaften. M.E. berücksichtigt diese Erklärung nicht hinreichend die ausgeprägte Intention des Chronisten, David, der für ihn über allen anderen Königen steht, als den eigentlichen Gründer des Tempels darzustellen. Die Kriege und das Blutvergießen Davids dienen ihm lediglich als äußerer Rechtfertigungsgrund für die ihn beunruhigende Frage, weshalb es David nicht vergönnt war, den Bau zu errichten. Eine Diskussion dieser Angelegenheit findet sich im Midrasch Psalmen 62,4. Bezeichnenderweise werden dort die Worte »denn viel Blut hast du vergossen« dem Propheten Nathan zugeschrieben - eine Art Textkonflation. Die Schwierigkeit, weshalb David den Tempel nicht gebaut hat, löst der Midrasch damit, dass dieser dann für immer bestanden hätte. So finden sich in dem späten Midrasch die Auslegungstendenzen des Chronisten auf einer anderen Ebene wieder.

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daran. Wie wir noch sehen werden, geht es dabei auch um eine Rückprojektion. Zwei Grundanliegen im historiographischen Denken des Chronisten und seiner dem Midrasch entprechenden Arbeitsweise haben wir bisher kennen gelernt: die Gestalt Davids und seine Dynastie sowie den Bau des Tempels und dessen Kult. Daneben gibt es ein drittes Anliegen, das uns das folgende Beispiel verdeutlichen wird. Wie zu erwarten, findet es sich in einem Erzählzusammenhang. Vergleichen wir den Text in I Chr 14,12 mit seiner Vorlage in II Sam 5,21. Da heißt es: »Dort ließen sie ihre Götzen zurück, David aber und seine Leute nahmen sie mit«. In der Chronik lautet der Vers: »Dort ließen sie ihre Götter zurück; da gab David eine Anweisung, und man verbrannte sie im Feuer« (I Chr 14,12).12 Interessant ist, dass der nicht so viel gelesene Chroniktext die ursprüngliche Lesart »ihre Götter« bewahrt hat, während sie in den häufiger studierten Samuelbüchern in »ihre Götzen« (DrPH^l?) korrigiert wurde. 13 Wesentlicher für unseren Zusammenhang ist aber die zweite Vershälfte: Die Samuelbücher erzählen unbefangen, dass David und seine Leute die Götterbilder der Philister als Beute mitnahmen. 14 Im Deuteronomium (7,25) heißt es jedoch ausdrücklich: »Ihre Götterbilder sollt ihr im Feuer verbrennen, das Silber und Gold, das auf ihnen ist, sollst du nicht begehren oder es dir nehmen ...«. Der Chronist verändert hier also bewusst seine Samuel-Vorlage, um sie in Übereinstimmung mit den Geboten der Tora zu bringen - in diesem Falle mit einer Bestimmung, die das besonders strenge Verbot des Götzendienstes betrifft. 15 Auch sonst fiel es unserem Autor gewiss schwer,

12 Hier ist anzumerken, dass die Lesart des Chronisten den lukianischen Zweig der Textüberlieferung der Septuaginta beeinflusst hat. Darin heißt es in einer Ergänzung am Schluss des Verses: Kai elitev KaxaKauaat aüxoüi; ev rcupi (Kai Xeysi AauiS KaxaKauaate aütoix; ev Ttupi). Offen ist, ob die Abschreiber hier routinemäßig oder aus »dogmatischen« Überlegungen heraus an die Chronik anglichen. 13 d , 3 3 B dient als spezifischer Ausdruck für die von Menschenhand gemachten Bilder der Götter, welche die Fremdvölker verehren, deren Kult Israel aber untersagt ist; vgl. bes. Hos 8,4; Jes 10,11; Ps 115,4 (eigentlich V. 2-7); Jes 48,5 (abweichende Form; vgl. weiter Jes 40,18-20; 41,7; 44,12-17). 14 KC23 ist biblisch mehrfach als Terminus technicus für »Beute machen« und auch parallel zu belegt: Ez 29,19; I Chr 18,11; Jer 49,29; Mi 2,2 (Objekt: »Häuser«); und auch Jdc 21,32. 15 Man könnte hier erwägen, ob der Chronist den Ausdruck OKKTI in seiner SamuelQuelle im Sinne von »verbrennen« verstanden hat. Diese Bedeutung ist im nachbiblischen Hebräisch gut belegt; vgl. m « 1 » D ,pK1E>ß, Mischna Rosch ha-Schanah 11,2-4, und die reiche Materialsammung bei S. LIEBERMAN, Tofesta Ki-fshutah. A Comprehensive Commentary on the Tosefta (hebr.), Bd. 5, New York 1962, 1028-1029 (diesen Hinweis verdanke ich meinem Freund D. ROSENTHAL). Besondere Beachtung verdient eine dort angeführte Version des Aquila zu Jer 6,1 nxtrn 1K0 m a n rra bsv. rcupcröv; ebenso der Targum zu II Sam 5,21: ] n p 1 K 1 . Interessanterweise wird im Talmud bAboda Zara 44a

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Abweichungen von der Tora und ihren Geboten, wie er sie zu seiner Zeit kannte, hinzunehmen. Schließlich bildeten diese Gebote die Grundwerte, die sein ganzes Denken und Tun prägten. Wohl deshalb kommt jenen Veränderungen im Stile des Midrasch, die wir als »halachisch« bezeichnen würden, in seinem Werk ein noch größeres Gewicht zu als den bisher angeführten geschichtlich-aggadischen Midraschim. Eine Schlüsselstelle für die Wertschätzung der Tora in der Chronik findet sich in IIChr6,16, wie Willi schön gesehen hat.16 In I Reg 8,25 sagt Salomo bei der Einweihung des Jerusalemer Tempels: »Halte Deinem Knecht David, meinem Vater, was Du ihm zugesagt hast: >Nicht soll es dir an einem Mann fehlen vor Mir, der auf dem Thron Israels sitzt, wenn nur deine Söhne ihren Weg einhalten, indem sie vor Mir wandeln, wie du vor Mir gewandelt bist.ToraAktualisierung< zu verstehen ist, lässt sich aber an weiteren Belegen noch verdeutlichen. Ein gutes Beispiel für eine Aktualisierung finden wir in einer unscheinbaren und gerade deshalb besonders lehrreichen Änderung, die der Chronist wie nebenbei in der Darstellung der josianischen Reform vornahm. In II Reg 23,2 heißt es: »Der König ging hinauf zum Haus des HERRN und alle Männer Judas und alle Einwohner Jerusalems mit ihm und die Priester und Propheten ...«. Bekanntlich ist in der klassischen Prophetie und in der deuteronomistischen Literatur die Verbindung »Priester und Propheten« sehr verbreitet. Sie begegnet bereits in früher Zeit bei der Zusammenarbeit des Priesters Zadok und des Propheten Nathan bei der Salbung Salomos (I Reg 1,45) (auch wenn sich nicht sicher sagen lässt, ob dieser Beleg die Vorlage für die Vorkommen in späteren Texten bildete). Sie erscheint auch noch in späterer Zeit in Thr 2,20: »Sollen denn Priester und Prophet in dem Heiligtum des HERRN erschlagen werden?« (vgl. 4,13).32 Hier - wie in der 31

Vgl. BÜCHLER, Tempelmusik (Anm. 6), 113. Vgl. auch Hos 4,4-5; Jes 28,7; Jer 2,26; 4,9; 6,13; 8,10; 13,13; 18,18 (vgl. dazu Ez 7,26); 23,11.34; 26,7.8.11.16; 29,1; 32,32; Sach 7,3 (falls die Propheten hier zum ursprünglichen Text gehören). Besonders interessant ist, dass die Wendung noch in Neh 9,32 begegnet, am Ende des Gebets, das die Geschichte des Volkes (seit den Königen Assurs) zusammenfasst, während ansonsten in Nehemia die Wendung »die Priester und Leviten« üblich ist. Es hat den Anschein, als käme in V. 32 ein geschichtliches Bewusstsein zum Ausdruck, das zwischen Vergangenheit und Gegenwart unterscheidet, auch wenn mit den in V. 26.30 genannten Propheten die klassische Gerichtsprophetie gemeint ist. Von daher erklärt sich nun auch, dass die Propheten in V. 34 fehlen, wo von 32

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Mehrzahl der Belege im Jeremiabuch (eine Ausnahme bildet Jer 18,18) wird ein möglicher kultischer Hintergrund für unsere Wortverbindung sichtbar; schließlich kreisen diese Belege um die Zerstörung des Tempels, und Hananja, dem Sohn Assurs, liegt an der Rückführung der heiligen Geräte, die nach Babel verschleppt worden waren.33 Der Chronist nun kann gar nicht anders als seine Vorlage (II Reg 23,2) zu korrigieren, indem er schreibt: »... und alle Männer Judas und die Einwohner Jerusalems und die Priester und Leviten« (II Chr 34,30) - für ihn ist eben diese in der Zeit des Zweiten Tempels übliche Verbindung selbstverständlich.34 Im Werk des Chronisten erfüllen die Leviten zahlreiche und wichtige Aufgaben innerhalb und außerhalb des Tempelkults.35 Eine der markantesten ist das Tragen der Lade. Dieses Thema erfordert einige Vorüberlegungen. Wie es scheint, wurde anfangs den Trägern der Lade keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt, geht doch die Erzählung von der Ladeüberführung in II Sam 6 davon aus, dass die Lade zunächst von Leuten aus dem Volk auf einen Wagen geladen wurde. Bei der Einweihung des Tempels in I Reg 8 führen »die Ältesten Israels« die Lade hinauf, und den Sünden des Volkes die Rede ist, in all seinen Ständen, die nicht hörten »auf... Deine Ermahnungen, mit denen Du sie ermahnt hast (iTPUn)«; vgl. das gleiche Verb in V. 26.29.30. Dazu auch A. C. WELCH, The Source of Nehemia IX., ZAW 47 (1929) 130137.134. 33 Es ist an dieser Stelle nicht möglich, das komplizierte Problem der Kultpropheten und ihrer (postulierten) Beziehung zu den Schriftpropheten aufzurollen. Ich muss mich auf Verweise beschränken: S. MOWINCKEL, Psalmenstudien, III. Kultprophetie und prophetische Psalmen, Kristiania 1923, 14-22; danach: H. JUNKER, Prophet und Seher in Israel. Eine Untersuchung über die ältesten Erscheinungen des israelitischen Prophetentums, insbesondere der Prophetenvereine, Trier 1927, 26f.37-41; außerdem: M. Z. SEGAL, Zur Geschichte der Propheten in Israel (hebr.), in: I. EPSTEIN (Hg.), Essays in Honour of Dr. J. H. Hertz, London 1942, 101-111.104-108. 34 Einiges spricht mithin gegen die Auffassung von A. CODY, A History of Old Testament Priesthood (AnBib 35), Rom 1969, 186, und vielen anderen, wonach die Änderung durch einen Autor eingebracht worden wäre, der sich der historischen Entwicklung bewusst gewesen sei. Hier liegt eine Aktualisierung vor, deren Fortführung wir in den aramäischen Targumim beobachten können. Dort werden in dieser Wendung aus »Propheten« K-HSO; so in II Reg 23,2; Jer 6,13; 8,10; 23,34; 26,7.8.11.16; 29,1; besonders signifikant ist TBOH js'piK in Jer 18,18; Ez 7,26. Diese Übersetzung findet sich außerhalb der Verbindung »Priester - Prophet«, so z.B. in Jes 3,2; 9,14. Nah verwandt ist die Übersetzung mit | , S i 7i3 in Jer 29,15; vgl. auch Am 2,1 lf., wo die C T T J im Targum zu •pa'pQ werden. Daneben fehlt es nicht an Stellen mit vergleichbarem Kontext, in denen der Targum in den Propheten *npS2T " 3 ] sieht (Jer 2,26; 32,32; 4,9; 13,13). Dies erinnert an den \j/£u807tp0(pr|Tr|Zeuge< ist die Schauung für die festgesetzte Zeit; sie zeugt für das Ende, aber sie trügt nicht« (Hab 3,2). 20 »Die Konstanz dieses Sprachgebrauchs weist darauf, daß ursprünglich das visuelle Moment überwogen haben muß; um so bedeutsamer ist die Entwicklung zum Überwiegen des Auditiven« (W. MICHAELIS, Art. öpätö, ThWNT 5 [1954] 330). [ 2 0 * Die folgende Wiedergabe der Iliasverse folgt der (paraphrasierenden) Übertragung des Verfassers ins Hebräische. Anm. d. Hrsg.] 21 Mit Blick auf die Bedeutungsentwicklung der Wurzel Fi5-oi5a bringt B. SNELL, Die Ausdrücke für den Begriff des Wissens in der vorplatonischen Philosophie, Berlin 1924, 25ff., über die hier übersetzte Iliasstelle (II 484-486) hinaus zahlreiche Beispiele aus der griechischen Literatur; vgl. auch R. BULTMANN, Zur Geschichte der Lichtsymbolik im Altertum, Philologus 97 (1948) l-36.16ff. 22 Zum Zeichen als Bekräftigung des Prophetenwortes vgl. H. W. ROBINSON, Inspiration and Revelation in the Old Testament, Oxford 1946, 171; außerdem: Old Testament Essays, »Prophetie Symbolism«, London 1927. Die zitierte Stelle aus Hab 2,3 ist auf die prophetische Handlung einer Schreibung/Niederschrift auf Tafeln bezogen. Des Weiteren bringt sie die Sicht zum Ausdruck, wonach Prophetie ihre eigentliche Bestimmung darin

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Wenn es zutrifft, dass die klassische Prophetie vom frühen Sehertum nachhaltig geprägt ist, dann bleibt zu fragen, ob es möglich ist, die Relation zwischen beiden Phänomenen genauer zu bestimmen. Vielleicht gelingt es uns darüber hinaus im Blick auf die Prophetie der Seher, typische Umstände ihres Wirkens sowie inhaltliche Elemente zu benennen, die auf Grund ihres Charakters und ihres Sitzes im Leben der israelitischen Gesellschaft eine treibende Kraft für die Genese und Entwicklung der klassischen Prophetie bilden konnten. Ich meine, eine derartige Möglichkeit ist tatsächlich gegeben. So kennen wir zumindest einen Typus der Gottesbefragung mittels des Sehers recht genau: Man befragte Gott, wenn das Kriegsheer im Begriff stand, in die Schlacht zu ziehen. Die raison d'être dieser Befragung in der Lebenswelt Israels liegt auf der Hand und lässt sich beschreiben (auch wenn die Bedeutung dieses Zusammenhangs für die Probleme, die uns hier beschäftigen, in der Forschung bisher wohl noch nicht hinreichend gesehen wurde). Die spezifische Aufgabe des Priesters, des Sehers und des Propheten in diesem Kontext hat die Entwicklung der Prophetie in Israel nachhaltig bestimmt. Mehr noch, es scheint, dass wir hier die Einbindung der klassischen Prophetie in das Gemeinschaftsleben Israels direkt erkennen können. Anfangs bestand auch der zur Diskussion stehende Typus der Gottesbefragung in einer Anfrage an den Priester. Auf dieser Stufe ist die Entsprechung zum babylonischen baru und zum arabischen kahin besonders deutlich. Der Priester verkündet den Entscheid der Urim und Tummim, nach welchem die Heerscharen Israels ausziehen und zurückkehren (Num 27,21). Im Lager Sauls befindet sich ein Priester, der den Ephod trägt. Dieser fordert dazu auf, sich Gott zu nähern, um seinen Entscheid zu vernehmen (I Sam 14,36f.). Ganz genau so überreicht Ebjatar das Ephod David, und Gott antwortet auf seine Frage, ob er die Streifschar der Amalekiter verfolgen soll (I Sam 30,7f.). Vor der Entscheidungsschlacht gegen die Philister befragt Saul Gott vergebens; er antwortet ihm weder durch Träume noch durch Losrakel noch durch die Propheten (I Sam 28,6). Hier nun geht, wie schon erwähnt, die Zuständigkeit für die göttliche Antwort von den Priestern auf die Propheten über. In dem berühmten Kapitel I Reg 22 sehen wir die Gestalt des Propheten, der den Ausgang der bevorstehenden Schlacht weissagt. Die Könige von Israel und Juda wenden

findet, dass sie sich im zukünftigen Geschehen verwirklicht (vgl. Anm. 40). Der Ausdruck HD1 (= r r s 1 ) empfiehlt so gut wie hundert Textzeugen die Konjektur von EHRLICH: isna 1 ? ]irn (HB und r r s 1 stehen nebeneinander in Ps 27,12 und noch sechsmal in Prov). Interessanterweise setzt bereits der Verfasser des Danielbuches (11,27.35) die sekundäre Lesart TU? voraus. Die Deutung des Pescher Habakuk: »Seine Deutung ist, dass sich die letzte Zeit in die Länge zieht« lässt zudem fragen, ob diese sekundäre Lesart vielleicht in einer midraschartigen Auslegung ihren Ursprung hat.

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sich an Elischa in der Wüste von Edom, als sie dem Verdursten nahe sind; jener gerät durch den Geist JHWHs in Verzückung und verkündet, dass sich das Wadi mit Wasser füllen und die Könige und ihr Vieh tränken werde und dass Gott darüber hinaus die Moabiter in ihre Hand geben werde (II Reg 3,17-19). Die Chronik schreibt das Amt des »Propheten im Heerlager« (runon fcon:) in der Mitte des 9. Jh.s dem asaphitischen Leviten zu, über den der Geist JHWHs in der Versammlung kommt und der das Heer antreibt: »Fürchtet euch nicht und verzagt nicht ... Morgen zieht ihnen entgegen, der HERR ist mit euch!« (II Chr 20,13-17).[22*] Beachtung verdient auch die Notiz in II Chr 26,5f., wonach Usija, der König von Juda, das Rechte in den Augen Gottes getan hat: »Er war darauf aus, Gott zu suchen (• i n i ?K tön 1 ? TTl), solange Sacharja lebte, der sich verstand auf die Schauung Gottes. Und solange er den HERRN suchte ('n nK i e m gab Gott ihm Erfolg. Er zog aus und kämpfte gegen die Philister ...« Die Beweiskraft der beiden letzten Belege ist vielleicht nicht ganz so groß, da sich darin die Tendenz und der eigentümliche Stil der Chronik abzeichnen (die levitische Predigt und das religiöse Ideal, das mit dem Ausdruck DTt^K Km gemeint ist, wobei der Chronist diese Wendung in einer vom sonstigen Sprachgebrauch etwas abweichenden Bedeutung gebraucht.)23 Jedenfalls ist deutlich, dass sich der Verfasser nicht vorzustellen vermag, das Volk würde in den Krieg ziehen, ohne dass der SeherProphet den Ausgang der Schlacht verkündet bzw. die Krieger angefeuert hätte. Diese Erklärung erfahrt eine zusätzliche Stütze, wenn man annehmen darf, dass'23*1 die hier vermutete Situation einer Reihe von Psalmen zu Grunde liegt. So dürfte in Ps 20 die Heilsprophetie eines Seher-Propheten zu vernehmen sein, die an den König, den Oberbefehlshaber der Streitkräfte, gerichtet war, bevor er in den Krieg zog: »Der HERR erfülle alles, was du vorhast! Nun weiß ich, dass der HERR seinen Gesalbten gerettet hat« etc. Damit vervollständigt sich das Bild. Die Hauptaufgabe des israelitischen Sehers, oder zumindest der nationale Aspekt seiner Aufgabe, ist mit [ 2 2 * Vgl. auch II Reg 23,2 // II Chr 34,30. Anm. d. isr. Hrsg.] Zur levitischen Predigt vgl. G. VON RAD, Die levitische Predigt in den Büchern der Chronik, in: A.ALT (Hg.), FS Otto Procksch, Leipzig 1934, 113-124. Zwar verwendet der Chronist •Ti'pk'? a m in seiner alten Bedeutung: »sich an Gott - oder einen der Fremdgötter - wenden in der Absicht, von diesem einer Antwort gewürdigt zu werden« (II Chr 25,15ff.), an zahlreichen Stellen dient die Wendung aber zum Ausdruck seines religiösen Ideals: das Vertrauen auf Gott und die Befolgung seiner Gebote (II Chr 14,3.6; 15,12; 17,4; 22,9; 31,21). Vielleicht liegt in I Chr 10,14 und II Chr 16,12 auch eine Art Wortspiel mit beiden Bedeutungen vor, die beide im Bewusstsein des Verfassers lebendig waren. [23* Der Abschnitt von »Beachtung verdient auch ...« bis «wenn man annehmen darf, dass« ist im Handexemplar des Verfassers gestrichen. Anm. d. isr. Hrsg.] 23

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dem Auszug des Heerbanns in den Krieg verknüpft. Gemäß uralter Tradition ergeht in dieser schicksalsschweren Stunde das vollmächtige Gotteswort, das über das Geschick Israels und seiner Feinde zugleich entscheidet, aus dem Mund des Seher-Propheten (vielleicht wirkt es auch an seiner Realisierung mit). Offenbar hat diese Tradition Inhalt und Charakter der klassischen Prophetie tief geprägt. Bei Arnos, dem ersten der Schriftpropheten, hören wir, JHWH habe »Propheten aus den Söhnen Israels erweckt und Nasiräer aus ihren Jünglingen« (Am 2,11). Diese ungewöhnliche Verbindung von Propheten und Nasiräern hat seit jeher die Aufmerksamkeit von Auslegern und Forschern beansprucht. Einleuchtend ist die Erklärung Bubers, der hier eine Anspielung an die Richterzeit sieht. Danach hatten die Nasiräer (wie an vielen Stellen) als Kriegsleute eine Rolle in den JHWH-Kriegen gespielt, und die Propheten bildeten Scharen von Charismatikern, die im Lande umherzogen und in heiliger Begeisterung das Volk dazu anfeuerten, JHWH bei den Helden zu Hilfe zu kommen. Vielleicht vermischt sich hier in der Rückschau/Imagination des Arnos die Gestalt des ekstatischen Propheten mit der des weissagenden Sehers.24 Das kurze Wort des Arnos (Am 5,3): »Die Stadt, aus der Tausend ausziehen, soll nur Hundert übrig behalten ("VKt2?n), und aus der Hundert ausziehen, die soll Zehn übrig behalten (~TN2?n) im Hause Israel« gehört zur alten Tradition der Kriegsorakel. Der Sprachgebrauch dieses Wortes dürfte auch ein Licht auf den Ausdruck 31B' werfen. Er stellte ursprünglich keine Heilsprophetie dar, sondern, im Gegenteil, Unheilsprophetie: nur ein geringer Teil des gerade ausziehenden Heeres wird wieder wohlbehalten heimkehren! Aus einer auch sonst erkennbaren Neigung heraus, die dem alten Ausdruck inhärente Doppeldeutigkeit zu benützen, hat Jesaja diesen jedoch positiv ausgelegt und mit neuem, optimistisch-ethischem Inhalt gefüllt. 25 Aber ohne Zweifel die wichtigste und aufschlussreichste Stelle für die von uns verfolgte sachliche Entwicklung ist die Prophetie in Am 2,6-15. Hier begründet der Prophet das herannahende Unheil mit ausgeprägt ethischen Anklagen: »weil sie die Unschuldigen für Geld verkaufen ... und den Weg der Elenden beugen. Ein Mann und sein Vater gehen zu demselben Mädchen ... auf gepfändeten Kleidern strecken sie sich aus etc.« Was hier dargestellt wird, ist ein Bild der Verderbnis der ganzen Gesellschaft in all ihren Schichten. Aber wenn 24

M. BUBER, Königtum Gottes, Berlin 1936, 170f. BLANK nennt die Amosstelle nicht und berücksichtigt nicht ausreichend die Zukunftserwartungen Jesajas; vgl. S. BLANK, The current Misinterpretation of Isaiah's She'ar Yashub, JBL 67 (1948) 211-215; außerdem: J. FICHTNER, Jhvs Plan in der Botschaft des Jesaja, ZAW 63 (1951) 16-33.29 Anm. 48. Zur Möglichkeit, dass Jesaja einen alten prophetischen Spruch inhaltlich neu füllte vgl. I. L. SEELIGMANN, Voraussetzungen der Midraschexegese, in: G. W. ANDERSON u.a. (Hg.) Congress Volume, Copenhagen 1953 (VT.S 1), Leiden 1953, 161-167 [in diesem Band S. 11-17]. 25

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dann der Prophet das Gericht über diese Gesellschaft verkündet, zeichnet er in einer aufwändigen Schilderung (man beachte, wie die häufigen Wiederholungen die Bedrängnis, Panik und Verzweiflung zu Herzen gehen lassen) den Untergang der Streitmacht in der Schlacht. Dies hat seinen Grund darin, dass die Darstellung des Ergehens des Volkes in dieser Unheilsprophetie immer noch an die Tradition der Kriegsorakel gebunden ist. Hier werden wir tatsächlich Zeugen des Übergangs von der alten mantischen Kriegsprophetie zur klassischen ethischen Prophetie. Möglicherweise erlaubt uns die Entwicklung der Amosprophetie sogar, das Entstehen der klassischen Prophetie und ihre Beziehung zu der ihr vorausgehenden Tradition noch teilweise zu rekonstruieren. Die älteste Schicht der Amos-Prophetie ist zweifellos in den Visionen in Am 7-8 zu finden. Denn während seine anderen Worte ausnahmslos auf der Erkenntnis beruhen, dass über Israel ein Gericht beschlossen ist, vor dem es kein Entkommen geben kann,26 stand dieses Gericht in den ersten beiden Visionen noch nicht fest. Erst zwischen der zweiten und dritten Vision kam er zu der Erkenntnis, dass das Volk unabwendbar verloren sei.27 Die prophetische Erfahrung der Visionenreihe hinterlässt in Arnos den nachhaltigen Eindruck, dass Gott wohl ein oder zwei Mal verzeiht; aber beim dritten und vierten Mal kann er nicht mehr an der Sünde des Volkes vorübergehen. Dieser tiefe Eindruck war es, der m.E. die Formulierung: »wegen drei, wegen vier Freveln Israels werde ich es nicht zurücknehmen« [Am 2,6] hervorbrachte. (Die »Orakel« gegen die Völker bilden ja ihrer Form und ihrem Inhalt nach keine selbständigen Prophezeiungen, sondern eine Art Skizzen, die lediglich als paradoxe Vorbereitung auf das Wort gegen Israel fungieren. Ihr Inhalt ist ganz im Sinne der Hörer des Arnos, und ihrer Form nach entsprechen sie dem Stil der alten Siegesorakel, doch gerade damit steigern sie die schockierende Wirkung der plötzlichen Drohungen gegen Israel.)28 Demnach folgte das Wort »wegen der drei Sünden Israels« bald auf die Visionen und bildet das erste in der Reihe der Amosworte. Zwar war schon in den Visionen aus der alten Prophetie, die ihrem Wesen nach zumeist Heils- und Siegesorakel beinhaltete, Unheilsprophetie geworden. Aber alles blieb hier noch im Rahmen einer Weissagung; eine Begründung fehlt nahezu völlig. Nur die letzten Worte: »ich werde nicht mehr an ihm vorübergehen« zeigen an, dass das Unheil tatsächlich in der Schuld des Volkes gegen Gott begründet ist. Allerdings gibt es keinen

26 Eine sachgemäße Auslegung von 5,13-17 würde erweisen, dass 5,14f. hierzu keine Ausnahme bildet; dies kann hier nicht ausgeführt werden. 27 A. WEISER, Die Profetie des Arnos (BZAW 53), Giessen 1929, 72. 28 WEISER (ebd. 105ff. u.ö.) hat das paradoxe Element, das die meisten Amosworte prägt, gut gesehen. Doch wäre dieser Aspekt noch tiefer und eingehender herauszuarbeiten; in diesem Rahmen ist dies freilich nicht möglich.

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Hinweis darauf, worin die Schuld besteht. Anzunehmen ist, dass dabei noch an Götzendienst gedacht war (die Begründung für den Untergang der Feinde in den Völkerorakeln weist noch einen ausgesprochen nationalen Zug auf). Erst das prophetische Wort »wegen der drei Sünden Israels« bestimmte die Schuld des Volkes als moralische Verderbnis, die das herannahende Unheil bewirkt. Sollten unsere bisherigen Annahmen und Thesen tragfähig sein, ergibt sich daraus die Feststellung, dass in psychologisch-chronologischer Hinsicht die Ankündung des künftigen Geschehens das Primäre ist, die ethisch-moralische Begründung demgegenüber das Sekundäre. Zu einer ähnlichen Folgerung kam der Exeget Wolff schon vor Jahren auf Grund einer literarischen Analyse der häufigsten Spruchgattung in den prophetischen Büchern. Diese Form beginnt mit einer Darstellung der Verderbnis der Gesellschaft; darauf folgt als überleitendes Wort (eine Art Achse, auf der sich der betreffende Spruch bewegt): p - b (= weil dem so ist) und unmittelbar anschließend: 'n ~inK H3 als Überleitung zur Gerichtsansage. Daraus folgt - so schließt Wolff weiter dass die Ankündigung des Gottesgerichts denjenigen Teil des Prophetenworts darstellt, den er (von Gott) erhielt und weitergibt. Demgegenüber erscheine die Begründung als ein Element der menschlichen Reflexion des Propheten, die einer anderen und späteren Sphäre angehöre. 29 Beachtung verdient hier die in der biblischen und talmudischen Literatur auffallende Tendenz, Elemente, die ihrer Entstehung nach sekundär und später sind, den primären Texten gerade voran zu stellen. Ein schlagendes Beispiel dafür, just in unserem Bereich, bildet das schon genannte Prophetenwort des Arnos über »die Stadt, aus der Tausend ausziehen ...« [Am 5,3], Sie stellt das JHWH-Wort über Israel dar, d.h. den primären Kern dieser Prophetie. Der Prophet gab dem Gotteswort eine poetische Gestalt: »... welches ich als Klagelied anhebe über euch: >Gefallen ist und nicht steht wieder auf... Sie ließen dem Joseph sagen: Dein Vater hat befohlen, so sollt ihr mit Joseph sprechend Wir finden aber nirgends, dass Jacob seinen Söhnen einen solchen Befehl gegeben hat.« Hier, wo der biblische Text selbst kaum Raum für Zweifel lässt,13 dass die Brüder Jakob etwas in den Mund legen, zögert die rabbinische Auslegung nicht, den Tendenzcharakter ihrer Worte hervorzuheben: den Brüdern lag nicht daran, die Angelegenheit so zu berichten, wie sie war, sondern sie beabsichtigten, eine bestimmte Wirkung zu erzielen. Diese Auslegung durch Rabbi Schimon ben Gamliel kann man beinahe als »ätiologisch« bezeichnen. Mehr noch, die rabbinische Literatur kann ausdrücklich festhalten, dass in der Tora ein Sachverhalt erwähnt wird, nur um dessen Sinn und Ursache hervorzuheben. Als Beispiel dafür mag das Verbot dienen, die Hüftsehne zu essen, von dem in bChullin 101b gelehrt wird: »Es wird gelehrt: es heißt ja nicht, daher essen die Söhne Jakobs nicht, sondern die Kinder Israels, und bis 12 W. BACHER Die exegetische Terminologie der jüdischen Traditionsliteratur, I-II, Leipzig 1899-1905, bietet dazu Material; s. die entsprechenden Lemmata. Es kommt vor, dass das Wort »wenn« (DK) in seiner Bedeutung »in dem Fall, dass« vom Midrasch als Befehl gedeutet wird; vgl. die Mekhilta de R. Jischmael zu Ex 22,25 (wahrscheinlich beziehen sich die Ausführungen auf Ex 22,24: »wenn du Meinem Volk Geld leihst«, vgl. auch H. S. HOROWITZ in seiner Auslegung z.St.). Mit einer ähnlichen Tendenz, wenn auch mit anderer Nuance, vgl. z.B.: »Woher (lässt sich beweisen, dass) wenn du kaufst, dass du dann nur einen hebräischen Sklaven kaufen sollst? Die Schrift sagt: >Wenn du einen hebräischen Sklaven kaufst< (Ex 21,2).« (Sifre Deuteronomium 118 zu Dtn 15,12). Manchmal gehen die Warnungen in eine Zukunftsvoraussage über wie z.B. Sifre Deuteronomium 214 zu Dtn 21,14: »Wenn du aber keinen Gefallen (mehr) an ihr hast (Dtn 21,14). Die Schrift verkündigt dir, dass du sie hassen wirst« u.a. [dt. nach: Der tanaaitische Midrasch Sifre Deuteronomium. Übersetzt und erklärt von H. Bietenhard (JudChr 8), Bern u.a. 1984.] 13 G. VON RAD, Das erste Buch Mose. Genesis (ATD 2), Göttingen 1953, bezeichnet die Deutung, der die Worte Jakobs als eine Erfindung der Brüder gelten, als »eine zwar alte, aber gewiß ganz irrige Annahme« (377).

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zum Sinai hießen sie nicht Kinder Israels. 14 Dies wurde zwar am Sinai gesagt, jedoch an der passenden Stelle niedergeschrieben, damit man wisse, aus welchem Grund es ihnen verboten worden ist.« Zwar wird hier nicht behauptet, dass die Erzählung vom Kampf Jakobs mit dem Engel ausschließlich die Funktion habe, uns über den Grund des Hüftsehnenverbots aufzuklären, doch wird die Erwähnung des Verbots innerhalb der Jakoberzählung (und nicht im Kontext der übrigen Gebote, die am Sinai gegeben wurden) mit der Absicht der Tora begründet, den Zusammenhang zwischen geschichtlichem Geschehen und religiösem Brauch zu betonen 15 - eben darin kommt der rabbinische Zugang der Sicht der Ätiologien in der heutigen Forschung sehr nahe. Gleichwohl scheinen die angeführten Beispiele nicht die Regel zu sein. Denn bei allem Interesse der Rabbinen an der Tendenz biblischer Erzählungen lag ihnen doch jeder exegetische Zugang, der die geschichtliche Zuverlässigkeit der Schrift nicht selbstverständlich voraussetzte, völlig fern, wie auch den mittelalterlichen Kommentatoren. Ein solcher Zugang konnte nur in einer aufklärerisch-kritischen Epoche aufkommen. Eine konsequente Anwendung des ätiologischen Prinzips finden wir in den Forschungen eines der Väter der modernen Bibelkritik, W. M. L. de Wette, auch wenn der Terminus selbst bei ihm nicht begegnet. Im zweiten Band der »Beiträge zur Einleitung in das Alte Testament« schreibt er über das Werk seines frühen Elohisten (zu Gen 2,2f., der Heiligung des Sabbats bei der Schöpfung): »In dem Plane seines Epos liegt es, ... die Entstehung der heiligen theokratischen Gesetze aufzuzeigen.« 16 Weiter heißt es bei ihm (zu Gen 17): »Unser Dichter geht bemerktermaßen darauf aus, die theokra14 In Wirklichkeit steht der Ausdruck btOCS1 in Gen 42,5; 45,21; 46,5; an der Stelle in bChullin wird der letzte der o.g. Belege angeführt und damit erklärt, dass er »im Nachhinein« gesprochen wurde, d.h. nachdem der Engel den Namen Jakobs in »Israel« geändert hatte. 15 Es scheint, dass auch in einem anderen Beispiel ein Gebot in der Tora nicht in dem Kontext angeführt wurde, zu dem es gehört, sondern im Zusammenhang mit einem Geschehen, das ihm Aktualität verlieh. Der Text, in dem den Priestern das Trinken von Wein und Bier verboten wird, wenn sie zum Dienst in das Heiligtum kommen, steht nicht innerhalb der Gesetze zum Priesterdienst in Lev 21-22, sondern als Wort JHWHs an Aaron nach dem Tod seiner beiden Söhne Nadab und Abihu (Lev 10,8-11). Aufgrund von Prov 31,6, »gebt Bier dem Zugrundegehenden und Wein den Trübsinnigen«, darf man vermuten, dass man in der Stunde der Trauer Aaron und seinen verbliebenen Söhnen Wein und Bier reichte bzw. im Begriff dazu war. In der Tora wird der aktuelle Bezug des Verbots nicht ausdrücklich erwähnt; mir ist auch kein Hinweis darauf in der talmudischen Literatur bekannt, aber bereits R. D. HOFFMANN, Das Buch Leviticus I, Berlin 1905, 296, macht darauf aufmerksam. 16 W. M. L. DE WETTE, Beiträge II (Anm. 9), 42 - Ausführungen hierzu bes. 51 und passim; vgl. auch R. SMEND, W. M. L. de Wettes Arbeit am Alten und am Neuen Testament, Basel 1958, 53-57.

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tischen Gesetze zu deducieren. Mit der Schöpfung führte er zugleich den Wochencyklus und die Feier des Sabbaths ein; mit der neuen Bevölkerung der Erde durch Noah wurde das Verbot des Blutessens und das Recht der Blutrache gegeben, und jetzt mit der Gründung der Hebräischen Theokratie erscheint zugleich der Ursprung der Beschneidung, des Nationalunterscheidungszeichens der Hebräer«. Ganz entsprechend arbeitet de Wette in diesem Teil der »Beiträge« immer wieder das heraus, was wir heute »die ätiologischen Tendenzen« der Erzählungen in der Genesis und im Pentateuch nennen würden. Er gebraucht bevorzugt den Begriff »Deduktion« o.ä. und betont den unhistorischen Charakter der betreffenden Erzählungen. Zwar wird diese Tendenz der Einsicht in die Ätiologie als eines historiographischen Phänomens nicht gerecht, gleichwohl sind seine Ausführungen für die Fragen, die uns in dieser Untersuchung beschäftigen, von großer Bedeutung. Dazu gehört auch die schon angedeutete Unterscheidung zwischen den einzelnen und den umfassenden ai-ciai, auf die wir noch zurückkommen werden. Wie in vielem anderen war de Wette auch in Sachen Ätiologie seiner Zeit weit voraus. In der klassischen Epoche der Bibelkritik, die mit dem Namen Wellhausens verbunden ist, hat der ätiologische Ansatz keinen hohen Stellenwert.18 Wellhausen selbst berührt ihn allerdings in dem Abschnitt der »Prolegomena«, den er den alten Patriarchenerzählungen widmet (8,11,1). Dort heißt es: »Die Bedeutung dieser Erzählungen hängt ganz und gar von dem Lokal ab; Interesse haben sie nur für diejenigen, die noch immer an dem selben Altare wie einst Abraham dem J[HWH] opfern, unter der selben heiligen Eiche ... die Patriarchen (graben) die Grabhöhlen, die Quellen oder Brunnen, pflanzen ... die Bäume, die ihre Nachkommen noch nach Jahrtausenden heilig oder doch in Ehren halten. Es kommt auch vor, daß auffallende oder bedeutungsvoll scheinende Formationen der Landschaft durch einen Vorgang aus der Patriarchenzeit legendarisch erklärt werden.«19 In diesem Abschnitt der »Prolegomena« dürfen wir wohl eine Art Anregung und Ausgangspunkt für Vieles sehen, was später Gunkel zur Genesis schrieb.

17 DE WETTE spricht in diesem Zusammenhang wiederholt von »Blutrache«, vgl. ebd. 47-48.51. Prof. Y. BAER weist zu Recht darauf hin, dass Gen 9,5-6 nicht von Blutrache handelt und dass dieser Begriff irreführen kann. 18 In den Kommentaren von C. STEUERNAGEL, Das Buch Josua (HAT 3,2), Göttingen 2 1923, G. F. MOORE, A Critical and Exegetical Commentary on Judges (ICC), Edinburgh 2 1918 und S. R. DRIVER, Notes on the Hebrew Text and the Topography of the Book of Samuel, Oxford 2 1913, habe ich den Terminus »Ätiologie« nicht gefunden, auch das Konzept als solches fehlt darin. Das Gleiche gilt z.B. fur A. VON GALL, Altisraelitische Kultstätten, Gießen 1898. 19 J. WELLHAUSEN, Prolegomena zur Geschichte Israels, Berlin 2 1883, 343-344.

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Der Terminus »Ätiologie« erscheint erstmals in den Untersuchungen der Vertreter der religionsgeschichtlichen Schule. Sie waren es, die ihre Aufmerksamkeit besonders auf - tatsächliche und vermeintliche - Ätiologien gerichtet haben. Dies liegt in mehreren Ursachen begründet, die mit dem Wesen jener forschungsgeschichtlichen Strömung zusammenhängen. Möglicherweise wurde hier ein Einfluss der klassischen Philologie wirksam, in der sich, wie wir bereits sahen, sowohl die Bezeichnung als auch das Konzept der »Ätiologie« herausgebildet hatte. Gerade jene Schule war nach Auskunft einiger ihrer führenden Vertreter20 empfanglich für Einflüsse von dieser Seite. Ein entscheidender Faktor war, dass die Vertreter der religionsgeschichtlichen Schule - sowohl Alt- wie Neutestamentier ihr Interesse auf »einfache Formen« richteten: alte und volkstümliche Einheiten in Prosa und Dichtung, die der literarischen Überlieferung vorausgingen und in der mündlichen Tradition unterschiedliche Gestalten angenommen hatten. Als Erkennungsmerkmale einfacher Formen dieser Art dienten geprägte Formulierungen, die immer wiederkehren, ebenso die innere Dynamik, welche die Ausrichtung und Art einfacher volkstümlicher Texte bestimmt. Mit Hilfe dieser beiden Kriterien identifiziert die Forschung die kleinen quellenhaften Einheiten und löst sie aus dem Rahmen heraus, in den sie später redaktionell eingefügt wurden. Nicht immer ist eine solche Identifizierung möglich; in schwierigen Fällen neigten die Vertreter dieser Schule dazu, frühe vorliterarische Sagen zu postulieren und zu rekonstruieren. Solchen rekonstruierten Einheiten wurde dann häufig ein ätiologischer Charakter zugeschrieben. Das Interesse an der Ätiologie und an der ätiologischen Erzählung setzte sich in zwei Forschungsrichtungen fort, die sich beide - jede auf ihre Weise - aus der religionsgeschichtlichen Schule entwickelten: die territorialgeschichtliche und die kultgeschichtliche Schule. Der Ansatz der Formanalyse wurde von Alt und seinen Schülern von den Gattungen der Dichtung, der Legende, der Sage und der Prophetie auf Listen und Urkunden übertragen, die in geschichtliche Erzählungen eingebunden sind. So wurden die Methoden der Beschreibung der kleinen Einheiten und ihrer Formmerkmale, ihrer Abgrenzung und Rekonstruktion auch auf die historiographische Literatur übertragen. Auf diesem Wege fand Alt - in der Nachfolge Greßmanns - hinter dem Erzählkranz von der Eroberung Kanaans in Jos 1-11 eine Reihe von Sagen, die ursprünglich eigenständig waren - aber nicht als Heldensagen, sondern als Erzählungen mit lokalem ätiologischen Charakter.21 Das Heiligtum in Gilgal diente als Haftpunkt; 20

S. z.B. W. BAUMGARTNER, Eine alttestamentliche Forschungsgeschichte, ThR NF 25 (1959) 107. 21 ALT, Josua (Anm. 1), 184, fuhrt selbst die Auslegung GRESSMANNs an: H. GRESSMANN, Die Anfänge Israels (SAT I, II), Göttingen 2 1922, 144ff.

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dort wurden - in der Sicht dieser Exegeten - jene Einzelätiologien im Umkreis des Landnahmethemas verfasst, eines wichtigen, aber sekundären Themas. Bereits diese letztere Annahme lässt erkennen, welche Bedeutung hier einem Kultzentrum für den Prozess der Entstehung und Entwicklung einer Ortsätiologie beigemessen wird; und tatsächlich hat in vielen Fällen die Ätiologie keine andere Funktion, als die Gründung eines Heiligtums und seines Kults in alter Zeit zu erweisen. Dieser Umstand veranlasste die Vertreter der kultgeschichtlichen Schule zu weitreichenden Theorien. Überall da, wo in der biblischen Geschichtsschreibung religiöse Handlungen und Rituale Israels oder seiner Repräsentanten beschrieben werden oder wo vom Handeln Gottes, insbesondere von einer Theophanie gesprochen wird, neigt diese Schule zu der Annahme, dass es sich dabei lediglich um die Rückprojektion bestehender Kultbräuche handele oder auch um sakrale Texte, die während der heiligen Rituale vorgetragen worden seien.22 Dieses Verständnis hat zur Folge, dass zahlreiche biblische Geschichtstexte gar nicht als Darstellung einmaliger geschichtlicher Ereignisse gesehen werden, sondern als eine Art »Agende« im Rahmen von Kulthandlungen. Man könnte sie dann - und dies ist für unseren Zusammenhang wichtig - als urzeitliche oder himmlische »Präfiguration« dessen bezeichnen, was je und je im kultischen Ritual geschah. Aus dem Gesagten wird deutlich, dass sich die Aufmerksamkeit der Vertreter der religionsgeschichtlichen Schule und ihrer beiden Ableger im Allgemeinen auf einzelne Ätiologien und nicht auf übergreifende Tendenzen konzentriert hat. Auch wir werden uns in den beiden folgenden Abschnitten zunächst vor allem mit eingegrenzten Ätiologien beschäftigen. 22 Das älteste mir bekannte Beispiel ist die These MowiNCKELs, der die Erzählung von der Überfuhrung der Lade in II Sam 6 als Festlegende für das Neujahrsfest und der Thronbesteigung Gottes ansieht: S. MOWINCKEL, Psalmenstudien, II, Kristiania 1922, 109ff. S. auch A. BENTZEN, The Cultic Use of the Story of the Ark, JBL 67 (1948) 37-53. Analog versteht MOWINCKEL die Erzählung von der Offenbarung am Sinai in Ex 19-20 als Festlegende für die Proklamierung des Dekalogs im Rahmen des Kultes; vgl. Le Decalogue, Paris 1927, 115-120. Entsprechend erklärt auch PEDERSEN Ex 1-15 als Kultlegende; vgl. J. PEDERSEN, Passahfest und Passahlegende, ZAW 52 (1932) 161f. Vgl. auch die grundsätzlichen Ausfuhrungen von ALT zu Dtn 27: A. ALT, Die Ursprünge des Israelitischen Rechts (BVSAW), Leipzig 1934, 63 = Kleine Schriften, I, München 1953, 325. Dem folgte G. VON RAD, Das formgeschichtliche Problem des Hexateuch, Stuttgart 1938. Vgl. auch seine Ausführungen zu Ex33,18ff. (JHWHs Theophanie vor Mose): »kein Zweifel ... eine() Kultätiologie« (»Gerechtigkeit« und »Leben« in den Psalmen, in: W. BAUMGARTNER [Hg.], FS A. Bertholet, Tübingen 1950, 418-427.430 = Gesammelte Studien, München 1958, 225-247.239). Es ließe sich eine Menge von Beispielen hinzufügen, auch aus den Ausfuhrungen der Uppsala-Schule über die Konsequenzen diesen Zugangs für das Verständnis der biblischen Geschichtsschreibung (vgl. auch im Folgenden S. [90f.]).

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II Am Ende unserer Übersicht zum Umgang mit dem Begriff »Ätiologie« blieb der Eindruck - er wird sich im Weiteren noch verstärken -, dass in der neueren Exegese das ätiologische Element in der biblischen Geschichtsschreibung nicht immer an der richtigen Stelle betont und darüber hinaus die Häufigkeit und Bedeutung des ätiologischen Aspekts als solchem überschätzt wurden. Freilich gibt es auch eine Position, die gegenüber ätiologischen Elementen in der Bibel sogar grundsätzlich skeptisch bleibt. Nach U. Cassuto spielt der Begriff »Ursachen« zwar im historischen Denken der Griechen eine Rolle, das nach theoretischem Wissen strebe, nach einem Wissen um seiner selbst willen, nicht aber im semitischen und biblischen Denken, das immer auf ein praktisches Ziel ausgerichtet sei.23 Demzufolge habe man »gegenüber ätiologischen Erklärungen in der Bibelauslegung große Vorsicht walten zu lassen«.24 Mir erscheinen jedoch diese Überlegungen nicht zwingend. Zwar nahm die Erforschung der Ätiologie ihren Anfang in der klassischen Philologie, auch sind erklärende Erzählungen und Motive in der altgriechischen Literatur weit verbreitet, doch kann man nicht sagen, das Streben, die Ursachen der Phänomene zu ergründen, sei nur dem griechischen Geist vorbehalten gewesen. Dieses Streben wird von vielen Völkern geteilt und kommt weltweit in einfachen volkstümlichen Sagen zum Ausdruck.25 Über Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen biblischen und griechischen Ätiologien wird noch zu sprechen sein. Hier sei jedoch schon angemerkt, dass man sich der These, die griechischen Ätiologien seien vor allem theoretischer Art, gerade nicht anschließen kann; in vielen Fällen sind sie auf ein praktisches Ziel gerichtet, wie z.B. die Legitimierung von Kultbräuchen, nicht anders als in der Bibel. Im Blick auf die Bibel wiederum wendet sich Cassutos Argumentation gegen

23 Treffend bemerkte CASSUTO, dass die Fragen in der Legende über Hillel - »Warum sind die Köpfe der Babylonier eiförmig? Warum sind die Augen der Tadmorenser klein? Warum sind die Füße der Afrikaner breit?« (bSchabbat 31a) - mit einem spöttischen Unterton gestellt wurden; sie haben etwas von einer »humoristischen Polemik gegen volkstümliche hellenistische Ätiologien« (Formulierung von Dr. D. FLUSSER). Doch sehe ich darin keine Rechtfertigung für CASSUTOs Zugang zum Problem der Ätiologien der Bibel (dazu gleich). 24 M. D. CASSUTO, Von Adam bis Noah (hebr.), Jerusalem 1944, 77. Nach seinen Erwägungen, dass in den Augen des Semiten das Wissen um des Wissens willen »nur müßig ist«, überrascht freilich etwas die zurückhaltende Schlussfolgerung »mit großer Vorsicht«. 25

S. dazu z.B. F. VON DER LEYEN/K. SCHIER, Das Märchen, Heidelberg "1958, 56.88;

ebenso: Mythus und Märchen, Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 33 (1959) 348-349.

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ihn selbst (jedenfalls gegen seine Tendenz): gerade der Umstand, dass die biblische Geschichtsschreibung keine theoretischen Erkenntnisziele hat, bedeutet ja, dass sie an der Vergangenheit nicht um der Vergangenheit selbst willen interessiert ist, sondern nur insoweit als diese eine Erklärung für die Gegenwart bieten kann. Die naive Erzählung über Geschehen vergangener Tage wird zu wirklicher Geschichtsschreibung aus einem Interesse an der Gegenwart. Dieses Interesse an der Gegenwart - in welcher Form auch immer - begleitet die biblische Geschichtsschreibung in all ihren Phasen. Unsere Untersuchung wird noch zeigen, wie sehr dieser Zug der biblischen Historiographie dazu angetan ist, ätiologisches Denken zu fördern. Es scheint mir geraten, das Problem noch etwas anders zu formulieren: nicht angemessen wäre die Annahme, die biblische Geschichtsschreibung sei grundsätzlich nur auf die Gegenwart oder eine bestimmte Tendenz hin ausgerichtet. Ihren reflektierenden Stadien gehen - wenn unsere einleitenden Thesen zutreffen - ältere Erzählungen voraus, die ausschließlich mit der Absicht geschaffen wurden, eine Geschichte zu erzählen, ohne damit eine Tendenz zu verbinden. Diese Freude am Erzählen ohne ätiologische Abzweckung fehlt freilich auch in den späteren reflektierenden Stadien der Geschichtsschreibung nicht. Tatsächlich werden wir noch zu prüfen haben, ob das ätiologische Element in vielen Fällen nicht sekundär hinzugewachsen ist. M.E. hat die Forschung diese vorätiologische Schicht bisher nicht hinreichend beachtet. Dabei ist besonders auf die gegenwärtige Forschungsrichtung einzugehen, die in jeder Erzählung die Präfiguration eines Kultbrauchs oder die »Agende« eines kultischen Ritus sehen möchte. Sie verbindet die Entstehimg geschichtlicher Überlieferungen mit kultischen Bräuchen und regelmäßigen Riten - in Analogie zur Funktion des Mythos außerhalb Israels, besonders in Babylonien. Diese Position spielt die Verbreitung einmaliger Geschichtstraditionen in Israel herunter, ja verneint nahezu deren Existenz. Dabei droht freilich der Gegensatz zwischen der zyklischen Auffassung der Vergangenheit, die für das mythische Denken der meisten antiken Kulturen charakteristisch ist, und dem einzigartigen israelitischen Geschichtsbewusstsein verloren zu gehen. Bisher sind wir auf zwei Aspekte aufmerksam geworden, die in einer gewissen Spannung zueinander stehen: auf Gründe für die Existenz ätiologischer Elemente in der israelitischen Geschichtsschreibung und zugleich auf Gründe dafür, den Umfang und die Bedeutung dieser Elemente zu begrenzen. Von daher stellt sich die Frage, ob das ätiologische Element in der biblischen Geschichtsschreibung genauer definiert werden kann. Anders formuliert: Gibt es einen Maßstab, mit dessen Hilfe wir den ätiologischen Charakter von historischen Erzählungen und Traditionen zweifelsfrei nachweisen können?

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Wie bereits im vorangehenden Abschnitt gesehen, geht der Gebrauch des Begriffs »Ätiologie« in der neueren Exegese auf die religionsgeschichtliche Schule zurück. Sie stellte zwei ihrem Wesen nach literarische Kriterien auf, mit deren Hilfe es möglich ist, den ätiologischen Charakter einer Erzählung zu erkennen: feste Einleitungs- und Abschlussformeln, welche die Zugehörigkeit der Erzählung zu einer bestimmten literarischen Gattung ausweisen, und die Tendenzen und Ausrichtungen, die die innere Dynamik einer jeden Erzählung bestimmen. Auf den ersten Blick scheinen geprägte Formulierungen so etwas wie einen objektiven Maßstab zu bieten, während die Frage der inneren Dynamik die Gefahr von Subjektivität und Willkür zu bergen scheint. Betrachten wir also den Gebrauch von Formeln, die für ätiologische Erzählungen und Begründungen als charakteristisch gelten. Besonders bekannt sind die Wendungen: »daher nennt man« ([l]K1p und »daher sagt man« ([ipn«" 1 (mehr als dreißig mal in neun verschiedenen biblischen Büchern), mitunter verstärkt durch: »siehe«, (nan) (Gen 16,14; Jdc 18,12; vgl. auch Dtn 3,11) oder: »bis auf diesen Tag« ( ü v n IV Hin). Letzteres findet sich auch selbständig in ätiologischen Erzählungen; aber die ätiologische Funktion dieser Formulierung - Herodot benutzt etwas Entsprechendes oft in verschiedenen Verwendungen 26 - , ist nicht über jeden Zweifel erhaben. Von daher ist nun kritisch zu fragen, ob formelhafte Wendungen dafür hinreichen, Erzählungen als Ätiologien auszuweisen. Zunächst gilt es zu bedenken, dass die biblische Sprache generell nicht über eine systematische Begrifflichkeit verfugt, sondern eine flexible Semantik hat. Deshalb sollte man äußerst zurückhaltend sein, solchen Wendungen sozusagen eine stabile Funktion zuzuschreiben, selbst dann, wenn sie immer wiederkehrende scheinbar feste Formeln darstellen. Der Gebrauch von p ~ b y in den späten reflektierenden Begründungen im Deuteronomium ist dafür ein Beleg. Soziale Bestimmungen im Blick auf Sklaven, Fremde und Witwen können hier mit der Mahnung begründet werden: »Und du sollst daran denken, dass du Sklave warst im Lande Ägypten, darum (p -i ?JJ) gebiete Ich dir, zu tun ...« (Dtn 24,22; vgl. auch 15,15; 24,18). Wie wir noch sehen werden, kann man den Verweis auf die 26

Herodot gebraucht Formulierungen dieser Art, der Liste von W. SCHMID, Geschichte der griechischen Literatur, II, München 1934, 591, zufolge, einundfunfzig Mal. Wenn man die Stellen nachprüft, wird deutlich, dass ihr Charakter unterschiedlich ist. Manchmal dienen die Worte dazu, die Zuverlässigkeit des Erzählten zu bezeugen - wie z.B. 1,181; II,(122.)130.135.154; vgl. auch 11,99 über den Wert der Autopsie - und manchmal heben sie die Wurzeln eines gegenwärtigen Phänomens in der Vergangenheit hervor; in solchen Fällen, deren Charakter sehr variiert, sind Ätiologien in der technischen Bedeutung des Wortes enthalten (wie z.B. 11,113; 111,48), denen allerdings manchmal eine Wendung von eigenartiger Tendenz gegeben wird (wie z.B. 11,141).

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Vergangenheit zur Rechtfertigung eines gegenwärtigen Gesetzes als »ätiologisch« bezeichnen. Die gleiche Formel (»darum gebiete Ich dir«) findet sich aber auch dann, wenn ihr eine Begründung völlig anderer Art vorausgeht, wie z.B. die Sorge um die Existenz des Armen, »der allezeit im Lande sein wird« oder in Bezug auf den Zorn des Bluträchers (15,11; 19,6f.) - in Zusammenhängen, die jeglicher ätiologischen Dimension entbehren. Darüber hinaus ist zu erkennen, dass in der biblischen ebenso wie in der griechischen und hellenistischen Literatur die ätiologische Tendenz mit ihren geprägten Formeln nicht selten ein sekundäres Element darstellt, das mit einem ursprünglich nicht-ätiologischen Stoff verbunden wurde.27 Ein solcher Prozess kann nachgewiesen werden, wenn uns parallele Bearbeitungen ein und derselben Erzählung vorliegen. Als Ausgangspunkt hierfür kann eine ganze Reihe biblischer Erzählungen dienen, denen jegliche ätiologische Aussageabsicht fehlt, die dann aber in unzweifelhaft sekundärer ätiologischer Einkleidung erscheinen. Die spätere Fassung findet sich in den hier gemeinten Fällen in einem nichtbiblischen Buch, dem Jubiläenbuch, das zum großen Teil die Texte der Genesis im Wortlaut übernimmt und mit midraschartigen Zusätzen und Erklärungen erweitert. So wird in Jub 34 erzählt, dass die Brüder Josef an Ismaeliten in Dothan verkauften, einen Ziegenbock schlachteten, Josefs bunten Leibrock mit dem Blut tränkten und ihn so ihrem Vater brachten. Jakob trauerte um seinen geliebten Sohn und war nicht zu trösten. Soweit folgt der Jubiläenautor 27 Obwohl meiner Ansicht nach der sekundäre Charakter der ätiologischen Abschlussformeln im biblischen Material nicht genügend betont wurde, fehlte nicht die Unterscheidung zwischen Erzählungen, deren Aussageabsicht hauptsächlich ätiologisch ist, und Erzählungen, denen eine ätiologische Wendung gegeben wurde, die nicht der Substanz der Erzählung verankert ist. BAUMGARTNER, ein profilierter Vertreter der formgeschichtlichen Schule, stellte die Forderung nach einer Unterscheidung in seinem Aufsatz über das Gelübde Jephtas: das Märchenmotiv »dient jetzt zur Erklärung eines Kultbrauches, mit dem es seinem Wesen nach gar nichts zu tun hat; zur Kultlegende ist es erst nachträglich gemacht worden. Das soll uns ... zur Vorsicht mahnen.« Vgl. W. BAUMGARTNER, Jephtas Gelübde in Jud. II30-40, ARW 18 (1915) 247; vgl. auch die Weiterfuhrung seines Ansatzes: Israelitisch-griechische Sagenbeziehungen, Schweizerisches Archiv für Volkskunde 41 (1944) 22 = Das Alte Testament und seine Umwelt, Leiden 1959, 168. Dieses Phänomen wurde auch bezüglich ätiologischer Elemente in der griechischen Sage gesehen. Es ist mir nicht gelungen, die Belege von HAMPE einzusehen, der behauptet, dass »ätiologische Kultlegenden« den frühen Sagen und der frühen Kunst fremd und erst in einer späten Phase in sie eingedrungen sind; vgl. R. HAMPE, Frühe griechische Sagenbilder in Böotien, Athen 1936; s. auch: L. RADERMACHER, Mythos und Sage bei den Griechen, Wien/Leipzig 1938, 67-68. Interessantes über den allgemeinen Charakter des Märchens und der Sage (mit einem polemischen Unterton gegen die

M e i n u n g e n v o n J. U . FOLKERS u n d F. VON DER LEYEN) f i n d e t s i c h b e i M . LÜTHI, D i e

Gabe im Märchen und in der Sage, Bern 1943, 114-115: »d[as] aitiologische[ ] Bedürfnis^] ... [ist] ... nicht Wesensgrund, sondern nur äußerer Anlaß«.

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wortwörtlich der Genesis, dann aber fährt er fort: »... am Zehnten des siebenten Monats ... Darum ist angeordnet über die Kinder Israel, dass sie trauern am Zehnten des siebenten Monats, an dem Tag, da kam, was ihn den Tod des Joseph beweinen ließ, zu seinem Vater Jakob - damit man sich entsühnt an ihm durch junge Ziegenböcke, am Zehnten des siebenten Monats, einmal des Jahres wegen ihrer Sünde. Denn sie haben betrübt die Liebe ihres Vaters wegen seines Sohnes Joseph. Und dieser Tag ist angeordnet worden, dass sie betrübt seien wegen ihrer Sünde und wegen aller ihrer Übertretung und wegen all ihrer Verirrung, dass sie sich reinigen an diesem Tag, einmal im Jahr« (V. [12.]18f.). Hier diente die biblische Joseferzählung als Grundlage für ein ihr ursprünglich völlig fremdes ätiologisches Motiv. In gleicher Weise folgt der Jubiläenautor der Genesis in seiner Darstellung der Opfer Noahs nach der Sintflut und der Verheißungen Gottes, fügt dann aber hinzu, dass sich all dies im dritten Monat ereignete (6,1). Nachdem er das Zeichen des Bogens in den Wolken erwähnt hat, fahrt er fort: »Darum ist angeordnet und aufgeschrieben auf den himmlischen Tafeln, dass sie das Fest der Wochen28 halten in diesem Monat29, einmal im Jahr, zu erneuern den Bund Jahr für Jahr« (6,17). Hier wurde also eine Ätiologie für das Wochenfest in die Sintfluterzählung eingefügt. Jub 16 erzählt, dass Abraham einen Altar in Beerscheba baute und dass er »ein Freudenfest« veranstaltete »in diesem Monat, sieben Tage lang in der Nähe des Altares, den er in Beerscheba gebaut hatte. Und er baute Hütten für sich und seine Knechte an diesem Fest. Und er war der erste, das Fest der Hütten auf der Erde/im Land zu feiern. Und in diesen sieben Tagen brachte er Tage für Tag auf den Altar ein Brandopfer für den 30 HERRN: zwei Rinder ... «, Hier wird das Laubhüttenfest ätiologisch in einer Lokaltradition über Abraham in Beerscheba begründet. In vieler Hinsicht ist das Jubiläenbuch charakteristisch für die erzählerische Entwicklung in den biblischen Büchern. Späte Traditionen bergen alte Elemente. Manchmal nimmt ein bestimmter Stoff verschiedene Ge28 Diesem Text kommt große Bedeutung bezüglich der Geschichte der Konzeption des Wochenfestes in Israel zu; s. dazu meine Ausfuhrungen in: Voraussetzungen der Midraschexegese, in: G. W. ANDERSON u.a. (Hg.), Congress Volume, Copenhagen 1953 (VT.S 1), Leiden 1953, 162-163 [in diesem Band S. l l f . ] . 29 Es ist nicht auszuschließen, dass man einer bestimmten Tradition zufolge das Wochenfest am ersten des dritten Monats feierte; vgl. bes. Esra 7,8f. Mir scheint, es gab eine Tradition, der zufolge der Auszug aus Ägypten am ersten des ersten Monats stattfand, vgl. Ex 13,4; 23,15; 34,18; Dtn 16,1. 30 Das Laubhüttenfest dauert hier sieben Tage, und es gibt keinen Hinweis auf das Abschlussfest ( m s s ) . Die Zahl der in V. 22f. erwähnten Opfer und ihr Charakter unterscheiden sich von dem, was in Num 29,13-33 steht. Es scheint, dass wir weder eine freie Erzählung noch eine Auslegung des Bibeltextes vor uns haben, sondern eine unabhängige apokryphe Tradition.

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stalten an, wobei die spätere eine freie Bearbeitung der vorangehenden darstellt.31 Wenn wir also im Jubiläenbuch eine ätiologische Neuausrichtung ursprünglich nicht-ätiologischer Erzählungen finden (sogar mit der scheinbar eindeutigen ätiologischen Formel: »daher« []D~bs;]), dürfen wir eine entsprechende sekundäre Einarbeitung ätiologischer Elemente auch in frühen Überlieferungsstufen vermuten, bei denen es uns häufig nicht möglich ist, ursprüngliche und spätere Fassungen zu vergleichen. Mit einer entsprechenden Entwicklung ist demnach auch im Blick auf die hebräische Bibel selbst zu rechnen. Bereits der Umstand, dass in der Bibel und auch in der griechischen Literatur ätiologische Motive gelegentlich in zwei verschiedenen Fassungen überliefert sind (Beispiele dazu im Folgenden), gibt Anlass zu der Vermutung, dass das ätiologische Motiv nicht notwendigerweise zum ältesten Bestand einer Erzählung gehörte. Mitunter kann man feststellen, dass uns die Ätiologie in zwar nur einer Fassung überliefert ist, dass diese aber zu einem anderen Text in Widerspruch steht. In Num 17,1-5 heißt es, der Brandopferaltar sei mit dem Erz der Pfannen, in denen die Angehörigen der Rotte Korach ihre Rauchopfer darbrachten, verkleidet worden. Dies stimmt nicht überein mit der Anweisung im Zusammenhang mit dem Bau der Stiftshütte (Ex 27,2) und mit ihrer Ausfuhrung (Ex 38,2). Erst kürzlich stellte ein Exeget die These auf, dass die Ätiologie in Num 17 keine inneren Bezüge zur Erzählung über die Rotte Korach aufweist und es sich daher um eine sekundäre Erweiterung handelt.32 Hinsichtlich der Namensätiologien hat man bereits unterschieden zwischen Erzählungen, in welche die Formulierung »und er/man nannte« (•£? D]K~)p,l) eingebunden ist und Erzählungen, die mit »daher nannte man« (X~ip p -i ?J?) abschließen. Die Bedeutungsunterschiede der verschiedenen Formeln scheinen sich in späterer Zeit für die Autoren verwischt zu haben. So begegnen etwa beide Formeln in zwei parallelen Traditionen zu einem Ereignis: »und David ließ sich in der Zitadelle nieder und nannte (K~ip,l) sie: Stadt Davids« (II Sam 5,9), und parallel dazu: »und David ließ sich in der Bergfeste nieder, daher nannte man ("itop sie: Stadt Davids« (I Chr 11,7). Dabei vermittelt gerade die späte Formulierung in der Chronik den Eindruck, dass hier ein in der Erzählung angelegtes ätiologisches Moment profiliert wird.33 Tatsächlich klingt letztere Wendung - »daher nannte 31

Vgl. SEELIGMANN, Midraschexegese (Anm. 28), 151 [in diesem Band S. lf.]. J. LLVER, Korah, Datan, Abiram (ScrHie 8), Jerusalem 1961, 191, der auch aufzeigt, wie in der Septuaginta zu Ex 38,22 versucht wurde den Widerspruch zu glätten. 33 Eine interessante und bedeutsame Frage, die sich hier stellt, ist, ob dasselbe literarische Verhältnis - auch hinsichtlich der Diachronie - zwischen den Formulierungen der Sabbatätiologien in Gen 2 und in Ex 20 besteht. Gen 2,1-3: »und es wurden vollendet der Himmel und die Erde ... und Gott vollendete am siebten (lies: »sechsten«; vgl. die samaritanische Fassung und die Septuaginta) Tag sein Werk, das er gemacht (ntffl?) hatte, 32

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man« ("iK~)p - wie eine sekundäre Reflexion, die dem Korpus der Erzählung hinzugefugt wurde. Dies gilt insbesondere für Erzählungen, in denen der Personen- oder Ortsname, als dessen Erklärung die ganze Erzählung scheinbar dient,34 sich bereits im Vorfeld dieser abschließenden Wendimg findet, oder dort, wo diese über die Erzählung hinausragt, wie z.B. bei der Flucht Lots in Gen 19,22: »Daher nannte man die Stadt Zoar« (... otö t o p Auch bezüglich der Wendung »bis zu diesem Tag« (TS? nrn DVn) müssen wir wohl mit redaktionellen Zusätzen rechnen, zumal an einer Stelle die Formulierung »bis zu eben diesem Tag« (nrn nvn Dül? ni?) (Jos 10,27) begegnet, an deren sekundär-redaktionellem Charakter kein Zweifel bestehen kann. Weiterhin besteht Konsens, dass die ätiologischen Motive in den Genealogien in I Chr (4,9-10; 7,23) nicht zur ältesten Schicht dieser Listen gehören. Diese Problematik ist von besonderer Bedeutung im Blick auf Jos 111,35 Wie bereits angemerkt, wollten in den letzten Jahrzehnten viele Exegeten gerade in diesem Traditionskomplex ätiologische Erklärungen finden. Innerhalb der vorliegenden, scheinbar zusammenhängenden Landnahmeerzählung entdeckten Alt und seine Schüler eine Reihe von Ortssagen mit primär ätiologischem Charakter. In der Tat ist anzunehmen, dass ein Teil dieser Traditionen ursprünglich lokalen Charakter hatte und erst im Laufe der Zeit in die Landnahmeerzählung integriert wurde. Die Integration einzelner, meist lokaler Überlieferungen in ein nationales Thema von großer Bedeutung und Anziehungskraft ist ein Charakteristikum der biblischen Geschichtsschreibung.36 Dennoch erscheint mir die Ursprünglichkeit der angenommenen ätiologischen Bedeutung höchst zweifelhaft. Die Erzählung über die Tötung der fünf Könige in der Höhle bei Makkeda und er ruhte am siebten Tag ... und Gott segnete den siebten Tag und heiligte ihn«-, Ex 20,11: »denn an sechs Tagen machte (HEU) der HERR den Himmel und die Erde ... und er ruhte am siebten Tag, daher segnete der HERR den Sabbat-Tag und heiligte ihn.« Anscheinend stehen sich die Texte nahe: hat man daraus zu schließen, dass Ex 20 eine spätere Version als die in Gen 2 darstellt? 34 J. FICHTNER, Die etymologische Ätiologie in den Namengebungen der geschichtlichen Bücher des Alten Testaments, VT 6 (1956) 378f., unterscheidet zwischen verschiedenen Formen von Ätiologien. Als Beispiele, in denen die Erwähnung des Namens, den die Erzählung sozusagen erklären soll (»daher nannte man ...«), der Ätiologie vorausgeht, führt er an (ebd. 379): Gen 33,17; Ex 15,23; Num 13,23; I Sam 5,20. 35 Zum Problem dieser Kapitel vgl. J. BRIGHT, Early Israel in Recent History Writing, London 1956, 91-100; Y. KAUFMANN, Das Buch Josua (hebr.), Jerusalem 1959, 26 Anm. 35, Z. 2f. Meine Argumente unterscheiden sich allerdings erheblich von denen BRIGHTS u n d KAUFMANNS. 36

In dieser Frage fällt es mir schwer, der Sicht KAUFMANNS zuzustimmen. Häufig kann man nachvollziehen, wie eine historiographische Erzählung aus einer Reihe kurzer Erzählungen zusammengesetzt wurde, die einmal selbständig waren und deren Anfang und Schluss noch ansatzweise erhalten sind.

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bestimmt M. Noth in seinem Kommentar 37 als eine klare Ätiologie, die an den großen Steinen am Eingang der Höhle »bis zu eben diesem Tag« (ii? nrn a v n DSJJ) (10,27) hafte. Es ist schwer nachzuvollziehen, wie Noth darin den Ausgangspunkt der Erzählung sehen konnte, heißt es da doch: »als die Sonne unterging, nahm man sie auf Befehl Josuas von den Bäumen ab und warf sie in die Höhle, in der sie sich versteckt hatten, und wälzte große Steine vor die Höhle bis zu eben diesem Tag«. Hier liegt auf der Hand, dass es sich um einen späten Zusatz im Sinne von Dtn 21,23 handelt, der in keinem organischem Zusammenhang mit der Erzählung selbst steht. Zudem begegnet die selbe deuteronomistische Bearbeitung ein weiteres Mal mit einer ganz parallelen Formulierung: »und den König von Ai hängte er an den Baum bis zum Abend, und als die Sonne unterging, nahm man auf Befehl Josuas seine Leiche vom Baum und warf sie an den

Eingang des Stadttores und errichtete auf ihr einen großen Steinhaufen bis zu diesem Tag« (8,29). Im Vergleich der beiden Stellen mit ihrer quasi schematischen Formulierung tritt der sekundäre Charakter der ätiologischen Hinzufiigung zu den Erzählungen hervor, die ihrem ursprünglichen inneren Gefalle nach durchaus nicht ätiologisch waren. 38 Entsprechendes gilt für Jos 5,9; dort bildet zwar die Aussage »heute habe ich die Schmach Ägyptens von euch abgewälzt (Tn^:)« eine Ätiologie für den Ortsnamen Gilgal; gleichwohl erscheint ihr Zusammenhang mit der Erzählung der Beschneidung der Israeliten konstruiert und lose. Ebenso bestand wahrscheinlich die Strafe für die Verletzung des Banns durch Achan in der Verbrennung, die in Jos 7,15 angekündigt wird. Die daneben zweimal in V. 25 erwähnte Steinigung ist hingegen ein sekundäres Motiv, das dazu dient, den großen Steinhaufen zu erklären, der dort steht »bis zum heutigen Tag« (nrn a v n IV) (V. 26). 39 Nach dem Abschluss »und der H E R R wandte sich ab von seinem Zorn« ist kein Raum für die genannten Textelemente [V. 25ba.y, 26aa], die den Anfang von Vers 25: »und es sagt Josua: Warum hast du uns ins Unglück gebracht? So soll der H E R R dich ins Unglück bringen an diesem Tag« fortfuhren. Bei dieser Josuarede wiederum drängt sich die Annahme einer Ergänzung auf, weil sie Zusammengehöriges

37

»Die (Überlieferung) ist ... ausgesprochen ätiologisch«; M. NOTH, Das Buch Josua (HAT 7), Tübingen 2 1953, 60. 38 Auch die Geschichte vom Untergang Ais bezeichnet NOTH als ätiologisch, wenn in diesem Fall vielleicht auch ein gewisses Maß an Zurückhaltung in seinen Ausfuhrungen, die gleichwohl verwunderlich sind, zu spüren ist (vgl. ebd. 47). 39 Vgl. C. H. W. BREKELMANS, De Herem in het Oude Testament, Nijmegen 1959, 93-94, der die Ausfuhrungen NOTHs, Josua (Anm. 37), 46, nicht genau referiert (in deren Erweiterung eine gewisse Abschwächung seiner in der ersten Auflage von 1938, 23, vertretenen Position zu spüren ist).

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trennt: »und sie brachten sie hinauf in das Tal Achor ... und verbrannten sie mit Feuer ,..«40 In Jos 4,20-24 dient die Erzählung von der Wundertat Gottes, dem Durchzug der Israeliten durch den Jordan, als Grundlage einer Geschichtsparänese für die künftigen Generationen. Die Paränese ist gegenüber der Wundererzählung sekundär, das ätiologische Moment darin zudem ausgesprochen schwach. Hier stoßen wir auf einen Grundirrtum von Alt und seiner Schule, auf den bereits andere hingewiesen haben.41 In Fragen wie: »Wenn eure Söhne eines Tages ihre Väter fragen« (Jos 4,21) hören sie die zeitlose, naive Kinderfrage, die von Naturphänomenen angeregt wird. Dabei kommt hier lediglich das biblische Geschichtsbewusstsein zum Ausdruck. Von den zahlreichen Belegen seien hier nur folgende aufgeführt: Jos 22,24ff; Dtn 6,20-23; vgl. auch Dtn 4,9; Jdc 6,13; Ps 44,2; 78,3f.; Joel 1,3! In Wahrheit hat Alt, der so nachdrücklich die Bedeutung der Gattungsforschung für die biblische Geschichtsschreibung hervorhebt, in erstaunlicher Weise zwei Gattungen verwechselt, die in keinem inneren Zusammenhang stehen: die einfache Sage und die Paränese, die erst in fortgeschrittenen Stadien der biblischen Historiographie erscheint. Ebenso hat er dem späteren geschichtlichen Denken in Israel mit seinen ätiologischen Momenten zu wenig Beachtung geschenkt. Davon wird im letzten Teil unserer Untersuchung noch zu reden sein. Hier soll nicht die Ansicht vertreten werden, jede Ätiologie in der biblischen Geschichtsüberlieferung habe notwendig als ein spätes Phänomen zu gelten. Schließlich findet sich - neben den bisher skizzierten Phänomenen - auch das entgegengesetzte: das Auftreten einer Ätiologie in einer alten Überlieferung, die in einer jüngeren nicht mehr erscheint.42 Gleichwohl führen die bisherigen Überlegungen insgesamt darauf, dass Abschlussformeln wie z.B. »daher nannte man« oder »bis zu diesem Tag«, auf die sich die Forschung zur Bestimmung des ätiologischen Charakters einer 40 Eine andere Form dieser Ätiologie findet sich in I Chr 2,7: »Achar brachte Israel ins Unglück« (BXITJ'' "IDIS "I3ÏÏ), und in der Septuaginta zu Josua: Ax13mDJJ~pD5T< benutzte wegen ihrer Ähnlichkeit zum Namen des Mannes; und seitdem war der Name für das Tal festgelegt«, überzeugt nicht. 41 Diesen Fehler berührt auch BRIGHT, Early Israel (Anm. 35), 92, wenn auch nicht entschieden. Vgl. auch die Ausführungen von J. A. SOGGIN, Kultätiologische Sagen und Katechese im Hexateuch, VT 1 0 ( 1 9 6 0 ) 3 4 1 - 3 4 7 . Zum Verständnis des gedanklichen Hintergrunds und der Gattung, denen »die Sohnesfrage« zugehört, empfiehlt es sich, das Material in A. H. J. GUNNEWEG, Mündliche und schriftliche Tradition der vorexilischen Prophetenbücher, Göttingen 1959, 77-78, und die Erörterung ebd. zu studieren; dazu gleich. 42 Dieses Phänomen hat auch FICHTNER, Etymologische Ätiologie (Anm. 34), 376377, beobachtet. Zu den Beispielen, die er anführt, vgl. im Folgenden, Abschnitt III.

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Erzählung gern stützt, in vielen Fällen eine sekundäre Hinzufügung darstellen. Damit verliert dieses äußere Erkennungsmerkmal an Gewicht. Als Konsequenz halten wir fest: aus dem Vorliegen derartiger Abschlussformeln können wir nicht ohne Weiteres auf den ätiologischen Charakter einer Erzählung schließen. Damit stellt sich die Frage, ob es ein Kriterium gibt, mit dem sich eine originäre ätiologische Tendenz ermitteln lässt. Letztlich bleibt dafür nichts anderes als das innere Gefälle der zu untersuchenden Erzählung. Zwar spielt bei dessen Beurteilung ein subjektives Moment hinein, dennoch können wir nur dem narrativen Gefälle folgen, das uns etwa fragen lassen kann, ob möglicherweise eine Vermischung von Erzählungen mit Namenserklärungen vorliegt. So neigen wir dazu, in Gen 32,8.11 (Jakob teilt seine Frauen und seine Kinder in zwei Lager [rmnö] und spricht darüber ein Dankgebet) eine Namensätiologie für »Machanaim« zu sehen. Wenn es bei der Geburt des ersten Sohnes von Isaak und Rebekka heißt, »rötlich ('IIDIK), ganz und gar wie ein haariger Mantel ("IUE;)« war er (Gen 25,25), erwarten wir entsprechend eine Herleitung des Namens »Edom« (onK) oder »Se'ir« ("PI?»).43 In einem anderen deutlichen Beispiel führt das innere Gefälle der Erzählung auf die Annahme, dass eine ätiologische Überlieferung von einer Person auf eine andere übertragen wurde: Wenn wir in der Hanna-Episode in I Sam lf. lesen: »der Gott Israels wird deine Bitte ("¡n^E?) erfüllen, die du Ihn gebeten hast ( I C Y O N ^ K E ; "IT^N)« (1,17); »denn von dem H E R R N habe ich ihn erbeten ( V N ^ K Ü ) « (1,20); »und es erfüllte mir der H E R R meine Bitte (Ti1?«®), d i e i c h v o n I h m gebeten habe (loun it&K)« (1,27); »ich habe ihn dem H E R R N hergegeben (inn'rxi&n) ... er ist dem H E R R N geliehen (^IKE?)« (1,28); »als Entgelt für das Darlehen (n^Ktö), das er für den H E R R N genommen hat (büü)« (2,20), dann spüren wir eine innere Dynamik, die ganz auf die Deutung des Namens »Saul« (^iNttf) ausgerichtet ist. Von daher und aus weiteren Gründen - des Motivs des Nasirats, des Charakters des Liedes der Hanna etc. - wurde in der Forschung vertreten, dass hier eine ursprüngliche Erzählung von der Geburt des Königs Saul auf den Propheten Samuel übertragen wurde; diese Sicht erscheint mir begründet.44 Im Grunde ist das Gefälle der Erzählung manchmal überzeugender als jedes äußere Kennzeichen für eine Ätiologie. Wenn wir etwa lesen, dass

43 Die daraus zu ziehenden Folgerungen behandelt V. MAAG, Jacob, Esau, Edom, ThZ 12 (1957) 418-429. Allerdings ist in Rechnung zu stellen, dass im Hintergrund der Ätiologie in Gen 25,25 die Wurzel TOB II mit der Bedeutung »bedecken« steht; vgl. I. ELTAN, A Contribution to Biblical Lexicography, New York 1924, 57-58. Den Beispielen dort ist hinzuzufügen Num 15,24 (im Vergleich mit Lev 4,13, s. A. B. EHRLICH, Randglossen II, Leipzig 1909, 166-167) und vielleicht Ps 9,16, doch vgl. Ps 7,16. 44 Vgl. auch: I. L. SEELIGMANN, Rezension: U. Cassuto, A Commentary on the Book Genesis, I From Adam to Noah, BiOr 9 (1952) 199-200.

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Noah Sem und Jafet segnete, während die Sünde Kanaans45 seine Verfluchung nach sich zog (»und er sagte: verflucht ist Kanaan, ein Sklave der Sklaven wird er seinen Brüdern sein« [Gen 9,25]), ein Fluch, der danach noch bekräftigt wird (»und Kanaan soll ihm Sklave sein« [V. 26f. ]), dann ist deutlich, dass wir hier eine Erzählung mit einer aktuellen ätiologischen Tendenz vor uns haben, welche die Unterwerfung Kanaans in der Gegenwart legitimieren soll,46 unbeschadet dessen, dass der Erzähler kein »bis zu diesem Tag« (ntn ovn TU) oder »darum« (|D -i ?ü) hinzufugt. Gerade in den Erzählungen über Segen und Fluch (in denen noch die magische Wirkkraft des Wortes zu spüren ist)47 finden sich klare Beispiele für Ätiologien, die in besonderer Weise dem kollektiven Geschichtsbewusstsein Israels entsprechen.48 Trotzdem weisen sie ihrem literarischen Wesen nach keine formelhaften Elemente auf. Diese Erzählungen überzeugen, weil sie inhaltlich auf die Zukunft ausgerichtet sind, die für den Erzähler Teil der Gegenwart ist, und diese erfährt nun eine Erklärung und Bestätigung. Tatsächlich scheint es einen ausdrücklichen Beleg für die mit dieser Gattung verbundene ätiologische Tendenz zu geben. Am Ende des »Jakobsegens« heißt es: »Das sind die zwölf Stämme Israels alle, und das ist es, was ihr Vater ihnen sagte, und er segnete sie, einen jeden segnete er seinem Segen entsprechend« (Gen 49,28). Zu Recht hat man gesagt,49 die eigentliche Bedeutung dieses Schlussverses sei: Er segnete jeden einzelnen seiner Söhne entsprechend dem Segensstand, den ihre Nachkommen gegenwärtig erfahren (vgl. auch Dtn 16,17: »ein jeder seiner Gabe entsprechend, nach dem Segen des H E R R N , deines Gottes, den Er dir gab«). Das bedeutet: der Redaktor, der die im »Jakobsegen« enthaltenen Stammessprüche sam-

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Der Tradition in dieser Perikope zufolge ist Kanaan einer der drei Söhne Noahs (V. 24). Die Worte DPI wurden dem Text hinzugefügt (V. 22; ebenso in V. 18: »und Ham ist der Vater Kanaans«), um diese Tradition vermeintlich der gängigeren Tradition anzugleichen, der zufolge Ham einer der Söhne Noahs war (5,32; 6,10; 7,13; 9,18; 10,1). Vgl. J. WELLHAUSEN, Die Compositum des Hexateuchs, Berlin 18993, 12-13. 46 DE WETTE, Beiträge II (Anm. 9) erklärt das Verhältnis zwischen den Namen Ham und Kanaan anders die heute übliche Deutung, wie wir sie in der vorhergehenden Anmerkung angeführt haben. Doch interessant ist seine Bemerkung: »Darum mußte der unschuldige Canaan verflucht werden, weil er der Stammvater der verhaßten Cananiter war« (75). Vgl. in neuerer Zeit L. ROST, Noah der Weinbauer, in: W. F. ALBRIGHT (Hg.), Geschichte und Altes Testament, FS A. Alt, Tübingen 1953, 169-178. 47 Zu der »unbedingte[n], unwiderrufliche[n] Auswirkung« von Segen und Fluch vgl. J. HEMPEL, Die israelitischen Anschauungen von Segen und Fluch im Lichte altorientalischer Parallelen, ZDMG 79 (1925) 20-110.26ff. 48 S. ausführlich J. SCHARBERT, Solidarität in Segen und Fluch im Alten Testament, Bonn 1958. 49 Vgl. die Bemerkung von A. B. EHRLICH, Randglossen zur hebräischen Bibel I, Leipzig 1908, 252 zu Gen 49,28.

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melte, legte sie dem Stammvater in den Mund, weil er die Situation der Stämme in seiner Zeit erklären und legitimieren wollte. Anzumerken ist, dass bei dieser Art von Segens- und Fluchworten, bei denen das ätiologische Element sich stärker am Inhalt als an der Form festmacht, die Ätiologie sich nicht auf die Erklärung eines Namens oder einer Gegebenheit beschränkt: ihr Horizont ist weit, und die Segens- und Fluchworte enthalten sozusagen ein umfassendes teleologisches Bild dessen, was geschehen soll.

III In diesem Abschnitt wollen wir versuchen, eine Auswahl einzelner biblischer Erzählungen und ätiologischer Motive zu klassifizieren, zu analysieren und auszulegen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit ist es unsere vorrangige Absicht, die soeben besprochenen literarischen Probleme an weiteren Beispielen zu veranschaulichen; des weiteren soll eine Prüfung der erwähnten Motive hinsichtlich ihrer Bedeutung für die biblische Geschichtsschreibung und deren Phasen ermöglicht werden. Wie in Griechenland und Rom, so dienen auch in der Bibel zahlreiche Ätiologien dazu, Personen- und Ortsnamen zu erklären,50 »etymologische Mythen (Deduktionen)« nach dem Sprachgebrauch de Wettes51, die gegenwärtig als QCS ' B U D (»Namensdeutungen«) bezeichnet werden. Man hat richtig bemerkt, dass diese Ätiologien eine besondere Bedeutung in einem Denken haben, das zwischen Namen und Inhalt nicht strikt unterscheidet und in dem ein Name das Wesen seines Trägers bestimmt.52 Die Existenz solcher Ätiologien, besonders in der Genesis, ist unstrittig; hierzu bedarf es keiner weiteren Ausfuhrungen. Schon aus der zitierten Definition de Wettes wird deutlich, dass die Forschung gerade diese ätiologischen Traditionen fiir unhistorisch hält, und dies zu Recht. Besonders deutlich ist dies in den Fällen, in denen die ätiologische Erzählung eine philologisch unzutreffende Ableitung bietet. Entsprechend der Ausrichtung auf den Sonnenaufgang im Osten (nD'Hp , m p ) wird der Süden ]QTi ^ n 1 (»rechte 50 Beachtung verdient, dass GIGON in einem interessanten Aufsatz drei Wege nennt, welche die römischen Geschichtsschreiber der republikanischen Zeit zur Rekonstruktion der Geschichte Roms gingen: er unterscheidet zwischen Ätiologien von Personen- und Ortsnamen als einem ersten Weg und Ätiologien von Bräuchen und Institutionen als einem zweiten Weg; vgl. O. GIGON, Zur Geschichtsschreibung der römischen Republik, in: Sprachgeschichte und Wortbedeutung, FS A. Debrunner, Bern 1954, 153. 51 DE WETTE, Beiträge II (Anm. 9), 130.133-135 u.ö. 52 Vgl. den Anfang des Aufsatzes von FICHTNER (Etymologische Ätiologie, Anm. 34); G. VON RAD, Theologie des Alten Testaments II, München 1960. VON RAD spricht von einer »Hintergründigkeit« des Phänomens.

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Seite«) genannt; vermutlich nannten die im Zentrum des Landes lebenden Stämme die Leute im Süden (»Benjamin«) (vgl. z.B. I Sam 22,7: TD 1 'JD; der Name ist uns heute auch aus den Maritexten bekannt). Das bedeutet, die Ätiologie »als ihr Lebensatem wich ... nannte sie ihn >Ben Oni< (''ilK p , [>Sohn meiner MühsalBenjamin< (j'Q^n)« (Gen 35,18) hat zwar poetischen, jedoch keinen philologischen oder historischen Wert. Ähnliches finden wir in Gen 50,10f.: »... Und er [sc. Josef] hielt Trauer (SDK) über seinen Vater sieben Tage lang. Und als die Bewohner des Landes, die Kanaaniter, die Trauer (bnKn) in Goren ha-Atad sahen, sagten sie: >dies ist eine große Trauerfeier (^DK TDD) für Ägyptern, daher nennt man es o n s o bDK (>Trauer Ägyptensder Brunnen, an dem Streit- und Rechtsangelegenheiten geklärt werden< bedeuten, etwa vergleichbar mit dem Namen tasttfiD yv (der in Gen 14,7 mit Kadesch identifiziert wird); im Hintergrund steht ein alter und verbreiteter Brauch.56 Die meisten der hier angeführten

54 Vgl. auch J. HEHN, Zur Bedeutung der Siebenzahl, in: K . B U D D E (Hg.), Vom Alten Testament, FS K. Marti, Gießen 1925, 135-136. 55 FICHTNER, Etymologische Ätiologie (Anm. 34), 376-377. Anzumerken ist, dass der Abschnitt in Dtn 32,48-52 ohne Zweifel zu einer eindeutig priesterlichen Quelle gehört und dass man ihn nicht wie Fichtner als charakteristisch für das Deuteronomium ansehen kann. 56 S. dazu H. GRESSMANN, Mose und seine Zeit, Göttingen 1913, 451. Gestützt auf Überlegungen von WELLHAUSEN und E. MEYER schreibt GRESSMANN (ebd. 123), in die Erzählung über Mara (Ex 15,22-25) sei ein Abschnitt einer Erzählung über Massa integriert: 1HC0 Qtffl [...] (V. 25b[ ]). Prof. A. SCHAPIRA machte mich darauf aufmerksam, dass hier möglicherweise eine zweite Ätiologie für den Namen »Mara« ( m o ) vorliegt, da in der Verbindung D n n n 'D (Num 5,18.19.23.24.27) das Wort D n n n - nach im Status constructus - nicht in seiner üblichen adjektivischen Bedeutung steht, sondern als

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Geschichtsschreibung

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Ätiologien sind gegenüber den Erzählungen, mit denen sie verbunden wurden, sekundär. Sie dienen diesen Erzählungen als Ausschmückung, und manchmal führen sie in diese ein spielerisches Element ein.57 Das gleiche Phänomen doppelter Erklärungen sowie entsprechender literarischer Prozesse begegnet bei Ätiologien von Sprichwörtern. Auch hier handelt es sich um einen Typ von Ätiologien, dessen Vorkommen nicht bezweifelt wird. Wie wir ebenfalls schon sahen, findet er sich gleichermaßen in der griechischen wie der biblischen Literatur.58 Ein bekanntes biblisches Beispiel ist der Spruch »Ist auch Saul unter den Propheten?«. Zu ihm gibt es zwei verschiedene - in gewisser Weise aber auch ähnliche Erklärungen in I Sam 10 und I Sam 19. Wiederum weckt schon die Existenz zweier Erklärungen Zweifel an der Authentizität beider. Auch in textgeschichtlicher Hinsicht ist wahrscheinlich, dass die Verse 10,10-13 hinter nnsjajn .Kinn DV3 nbxn nmxn eine späte Hinzufügung darstellen.59 Möglicherweise rührt das Sprichwort von Sauls zügellosem Gemütszustand her, wird von ihm doch erzählt, dass er zu Hause in Ekstase geraten sei (lOJm), als ihn ein böser Gottesgeist überkam (I Sam 18,10). Wiederum erscheint es unwahrscheinlich, dass die Erzählungen erfunden wurden, um als Erklärung für ein bestehendes Sprichwort zu dienen.60 Später in diesem Abschnitt wird uns noch Ex 4,26 Abstraktnomen. Tatsächlich übersetzt die Septuaginta konsequent TO üömpTOUeA-synou; ebenso das samaritanische Targum: " T J ' n ; Targum Jonathan übersetzt ¡ O p T D entsprechend der Formulierung der Mischna (Sota V,l): »dass das Wasser sie prüft«; der gleiche Terminus begegnet im Midrasch Numeri Rabba 9 mit Bezug auf Ex 32,20. Offenbar gab es demnach ein Abstraktnomen • , "II2 mit der Bedeutung »Erprobung« bzw. »Versuchung«. 57 Die oben erwähnte enge Beziehung zwischen Name und Inhalt schließt die Möglichkeit von Wortspiel-Elementen nicht aus; vgl. VON RAD, Theologie II (Anm. 52), 96 Anm. 5. 58 Ein deutliches Beispiel findet sich in II Sam 5,8 bezüglich des Sprichworts »Ein Blinder und ein Lahmer kommt nicht ins Haus«; allerdings vermag ich diese Stelle nicht zu erklären. 59 Der Vers »Und Gott gab ihm ein anderes Herz, und es trafen alle diese Zeichen an jenem Tag ein« wirkt wie ein Abschluss, und wenn es danach noch Raum für eine Entfaltung gibt, erwartet man diese doch für alle Zeichen und nicht nur für eines. In der Septuaginta - deren Zeugnis in den Samuelbüchern große Bedeutung hat - sind der Anfang von V. 10 und das Ende von V. 13 identisch: Kai sp/STAI [EKSIÖSV] ei«; xöv Bouvov; tatsächlich ist es schlüssig, dass Saul nach »Gibea« kommt und nicht »zur Höhe (HO2)«. Anscheinend liegt hier eine Wiederaufnahme nach einer Texteinfügung vor; darin wird der letzte Satz vor der Einfügung wiederholt. Mit dem erwähnten Phänomen beschäftigt sich KÜHL, ohne das Material auszuschöpfen; vgl. C. KÜHL, Die >Wiederaufnahme< - ein literarkritisches Prinzip?, ZAW 64 (1952) 1-11. 60 In einem anderen, ähnlichen Fall wurde ein Sprichwort seiner primären Bedeutung durch die Einfügung in eine Erzählung entkleidet: das Rätselwort »Was ist süßer als Honig, und was ist stärker als ein Löwe?« (Jdc 14,18; die richtige Antwort war »die

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beschäftigen, das wohl ebenfalls als Erklärung für die Entstehung eines Sprichworts gemeint ist. Rosin möchte ähnlich auch Gen 21,7 (»Und sie sagte [loxm]: >Wer hätte Abraham gesagt: Sarah stillte Söhne?jeder Mensch, der mich verletzt, soll hart bestraft werdenDein Haus und das Haus deines Vaters werden bis in Ewigkeit vor Mir wandelnNechuschtanWarum (ND bv) hat der HERR so an dieser großen Stadt gehandelt?< Und man wird sagen >weil sie den Bund des HERRN verlassen haben ...Warum hat der HERR SO an diesem Land und an diesem Haus gehandelt?weil sie den HERRN, ihren Gott, verlassen haben ... darum (p -i ?I7) brachte der HERR über sie dieses ganze Unglück«. Noch detaillierter findet sich der gleiche Gedanke in einer späten Schicht des Deuteronomiums: »Alle Völker werden sagen: >Warum (no bü) hat der HERR so an diesem Land gehandelt ...?< Und man wird sagen: w e i l sie den Bund des HERRN, des Gottes ihrer Väter, verlassen haben ... und der HERR verstieß sie von ihrem Boden ... und Er warf sie in ein anderes Land, so wie es heute ist (ntn D V D ) . « 8 4 Nach unserer obigen Deutung ist damit gemeint: >so wie es nun offen zutage liegtOn account of what have these calamities befallen Arabia?< (they answered themselves:) >Because we did not keep the solemn oaths (sworn by) Ashur, because we offended the friendliness of Ashurbanipal, the king, beloved by Ellil! Es soll dir nicht an einem Mann fehlen vor Meinem Angesicht, der auf dem Thron Israels sitzt, wenn nur deine Söhne auf ihren Weg achten, vor Mir zu wandeln, wie du vor Mir gewandelt bist.Es wird dir kein Mann auf dem Thron Israels fehlen. < Wenn aber ihr und eure Söhne euch von Mir abwendet, ... dann werde Ich Israel vom Erdboden auslöschen,77 ... und den Tempel, den Ich Meinem Namen geheiligt habe, werde Ich vor Meinem Angesicht wegschaffen ...«. Die deutlichsten Beispiele aber finden sich im Zusammenhang mit der Herrschaft Manasses in Juda (II Reg 21,7f.): Der König schreckte nicht davor zurück, seine Gräuel im Haus JHWHs aufzustellen, »von dem der H E R R ZU David und zu Salomo, seinem Sohn, gesagt hatte: >In diesem Haus und in Jerusalem, das Ich erwählt habe aus allen Stämmen Israels, werde Ich Meinen Namen sein fürchtete, ein Interesse hatte. Die Erwähnung des Blutvergießens durch Joab in Friedenszeiten in V. 31b-33 fällt auch in ihrem Stil aus dem sachlichen Zusammenhang heraus und ist ein Zusatz, der die Schuld Salomos abzuschwächen und den Tod Joabs als lautere Tat im Andenken an David darzustellen versucht. Ebenso begegnet das Gedenken an David in V. 44f., die ebenfalls aus dem Rahmen fallen und einen Zusatz darstellen, der die Grausamkeit Salomos verdecken will. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass auch das Testament, das David in den Mund gelegt wurde, sekundär ist (I Reg 2,5-9) und den Kreisen entstammt, die Salomo unterstützen und an seiner Verteidigung interessiert sind. Interessanterweise stellen die Verse 2-4 innerhalb des verhandelten sekundären Abschnitts noch eine spätere deuteronomistische Schicht dar; vgl. auch W. SARROWY, Geschichte König Salomos, Königsberg 1900, lOff; M. N o r a , Könige I, (BKAT, IX, 1), Neukirchen-Vluyn 1968, 30-32.36-38. 76 Wieder werden wir an die rabbinische Kategorie »CTiEX HD3« erinnert, die bereits in Anm. 44 angesprochen wurde. 77 In dem späten Zusatz (achte besonders auf »ihr und eure Söhne« in V. 6) findet sich ein weiteres Beispiel für die Verantwortlichkeit der Könige für das Schicksal des ganzen Volkes, die oben als Charakteristikum der deuteronomistischen Geschichtsschreibung notiert wurde.

Von historischer Wirklichkeit zu historiosophischer Konzeption

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lassen auf ewig. Und Ich werde Israels Fuß nicht mehr unstet von dem Boden wandern lassen, den Ich ihren Vätern gegeben habe, wenn sie nur darauf achten, alles zu tun, was Ich ihnen geboten habe, und die ganze Weisung, die ihnen Mein Knecht Mose geboten hat.< Doch sie haben nicht gehört, und Manasse verführte sie, das Böse zu tun ...«. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass Manasse an verschiedenen Stellen (II Reg 21,10-14; 23,26; Jer 15,4) die ganze Verantwortung für die Zerstörung Jerusalems und des Tempels zugeschrieben wird, ebenso für das Ende des davidischen Königtums. Dies verbindet sich in dieser spezifischen und späten Schicht mit einem weiteren Gedanken. Auch dieser ging davon aus, dass das Königreich Juda und das davidische Königtum auf ewig bestehen würden. Angesichts des drohenden Gerichts werden nun die Sünde und die Zerstörung Judas in besonderer Weise betont. So findet sich in II Reg 17,19 ein Zusatz, der aus dem Kontext deutlich herausfällt: »Auch Juda hielt nicht die Gebote des HERRN, ihres Gottes, sondern wandelte nach den Satzungen, nach denen Israel gelebt hatte«. Der Ausdruck »auch Juda« (n-nrr [nx] • ; ) kehrt wieder im Zusammenhang mit der Sünde Manasses in II Reg 21,11; 23,27. Beide Faktoren zusammen bilden gleichsam eine eigene Theodizee, mit der man das Gericht in der Exilszeit rechtfertigte. Bei alldem können wir nicht mit Bestimmtheit sagen, wann jede einzelne der Komponenten dieser späten Schicht erstmals auftauchte, wann sie sich verfestigt haben und wann sie miteinander verbunden wurden. Aus dem Gesagten ergibt sich m.E. ein Weiteres. Psalm 132 liegt daran, die feste Verbindung zwischen der David-Dynastie und der ewigen heiligen Stadt in einer Form herauszuheben, die wohl in der ganzen Bibel ihresgleichen sucht. Der Psalm wirkt wie ein altes Lied, besonders wegen der Darstellung einer Kultzeremonie, in deren Rahmen an die Heraufführung der Lade von Kiijat-Jearim zur Davidsstadt erinnert (und diese möglicherweise sogar rekonstruiert) wurde: »Siehe, wir haben von ihr gehört in Efrata, wir haben sie gefunden in den Gefilden von Jaar« (V. 6). Zugleich aber beinhaltet der Psalm ausdrücklich die soeben besprochene Bedingung: »Wenn deine Söhne Meinen Bund und Mein Zeugnis bewahren, das Ich sie lehre, dann werden auch ihre Söhne immerdar auf deinem Thron sitzen« (V. 12). Im Psalm begegnen weitere Ausdrücke, die nicht auf ein hohes Alter deuten. Da die sorgfältig komponierte Struktur des Psalms keine Scheidung zwischen einer frühen und einer späten Schicht zulässt, bleibt keine Wahl, als einen relativ späten Psalm (ausgehende Königszeit?) anzunehmen, dessen Verfasser seiner Tendenz entsprechend sich bemüht, ihn archaisch wirken zu lassen, dabei jedoch an seiner sprachlichen und sachlichen Inkonsequenz scheitert. Dies lehrt, dass ein Eindruck hohen literarischen Alters nicht immer der sprachlichen und

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sachlichen Prüfung standhält.78 Der Bundesbruch, der in der deuteronomistischen Geschichtsschreibung und indirekt in Psalm 132 thematisiert wird, rächt sich nicht nur an der Dynastie, sondern am ganzen Volk, an Jerusalem, der erwählten Stadt, und am Heiligtum. In diesem Psalm wie in allen oben zitierten Belegen der Redaktionsschichten in den Königsbüchern zeigt sich ein höchst komplexer und interessanter historiosophischer Prozess. Um den Untergang der Daviddynastie und die Zerstörung Jerusalems und des Tempels zu rechtfertigen, knüpft man ihr Bestehen an die Bedingung einer JHWH-gemäßen Lebenspraxis. Diese besteht gemäß der reinen deuteronomistischen Konzeption im Halten der Gebote Gottes und der Tora, die er durch seinen Knecht Mose gegeben hat. An dieser Stelle tritt neben das Konzept der Erwählung das der Vergeltung; darüber hinaus dient das Konzept der Vergeltung zur Rechtfertigung des Gerichts: Es hat nichts anderes als die Strafe Gottes für seinem Volk zu begründen, die angesichts seiner Bundesschlüsse und Verheißungen so schwer zu verstehen war. Nachdem wir uns mit der Entwicklung der Sicht der Daviddynastie und des Tempels beschäftigt haben, ist es angebracht noch einige Bemerkungen zur Sicht der Reichsteilung hinzufugen; auch hier zeichnen sich signifikante Unterschiede und Entwicklungen ab. Im Blick auf unsere Fragestellung kommt den Darstellungen der Reichsteilung deshalb eine besondere Bedeutung zu, weil sich an der uns überlieferten Form zeigen lässt, wie Traditionen, die im Nordreich entstanden sind, judäisch überarbeitet wurden. Bei der Untersuchung dieses Prozesses ist mit Schwierigkeiten zu rechnen, da wir nicht voraussetzen dürfen, dass nur eine Bearbeitung stattgefunden hat, und generell besteht keine Aussicht, die ursprüngliche Schicht genau rekonstruieren zu können. Dies verdeutlicht bereits ein flüchtiger Blick auf I Reg 11: die Erzählung über den Aufstand Jerobeams, die in V. 27 vorbereitet wird, wurde ausgelassen.79 An ihrer Stelle wird das Treffen Jerobeams mit dem Pro78 Zur Struktur des Psalms und zur Gegenüberstellung der zwei Teile, die mit D3t23 •n'p (111) [V. 2] und III 1 ? 'n S?2t!?3 [V. 11] beginnen, und auch zu den Parallelismen zwischen den verschiedenen Teilen vgl. A. CONDAMIN, Poèmes de la Bible, Paris 1933. Auch GESE, Davidsbund (Anm. 59), 13, hält den Psalm fur alt. Doch neben dem Problem der Bedingung ist auf Ausdrücke wie »mein Bund (Tl , 13)«/»mein Zeugnis (THB)« (V. 12), und besonders »deine Priester (~p]nD) ... und deine Frommen ( " p T C m ) « (V. 9.16). Eine Spätdatierung vertritt auch POULSSEN, König und Tempel (Anm. 62), 133. In einer Dissertation aus dem Jahre 1968 über diesen Psalm, die ich nicht gesehen habe, stellt C. B. MCCARTHY die große Ähnlichkeit zwischen Ps 132, der Weisheitsliteratur und der Chronik heraus; vgl. ZAW 81 (1969) 395. 79

J. DEBUS, Die Sünde Jerobeams (FRLANT 93), Göttingen 1967, überzeugt nicht mit seiner Behauptung, aus der Erzählung über den Aufstand Jerobeams sei kein Teil ausgelassen worden.

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pheten Ahija von Schilo erzählt. Die Prophezeiung über das Königtum Jerobeams wird von einer symbolischen Handlung begleitet (V. 29-31, wahrscheinlich V. 37, und vielleicht ein Teil von V. 38). Diese vordeuteronomistische Darstellung, deren Kern80 wahrscheinlich aus dem Nordreich stammt (schließlich geht es um ein Treffen zwischen einem Propheten aus Schilo und dem ersten König des Nordreichs), erfuhr im Süden verschiedene deuteronomistische Bearbeitungen, die nicht gerade mit Sorgfalt durchgeführt wurden. Im Anschluss an eine annalistische Liste zur Bautätigkeit Jerobeams folgen die berühmten Bemerkungen über die Aufstellung der Kälber in Bethel und in Dan und die Einrichtung des Kultes im Nordreich (I Reg 12,26ff.). Hier ist die feindselige judäische Bearbeitung gut zu erkennen. Wahrscheinlich verbirgt sich aber hinter dieser judäischen Bearbeitung eine aus dem Norden stammende Liste der Aktivitäten Jerobeams: Sie setzte das fort, was in V. 25 über seine Bautätigkeit erzählt wurde. Schließlich ist nicht davon auszugehen, dass in den Chroniken des Nordreichs die Gründung des Kultes in Bethel und in Dan keine Erwähnung fand. Trotz der gegenteiligen Ansicht von Noth bestand ursprünglich wohl kein Zusammenhang zwischen den Traditionen über Jerobeam, den Sohn Nebats, und der (im Kern wahrscheinlich judäischen) Erzählung über die Volksversammlung in Sichern, wo Rehabeam, der Sohn Salomos, erscheint, um die Königskrone zu erlangen. Eine späte Hand hat ungeschickt versucht, in 12,2f. (lies: dj?3~t 22?,l!) ein Auftreten Jerobeams in Sichern einzufügen, was aber ohne jegliche organische Verbindung mit der Erzählung bleibt.81 Die Darstellung der Versammlung ist durch und durch novellistisch,82 und man muss bezweifeln, dass sie über den Umstand, dass 80 Ich kann der jüngsten Sicht von NOTH (in Könige I [Anm. 75] z.St.) nicht zustimmen, dass der ganze Abschnitt 11,29-39 deuteronomistisch mit späten Glossen sei. Gleichwohl bin ich nicht sicher, dass in V. 29-31 der ursprüngliche Kern vollständig erhalten ist (V. 37 ist nicht die unmittelbare Fortsetzung von V. 31, auch wenn er einen vordeuteronomistischen Eindruck macht). Möglicherweise wurden Abschnitte aus diesem Kern durch andere Teilverse ersetzt; vgl. das bekannte Problem der zehn Stämme und des einen Stammes. Nicht von der Hand zu weisen ist die Möglichkeit, dass in V. 29 die Formulierung »... und Jerobeam ging aus Jerusalem heraus, und es traf ihn Ahija ...« ursprünglich die Fortsetzung der Erzählung darstellte, die Einzelheiten über den Aufstand Jerobeams, seinen Misserfolg und seine Flucht beinhaltete. 81 Tatsächlich fehlt Jerobeams Auftreten in der Septuaginta am Anfang von Kapitel 12; auf der anderen Seite nimmt es einen sehr viel breiteren Raum in der Parallelerzählung ein, die in der Septuaginta in dem berühmten Zusatz nach 12,24 enthalten ist. 82 Dieser novellistische Charakter der Erzählung steht dem Versuch von A. MALAMAT, Politische Entscheidungsorgane - eine israelitisch-sumerische Parallele« (hebr.), in: Y. KAUFMANN u.a. (Hg.), TN 1 ? TS, FS David Ben-Gurion, Jerusalem 1964, 279-288 (Englisch: Organs of Statecraft in the Israelite Monarchy, BA 28 [1965] 34-58), entgegen, in den »Alten« (D^pT) und »Jungen« ( C ' l V ) , an die Rehabeam sich wendet,

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das Volk den Fronaufseher Adoram steinigte (wo?), hinaus historische Informationen enthält. Jedenfalls ist es extrem schwierig, die Bearbeitungen, die an dieser Novelle vorgenommen wurden, genau zu bestimmen und ihren Charakter und ursprünglichen Herkunftsort zu klären.83 Beinahe der einzige Punkt, bei dem es zu I Reg 12 unter den Exegeten eine gewisse Übereinstimmung gibt, ist die Beurteilung der Verse 21-24: das Auftreten des »Gottesmannes« Schemaja und seine Warnung vor einem Krieg gegen die aufständischen Stämme Israels. Es besteht kein Zweifel, dass hier ein sehr später Zusatz ganz im Stil der Chronik vorliegt.84 Er sucht zu erklären, weshalb es dem rechtmäßigen König Rehabeam nicht gelang, die Herrschaft der Davididen wieder herzustellen. Etwa zweihundert Jahre nach diesen Ereignissen begegnet uns eine andere judäische Beurteilung, die mit dem Davidshaus sympathisiert, bei Jesaja (7,17): »Der H E R R wird über dich und über dein Volk und über das Haus deines Vaters Tage kommen lassen, wie sie nicht gekommen sind seit dem Tage, da Ephraim von Juda abfiel ...« - im Gedächtnis des Judäers war die Reichstrennung als Verrat der Ephraimiten eingegraben. Zu ihrem Höhepunkt gelangt die judäische Tendenz in der Chronik, wo weitere für die Denkweise des Chronisten charakteristische Elemente hinzutreten. Die Darstellung der Ereignisse in Sichern ist hier allerdings mit nur leichten Veränderungen übernommen; der Verfasser beließ sogar in II Chr 10,15 den vorgefundenen Verweis auf Ahijas Worte an Jerobeam, obwohl er die Begegnung zwischen Jerobeam und Ahija ausgelassen hatte. Dadurch entstand eine Unstimmigkeit, wie sie uns bereits begegnet ist und für die es auch an anderen Stellen im Werk des Chronisten nicht an Beispielen mangelt. Allerdings fügt der Chronist zwei Abschnitte hinzu, die in den Königsbüchern fehlen. Im ersten (II Chr 11,13-17) wird erzählt, dass die Priester und die Leviten aus ganz Israel sich Rehabeam anschlos-

staatliche Organe zu sehen, für die er auch außerhalb von Israel ein Beispiel findet, und zwar in der sumerischen Version des Gilgamesch-Epos. 83 Rehabeam erscheint zwar in einem durch und durch negativen Licht, doch die Art der Forderungen ihm gegenüber bezeugt keine Herkunft aus dem Norden des Landes. Die Argumente von I. PLEIN, Erwägungen zur Überlieferung von I Reg 1 126-1420, ZAW, 78 (1966) 8-15, zugunsten einer judäischen Herkunft der Erzählung leuchten ein. Die Novelle trägt weisheitlichen Charakter, und es ist anzunehmen, dass sie aus Weisheitskreisen stammt, die dem Hof in Jerusalem nahe standen; beachte hier die Einzelheiten über den Fronaufseher Adoram und seinen Tod. 84 Chronistisch ist vor allem, dass sich der Prophet nicht an den König, sondern an »... den König von Juda und an das ganze Haus Juda und Benjamin und das übrige Volk ...« wendet, von denen auch danach im Plural die Rede ist, sodann die Darstellung der Ereignisse als Entscheidung Gottes, vor der es kein Entrinnen gibt, und ebenso der Umstand, dass das ganze Volk tatsächlich seinen Worten gehorcht.

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sen, »denn die Leviten verließen ihre Weidebezirke und ihren Besitz und gingen nach Juda und nach Jerusalem, denn Jerobeam und seine Söhne hatten sie vom Priesteramt für den HERRN verworfen... und sie unterstützten das Königreich Juda und stärkten Rehabeam, den Sohn Salomos, drei Jahre lang, denn sie wandelten (er wandelte, "[^n?) auf dem Weg Davids und Salomos drei Jahre«. Die Verurteilung Jerobeams im Blick auf die Priester der Höhenheiligtümer begegnet auch in den Königsbüchern; die Konzen-tration aller Leviten in Juda und Jerusalem ist jedoch eine Hinzufügung des Chronisten - entsprechend seiner Neigung, den Dienst der Leviten in Jerusalem von Anfang an zu verherrlichen. Ebenso wird hier das Verhalten Rehabeams (der in den Königsbüchern so dezidiert negativ beurteilt wird) durch den Zusatz geschönt, er sei in den ersten drei Jahren seiner Königsherrschaft auf den Wegen seiner Väter David und Salomo gewandelt. Doch seine eigentliche und definitive Beurteilung dessen, was sich bei der Reichstrennung ereignete, bringt der Chronist an einer anderen Stelle zum Ausdruck: in einer Rede, die er einer der handelnden Personen in den Mund legt (er bedient sich häufiger dieses Mittels, um seine eigenen Meinungen und Anschauungen auszudrücken). Gemeint ist die Rede Abijas, des Sohnes Rehabeams, vom Berg Zemarajim auf dem Gebirge Ephraim herab (II Chr 13,4-12): »... Hört mich an, Jerobeam und ganz Israel! Solltet ihr nicht wissen, dass der HERR, der Gott Israels, David das Königtum über Israel auf ewig verliehen hat, ihm und seinen Söhnen, durch einen Salzbund? Doch Jerobeam, der Sohn Nebats, der Knecht Salomos, des Sohnes Davids, erhob sich und rebellierte gegen seinen Herrn. Und es sammelten sich um ihn nichtswürdige und schlechte Leute und wurden mächtiger als Rehabeam, der Sohn Salomos, denn Rehabeam war noch jung und zaghaft, und konnte sich nicht gegen sie behaupten.« (V. 4-7) Es handelt sich hier um eine tendenziöse Zusammenfassung der Ereignisse, in der es dem Verfasser durch Kürzungen und Auslassungen gelingt, einen Zusammenhang zwischen dem Wirken Jerobeams und der Volksversammlung in Sichern herzustellen. Wir haben bereits oben gesehen, dass ein ähnlicher Versuch dem Redaktor von I Reg 12 nicht geglückt war. Die Erklärung des Chronisten, auch wenn sie nicht in allen Details überzeugt, ist im Blick auf seine Geschichtskonzeption interessant: Das Verhalten Rehabeams, das in den Königsbüchern dumm und töricht erscheint, erklärt sich aus seiner jugendlichen Zaghaftigkeit; von daher ergeht keine direkte Schuldzuweisung an das Haus Davids, dem Gott das Königtum über Israel auf ewig verliehen hat. Selbstverständlich lässt sich unser Verfasser dabei nicht die Gelegenheit entgehen, das Nordreich zu verurteilen (V. 9-11): »Habt ihr nicht die Priester des HERRN, die Söhne Aarons, und die Leviten verstoßen? ... Und was uns betrifft: Der HERR ist unser Gott, und wir haben Ihn nicht verlassen. Und als Priester dienen dem

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die Söhne Aarons und die Leviten in ihrem Dienst ... Denn wir achten auf die Anordnung des HERRN, unseres Gottes; ihr aber habt Ihn verlassen.« HERRN

Erkenntnis Gottes und historisches Bewußtsein im alten Israel Vor mehr als zwanzig Jahren hat uns Walther Zimmerli mit einem schönen kleinen Buch: Erkenntnis Gottes nach dem Buche Ezechiel, 1954, beschenkt. In gewissem Sinne hatte er diese Schrift bereits durch den im Jahre 1953 in der Festschrift für A. Alt erschienenen Aufsatz: Ich bin der Herr, vorbereitet, der die (ursprünglich im Rahmen des Kultes erfolgende) Selbstvorstellung Gottes zum Gegenstand hatte. Aufsatz und Buch finden ihre Weiterfuhrung und Präzisierung in einer in die Mélanges André Robert 1957 aufgenommenen Studie: Das Wort des göttlichen Selbsterweises (Erweiswort), eine prophetische Gattung.1 In seinem Buch betont Zimmerli, daß das Erkennen Gottes bei Ezechiel stets eine Reaktion des Menschen auf ein handelndes Eingreifen Gottes in die Geschichte darstelle. In seinen Ausführungen zu der Erkenntnis Gottes bei Ezechiel berücksichtigt Zimmerli auch andere Partien des AT, doch ist seine Betrachtungsweise unverkennbar durch ihre Herkunft von den priesterlichen Bestandteilen des AT geprägt: Heiligkeitsgesetz, P und Ezechiel. Sowohl in dem Buch wie in den beiden Aufsätzen stehen formale Gesichtspunkte im Vordergrund des Interesses. Auf Schritt und Tritt bewährt sich die Feinfuhligkeit des Autors für sprachliche und stilistische Erscheinungen. So erwähnt er mehrmals »die schöne Parallelität von n t o und ST'«. Es wird uns noch klarwerden, wie aufschlußreich diese Beobachtung ist. In Seminaren über die Entwicklung des Geschichtsdenkens im AT bzw. über Hauptbegriffe at.lichen Glaubens hat mich das gleiche Thema beschäftigt. Betreffs der Bedeutung, die einer gewissen Form von Gotteserkenntnis für das Geschichtsbewußtsein zukommt, bin ich zu Resultaten gekommen, die denen Zimmeriis sicher nahekommen. Es war aber schon durch die angedeutete Aus-|richtung meiner Beschäftigung bedingt, daß ihre Problemstellungen vorwiegend semantischer und historiographischer * Von denen, deren Hilfe und Rat mir bei dem Schreiben dieses Aufsatzes zustatten gekommen sind, nenne ich hier namentlich meine Assistentin Frau Z. TALS[HIR] und meinen früheren Assistenten Herrn Y. ZAKOVITCH. 1 Die drei genannten Arbeiten sind wieder abgedruckt in W . ZIMMERLI, Gottes Offenbarung. Gesammelte Aufsätze, 1963, und werden im folgenden nach diesem Sammelband (= G.O.) zitiert.

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Erkenntnis

Gottes

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Natur waren. Ausgangspunkt meiner Untersuchungen bildeten zunächst Texte aus dem Deuteronomium und der deuteronomistischen Literatur. Das schließt natürlich einige, bisweilen engere, Übereinstimmung in dem von ihm und mir gebrauchten Textmaterial nicht aus. Ich möchte hoffen, daß die nachstehende Zusammenfassung meiner Erwägungen von Walther Zimmerli und etwaigen andern Lesern als eine Parallele, hie und da vielleicht als Gegenstück zu seinen Ausführungen aufgenommen werden möge. Zweck der hier vorgelegten Studie ist es, die Bedeutung darzustellen, die einer (allem Anschein nach alten) Sonderform des Begriffes »Gotterkennen« für die Geschichtsauffassung im AT zukommt. Zum richtigen Verständnis dieser Form des Gotterkennens scheint mir aber die Voranstellung einiger semantischer Analysen und Vergleiche unerläßlich. Die semantischen Betrachtungen müssen etwas ins Einzelne gehen, manchmal weichen sie auch ab von den mir bekannten lexikologischen Hilfsmitteln.2 Um so nachdrücklicher sei deshalb am Anfang betont, daß sie keinen auch nur entfernten Anspruch auf Vollständigkeit erheben - fallen ja mehrere Bedeutungsnuancen der Wurzel jdc sowie des Begriffs der Gotteserkenntnis von vornherein aus dem durch unsere Problemstellung gegebenen Rahmen. Des weiteren sei hervorgehoben, daß diese Untersuchung, obwohl sie bedeutungsgeschichtliche Elemente enthält, nicht chronologisch vorgeht. Ein konsequent chronologisches Verfahren empfiehlt sich nicht bei der Behandlung semantischer Fragen, insbesondere dort nicht, wo, wie meistens im AT, die textliche Grundlage ziemlich schmal ist. Die semantische Entwicklung ist ja gewöhnlich im vorliterarischen Stadium zum Abschluß gekommen, eine späte Bedeutung kann also schon in einem alten Text vorkommen. Umgekehrt hat sich die Grundbedeutung eines Wortes manchmal gerade in einem recht späten Text erhalten. Auch von Quellenscheidung und Quellendatierung wird daher nur ausnahmsweise die Rede sein. Natürlich soll man sich - das ist unsere dritte und letzte Vorbemerkung - bei jeder semantischen Forschung in einer alten Sprache immer der Unsicherheit bewußt bleiben, ob die untersuchten Denkkategorien sich überhaupt von unserer Begriffswelt her erfassen lassen. |

2

Das gilt auch von den bekannten Untersuchungen E. BAUMANN, 3T und seine Deri-

vate, Z A W

28 (1908) 22-41,

1 1 0 - 1 4 3 u n d G . J. BOTTERWECK, » G o t t e r k e n n e n «

im

Sprachgebrauch des AT (BBB 2), 1951. Verpflichtet fühle ich mich dem anregenden, nicht immer genügend beachteten Beitrag von W. REISS, »Gott nicht kennen« im AT, Z A W 58 (1940-41) 70-98.

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1. Unseren Überlegungen sei thesenartig eine Behauptung über die ursprüngliche Bedeutung der Wurzel jdc im AT vorangestellt. Wir möchten diese als »resultativ« definieren: jdc drückt den Abschluß eines Prozesses der Erfahrung aus. Die Form dieser Erfahrung kann Folge einer Sinneswahrnehmung (gewöhnlich sehen oder hören)3 sein, im weiteren Bereich auch Folge eines Erlebnisses, unter Umständen einer Inspiration. Versuchsweise könnte man diese Ursprungsbedeutung übersetzen: »zur Einsicht gelangen; erkennen«. Manchen Bibelstellen läßt sich die hier angenommene Grundbedeutung von jdc noch deutlich ablesen. Wenn in 2Sam 1,5 ein Bote zu David kommt und ihm den Tod Sauls meldet, wird er mit der Frage empfangen: »Woher weißt du, wie hast du erfahren, daß Saul und sein Sohn Jonathan tot sind?« Der Leser ist geneigt hinzuzudenken: Hast du es selber gesehen oder nur gehört? In Gen 8,7-12 ist von Noahs Erfahrungen nach der Sintflut die Rede. Er läßt verschiedene Vögel aus der Arche fliegen, um festzustellen (hebr.: zu sehen), ob sich die Wasser von der Erde gesenkt haben. Als die Taube nach ihrer zweiten Aussendung um die Abendzeit mit einem abgepflückten Ölblatt in ihrem Schnabel zu ihm zurückkommt (v. 11): »da erkannte Noah, daß sich die Wasser von der Erde verlaufen hatten.« Ein eindrückliches Beispiel von einem Erlebnis, das zur Einsicht bringt, bildet lSam 20,33. Vergeblich legt Jonathan bei seinem Vater Saul Fürsprache für David ein; Saul zeigt sich unerbittlich und befiehlt Jonathan, er solle David vor ihn bringen, denn er sei des Todes schuldig. Jonathan fragt: Warum soll er sterben? Was hat er getan? »Da zückte Saul den Speer gegen ihn, um ihn zu treffen. Nun erkannte Jonathan, daß es bei seinem Vater beschlossene Sache war, David zu töten« (vgl. v. 7.9). Seinem Wesen nach bildet also jdc den Abschluß eines innermenschlichen Vorgangs. Bezeichnenderweise finden wir diese Vorstellung nun auch auf göttliches Wissen übertragen, auch dieses erscheint als Folge einer vorangehenden Erfahrung Gottes. So | heißt es Ps 139,1: »Herr, Du hast mich erforscht und kennst mich (wattedac)\« V. 23: »Erforsche mich und erkenne mein Herz.« Ein 3

Gewöhnlich, aber nicht ausschließlich. In Folge der verbreiteten Erscheinung der Synästhesie (E.STRUCK, Bedeutungslehre, [Stuttgart/Darmstadt] 3 1972 109ff. 114ff.) kann das Resultat jeder Sinneswahrnehmung intellektuelle Färbung annehmen. Lateinisch sapio bedeutet ursprünglich schmecken, riechen, führt aber zur Einsicht, Weisheit, sapientia. Genauso tcm: schmecken, aber z.B. Ps 119,66: »Lehre mich Einsicht (tüb tacam) und Weisheit.« Hi 12,20; Spr 26,16 (vgl. unten Anm. 34) tcm zeigt in allen aramäischen Dialekten eine intellektuelle Bedeutungsnuance. Aus: empfinden nimmt im talmudischen Hebräisch die Bedeutung nachsinnen, nachdenken an. Umgekehrt kann jdc fühlen heißen Hi 21,19; Spr 23,35; Hos 7,9 u.a.

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gewisses Argument für die hier vertretene Annahme, die Grundbedeutung von jdc sei resultativ, kann auch der syntaktischen Form der von uns angeführten Beispiele entlehnt werden. Im Lichte von Ps 139,1 ist das imperfectum consecutivum, das wir auch in Gen 8,11; lSam 20,33 fanden, doch wohl etwas mehr als ein bloßes Narrativum; die Form ist gerade geeignet, das zur Erkenntnis Gelangen als Folge(rung) auszudrücken. Das ist deshalb wichtig, weil sich unser Schluß betreffs der Ursprungsbedeutung von jdc durch weitere sprachlich-syntaktische Beobachtungen stützen läßt. In der Sprache verankert ist die Verbindung jdc bc... durch etwas zu einer Einsicht gelangen. Bei dem Bündnis zwischen den Opferstücken ergeht an Abraham eine Landesverheißung durch Gott. Da fragt er: »Herr, mein Gott, durch was (bammä) soll ich erkennen, daß ich es besitzen werde?« (Gen 15,8). Als Abrahams Knecht am Wasserquell sich überlegt, das von Gott für den Sohn seines Herrn bestimmte Mädchen solle dadurch eine Probe bestehen, ob sie nicht nur ihm, sondern auch seinen Tieren zu trinken gibt, beschließt er diesen Gedanken mit den Worten: »Die soll es sein, die Du Deinem Knechte Isaak bestimmt hast, und durch sie (Qbäh) werde ich erkennen, daß Du Dich gegen meinen Herrn günstig erweisest« (Gen 24,14). Nach der Sünde Israels mit dem goldenen Kalb will Gott Seine Anwesenheit dem Lager des Volkes entziehen. Mose betet inbrünstig, Gott möge doch auch weiter mit dem Volke mitziehen: »Denn wodurch soll sonst erkennbar sein (übammx jiwwädac), daß Du mir und meinem Volke huldreich gesonnen bist?« (Ex 33,16). Josua kündigt dem Volke die wunderbare Spaltung des Jordan an, indem er sagt: »Dadurch (bezöt) sollt ihr erkennen, daß ein lebendiger Gott in eurer Mitte ist« (Jos 3,10). In Ez 20,42 lautet es: »Ihr werdet erkennen, daß Ich der Herr bin, dadurch, daß Ich euch zurückführe (bahabT3T) in das Land Israel« (vgl. v. 44). In all diesen Fällen, und es wurde nur eine beschränkte Auswahl geboten, verlangt oder verspricht jemand ein sicheres Wissen, das sich auf eine Erfahrung stützt, recht besehen auf eine konkrete Sinneswahrnehmung.4 | Am prägnantesten erscheint die hier vertretene Grundbedeutung von jdc\ auf Grund einer Erfahrung zur Einsicht gelangen, wohl in einer anderen festen sprachlichen Verbindung: cattä jädactl nun erkenne ich. Sie 4 Z I M M E R L I S These, daß diese Verbindung von Hause aus in den Bereich des gerichtlichen oder prophetischen Zeichenbeweises gehört (G. O. 90ff.), hat mich, obwohl er später nochmals nachdrücklich dafür eingetreten ist (G. O. 1249), nicht überzeugt. Zwar gibt es eine Reihe von Stellen wie Gen 15,8; Num 16,28; Jos 3,10; vgl. Ps 20,7 (sie werden von ZLMMERLI nicht alle und nicht im gleichen Zusammenhang behandelt), in denen die Gotteserkenntnis von einer Zeichenhandlung her gedeutet werden kann. Doch verdient u.E. die philolo-|gisch-syntaktische Erklärung den Vorzug vor der (zeitbedingten) soziologisch-institutionellen.

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kommt in den verschiedenen Teilen des AT, besonders wenn man ihre Parallelformen einrechnet, gar nicht selten vor. Nachdem Abraham seine Bereitschaft gezeigt hat, Isaak als Opfer darzubringen, spricht der Engel Gottes (Gott) zu ihm (Gen 22,12): »Nun erkenne ich, daß du gottesfurchtig bist, hast du mir ja deinen einzigen Sohn nicht vorenthalten.« Und Jethro spricht, als er von den Wundern gehört hat, die der Herr für Israel getan (Ex 18,11): »Nun erkenne ich, daß der Gott Israels größer ist als alle anderen Götter.«5 Ein gewisser Micha aus dem Gebirge Ephraim hat sich ein Gottesbild angefertigt. Als dann ein Levit zufällig an seinem Hause vorüberkommt und einwilligt, als Hauspriester bei ihm zu bleiben, sieht er darin ein Zeichen Gottes und sagt (Ri 17,13): »Nun bin ich sicher, daß der Herr mir wohltun wird,6 weil der Levit mein Priester geworden ist.« Nachdem Elijah das Kind der Witwe aus Sarepta zu neuem Leben erweckt hat, spricht die Mutter (lKön 17,24): »Nun erkenne ich, daß du ein Gottesmann bist (und daß das Wort des Herrn in deinem Munde Wahrheit ist).«7 In dem Königspsalm 20 wird v. 7 der Strom der Heilswünsche des versammelten Volkes unterbrochen durch den Ausruf: »Nun weiß ich, daß der Herr Seinem Gesalbten (dem König) beisteht und ihn aus Seinem heiligen Himmel erhören wird.« Offenbar spricht hier ein Priester oder vielmehr ein Hof- oder Kultprophet, der nach einer Opferschau bzw. nach einer visionären oder auditiven Inspiration, dem König einen Sieg in der bevorstehenden Feldschlacht ankündigt,8 vgl. v. 8ff.: »Diese ver-|trauen auf Wa5 Freilich sagt Na c aman in derselben Situation 2Kön 5,15: hinne-nä jädactt, daß es außer in Israel keinen Gott gibt in der ganzen Welt (LXX 'I8ou 5r) eyvcoKa), wo man c atts erwarten würde, hinne-nä hat Gen 12,11 ( [ A . B . ] EHRLICH, Randglossen [zur hebräischen Bibel] I, [Leipzig] 1908, 49, faßt hier jädacti richtig als 2. Pers. fem., oder man hat in jädacat zu korrigieren) und 2Kön 4,9 nicht wie cattä konkludierende oder abschließende, sondern die Fortsetzung einleitende Funktion; gleiches gilt lSam 24,21 von der Verbindung w°cattä hinne. Auffallenderweise übersetzt LXX auch in lKön 17,24 (s.u.) ISoü eyvcoKa; offenbar waren die stilistisch-syntaktischen Unterschiede den Übersetzern nicht immer bewußt. 6 Dieses Beispiel weicht um etwas von den anderen cattS yarfa ^-Beispielen ab. Die im Text gegebene Paraphrase folgt in ihrer Motivation der Erklärung des R. David Kimchi zur Stelle. 7 Äußerst beachtenswert ist, daß der Gottesmann nach vollbrachter Wunderhandlung, bei der er nur betend auftritt, ausdrücklich als Träger des »wahrhaftigen« Gotteswortes gedacht ist. 8 Offenbar spricht in Ps 20 mit Ausnahme von v. 7 überall die Gemein-|schaft des Volkes (vgl. v. 6.8-10). Die Frage, ob in v. 7 ein Priester oder ein Prophet spricht, ist m.E. zugunsten des Propheten zu entscheiden (vgl. S. MOWINCKEL, Psalmenstudien III, Kultprophetie usw., [Amsterdam] 1923, 73ff.). In einem hebräisch publizierten Aufsatz: Zur Geschichte und zum Charakter der Prophetie in Israel, Erls 3 (1954) [in diesem Band S. 55-75], habe ich versucht darzulegen, wie die klassische Prophetie in Israel sich aus

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gen, jene auf Rosse; wir aber rufen den Herrn unseren Gott an.« Zu vergleichen sind auch die Worte Joabs, nachdem David seiner Bitte entsprochen hat, Absalom heimkehren zu lassen (2Sam 14,22): »Heute erkennt dein Knecht, daß du mir wohlgesinnt bist, mein Herr und König, weil der König die Bitte seines Knechtes erfüllt.«9 In all den angeführten Beispielen bezeichnet jdc den Durchbruch der Erkenntnis anläßlich eines Ereignisses oder Erlebnisses. Für diesen Durchbruch der Erkenntnis wird an allen im Text besprochenen Bibelstellen eine Form des Perfekts verwendet. Wer unseren Ausführungen über den resultativen Bedeutungscharakter von jdc gefolgt ist, wird sich nicht wundern, daß (und damit schließen wir die Reihe unserer sprachlichen Beobachtungen zur Erhärtung der von uns angenommenen Grundbedeutung von jdc ab) das Perfektum von jdc, wie von vielen anderen Verben, oft präsentische Bedeutung hat. Die Belege für diese Erscheinung sind so zahlreich, daß eine Auswahl fast willkürlich ausfallen muß. Wenn Dtn 31,27 dem Mose der Stoßseufzer in den Mund gelegt wird: »Denn ich kenne (jädacti) deinen Ungehorsam und deine Halsstarrigkeit ...« (vgl. auch Gottes Worte in v. 21b), so können darin bewußt die langen schweren Erfahrungen seines Lebens nachklingen,10 wie die Fortsetzung des Verses zeigt. Aber wenn Kains Antwort auf Gottes Frage: »Wo ist dein Bruder Abel?« lautet: »Ich weiß es nicht (lö jadactt), bin ich denn meines Bruders Hüter?« (Gen 4,9), so ist der präsentische Gebrauch des Perfekts schon erstarrt. Das Gleiche gilt für Ez 37,3: »Und Er sprach zu mir: Menschenkind, können wohl diese (so verdorrten) Gebeine wieder lebendig werden? Da antwortete ich: Herr, mein Gott, Du weißt es (3attä jädactä)\ An den genannten Stellen, das sei beiläufig angemerkt, scheint nbtt nicht (mehr) Verfluchung zu bedeuten, so wenig wie Ps. x 7 (und lix 13). Ps. x 7 vor ib. 8 lässt vermuten, es handle sich um Worte, wie sie Prv. i 11-14 den Bösen in den Mund gelegt werden, also etwa heimtückisches Gerede, mit dem ein Anschlag vorbereitet wirdSäuglingenKIDinXDin< zusteht, dem gegeben wird, der »gut ist vor Gott« (DTI^KH 21ED), und dies ist gleichbedeutend mit jemandem, der in all seinem Tun erfolgreich ist (2,26 als Fortsetzung von 2,24b). 57 Eine moralisierende Attitüde im Zusammenhang mit dem Zinsverbot geben auch die jüdisch-hellenistischen Autoren zu erkennen, die sich mit der Thematik befassten. So sagt etwa Josephus Ant IV,8,25 (266): »Denn es ist nicht gerecht, den Besitz seines Stammesgenossen als Gewinn an sich zu ziehen. Vielmehr soll man seiner Not aufhelfen und seinen Dank sowie die Vergeltung, die Gott der Barmherzigkeit gewährt, als hinreichenden Gewinn ansehen.« [dt. nach: H. Clementz, Des Flavius Josephus Jüdische Altertümer, I. Bd., Berlin/Wien 1923]. Noch weiter geht Philo von Alexandria, der sich in SpecLeg II 75 sehr scharf gegen denjenigen äußert, der gegen Zins verleiht: »Dir, o Wucherer, möchte ich aber zurufen: was suchst du durch den Schein der Nächstenliebe deine Selbstsucht zu verhüllen? Warum gibst du dir den trügerischen Anschein edler und menschenfreundlicher Gesinnung, während du dich in deinen Taten menschenfeindlich

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Darlehen, Bürgschaft und Zins

Eine weitere Bestätigung dafür bietet Lev 25,36, dessen Untersuchung wir ein wenig zurückgestellt hatten: »Nimm nicht Zins und Aufschlag (rva-im ~|E?i) von ihm und fürchte dich vor deinem Gott, dass dein Bruder neben dir leben kann«.58 Im Heiligkeitsgesetz findet sich die Schlussformel »du sollst dich fürchten vor deinem Gott« bei (sozial-)ethischen Geboten (Lev 19,14.32; 25,17.43). Bereits die Rabbinen haben gesehen, dass diese Formel bei »Dingen, die an das Herz gerichtet sind«, begegnet. Dieselbe Funktion hat die Schlussformel: »Ich bin der HERR«, welche die Rabbinen im gleichen Sinne auslegten. In den meisten der behandelten Fälle treten beide Formeln gemeinsam auf (Lev 19,14.32; 25,17). 59 Bezüglich des Ausdrucks »Gottesfurcht« ('n nK~r) müssen wir berücksichtigen, dass er für die Weisheitsliteratur charakteristisch ist. Er begegnet häufig in den Pro-

und höchst grausam zeigst, da du mehr als du gegeben - wohl gar das doppelte - einziehst und den Armen noch ärmer machst?« [dt. nach L. Cohn (Hg.), Die Werke Philos von Alexandria in deutscher Übersetzung, 2. Teil, Breslau 1910], Vgl. auch Philo, Virt 82-87. - In diesem Zusammenhang ist die Septuaginta zu Jer 9,4f. von Interesse. Wie längst beobachtet, ist der masoretische Text an dieser Stelle korrupt und statt seiner ist zu

lesen: HD")» "pro "¡n

IN1?] (?)11Sn npff "131 DJ!»1? HD1? l-DT N1? nOKI ...

'tllK n3JT 1]KG n m 0 3 . Eben diese richtige Lesart lag dem Übersetzer der LXX noch vor, allerdings kannte er die hebräische Vokabel "¡in (»Unrechtes«) nicht. Aus diesem Grunde begnügte er sich mit einer griechischen Transkription. Ein späterer Bearbeiter gräzisierte den Text, indem er schrieb: TÔKOÇ È7Ù TÔKTA, SôXoç èjti dôkcp. In einem Kontext, in dem es durchweg um Unehrlichkeit und Betrug geht, verstand es sich gleichsam von selbst, auch die Zinsnahme als ein Beispiel fur Verderbtheit einzubringen. - Die gleiche Verurteilung des Verleihers auf Zins ist auch in der rabbinischen Literatur verbreitet. Ein markantes Beispiel dafür ist die Tatsache, dass auch die Mischna denjenigen, der gegen Zins verleiht, unter die rechnet, die weder als Richter noch als Zeugen fungieren dürfen (Rosch ha-Schana 1,8; Sanhédrin 111,3). 58 Die hier angestellten Überlegungen haben Konsequenzen für die Textgestalt unseres Verses. Wahrscheinlich stellt "[HB "¡TIN Tll eine andere Lesart zu "|0SJ T P am Ende von V. 35 dar, und der Satz "pn'pNQ ¡INT wurde ursprünglich mit 'PI fortgeführt, so wie in den übrigen genannten Versen. Es könnte auch sein, dass vor einer Einbindung

von V. 37 auf "pn'pXO nKTl in V. 36 unmittelbar folgte: TlNSin TÖN •DTl'PK 'n 'JK

• DnK (V. 38). Diese zweite Möglichkeit könnte also NEUFELDs oben erwähnte Annahme (Prohibitions [Anm. 53]) stützen, V. 37 entstamme einem anderen Zusammenhang. 59 »... eine Sache, die an das Herz gerichtet ist« nODH 1 3 1 ) ; vgl. bQidduschin 32b; entsprechend heißt es in Sifra zu Lev 18,2-3: »Ich bin der HERR euer Gott. ... Ich bin es, der das Geschlecht der Sintflut bestraft hat und die Männer von Sodom und die Ägypter, und in Zukunft werde Ich euch bestrafen, wenn ihr tut, wie sie getan.« Bekanntlich bezieht sich die Wendung: »wer die Leute vom Zeitalter der Sintflut und vom Zeitalter der Spaltung bestraft hat, wird dereinst auch den bestrafen ... «, in der Regel auf Dinge, die zwar nicht strikt verboten sind, denen aber ein moralischer Makel anhaftet (vgl. Baba Metsia IV,2 u.ö.).

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und Zins

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verbien, bei Hiob, in den Weisheitspsalmen, bei Ben Sira und auch bei Kohelet, wenn auch in einer eigenen Prägung. 60 Ein weiterer Pentateuchtext, der das Zinsverbot behandelt, findet sich in einer komplexen und vielseitigen Sammlung von Gesetzesvorschriften. Es handelt sich um Dtn23,20f.: »Du sollst von deinem Bruder keinen Zins nehmen, weder Zins für Geld noch Zins für Speise noch Zins für irgend etwas, was man bezinsen kann. Von dem Ausländer magst du Zins nehmen, von deinem Bruder aber sollst du keinen Zins nehmen, auf dass der HERR, dein Gott, dich segne, im Geschäft deiner Hand in dem Lande, dahin du kommst, es in Besitz zu nehmen«. Es fallt sogleich auf, dass sich das Verbot hier wesenhaft von den bisherigen Belegen in (Exodus und) Levitikus unterscheidet. Hier wird der Terminus technicus -pt&n (Hapaxlegomenon) verwendet, der in den vorausgehenden Gesetzen anscheinend noch nicht bekannt war. Mehr noch, schließen wir uns Loewenstamm an, der eine ursprüngliche Differenzierung zwischen Zins auf Lebensmittel ( R V M O ) und Zins auf Geld (~[E?3) annahm, so ist diese Unterscheidung in Dtn 23 völlig verwischt: jede Art von Zins wird "¡»3 genannt. Zudem ist hier das Bemühen erkennbar, dem Leser eine erschöpfende Zusammenfassung zu bieten: »Zins für Geld, Zins für Speise, Zins für irgend etwas, was man bezinsen kann« (V. 20). Schon diese Überlegungen erweisen unseren Text deutlich als den spätesten unter den Torabestimmungen, die vermeintlich oder tatsächlich vom Zinsnehmen handeln.61 Doch gibt es dafür 60 Vgl. J.BECKER, Gottesfurcht im Alten Testament (AnBib 25), Rom 1965. J. HASPECKER, Gottesfurcht bei Jesus Sirach, Rom 1967, befasst sich mit der gesamten Weltsicht Ben Siras, deren Grundlage s.E. der Begriff der Gottesfurcht bildet. An diesem Punkt wird der Gegensatz zwischen Ben Sira und Kohelet deutlich. Wir haben bereits bemerkt (s.o. Anm. 56), dass bei Kohelet die Kontingenz an die Stelle der göttlichen Vorsehung tritt, wie sie uns aus der biblischen Literatur insgesamt wie auch aus der Weisheit bekannt ist. Von daher wandelt sich die Gottesfurcht zur Einstellung auf das Unvorhersehbare, das jeden Augenblick eintreten kann. 61 H. G A M O R A N , The Biblical Law Against Loans on Interest, JNES 30 ( 1 9 7 1 ) 17134.132, hat - im Gegensatz zu all seinen Vorgängern - richtig gesehen, dass unter den Gesetzen, die das Zinsnehmen verbieten, das im Deuteronomium das späteste ist. Demgegenüber geht das neue umfassende Werk von A. CHOLEWINSKI, Heiligkeitsgesetz und Deuteronomium, R o m 1976, wieder von der Annahme aus, jede Vorschrift, die im Heiligkeitsgesetz erscheint, sei später als die Gesetze im Deuteronomium. Eine solche Vorgabe kann jedoch nicht unbesehen übernommen werden. In diesem Beitrag hat sich für wenigstens zwei gesetzliche Bestimmungen (Schuldenerlass und Zinsverbot) ergeben, dass gerade das Deuteronomium die späteste Fassung repräsentiert. Das möchte ich jedoch nicht dahingehend verallgemeinern, dass jede Vorschrift im Heiligkeitsgesetz früher sei als ihr Gegenstück im Deuteronomium. Wir haben Sammlungen von Rechtsbestimmungen vor uns, die in verschiedenen gesellschaftlichen Kreisen entstanden sind; die darin enthaltenen Vorschriften sind unterschiedlicher Art, und ihr Ursprung erstreckt sich über Jahrhunderte. Es kommt vor, dass die älteste Form im Heiligkeitsgesetz enthalten ist, was aber nicht ausschließt, dass gelegentlich das Deuteronomium die ursprünglichere

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Darlehen, Bürgschaft und Zins

einen noch schlagenderen Beweis. Das Konzept des Darlehens erfahrt hier eine Bedeutungserweiterung, die den Begriff vollständig verändert. Diese Erweiterung wird an der Einfuhrung des n s : ersichtlich. Gerade in der deuteronomistischen Literatur können wir diesen mit großer Genauigkeit definieren. Nach Dtn29,21ff. werden Künftige von nah und fern über die Zerstörung des Landes durch JHWH als Strafe für die Sünden Seines Volkes entsetzt sein: »Und das künftige Geschlecht, eure Kinder, die nach euch erstehen werden, und der Ausländer, der aus fernem Lande kommt, ... werden sagen: ... Warum hat der HERR diesem Lande solches angetan? ...«. Entsprechend sagt Salomo im deuteronomistischen Tempelweihgebet: »Auch den Fremden, ... der aus fernem Lande kommt... , wenn er kommt und zu diesem Hause hin betet, mögest du ihn erhören im Himmel, der Stätte deines Thronens ...« (I Reg 8,41-43). Nach Auffassung dieser Texte gehört der '"Da, der ursprünglich aus der Ferne - wohl in Handelsgeschäften - gekommen war, nicht zu den Bewohnern des Landes Israel. Wenn man ihm etwas leiht, so geschieht dies nicht, um einen Armen zu unterstützen, sondern um ihm Geld zur Verfugung zu stellen, das er für seine Geschäfte und zu seinem Gewinn einsetzt. In einem solchen Fall ist eine Zinsforderung nicht verboten. In der nationalen Grundstimmung des Deuteronomiums kommt dies als scharfer Gegensatz zum Ausdruck: »Von dem Fremden magst du Zins nehmen, von deinem Bruder aber sollst du keinen Zins nehmen« (Dtn 23,21). Tatsächlich haben wir es hier dem Endstadium einer politischen und wirtschaftlichen Entwicklung zu tun. Das Zitat aus dem späten Text in I Reg 8 zeigt zugleich, dass sich parallel zu der Erweiterung des ethnischen und religiösen Horizontes auch die religiösen Auffassungen geweitet haben. Hier sind nun noch einige Bemerkungen zur Entwicklung in der Bewertung des Darlehens und zum Hintergrund der Gesetze gegen die Zinsnahme angebracht. Erhellend ist ein Vergleich mit außerisraelitischen Einstellungen und Gesetzen, hauptsächlich griechischen und römischen.62 Jeder Vergleich dieser Art birgt natürlich von vornherein ein gewisses Risiko, ist doch die Differenz zwischen den Lebensbedingungen und dem Denken in Griechenland und Rom einerseits und der Welt der Bibel andererseits erheblich. Schon zwischen Griechenland und Rom selbst bestehen hier beträchtliche Unterschiede, welche die unterschiedlichen Denkweisen

Form einer bestimmten Vorschrift bewahrt hat. Jeder einzelne Fall bedarf einer eigenen Untersuchung; dies kann hier jedoch nicht weiter ausgeführt werden. 62 Eine äußerst nützliche Übersicht über außerisraelitische Zinsauffassungen bietet R. P. MALONEY, Usury in Greek, Roman and Rabbinic Thought, Tr. 27 (1971) 79-109. Ein Gutteil der hier angeführten außerisraelitischen Beispiele ist diesem Aufsatz entnommen. Den Hinweis auf diesen wichtigen Beitrag verdanke ich meinem Kollegen Prof. A . KLEIMANN.

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dieser beiden großen Kulturen schön widerspiegeln. Zwar findet man in Griechenland Gesetze, deren Ziel es ist, den wirtschaftlichen Niedergang der bedürftigen Schuldner zu verhindern, aber Angelegenheiten von Darlehen und Zins waren Themen, für die sich hauptsächlich Philosophen interessierten. Dagegen gehört diese Thematik in Rom nahezu vollständig zur Sozial- und Rechtsgeschichte. Man kann also sagen, dass das griechische Material der Weisheitsliteratur in Israel näher steht, während der Vergleich mit den römischen Gesetzen Licht auf die gesetzlichen Vorschriften und auf die Sozialgeschichte Israels werfen kann. Die Gesetze Solons haben wir bereits erwähnt; weniger berühmte Gesetze wurden in griechischen Städten in den Jahrhunderten danach erlassen. Die beiden größten griechischen Philosophen, Piaton und Aristoteles,63 sprechen sich jeweils gegen die Zinsnahme bei Darlehen aus. In Rom finden wir Gesetze gegen die Schuldsklaverei, darüber hinaus solche, welche die Zinsnahme grundsätzlich verbieten. Diese Tendenzen erreichen ihren Höhepunkt im 4. Jh. und dann wieder im letzten Jahrhundert v.d.Z. Allerdings muss man sagen, dass sie die ganze Geschichte der römischen Gesetzgebung begleiten, angefangen vom Zwölftafelgesetz bis hin zum Codex Justinianus, das heißt vom 5. Jh. v.d.Z. bis zum 6. Jh. n.d.Z.64 Zwischen der Zinsgesetzgebung in Rom bzw. Israel gibt es sowohl Gemeinsames als wohl auch einen wesentlichen Unterschied. Wir wissen, dass die römischen Gesetze in der Praxis nicht angewandt wurden; es gibt Grund zur Annahme, dass eben dies auch für Israel zutrifft. 65 Zugleich scheint es jedoch, dass dem Trennenden zwischen den beiden Kulturen mehr Gewicht zukommt als dem Verbindenden. In Rom waren die Gesetze gegen das Zinsnehmen die Folge immer wiederkehrender Unruhen der Volksmassen. Von daher kann man fragen, ob es in Israel ähnliche Phänomene waren, welche die biblische Gesetzgebung gegen Zins bewirkten. Ein Forscher hat die These vertreten, dies sei tatsächlich der Fall gewesen.66 Wegen des Mangels an historischen Daten lässt sich nur schwer entscheiden, ob er damit Recht hat. Wir können die Möglichkeit nicht ausschließen, dass die Verbitterung der verarmten Schuldner mitunter Formen von Aufruhr annahm. Immerhin haben wir dafür wenigstens ein Beispiel: 63

Piaton, Nomoi V 742c; Aristoteles, Politika I 10 (1258b). Vgl. Livius, Ab urbe condita VII 42, VIII 28. Vgl. auch: F. KLINGMÜLLER, Art. Fenus, PRE 12 (1909) 2187-2205.2193. 65 Einen immer wieder zitierten Beleg für die Nichterfüllung des Zinsverbotes hat man bei den Juden in Elephantine gefunden. In einem nahezu vollständig erhaltenen Vertrag über ein Darlehen aus der Mitte des 5. Jh. v.d.Z. begegnet die Zinszahlung als etwas Selbstverständliches. Vgl. A. COWLEY, Aramaic Papyri of the Fifth Century B.C., Oxford 1923, Nr. 10. Weitere, fragmentarisch erhaltene Urkunden belegen, dass diese Praxis in der Kolonie verbreitet war. 66 A. MENES, Die vorexilischen Gesetze Israels, Giessen 1928. 64

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Darlehen, Bürgschaft und Zins

das »Zetergeschrei des Volkes« (Neh 5,1) wegen seiner Notlage zur Zeit Nehemias. Gleichwohl bildete die Reaktion der ärmeren Schichten in Israel wohl nur einen Nebenfaktor bei der Entstehung der biblischen Gesetze gegen das Zinsnehmen; wie die Gesetze der Tora im allgemeinen, entsprangen sie vielmehr dem starken religiösen und ethischen Willen der Gesetzgeber.

A Psalm from Pre-Regal Times To Prof. H. L. Ginsberg on his sixtieth birthday

During the recent decades scholars have been dealing on and again with a poem, the two sections of which provide a prologue and epilogue to the collection of epigrams and songs in Deut. xxxiii called The Blessing of Moses. The original unity of this poem had been noticed ever since the commentaries of Steuernagel (1900) and Bertholet (1904). The more recent studies have contributed considerably towards a better understanding of our poem; certain historical conclusions to be drawn from it were arrived at, almost incidentally, some forty years ago. Today, anyone attempting to express an opinion of his own on this psalm will come to realise in advance how much he is indebted to earlier critics.1 To a certain extent this study will constitute a summary of what has already been pointed out by others, while, on the other hand, the original opinions he may venture to suggest will be, by their very nature, disputable and open to question. Thus from the very outset it can hardly be hoped that all the suggestions put forward will be worthy of the approval of fellow-critics. I shall begin with rendering the poem in my own reconstruction: | (a)

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1 In addition to ancient, mediaevel and modern commentaries on Deuteronomy I consulted a number of the monographs on Deut. xxxiii a.o. K. H. GRAF, Der Segen Moses', 1857; C.J.BALL, The Blessing of Moses, PSBA 18 (1896) 118-137; K. BUDDE, Der Segen Moses, 1922; U. CASSUTO, II capitolo 33 del Deuteronomio e la Festa del Capo d'Anno, RSO 11 (1928) 233-253; F. M. CROSS/D. N. FREEDMAN, The Blessing of Moses, JBL 67 (1948) 191-210. Especially on our poem: TH. H. GASTER, Ancient Eulogy of Israel, JBL 66 (1947) 53-62. On details: H. S. NYBERG, ZDMG 92 (1938) 320-345 (from a completely different approach). CROSS/FREEDMAN, BASOR 108 (1947) 6; H. L. GINSBERG, BASOR 110 (1948) 26, and J. T. MLLIK, Bib. 38 (1957) 252-255. On the historical conception of our psalm cp. E. SELLIN, Geschichte des israelitisch-jiidischen Volkes I, 1924, 99f.

A Psalm from Pre-Regal Times

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: ^ N - u y di? v t a s w m ( d ) n e w 'n m p - j s Tan-;! (h)

D,pna; imNia i r u n • , Qt!? 3 D i nbiu runt nnnai m p ti^k njyo (l) (?) T'JDC?n • "pSO © i n a) npjr p n a nan pen *7t2 1S1B 1 VOT t]K t&TVJYI | J 1 y i K (k) yen: o r - p o d ^ian is too easily guessed at, and, as an emendation would seem rather 'second rate'. When one looks at the word-combination (33)n_Q(K) in the Massoretic version an original "ins (phr, puhru) seems to suggest itself. I would not exclude the possibility that somehow in the process of the text-transmission this had been corrupted, not being understood anymore (and so eventually disappeared from the Biblical Hebrew Lexicon!). In any case I have no doubt whatsoever that

EHRLICH'S comments on Gen. xiii 10 (Randglossen I 52), where for KBH in idiomatic word-combinations he claims the sense 'in Aktion setzen'. It is of interest to note that the Mesha c -inscription (1. 20, 30) uses the (transitive) verb to describe the 'leading of an army against the enemy'. 6 fjjgj-g c a n hardly be reasonable doubt that in Ps. vii 8 - in the context of which God appears as the Judge of the nations - ~p310n •"l[n]'?X m s ? ! should be read instead of - p a i o n D,I3KI? m o i ; cp. R. TOURNAY, Les psaumes complexes, RB 56 (1949) 4755, who quotes previous upholders of this view. He also points to the relation between Ps. xxix 1-2 and xcvi 7-8, discussed in the text of this study, and in my opinion is correct in maintaining that the substitution of ^SO» 1 (MT) for (LXX, Qumran) in Deut. xxxii 8 must be considered as intentional. I would like to add that in Ps. xcix 2 DTaun bs Kin D i l corresponds to • Tl'PK bt> bs r v b j n "IKD in Ps. xcvii 9; the assumption that the original reading was (OTI^K) C ^ N n bo bo Sin DTI seems to be justified. Tendentious corrections originating from religious scruples certainly do exist in MT (see my remarks in the wake of GEIGER'S theories: Tarb. 24 [1955] 125 Hebrew [in diesem Band S. 425ff.] but it is impossible to discover any consistency or system in such corrections. I doubt whether J. KÖNIG, L'activité herméneutique des scribes, RHR 141142 (1962), is correct in describing the revisions in question as an >activité méthodique^ (141, 161; my above mentioned article in Tarbiz apparently escaped his notice). A. GONZALEZ, Le Psaume lxxxii, VT 13 (1963) 293ff., admits the occurence of tendentious alterations (especially 301 "), but seeks - unduly, I think - to reduce their number.

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is to be regarded here as cr^K m j phr ilm. It is worthwhile mentioning that the term • , K n p appears in additional passages in the Bible as parallel to ""ja. Ps. lxxxix 6-9 serves here as an outstanding example. The word-combinations D1*?« • , E n p bnp and D'Knp 110 alternate in those verses. Indeed the Canaanite characteristics of Ps. xxix as well as those of the prologue in Ps. lxxxix are undisputed in contemporary Psalm criticism. This will prove to be of importance when we come to draw conclusions regarding the poem, to which both the passages cited above are parallel. From the structural point of view, it should be noted that the line i r ^ Q in1? m u x stands alone, in sharp contrast with the distichs both preceding and following it, which together constitute the description of the theophany. It would thus seem to be that there is a line missing here. Unfortunately the meaning of n n p « is not altogether | clear. 7 The use of the verbs m t and ITDin in the description of the theophany may lend some support to an etymology according to which the words "lb nntSK irD'D 8 would be a torso of what was to describe the radiant splendour in which the Lord reveals Himself to His people. If this reconstruction is correct the text would seem to describe the revelation of a God of Light in his radiance. However the mergence of two distinct personalities is somewhat evident in this theophany: The Deity appears as the God of the desert, but also figures a Supreme God of a pantheon having Canaanite-Phoenician characteristics. 9 (Likewise is Ps. xxix and in Hab. iii features of Canaanite provenance and of the desertGod seem to merge in the description of the Deity). The Assembly of the Tribes. The God whose revelation has just been described appears 10lib and, as the tribes of Israel and the leaders of the people are gathered together, becomes King in Yeshurun. Ehrlich commenting on vs. 5 writes: "Subjekt zu t h ist JHVH. Danach wäre die Sache sonderbarerweise so dargestellt, dass JHVH in Folge des Beschlusses einer Versammlung, bei der alle Stämme zugegen waren, von Israel als König, das heisst hier Gott, angenommen wurde". He wrote this in 1909,10 7 In contradistinction to the tendency in the Aramaic Targumim to find here an allusion to the Giving of the Law at Sinai (touched upon on page 80 note 1 [note 4]) LXX finds here a mention of the angelic entourage of the Deity SK 8S^IC5V auxou ayyeXoi NET' auxoo, almost in the vein described above. Hieronymus, in the Vulgate's rendering 'ignea lex' betrays the influence of his Palestinian Jewish masters. 8 Cp. critical note c) and the comments of BALL quoted there. 9 It should be noted that in our poem the God of Israel appears as the Supreme God heading a pantheon whereas in Deut. xxxii 8-9 YHWH would be represented as a member of a pantheon headed by EL, if EISSFELDT'S view JSSt 1 (1956) 29 be correct, as I believe it is. 10 [EHRLICH,] Randglossen II, 1909, 347, the same explanation even in his earlier Hebrew work lBltPSD i n p o I, 1899, 380. Rashi and Nahmanides, by the way, under-

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a long time before Mowinckel had published the second volume of his Psalmenstudien, in which he worked out the famous theory that the Lord was annually acclaimed as King over Israel and as King in the realm of nature, at the New Year festival. Ehrlich, however, did not have the ritual of an annual festival in mind, neither did some other scholars who guessed at a historical setting of our poem. On the other hand, Cassuto, citing Ps. xlvii 10, maintained that in Deut. xxxiii 5 a ritual festival is clearly | reflected in which the New Year was celebrated and in which the Lord was proclaimed King over the tribes of Israel.11 In fact it seems to me surprising that Mowinckel and his school did not make better use of the passage we are dealing with so as to further establish the theory of the celebration of the Lord's enthronement. If Deut. xxxiii 5 can indeed establish the fact that such a festival had existed in Israel, it would clearly appear that, regarding the text and the poem in which it is included, the festival had a national rather than a cosmic character.12 However, I have yet to be convinced (and, while writing this I regard the notion as a hopelessly outdated heresy) that we must interpret the text concerned (and those parallel to it) as pertinent to a ceremony performed again and again every year. Might it not reflect a singular event in which the tribes of Israel, or some of them acclaim as King the God who had assisted them in their wars - as can be seen for example in Jos. xxiv - even if, admittedly, the details of the historical situation in question are unknown to us?13 There is no doubt, of course, that such a pompous declaration had been incorporated in a cultic ceremony. Still when tribes came to be unified under one banner this was originally due to singular historical situations. In illustrating this, the battle of Megiddo, following which the Song of Deborah was com-

stood the Lord to be the subject of TP1, though their general interpretation differs from the ones quoted in the text. 11 < l > RSO 11 (1928) 34; cp. e.g. W. SCHMIDT, Königtum Gottes in Ugarit und Israel, 1961, 68. 12

In this I am in accordance with H. J. KRAUS, Die Königsherrschaft Gottes im A.T., 1951; he stresses this point of view in the first edition of his Gottesdienst in Israel, 1954, even more than in the second (1962). For a similar opinion see A. CAQUOT, Le Psaume xlvii, RHPhR 39 (1959) 301ff., especially 326. 1 3 I am far, of course, from unearthing connections between an individual Psalm and an odd historical event we happen to have evidence of. (It has been said of H. GRAETZ that he knew the street and house-number of every Psalm!) On the other hand, we should keep in mind that even in the case of psalms which later came to be employed periodically in the cult, these had originally been composed for a singular and very specific occasion. Here the words of C. WESTERMANN (Das Loben Gottes in den Psalmen, 1954, 13) are worth heeding "... der 'Sitz im Leben' des Hymnus ist: das Erfahren des Eingreifens Gottes in die Geschichte"! I am not favourably inclined to the predisposition to find an echo of regular cultic celebrations in every narrative which presents itself as an account of a particular historical event!

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posed, serves as an outstanding example. We have already touched upon the affinity of the Song of Deborah to our poem, and we may yet find that this resemblance goes even further. The Ode of Praise in context and its relation to the Prologue. Let us leave aside for a moment the question whether our poem has to do with an annual festival or reflects a singular historical event. However | this may be, we regard as justified Gaster's suggestion that the hymn in vv. 26-29 was sung in the tribal assembly mentioned in vs. 5. It is interesting to note that the none-too-frequent appellation appears both in vv. 5 and 26. Yet one cannot maintain that p n e r (vs. 26) follows directly after ^K-lZ?1 ,B3t& n r r ay ' W l *]OXnm (end of vs. 5). It is obvious that a connecting link between the two parts of the poem is missing. Indeed quite a time ago Bertholet remarked: 'Es scheint durch die Einarbeitung von vv. 625 ein Stichos verloren gegangen zu sein'. Any attempt to work out such a connecting link would from the outset be fraught with uncertainties. Even if the verses 2, 3, 5, 26-29 do belong together, as has been supposed by others and as I have suggested myself, we cannot be sure that the original connecting passage between these sections has been preserved. One is involuntarily inclined to look for it in the series of tribal songs to be found between vv. 5 and 26, known as 'The Blessing of Moses'. In v. 21 we come across the words " W i familiar to us from vs. 5. This time it appears in the sentence ov WXl K m at the end of the 'Blessing' of the tribe Gad. Its connection with this tribal song is not too clear. We must acknowledge the fact that the entire section is a difficult one, which has puzzled the various commentators. 14 Following the sentence quoted above we read - what is seemingly pertaining to the tribe of Gad, of whose history we know but little - Da vost&m new 'n n p n s b i n t y . Most of the commentators are inclined to regard the tribe of Gad as the subject of the verb nt&JJ. They find here evidence that, on acquiring his portion of land to the east of the Jordan, this tribe kept its pledge to the Lord and to Israel. But this interpretation does not account for the clause DU " W i K m and it is not too easily assumed that the faithfulness with which the tribe kept its promise would have been expressed in these words, 14 < s From the viewpoint of form the oldest nucleus of the epigram must be 13 ipip S?nr t]1Cll p 0 N ^ D (For form-critical analysis in general cp. H. J. KITTEL, Die Stammesspriiche Israels, 1959). The additional sentence n p b n O JV0K"! NTT ppirtO which apparently contains an allusion to what is told in Num. xxxii, seems to be much later: during the conquest, or even before, the tribe of Gad chose for himself the 'pick of the land', East of Jordan, assigned to him as his share by the Lawgiver (|1S0 might be a variant reading of ,31S1? vs. 19). The opening phrase (13) STHD "I1"13 could have been added simultaneously or even later on the occasion of a successful war in Trans-Jordan, the details of which are not known to us. (The epigram by all means is complete in itself without the final sentence 21b).

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neither is it easily comprehensible why Gad alone of all the tribes, would earn such ethico-|religious praise.15 On account of the expressions ""E^n 017, 'n np-tx, Skic; 1 di? v a s a o i Cross/Freedman are inclined, as others have been before them, to connect vs. 21b with the prologue or, more exactly, with one of its components. However, they regard vs. 4 as an integral part of the poem and refrain from establishing a logical sequence throughout by the means of textual emendations,16 which seem to them rather bold and arbitrary. But if we are to bring to light this logical sequence we will not be able to dispense with textual reconstructions altogether.17 When one reads 01? vtDSB7D1 nC217 'n np~lH it is difficult not to recall passages such as ns?l7 *n m p i s bo m ooriN noss?«! • DTTQK nxi DonK 1 Sam. xii 7, cp. similar occurrences of 'n m p n s in Jdg. v 11; Mich, vi 5. These passages induce the interpreter to render the noun in the sentence ^H-itr 017... nttfi? 'n n p i x in the plural form m p t u . 1 8 Accordingly the Lord would turn out to be the subject of a sentence which comes to tell about the acts of deliverance the Lord has performed for Israel. vtSSI27li has to be a parallel to mp~!^, this is completely in keeping with the interpretation proposed here. The verb U"2c; bears the meaning of deliverance and in this sense it is used not infrequently with God as subject (cp. 2 Sam. xviii 19, 31) BDtyo n"E717 comes to denote the same thing (Mich, vii 9, Ps. ix 5 etc.). A more substantial parallel to our text can be found in Ps. ciii 6 | •,plE7l7 bdb D'BS&m *n m p i x ns;i7 (cp. Ps. xcix 4,

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It is worth noting that in the Siphre to our verse and in a great variety of passages in the Talmud and Midrash Moses is made to be the subject of our sentence, obviously because to the Rabbis the Massoretic text seemed to state expressly that he has been buried in the territory of Gad (b. Sotah 13 b etc.); perhaps this was also due to the misgiving the Rabbis had about Gad's suitability to serve as the subject of our sentence. 16 In line with the LXX yfj äpxövxöjv auvr(y|XEvo)v they accept however the conjecture, first proposed by GIESEBRECHT, ZAW 7 (1887) 291ff., p B O K m a transposition of ]1SD and K m . This solution met with the approval of several scholars (STEUERNAGEL, B U D D E , W. SCHMIDT a.o.). The proposal, in my opinion, is more surprising than convincing - I am far from being sure that such a word was actually in front of the LXX translator; it does not solve the difficulties of the context at all. 17 I cannot withhold my misgivings with regard to certain - predominantly American - critics, who admit in MT only such textual errors as are accounted for by the peculiarities of the most ancient orthography or - at a pinch - by the ancient versions. The Massoretic version, after a long and complicated process of transmission, has been handed down to us in a condition which demands that the requirements of context, Gattung, and general purport be taken into consideration; cp. my remarks VT 11.1961, 20 Iff. 18 j n a 'relative clause' like this the form in status constructus might be preferable; cp Is. xxix 1, Ps. lxxxi 6, xc 15ab, Job xxix 2b (but also cp. Is. xv 7 with Jer. xlviii 36); GESENIUS-KAUTZSCH, § 130d; E. KÖNIG, Syntax, § 337y.

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cxlvi 7).19 In view of the passages cited above, especially Jdg. v 11 ^ t o e r a u n a m p n s 'n rnpnx urn d®, I suggest to regard Deut. xxxiii 21b as the continuation of vs. 5, as follows: b i n e r in -1 •!? 'tPm ^ o x n m biOEr • » VBStPDl HEW 'n m p n a u r n . That is to say that the tribes assemble to extol the glorious feats of deliverance performed for them by their God. Then they raise their voices exclaiming: jTlEr b t o p x . The words DJ? ' W l (vs. 21b) are spurious and are to be deleted. They appear to be a kind of Stichwortverbindung that has crept into the text somehow in the none-too-clear process of the transposition of vs. 21 from its original place immediately after vs. 5, to its present one. 20 The Ode of Praise. If our reasoning and suggestions till this point are not without foundation, the background to this panegyric in vv. 26-29 is familiar to us. The tribes praise the might and greatness of their God when assembled together in a solemn ceremony - a singular or a regularly recurrent one - after having acknowledged His kingship over them. This observation was already made by Gaster in an article in which he established what I take to be the true character of the hymn and has further contributed towards a better appreciation of the text in question by his emendations. The paean of the God of Israel and the account of Israel's good fortune merge in this hymn. And, what is more important, one can further discern between different elements and even between different stages in the very concept of the Deity. (Obviously there is need here for caution: Just how far our poet is conscious of these subtle distinctions and just how near he approaches our categories of thought remains an open question). The portrayal of the God has cosmic features familiar to us from foreign cultures especially that of Canaan. Appellations such as 'Rider upon the Heavens', 'Rider over the Skies' are | reminiscent of the Canaanite epic - maybe they underwent in our poem some change of meaning. 21 In our text the Deity is

19 < l > In a primitive society without jurisdiction the law of the jungle prevails. The contending parties begin to recognize the verdict of an arbitrator Cp21 t3"Stff) who naturally becomes the defender of the weak (as e.g. Is. i 17b, Jer. xxii 16a). On the semasiological and theological implications of the various shades of meaning of £3"SK? and cp. L. KÖHLER, Die hebräische Rechtsgemeinde, 1931, in: [DERS.,] Der hebräische Mensch, 1953, 151-152, and his Theologie des AT, 1936, 14-17. 2 0 I am aware of a certain foolhardiness in the view set forth above. I would like, however, to point to a, it is true, only very remote parallel. In 1925, F. BUHL, Zur Vorgeschichte des Buches Hiob ([Vom Alten Testament,] FS [K.] Marti, [Gießen 1925]) demonstrated convincingly that a fragment of the lost, original dispute between Job and his friends has crept in in Job xxvii 5-6, in the totally different context of a much later stratum. 21 nsiJJ 2DT seems to mean originally the God who makes the clouds his carriage (cp. Ps. civ 3) and hence it points to a fertility-God; see for details W. SCHMIDT, Königtum Gottes in Ugarit und Israel, 1961, 68f. In our psalm and in Ps. lxviii the picture

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at the same time the God of Yeshurun, the God of Israel. No god can rank with Him, because it is He who brings salvation to His people, drives out the inhabitants of Canaan and lays the land conquered at the feet of the victorious tribes of Israel. (A similar mergence of different concepts of the Deity can be found in Ps. lxviii. The Canaanite affinities of this psalm in which rnDlU appears as an appellative of the Deity have been duly acknowledged. Towards the end of the psalm it is said of the God lb binen hx ... • , pn2;3 IT in mito ^xnEn by OTI'PK'? TI> un ... m p Dl?1? niDSym Tl? ]ni Kin. These words are clearly reminiscent of the poem in Deut. xxxiii and might even be regarded as an ancient and authentic interpretation to it). As to the difficult lines: n m ? nnnoi m p T6K mui2 • b i y many opinions have been expressed and many suggestions made.22 Gaster slightly emends the text, reading: d^HJ n m r nnnm Dip nai?o seeing here an allusion to the subjugation of the Gods of Canaan by the God of Israel, in conquering the land for His people. The emendation and subsequent interpretation suggested by Gaster involve certain difficulties. 23 The general idea, however, fits the context well. | However true it may prove to be that the notion of the God of Israel vanquishing the Gods of the Canaanites in the Conquest is hardly to be found in the Bible, 24 one may still maintain, and it is indeed quite plausible, that this motif played a part seems to have been transformed to that of the God who comes to the rescue of His people. 2 2 A very ingenious emendation has been put forward by H. L. GINSBERG who in BASOR 110 (1948) 26 assumes that the initial a is a dittography of the final D of vs. 26 and proposes to read D^ll? n m 1 n n a i D i p b n x HtSJ (already K. H. GRAF had combined the word n n n ö with the root lY'nn to stretch). This brillant suggestion obtains by a minimum of alteration a bicolon in flawless biblical Hebrew, which has several parallels in O.T. poetry. Also the idea of a God who builds his eternal and divine abode admirably harmonizes with the Canaanite atmosphere with which our poem is imbued. But however tempting this reconstruction may be I cannot accept it because I do not see that the context in which God is depicted as a Helper in the wars of the conquest would be compatible with the picture of a God building his residence. 2 3 For NJY in the sense of 'subjugate' GASTER himself brings no parallel; perhaps we may refer to passages like Num. xxiv 24; 2 Sam. vii 10. A stronger objection may be felt in the use of the terms m p and D^IB as epithets of Canaanite Gods. However such use is conceivable when it finally serves to enhance the Glory of the God of Israel, n n n m i t is an attractive combination in view of the synonymous in~)T T3B (Ez. xxx 21, Ps. x 15, Job xxxviii 15; the supposed meaning of •t?117 HI'"IT (= mighty Gods), on the other hand, is, to the best of my knowledge, without parallel in the Bible and kindred literature. 24 At first glance 2 Sam. vii 23 seems to offer a parallel ... "]Dtf ^ a a - [ S O i m v n ^ X I C U when Thou sent flying (cp. LXX!) before Thy people nations and its (! sic) gods; the parallel passage 1 Chron. xvii 21 omits the last word. The LXX, however seems to reflect the more correct reading (and not, as A. GEIGER, Urschrift [und Übersetzungen der Bibel], 289, maintains, a tendentious correction) by rendering TOO ¿KßaXsiv a e ... 80VTJ Kai CTKrivcbuaxa c b n x i o n ) nations and tribes, cp. Ps. lxxxiii 7.

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in epic poems glorifying the Conquest. Hardly any trace of this literature exists,25 having been overwhelmed by later accounts in prose. Hence one should not regard it as impossible that this motif had figured in our text, which, of all the traditions pertaining to the Conquest, seems to be the most ancient. We may even further suppose that this motif does not figure here in its original role. It may actually have been a cosmic-mythological motif originally, figuring in a battle of gods in which the supreme God secured for himself domination over the world by vanquishing his divine predecessors.26 This cosmic-mythological motif would appear to have taken on a national and historical character on being applied - may be even at the epic stage of Hebrew literature - to the subject of Israel's history. This supposed process is much in line with the biblical idea of history. Examples illustrating this abound.27 Our poet sets great store by the good fortune of Israel, as it dwells safely in a land that has been conquered, rich in corn and vintage and blessed with dew from its heavens. But in spite of this tranquil picture, the God of Israel is nevertheless seen as the 'Shield of help' and the 'Sword of excellency' of the nation, and, at the very | conclusion of the poem the enemies are seen vanquished28 as the conquering nations treads on their backs.29 Two strands of feeling run through this hymn: one, a feeling of security acquired through settling and taking root in the land; the other, a still vivid recollection of recent battles and victories. Religio-historical and Traditio-historical Conclusions. On account of its vocabulary and style the text discussed should date back to a considera25 < 2 > x h a t such epic p o e m s were in existence cannot be doubted since a "ItffTI "ISO and a 'n m o n b o "ISO are expressly mentioned and quoted; there is no n e e d here to dwell o n the theories o f CASPARI, MOWINCKEL, and CASSUTO o n this issue. 2 6 C A S S U T O had maintained and demonstrated already that the motif of the battle of the gods and the dethronement of one of them, which we find in Greek mythology, e.g. in the work of Hesiod, may have its source in Canaanite examples; cp. especially haEIah c Anath (Hebrew), 1951,43-44. 27 The transformation of the cosmic agricultural festivals into memorial days of religio-national history is, in a sense, an example. A striking instance is to be found in Is. li 9-10, where the common motif of the annihilation of Chaos by the creating God has been transformed into an allusion to the cleaving of the Red Sea, after the Exodus, 'in order that the rescued men might pass through'; cp. also page 87 note 1 [note 21] above. 28 Da ist der H E R R < « ( E Z 48,35). Mag uns diese Auffassung auch etwas primitiv erscheinen, liegt sie letztlich doch den primären Konzepten des biblischen Kultes zu Grunde: der Wallfahrt, bei der die Gottesfürchtigen zum Tempel strömen, um ihren Gott zu sehen,7 und ebenso der Zentralisation des Kults in Jerusalem, der heiligen

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Zu Ps 132 s. bes. H.-J. KRAUS, Die Königsherrschaft Gottes im AT, Tübingen 1951, 51-59. Allerdings zeigt er keinerlei Verständnis für die vollendete literarische Struktur des Psalmes. Hierzu vgl. A. CONDAMIN, Poèmes de la Bible, Paris 2 1933, 257ff., nach J. K. ZENNER, Die Chorgesänge im Buche der Psalmen, Freiburg i. Br. 1896. 6 Dies hebt W. STAERK, Zum alttestamentlichen Erwählungsglauben, ZAW 55 (1937) lff., schön hervor. 7 Aus der umfangreichen Literatur über das Schauen von Gottes Angesicht als Ziel des Kultes in Israel verdient besondere Beachtung: F. NÖTSCHER, »Das Angesicht Gottes schauen« nach biblischer und babylonischer Auffassung, Würzburg 1924. Die Ursprüng(S. D. Luzatto; die entscheidenden lichkeit der Vokalisierung 'n 'JS (!) n x (!) Stellen sind Ex 34,24; Dtn 31,11; Jes 1,12) bezeugen auch Apk 22,4: Kai Ö\|/OVTCU TO

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Stadt. Ein spätes Echo dieser Auffassung vernehmen wir noch an einigen Stellen der rabbinischen Literatur: »Menschen, die ihr Geld und Gold ablegen und sich auf Wallfahrt begeben, um das Angesicht der Schechina im Tempel aufzusuchen« (Abot de Rabbi Natan 28).

II Naturgemäß gewann seit dem Exil die Wallfahrt eine neue Bedeutung in der Lebenswelt des Volkes. In der Epoche des Zweiten Tempels kam die Einheit des Judentums nicht nur in der Konzentration auf das Studium der Tora und das Halten der Gebote, sondern auch - in nicht geringerem Ausmaß - in der Wallfahrt nach Jerusalem, das für alle Diasporajuden den Mittelpunkt darstellte, zum Ausdruck.8 In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass nur ein Teil der in der Diaspora lebenden Juden die Pflicht zur Wallfahrt jedes Jahr erfüllen konnte; viele von ihnen besuchten Jerusalem lediglich einmal in ihrem Leben, und manchen gelang nicht einmal dies.9 Die räumliche Entfernung vom heiligen Ort und die dadurch geweckte Sehnsucht bei den in der hellenistischen Diaspora Lebenden spiegelt sich in der Septuagintaübersetzung der Psalmüberschrift n j v ' r j ; D ' p m D^K (Ps 56[55],1) authentisch wider: »Für das fern von seinem Heiligtum wohnende Volk«.10 Die hier beschriebenen Verhältnisse hatten gewichtige Konsequenzen. Der Umstand, dass der Kult nicht konkret praktiziert werden kann, führt naturgemäß zu einer stärkeren Betonung seiner geistigen Grundlagen und insbesondere zu einer Entwicklung der spirituellen Bedeutung Jerusalems. Zugleich wird die Wallfahrt zum Gegenstand von Sehnsucht und Träumen und beginnt als Grundlage messianischer Hoffnungen zu dienen. Von nun an werden die Wallfahrer zum Vorbild für das in der Diaspora lebende Israel: Einstmals werden sie alle nach Jerusalem ziehen, und es werden sich ihnen alle Völker anschließen, »Gold und Weihrauch werden sie bringen und des HERRN Lob verkünden« (Jes 60,6).

TtpoCTöTtov CIÜTOÖ und die Diskussion in bChagiga 2a-b über die Frage, ob das Gebot, Gott zu schauen, auch für einen Blinden gelte. 8 A. CAUSSE, Le Mythe de la nouvelle Jérusalem du Deutéro-Esaïe à la IIIe Sibylle, RHPR 18 (1938) 377-414; sowie DERS., La vision de la nouvelle Jérusalem (És. 60), in: Mélanges syriens offerts a Monsieur René Dussaud II, Paris 1939, 739ff. 9 Aus Ps 122,1: »Ich freute mich über die, die mir sagten: Lasset uns ziehen zum Hause des HERRN«, geht hervor, dass bereits in der biblischen Zeit die kollektive Beteiligung von Dorfbewohnern an der Pilgerfahrt (entsprechend der Schilderung im talmudischen Traktat Bikkurim) eine recht seltene Erscheinung war. 10 DJtsp TOÖ Xaoß xoß hno TCÛV àyicov ne|J.aKpuWiévou (Ps 55,1 LXX).

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Diese Motive erscheinen bereits in der frühnachexilischen Prophetie, die von der künftigen Pracht des neuerbauten Jerusalem spricht. Jes 60 ist ein klassischer Beleg für diese Stimmung, die in der späteren Literatur vielfach nachwirkt. 11 In hellenistischer Zeit wird gleichzeitig mit diesem Motiv das starke Bestreben des Diasporajudentums betont, Nichtjuden zum Judentum zu bekehren und sie unter den »Flügeln der Schechina« zu versammeln; in den Worten der jüdischen Sibylle: »Und dann wird das Volk des großen Gottes wieder stark sein, sie, die allen Sterblichen Wegweiser des Lebens sein werden.« Eine Verknüpfung der genannten Motive dürfen wir vielleicht in einer Vision desselben Werkes sehen - in einer etwas späteren Schicht: »Und dann wird er ein Reich für ewige Zeiten errichten... Und man bringt von der ganzen Erde Weihrauch und Gaben hin zu des großen Gottes Behausung, und da wird kein Haus sein bei den Menschen noch späten Geschlechtern zur Kunde als jenes, welches der Herrgott den gläubigen Männern zur Ehre gegeben.« 12

III Wenden wir uns von dieser weit gespannten Vision wieder der Wirklichkeit in der hellenistischen Epoche zu. Bei Philo (Prov 2,64; vgl. auch LegGai 23,153) und auch im Neuen Testament (Act 2) finden wir Beschreibungen der Erfahrungen von Jerusalem-Wallfahrern. Wie es scheint, besitzen wir sogar ein noch älteres Zeugnis in den Psalmen: »Der HERR liebt die Tore Zions mehr als alle Wohnungen in Jakob ... Ich zähle Ägypten und Babel zu denen, die Mich kennen, auch die Philister und Tyrer samt den Kuschitern: >Die sind hier geborene Doch von Zion wird man sagen: >Mann für Mann ist darin geborenDie sind hier geboren.